Almanach 2008

Almanach 2008 Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 32. Folge


Herausgeber: Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis www.schwarzwald-baar-kreis.de landratsamt@schwarzwald-baar-kreis.de Redaktion: Karl Heim, Landrat Dr. Joachim Sturm, Kreisarchivar Wilfried Dold, Redakteur Karl Volk, Realschuloberlehrer Hans-Werner Fischer, Dipl.-Bibliothekar Willi Todt, Geschäftsführer Für den Inhalt der Beiträge sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Nachdrucke und Vervielfältigungen jeder Art werden nur mit Einwilligung der Redaktion und unter Angabe der Fundstelle gestattet. Gestaltung und Verlag: doldverlag, Vöhrenbach www.doldverlag.de Druck und Vertrieb: Todt Druck + Medien GmbH + Co. KG Villingen-Schwenningen EAN-ISBN: 978-3-927677-54-8 ISBN: 3-927677-54-X


Ehrenliste der Freunde und Förderer des Almanach 200 8 Willi Aker,Triberg AGVS Aluminium Werke GmbH Villingen-Schwenningen ANUBA AG, Vöhrenbach Bad Dürrheimer Mineralbrunnen GmbH + Co. KG, Bad Dürrheim Baden-Württembergische Bank Filiale Donaueschingen Hess AG Form + Licht Villingen-Schwenningen Hezel GmbH, Entsorgungsfachbetrieb Mönchweiler Hinzsch Schaumstofftechnik GmbH & Co. KG Mönchweiler KBS-Sprltztechnik GmbH, Schonach Vermessungsbüro Mandolla + Gilbert Villingen-Schwenningen BIW Burger Industriewerk GmbH & Co. KG Präzisionstechnik, Schonach Spedition Julius Mayer, Bräunlingen Coats GmbH, Bräunlingen Leopold und Poldl Messmer, Freie Architekten Furtwangen EGT Energievertrieb GmbH, Triberg EGT Gebäudetechnik GmbH, Triberg Edgar u. Sibylle Friedrich Eisenmann Druckguss GmbH Villingen-Schwenningen Energiedienst AG, Rheinfelden Emil Frei GmbH & Co. – Lackfabrik Bräunlingen-Döggingen Fürstlich Fürstenbergische Brauerei GmbH & Co. KG Donaueschingen ebm-papst St. Georgen GmbH & Co. KG St. Georgen Günter Helmut Papst, St. Georgen PAPST LICENSING GmbH & Co. KG St. Georgen RENA Sondermaschinen GmbH Gütenbach SBS-Feintechnlk GmbH & Co. KG, Schonach SCHMIDTTechnology GmbH, St. Georgen Dipl.-Ing. Marcus Greiner Donaueschingen Anton Schneider Söhne GmbH + Co. KG Schonach Bauunternehmung Hermann GmbH Furtwangen Schwarzwaldhof Fleisch- u. Wurstwaren GmbH Blumberg 3


S. Siedle & Söhne Telefon- und Telegrafenwerke OHG, Furtwangen Siemens VDO Automotive AG Villingen-Schwenningen Top-Bauträger GmbH, Villingen-Schwenningen Rainer Trippel, Karlsbad TRW Automotive GmbH, Blumberg Sparkasse Schwarzwald-Baar mit 53 Geschäftsstellen Volksbank Triberg eG STEIN Automation GmbH + Co. KG Villingen-Schwenningen F. K. Wiebelt GmbH + Co. KG Villingen-Schwenningen Sternplastic Hellstem GmbH & Co. KG Villingen-Schwenningen Wiha Werkzeuge GmbH, Schonach SVS Energie GmbH, Villingen-Schwenningen STRAUB-VERPACKUNGEN GmbH, Bräunlingen Johann Wintermantel Verwaltungs-GmbH & Co. KG Kies-, Schotter- u. Betonwerke Donaueschingen 12 weitere Freunde und Förderer des Almanach wünschen, namentlich nicht genannt zu werden. Blick lom Turm der Benedlktlnerklrche über die Villin ger A ltstadt m it Münster. A


Heimat und Klimawandel Dem Heimatjahrbuch 2 008 des Schwarzwald-Baar-Kreises zum Geleit Klimawandei ist in aller Munde. Nachdem Hin­ weise und Warnungen von Wissenschaftlern jahrzehntelang von der Politik nahezu ignoriert wurden, sind die Gefahren des sich abzeichnen­ den Klimawandels nun zu einem politischen Megathema geworden. Die Mächtigen der Welt haben sich beim G8- Gipfel in Heiligendamm – nicht zuletzt auf Drän­ gen der Bundesregierung – dieses Themas an­ genommen. Die Bundeskanzlerin hat sich im Au­ gust 2007 auf Grönland mit dem Bundesum­ weltminister selbst ein Bild vom Schmelzen der Grönlandgletscher gemacht. Und im Herbst 2007 hat die Bundesregierung ein ehrgeiziges Klima­ schutzprogramm verabschiedet. Was bedeutet der Klimawandel für uns im Schwarzwald-Baar-Kreis? Können wir ein paar Wärmegrade mehr im Schwarzwald und auf der Baar nicht ganz gut vertragen? Auch wenn der Sommer 2007 das Gegenteil zu beweisen scheint: Nach einhelliger Auffas­ sung der Klimaforscher müssen wir in Zukunft mit heißen, trockenen Sommern und regenrei­ chen Wintern rechnen. So sehr sich der eine oder andere über hei­ ße, trockene Sommer freuen mag; für unsere Land- und Forstwirtschaft kann dies gravieren­ de, negative Folgen haben. Und wer noch das Wintermärchen von 2005/2006 mit einer mona­ telang geschlossenen Schneedecke in Erinne­ rung hat, mag sich gar nicht vorstellen, dass wir künftig im Winter nicht mehr durch den knir­ schenden, glitzernden Schnee stapfen, sondern nur noch mit dem Schirm durch den feucht-kal­ ten Regen. Der Tourismus, ein wichtiger W irt­ schaftsfaktor im Schwarzwald-Baar-Kreis, würde empfindliche Einbußen erleiden. Also keineswegs nur rosige Aussichten bei höheren Temperaturen. Vor allem haben die letzten Jahre aber ge­ zeigt, dass auch wir im Zuge des Klimawandels werden nicht ohne Klimakatastrophen Auch weit entfernte häufiger mit Wetterextremen rechnen müssen. Erinnert sei hier nur an das Hagelunwetter im Ju­ ni 2006 (vgl. Almanach 2007). Sturmböen, Hagel und Überschwemmungen mit hohen Schäden werden künftig vermutlich keine Seltenheit mehr sein. Bedrohlich wird es abervorallem, wenn wir den Blick über unsere engere Heimat hinaus ausweiten. Großflächige Dürrekatastrophen, Was­ sermangel und Über­ schwemmungen in vie­ len Teilen der Erde wer­ den in unserer globali­ sierten Welt nicht ohne Rückwirkungen auf un­ ser Alltagsleben blei­ ben. Auch wir haben al­ so allen Grund, die Folgen des Klimawandels ernst zu nehmen und im Rahmen unserer Mög­ lichkeiten diese zu minimieren. Rückwirkungen auf unseren Alltag blei­ ben. Auch wir müs­ sen den Klimawan­ del ernst nehmen! Was aber können wir schon gegen den glo­ balen Klimawandel tun? Auch hier gilt: Global denken, lokal handeln. Das ehrgeizige Programm der Bundesregierung kann nur Wirkung zeigen, wenn es vor Ort um­ gesetzt wird. Und Möglichkeiten gibt es viele. Die effektivste Möglichkeit, bei der jeder mit­ machen kann, ist, möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Hier kommt in unseren Breitengra­ den der Wärmedämmung bei Gebäuden eine be­ sondere Bedeutung zu. Der Landkreis wird bei seinen Immobilien hier einen Schwerpunkt set­ zen. Das Schöne beim Energiesparen ist, dass man dabei nicht nur etwas für das Klima tut, son­ dern langfristig auch seinen Geldbeutel schont. Um möglichst vielen Kreiseinwohnern die viel­ fältigen Möglichkeiten der Energieeinsparung aufzeigen zu können, prüft die Kreisverwaltung zur Zeit mit weiteren Partnern die Einrichtung ei­ ner Energieagentur im Landkreis. 5


Zum G eleit Eine weitere Möglichkeit, den C0 2-Ausstoß zu reduzieren, ist die Nutzung regenerativer Ener­ gien. Hier nimmt der Schwarzwald-Baar-Kreis bei der Nutzung nachwachsender Rohstoffe in Biogasanlagen bereits heute im Regierungsbe­ zirk Freiburg einen Spitzenplatz ein. Darüber hinaus bietet sich im waldreichen Schwarzwald die Nutzung des nachwachsenden Rohstoffes Holz sowohl als Nutzholz wie auch als Brenn­ stoff an. So hat der Landkreis, um seiner Vor­ bildfunktion gerecht zu werden, beim Neubau des Straßenmeisterei­ stützpunktes in Furt- wangen-Neukirch eine Pellets-Heizung einge­ baut. Auch das neue Zentratklinikum in Vil­ lingen-Schwenningen wird überwiegend mit Holz als Energieträger beheizt werden. lich genutzt und die kraft umweltfreund­ touristische Attrak­ tivität des Landkrei­ ses gesteigert wer­ Der Linachstausee und der Kirnberg­ see sind Beispiele dafür, wie Wasser­ den kann. Wind- und Wasser­ kraft sind weitere Mög­ lichkeiten, regenerative Energiequellen zu nut­ zen. Der Linachstausee und der Kirnbergsee sind Beispiele, wie Wasserkraft umweltfreundlich ge­ nutzt und gleichzeitig die touristische Attrakti­ vität gesteigert werden kann. Auch Windräder sind im Schwarzwald-Baar-Kreis keine Selten­ heit, allerdings in unserer sensiblen Schwarz­ waldlandschaft nicht immer unproblematisch. Besichtigung der neuen Biogas­ anlage a u f d e r Deponie Tunin- gen, lon links: Dr. Rainer Gott­ schalk (Fa. Enersys), Regie­ rungslizepräsident Frank Sche­ rer, Landrat Karl Heim, Erster Landesbeamter Joachim Gwin- ner und Bürgerm eister Jürgen Roth (Tuningen). cherweise gewinnt auch im Schwarzwald-Baar- Kreis der Einbau von Photovoltaikanlagen immer mehr an Bedeutung. So hat der Landkreis bereits vor einiger Zeit damit begonnen, alle geeigneten Dachflächen unserer Schulen mit Photovoltaik­ anlagen auszustatten. Ein weiteres Feld werden die stillgelegten Deponieflächen sein. Auch wir im Schwarzwald-Baar-Kreis haben also viele Möglichkeiten, unseren Beitrag zur EindämmungderGefahren des Klimawandeiszu leisten. Nutzen wir sie gerade auch im Interesse unserer schönen, lebenswerten Heimat. Ich bedanke mich auch in diesem Jahr sehr herzlich bei den vielen Firmen und treuen Freun­ den des Almanach, ohne deren großzügige För­ derung die Herausgabe dieses Jahrbuches nicht möglich wäre. Herzlichen Dank auch den vielen Autoren und Fotografen, die dazu beigetragen haben, dass wieder ein ansprechendes, informatives Heimatjahrbuch entstehen konnte. Herzlichen Dank vor allem aber auch den treuen Lesern des Almanach. Ich würde mich freuen, wenn auch die 32. Ausgabe viele lese­ freudige Freunde finden würde. Ih r Schließlich bietet sich als nie versiegende Energiequelle natürlich die Sonne an. Erfreuli­ K arl Heim , L a n dra t 6


l . Ka p i t e l A u s d e e K r e i s g e s c h e h e n Der wirtschaftliche Aufschwung sorgt für Rückgang der Arbeitslosigkeit Die höheren Steuereinnahmen schaffen endlich wieder Spielraum für Investitionen Erfreulicherweise hat sich 200 7 der sich bereits im Jahr 2 0 0 6 abzeichnende wirtschaft­ liche Aufschwung fortgesetzt und gefestigt. Dies führte endlich auch zu einer deutlichen Abnahm e der Arbeitslosenzahlen im Landkreis: Im Juli 2 007 betrug die Arbeitslosen­ quote 4 ,5% und lag dam it noch unter dem Landesdurchschnitt von 5,4% . Leider wirkte sich dies (noch) nicht entsprechend auf die Sozialkosten des Landkreises aus. Aber im­ merhin, es gab eine gewisse Entspannung und die höheren Steuereinnahmen schafften endlich wieder Spielraum für Investitionen und einen gewissen Schuldenabbau. Auch in den kom­ Die Sanierungsarbeiten am Internat unserer Hotelfachschule – der größten Baumaßnahme im Schulbereich – wurden planmäßig fortge­ führt. In der Hotelfach- schule konnten die Ser­ vierräume samt Ein­ gangsbereich renoviert und völlig neu gestaltet werden. reich im Haushalt wird der Schulbe­ menden Jahren des Landkreises ein punkt sein. Investitionsschwer­ Auch in den kom­ menden Jahren wird der Schulbereich der Inves­ titionsschwerpunkt im Kreishaushalt sein. Der Sanierungs- und Erneu­ erungsbedarfin den Schulgebäuden ist groß. Im So konnte der Landkreis 2007 seit vielen Jahren wieder nennenswerte Eigenmittel für den Kreis­ straßenbau aufwenden. Eine gelungene Maß­ nahme, die mit namhafter Unterstützung des Bundes realisiert werden konnte, ist der umfas­ sende Ausbau der Kreisstraße zwischen Bräun­ lingen und Döggingen mit einem parallel dazu verlaufenden Radweg. Investitionsschwerpunkt und ein Schwer­ punkt der Kreispolitik waren der Schulbereich. Endlich konnte der seit vielen Jahren geplante Umbau der Turnhalle an der Kaufmännischen Schule in Villingen und der Erweiterungsbau an der Feintechnikschule mit Technischem Gymna­ sium in Schwenningen in Angriff genommen wer­ den. Bereits im Juli 2007 wurde an der Feintech­ nikschule Richtfest ge­ feiert. Im Frühjahr 2008 soll der Erweiterungs­ bau bezogen werden. Land rat Karl Heim bei der Einweihung des neuen Radweges entlang der Kreisstraße lon Bräunlingen nach Döggingen. 7


Aus d e m Kreisgeschehen Lebendige Kreispolitik: Richtfest an der Feintechnik­ schule in VS-Schwenningen, Besuch der Komitats- lersam m lung des P artnerschaftskom itats Bäcs- Kiskun u nd Z ukunftsplanung: Bei e in e r K lausur­ tagung h a t der Kreistag die künftige Entwicklung des Landkreises beraten. Herbst hat der zuständige Kreistagsausschuss einen Prioritätenkatalog über die in den nächs­ ten Jahren anstehenden Maßnahmen verab­ schiedet. Dabei wurde auf Maßnahmen zur Energieeinsparung aus Gründen des Klima­ schutzes ein besonderes Augenmerk gerichtet. Schulpolitik ist aber nicht nur Schulhausbau- politik. Nach intensiver Vorarbeit und Abstim- mungmitden Schulleitungen, IHK, höhererSchul- behörde und vielen anderen mehr verabschiede­ te der Kreistag im Juli 2007 einen Schulentwick- lungsplan als Kompass für die mittel- bis langfris­ tige Schulpolitik des Landkreises. Um dem sich abzeichnenden Facharbeiter­ mangel entgegen zu wirken, startete der Land­ kreis bereits im November 2006 eine „Offensive für technische Berufe“ . Bei den vielfältigen Maßnahmen zur Förde­ rung benachteiligter und lernschwacher Kinder wird häufig die Situation hochbegabter Kinder übersehen. Um deren besonderen Bedürfnissen und Anforderungen gerecht zu werden, wurde zum Schulj’ahresbeginn 2007/2008 eine spezi­ elle Einrichtung ins Leben gerufen: Eine Akade­ mie für Hochbegabte, die geschäftsführend beim Schulamt des Landratsamtesangesiedelt ist. Die Akademie wird von einem Förderverein, in dem neben Privatpersonen auch Firmen und öffentli­ che Körperschaften Mitglied sind, materiell und ideell unterstützt. Erste Klausurtagung zur Entwicklung des Schwarzwald-Baar-Kreises abgehalten Mittel- und langfristige Kreispolitik beschränkt sich aber nicht nur auf die Schulpolitik: Zum ersten Mal in der Geschichte des Schwarzwald-Baar- Kreises traf sich der Kreistag im Januar 2007 zu einer mehrtägigen Klausurtagung über die Ent- 8 Wicklung des Schwarzwald-Baar-Kreises unter veränderten Bedingungen und die sich daraus ergebenen Anforderungen an die Kreispolitik. Ausgangspunkt war die demografische Entwick­ lung und die Auswirkungen der Globalisierung auf den Schwarzwald-Baar-Kreis. In vier Foren: Lebensqualität und demografischer Wandel, Wirtschaft- und Freizeitökonomie, Bildung und Kultur sowie Familie und Gesellschaft wurden Vi­ sionen für die weitere Entwicklung des Schwarz­ wald-Baar-Kreises diskutiert. Im Mai 2007 beschloss der Kreistag vier Ar­ beitskreise zu bilden, in denen konkrete Maß­ nahmen auf der Grundlage der Ergebnisse der Klausurtagung erarbeitet werden sollen. Kommt es zur Reform der Reform? Etwas mehr mittelfristiges Denken und Konti­ nuitätwürde man sich auch auf einem anderen Gebiet der Aufgaben des Landratsamtes wün­ schen: Zwei Jahre nach der großen Verwaltungs­ reform mit der Eingliederung nahezu aller unte­ ren Sonderbehörden in das Landratsamt haben sich die eingegliederten Bereiche gut etabliert. Die neue Organisationsstruktur hat sich bestens bewährt, Synergieeffekte werden immer mehr erkannt und genutzt. Die Forstverwaltung hat ihr breites Aufgabenfeld und ihre Leistungsfähig­ keit bei einem viel beachteten Waldtag in Bräun- lingen-Unterbränd eindrucksvoll unter Beweis gestellt (siehe Beitrag Seite 23).


Aus de m Kreisgeschehen optimierte Unterbringung der eingegliederten Behörden sowie die Erwirtschaftung der vom Land geforderten Effizienzrendite von 20%. Des­ halb hat sich der Kreistag im Rahmen der An­ hörung zur Evaluation auch über alle Fraktionen hinweg für die Beibehaltung der jetzigen Struk­ tur ausgesprochen. Bleibt zu hoffen, dass die Landespolitik letztlich eine vernünftige Lösung findet. 94 Millionen Euro Zuschuss für Zentralklinikum Umso erfreulicher ist, dass die Vorbereitungen für das mit Abstand größte und bedeutendste Bau­ vorhaben im Landkreis, das neue Zentralklinikum in Villingen-Schwenningen, planmäßig verlaufen. Die Genehmigungsplanung ist fertig gestellt. Die Zuschusszusage des Landes über 94 Millionen Euro liegt vor. Damit steht einer Umsetzung des Vorhabens nichts mehr im Wege. Im August 2008 soll der erste Spatenstich sein. Ein Highlight im Kreisgeschehen 2007 war der Besuch der Komitatsversammlung unseres Partnerschaftskomitats Bäcs-Kiskun. Bereits im Februar machten der neue Präsident Bänyai und sein Vizepräsident Bago einen Vor-Ort-Besuch. Beide waren begeistert von der Fastnacht. Im Mai folgte dann der Besuch der Komitatsver­ sammlung. Der herzliche Austausch fand seinen Höhepunkt und Abschluss in einer freundschaft­ lich-fröhlichen Abschlussfeier im Villinger Müns­ terzentrum. K arl H eim , L a n dra t 9 Die Unterbringung der eingegiiederten Be­ hörden wurde weiter optimiert. Im Juli konnte der neue Stützpunkt der Straßenmeisterei Vil- lingen/Furtwangen in Furtwangen-Neueck mit ei­ nem gut besuchten Tag der offenen Tür offiziell eingeweiht werden (s. Beitrag S. 10). Im Herbst 2007 haben alle Ämter der Kreisverwaltung in Donaueschingen sowie das Vermessungs- und Flurneuordnungsamt, das bislang seinen Sitz in Villingen hatte, ihr neues Domizil in der Hum- boldtstraße in Donau­ eschingen bezogen. Der Kreistag ist die Kreisver­ waltung hat sich bewährt. sich einig: Die Landesbehörden in Integration früherer Im Rahmen der im Verwaltungsstrukturre­ formgesetzvorgesehen­ en Evaluation wird der Erfolg der Verwaltungs­ reform nun aus nicht nachvollziehbaren poli­ tischen Gründen wieder in Frage gestellt. War zunächst von Optimierung und Feinjustierung die Rede, wird nun auf Lan­ desebene ernsthaft ein teilweises „roll-back“ der Verwaltungsreform erwogen. Dabei stehen die teilweise oder gänzliche Rückverlagerung beim Forst, der Flurneuordnung, der Vermes­ sung und des Schulamtes in staatliche Sonder­ behörden zur Diskussion. Abgesehen davon, dass sich die Integration dieser Behörden in die Landkreisverwaltung im Schwarzwald-Baar-Kreis absolut bewährt hat, hätte dies gravierende Konsequenzen für die zweijährige Aufbauarbeit, die mit hohen Kosten


Aus d e m Kreisgeschehen Neue Straßenmeisterei gebaut Der Stützpunkt in Furtwangen-Neueck betreut ein Straßennetz von 380 Kilometern Länge Am 24. Juni 2007 strömten die Be­ sucherscharen – es waren über 2.000 Besucher – um am „Tag der offenen Tür“ den neuen Stütz­ punkt der Straßenmeisterei Villin- gen/Furtwangen zu besichtigen. Bei strahlendem Sonnenschein konnten Hauptstraßenmeister Max Martin und seine Mitarbeiter den Besuchern die neue Anlage zeigen und die anstehenden Ar­ beiten einer Straßenmeisterei er­ läutern. Die neue Straßenm eisterei a u f der Neueck in Furtwangen. Landrat Karl Heim lobte bei seiner Eröffnungsansprache das gelungene Werk und das Engage­ ment aller am Bau Beteiligten. Ne­ ben der Präsentation der Fahrzeu­ ge und Geräte für den Winterdienst, konnten die Besucher auch einen Eindruck über die anste­ henden ganzjährigen Arbeiten einer Straßen­ meisterei bekommen. Sowohl die modernen Mähgeräte, die mit ihren Armen Ähnlichkeit mit einem Polypen aufweisen, als auch sonstiges Kleingerät fanden großes Interesse. Die Straßenunterhaltung der Bundes-, Lan­ des- und Kreisstraßen obliegt seit der Verwal­ tungsreform am 1. Januar 2005 den Landkreisen. Das neugeschaffene Straßenbauamt des Land­ kreises hat ein Konzept zur Neugliederung der Straßenmeistereien erarbeitet, dieses beinhal­ tete auch eine Neuordnung der Straßenmeiste­ reibezirke. Aus bisher drei selbständigen Stra­ ßenmeistereien entstand zum 1. Mai 2006 eine neue Straßenmeisterei Villingen/Furtwangen mit einem Stützpunkt in Furtwangen-Neueck mit Zuständigkeit für das nördliche und westliche Kreisgebiet sowie eine neu arrondierte Straßen­ meisterei Donaueschingen für das südliche und östliche Kreisgebiet. Mit Bildung dieser zwei neuen Straßenmeistereien verspricht sich der Landkreis eine noch effektivere Unterhaltung 10 des Straßennetzes und der anstehenden Win­ terdienstaufgaben. Seit 30 Jahren war ein Neubau geplant Bei diesem Neukonzept wurde auch die sehr in die Jahre gekommene alte Straßenmeisterei Furtwangen in der Jahnstraße aufgegeben und auf der Neueck, neben der bereits bestehenden Salzhalle, in kürzester Zeit ein Stützpunkt ge­ plant und neu gebaut. Auch vom Land war schon seit über 30 Jahren eine neue Straßenmeisterei in Furtwangen projektiert, diese musste jedoch immer wieder wegen fehlender Haushaltsmittel aufgeschoben werden. Nachdem der Kreistag bereits Mitte 2005 der Neugliederung der Stra­ ßenmeistereien zugestimmt hatte, konnten die weiteren Planungen für den neuen Stützpunkt in derzweiten Jahreshälfte 2005 durchgeführt wer­ den. Die Zustimmung zum Bau erfolgte dann im Februar 2006 durch den Kreistag. Die Gesamt­ kosten wurden auf 1,34 Mio. Euro veranschlagt und festgeschrieben.


Landrat Karl Heim konnte am 3. Mai den Startschuss für den Bau mit dem offiziellen Spa­ tenstich geben. Die Bauarbeiten erfolgten ter­ mingemäß unter der Aufsicht des Straßenbau­ amtes und des planenden Ingenieurbüros ibs- Schweizer aus Blumberg. Der Umzug und die In­ betriebnahme des neuen Stützpunktes waren dann rechtzeitig zum Jahresende 2006 vor Win­ tereinbruch noch möglich. Die Restarbeiten konn­ ten im Frühjahr 2007 erledigt werden. 13 Straßenwärter und ein Azubi Der Stützpunkt besteht aus einem zweigeschos­ sigen Hauptgebäude, einem Nebengebäude (Carport) und einer Salzhalle. Das Hauptgebäu­ de untergliedert sich im Wesentlichen in Fahr­ zeughallen bzw. -garagen und Lager sowie ei­ nen Büro- und Sozialtrakt. Im Erdgeschoss des Büro- und Sozialtraktes ist neben einem Aufent­ haltsraum und einer kleinen Küche jeweils ein Büro für den Schichtführer mit Sicht auf Ein­ gangstor, Salzlagerhalle, Unterstellplätze und für den Straßenmeister angesiedelt. Im Unter­ geschoss befinden sich der Haustechnikraum sowie WCs, Duschen und ein Umkleideraum. Der Sozialtrakt, einschließlich des Büros für den Schichtführer, ist ca. 60 m2 groß. Die Personalbe­ setzung am Stützpunkt beträgt aktuell 13 Straßen­ wärter und ein Azubi. Die Verwaltung des Stütz­ punktes erfolgt zentral von der Meisterei Villingen aus. Ne u e S tra ß e n m e is te re i Das Hauptgebäude ist zweigeschossig und hat eine Nutzfläche von ca. 800 m2 (3101×13 m)- In den Fahrzeughallen (2 x 300 m2) können ein LKW, ein Unimog, ein Fräs-Unimog und ein Rad­ laderuntergestelltwerden. Ferner steht eine Box als Waschplatz und für kleine Instandsetzungs­ arbeiten zur Verfügung. Zwei Mannschaftswagen und ein Fahrzeug zur Streckenkontrolle (Stra- mot) können im Untergeschoss untergebracht werden. In dem eingeschossigen Nebengebäude (Car­ port) entlang der östlichen Grundstücksgrenze werden die Streuaufsätze, Pflüge und andere Geräte untergestellt. Dort stehen auch die Streu­ er und Schneepflüge für fünf Fremdunterneh­ mer, die beim Straßenbauamt unter Vertrag ste­ hen und auf Abruf vom Stützpunkt Neueck aus eingesetzt werden. Der neue Carport umfasst zehn Boxen und ist 42 m x 9 m groß. Durch die neu geschaffenen Unterstellmöglichkeiten für die Gerätschaften wird auch das alte Problem beseitigt, dass Sonne, Regen und Schnee den Schläuchen und Leitungen der hydraulischen Ein­ richtungen der Gerätschaften ständigzusetzen. In der Salzhalle werden zu Beginn des Win­ ters bis zu 800 Tonnen Salz eingelagert. Die Streuer können somit gleich nach dem Aufbau auf die Fahrzeuge mit Streusalz und Salzsole be­ laden werden. Mit dem neuen Stützpunkt sind nun gute Voraussetzungen geschaffen, um die erforderlichen Arbeiten in der neu gebildeten Straßenmeisterei Villingen/Furtwangen mit über 380 km Straßen auszuführen. H e rb e rtS te id le r B esichtigung der neuen Straßenm eisterei durch (lon links) Bürgerm eister Richard Krieg, Furtwangen, Landrat Karl Heim, R egierungspräsi­ dent Dr. Slen l. Ungern- Sternberg (am Lenkrad), Finanzdezernent M anfred P fa ffu n d den Leiter des Straßenbauamtes, Herbert Steidler. Anlass war der Kreis­ besuch des R egierungspräsi­ denten im D ezem ber2006. 11


Aus d e m Kreisgeschehen Der Landkreis setzt auf Verkehrssicherheit Kampf gegen Raser: Neubeschaffung einer mobilen Geschwindigkeitsmessanlage Mit der Verwaltungsreform ist das Landratsamt im Januar 2005 in die mobile Geschwindig­ keitsüberwachung eingestiegen. Diese ergänzt die stationäre Geschwindigkeitsüberwachung, die die Bußgeldabteilung des Rechtsamtes mit inzwi­ schen fünf landkreiseigenen Anlagen vornimmt. Zusammen mit der Aufgabe hat das Landrats­ amt im Jahr 2005 von der Polizei auch das dort bislang eingesetzte Messfahrzeug übernom­ men. Nach nunmehr insgesamt 16 Dienstjahren ist es an der Zeit, dieses Fahrzeug zu ersetzen, und so hat das Landratsamt zum 1. Juli 2007 ein neues, modernes und mit der neuesten Technik ausgestattetes Messfahrzeug beschafft. Bei dem Fahrzeug handelt es sich um einen neutralen VW-Transporter. Darin verbergen sich jedoch nicht nur die ausgefeilte Messtechnik und die zugehörige EDV-Einheit, sondern auch ein komplett ausgestatteter Arbeitsplatz für das Mess­ personal. Es ist somit eine optimale Qualitäts­ kontrolle der Messbilder bereits im Einsatzfahr­ zeug möglich. Maßangefertigte Einbauten garan­ tieren den sicheren Transport der gesamten Aus­ rüstung. Beschafft wurde Messtechnik der neu­ esten Generation mit dem Einseiten-Sensor „ES3.0“ und der zugehörigen Fotografieeinrich­ tung. Das volldigitale Geschwindigkeitsmess­ gerät ist Ende 2006 in Deutschland von der Phy­ sikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zu­ gelassen worden und definiert den neuen Stan­ dard in der technischen Verkehrsüberwachung. Mit diesem neuartigen Geschwindigkeits­ messgerät ist eine Überwachung von bis zu vier Fahrspuren in eine Richtung unabhängig von Ta­ geszeit oder Wetterlage möglich. Die geeichte Abstandsmessung mit Spurselektion gewähr­ leistet, dass auch bei parallel fahrenden Fahr­ zeugen die Geschwindigkeiten eindeutig jedem einzelnen Fahrzeugzugeordnetwerden können. Messungen in Kurven, Tunneln und an unüber­ sichtlichen Messstellen sind problemlos mög­ lich. Mit der Beschaffung dieserTechnik ist es dem 12 Auch G eschw indigkeitsm essungen gehören zum breiten Aufgabenfeld des Landkreises. Landkreis somit gelungen, ein universell e rse tz­ bares und zuverlässigfunktionierendes Messge­ rät zu erwerben, um es im Sinne der Verkehrs­ sicherheit einzusetzen. Enge Kooperation verwirklicht Anfang des Jahres 2007 wurde die Zusammenar­ beit zwischen dem Landratsamt Schwarzwald- Baar-Kreis und der Polizeidirektion Villingen- Schwenningen intensiviert und eine Vereinba­ rung über die gemeinsame mobile Geschwin­ digkeitsüberwachung geschlossen. Hiermit ha­ ben der Schwarzwald-Baar-Kreis und die Poli­ zeidirektion Villingen-Schwenningen landesweit eine Vorreiterrolle übernommen. Was in Zukunft verstärkt auch in anderen Regionen praktiziert werden soll, ist hier nichts Neues: Bußgeldbe­ hörde und Polizei arbeiten flexibel zusammen,


M odernste Messtechnik: Roland Wössner, Leiter der Polizeidirektion Villingen- Schwenningen, und Landrat Karl Heim präsentieren die neue Radaranlage des Land­ kreises. die Messtätigkeit wird aus­ geweitet, Messfahrzeuge des Landkreises sind mit perso­ neller Unterstützung der Poli­ zei im Einsatz, es werden ge­ meinsame Messkonzepte er­ stellt, ergänzt durch ständi­ gen Kontakt zum Thema Ver­ kehrssicherheit. Aufgrund dieser engen Zusammenarbeit und dem verstärkten Einsatz des neu­ en Fahrzeugs müssen Ver­ kehrsteilnehmer nun häufi­ ger und an bisher ungewohn­ ten Stellen damit rechnen, dem „Blitzer“ zu begegnen. Insbesondere an markanten Unfall- und Raserstrecken werden verstärkt Kon­ trollen stattfinden, aber auch innerhalb von Ort­ schaften sollen die Messungen zur Einhaltung der erlaubten Geschwindigkeit mahnen. Ziel der Geschwindigkeitsmessung: Prävention Die Unfallstatistiken sprechen eine deutliche Sprache: Hauptursachevon Verkehrsunfällen ist nach wie vor überhöhte bzw. den Straßen­ verhältnissen nicht angepasste Geschwindig­ keit. jeder vierte Verkehrsunfall mit Personen­ schaden und jeder zweite Verkehrstote sind dar­ auf zurückzuführen. Dies macht deutlich, dass eine Vielzahl von Unfällen und somit auch Personen- und Sach­ schäden im Straßenverkehr vermieden werden könnten, wenn sich die Verkehrsteilnehmer häu­ figer an Geschwindigkeitsbeschränkungen hal­ ten würden. Ziel ist es, das Unfallrisiko auf unse­ ren Straßen durch eine konsequente Geschwin­ M o b ile G es c h w in d ig k e itsm e ss u n g digkeitsüberwachung zu verringern und diesen Effekt nachhaltig zu sichern. Die Erhöhung der Präsenz soll die persönliche Einschätzung des Risikos, „erwischt“ zu werden erhöhen und eine dauerhafte Verhaltensänderung herbeiführen. Wer zu schnell unterwegs ist, muss mit einer ge­ bührenpflichtigen Verwarnung, einem Bußgeld oder gar einem Fahrverbot rechnen. Dies ist jeweils von der Höhe der Geschwindigkeits­ überschreitung und eventuellen Voreintragun­ gen im Verkehrszentralregister in Flensburg ab­ hängig. Gemessen an den Gefahren, die überhöhte Geschwindigkeit im Straßenverkehr schafft, ein durchaus angemessenes Mittel. Schließlich sol­ len Bußgeld und Fahrverbot eine erzieherische Wirkung auf die Verkehrsteilnehmer haben. Den ungeliebten Bescheiden der Bußgeldbehörde kann man aus dem Weg gehen, indem man sich an die Verkehrsregeln hält. Das schafft mehr Sicherheit für alle und schont den Geldbeutel. H e id i K altenbach 13


Aus d e m Kreisgeschehen Qualitätsprodukte aus Grünschnitt Auch Holzhackschnitzel als neues Angebot des Landkreises entwickeln sich zum Renner In der Abfallwirtschaft geht der Trend verstärkt von der klassischen Entsorgung hin zur Kreis- laufführung, bei der aus „Abfällen“ wieder hoch­ wertige neue Produkte hergestellt werden. Bes­ tes Beispiel ist die Grüngutkompostierung im Schwarzwald-Baar-Kreis. Mit der erst vor zwei Jahren eröffneten zweiten Anlage in Hüfingen wurde das neue Grüngutkonzept des Kreises er­ folgreich umgesetzt. Seither werden aus dem angelieferten Material nicht nur Komposte und Erden hergestellt, sondern auch Holzhackschnit­ zel, die in Kraftwerken zur umweltschonenden Strom- und Wärmegewinnung eingesetzt werden. Bereits seitüberzehn Jahren ist der Schwarz- wald-Baar-Kreis Eigentümer der Kompostanlage in Villingen-Schwenningen. In der Vergangenheit wurde dort das auf den dezentralen Wertstoff­ höfen, Recyclingzentren und Grüngutplätzen er­ fasste Laub sowie Gras- und Heckenschnitt kom­ postiert. Auch das Gewerbe – vor allem Land­ schaftsgärtner und Hausmeisterdienste – nahm die Anlage in Villingen-Schwenningen in regen Anspruch. Von dieser Gesamtmenge durften jedoch aus genehmigungsrechtlichen Gründen nur ein Teil kompostiert werden. Dies schien auch deshalb geboten, da die nächste Wohnbebauung zwi­ schenzeitlich bis auf wenige Hundert Meter an die Anlage herangewachsen ist und es beim Um­ setzen der Kompostmieten immerwiederzu Ge­ ruchsbelästigungen für die Anwohner kam. Da­ her wurde in früheren Jahren die überzählige Grüngutmenge sofort nach dem Häckseln in die Landwirtschaft gefahren, wo sie als Frischdün­ ger zur Bodenverbesserung diente. Gleichzeitig wurden die durch Kompostie­ runghergesteilten Produkte vermarktet und fan­ den als „SBK-Komposte“ im nördlichen Kreisge­ biet Einsatz in Gärten und Grünanlagen. Die Pro­ duktpalette wurde nach und nach durch weitere Angebote, wie Rinden und Spezialerden, er­ gänzt. Insgesamt wurden so jedes Jahr ca. 4.000 14 M it großem Erfolg werden a u f der ehem aligen De­ p onie in Hüfingen G rüngut kom postiert und Holz­ hackschnitzel hergestellt, die um w eltschonende Strom- und W ärmegewinnung m öglich machen.


Tonnen an den verschiedensten Produkten ab­ gesetzt. Der Bedarf in der Bevölkerung wuchs da­ bei von Jahr zu Jahr. Das Angebot wird auch auf das südliche Kreisgebiet ausgeweitet Auf Grund des Erfolges der Kompostanlage gab der Kreistag bereits im Jahr 2003 „grünes Licht“ zum Aufbau einer zweiten Anlage im Landkreis. Als Standort bot sich die im Sommer 2005 ge­ schlossene Deponie Hüfingen an. Dort war die notwendige Infrastruktur (Waage, Maschinen­ halle und Lagerflächen) bereits vorhanden. Als einzige zusätzliche Baumaßnahme muss­ te eine neue Fertigerdenhalle gebaut werden. In vier überdachten Schüttboxen werden nun die auf den beiden Kompostanlagen hergestellten Qualitätserden bis zu ihrem Verkauftrocken zwi­ schengelagert. Vor allem im Landschafts- und Gartenbau finden die Produkte reißenden Ab­ satz. Aber auch viele Privathaushalte kommen seither mit PKW-Anhängern, nicht nur um ihren Gartenschnittzu bringen, sondern auch um größe­ re Mengen losen Kompost zu kaufen und da­ durch gegenüber der in Säcken verpackten Ware deutlich Geld zu sparen. Statt landwirtschaftlichem Dünger jetzt Energieträger! Da die Anforderungen an das Ausbringen un- kompostierter Abfälle in der Landwirtschaft im­ mer weiter gestiegen sind, hat der Kreistag den Umstieg in die Energiewirtschaft eingeläutet. So sollte der stark steigende Bedarf an alternativen Energieträgern durch den Aufbau eines eigen­ ständigen Verwertungsweges für den holzigen Anteil im Grüngut ausgebaut werden. Dazu wurde ab 2006 die Maschinenring Schwarzwald-Baar GmbH, die bereits seit vielen Jahren erfolgreich für den Landkreis die Wert­ stoffsammelstellen betreibt, mit dem Betrieb der beiden Anlagen beauftragt. Ihr zur Seite steht die im Bereich der Holzenergie erfahrene Firma A+S Naturenergie. Auf Grundlage des neuen Be­ triebskonzeptes konnten bereits im ersten Ver- Q u a litä ts p ro d u k te au s G rünschnitt A n l i e f e r u n ß |Ed«lke»»ipoSfc 0 ‚JOmwJ Sptz ii l -C rd e – Misch M jitn S a t k – w are So w ird im Schwarzwald-Baar-Kreis Kom post herge­ stellt, Auszug aus einem Infoblatt. tragsjahr die Annahmepreise für Grüngut zwi­ schen 30 und 40% reduziert werden. Durch das Angebot einer zweiten Kompost­ anlage im südlichen Kreisgebiet gelang es zu­ dem, die angenommenen Grüngutmengen deut­ lich zu steigern. Im Jahr 2006 wurden knapp 18.000 Tonnen Grüngut verarbeitet. Dies entspricht einer Mengensteigerung von rund 25%. Landkreis ist mittlerweile größter Produzent von Grüngutkomposten in der Region Auch die Entwicklung bei den durch die Grün­ gutprodukte erzielten Verkaufserlösen verläuft positiv. Durch die zweite Verkaufsstelle in Hüfin­ gen gelang es, die Erlöse weiter zu steigern. Be­ 1 5


Q u a litä ts p ro d u k te aus G rünschnitt reits im ersten Vertragsjahr konnte das gute Be­ triebsergebnis 2005 um 5,6% erhöht werden. Im Jahr 2006 erzielten beide Anlagen im Schwarz- wald-Baar-Kreis einen Verkaufserlös in Höhe von rund 226.000 Euro. Für das Jahr 2007 wird von ei­ ner weiteren Steigerung der zu vermarktenden Kompostprodukte ausgegangen. Dadurch, dass der Landkreis für die Rekulti­ vierung seiner Deponie in Hüfingen einen Teil der hergestellten Komposte selbst benötigte, re­ duzierte sich zwar der Anteil der zum Verkauf zur Verfügung stehenden Kompostmenge, dies wur­ de jedoch durch eine deutliche Steigerung im Er­ denbereich ausgeglichen. Auch der Markt für Rinden steigt kontinuierlich. Neu hinzu gekommen ist der Bereich der Brennstoffvermarktung: Im Jahr 2006 wurden erstmals Holzpellets und -briketts aus Säge­ resthölzern und Rinden ebenso wie Spalt- bzw. Brennholz verkauft. Dieses Verkaufssegment steht zwar erst am Anfang seiner Entwicklung, aufgrund der in der letzten Zeit deutlich gestie­ genen Kosten für konventionelle Brennstoffe und dem dadurch ausgelösten Trend zu Holzheizun­ gen in Privathaushalten ist jedoch damit zu rech­ nen, dass es auch hierbei zu weiteren Steigerun­ gen kommt. Grüngutkonzept ist Erfolgsschlager einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft Auf Grund der langjährigen Erfahrungen in der Grüngutverwertung kann der Schwarzwald- Baar-Kreis mit seinen eigenen Anlagen bereits frühzeitig auf aktuelle Entwicklungen reagieren. Bereits Ende der i99oer-Jahre wurde durch Her­ stellung von Brennstoffen aus Landschaftspfle­ A u f der Grüngutkom postierungsanlage in Hüfingen g ib t es liele Inform ationen und m an kann jede M en­ ge Kom post lerschiedener A rt kaufen. gehölzern der Trend zu Holzheizanlagen aktiv unterstützt. Waren es anfänglich weiter entfernte Kraft­ werke, so werden seit Anfang 2006 auch näher gelegene beliefert, was sich positiv auf das Be­ triebsergebnis auswirkt. Trotzdem ist es in den nächsten Jahren vorrangiges Ziel der Kreisver­ waltung, Bau und Betrieb regionaler Holzheiz­ kraftwerke zu forcieren. In Frage kommen dabei Gewerbegebiete, Bereiche mit mehreren öffent­ lichen Gebäuden oder größere kommunale Be­ triebe. Als besonderen Erfolg kann daher auch die Zustimmung des Aufsichtsrates des Kreiskli­ nikums gewertet werden, an dem geplanten neuen Klinikstandort in Villingen-Schwenningen die Wärmeversorgung auch durch den Einsatz von Holzhackschnitzel sicherzustellen. Aus­ schlaggebend war hierbei die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit des nachwachsenden Roh­ stoffs durch die vorhandenen Kapazitäten im Landkreis und die Möglichkeiten, die sich durch die Kompostanlagen ergeben. D irk H a u s m a n n Heizen m it Holzhackschnitzel is t g u t fü r die Um welt u nd w ird im m er beliebter. Auch das neue Zentral­ klinikum w ill bei der W ärmegewinnung heimische Holzhackschnitzel einsetzen.


Über 30 Jahre Beratung für Familien Von der Erziehungsberatung zur umfassenden Beratung für Eltern, Kinder und Jugendliche Aus d e m Kreisgeschehen Einer, der die Kontinuität im Wandel bewahrte, und einst die Beratungs­ stelle für Eltern, Kinder und jugendli­ che (BEKJ) im Schwarzwald-Baar-Kreis aufbaute, wechselt in den Ruhestand: Roland Stieber, Leiter der Einrichtung, verlässt 31 Jahre später, zum Ende des Jahres 2007, die Beratungsstelle des Landkreises, die inzwischen – mit durch seine Fachlichkeit, seine Ideen und seine stetige Suche nach dem „im ­ mer Besseren“ – ein ganz anderes Ge­ sicht erhalten hat. „Kleine Kinder – kleine Sorgen, große Kinder – große Sorgen“ , nicht immer stimmt dieser Satz. Doch Sor­ gen plagen ab und an eigentlich alle El­ tern. Und Antworten auf Fragen der Er­ ziehung, der Entwicklung von Kindern und der Gestaltung der Beziehungen in der Familie gibt es wie Sand am Meer. Doch kein Kind ist wie ein anderes und auch Eltern sind ganz unterschiedlich in ihrem Temperament, ihren Erfahrungen und Erzie­ hungsvorstellungen. Für viele Eltern ist es deshalb die beste Lö­ sung, das Gespräch mit Experten zu suchen, wenn sie sich unsicher sind, oder auch bei Be­ darf gleich mit der ganzen Familie unter Beglei­ tung der Berater/innen Lösungen zu erarbeiten. Die Notwendigkeit der „Erziehungsberatung“ sahen die Verantwortlichen in Verwaltung und Politik im Schwarzwald-Baar-Kreis deshalb schon zu Beginn der i97oer-Jahre. Im Oktober 1975 war es soweit: Die neue Er­ ziehungsberatungsstelle in Verantwortung des Landkreises konnte, wie vom Kreistag beschlos­ sen, die Arbeit aufnehmen. Die erste Mitarbeite­ rin war schon eingestellt, die Besetzung der Lei­ tung jedoch bereitete unvermutet große Proble­ me. So war es dann – übrigens auch noch aus heutiger Sicht – ein richtiger Glücksfall, dass ein Roland S tie b e rim Gespräch m it einer Mutter, der Leiter der Ein­ richtung baute die Erziehungsberatung im Landkreis lor ü b e r30 Jahren auf. junger Fachmann aus dem „Norden“ mit seiner Familie einen Ort suchte, an dem er seinem Be­ ruf nachgehen, etwas Neues schaffen und aufbau­ en und zudem mit Frau und Baby gut wohnen und sich wohlfühlen konnte. Und somit trat im Februar 1976 der, durch einige Erfahrung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, der Erziehungs­ beratung und Schulpsychologie gut für diese Auf­ gabevorbereitete Diplom-Psychologe Roland Stie­ ber seinen Dienst in der ersten „Erziehungsbera­ tungsstelle“ des Schwarzwald-Baar-Kreises an. Das einzig Stetige ist der Wandel Aus der einstigen Erziehungsberatung ist die BEKJ, die Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche geworden, die neben der Familien­ beratung auch die Schulpsychologische Bera­ tung und die Interdisziplinäre Frühförderung um­ fasst. 31 Jahre sind eine lange Zeit, geprägt von 17


Aus d e m Kreisgeschehen re etwas länger, das Hemd offen, die Jacke lässig über der Schul­ ter. Die Beratungsstelle war in ei­ ner heimeligen Wohnatmosphä- re eingerichtet, die Arbeit von ei­ ner ungewohnten Kreativität. „Unser Glück war es, dass wir immer – bis heute – die Freiheit hatten uns kreativ und fachlich zu entfalten, dass man Vertrauen in uns und unsere Ideen setzte und Vorgesetzte, die Landräte und Gremien immer wieder, auch ungeebnete Wege mitge­ gangen sind. Nur so konnten wir beispielsweise schon zu Beginn unserer Arbeit mit der damals noch neuen Methode der Famili­ entherapie arbeiten“ , erinnert sich Roland Stieber. In Zürich hatten sich die Mit­ arbeiter/innen in dieser, gerade erst nach Europa aus Amerika importierten Methode, immer wieder fortgebil­ det. Zusammen mit einem Studium, unter ande­ rem in Wien, der Wirkungsstätte einiger großer Psychotherapeuten, brachte Roland Stieber so­ mit auch ein wenig psychotherapeutische, weite Welt in den Schwarzwald-Baar-Kreis. Die ursprünglich familientherapeutische Aus­ richtung, heute fast überall in der Beratung fes­ ter fachlicher Bestandteil, hat sich erhalten, wird zudem mit neuen Methoden der systemischen Familientherapie und -beratung und neuen Er­ kenntnissen in der Frühförderung und Schulpsy- chologie kombiniert. Aus der Erziehungsberatung wird die BEKJ Sichtbar wurde die Weiterentwicklung der fach­ lichen Arbeit nicht nur in der Ausdifferenzierung der Beratungsangebote, der Einrichtung der Außenstellen in Donaueschingen und Furtwan- gen, sondern auch in der Änderung des Namens im Jahr 1980. Aus der Erziehungsberatung wurde die BEKJ, die Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Ju­ gendliche. Im neuen Namen spiegelte sich auch Die Kinder kommen gerne zur Erziehungsberatungsstelle – sicher auch, w eil d o rt eine bunte Spielzeugwelt wartet, die fü r eine entspannte Atm osphäre bei der Beratung sorgt. ständigem Wandel und ständiger Suche nach im­ mer besserer Qualität, nach Weiterentwicklung der fachlichen Arbeit zum Wohle von Kindern und Familien. Nicht nur Roland Stieber selbst, sondern auch alle Kollegen, die schon 1976 oder auch später in den Beratungsstellen ihre Arbeit aufnahmen, waren und sind bis heute immer wieder neu Pioniere, Erfinder und Netzwerker in allen Fragen des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen und der Gestaltung familiärer Be­ ziehungen. Schon bald war die neue Erziehungsbera­ tungsstelle völlig ausgebucht, zwei Außenstel­ len – eine in Donaueschingen, eine in Furtwan- gen wurden deshalb 1978 zusätzlich eingerichtet – beide Außenstellen bestehen auch heute noch. Eltern in allen Teilen des Landkreises soll­ ten die Möglichkeit haben, Hilfe und Beratung auf möglichst kurzen Wegen zu erhalten. Ein wenig exotisch waren sie in der Land­ kreisverwaltung ja damals schon, die Psycholo­ gen, Heilpädagogen und Sozialpädagogen der Beratungsstelle. Und Mancher im „Beamtenap­ parat“ hatte anfangs doch einiges zu staunen. Der Leiter erscheint, auch zu wichtigen Anläs­ sen, nicht in Anzug und Krawatte, trägt die Haa­ 18


Die BEKJ erfährt eine A usw eitung des A ufgabenfeldes und engagiert sich die durch die Integrati­ on der Drogenberatung in die Erziehungsbera­ tung veränderte kon­ zeptionelle Ausweitung auf die Beratung von lugendlichen. Der Ar­ beitsbereich der Ju­ gend- und Drogenbera­ tung wurde geschaffen. Die BEKJ sprach damit Jugendliche direkt an und hat sich – wiederum ein Novum – in Schulen und Jugendtreffs engagiert. kreisw eit auch in der Jugend-und Drogenberatung. Mit der Abgabe der Drogenarbeit an den Ba­ dischen Landesverband, den Träger der Sucht­ hilfearbeit im Landkreis wurde dieses Konzept 1994, unter damals großen Protesten der Mitar­ beiter, aber auch von Fachleuten anderer Institu­ tionen und einigen Kreisräten, wieder aufgespal­ ten. Die Jugendberatung und direkte Arbeit mit Jugendlichen, aberauch bspw. mitSchulen ist je­ doch heute noch Auftrag und wichtiger Teil der alltäglichen Arbeit in der BEKJ. Vernetzung der Angebote wichtiges Anliegen Schon zu Anfang war die Vernetzung mit anderen Beratern ein großes Anliegen der Mitarbeiter/in­ nen, bereits im ersten Jahr der Arbeit entstand aus den Antrittsbesuchen ein guter Kontakt, der zur Gründung des „Arbeitskreises Beratung“ führte. Auch heute ist die Kooperation mit ande­ ren Beratern und Einrichtungen mehrdenn je ein Anliegen der Mitarbeiter/innen der BEK). So sind Sprechstunden in Kindergärten und Schulen, die Unterstützung von Leh­ rer/innen, Supervision für mit Kindern arbeitenden Menschen, Fortbildungsan­ gebote und die Arbeit mit Müttern und Vätern in Gruppen schon seit langem Be­ standteil des Angebotes der BEKJ. Die Ar­ beit mit Multiplikatoren lohnt sich dabei doppelt, das weitergegebene Wissen, die gemachte Erfahrung kann von diesen nicht nur im Einzelfall genutzt, sondern auch an Eltern oder Kollegen weiterge­ geben werden. B e ratu ng für Familien Niedergeschlagen hat sich die vernetzte Ar­ beit zunehmend in der immer enger werdenden Kooperation mit der Jugendhilfe, der Eingliede­ rungshilfe für behinderte Menschen und dem Schulamt in der Landkreisverwaltung selbst. Das wohl sichtbarste Ergebnis dieser Kooperation ist die 2006 eingerichtete Interdisziplinäre Frühför­ derstelle (IFF) für behinderte oder von Behinde­ rung bedrohte Kinder und deren Eltern. Das durch die Übertragung der Behindertenhilfe zu­ ständig gewordene Sozialamt hatte schnell ei­ nen Bedarf an heilpädagogischer Unterstützung wahrgenommen, auch die Jugendhilfe hatte die­ sen Bedarf schon thematisiert, eine gemeinsa­ me Idee konnte entwickelt werden. Die BEKJ hat diese Aufgabe in ihr Konzept der „Frühen Hilfen für Kinder und Familien“ integriert. Diagnostik und Beratung, aberauch konkrete Förderung von Kindern mit Behinderungen und Entwicklungs­ verzögerungen wird von der IFF in Zusammenar­ beit mit den Frühberatungsstellen der Sonder­ schulen und in Kooperation mit dem Sozialpä­ diatrischen Zentrum und den Kinderärzten an- geboten. Die Verwaltungsreform hat der BEKJ 2005 ei­ nen weiteren „Neuzugang“ beschert. Die Schul- psychologischen Beratungsstellen des Landes wurden in die Landkreise integriert. Schullauf- bahnberatung, Einschulungsberatung, Fortbil­ dung, Unterstützungvon Lehrern und Lehrer/in­ nen, aber auch Projekte bspw. zur Gewalt­ prävention bilden das Spektrum der Schulpsy- chologischen Beratung. Und so konnte sich Roland Stieber – nach fast 30 Jahren – wieder mit einem Thema befas- Auch ein Trampolin trä g t dazu bei, dass sich K inder u nd Jugendliche in der Erziehungsberatungsstelle wohlfühlen. 19


B e ratu n g für Familien Wichtige Kooperationspartner der Fam ilienberatung s in d das Sozialam t und das Jugendamt, h ier ihre Leiter Jürgen Stach und M anfred Nietsch. sen, das ihm noch aus seinen „norddeutschen“ Arbeitsjahren sehr gut bekannt war. Hatte er einst ein Forschungsprojekt im Bereich der Schulpsychologie zugunsten des Aufbaus der Beratungsstelle im Schwarzwald-Baar-Kreis ver­ lassen, so wird er nun, nicht nur aber auch mit Themen der Schulpsychologie beschäftigt, zum Ende des Jahres 2007 die Arbeit in der BEKJ be­ enden, um wieder neue Wege zu beschreiten – jenseits der existenzsichernden Arbeit, aber si­ cher mit dem alten Elan, dem ihm eigenen Auf­ bruchswillen. Nicht nur seine Mitarbeiter/innen, sondern auch viele Kollegen/innen aus dem Beratungs- Netzwerk und unzählige Eltern und Kinder wer­ den ihm sein Engagement und seine Bereit­ schaftsich auf ihre Fragestellungen und Proble­ me einzulassen, seine Fähigkeit mit zu fühlen, aber auch mit Wissen und Willen zur Lösung des Problems beizutragen herzlich danken. Die Hilfestellungen der BEKJ werden sich auch in Zukunft immer wieder ausweiten Zu neuem Aufbruch wird es auch die BEKJ in Zu­ kunft immer wieder treiben, je nach gesell­ schaftlichen Themen und Problemstellungen werden sich die Angebote, wie auch in den letz­ ten 31 Jahren immerwieder neu verändern. Hilfe für Kinder mit Lese-Rechtschreibschwächen, Be­ ratung für Familien in Trennungs- und Schei­ dungssituationen, die Unterstützung von Patch­ work-Familien oder Familien mit einem behin­ 20 derten Kind, Gruppen für Scheidungskinder, El­ ternwerkstätten zu Themen der Erziehung und Förderung von Kindern, eine Gruppe für Mütter mit pubertierenden Jugendlichen – ganz einfach und doch so vielfältig – Beratung und Hilfe nach individuellem Bedarf. U lrike G frörer W eitere In fo rm a tio n e n zu unserem B e ra tu n g s a n ­ g e b o t fin d e n S ie au ch In te rn e t u n te r: w w w .s c h w a rz w a ld -b a a r-k re is .d e o d e r u n te r d e r A dresse w w w .in te rn e t-g id .d e im Das Boot der Zeit! Das Boot der Zeit, mit unserer Last mit uns und unserem Ballast – die Flut, sie steigt, das Ufer weit zur Umkehr drängt uns jetzt die Zeit! Wo ist der richtige Ankerplatz? Es grüßt ganz fern, der Arrarat – er ist ein Berg aus Müll und Schrott wirfst du den Anker – ist’s dein Tod! Noch flattert trotzig das Panier drauf steht geschrieben „Geld und Gier“ Wer gibt weltweit die Richtung an – wo ist der richtige Steuermann? Am Ruder ist Genosse Trend, der Lotse ruft: „kehr um und wend“ Leg einen neuen Maßstab an fang damit ganz alleine an – achte dich selbst Mensch und Kreatur Ankerplatz ist Schöpfung und Natur die zu erhalten gilt’s – du weißt denk positiv mit neuem Geist – verlass das Boot, Genosse Trend – noch ist es nicht zu spät zur Wend’! (Gedanken zum Jahreswechsel) R ose-M arie R enner


Tinnitus – „Woche des Hörens“ Kreisweit haben Kinder und Jugendliche erfahren, was Lärmbelästigung bewirkt Aus dem Kreisgeschehen „Z e it hö re n “ : Was s in d Geräusche, was is t Lärm ? Kinder lernten bei der „W oche des H örens“ die U nter­ schiede. „Pst – alle mal herhören!“ – Jung und Alt lenkte im Frühjahr 2 0 0 7 im Schwarzwald-Baar- Kreis seine A ufm erksamkeit auf das Hören. Unser Hörver­ mögen kann durch Lärm irre­ versibel geschädigt werden. W issenschaftliche Schätzun­ gen gehen davon aus, dass be­ reits jeder vierte Jugendliche einen nachweisbaren Innen­ ohr-Hörverlust hat und im Alter von 50 Jahren eine Versorgung mit einem Hörgerät benötigen wird. Ursache ist Freizeitlärm wie z.B. laute Musik in Discos. Aber auch Lärm in unserer Um­ gebung verursacht G esund­ heitsschäden, von Schlaf- und Konzentrationsstörungen über Magenleiden bis zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Hier macht auch die Dauer der Belastung etwas aus: je länger das Ohr Krach ertragen muss, desto eher macht es schlapp. In den Kindertagesstätten in Villingen- Schwenningen horchten die Kinder bereits seit Anfang des Jahres ganz genau hin: mit dem Kas­ settenrekorder wurden Geräusche aufgenom ­ men. Wie hört sich Türklopfen an, wie das Zer­ reißen von Papier? Und wie laut sind Alltags­ geräusche, wie laut im Vergleich zu Staubsau­ gerlärm – das kann man messen. Die Erfahrun­ gen wurden in Zeichnungen ausgedrückt. Physi­ kalische Experimente eröffneten die Wunderwelt der Klänge: mit unterschiedlich gefüllten Was­ sergläsern lässt sich Musik machen. Am Ton lässt sich erkennen, womit Behälter gefüllt sind. Kin­ derohren wurden fotografiert. Aus Pappmache bastelten die Kinder das Ohr eines afrikanischen Elefanten. Der aufgesuchte Ohrenarzt war dann sicher­ lich froh, keine Elefanten-, sondern nur Kinder­ ohren anschauen zu dürfen. Am M od ello hr wurde erklärt, dass die als Ohren bezeichne- ten Ohrmuscheln nur die Schallwellen auffangen. W irk­ lich spannend wird es dann erst im Gehörgang, wo das Trommelfell die Wellen auf­ fängt und die G ehörknöchel­ chen arbeiten. Die Arbeits­ gruppen der Kindertagesstät­ ten präsentierten die Ergebnis­ se in einer großen Ausstellung im Landratsamt. Zur feierlichen Eröffnung begrüßte der Landrat mehr als 100 Kinder und ihre Erzieherinnen. Was starker Lärm im Hörsys- tem bewirkt, sorgte auch in Schulklassen für großes Er­ staunen. Im Innenohr sind die Sinneszellen mit unzähligen ganz feinen Härchen, so genannten Zilien, ausgestattet. Klaus Hausmann, Gesund­ heitsberater und Therapeut für Hörtherapie, zeig­ te den Jugendlichen als Vergleich ein Kästchen mit Kresse, auf die er einen großen Stein legte. Platt! Aufatmen unter den Jugendlichen, dass sich die Kresse bzw. Zilien w ieder aufrichten, wenn die Belastung nachlässt. Das findet aber nur begrenzt statt. Bei andauernder Lärmbelas­ tungverkümmern die Zilien und sterben schließ­ lich ab, und die Frequenzen, die durch diese Här­ chen übertragen w erden, können nicht mehr gehört werden. Discomusik kann Hörschäden verursachen Eine deutliche Warnung wurde ausgesprochen, sich lautem Discolärm und Ganztagsbeschallung aus dem Walkman auszusetzen. Der Genuss von Discomusik von 105 dB(A) braucht nur 24 Minu- 21


Tinnitus – „W o che des H öre ns “ Interessierte Zuhörer, K indergartenkinder bei der „W oche des Hörens“ im Foyer des Landratsamtes. ten anzudauern, um sich ebenso viel Lärm aus­ zusetzen wie ein Arbeiter, der eine ganze Ar­ beitswoche an einem Arbeitsplatz mit 85 dB(A) verbringt – dieser w ohlgem erkt mit Gehör­ schutz! Hörspaziergänge m it verbundenen Augen Bei Hörspaziergängen mit verbundenen Augen erfühlten und ertasteten Grundschulkinder Din­ ge ihrer Umgebung und machten die Erfahrung, wie wichtig das Gehör für die Orientierung ist. Kinder müssen ihre Sinne spüren und die eigene Wahrnehmung trainieren. Denn gut entwickelte Sinne sind die Grundlage für ihr Selbstbewusst­ sein und Selbstvertrauen. Wenn sie wissen, dass sie sich auf die eigene W ahrnehmung verlassen können, dann lernen sie auch, auf sich selbstzu hören, die eigenen Bedürfnisse zu formulieren und einzufordern. Ziel von Lärmprävention in der Grundschule war, den Kindern bewusst zu m a­ chen, dass Laut und Leise wichtige und notwen­ dige Phasen sind, die einander abwechseln soll­ ten, und die Freude am Leisen bzw. an der Stille zu wecken. Die Lautstärke in Kindergärten und Schulen ist oft erheblich: 109,05 Dezibel hatte der Kin­ dergarten Marbach als Spitzenwert bei den spie­ lenden Kindern gemessen. Und nicht nur Erzie­ herinnen und Lehrer reagieren gestresst. Die Auswirkungen von Lärm auf das Lernen war das Thema von Vorträgen für Eltern und Pädagogen. Bei Lärm im Klassenzimmer können Schülerin­ 22 nen und Schüler den Sinn von Wörtern und damit entscheidende Informationen nur deshalb nicht erfassen, weil sie gesprochene Wörter nicht identifizieren können. Anders als Vokale, die ei­ ne laute Stim m e verstärken kann, gehen die Konsonanten im Krach unter. In der Folge werden Worte nicht verstanden, die Verarbeitung der In­ formation wird völlig unmöglich. Verantwortlich fürden Lärm ist unter anderem die Nachhallzeit, die durch bauliche Veränderungen wie Schall­ schutzdecken wesentlich verbessert werden kann, wie sich in städtischen Kindertagesein­ richtungen zeigte. Eine große Auswahl an Methoden und M ate ­ rialien, wie Kinder für das Hören sensibilisiert werden können, wurde in zwei Workshops Erzie­ hern und Erzieherinnen der Kindertageseinrich­ tungen vorgestellt. Welche M öglichkeiten bleiben, wenn eine Hörschädigung eingetreten ist? 130 Zuhörer folg­ ten der Einladung zum Tinnitussymposium ins Landratsamt. Dr. Volker Kratzsch, ärztlicher Lei­ ter einer Fachklinik für Hörbehinderte und Tinni­ tuspatienten, referierte zu Ursachen und Hilfen, weitere Vorträge informierten über die Auswir­ kungen von Lärm auf die Gesundheit und die Ver­ sorgung mit Hörgeräten. Viele Betroffene leiden sehr unter den Ohrgeräuschen, die für die Um­ welt nicht wahrzunehmen sind. Offene Ohren für Fragen und Probleme bei chronischem Tinnitus bot Werner Schaumann an, der seit zehn Jahren die Selbsthilfegruppe „Tinnitus und Morbus M eniere“ leitet und den Nachmittag moderierte. Da es bisher keine Therapieverfahren zur Heilung lärminduzierter Innenohrschwerhörig­ keit gibt, kommt hier der Prävention eine be­ sondere Bedeutung zu. Die „Woche des Hörens“ im Schwarzwald-Baar-Kreis erreichte weit mehr als 1.300 Ohren – Projekte fanden statt in sechs Klassen an Hauptschulen, einer Realschulklas­ se, zwei Klassen von Grundschülern und in neun Kindertageseinrichtungen. Für die Geheimnisse des Hörens interessierten sich 50 Erzieher und Erzieherinnen in Workshops und 180 Eltern, Leh­ rer und weitere Fachleute sowie Betroffene, die unsere Vorträge besuchten. Planung und Durch­ führung dieser ersten Woche des Hörens erfolg­ ten auch durch die Selbsthilfegruppe „Tinnitus und Morbus M eniere“ . S tefanie K aiser


Wald als pädagogischer Erlebnisparcours Über 8.000 Besucher strömten zum 1. Kreiswaldtag in Bräunlingen-Unterbränd Aus de m Kreisgeschehen Seit einigen Jahren schon führen einzelne Forst­ äm ter in Baden-W ürttemberg so genannte „W aldtage“ als Großveranstaltungen für die breite Öffentlichkeit durch. Es geht dabei vor al­ lem darum, Einblicke in die Arbeit der Förster und Waldbesitzer zu geben und die Bürger auf die vielfältigen Funktionen des Waldes aufmerk­ sam zu machen. Dabei soll natürlich auch der umweltfreundliche Alleskönner unter den nach­ wachsenden Rohstoffen, das Holz und dessen Verwendung im M ittelpunkt stehen. Vor der Ver­ waltungsreform im Jahre 2 005, bei der die ehe­ mals eigenständigen Forstämter in die allgemei­ ne untere Verwaltungsbehörde Landratsamt ein­ gegliedert wurden, gab es schon Waldtage für Waldbesitzer im kleineren Rahmen. Dem neuen Forstamt des Schwarzwald-Baar-Kreises war es ein wichtiges Anliegen, diese Tradition aufzu­ greifen und die durch die Verwaltungsreform neu geschaffene Forstorganisation in ihrem umfas­ senden Tätigkeitsfeld mit einem Kreiswaldtag der Öffentlichkeit vorzustellen. Ein erster Anlauf im Jahr 2 0 0 6 musste unterbleiben, weil der be­ nachbarte Kreis Breisgau-Hochschwarzwald in Löffingen fast gleichzeitig bereits eine ver­ gleichbare Veranstaltung geplant hatte. Nach in­ tensiven Vorbereitungen konnte dann am 17. Ju­ ni 2007 das Großereignis im Schwarzwald-Baar- Kreis stattfinden. Vielfältige Informationen gegeben Neben der Demonstration traditioneller sowie moderner Forsttechnik und der Arbeit im Wald w ar es ein wichtiges Ziel der Veranstaltung, die vielfältigen Beziehungen und Wertschöpfungs­ ketten der Forst- und Holzwirtschaft deutlich zu 8 .0 00 Besucher zählte man beim 1. W aldtag des Schwarzwald-Baar-Kreises in Bräunlingen.


Aus d e m Kreisgeschehen machen. Deshalb wurde auf eine breite Beteiligung aus dem Kreis der Kunden und dem Handwerk, wie zum Bei­ spiel den Sägewerken, Z im ­ mereien, Kommunen, Schu­ len und Kindergärten, dem Kreis der forstlichen Dienst­ leister (Unternehmen für Holz­ ernte, Baumpflege oder an ­ deren Institutionen wie der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt und der Kreisjägervereinigung) gro­ ßen Wert gelegt. Und alle w a­ ren mit Begeisterung und gro­ ßem Engagement dabei. Weil es der Forstverwal­ tung ein großes Anliegen ist, Kinder und Jugendliche für das Thema Wald zu begeis­ tern (schließlich nim mt im Schwarzwald-Baar-Kreis der Wald mit 4 5 ,7 % den größten Flächenanteil ein noch vorder landwirtschaftlich genutzten Fläche mit 43% ), wurde das Veranstaltungsprogramm bewusst für Familien mit Kindern ausgelegt und zahlreiche Mitmach-Aktivitäten für Kinder angeboten. Ganz entscheidend für das Gelingen des Waldtags waren der Veranstaltungsort Bräunlin- gen-Unterbränd und die hervorragend gelunge­ ne Zusammenarbeit mit der Stadt Bräunlingen. 2 4 W aldarbeit „a n n o dazum al“ bedeutete, die gefällten Baumstämme m it den Pferden aus dem Wald zu transportieren und das Holz lon Hand zu sä­ gen (rechte Seite oben). Heute s in d hingegen Vollernter im Einsatz, eine Maschine leistet in kurzer Zeit, was frü h e r Mensch und Tiere liele Stunden m ühsam beschäftigte. Unten: M aschinelle Stam m holzentrindung. Von Anfang an war klar, dass für den Besuch des Waldtags kein Eintritt verlangt und auch ein An­ reiz zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ge­ setzt werden sollte. Um dies zu verwirklichen, war die Unterstützung durch Unternehmen, Or­ ganisationen und die örtlichen Vereine nötig und hilfreich. Und eines wurde bei der Organisation der Veranstaltung auch deutlich, dass die ver­ schiedenen Ämter des Landratsamtes durch ihr Zusammenwirken unter einem Dach und einer gemeinsamen Organisation ein effizientes Ser­ vicenetz für den Bürger darstellen. Viele Familien zeigten Interesse am Wald Und so strömten am ehemaligen „Tag der deut­ schen Einheit“ nicht in dieser Größenordnung erwartete geschätzte 8 .0 0 0 Personen, darunter Ein seltener W aldbewohner is t der Auerhahn, h ier ein Ausstellungsstück. Der A uerhahn steht längst unter Naturschutz, war frü h e r jedoch eine heiß be­ gehrte Jagdtrophäe.



Aus d e m K reisgeschehen jede Menge Familien mit kleinen und größeren Kindern, nach Unterbränd, um nach einem Wald­ gottesdienst und der offiziellen Eröffnung durch Landrat Karl Heim einen unterhaltsam-lehrrei­ chen Sonntag mit viel Spaß, Spiel und pfiffigen Ideen zu erleben. Der Wettergott spielte mit und bei strahlendem Sonnenschein fand jeder Besu­ cher im aufw ändig gestalteten Wald-Erlebnis- parcours sowie in dem großzügigen Wald-(Fest)- Zelt je nach Geschmack sein ganz persönliches Highlight. Der Wald als Erlebnisort Das Angebot warvielfältig: A u fe in er2 km langen Strecke wurden die zahlreichen Funktionsberei­ che des Waldes dargestellt, z.B. der Wald als natürlicher Lebensraum, als Rohstofflieferant, als Erlebnis- und Erholungsort sowie als Ar­ beitsplatz des Forstpersonals mit seinen ver­ schiedenen Nutz-, Schutz- und Erholungsfunk­ tionen. Es würde den Rahmen sprengen, alle ein­ zelnen Stationen und die dort angebotenen Ak­ tions- und Unterhaltungsprogramme im Einzel­ nen aufzuführen. Um nur einige herauszugrei­ fen, sei darauf verwiesen, dass zu den beliebtes­ ten Attraktionen Barfußpark, Klettergarten, M o­ torsägenkünstler, Jagdhornbläser, „Wald-Duftor­ g el“, Holz-Rückepferd, Luftgewehrschießen, Nistkastenbau sowie ein Märchenwald für die Kleinsten zählten. 2 6 Gerade K inder zeigen am Wald großes Interesse, beim W aldtag des Land­ kreises konnten sie lernen, welche großartigen Erleb­ nisse er zu bieten hat. Um alle beteiligten Or­ ganisationen und Ein­ richtungen sowie die un­ terstützenden Sponso­ ren des l . Kreiswaldta­ ges im Schwarzwald- Baar-Kreis einzeln aufzu­ führen, müsste hier eine lange Liste aufgeführt werden. Ohne eine Wertung vorzunehmen seien Pars pro Toto ein paar wenige genannt: Neben verschiedenen Kreisämtern und -einrichtungen und der Stadt Bräunlingen z.B. der Holzabsatz­ fonds, die Forstliche Versuchs- und Forschungs­ anstalt Freiburg, der Imkerverein Bräunlingen, der Hegering Donaueschingen, das Eventklet- tern-Unternehmen „Forest Fun“ , das M obilsäge­ w erk Reichle, der Verkehrsverbund Schwarz- wald-Baar und viele andere. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass der Ring­ zug für diesen Sonntag einen eigenen Sonder­ fahrplan eingerichtet hatte, um möglichst vielen Bürgern eine kostengünstige und umweltfreund­ liche Hin- und Rückfahrt zu ermöglichen. H u b e rt M o s b a c h e r Rechte Seite: Im pressionen lom 1. W aldtag des Forstamtes Schwarzwald-Baar in Bräunlingen-Un- terbränd. Von oben links: Die Baum seilbahn startet. Die Eröffnung wurde m usikalisch lon der Parforce- horngruppe um rahmt. M it lollem körperlichen Ein­ satz pflanzte die Prominenz eine Kiefer, den Baum des Jahres 2007. Unten lon links: Kletterbaum, altes Holzhandwerk und M otorsägenkünstler.



2. Ka p i t e l St ä d t e u n d G e m e i n d e n Neudingen – an der jungen Donau 700 Einwohner, drei Kirchen – eine lebendige Dorfgemeinschaft mit großer Geschichte Die Neudinger sind sich dessen bewusst: Ihre H eimat hat europäische Dimensionen, denn Neudingen ist wie Pfohren ein Ort an der jungen Donau! Der letzte, bevor der zweitlängste Fluss Europas den Schwarzwald-Baar- m . «K ^Kreis verlässt. Neudingen ist Donautandschaft – und eine besonders artenreiche dazu. Wertvolle Biotope und große Wiesenflächen umranden die kleine Ortschaft, die sich im östlichen Zipfel des Kreises in die Baarlandschaft schmiegt. Hier ist die Welt noch in Ordnung: Kühe und Schafherden grasen auf den Feldern ringsum, Störche thronen auf ihren Nestern über dem Gasthaus „Storchen“ oder vis-à-vis des Gast­ hofs „B ahn h of“ auf dem Stromm asten. Graureiher stochern auf der Suche nach Nahrung mit ihren langen Schnäbeln in den Uferbereichen der jungen n g e n a n d e r Q o n a u – w o j n d S tö rc h e t w is c h s i n d .


Donau ebenso herum. Auch der Biber fühlt sich in der beschaulichen Ortschaft neuerdings wie­ der wohl und hinterlässt seine Visitenkarten in Form von Bissspuren imm er wieder an Baumrin­ den am Uferrand oder alten Holzstücken, die die Donau von Pfohren herüberschwem mt. Und nicht nur in Donaueschingen, auch hier in Neu­ dingen trifft man viele Freunde der Donau – der jungen Donau. N e u d in g e n – an d e r jungen Donau Das Kloster und die Gruftkirche Tiefe Spuren jedoch hat bis zur Zeit der Säkula­ risation im Jahre 1803 das Klosterleben in Neu­ dingen hinterlassen. Dort, wo heute die Gruft­ kirche der Fürsten zu Fürstenberg steht, wo seit 2001 Alt-Fürst Joachim zu Fürstenberg begraben liegt und schon viele Vertreter der Adelsfamilie vor ihm ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, stand bis vor mehr als 2 0 0 Jahren und für die Dauer von etwa einem halben Jahrtausend das Kloster Maria Hof. Vor allem Töchter aus gutem, adeligem Hause wohnten in Anlage, die über 3 00 Jahre dem und später den Zisterziensern angehörte. Das Imperi­ um an sich war jedoch um ein Vielfaches größer und unglaublich vermögend: An-


S tä d te und G em e in d e n wesen wie die Neudinger Mühle, großflächige Wäl­ der, die Wildenmühle oder das Dorf Riedböh­ ringen kamen in klös­ terlichen Besitz und ma­ chen deutlich, welche im­ mense Wirtschaftskraft schon damals in Neudingen blühte. Bauern, Tagelöhner und Handwerker profitierten von dem Frauenkloster. Das Kloster kämpft um seine Existenz Doch um das Jahr 1381 war es mit einem Mal auch um das reiche Kloster nicht mehr gut be­ stellt – wie aus urkundlichen Erwähnungen her­ vorgeht, mussten viele Besitztümer verkauft w erden. M indestens einmal soll das Kloster auch ein Raub der Flammen geworden sein, im Jahre 1413 ist es wieder aufgebaut worden und es sollte – immer wieder mit wirtschaftlichen Kri­ sen kämpfend – seine wechselvolle Geschichte noch einige Jahrhunderte w eiter schreiben. An­ fangs des 18. Jahrhunderts wurde das „baufälli­ ge Gotteshäuslein“, wie es schon lange zuvor, im Jahr 1588, in einem Brief an den Grafen Heinrich beschrieben worden war, w iederaufgebaut. Das Ölgem älde des Klosters Neudingen, begründet im Jahr 1274 (F. F.-Archil Donaueschingen). 3 0 Weite Baar: Blick a u f Neudin­ gen lom Fürstenberg aus. Unten: Luftbild der 1853 im S til der Renaissance er­ richteten Gruftkirche der Fürstenberger. Klosterleben blühte noch ein letztes Mal auf. Es gab ein eigenes Gasthaus in der Anla­ ge, Handwerker, eine Schmiede und vieles mehr – mit den „neudingi- schen und fürstenbergischen H andw erksleut“ stand es damals ohnehin nicht zum Besten, hat es doch einen großen Protest gegeben, weil beim Wiederaufbau des Klosters vor allem deren Kolle­ gen aus Villingen zum Zug gekommen waren. M it den Feldzügen Napoleons dann sollte sich auch Neudingens Geschichte rasant w an ­ deln. Dank der Säkularisierung fiel das Neudin­ ger Kloster in die Hände der Fürsten zu Fürsten­ berg. Aus dem Kloster wurde eine Burgvogtei, ab 1813 schrieb es Geschichte als Russenspital, ab 1826 als Blindenanstalt, nach 1843 als „Ret­ tungsanstalt“ für verwahrloste Kinder und Ju­ gendliche und am 23. März 1852 sollte – ver­ mutlich in Folge von Brandstiftung – ein Feuer das Kloster bis auf seine Grundmauern abbren­ nen lassen. Mit dem Wiederaufbau der Kloster­ kirche, der heutigen Gruftkapelle, indes wurde w ieder begonnen und schon 1856 wurde sie durch den Erzbischof Vicari von Freiburg einge­ weiht. Die Grabeskirche der Fürstenberger Heute, wenn Familien beim sonntäglichen Spa­ ziergang durch die idyllische Anlage streifen, wohnt dem verwunschenen Parknoch im m erder Zauber des Besonderen inne. Bei kirchlichen Festen, etwa zu Fronleichnam, fällt dem kleinen Gotteshäuschen immer wieder eine prominente Rolle zu. Und bei traurigen Anlässen der Familie zu Fürstenberg, wenn ein Familienmitglied zu Grabe getragen wird wie zuletzt Fürst )oachim zu Fürstenberg im Juli 2001, dann versammeln sich in Neudingen die High Society und die Btaubtüti-



S tä d te und G e m e in d e n Das Wappen von Neudingen Von b la u -s ilb e r n e m W o lk e n fe h -S c h ild ra n d u m g e b e n , in S chw arz ein sch w e b e n d e s s ilb e r ­ nes Hochkreuz. Dieses Wappen spielt mit dem Kreuz auf die Grablege des Hauses Fürsten­ berg (daher der Fehrand) seit 1337 in der Kirche des ehemaligen Klosters M a ­ ria Hof zu Neidingen an. Um 1820 soll ein Siegel mit einem kleinen Wappen mit Gar­ be und mit einem Löwen als Schildhalter ver­ w endet worden sein. Aus der zweiten Hälfte des vorigen )ahrhunderts ist nur ein Farb­ druckstempel ohne Bild bekannt. Im Jahre 1902 entwarf der Zeichner des Generallandes­ archivs das Kreuzwappen, mit dem die Ge­ gen, dann erobern Kamera­ team s das kleine Dörfchen und sieht man die ehemalige Neudinger Klosteranlage an prom inenter Stelle in den abendlichen Nachrichtensen­ dungen über den Bildschirm flimmern. Ein trauriges Kapitel der Dorfgeschichte schreibt eine zw eite der – abgesehen von der Friedhofskapelle – insge­ samt drei Kirchen, mit der die 70 0 Seelen-G em einde Neu­ dingen aufwarten kann; die G nadentalkapelle. An dem kleinen Kirchlein, das sich mit­ samt seinem Sakristeihäus­ chen unterhalb von Fürsten­ berg in die sanften Hügel der Baar kuschelt, hat der Zahn der Zeit g en agt-S pen den sam m lu ng en sollen helfen, das wertvolle Kulturdenkmal, aus dem auch kunstvolle Votivtafeln des Hüfinger Malers Menrad stammen, wieder zu sanieren. Im kirchlichen Leben der Gemeinde spielt die Gna­ dentalkapelle mindestens einmal pro Jahr, näm­ lich jeweils am Annatag am 26. Juli eine wichti- 32 meinde einverstanden war. Seit 1903 führt sie es im Gemeindestempel. Neudingen (früher Neidingen) gehörte von Anbeginn zu Fürstenberg (der Fürstenberg mit der namengebenden Burg liegt auf ursprüng­ lich Neudinger Markung) und kam mit dem fürstenbergischen Obervogteiamt Hüfin- gen im Jahre 1806 an Baden – Amtssitz 1844 nach Donaueschingen verlegt; seit 1939 Landkreis Donaueschingen, am 1. Ja­ nuar 1973 zum Schwarzwald-Baar-Kreis. Durch die Eingem eindung in die Stadt Donaueschingen zum 1. Januar 1975 ist das Wappen erloschen. Q uelle: GLA Entnommen: Gemeindewappen des ehem aligen Landkreises Donaueschingen, Klaus Schnibbe, 1980. G rabm al a u f dem F riedhof der Fürstenberger. ge Rolle: Das halbe Dorf pilgert dann, das Gotteslob unter den Arm geklemmt, ins Gnadental, um dort einen festlichen Got­ tesdienst zu feiern. Lebendige Dorfgemeinschaft Ja, Neudingen feiert oft und gern. Und das vor allem dank seiner vielen Vereine, die – nachdem das Klosterleben längst Vergangenheit ist – den modernen Charakter Neudin- gens prägen. Sieben eingetragene Vereine sind in dem kleinen Dorf verankert und kaum ein Neu­ dinger ist nicht in mindestens einem von ihnen, viel häufiger aber in mehreren gleichzeitigzu fin­ den. „Die Vereine in Neudingen sind schon her­ ausragend“ , meint auch Ortsvorsteher Klaus Münzer, der selbst lange Jahre der M usikkapel­ le Neudingen Vorstand und der noch immer der


erste Mann im DRK-Ortsverein ist. Neben dem Roten Kreuz sind das die Musikkapelle unter der Leitung von Wolfgang Hauser und dem Vorsitz von Mathias Huber, der Radsportverein mit sei­ nem Vorsitzenden Otto Huber, die Landfrauen mit ihrem engagierten mehrköpfigen Führungs­ team, die Klosternarren mit Zunftmeister Bernd M att, die Feuerwehr mit Kommandant Marcus Przystaw und der BLHV Neudingen, in dem sich noch heute die Landwirte des Ortes versammeln. Neben den eingetragenen Vereinen bilden sich immer wieder auch lockere Treffs und Ver­ bindungen. Da trifft sich die lügend im Vereins­ haus Molki, in dessen Keller auch der Jugend­ raum zu finden ist, im Sommer jagen Kinder und Jugendliche auf dem kleinen Bolzplatz nahe den Ufern der Donau dem runden Leder nach oder trifft man sich in kleinen Gruppen beispielswei­ se im Neubaugebiet auf Löbern zum Rad fahren Neudingen besitzt liele ausgesprochen schöne Winkel, so am M ühlenkanal. Groß geschrieben w ird in der Dorfgem einschaft die Geselligkeit. Zur Kapelle der Heiligen Anna (unten rechts) fü h rt ein­ m al im Jahr eine Wallfahrt, die erstm als 1276 e r­ w ähnt ist. Der heutige Bau stam m t aus dem 17. Jahrhundert. oder Inline-Hockey spielen. In den Reitställen Neudingens satteln viele Kinder und Jugendli­ che, aber auch Erwachsene die Pferde, und auf zwei Rädern oder Inlineskates tauchen tagtäg­ lich unzählige Freizeitsportler auf dem Donau­ radweg bei Neudingen in die wunderschöne Baarlandschaft ein. Die Stammtische in den Wirtschaften sind für viele M änner des Dorfes noch heute der Dreh- und Angelpunkt am Sonntagvormittag. Hier er­ fährt man, was sich die Woche über ereignet hat, 33


N e u d in ge n – an d e r jungen Donau tauscht sich aus und schmiedet auch schon mal Pläne für gemeinsame Reisen und Ausflüge. Für ältere Semester hat sich der Dienstagstreff zu­ sammengefunden. Elisabeth Bühler hat diese Ini­ tiative angestoßen, in deren geselligen Rahmen auch Vorträge und Informationsveranstaltungen stattfinden, nachdem gerade für ältere Bürger immer mehr Bereiche des täglichen Lebensweg­ gebrochen sind. Umso wichtiger sind nach all den Verände­ rungen und Einbußen der vergangenen Jahr­ zehnte für das Dorf die Vereine mit ihren vielen Veranstaltungen und Festen geworden. Alljähr­ lich lädt beispielsweise am Muttertag der Rad­ sportverein Germania Neudingen zum Volksrad­ fahren ein, s pieltdie Musikkapelle bei mehreren Konzerten auf, schreibt der Klosternarr mit sei­ nem Dorfumzug oder dem närrischen Fünfkampf ein weiteres Kapitel Fasnet-Geschichte, lädt die Feuerwehr zum traditionellen Flammellauf ein, oder greift die Theatergruppe von Musikkapelle und Radsportverein beim W eihnachtstheater das Zwerchfell seines Publikums an. Sogar zwei Bankfilialen waren vorhanden Neudingen war einmal ein äußerst florierendes Dorf. Da gab es nicht nur so viele Wirtschaften wie in kaum einer anderen Gemeinde dieser Größe, sondern hatten auch zwei Banken ihre Filialen, die Post eine Anlaufstelle und gab es neben der Neudinger Bäckerei Schmid sogar einen eigenen Tante Emma-Laden im Gasthaus Linde. Otto Egle hat diesen über lange Jahrzehnte hinweg betrie- Als es noch d en ben, und dort konnten T a n te E m m a -L a d e n g a b , k o n n te n d ie die N e“ dinger alle W a­ ren des täglichen Be­ darfs kaufen Es gab N e u d in g e r d en tä g – dort neben frischem liehen B e d a rf am e ig e n e n W o h n o rt d e c k e n . obst und Gemüse bei­ spielsweise auch Milch­ produkte, Fleisch- und Wurstwaren, Getränke, Drogerieartikel, Süßig­ keiten oder Backwaren – und hier trafen sich ge­ rade die älteren Bürger des Ortes beim Einkäu­ fen, um nebenbei ein Schwätzchen zu halten und das Neueste zu erfahren. Doch wirtschaftliche Überlegungen, welche die großen Banken, die Post, aber auch die kleinen Einzelhändler im Laufe der Jahre anstellen mussten, trafen Neu­ dingen hart. Nach und nach ging Stück für Stück einer festen Struktur verloren. Die Banken und die Post zogen sich zurück und auch der kleine La­ den in der Linde gehört seit Anfang des Jahres 2 0 0 6 der Vergangenheit an. Das gesellschaftli­ che Leben spielte sich häufig auch in den W irt­ schaften des Ortes ab, doch auch hier musste Neudingen Verluste hinnehmen. Von der Blüte­ zeit unzähligerwirtschaften und Tavernen im 18. Jahrhundert einmal abgesehen, konnte Neudin­ gen auch vor rund 50 Jahren noch stolz fünf Wirt­ schaften sein eigen nennen: die „Linde“, die „Son­ ne“, den „Storchen“ , den „Bahnhof“ (auch „Höf- le“ genannt) und das „Rössle“ . Nachdem das „Rössle“ Anfang der i97oer-Jahre seine Pforten schloss, der Gasthof zur „Sonne“ nach dem To­ de des Sonne-Wirts Kurt Höfler im vergangenen A u f zum Volksradfahren u nd Platzkonzert der M usikkapelle. 3 4


fahr vor einer ungewissen Zukunft steht, und im Gasthaus „Linde“ im Jahr 20 0 7 zum letzten Mal Gäste bewirtet worden sind – die „Linde“ gibt es fortan nur noch als Hotel „Garni“ – ist die „Spei­ sekarte“ doch stark ausgedünnt worden. Ein weiterer großer Wermutstropfen für die Neudinger war die Schließung der Grund- und Hauptschule, in deren ehemaligen Räumen sich nun immer wieder die Vereine treffen, während die Pennäler per Bus ins benachbarte Pfohren oder in die weiterführenden Schulen in die Große Kreisstadt Donaueschingen fahren, um dort die Schulbank zu drücken. Immerhin die Kleinsten dürfen ihren Kindergarten noch in Neudingen besuchen. Und was die Grundversorgung mit Le­ bensmitteln angeht, so sind Herta und Adolf Schmid mit ihrer gleichnamigen Bäckerei an der Sumpfohrener Straße eine wichtige Stütze vor Die N eudinger Kirche m it ihrem wertlollen Baum ­ park, der Dorf-Bolzplatz an d e r Donau und b ä u erli­ che Im pression – es g ib t etliche Landwirte und Pfer­ deställe am Ort. allem für die älteren Neudinger. Sonst müssten diese auch zum „kleinen“ Einkauf den Weg nach Hüfingen oder Donaueschingen auf sich nehmen. Noch im m m er viele Arbeitsplätze Viele Arbeitsplätze der Neudinger finden sich übrigens noch heute in der kleinen Ortschaft. Seine Anfänge nahm hier, damals noch als ganz kleiner Betrieb, das frühere Kieswerk von Johann Wintermantel, das auch nach der Verlegung sei­ ner Fertigung nach Donaueschingen noch lange 35


N e u d in ge n – an d e r ju ngen Donau mit seiner Betriebsfüh­ rung in Neudingen g e­ sessen ist. War Neudin­ gen früher ein sehr bäu­ erliches Dorf, sind von den vielen Vollerwerbs­ landwirten nur noch recht w enige übrig ge­ blieben. Neben zahlrei­ chen innovativen Famili­ en- und H andw erksbe­ trieben und der Gour­ met-Küche von Günther Kumm erländer bietet hier aber mit den Südbadischen Gummiwerken auch e inerderg anz großen Betriebe Donauesch- ingens viele Arbeitsplätze. Der Neudinger Klosternarr. „Neudingen ist toll, mit Neudingen gibt es keine Probleme“ , hat der Donaueschinger Alt- Oberbürgerm eister Dr. Bernhard Everke einer Neubürgerin einmal gesagt, und dam it hat der passionierte Radfahrer ganz sicher nicht nur die stattliche Wirtschaftskraft Neudingens gemeint, sondern auch das liebenswerte Dörfchen. Durch dieses fuhr er selbst hin und wieder auf seinem Drahtesel, vorbei an malerischen alten Bauern­ häusern wie dem ehemaligen Herrschaftshaus der Familie des Großbauern Heinemann neben der Kirche, vielleicht mit einem kleinen Zwi­ schenstopp an der wohl idyllischsten Ecke Neu­ dingens bei der ersten Mühle an der jungen Do­ nau und ganz sicher jene Kurve nehmend, an der kein Besucher Neudingens vorbeikommt und die rund um das markante Gasthaus „Sonne“ führt, das im Herzen Neudingens, mitten auf der Haupt­ straße thront. Die Neudinger Klosternarren Man muss nicht unbedingt an Geister glauben, um an der Entstehungsgeschichte des Neudin­ ger Klosternarrs Gefallen zu finden. In einem ge­ spenstischen weißen Häs mit einer Maske, die ein Gesicht zeigt, das eine grässliche Fratze zieht und vielen Glöckchen und Schellen, die kräftig Lärm machen, ziehen die Neudinger Klosternar­ ren zur fünften Jahreszeit durch die Straßen. Sein handbemaltes Häs erzählt dabei eine er­ 3 6 staunliche Geschichte, die ein guter Stoff für eine handfeste Grusel­ geschichte wäre. So soll im Neudinger Klos­ ter, wie in vielen verlas­ sen wirkenden Anw e­ sen, Schlössern und Herrschaftshäusern an­ derswo auch, einmal ein Geist umgegangen sein. Dass es diesen gibt besagt nicht mehr als eine kleine Notiz aus dem Jahre 1799, doch die reichte aus, um den Klostergeist zur Legende werden zu lassen. Autor oder Urheber dieser Notiz soll ein ehem a­ liger Rossknecht und Klosterpförtner sein. Dass so ein Gespenst Sorge und Schrecken verbreitet, versteht sich von selbst, und so er­ zählt das Gewand der Neudinger Klosternarren eine ganze Geschichte rund um diese Furcht er­ regende Gestalt, die da im Kloster gehaust ha­ ben soll. Auf der Vorderseite des Häs’ sind zwei fast körperlose Geister mit Libellenköpfen und mit wehenden Gewändern abgebildet. Die Kleider sind ineinander verwoben und wirken leicht und unbeschwert, so wie die guten Geister des Tan­ zes und der Freude, welche sie symbolisieren sollen. Der Geist kom mt nicht auf normalen Füßen daher, sondern auf Schwimmfüßen. Wirkt die Vorderseite des Kostüms noch nicht sonder­ lich erschreckend, so zeigt die Rückseite das Ge- genstückdazu. Eine alte Klosterfrau durchdringt den Betrachter mit ihrem harten, fast unheimli­ chen Blick und will ihn zum entsagungsreichen Leben zwingen, sie wünscht sich wohl schon den Aschermittwoch herbei. Der zweiten Frau, die auf dem Häs dargestellt ist, ist die griesgrämige Alte unheimlich, sie flieht vor ihr und ihrer har­ ten Zucht in den Hintergrund. Auch auf den Hosenbeinen werden Sanftheit und Härte einander gegenübergestellt. Das ge­ schieht in Form einer Katze, jenem Tier, das all­ gemein durch seine Sanftheit besticht, aber auch Krallen zeigt und in ihrer Unberechenbar­ keit manchmal erschreckt – so wie ein echter Narr eben auch. Das zweite Tier auf der Hose ist


Winterliche Baar, Sonnenaufgang nah der Donau bei Neudingen. ein knöchernes Fabeltier mit Raubtiergebiss und Drachenflügeln, ein weiterer Geist. Auf den Ärmeln zeigt der Klosternarr Spiel­ figuren, weil auch das fastnächtliche Treiben der Fasnetsfigur letztlich nur ein Spiel ist. Den geis­ terhaften Eindruck des Klosternarrs hingegen rundet seine Maske ab. Der Klosternarr zieht ein Furcht erregendes Gesicht, „Glubschaugen“ quel­ len aus den tiefen Augenhöhlen hervor. Und weil der Knecht, der den Klostergeist sah, berichtet hat, er sei vor allem am Kopf von Flammen um­ geben gewesen, wird der Kopf des Klosternarrs von einem flammenden Strahlenkranz aus grel­ ler, schwefelgelber Farbe umrahmt. Über die Kappe des Klosternarrs zieht sich eine Schlange, die zeigt, dass auch im Klosternarr ein wenig Hinterlist steckt, die ihn das ganze Jahr über al­ les heimtückisch mithören lässt, was um ihn her­ um passiert, um dann rechtzeitig zur fünften Jah­ reszeit auszupacken. Die Geburtsstunde des Klosternarrs schlug übrigens trotz dieses historischen Hintergrun­ des mit dem Jahr 1975 erst sehr spät – und ent­ gegen der ursprünglichen Pläne wurde Neudin- gens Fasnetsfigur nicht „Klostergeist“ , sondern Klosternarr getauft, um zur Schwarzwälder Nar­ renvereinigung dazu gehören zu dürfen, wo He­ xen, Geister und Dämonen gemeinhin nichts ver­ loren haben. C ornelia S c h le c h t 37


S tä d te und G e m e in d e n Schönenbach im Bregtal – „schöne Au“ Der Ortsteil von Furtwangen ist attraktiver Wohn- und Arbeitsort zugleich Eine idyllische Flusslandschaft mit verstreut gelegenen, größ­ tenteils landwirtschaftlich ge­ nutzten Bauernhöfen prägt auch heute noch das Bild des Oberen Bregtals. Kein Wunder, dass die ersten Siedler diesem Flecken den Namen „schöne Au“ (Scano­ we) gaben, aus dem das heutige „Schönenbach“ entstanden ist. Seine Gemarkung erstreckt sich gleichsam bis vor die Tore Furtwangens und Vöhrenbachs und wird durch zwei parallel ver­ laufende Höhenzüge begrenzt. Die Breg, größ­ tenteils noch in ihrem natürlich mäandernden Lauf belassen, prägt das Tal und seine Land­ schaft. Und die Matten und Wiesen an ihrer Sei­ te sind es auch, die als riesiges, natürliches Rück­ haltebecken dienen, denn zu Zeiten von Schnee­ schmelze und Dauerregen tritt die Breg hier re­ gelm äßig über ihre Ufer und überflutet die an­ grenzenden Flächen. Sicher die wichtigste Ursache dafür, dass die Auenlandschaft bisher nicht weiter bebaut w ur­ de und so ihrursprüngliches Aussehen behalten hat. Versuche der Stadt Furtwangen, zu der Schö­ nenbach seit dem Jahr 1971 gehört, Ende der i98oer-Jahre hier ein größeres Gewerbegebiet auszuweisen, scheiterten an eben dieser Was­ serrückhaltefunktion, obwohl das Schönenba­ cher Tal die in der Raumschaft rare, ebenen und damit leichter bebaubaren Flächen aufweist. Das typische Ortsbild bewahrt Mit Furtwangen ist Schönenbach zwar mittler­ weile vor allem im Bereich Sommerberg/Lochhof zusammengewachsen, ohne aber sein typisches Ortsbild zu verlieren. Der Ortskern um die dem heiligen Nikolaus geweihten Kirche ist noch von 3 8 w eitherauszum achen, der w ei­ ß e, spitz zulaufende Kirch­ turm prägt das Bild des Oberen Bregtals und im Rahmen einer gelungenen Ortskernsanierung wurde bei der Kirche zudem ein attraktiver Dorfplatz ge­ schaffen. * Die Kirche St. Nikolaus ist aber nicht nur baulicher M ittel­ punkt: Von den rund 8 8 0 Bewoh­ nern Schönenbachs sind etwa 7 60 Ka­ tholiken. Herz und Seele der Pfarrei ist der Sale­ sianerpater Franz Hettel, der seit dem Jahr 1982 als Ortsgeistlicher wirkt und sich bei seiner Ge­ meinde großer Beliebtheit erfreut. Ansonsten betreiben die Salesianer das Don-Bosco-Ju- gendwohnheim mit Skiinternat am Furtwanger Großhausberg. Aberauch die InfrastrukturSchönenbachs ist noch vergleichsweise intakt, so haben sich drei Gaststätten erhalten, neben der „Sonne“ als wahrscheinlich ältestem Gasthaus am Ort (seit 1701 bezeugt) und dem „Löwen“ ist das auch die „Krone“ mit einer ebenfalls jahrhundertelangen Tradition. Daneben gibt es mit dem „Tannenhof“ zudem ein Tanzcafe, das mit seinen Live-Ange- boten einen überregionalen Bekanntheitsgrad erreicht hat. Vereinen sowie der Bevölkerung steht aber zudem ein Dorfgemeinschaftsraum zur Verfü­ gung, ferner gibt es den katholischen Kinder­ garten St. Nikolaus, einen Fußballplatz sowie ei­ ne Sporthalle, für deren Erhalt sich Bewohner wie Ortschaftsrat und Ortsvorsteher in jüngster Zeit erfolgreich eingesetzt haben, eine Tankstel­ le mit Reifenhandlung, verschiedene Handwerks­ betriebe sowie ein Autohaus, das sich in einem Der Ortskern lon Schönenbach m it d e r St.-N iko­ lauskirche.



S tä d te und G em e in d e n Zu Zeiten der Bregtalbahn lerfügte Schönenbach sogar über einen eigenen Bahnhof. Kleingewerbegebiet am „Linacher W eg“ ange­ siedelt hat. Selbst der Neubau des alteingesessenen Furtwanger Unternehmens „Druckguss-Ketterer“ am Niegenhirschwald nahe der Martin-Schmitt- Straße befindet sich streng genommen noch auf Schönenbacher Gemarkung, die erst am Bach im Engelsgrund vor dem Don- Bosco-Heim sowie der Ro- bert-G erw ig-S chule endet. Auch die Furtwanger Kläran­ lage befindet sich a u f der 11,44 Q uadratkilom eter um ­ fassenden Fläche der Talge­ meinde. Nicht zu vergessen die letzte Uhrenfabrik der Raum­ schaft, die AMS GmbH, in der heute vorwiegend hochwerti­ ge Großuhren hergestellt wer­ den. Die Firma w ar zu Beginn des20. Jahrhunderts ein über­ M ondphasenuhr der AMS GmbH. 4 0 aus innovatives Unternehmen mit hervorragen­ den Geschäftsbeziehungen nach England. Alois Mayer hatte beispielsweise im Jahre 1910 den maschinellen Betrieb von Drehbänken, W alzm a­ schinen und Zahnstühlen eingeführt, die Energie lieferte ein Wasserreservoir mit Hochdrucklei­ tung. Zuvor hatten die Arbeiter den Antrieb aus eigener Kraft bewerkstelligen müssen. Kein Wunder, dass die Neuerung von ihnen be­ geistert aufgenommen wurde, hatte doch die Schwitzerei d a­ mit ein Ende. Ein ebenfalls großer Uh­ renhersteller war ursprüng­ lich die Firma Emilian Wehrle, die eine typische Transforma­ tion heute erfolgreicher Un­ ternehmen im Bregtal durch­ lief und sich rechtzeitig auf neue Produkte verlegte. Be­ reits Ende der i93oer-Jahre hatte Erwin Wehrle mit der Herstellungvon Bestandteilen für W asserzähler begonnen,


Das Wappen von Schönenbach In S ilb e r ü b e r e rh ö h te m b la u e n W e lle n s c h ild ­ fuß, w o rin eine U nksschw im m ende s ilb e rn e Fo­ relle, a us s c h w a rz e m B o d e n w a c h s e n d d re i g rü n e L a u b b ä u m e m it schw arzem Stam m . Nach einem reinen Schriftsiegel aus dem An­ fang des 19. Jahrhunderts erscheint 1839 erstmals ein schön geschnittenes, querovales Siegel mit der Umschrift GE­ MEINDE SCHÖNENBACH., das frei im Siegelfeld einen Wellenbalken mit ei­ nem linkshin schwimmenden Fisch zeigt. In einem etwas späteren Farb­ druckstempel schwim mt der Fisch auf dem Wellenbalken nach rechts, und oben aus dem Wellenbalken wachsen drei grasbüschelartige Pflanzen. Im Jahre 1901 wünscht die Gemeinde ein neues Siegel, und das Generallandesarchiv schlägt eine „bessere Darstellung“ dieses Bil­ des als Wappen vor: „ I n s ilb e rn e m S c h ild ein b la u e r Bach w o rin e in (lin k s s c h w im m e n d e r) g o ld . F isch“ . S ch ö nen ba c h im Bregtal – „ s chön e Au‘ ein Landschaftsbild mit Bach und Forelle er­ wünscht“ . Daher entwarf das GLA folgendes Wappen: In s ilb e rn e m S c h ild ü b e re in e m b la u ­ en B a c h “ (hier als W ellenschildfuß gezeich­ net!), in w elchem ein s ilb e rn e r Fisch (Forelle) nach Links s c h w im m t, a u f b ra u n e m B oden d re i k u g e lfö rm ig e L a u b b ä u m e in n a tü r lic h e r Far­ b e “ . Die schwarze Farbe für Boden und Baum­ stämme wurde vom GLA erst 1966 eingeführt. Besser hätte man wohl das ganze Wappen nur in den Farben Blau-Sil­ ber gehalten. Die ehemals fürstenbergische Tal­ gem einde kam bei Auflösung des Bezirksamts Vöhrenbach 18 0 8 zum Bezirksamt Neustadt, 1850 zum Be­ zirksamt Villingen und von diesem erst am 1. April 1924 zum Amtsbezirk, später Landkreis Donaueschingen. Am 1. Juli 1971 wurde Schönenbach in die Stadt Furtwangen eingemeindet. Q uelle: GLA. W. Fauler: Die G eschichte des S c h w a rz w a ld o rte s S c h ö n e n b a c h im B re g tal, F urtw angen 1973 Die Gemeinde ist dam it jedoch nicht zu­ frieden und schreibt (1902) zurück: „Es wäre Entnommen: Gemeindewappen des Landkreises Donaueschingen, Klaus Schnibbe, 1980. ein Gebiet, auf dem die E. Wehrle GmbH („auf dem M oos“) noch heute erfolgreich tätig ist. Das Unternehmen bietet derzeit rund 250 Arbeits­ plätze. Land- und Forstwirtschaft bedeutend Land-, Vieh- und W aldwirtschaft nehmen im Schönenbacher Tal aber immer noch einen be­ deutenden Stellenwert ein, wenn auch teils in in­ novativen Formen. So konnte sich der Gfelldei- bishofals Pferdehof etablieren und ist heute vor allem auch für Kinder und Jugendliche ein wich­ tiger Treffpunkt, seine regelmäßigen Angebote im Rahmen des Furtwanger Somm erferienpro­ gramms sind stets als erste ausgebucht. Ein anderes Beispiel ist die Brennerei auf dem Rotenhof an der Abzweigung zur Straße nach Rohrbach, wobei das Brandrecht allerdings nicht traditionell zum Hof gehört, sondern von Bernhard Ritter 1988 gekauft worden war. M itt­ lerweile wird hier freilich Hochprozentiges in 14 Sorten gebrannt, vom Kirschwasser bis zum To­ pinambur, Spezialität ist ein edles „Zibärtle“ . Offen fü r Hof- und Brennereiführungen: der Rotenhof.


S tä d te und G em e in d e n Nachdem die Küche originalgetreu renoviert wurde, bietet die Familie Ritter seit einiger Zeit Hof- und Brennereiführungen samt anschließen­ der Verkostung diverser Brände. Übrigens: Das kleine Gebäude neben dem Hof siehtzw ar wie ei­ ne Kapelle aus, birgt aber eine Schaubrennerei, die erst in jüngster Zeit errichtet wurde. Im Jahr 1221 erstmals erw ähnt Die Tallage und die zu beiden Seiten sanft an­ steigenden Höhenzüge haben aber nicht nur die Landwirtschaft Schönenbachs begünstigt, ent­ lang der Breg verläuft seit jeher auch eine wich­ tige Verbindungzwischen dem Rheintal und dem Raum Villingen. Daher verfügt Schönenbach auch über eine lange geschichtliche Tradition, urkund­ lich wird der Ort erstmals 1221 im Codex Salemi- tanus erwähnt. Hintergrund war ein Streit des Klosters Salem mit dem KlosterSt. Georgen über die Zugehörigkeit Schönenbachs, aus dem die Salemer als Sieger hervorgingen. Sie konnten nachweisen, dass die Pfarrei Herzogenweilertra- ditionell für die kirchlichen Belange Schönen­ bachs zuständig war. Es habe sich hier wohl um die mittelalterliche Ausprägung einer Seelsor­ geeinheit gehandelt, so der humorige Kommen­ tar von Pater Franz Hettel zu der enormen Aus­ dehnung des damaligen kirchlichen Zuständig­ keitsbereiches. Im m er wichtiger wurde aber die 1244 ge­ gründete Stadt Vöhrenbach, die kirchlich zu­ nächst ebenfalls zu Herzogenweiler beziehungs­ weise Salem gehörte. Mussten die Schönenba- cherwohlzunächst sogar ihre Toten in Herzogen­ weiler beerdigen, so konnten sie dies nun bald in Vöhrenbach tun, nachdem auch der Pfarr- wohnsitz hierher verlegt worden war. Im jahr 1480 ging das Patronatsrecht auf das Haus Fürs­ tenberg über, das heißt, nach Ernennung des Pfarrers durch den Bischof musste dieser sich nach Donaueschingen begeben, wo er vom Haus Fürstenberg bestätigt werden musste. Formell haben die Fürstenberger dieses Recht bis heute behalten, auch wenn es schon lange nicht mehr eingefordert wird. Details machen noch immer die Zugehörig­ keit zum Fürstenhaus deutlich. So ist das aus der (Bier)Werbung bekannte Wappen der Fürsten­ berger auf dem Messkelch der Pfarrei zu sehen, einer wunderschönen Goldschmiedearbeit, die das Fürstenhaus einst der Pfarrei geschenkt hat. Wegen des Wappens bekommt der Ortsgeistli­ che allerdings gelegentlich den einen oder an­ deren ironischen Kommentar zu hören. Ab 1639 e ’ne eigenständige Pfarrei Bis zum Jahr 1639 waren die Pfarrer von Vöhren­ bach zuständig für Schönenbach, erst dann be­ ginnt die Geschichte der eigenständigen Pfarrei. Ein wichtiges Datum, gibt es doch ab diesem Jahr auch die historisch aufschlussreichen Pfarr- bücher der Gemeinde. Bis 1790 gehörte übrigens auch Rohrbach zur Pfarrei Schönenbach und bis Die Kirche m it neuer Uhr und Blum enschm uck a u f dem Dorfplatz.


Kostbar ausgestattet is t die Schönenbacher Dorfkirche, die 1723 ih r heutiges Aussehen erhielt. heute wird die Filialkirche St. Wendelin in Linach von Schönenbach aus mitbetreut. Stein gewordenes geschichtliches Zeugnis der Gemeinde ist freilich die Pfarrkirche St. Niko­ laus, bereits bei der ersten urkundlichen Erwäh­ nung Schönenbachs im Jahr 1221 wird eine „ca- pella“ mitgenannt. Wahrscheinlich stammt der untere Teil des Chores noch aus dieser Grün­ derzeit. Noch heute kann man hier wuchtige, meterdicke Mauern er­ kennen. Die Kirche steht übrigens zu Straße und Tal leicht richtungs­ versetzt, was die exakte Ost-West- Ausrichtung des Bauwerks b e­ dingt. Pater Franz Hettel ist davon über­ zeugt, dass die Kirche auch als Wehrkirche diente, so hat ein Fenster in der Sakristei die typi­ sche Form einer Schießscharte. Ihre heutige Gestalt erhielt die Kirche durch Anbau aber erst im 18. Jahrhundert, 1723 wurde sie einge­ weiht. Die Barockaltäre wurden zwar zu Beginn des 20. Jahrhun­ derts bedauerlicherweise entfernt, die Figuren blieben allerdings erhalten und sind heute ein­ zeln in gebührender Höhe im Längsschiff der Kir­ che zu bewundern. Berühmteste und kostbarste Figur der Kirche ist die „gotische M adonna“ , ei­ ne meterhohe Muttergottesfigur mit Jesuskind aus Stein, die wohl um das Jahr 1280 entstand. Einen neuen Dorfplatz geschaffen Vor wenigen Jahren konnte eine umfassende Außenrenovierung der Kirche abgeschlossen werden, gekrönt durch neue Zifferblätter der Kir­ chenuhr, die durch ihre goldenen Ziffern und Zei­ gern auf tiefblauem Grund auffallen. Vorange­ gangen war eine Sanierung des Kircheninneren. Aber auch die weltliche Gemeinde hat in den vergangenen 15 Jahren viel in den Ort investiert. So wurde bei der Kirche ein Dorfplatz geschaf­ fen. 1995 hatte die Stadt Furtwangen in ihren Haushalt dafür 2 1 8 .0 0 0 M ark eingestellt. Er­ möglicht wurde das Projekt aber nur durch das Entgegenkommen der Kirchengemeinde, die das benötigte Grundstück abtrat. Im Spätsom m er 4 3


S c h ö n e r b a c h im B re gta l – „schö n e A u“ Der Schönenbacher Dorfplatz – die M öblierung m it Brunnen wurde aus dem Budget des Ortschaftsrates finanziert. Auch sonst wurden unter dem seit 1989 amtierenden Ortsvorsteher Hans­ jörg Hall zahlreiche Sanierungs- und Er­ schließungsprojekte energisch a ng e­ packt. So wurde ab Beginn der 1990er- Jahre die Josef-Zähringer-Straße stück­ weise auf Vordermann gebracht. Die Sa­ nierung schloss auch die Oskar-Bürkle- sowie Ziriakenhofstraße ein und auch deren Anbindung an die Landstraße w ur­ de erneuert. In den Jahren 1994 bis 1996 erfolgte die Sanierung der Zähringer- Straße östlich des Friedhofs. Mit der ge­ planten Verlegung der Straße beim Fried­ hof und der Schaffung von Stellplätzen für dessen Besucher ist die Ortskernsa­ nierung nun abgeschlossen. wurde mit den Arbeiten begonnen, noch im De­ zember erfolgte die Abnahme. Aus dem Budget des Ortschaftsrates wurde 2 0 0 2 die Möblierung des Platzes mit dem Brun­ nen finanziert, ein Jahr später erfolgte seine Be­ pflanzung und die offizielle Einweihung. Ein weiteres Großprojekt war die Einrichtung des Kindergartens mit Dorfgemeinschaftsraum, die Möglichkeit dazu ergab sich, nachdem die Heimsonderschule (heute Bregtalschule) die von ihr genutzten Räume nach der Erweiterung des Schulgebäudes in Furtwangen noch vor Ver­ tragsende zurückgeben konnte. Drei Jahre poli­ tischer Vorarbeit seien erforderlich gewesen, er­ innert sich Ortsvorsteher Hansjörg Hall, bis der Gemeinderat, ebenfalls im Jahr 1995,1,135 M il­ lionen M ark im Haushalt bereitstellte, 325 .0 0 0 M ark davon waren für den Dorfgemeinschafts­ raum bestimmt. Das Besondere daran: Das Kindergartenpro­ jekt wurde komplett dem Ortschaftsrat überant­ wortet. Und dieser hatte sich von vornherein ver­ pflichtet, für Eigenleistungen der Schönenba­ cher zu sorgen, ein Versprechen, das auch erfüllt wurde: 1.400 Stunden brachten die freiwilligen Helfer unter der Regie von Erich Wehrle auf, dar­ unter nicht nur Vereinsmitglieder, sondern auch zahlreiche Bürger. Vom damals zuständigen Lan­ deswohlfahrtsverband wurde der Kindergarten am Ende als beispielhaft kinderfreundlich ein­ gestuft und für das bürgerschafttiche Engage­ ment gab es eine Urkunde vom Land. 4 4 Als Ausweichfläche für die Furtwanger Firma Reiner wurde ferner ein großes Areal im Hof­ grund erschlossen, mit einer Teilbebauung un­ terhalb der Kläranlage wurde begonnen, hier hat sich unter anderem eine Dachdeckerfirma ange­ siedelt. In einen Naherholungsbereich umgewandelt wurde die ehemalige Trasse der Bregtalbahn (sie war 1972 stillgelegt worden), die als Rad- und W anderw egausgebautw urde und gerade im Be­ reich des Schönenbacher Tals häufig von Spa­ ziergängern, Joggern und Walkern frequentiert wird, sobald es die Witterung zutässt. Wegen ih­ rer nur leichten Steigung ist sie zudem die idea­ le Strecke für Radwanderer. Somit präsentiert sich Schönenbach heute als freundlicher und ansprechender Ort im Obe­ ren Bregtal, in dem die Weichen für eine gute Zu­ kunft gestellt sind. M a tth ia s W inter Literatur: Walter Fauler, Die Geschichte d e s Schwarzwaldortes S chönenbach im Bregtal, Furtwangen 1973. Pater Franz Hettel, Baugeschichtliche Entwicklung der St.-Nikolausklrche In Furtwangen-Schönenbach, In: Mit­ teilungen d e s Geschichts- und Helmatvereins Furtwan­ gen Nr. 18. Oben: Luftbildaufnahme lon Schönenbach, im Vorder­ grund das Untertal (2005). Unten: Die Breg m it Breg- talbahn-Trasse im Hintergrund.



S tä d te und G em e in d e n Opferdingen – abseits der Zentren D er O p a lin u s to n lä s s t den O rt g e o lo g is c h bis h e u te n ic h t z u r R u he k o m m e n langsam zur Dort, wo der Krottenbach von Behla kommend sich Wutach bei Achdorf schlän­ gelt, liegt der kleine und seit 1972 zur Stadt Blum­ berg gehörende Reihen­ weiler Opferdingen. 6 4 0 m. ü. d. M. stehen die vor­ wiegend älteren Anwesen an der durchführenden, „Schloss“-straße g enann­ ten Kreisstraße, zu denen sich schmucke Neubauten auf den erhöhten, hinteren Rängen ge­ sellen. Seit langen )ahren schon hält sich die Einwohnerzahl deutlich unterhalb der Hundertermarke. Wer hier wohnt, hat seinen Platz am Rande jenes Opalinustones gesucht, dessen Vorliebe Opferdingen liegt geologisch betrachtet am Rande des Opalinustones. Die besonderen geologischen Verhält­ nisse sind im lon steilen Hängen umgebenen Tal deut­ lich erkennbar. für das Gleiten auf Gestein dem kleinen Tal zw i­ schen Eschach und Opferdingen schon einige Erdrutsche beschert hat und bis heute den Ort nicht in Ruhe lässt. Erdlöcher, in denen das Was­ ser aus unterirdischen Kavernen rauscht, bilden sich plötzlich in den Wegen. Und erst vor kurzem begann im Gewann Bubenried die Erde erneut la­ 4 6 vagleich ganz langsam und mit Unterbrechungen zu fließen, ohne dass die Bewegung bis heute zum Stillstand gekommen wäre. Was Wunder, dass den W an­ derer am Wendtweg, zugleich Teilstrecke des Neckar-Baar-Jako- busweges, noch immer sichtbare Hangabglei- tungen oder Verw erfun­ in den Wegen beein­ gen drucken und beunruhigen. Obgleich 1977 die durch den Ort führende Kreisstraße 5742 stärker ausge­ baut wurde, stören nur wenige Fahrzeuge die be­ schauliche Stille. Rasch schlucken ein üppiges Grün und die rundum stehenden W älder das Tuckern der hin und w ieder langsam vorbei­ ziehenden Traktoren. Gelegentlich wehen die Geräusche landwirtschaftlicher Maschinen aus den in Betrieb verbliebenen Höfen oder ertönt das Singen der Motorsäge aus den nahen W äl­ dern. Das Dörflern, das sich dem heutigen Besu­ cher als eine Idylle präsentiert, besaß bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts durchaus eine ausgeprägte Erwerbs- und Verwaltungsstruktur. Vor allem in der sankt-blasianischen Zeit vor 1803 fanden sich neben dörflichen Handwerken (Weber, Schmied) auch seltenere Berufe wie ein Wachszieher und Kerzenmacher im Dorf. Insge­ samt jedoch blieb das Ein- und Auskommen der bis in die jüngste Zeit überwiegend von der Land­ wirtschaft lebenden Bevölkerung gering. Wech­ selnde Erträge aufgrund schwankender klimati­ scher Bedingungen oder Naturereignisse, zu ­ letzt auch eine Zersplitterung des Bodens durch Opferdingen – beschauliche Idylle abseits der Zentren des Schwarzwald-Baar-Kreises.



S tä d te und G e m e in d e n Erbteilungen, erschwerten das Leben von Anbe­ ginn an, so dass bereits im ausgehenden M ittel­ alter eine gewisse Verschuldung der Einwohner feststellbar ist. Der Obstbau half nur bedingt Der zu Ende des 18. Jahrhunderts eingeführte und nach 1945 noch einmal zu einer gewissen Blüte gebrachte Obstanbau half nur bedingt und vorübergehend. Der in klimatisch besser ge­ stellten nahen Landstrichen wie dem Hegau auf­ kommenden Konkurrenz konnte er nicht stand­ halten. Auch die Pflanzung von Spätzw etsch­ genbäumen, die m itd er bekannten TalemerSor- te veredelt wurden, hielt den Niedergang nicht auf, wenngleich bis heute die noch vorhande­ nen Steinobstbäume den Grundstoff für einen Streuobstwiesen prägen noch heute das B ild lon Opferdingen. Der zum Ende des 18. Jahrhunderts ler­ stärkt eingeführte Obstanbau sollte den Einwohnern zu einer Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation lerhelfen. schmackhaften Most und Hochprozentiges lie­ fern. „Gebrannt“ wird in Opferdingen noch im ­ mer, das Obst jedoch in die vom Obstbauverein im talabw ärts gelegenen Eschach betriebene Mosterei gefahren. Die hie und da zu findenden Nussbäume runden das Bild derfrüchtebringen- den Bepflanzung des Ortes ab und zeugen zu­ gleich vom relativ milden Klima im Tal. Zwei Vollerwerbsbetriebe haben heute hier noch ein Auskommen in der Landwirtschaft, nur ein Nebenerwerbslandwirt gesellt sich zu ihnen. Jeder der beiden Profi-Landwirte betreibt V ieh­ zucht und zählt eine fast gleichgroße hundert­ köpfige Herde, je zur Hälfte aus Milchkühen und Rindern bestehend, sein eigen. Von Flurbereini­ gung und Flurneuordnung ist hier noch nicht die Rede und so weiden beispielsweise die Tiere ei­ nes der Bauern auf rund 120 kleinen und größe­ ren gepachteten oder eigenen Parzellen. In den letzten Jahren haben viele der jünge­ ren Generation vorwiegend in der Industrie und in geringerem M aße in derVerwaltung Arbeit ge­ funden und pendeln nach Schaffhausen, Tuttlin­ gen, Villingen oder in die Nachbarstädte Do- naueschingen und Blumberg. Bauplätze für


O p fe rd in g en – a b se its der Zentren Das Wappen von Opferdingen G espalten; lorn in B lau ein ste ig e nd e r, lin ks- g e w e n d e te r ro tg e z u n g te rg o ld e n e r Hirsch, h in ­ ten in B lau ein s ilb e rn e r S ch rä g ba lke n , oben b e g le ite t lon einem sc h re ite n d e n rotb e z u n g – ten g o ld e n e n Löwen. Das Wappen ist zusammengesetzt aus dem Hirschwappen des Klosters St. Blasien und dem Wappen der Herren von Friedingen, wobei die blauen Felder unglücklich Z u ­ sammenstößen (Heinrich und Rudolf von Friedingen traten Opferdingen 1432 an St. Blasien ab). – Im 19. Jahrhundert wurde ein hochovaler Farbdruckstempel verwendet, der im Siegelfeld, von Lorbeerzweigen umgeben, einen länglichen Gegenstand zeigte, der an­ geblich eine K lis tie rs p ritz e darstellen soll (sie­ he auch bei Epfenhofenl); Umschrift *BÜRGER- MEISTERAMT* OPFERDINGEN – außerdem ist noch ein ganz ähnlicher Rundstempel aus spä­ terer Zeit bekannt. Im Jahre 1900 stellte die Gemeinde einen Antrag auf ein neues Siegel und war auch mit einer Änderung des Siegelbildes einverstan­ den. DasGenerallandesarchivschlugdann 1903 das Wappen vor, das der Gemeinde zusagte. Opferdingen gehörte zur st. blasischen Grafschaft Bonndorf, Herrschaft Blumenegg, fiel 1803 kurzzeitig an den Johanniterorden und 1806 an Baden. Als das Bezirksamt Bonn­ dorfaufgelöstw urde, kam die Gemeinde am 1. April 1924 zum Amtsbezirk, seit 1939 Landkreis Donaueschingen. Am 1. April 1934 wurde Opferdingen mit den übrigen „Talorten“ Achdorf, Aselfingen und Eschach zur Großgemeinde Achdorf vereinigt. Das Wappen ist damit er­ loschen. Q.: GLA. – ZWR (v. Friedingen). – K. v. K. 1 (v. Friedingen). – Rioeter: (v. Frydingen). – Siebm. Klöster (St. Blasien). L.: Wp.buch KN (Wappen der Gemeinde Friedingen). Entnommen: Gemeindewappen des ehem aligen Landkreises Donaueschingen, Klaus Schnibbe, 1980. Ortsfremde werden nicht angeboten und so sind all die schmucken neuen Häuser ein Zeichen, dass vor allem die männlichen Nachkommen ver­ suchen, in der angestammten Heimat w eiterzu­ leben. Die jüngeren Frauen hingegen zieht es, bedingt durch die Lebensumstände, eher in die Ferne. Eine Heimat für Räuberbanden Früher war die Abgeschiedenheit des Ortes und des Tales einladend für Randgruppen, die in der fest gefügten sozialen Ordnung spätabsolutisti­ scher Herrschaft des 18. Jahrhunderts keinen Platz (mehr) fanden: Bettler, Zigeuner, aus der Bahn Geworfene. Durch strengere Verordnungen und berittene Patrouillen aus dem Gebiet der Landgrafschaft Baar und dem Fürstenbergischen vertrieben, wechselten sie in die weniger über­ wachten angrenzenden Landstriche. Viele von ihnen schlossen sich in Räuberbanden zusam­ men, die das normale Leben im Tal und darüber hinaus erschwerten. Eine Absprache über das weitere Vorgehen zwischen verschiedenen Herr­ schaften der Region, einschließlich der Stadt Schaffhausen, führte schließlich zu einer groß angelegten Razzia im Mai 1761. Der Erfolg w aral- lerdings bescheiden, da die Betroffenen vorge­ warnt waren und der Großteil sich die Nacht zu­ vor aus dem Staube gemacht hatte. Besiedlung in der Jungsteinzeit? Die naturräumlichen Gegebenheiten führten möglicherweise schon früh zu einer Besiedlung bei und um Opferdingen. Ob es Bauern der Jung­ steinzeit (ca. 8. – 3. Jt. v. Chr.) aus der späteren Opferdinger Gemarkung waren, welche ein 49


Blick in den Ortskern a u f die St.-Katharinen-Kapelle, den alten Brunnen am Straßenrand und das einstige Rathaus aus dem Jahr 1922. spitznackiges Grünsteinbeil „auf dem Weg von Aselfingen nach Mundeifingen“ verloren, sei d a­ hingestellt. Auch römisches Leben wie in der Nähe bei Überachen ist ungewiss, da keine Funde hiervon erzählen. Allein die Nam ensendung „ingen“ zeigt, dass eine Neugründung in der frühen M e ­ rowingerzeit des 5. Jahrhunderts wie auch in den umliegenden ,,-ingen“-Orten stattfand. Seinen Namen leitet Opferdingen von einem alemannischen „Ofrid“ oder „Othfried“ her. Erst im 14. Jahrhundert löste es sich von dieser per­ sonengebundenen Namensform und fand schließ­ lich zu der bis heute geltenden Ortsbezeichnung „Opferdingen“. Der O rt ist bereits um 1260 nachweisbar Der in der Literatur leider ohne Quellenangabe zu findende Hinweis, der Ort erscheine im Jahre 1200 erstmals unter der Bezeichnung „Offridin- gen“, harrt noch seiner Bestätigung. Nachweis­ bar ist Opferdingen dann allerdings im Besitz der Herren von Blumberg nach 1260. 1301 bis 1304 kam es unter dem Namen „Othvridingen“


oder „Ohtvridingen“ in die Hände des aufstei­ genden Hauses Fürstenberg, dann gelang den Herren von Blumberg noch einmal der Rücker­ werb. Bis in das Spätmittelalter blieb Opferdin­ gen nun als Teil der Herrschaft Blumegg im Be­ sitz dieser w eit verzweigten Sippe des w a h r­ scheinlich aus Watterdingen im Hegau s tam ­ menden kleinadligen Geschlechts. Mit dem Nie­ dergang der Blumberger wurde die Blumegger Herrschaft Kauf- und Tauschobjekt des um Machtzuwachs bedachten Niederadels am Bo­ densee, im Hegau und am Hochrhein. 1366 er­ warben die im unteren Rheintal und Vorarlberg beheimateten Herren von Wolfurt Opferdingen, 1415 die im Hegau sitzenden Herren von Friedin- gen, die es 1432 an St. Blasien abtraten. Die bau­ lichen Reste aus jener Zeit finden sich heute noch in einem Anwesen an der Schlossstraße, das einst zum herrschaftlichen Güterkomplex zählte. s e lt nun e n d g ü ltig in d en B esitz d es O p fe rd in g e n w e c h ­ Aus Gründen (finanzieller?) der Schadensab­ wendung musste das Kloster 1436 die Herrschaft noch einmal an die Thüring von Hallwyl verkau­ fen, bevor man 1448 gemeinsam mit dem Kloster Reichenau zu einem Rückkauf des Gebietes schritt. In dem W un­ sche, Alleinbesitzer der Herrschaft zu werden, konnte sich St. Blasien 1457 mit dem Rei- chenauer Abt einigen. So kam auch Opferdin­ gen, das wie Eschach in dem bisher von der Rei­ chenau verwalteten Herrschaftsteil gelegen war, nun endgültig an das Schwarzwaldkloster. Unter dessen geistlicher Herrschaft verharrte es fast vier Jahrhunderte bis zur Säkularisation 1803. Danach begann ein Wechsel zum deutschen Großpriorat des Malteserordens, zu W ü rttem ­ berg (1805) und schließlich zu Baden (1806). H e rrs c h a ft a u s ü b te . K losters St. B la ­ sie n, d as v ie r Jahr­ h u n d e rte la n g die O p fe rd in g en – abse its d e r Z entren Seit 1973 ist Opferdingen Teil des Schwarz- wald-Baar-Kreises. Kriege hinterlassen Spur der Verwüstung Die enge Tallage führte dazu, dass in der Ver­ gangenheit die in der Region wütenden Kriege immer wieder durch Opferdingen hindurchgin­ gen. Vom Schweizerkrieg 1499 über den Bau­ ernkrieg 1525, den Dreißigjährigen Krieg und die Kämpfe des 17. und 18. Jahrhunderts zieht die Spur der Verwüstung bis in jene Tage Ende April 1945, als die durch dasTatzurückflutenden deut­ schen Truppen von den nachstoßenden Franzo­ sen noch einmal in heftige Kämpfe verwickelt wurden. So blieb von der alten Bausubstanz wenig. Opferdingen erscheint heute als bauliches En­ semble, bei dem sich um die Kapelle und das al­ te Rathaus einige Bauernhäuser, wenige Neu­ bauten der Nachkriegszeit, und eine kleinere Zahl unlängst gebauter Wohnhäuser gruppieren. Der Opferdinger Hexenprozess Geschichtlich bem erkenswert, weil mit unge­ wöhnlichem Ausgang, ist ein vor dem [fürs- tenbergischen] Hochgericht der Landgrafschaft Baar in Geisingen 1583 gegen eine Opferdinger Einwohnerin geführter Hexenprozess. Die von ei­ nem Mitbewohner des Ortes der Hexerei bezich­ tigte Margarethe N. wurde von dem am Gericht amtierenden Juristen Dr. Johann Besinger in al­ len Punkten freigesprochen, weil keine hinrei­ chenden Beweise beigebracht werden konnten. Eine daraufhin beantragte „hochnotpeinliche Befragung“ wurde gleichfalls abgelehnt und der Kläger zur Zahlung aller Kosten wie der Wieder­ herstellung ihres Rufes im Dorfe verpflichtet. Seit 1807 und bis 1924 blieb Opferdingen Teil des badischen Amtes Bonndorf, dann kam es wie das ganze Tal zum Bezirksamt, später Land­ ratsamt Donaueschingen. Am 1. April 1934 w ur­ de Opferdingen mit den anderen Talorten Ach- St.-Katharinen-Kapelle im Stil des Barocks Verwurzelt ist Opferdingens Kirche den Anzei­ chen nach im frühen alemannischen Christen­ dorf, Aselfingen und Eschach zur Großgemeinde Achdorf vereinigt. tum. Allein schon das Martins-Patrozynium der bis 1583 als Filial von Mundeifingen nachzuwei- 5 1


S tä d te und G e m e in d e n Die St.-Katharinen-Kapelle ist kostbar ausgestattet, darunter die Figur der Heiligen Katharina (links). senden Kaplanei deutet auf ein hohes Alter. Zahlreich sind die in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts auf Fiskalgut oder vom Königtum errichteten Kirchen in Alemannien, die diesem (fränkischen) Heiligen gewidmet wurden. Auch Opferdingen zählt wohl zu dieser Gruppe. So könnte es gut sein, dass die Kaplanei aus dieser ersten, noch nicht der kirchlichen Organisation des Bistums unterworfenen Andachtsstätte her­ vorgegangen ist. Fortgeführt wird heute das kirchliche Leben in der den Ort prägenden St.- Katharinen-Kapelle, deren Ursprünge und Ver­ bindungen zurgenannten Kaplanei mangels bis­ heriger Forschung offen bleiben müssen. Wohl um den Glanz der klösterlichen Orts­ herrschaft St. Blasien zu erhöhen, wurde sie 1758 im Stil des Barocks errichtet. Das 1762 geweihte Gotteshaus ersetzte aus bislang unbekannten Gründen eine 1503 – nach Band VI (1982) der amtlichen Landesbeschreibung 1526 – durch ih­ re W eihe nachgewiesene kleinere St.-Kathari­ nen-Kapelle, die nach Verfall im Dreißigjährigen Kriege 1621 erst einhundert Jahre später in Höhe und Grundfläche vergrößert w ieder errichtet worden war. Zwei Marien-Glocken senden ihren warmen Klang ins Tal, die eine 1848 von Muchenberger in Blasiwald, die andere 1926 von Grüninger in Vil- 5 2 lingen gegossen. Noch heute findet monatlich in der zur Seelsorgeeinheit Blumberg-Riedböhrin­ gen und hier zur Pfarrei Achdorf, früher M undei­ fingen gehörenden Kapelle Gottesdienst statt, sind die Türen zu Beerdigungen und vor allem zum jährlichen Katharinenfest (25. November) geöffnet, an dem auch die schöne Skulptur der heiligen Katharina bewundert werden kann. Erschwerte Bedingungen durch die Lage Bedingt durch die abseitige Lage und die gerin­ ge Größe des Ortes war es bis in die jüngste Zeit schwer, eine moderne Infrastruktur aufzubauen. Dies gilt nicht für das von St. Blasien geför­ derte Schulwesen. Im Jahre 1800 amtierte seit Jahren bereits der „im Schreiben und Rechnen wohlgeübte“ Johann Hölderle, den die örtlichen Wähler auch in jener schweren Zeit zum Ge­ schworenen und Ortsvogt, eine Art Ortsvorste­ her und Vertreter der Herrschaft zugleich, be­ stimmten. Die nach 1780 eingerichtete Schule für etwa 12 Schüler musste immer wieder einmal von Eschach aus in der Weise mit versehen w er­ den, dass die Opferdinger Schüler nach Eschach zum Unterricht gingen. 1870 geschah dies w e ­ gen „Lehrermangels“ im Großherzogtum. Erst


1856 erhielt die Gemeinde durch Ankauf eines privaten Anwesens und dessen Umbau ein Schulhaus. Zu diesem Zeitpunkt aber bestand bereits ein vom Pfarrherren zu Mundeifingen Jo­ hann Evangelist Engesser 1830 gestifteter Schul- fonds, aus dem u.a. das Unterrichtsmaterial für alle Schüler bezahlt wurde. Doch die Schule am Ort ist seit Jahren schon Vergangenheit. Heute muss der Opferdinger Erstklässler zunächst in die Grundschule von Riedböhringen, bevor e ra n eine weiterführende Schule in Blumberg (Hauptschule; Realschule) oder Donaueschingen (Gymnasium) wechselt. Lange war die Wasserversorgung rudimen­ tär. Bis ins 19. Jahrhundert nahmen neun höl­ zerne Tröge das Wasser der die Gemarkung durchfließenden Bächlein auf, wobei das Trän­ ken des Viehs und nichtdieVersorgungder M en­ schen im Vordergrund stand. 1882 errichtete man ein kleines, aus drei Quellen gespeistes Wasserreservoir im Gewann Stelling Riedböh­ ringen zu, das im Zuge des Kreisstraßenbaues 1 9 8 1 /8 2 nach dorthin weichen musste. Das Re­ servoir gab sein Wasser in einen ebenfalls 1882 errichteten Brunnen zurViehversorgungvon fünf um ihn gruppierten Höfen in der Ortsmitte. Heu­ te steht er genau auf der gegenüberliegenden Bachseite an der Ortsstraße. Die umfassende Er­ neuerung und Modernisierung der Wasserver­ sorgung mit Bau eines Hochbehälters bei Ried­ böhringen begann, zusammen m itd e rd e ra n d e – ren Talorte, schließlich 1968 und 2 0 0 4 wurde die Leitung talabwärts nach Achdorf verlängert. O p fe rd in g en – abse its d e r Zentren Das elektrische Licht allerdings leuchtet seit Beginn der i92oer-Jahre, bei der Abwasserver­ sorgung hingegen fand man erst 20 0 6 Anschluss an die Kanalisation. Obwohl das noch lange vor 1900 eingerich­ tete kleine Gasthaus Hirschen nach 1976 als Treffpunkt für Vereine und Ort der Geselligkeit auch für die Einwohner des nahen Eschach ge­ schlossen w urde, bleibt das Opferdinger Ge­ meinschaftsleben rege. Dafür sorgt nicht zuletzt der am 10. März 1975 gegründete „Obertalemer Narrenclub“ , dessen Fastnetsfigur des „Blind­ schiessers“ inzwischen längst über das Tal hi­ naus bekannt geworden ist. Man trifft sich im gemeinsam und eigenhändig gebauten Vereins­ haus in Eschach, das etwa 50 Personen Platz bie­ tet und das für Feste und Zusammenkünfte ge­ nutzt wird. Wer sich anderw eitig engagieren möchte, ist Mitglied im Musikverein oder im Ro­ ten Kreuz in Achdorf. So verbindet sich bis heu­ te das Leben der Einwohner aus dem „Ober- oder H intertal“ mit den ebenfalls einw ohnerm äßig kleinen Nachbargemeinden. Obwohl auch in Opferdingen die Zeit nicht stehen geblieben ist, so fühlt der Städter sich doch in einer ganz besonderen Umgebung, in der Romantik und Natur sich glücklich ergänzen. Eine Sonntagswanderung ,,’sTal“ hinab sei des­ halb wärmstens empfohlen. Joachim S turm Opferdingen im Frühjahr, der kleine Ort im Wutachtal ist landschaftlich reizloll gelegen. 53


3 . Ka p i t e l P e r s ö n l i c h k e i t e n Ulrich Dalm ln Memoriam Ulrich Dalm auf seinen Tod am 30. November 2006 Hoch g e a c h te te r K o m p o n ist, M u s ik w is s e n s c h a ftle r und le id e n s c h a ftlic h e r M u s ik le h r e r Am 30. November 2 0 0 6 verstarb im Alter von 63 Jahren der allseits hoch geachtete Komponist, Musikwissenschaftler, bedeutende Rezensent zahlreicher Zeitungen, der beliebte Musiklehrer und Freund Ulrich Dalm, geboren am 23. Sep­ tem ber 1943 in Bad Polzin (Mecklenburg/Vor­ pommern.) Früh schon widm ete er sich der Musik, lern­ te Trompete, Geige, Klavier zu spielen, machte um i 9 6 0 erste kompositorische Versuche während des Musikstudiums in Hannover, wurde schnell Lektor beim angesehenen M öseler-Verlag in W olfenbüttel und landete schließlich 1971 in Schwenningen. Er wurde Lehrer am Hohner-Kon- servatorium in Trossingen für Musikgeschichte und Tonsatz, er wurde für Jahrzehnte Lehrer an der Jugendmusikschule Villingen-Schwenningen. Bei mehreren Zeitungen war er geschätzter Re­ zensent, der mit deutlicher aber liebevoller Fe­ der und auffallend guter Sprache seine auch mal unbequemen Ansichten zu Papier brachte. Umfangreiches Œuvre hinterlassen Daneben komponierte er mehr und mehr und für viele unterschiedliche Anlässe und hinterlässt ein umfangreiches Œuvre, u.a. zwei Sinfonien – Uraufführung durch das Sinfonieorchester Vil­ lingen-Schwenningen – ein Opernfragment um Jean-Paul Sartre, zwei Klaviersonaten, viel Blas- m usikfür heimische und auswärtige Ensembles, – etwas Chormusik. Weiter viel Kammermusik, vom Solo-Instrument bis zu ungewöhnlich unter­ schiedlich besetzten Ensembles, hierauffallend 54 Ulrich Dalm viel Musik für Akkordeon-Solo- und -Ensembles, die einzigartig sind. Sein letztes Werk, eine Sze­ ne für Blockflötenensemble „Schönen Gruß von Till E.“ wurde am 3. Oktober 2 0 0 6 in der Viltinger St. Konradskirche durch sein Flötenensemble Fluturas uraufgeführt. Die Persiflage auf Till Eu­ lenspiegels Tod (in Anlehnung an Richard Strauß’ berühmte Tondichtung), wurde zu seinem Schwa­ nengesang. Wenige Werke sind gedruckt, das meiste ent­ stand in Besetzung und Ausdruck für ganz un­ terschiedliche Anlässe und Zwecke und erfuhr im m er eine sehr professionelle, eindrückliche Wiedergabe und beeindruckende Reaktion bei den Zuhörern. Lore Zorn schrieb über ihn 1996: „Ulrich Dalm ist ein polyphoner Mensch und Künstler, ob er für Orgel oder Querflöte, für Klavier oder Trompete schreibt, ob seine Aussagen für Ak­ kordeon oder großes Orchester gemacht sind,


allemal hat er die zärtliche Geste. Er mag die Zer­ störung nicht, das Destruktive ist ihm verhasst. Er trennt die abgetragenen Kleidungsstücke un­ serer Gewohnheiten auf und schafft Neues, oh­ ne das zu jedem Preis zu wollen. Wenn er nichts verschweigt, heißt das noch lange nicht, dass er unbedingt alles aussprechen muss, was er er­ fahren hat und was er w e iß .“ Seine Frau, seine Freunde, zahlreiche ältere und jüngere Schüler trauern um den glutvollen Musiker, der trotz mancher Leiden bis zum Schluss nicht von der Musik als seinem Lebens­ inhalt abließ. Als Rezensent leistete Dalm Bedeutendes dank seiner reichen Erfahrungen als ausübender Musiker und dank seines umfangreichen und tie­ fen Wissens um das Wesen der Musik. Seine Sprache war stets sorgsam gewählt und sagte Wichtiges aus. Nicht umsonst durfte er u.a. den weltberühmten Geiger, Dirigenten und Festival­ leiter Yehudi Menuhin bei dessen Konzert in VS interviewen. Er verfasste auch eine ganze Reihe eigener Texte, die sehr bildhaft und in farbiger Sprache sich zeigen. Sein Vorbild in musikphilosophischer und musiksoziologischer Beziehung war der tiefgrün­ dige Philosoph Theodor W. Adorno, dessen Schüler er war und mit dem er korrespondierte. Sein Gedankengut beeinflusste Dalms Gedan­ kenwelt und Sprache deutlich, auch seine Re­ zensionen. „Was wäre Glück, dass sich nicht mäße an der unmessbaren Trauer dessen, was ist? Denn verstört ist der Welt Lauf.“ Dieser Satz Adornos steht auf Dalms Todesanzeige als Motto. Daneben war er vom Kulturamt VS beauf­ tragt, die Einführungen zu den Meisterkonzerten zu schreiben und die beliebten Einführungen in die Konzerte zu verantworten. Sein kompositorisches Vorbild w ar neben Gustav Mahler, Richard Wagner und Isang Yun vor allem von dem Franzosen Olivier Messiaen (gest. 1992) mit seiner phantasievoll – einm ali­ gen, ins Mystische tendierenden Tonsprache be­ einflusst. Gerne verweilte Ulrich Dalm in Paris, wo unter anderem seine „Traumwege“ entstanden. Was war er mehr: Komponist, Rezensent, Musiklehrer oder Interpret? Zu mir sagte er ein­ mal (um 2005): „Am liebsten sitze ich an meiner Schreibmaschine, denke über Musik nach und Ulrich Daim berichte von allem Gehörtem.“ Er schrieb viele wunderbare Konzertberichte, führte Interviews, und jeder Bericht war etwas Besonderes, Einma­ liges! Der Platz würde für Beispiele nicht reichen. Aber ein Satz charakterisiert seinen Stil deutlich „Bei allem, was kritisiert wird, darf der gute Ge­ schmack niemals vergessen w erden.“ (Trossin- ger Zeitung 1987). Seine Berichte künden von der tiefen Kenntnis der Werke, ganz gleich ob alt, neu, ob geliebt oder verachtet, sie zeigen im­ mer seine tiefe, innere Teilnahme. Er spielte zahlreiche Instrumente. Er liebte die Bratsche, natürlich das Klavier, das Akkor­ deon, Blasinstrumente, aber besonders die Blockflöte – 1 9 8 5 im Bachjahr durchwanderte er die Villinger Johanneskirche und improvisierte dabei auf seiner Altflöte intensiv über B-A-C-H . Doch sein Augenleiden setzte Grenzen. Aber für seine Schüler, seine Ensembles reichte es im ­ mer. Und er konnte Vorspielen wie er es haben wollte. Unzählige Schüler unterrichtet Jahrzehnte unterrichtete er mit Begeisterungsei­ ne unzähligen, vor allem jugendlichen Schüler in Trossingen, in VS vor allem in Tonsatz – was gibt es für einen Komponisten Schöneres – und leg­ te die Grundlage für manches Musikstudium. Er arbeitete gern mit seinen Ensembles und ge­ staltete in partnerschaftlicher Gemeinsamkeit Interpretationen von hoher Qualität. Welche Bedeutung hat sein Werk? (Eigent­ lich eine zu früh gestellte Frage): Einige Werke sind gedruckt und liegen bei Schülern und Freun­ den – allerdings nicht nur hier, sondern auch durchaus verbreitet auf den Notenpulten und werden auch aufgeführt. Dalms Musik zeugt von großer humanitas, echtem Musikantentum und erheblichem, viel­ seitigem Können. Damit verbunden war eine le­ bendige Ausdruckskraft und Tiefe, wozu auch seine literarische Begabung zählt. Ulrich Dalm war für das Oberzentrum und weit darüber hin­ aus eine herausragende Persönlichkeit. Um noch einmal Lore Zorn zu zitieren: „Wer Ulrich Dalm gefunden hat, kann von Glück sa­ gen.“ B e rn d Boie 55


Persönlichkeiten Helmut Gehring Professor Helmut Gehring ist seit 30 Jahren für den Naturschutz auf der Baar aktiv D ie Fauna und Flora d e r ju n g e n D o nau bei N e u d in g e n fa s z in ie rt den p ro m o v ie rte n B io lo g en ein Leben la n g Das Fernglas um den Hals läuft der Natur­ schutzwart Helmut Gehring über die Feuchtwie­ sen. Zwei Bekassinen fliegen auf, als sich seine Gummistiefel nähern. Der Professor strahlt über das ganze Gesicht und klatscht begeistert in die Hände: „Bravo“ , ruft er den langschnäbligen Sumpfschnepfen zu, „für euch habe ich das ge­ macht“ . Seit genau 30 Jahren widm et sich der promovierte Biologe dem Naturschutz auf der Riedbaar. Er kümmert sich um die Renaturierung von Ausgleichsflächen, verhandelt mit den Eigentü­ mern derW iesen und kauftsie ihnen auch schon mal ab. „Wir haben das Land gekauft“, sagt er und wenn er „wir“ sagt, muss man immer nach- fragen, ob er gerade den BUND oder den NABU meint – bei beiden Umweltschutzorganisationen gehört der 58-Jährige schon jahrelang dem Vor­ stand an. Es ist aber im Grunde egal, denn seine Arbeit macht er nicht für Vereine und Verbände, son­ dern für Fauna und Flora. Sieben künstliche Bag­ gerseen hat er in den letzten Jahren ausgehoben, in denen sich Frösche und Libellen, Teichrohr­ sänger und Wasserrallen wohlfühlen. In jedem der fünf Dörfer in dem von ihm betreuten Gebiet hat sich inzwischen wieder ein Storchenpaar nie­ dergelassen. Die Frösche, die dank Geh rings Hil­ fe in den Tümpeln quaken, waren eine Vorausset­ zung dafür. Dass der Naturschutz einen so großen Raum in seinem Leben einnehmen würde, war nicht immer klar. „Mein Vater hat mich zwar als Kind 56 Professor Helm ut Gehring oft am Sonntagmorgen um 5 Uhr mit in den Wald genommen, aber der Auslöser für mein Engage­ ment kam erst später“, erinnert er sich. Während sein ältester Bruder den väterlichen M ale rbe ­ trieb in Villingen übernehm en musste, durfte Helmut Gehring als jüngster von drei Geschwis­ tern nach seinem Abitur am Gymnasium am Ro- mäusringnach Freiburg an die Uni gehen. Er stu­ dierte Biologie und Chemie und promovierte 1976 in Molekularbiologie. „Erst damals fing ich an, mich für Naturkunde zu interessieren – ich hörte einen Vortrag über die Rheinauen, der mich so fesselte, dass ich mir gleich ein Fernglas kaufte.“ Während des Refe-


rendariats in Offenburg und Lahr erkundete er das Naturschutzgebiet Taubergießen, das er nur ungern zurückließ, als er 1978 eine Stelle als Bio­ logie- und Chemielehreram Gymnasium am Hopt- bühl in Villingen-Schwenningen bekam. Dort gab es ein Wiedersehen mit seinem e he­ maligen Biologie- und Erdkundelehrer Professor Günther Reichelt. Die beruflichen Wege der bei­ den kreuzten sich immer wieder. „Ich treffe ihn regelmäßig“, sagt Gehring. „Er zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben.“ Im Unterschied zu Reichelt, dem Akademiker, sei er jedoch trotz seiner Professur ein Mann des Herzens geblieben. „Ich war Lehrer mit Leib und Seele“, sagt Geh­ ring, „während ich am Hoptbühl-Gymnasium un­ terrichtete, gab es Jahrgänge, in denen ein Drit­ tel aller Schülerinnen und Schüler Chemie-Leis­ tungskurs gewählt haben“ . Dass er heute noch Begeisterung entfachen kann, beweist er mit je­ dem Halbsatz über die Biotope der Riedbaar und ihrer Bewohner. „Ich will die Leute teilhaben lassen an dem, was mich begeistert.“ Ein Hilfsmittel dabei ist sei­ ne Kamera. Damit zeigt er, „wie hübsch ein Eisvo­ gel ist“. Bei seinen Fotos, für die er schon mal stun­ denlang im Tarnzelt auf der Lauer liegt, ist ihm wichtig, dieTiere in ihrer natürlichen Umgebung zu zeigen. „M ir wollte mal jemand eine Freude machen und hat mir ein Foto von einem Kuckuck auf einer Teppichstange gegeben. Das habe ich gleich weggelegt. Ich will den Kuckuck im Schilf sehen.“ Die W atvögel als große Leidenschaft Seine große Leidenschaft gilt den Watvögeln, die zum Teil aus Sibirien oder Grönland kommen und auf dem Weg in ihr Winterquartier auf der Baar ei­ nen Zwischenstopp einlegen. „Mich fasziniert der Gedanke, dass so ein arktischer Vogel vielleicht noch nie im Leben einen Menschen gesehen hat. Der betrachtet mich nicht als Feind und hat keine Scheu. Einmal kam ich so dicht an einen Vogel, dem hätte ich einen Hut überstülpen und ihn fan­ gen können.“ Das entspricht aber nicht seinem Ansinnen. Helmut Gehring bog stattdessen einen Grashalm beiseite und machte das Foto seines Le­ bens. Von dieser Begegnung erzählt er noch Jahr­ H e lm u t G eh rin g zehnte später so begeistert als sei sie gerade vor ein paar Stunden gewesen. Diese Leidenschaft kann er so gut vermitteln, dass ihn sein Mentor Günther Reichelt 1988 als Lehrbeauftragter und Fachleiter für Biologie ans Studienseminar Rottweil geholt hat. Er bereitet dort Referendare auf die künftige Arbeit als Leh­ rer vor. 2 0 0 2 übernahm er von Reichelt außer­ dem die mit einer Professur verbundene Leitung des Fachbereichs Naturwissenschaften. Inzwi­ schen kommen auch Studenten vor dem ersten Staatsexamen in den Genuss von Helmut Geh­ rings Schulung: Seit 2 0 0 6 lehrt er an der Univer­ sität Konstanz die Didaktik des Biologieunter­ richts. Entwicklungshilfe in Tansania Weil sich die Qualität von Gehrings Lehreraus­ bildung schon vor Jahren herumgesprochen hat­ te, schickte ihn die Gesellschaft für Technische Z usam m enarbeit zu einem Entwicklungshilfe­ projekt nach Tansania. Vier Jahre lang ging er je ­ den Sommer für 14 Tage nach Iringa. Dort brach­ te er Lehrern der Secondary School bei, wie sie ihre Schüler besser begeistern konnten. „Ich bin mit ihnen rausgegangen und habe Freilandökologie betrieben.“ Lachend erinnert sich Gehringnoch an den Versuch, eine Nahrungs­ kette zu demonstrieren. „Als ich eine Schlangen­ haut als Beweis für das letzte Glied der Nahrungs­ kette fand, war ich begeistert. Meine Schüler sind aber schreiend davongelaufen. Für die Menschen in Tansania ist die Natur oft beängstigend, wilde Tiere werden als gefährlich angesehen.“ Bei seinen Exkursionen fand er auch steinzeit­ liche Beile und Speerspitzen. „Damit konnte ich Selbstbewusstsein vermitteln, indem ich meinen Schülern zeigte, dass ihr Land die Wiege der Menschheit ist.“ Innerhalb kürzester Zeit hatte er ein großes Vertrauensverhältnis aufgebaut. „Da flössen wirklich Tränen beim Abschied.“ Natürlich nahm Gehring, der aus ökologi­ schen Gründen sonst keine Flugreisen macht und sich in seiner Kindheit gebannt Bernhard Grzimeks Dokumentarfilm „Serengeti darf nicht sterben“ ansah, die Gelegenheit zu einem Be­ such im Nationalpark wahr. „Während die ande­ 57


H e lm u t G eh ring Praktischer Umweltschutz: Professor Helm ut Gehring bei der A rbeit in einem Biotop bei Neudingen. ren eher von Giraffen und Elefanten fasziniert waren, haben mich die Limikolen am Ngorongo- ro-Krater am meisten beeindruckt.“ Gerne wür­ de er diese arktischen Watvögel mal in ihrer Sommerresidenz in Grönland besuchen, „aber das kommt für mich ja wegen der Anreise nicht in Frage“. „Jeder muss selbst wissen, welchen Beitrag er für die Um welt leisten kann“ Dabei ist Gehring kein Missionar in Sachen Um­ weltschutz. „Jeder muss selbst wissen, welchen Beitrag er leisten kann. Ich fahre dafür Auto.“ Den Kleinwagen hat er sich allerdings einzig nach dem Kriterium der Umweltverträglichkeit ge­ kauft. „Ich bin zu einem Händler gegangen und ha­ be ihn nach dem sparsamsten Auto gefragt.“ Damit fährt er regelmäßig von Villingen nach Neudingen auf die Baar, die ihn seit seiner ers­ ten Begegnung nicht mehr loslässt. „Diese Wei­ te, die trifft genau den Nerv bei mir“, schwärmt er, wenn er den Blick schweifen lässt. Seine Ur­ laube verbringt er gerne am Wattenmeer, wo der 5 8 Himmel endlos ist, auf der Baar hat er ein ähnli­ ches Gefühl von Freiheit. Deshalb engagiert er sich nicht nur praktisch für den Erhalt dieser Kulturlandschaft, sondern gehörtauch seitvielen Jahren dem Vorstand des „Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar“ an. Auch hier wurde er von seinem W eg­ begleiter Professor Reichelt angeworben. Als Schriftleiter der „Schriften der Baar“ ist er 2005 in dessen Fußstapfen getreten. M ehr als 20 Ver­ öffentlichungen zum Thema Tier- und Pflanzen­ welt der Baar gibt es bislang von Helmut Geh­ ring, zudem hält der Lehrer aus Leidenschaft zahlreiche Vorträge. Seine Begeisterung für Fauna und Flora der Baar vermittelt Helmut Gehring seit vielen Jahren auch den Almanach-Lesern, die sich über die kenntnisreichen und fotografisch erstklassig il­ lustrierten Beiträge im Jahrbuch des Schwarz- wald-Baar-Kreises stets besonders freuen. In Helmut Gehring bewahrheitet sich das Zi­ tat des Volkskundlers und Heimatschriftstellers Hermann Eris Busse: „Die Baar…, sie lässt bei sich ein, wer ihres Wesens ist, und entlässt ihn nicht mehr ganz.“ S te p h a n ie Wetzig


Münsterpfarrer Kurt M üller Der Villinger hat die Münstergemeinde geprägt wie kein Pfarrer vor ihm Persönlichkeiten R e n o v ie ru n g d es M ü n s te rs und d e r B e n e d ik tin e rk irc h e sind z w e i von v ie le n G la n z p u n k te n d es 2 5 -jä h rig e n W irk e n s Am 6. Oktober 20 0 7 wird Dekan Kurt Müller, Münsterpfarrer in Villingen, 70 Jahre alt. Die ver­ gangenen hohen Kirchenfeiertage wie W eih­ nachten, Ostern und Pfingsten in diesem Jahr, feierte Kurt M üller zum 25. M al in „seinem “ Münster. Über ein Vierteljahrhundert Münster­ pfarrer und Dekan, ein wahrlich ausgefüllter Le­ bensabschnitt im Dienste der Kirche. Und wasan Fasnet 20 0 7 als „Sahnehäubchen“ noch recht­ ze itig v orde r Pensionierung dazu kam: Kurt M ül­ ler zelebrierte in der Fideliskirche zum 125-jähri- gen Bestehen der Historischen Narrozunft Villin­ gen die erste Zunftmesse, ein berührendes und vielbeachtetes Ereignis. Nicht nur für die Got­ tesdienstbesucher: Auch für einen verwurzelten und bekennenden Villinger wie Kurt Müller ein Erlebnis der ganz besonderen Art, vor einer Kir­ che voller Narros und Morbilis im historischen Häs zu predigen, untermalt vom leisen Geläut der Narrorollen, das bei jeder Bewegung ertönt, und einem gelegentlichen, fast andächtigen Nar- ri, Narro. Und diese Narrenpredigt hatte es dann auch in sich. Einfach ein Genuss: „Wenn der De­ kan die Narros strählt.“ Ein rhetorisches und lau­ niges Glanzstück des Herrn Dekan – man hätte es von ihm nicht anders erwartet. Kurt M üller ist seit über 25 Jahren eine Insti­ tution in Villingen und dem ganzen Dekanat. Aber auch eine „Institution“ hat irgendwann ein­ mal ihren Ruhestand verdient. Das Pensionärs­ alter beginnt bei Priestern normalerweise mit dem 70. Geburtstag. Und so wird Kurt Müller sein Amt zum 6. Oktober weitergeben. Als Dekan wird er noch bis 2 0 0 8 im Amt bleiben. Dies ist ein passender Termin für einen Wechsel, denn ab M ünsterpfarrer Kurt M üller diesem Zeitpunkt werden die Grenzen der Diö­ zese Villingen, bisher identisch mit dem alten Landkreis Villingen, neu geordnet und umfassen dann den gesamten Schwarzwald-Baar-Kreis. Kurt Müller hat viel erlebt und bewegt in sei­ nem Leben als Seelsorger. Er hat die Münster­ gemeinde geprägt wie kein Pfarrer vor ihm. In seine Dienstzeit fiel die große Renovierung des Münsters. Auch die Instandsetzung der Bene­ diktinerkirche. Zu dieser hat M üller viele per­ sönliche Beziehungen, hier feierte er unter an­ derem seine Primiz und auch seine Investitur ais Münsterpfarrer. In Kehl geboren, in der Goethestraße in Vil­ lingen aufgewachsen, war Kurt Müller Ministrant im Münster und in der Benediktinerkirche, wie auch in der Münsterjugend, aktiv. Das „Beschäf­ tigen mit dem lebendigen Menschen“ mit Litur­ gie und Jugendarbeit, habe ihn dazu gebracht, Priester zu werden, sagt er heute, wenn er darü­ ber nachsinnt, warum er diesen Weg gewählt hat. Und da Kurt Müller schon als „Goethesträßler“ immer ein bisschen der Boss in seiner Clique war, 59


Persönlichkeiten so war es nicht verwunderlich, dass sich dieser Trend fortsetzte und der berufliche Lebensweg schon bald in Richtung Chefetage im Kirchen­ leben zeigte, ins mittlere Managem ent der ka­ tholischen Kirche. Nach Stationen als Vikar in Tennenbronn, M annheim , Pfullendorf und Schönau trat Kurt Müller seine erste Pfarrstelle in Engen an. 1973 kehrte er nach Villingen zurück, wo er zunächst die Pfarrstelle der Bruder-Klaus-Gemeinde über­ nahm. 1981 übernahm er die Münsterpfarrei, wurde 1983 zum Dekan ernannt. Und seit fast drei )ahren leitet Dekan Kurt Müller die Seelsor­ geeinheit Münster, St. Fidelis, Heilig Kreuz und Rietheim, immerhin in derG rößenordnungeines mittelständischen Unternehmens der Kirche mit rund 4 0 Mitarbeitern. Große Sanierungen gem eistert Kurt Müller ist zwar in erster Linie Seelsorger, das hat er nie und wird es nie vergessen. Doch viele andere „weltliche“ Aufgaben wuchsen ihm einfach zu, machten ihn zu einem christlichen Bau- Manager, der wegen seiner deutlichen „M acht­ worte“ bei der Münstersanierung durchaus ge­ fürchtet war. Denn als Kurt Müller zum M ünster­ pfarrer berufen wurde, lag die Münstersanierung brach. Nichts ging mehr. Ein hartes Stück Arbeit wartete auf den neuen Pfarrer. Doch der Erfolg belohnte ihn und die Münstergemeinde. Das Vil- linger Münster mit der großen Sandtner-Orgel ist ein Juwel geworden, wie auch die umfassen­ de Sanierung der Benediktinerkirche mit der Silbermannorgel, die die Besucehr gleichfalls in Scharen anzieht. Erst im laufenden Kirchenhaus- hatt läuft das letzte Darlehen für die Finanzie­ rung der Sandtner-Orgel aus. Ein Lebenswerk ist geschafft – pünktlich zur Pensionierung. Doch auch ein kleineres Kirchlein, das in sei- nerÄra renoviert wurde, liegt Dekan Müller beson­ ders am Herzen: Die Lorettokapelle. Auch das Al­ tenpflegezentrum St. Lioba gehört zum Haupt­ vermögen der Gesamtkirchengemeinde. Ein statt­ liches Bau- und Betriebsvolumen mit vielen Plä­ nen und Abrechnungen gingen über den Schreib­ tisch des Dekans. Aber es ging an diesem Tisch nicht nur um Baugeschäfte und Finanzierungen. 6 0 An diesem Schreibtisch im Pfarrhaus am Villin- ger Münsterplatz entstanden viele gute Predig­ ten und launige Festansprachen. Denn Dekan Kurt Müller ist ein exzellenter Prediger und als launiger Festredner beliebt. Insgesamt hat De­ kan Müllerin seinem Priesterleben 42 Weihnachts­ predigten geschrieben – und nie eine alte w ieder­ holt, beteuert er schmunzelnd. Jede Predigt ist für den Dekan eine Herausforderung, ein Unikat, kostet ihn viel Zeit, trotz aller Erfahrung. Die Kanzel ist für den Dekan die Bühne, von der er die meisten Menschen ansprechen kann. Das Internet nützt ihm dabei nichts. Kurt Müller will die Menschen persönlich ansprechen. „Denn niemand soll denken, wenn er die Kirche ver­ lässt, er wäre umsonst dagewesen“ , so ist das Motto des Dekans. Erst dann habe er sein Ziel er­ reicht und seine Arbeit gut gemacht, ist sich Kurt Müller sicher. Und was macht ein Münsterpfarrer und De­ kan nach 25 mehr als ausgefüllten Jahren in Vil­ lingen im Dienst der Kirche? „Das was alle Ruhe­ ständler tun“ , lacht Müller. Sich ausruhen, „den lieben Gott einen guten Mann sein lassen“ , wie man im Volksmund sagt, seine Hobbys pflegen. Und da hat Kurt Müller einiges zu tun. Denn er fo­ tografiert gern, sammelt Uhren, forscht in Stadt- und Heimatgeschichte, in der Klöster- und Kirchen­ historie. Seine Diavorträge sind erstklassig ausgear­ beitet, informativ und sehr beliebt. Nicht zu ver­ gessen die diversen Ehrenämter, unter anderem das arbeitsreiche Amt des Vorsitzenden der Caritas Schwarzwald-Baar-Kreis, für die er viel Zeit braucht. Als Alters-(Un)ruhesitz hat sich Kurt Müller ein kleines Häuschen im Villinger Rietvier- tel ausgesucht – von wo aus er den Romäusturm sehen kann. In einen Außenbezirk Villingens wür­ de Kurt Müller nie umziehen, wenn er das Pfarr­ haus verlässt. Er muss im historischen Stadtkern und in der Nähe „seines“ Münsters bleiben. Da gehört er einfach hin. Gewürdigt wurden seine Verdienste auch durch die Stadt, sie hat ihm die Bürgermedaille verliehen. Und natürlich wird er auch als Münsterpfar­ rer i. R. wie bisher – wenn es seine Gesundheit erlaubt – bei Festen und Feierlichkeiten gern ge­ sehener Gast sein und die Gesellschaft mit sei­ nen launigen Reden erfreuen. M a rg a S c h u b e rt


M ü n s te rp fa rre r Kurt M ü lle r Ein Denkmal der besonderen A rt is t Dekan Kurt M üller durch den M ünsterbrunnen gesetzt. DerSchonacher B ildhauer Klaus Ringwald zeigt den Priester aus dem Fenster, a u f seinen M ünsterplatz schauend (rechts). 6 1


Persönlichkeiten Christel Pache Auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung engagiert Pionierarbeit geleistet A uch d ie S e n io re n -v h s und In te g ra tio n s o ffe n s iv e n fü r a n d e rs s p ra c h ig e M itb ü r g e r sind d e r S c h w e n n in g e rin zu v e rd a n k e n So bescheiden ihr Auftreten war, so beharrlich ihre Argumentation, wenn sie für die W ahrneh­ mung von bildungspolitischen Aufgaben plä­ dierte, die nicht allen Entscheidungsträgern un­ mittelbar einleuchteten. „Das Recht auf lebens­ langes Lernen“ war das Credo, dem Christel Pa­ che fast vier Jahrzehnte lang folgte, in denen sie als Leiterin der Volkshochschule (vhs) Villingen- Schwenningen Bildungsbedürfnissen möglichst aller Bevölkerungsschichten nachspürte, sie zu befriedigen suchte und dabei mit visionärem Geist oft Pionierarbeit leistete. M eilensteine in der Ära Pache waren die aktive Förderung des Fu­ sionsprozesses zwischen Villingen und Schwen­ ningen, elementare Impulse zur ökologischen Stadtentwicklung, Integrationsoffensiven für an­ derssprachige Mitbürger, Altenpflegeschule und Senioren-vhs. Volkshochschule: Schon ihr antiquierter Na­ me prädestiniert sie für kabarettistische Poin­ ten, und auch die Abkürzung ist witzetauglich: v hsw ie„viele halbe Sachen“? „Hochschulen des Volkes“ gibt es hunderte im Ländle, und sie bie­ ten (fast) alles an, was der Mensch in der Schule nicht gelernt hat und was er sonst noch wissen will. Fast 2 0 .0 0 0 Teilnehmer spricht die vhs Vil­ lingen-Schwenningen mit ihren jährlich rund 1.500 Kursen und Veranstaltungen an. Das enor­ me Spektrum umfasst Klöppeln, Männer-Koch- kurse und Krankenpflege ebenso wie Business- Englisch, Chinesisch für Urlauber, Deutsch für Ausländer und Alphabetisierungskurse für Deut­ .Alles ist wichtig“ , sagt Chris- sche, EDV, Yoga 6 2 Christel Pache tel Pache, die 1969 als einst jüngste vhs-Leiterin Deutschlands an die vhs Schwenningen e.V. kam, in Villingen gab’s als Pendant ein Volksbil­ dungswerk. 1972 war das Jahr der Städteehe und 1973 das Jahr der Fusion beider Einrichtungen. Als Pfarrerstochter mit 13 Geschwistern in Schwenningen aufgewachsen Christel Pache (geborene Lörcher) wurde 1943 in Pforzheim als neuntes von vierzehn Kindern in eine schwäbische Pfarrer-Familie hineingebo­ ren. Vier Jahre später zog die Familie nach Schwen-


ningen um, hier wuchs Christel Pache auf, mach­ te 1962 Abitur und wusste nicht, was sie damit anfangen sollte – gute Noten und breit ge­ fächerte Interessen hätten viel erlaubt. Doch die junge Christel Lörcher wollte sich politisch en­ gagieren und war zugleich auch durch die Tätig­ keit des Vaters als stellvertretender Leiter des Schwenninger vhs-Vereins für Bildungsdefizite gerade sozial schwächerer Bevölkerungsschich­ ten sensibilisiert. „Erwachsenenbildung“ als eigenständiger Bildungszweig steckte damals noch in den Kin­ derschuhen. Christel Pache studierte in Tübin­ gen Geschichte, Politik und Deutsch, schloss nach dem ersten Staatsexamen ein Zweitstudium in Pädagogik an, das sie 1970 an der Universität Berlin, der damals einzigen Hochschule Deutsch­ lands mit einem eigenen Lehrstuhl „Erwachse­ nenbildung“ , mit der Promotion abschloss. Die erste weibliche Asta-Vorsitzende Die Kombination von politischen mit pädagogi­ schen Aufgaben kennzeichnete auch Paches Ak­ tivitäten am Rande des Studiums. Sie durchfors­ tete vhs-Programme von ganz Baden-W ürttem­ berg, sammelte Erfahrungen in England. An der Tübinger Uni thematisierte sie als erste weibli­ che Asta-Vorsitzende das politische M andat ei­ ner verfassten Studentenschaft und reiste 1964 mit der ersten deutschen Studentendelegation nach Israel. Als in „seltsamer Zufälligkeit“ nach Abschluss ihres Studiums die Stelle in Schwen­ ningen ausgeschrieben war, kehrte sie entgegen ursprünglicher Pläne in ihre Heimatstadt zurück. Anfangs hatte die Historikerin und promo­ vierte Pädagogin ihre Probleme mit jenem „ge­ sunden H albwissen“, für dessen Vermittlung Volkshochschulen gern belächelt werden. Dabei stimme das Image von kultivierter Halbbildung nur halb, verweist Pache auf Prüfungen und Zer­ tifikate, mit denen berufliche Qualifizierungsan­ gebote und Sprachkurse meist abschließen, auch Keramik-, Aquarell- und andere Kreativkur­ se mündeten oft in professionelle Beschäfti­ gung. Sie selbst hat die Volkshochschule stets als moderne Bildungseinrichtung verstanden, die C hristel Pache sich an den wechselnden Bedürfnissen ihrer breiten Klientel orientiert. „M anches b leib t“, sagt Christel Pache, „anderes ändert sich konti­ nuierlich“. Sprachen sind nebst dem Gesund­ heitsbereich (Gymnastik, Ernährung) so ein un­ verzichtbarer Schwerpunkt, der aber ebenfalls dem Bedarf angepasst wird. Bereits 1970 bot die vhs Hausaufgabenbetreuung für Realschüler an und Deutsch-Kurse für Gastarbeiter, entwickelte eine„Junge vhs“ mit Achtklässlern und ein Sprach­ labor als Selbstlernzentrum, startete Funkkolleg und Abendhauptschule. Überzeugte Verfechterin der Städtefusion Christel Pache war es stets wichtig, nicht nur Strukturen für individuelles Lernen zu schaffen, sondern auch Prozesse gesellschaftlichen Um­ bruchs konstruktiv zu begleiten. So war sie von Anfang an überzeugte Verfechterin der Fusion zwischen Villingen und Schwenningen und or­ ganisierte Ende der i96 oe r-ja hre das „Forum“ und den „Arbeitskreis Oberzentrum“ als erste gemeinsame Plattform fürein eA nn äherun gzw i- schen schwäbischem und badischem Stadtbezirk. Die Volkshochschule fungierte gleichsam als neutraler Boden zur Entwicklung von Visionen und Perspektiven für die gemeinsame Stadt, die Pache nie vordergründig im baulichen Zusam­ menwachsen und schon gar nicht in einer An­ gleichung der Stadtbezirke sah. „Villingen und Schwenningen sind zwei paar Stiefel, aber un­ terschiedliche Partner können sich gut ergänzen.“ Christel Pache war eine von wenigen Amts- teiterinnen im Oberzentrum, in dessen Führungs­ etagen sie Frauen nach wie vor unterrepräsen­ tiert sieht. Sie selbst habe das männlich dom i­ nierte Regelwerk lange nicht durchschaut und erst nach „ungefähr zehn Jahren Einarbeitungs­ ze it“ Fuß gefasst im vernetzten System. „An­ fangs wollte ich mit dem Kopf durch die W and“, erinnert sie sich, sie habe zu wenig Vertrauen in andere gehabt, ihnen zu w enig zugetraut. Ihr ei­ gener Blick habe sich „mühsam und langsam“ verändert, besser als früher könne sie andere Perspektiven tolerieren und schätzen. „Allmäh­ lich wurden wir ein tolles Team, auf das ich sehr stolz war.“ 6 3


Christe l Pache Mit vereinter Kreativität und bedarfsgerecht erweiterter Kompetenz reagierte die Volkshoch­ schule auf die sich wandelnde gesellschaftliche Wirklichkeit. Analog dazu ändern sich auch die Wissenslücken. 1975 war die Einführung von Hausaufgabenbetreuung für ausländische Schul­ kinder ein modellhaftes Novum, in den 1980er- und i99oer-)ahren waren Basiscomputerkurse der Renner bei Berufstätigen, die den Anschluss nicht verpassen wollten. Pionierhaften Charak­ ter hatten später die Gründung von Senioren- vhs und Altenpflegeschule, letzteres in Koope­ ration mit dem Arbeitsamt, das auf eine M arkt­ lücke aufmerksam geworden war. Ohnehin wurde der eigene Weiterbildungs­ kanon durch die Nutzung fremder Kapazitäten (Schulen, private Einrichtungen) ständig erw ei­ tert und zugleich die Auslastung beim Partner verbessert. Dies hat auch ökonomische Vorteile – die vhs spart Geld und sie erwirtschaftet Geld, mit dem anderweitige Defizite kompensiert wer­ den können. Kooperation statt Konkurrenz: Auch das ist ein Credo in der maßgeblich von Pache konturierten vhs-Weiterbildungsphilosophie. „Lernen, was in der Jugend versäum t wurde“ So gehe es ständig um die Balance zwischen der Befriedigung von Trends und dem Ausfüllen von Nischen. „Vor allem müssen wir die Grundsiche- rung gewährleisten“ , sagt Christel Pache. „Die Menschen sollen lernen dürfen, was sie in der Ju­ gend versäumt haben, ob Noten lesen, Kochen, Nähen oder Sprachen.“ Das „Lernen dürfen“ hat für sie mit der Wahrung von Menschenwürde zu tun und mit aktiver Teilhabe am gesellschaftli­ chen Leben. Darum auch dürfe mangelnde fi­ nanzielle Situiertheit kein Hinderungsgrund sein. Sozialpassinhaber zahlen nur die Hälfte der Ge­ bühren, und wer auch dam it überfordert ist, muss der vhs seinerseits ein Angebot unterbrei­ ten, unter Umständen abstottern. „Bildung ist kostbares Gut. Es ist eine enorme staatliche Leis­ tung, dieses Gut kostenfrei oder kostengünstig anzubieten. Das sollen unsere Klienten erken­ nen und honorieren.“ Christel Pache wurde 2 0 0 6 in den Ruhestand verabschiedet. Bereits 20 0 2 wurde Darmkrebs 6 4 bei der heute 64-Jährigen diagnostiziert. Nach Operation, Bestrahlungen und diversen Chemo­ therapien konstatiert sie sachlich: „Ich werde dam it leben müssen und offenbar kann ich es auch.“ Sie nimmt mit unverändert kritischer Auf­ merksamkeit am gesellschaftlichen Leben teil, engagiert sich im selbst initiierten Arbeitskreis Pflege, mischt sich in öffentliche Diskussionen ein. Die üblen Phasen, in denen der Tumor sie quält, scheint sie mit stoischer Geduld zu ertra­ gen („die Alternative ist, nicht mehr hier zu sein“) und genießt die entspannteren Phasen im Krank­ heitsverlauf umso intensiver. Christel Pache spielt Cello, liebt Hausmusik im Kreis ihrer großen Familie. Sie ist froh darü­ ber, mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen zu können – Tochter Maria Penny studiert in Han­ nover Musik, Sohn Peter Philipp Betriebswirt­ schaft in Kiel. Alle kleineren Fahrten und größe­ ren Reisen unternimmt Christel Pache übrigens mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Sie habe sich den „Luxus“ gegönnt, nie den Führerschein zu machen. Dies nicht nur aus ökologischer Über­ zeugung, sondern auch aus pädagogischer Selbsterkenntnis heraus: „So bin ich stets zu Pünktlichkeit gezwungen.“ C hristina Nack Meisenruf und Häherschrei grün überhauchte Wipfel zwischen vorjährigem Laub nicken Buschwindröschen Frühjahr im Wald C h ristian a S ie g e r (aus „ W ie se n w e g e “) Stamm auf und Wipfel quer Astgewippe und weiter Sprung Rot jagt Schwarz und umgekehrt Eichkatzenspiel C h ristian a S ie g e r (aus „ W iesenw ege“)


Jürgen Henckell P ersönlichkeiten Der bekannte Maler, Grafiker und Schriftsteller verstarb kurz nach seinem 92. Lebensjahr A ls K a b a re ttis t m it g ro ß e n N a m e n a u f d e r B ü h n e g e s ta n d e n – In B lu m b e rg v ie le ja h r e h o c h k a rä tig e , ü b e rre g io n a le K u n s ta u s s te llu n g e n o rg a n is ie rt Am 4. August 2 0 0 7 verstarb nur wenige Tage nach seinem 92. Geburtstag der Blumberger M a ­ ler, Grafiker und Schriftsteller Jürgen Arnold Henckell, der mit siebenundzwanzig hochkaräti­ gen, überregionalen Kunstausstellungen seit i9 7 7 d e n Namen der Kommune positiv weit über den Landkreis hinaus bekannt gemacht hat. Auch die unlängst abgelaufene 28. Kunstschau unter dem Titel „Stationen: Kunstdialog in Au­ genhöhe“ trug noch einmal seine unverwechsel­ bare Handschrift. 1915 in Hamburg geboren, studierte er an der Hansischen Hochschule für Bildende Künste und schloss bei Professor Hugo Meier-Thur als M eis­ terschüler sein Studium ab. Grafische Arbeiten für den Hamburger Senat, Zeitungshäuser und große Industriekonzerne folgten, aber Henckell, e ingedenk seiner Doppelbegabung, wendete sich dem gewitzten Wort zu und stand mit eige­ nen Texten auf der Bühne des literarischen Ham­ burger Kabaretts „Bronzekeller“ . Als Kabarettist in Berlin Engagements des jungen Kabarettisten folgten in München in „Bonbonniere“ und „Simplizissi- mus“ und Willi Schaeffer holte ihn nach Berlin ins „Kabarett der Komiker“ . Hier trat er mit Ge­ org Thomalla, Alexis, Maria von Schmedes und Wilhelm Bendow in einer Märchenrevue von Al­ do von Pinelli und Peter Kreuder auf und Peter Frankenfeld stellte ihn als Klavierhumoristen Jürgen Henckell vor. Die Verfilmung seines ersten Romans „Das schwarze Schiff“ unter der Regie von Wolfgang Liebeneiner wurde durch das Kriegsende ver­ hindert. 1944 kam Jürgen Henckell nach Blumberg und gründete 1945 das erste Reisekabarett innerhalb der französischen Besatzungszone „Tournee auf Touren“ . Dieses, mit Gastspieldirektion in Schwen­ ningen, taufte er später in „Kabarettimes Thea­ ter Der Widerspiegel“ um. Sechzehn Programme schrieb Jürgen Henckell in diesen schwierigen Jah­ ren kurz nach Kriegsende wie „Mal was anderes“, „Ins Fettnäpfchen“, „Wer A-tom sagt – muss auch B-tom sagen“ oder „Zwischen Herz und Hirn“ 65


Persönlichkeiten und ein interessiertes Publikum folgte seinen boshaft, witzigen Gedanken. Als Allrounder sorgte er für Kostüme und Kulissen und war „der Mann am Klavier“ . W ährend vieler Auftritte deutschlandweit bei den nam haftesten Klein­ kunstbühnen, wie Werner Fincks „M ausefalle“, verdienten sich Eddi Ahrendt und Rolf Schimpf bei Jürgen Henckell erste schauspielerische Spo­ ren. Beifallsstürme gab es für ein Silvesterpro­ gramm in München mit Gert Fröbe, ebenso für seine Parodie zu Sartres „Die Fliegen“ , auch sie war ein durchschlagender Erfolg. Oftmals wurde in diesen Jahren versucht, auch seitens der Besatzung, Jürgen Henckell vor irgend einen Karren zu spannen, was nie ge­ glückt ist. Er ließ sich nicht vereinnahmen. Der Karikaturist und Schriftsteller Nach sechs Jahren Tournee beendet er seine Ka­ baretttätigkeit, schrieb für den Süddeutschen Rundfunk und seine Karikaturen erschienen in vielen Illustrierten. Große Romane, angesiedelt in sizilianischer Landschaft entstanden, wie „Wecken in der Dämm erung“ oder „Unkraut des H im m els“ . Und unter dem weiblichen Pseu­ donym Laura Saint-Pierre schrieb er sein Werk über Öl, Macht und Liebe „Taube mit schmutzi­ gen Flügeln“ . Das waren Bücher, die in bekann­ ten Verlagen in mehrere europäische Sprachen übersetzt erschienen. Während langer Aufenthalte in Sizilien ent­ standen seine großformatigen farbintensiven Bilder, in denen er sich nicht nur von Menschen und der Landschaft inspirieren ließ, sondern ver­ antwortungsbewusst und voll Sorge um die Welt umweltskeptisch das Hier und Jetzt hinterfragte. Mit seinen „Pierragen“ genannten Steinbildern ging Jürgen Henckell überzeugend konsequent neue poetisch künstlerische Wege und interpre­ tierte Linien in gefundenen Steinen intuitiv span­ nend um. In Einzelausstellungen zeigte er seine Werke in Hamburg, Berlin, München, in der Schweiz, Österreich, Liechtenstein und in Frankreich. Wer­ ke von Jürgen Henckell sind im Besitz des Regie­ rungspräsidiums Freiburg, der Städte Donau- eschingen und Blumberg, befinden sich in pri- 6 6 S ch w e b e n d e B oote (Sizilienzyklus). vaten Sammlungen und 1988 erwarb die Bun­ desrepublik sein eindringlich umweltkritisches Bild „Durchdringung“. Lyrische Auseinandersetzungen folgten mit dem Gedichtband „Arkadien bruchstückweise“ . Die Randlage, wie er einmal Blumberg bezeich- nete, hielt ihn fest und ersetzte sich mit viel per- Sechs )a h re la n g w a r Jürgen H enckell (rechts) m it se in e m K a b a rett e rfo lg re ic h a u f Tournee.


sönlichem Einsatz für die Kunst in ihrer ganzen Bandbreite ein. „Ich blieb in Blumberg, um den künstlerischen Aufholprozess der Provinz zu för­ dern“, sagte er einmal. Und er hat Recht behal­ ten: Dafür stehen seit 1977 28 hochkarätige Kunstschauen mit überregionaler Beteiligung. Auch hier blieb Jürgen Henckell seiner Doppel- begabung treu und brachte in den Kunstausstel­ lungen mit Autorenlesungen auch das Wort ein. Großen bürgerlichen Einsatz gezeigt Jürgen Henckell war Gründungsmitglied der Do- naueschinger Künstlergilde, Mitglied des Kunst­ vereins Konstanz und von 1975 bis 1992 Präsi­ dialmitglied im Internationalen Bodensee-Club sowie Leiter der Sektion West Bildende Künste. Nie hat sich Jürgen Henckell Verpflichtungen im bürgerlichen Einsatz verweigert. So sorgte er mit für die Neugründung der Btumberger Schützen­ gesellschaft von 1911 e.V. und gründete 1965 die Blumberger DLRG-Ortsgruppe. Lange Jahre aktiv in der Vorstandschaft beider Vereine wurde er zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Seine politi­ sche Heimat fand Jürgen Henckell bei den Freien Demokraten. Lange Jahre war Jürgen Henckell als freier Journalist für die Lokalredaktionen von Badi­ scher Zeitung, Schwarzwälder Bote und Südku­ rier tätig und viele Artikel von ihm erschienen auch im Almanach des Schwarzwald-Baar-Krei- ses. Ebenso war er im Almanach immer wieder mit seinen thematisch und sprachlich anspruchs­ vollen Gedichten vertreten, die auch in nam haf­ ten Anthologien wie „Bodensee-Gedichte“ oder „Schön wie der M on d “ ihren Platz fanden. Dazu gestaltete er zeichnerisch und malerisch jahr­ zehntelang die Samstags-Glosse im Waldshuter „Alb-Bote“ . Eine seiner malerischen Arbeiten schmückt das Treppenhaus in der Mehrzweck­ halle im Blumberger Stadtteil Riedöschingen und „Kunst am Bau“ war auch seine große grafi­ sche Arbeit im Hallenfoyer der Eichberg-Sport- halle vor dem Brand. Sehr zurückhaltend ging Jürgen Henckell bei den Blumberger Kunstschauen mit eigenen W er­ ken um. „Das ist ein Forum nicht nur für schon etablierte Künstler, sondern eine Plattform für Jürgen Henckell junge Talente, ihre Arbeiten einem interessierten Publikum zeigen zu können“, merkte er während einer Vernissage einmal an, die er hinreißend lebhaft und unterhaltend gestaltete. So waren eigene Werke von ihm relativ selten zu sehen. Im Rahmen einer Retrospektive anlässlich seines 90. Geburtstages stellte er zeitgleich mit der 26. Blumberger Kunstausstellung in der Blumberger Galerie Molnar zu Arbeiten aus seinem Sizilien­ zyklus frühe Werke aus der norddeutschen Hei­ matlandschaft vor. Gleichzeitig erschien das kleine Bändchen „Spritzige Spätlese“ , das mit Karikaturen und witzigen Texten aus seiner Sam m lung „Die Alltagsleier oder Lyrisches Gerümpel“ Jürgen Henckell als humorig, frivolen Spötter aufzeigt, der Menschliches und Allzu­ menschliches mit spitzem Stift zeichnet und scharfzüngig besingt, den Menschen zum La­ chen über sich selber bringt und dabei niemals verletzend wird. Für sein vielfältiges lebenslanges künstleri­ sches und bürgerliches Engagement wurde Jür­ gen Henckell mit der Bürgermedaille der Stadt Blumberg, der Theodor-Heuss-Medaille seitens der FDP und 1995 mit dem Bundesverdienst­ kreuz ausgezeichnet. C h ristian a S te g e r Entfernung von der Küste (S izilien) Die Küste hat mir die Geschichten von alter Lust am Raub erzählt Die Frucht der bitteren Erkenntnis ist nach dem Pflücken bald geschält; Die Stadt mit ihren Lärmkaskaden bleibt unter mir, gelöscht vom Wind der Berge, wo Odysseus’ Segel nur noch verirrte Möwen sind. Schon nach den ersten Kaktushecken im Ödland mit Geröllbesatz da haben alle Strandnovellen auf einem Eselrücken Platz. Jürgen H enckell (aus dem B a n d „A rk a d ie n b ru c h s tü c k w e is e “) 67


Persönlichkeiten Roland Wehrte Initiator der NachsorgeklinikTannheim und weithin bekannter Präsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte M itb e g r ü n d e r d e r F a m ilie n o rie n tie rte n N a c h ­ s o rg e fü r k re b s -, h e rz – und m u k o v is z id o s e – k ra n k e K in d e r und J ug end liche Der frühere Ministerpräsident Erwin Teufel hat den Spruch getan: „Wo ein Wehrle ist, da ist auch ein W eg.“ Gleich mehrfach ist Roland Wehrle an­ erkennend als der „größte Bettler im ganzen Land“ bezeichnet worden – für die gute Sache versteht sich! Und als ihm Ministerpräsident Günther Oettinger auf Vorschlag von Erwin Teu­ fel im Dezember 2005 das Bundesverdienstkreuz verleiht, zollt er hohen Respekt: „M it Menschen wie Ihnen bleibt Baden-Württemberg ein Land mit Wärme und ein Land für Familien.“ Furtwan- gens Bürgermeister Richard Krieg bezeichnet Roland W ehrle aus gleichem Anlass als uner­ müdlichen Motor, als einen Bürgersohn, auf den man stolz sei. Das Lebenswerk steht unübersehbar in Tann­ heim: Die in ganz Deutschland bekannte Nach- sorgeklinikfür krebs-, herz- und mukoviszidose- kranke Kinder, Jugendliche und ihre Familien. Die Heimat aber ist Roland Wehrle immer Furt- wangen gewesen: Hier hat er im Quartier ums Rathaus als kleiner Bub die schwäbisch-aleman­ nische Fastnacht wie ein zweites Lebenselixier eingesogen – heute ist er Präsident der ältesten Narrenvereinigung im deutschen Südwesten, der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Nar­ renzünfte. In Furtwangen wurzelt zudem die Lie­ be zur Heimat, zu Baden und Württemberg – und die hohe soziale Gesinnung: Als Sohn einer al­ leinerziehenden M utter hat Roland Wehrle früh erfahren, dass man den Mitmenschen eine Hilfe sein muss. Furtwangen ist ihm auch in anderer Hinsicht die Mitte im Leben, hier tankt er Kraft: auf dem Furtwanger Hausberg Brend oder abends auf dem Balkon des schmucken Schwarzwatd- 6 8 R oland W ehrle hauses am Sommerberg – beim Blick über Furt­ wangen. Auf diesem Balkon sitzend erzählt Ro­ land Wehrle über sein ereignisreiches Leben: Drei Fotoalben vor sich auf dem Tisch, darin die Erinnerungen an viele Freunde – auch in Jorda­ nien. Als Student hat er dorthin bei einer aben­ teuerlichen Fahrt ein Auto überführt, das war ei- neeinm alige B egegnungm itfrem den Sitten und Kulturen. Das Ziel nie aus den Augen verloren Nichts von alldem was Roland Wehrle heute als Lebenswerk präsentieren kann, ist ihm in die Wiege gelegt worden: Der Furtwanger ist das bes­ te Beispiel dafür, dass man viel erreichen kann, wenn man sein Ziel nicht aus den Augen verliert, authentisch bleibt und an sich glaubt, wie er sein


Erfolgsrezept beschreibt. Ausdauer, Durchset­ zungsvermögen, ein unerschütterlicherGlaubean die eigene Kraft – aber auch Humor – sind das Rüstzeug dazu. Nachsorge für krebskranke Kinder. Welch hohen sozialpolitischen Stellenwert diese Initiative hat, verdeutlicht der Besuch von Bundespräsident Richard von Weizsäcker im Jahr 1988. Roland W ehrle Wie oft schält sich auch bei Roland Wehrle der eigentliche Lebensweg erst nach und nach heraus: Als 15-Jähriger beginnt er bei der Furtwanger Fir­ ma Reiner eine Feinmechanikerlehre, bleibt dann noch ein weiteres Jahr im Beruf. Nebenher jobbt er als Kochgehilfe im Gasthaus „Bad“ . Im renommierten Parkhotel „Löwen National“ in Tri- berg folgt eine Kellner-Lehre. „Als Feinmechani­ ker lernte ich das Leben in der Fabrik kennen, im Parkhotel eine völlig andere W elt“, resümiert er. Noch wichtiger: Roland Wehrle fand sich in „bei­ den W elten“ gut zurecht, der wohl erste Schlüs­ sel zum späteren Erfolg. Katholische Jugend (KJG) und Narrenzunft, die Fasnet, dominieren in der Kindheit und Jugend die Freizeit. Und als sich viele Freunde aus der KJG d a­ zu entschließen, den zweiten Bildungsweg zu be­ streiten, die Fachhochschulreife abzulegen, packt auch Roland Wehrle die Gelegenheit beim Schopf: Nach einem Vorpraktikum studiert er Sozialarbeit an der katholischen Fachhochschule in Freiburg. Arbeit an sozialen Brennpunkten Auf das Studium folgen mehrere berufliche Sta­ tionen im sozialen Bereich, so hilft Roland Wehr­ le als M itarbeiter der Erziehungsberatungsstel­ le beim Aufbau des Jugend- und Nachbarschafts­ zentrums in Aalen. Das Zentrum wird in einem so­ zialen Randgebiet verwirklicht, in dem viele sozial schwache Familien leben. Etwas völlig Neues ist es, mit Kindern aus sozialen Brennpunkten ins Fe­ rienlager zu gehen – sogar das Fernsehen be­ richtet. 1976 beschließt Roland Wehrle den Wechsel ins Referat der offenen Jugendhilfe der Stadt Of­ fenburg und von 1978 bis 1982 ist er als Jugend- und Drogenberater im Schwarzwald-Baar-Kreis tätig. Schließlich sucht die Arbeiterwohlfahrt ei­ nen Leiter für ihre Nachsorgeeinrichtung Kathari­ nenhöhe in Furtwangen: Ab 1982 leitet Roland Wehrle diese Einrichtung und begründet in der Folge in Zusammenarbeit mit der Universitäts­ kinderklinik Tübingen die Familienorientierte Die NachsorgeklinikTannheim entsteht Als Leiter der AWO-Nachsorgeklinik Katharinen­ höhe ist Roland Wehrle von 1984 an maßgeblich an der Konzeption der Familienorientierten Nach­ sorge beteiligt. Und er beschließt, in diesem Be­ reich noch mehrzu tun, wechselt im Oktober 1990 von der Katharinenhöhe als Geschäftsführer zur Arbeitsgemeinschaft Baden-Württembergischer Förderkreise krebskranker Kinder eV„ die aus Anlass der Eröffnung ihrer Geschäftsstelle in Furt­ wangen den Neubau einer Klinikankündigt, weil es im Bereich der Familienorientierten Nachsorge zu wenige Behandlungsplätze gibt. Es ist einer der glücklichen Zufälle im Leben von Roland Wehrle, dass es in der Folge gelingt, Fernseharzt „Prof. Brinkmann“ aus der ZDF-Serie „Die Schwarzwaldklinik“ als engagierten Mitstrei­ ter für dieses Großprojekt zu gewinnen: Schließ­ lich gründet Klausjürgen Wussow 1990 eine zu­ nächst nach ihm benannte Stiftung, die heutige Deutsche Kinderkrebsnachsorge – Stiftung für das chronisch kranke Kind, in der Roland W ehr­ le Stiftungsvorstand und Geschäftsführer wird. Roland Wehrle erinnert sich: „Imm er mehr Kin­ der konnten am Beginn deri98oer-Jahre dank der medizinischen Fortschritte endlich ihren Krebs besiegen. Mit ihren Kräften waren die Patienten und ihre Familien a beram Ende: diesen Kampfzu bestehen, hatte ihnen alles abverlangt. Da war weitere Hilfe gefordert, es galt, den m edizini­ schen Erfolg jetzt dauerhaft abzusichern. Das ist heute trotz aller Fortschritte nicht anders.“ Der Stiftung Kinderkrebsnachsorge ist m aß­ geblich das Werden der Nachsorgeklinik Tann­ heim zu verdanken. Und derZähigkeitvon Roland Wehrle, der allen Widerständen zum Trotz den Kli­ nikbau durchsetzen konnte. Oft genug stand er am Rand des Scheiterns – und dann fand sich in letzter Minute doch ein Ausweg. Sieben Tage die Woche, quasi Tag und Nacht und das über Jahre hinweg, hat er einzig dieses ehrgeizige Ziel ver­ folgt – und es dabei verstanden, tausende von 6 9


P ersönlichkeiten Menschen für die Idee einer Nachsorgeklinik für krebs-, herz- und mukoviszidosekranke Kinder und Jugendliche zu begeistern. Klausjürgen Wussow setzt seine große Po­ pularität für den Bau einer „wirklichen Schwarz­ w aldklinik“ ein, verhilft dem Projekt zusammen mit der Aktion „Herzenssache“ des Südwestfern­ sehens und Dank der Spenden von Zehntausen­ den von Menschen zum Durchbruch (siehe Alma- nach 1999). M it prominenter Unterstützung hat die Kinderkrebsnachsorge schlussendlich für die KlinikTannheim ca. 24,5 Millionen Mark an Spen­ den sammeln können! Ein in dieser Form bis heu­ te einmaliger Vorgang, ein Ergebnis, mit dem auch Roland Wehrle so nie gerechnet hatte. In der gemeinsam mit der A rbeitsgem ein­ schaft der baden-württembergischen Förderkrei­ se krebskranker Kinder e.V. verwirklichten 135- Betten-Klinik werden heute krebs-, herz- und mukoviszidosekranke Kinder samt Familien be­ handelt. Die Nachsorgeklinik ist seit Jahren voll belegt, gerade auch die Ausweitung auf das Krankheitsbild Mukoviszidose und ein Rehabili­ tationsangebot für verwaiste Familien, das sind Familien, die ein Kind verloren haben, erweisen sich als wichtige Hilfestellungen für unheilbar kranke Menschen oder Familien in großer seeli­ scher Not. Im Juli 20 0 7 konnte die Nachsorgekli- nikTannheim ihr zehnjähriges Bestehen feiern, mit einer imposanten Bilanz: Rund 5.500 Patien­ ten und 10.500 Familienangehörige wurden bis zu diesem Zeitpunkt betreut. Prominente M itstreiter an der Seite Die Nachsorgeklinik Tannheim hat einen derart nachhaltigen Erfolg, weil es Roland Wehrle ver­ steht, immer wieder aufs Neue prominente M it­ streiter von der Dringlichkeit der Familienorien­ tierten Nachsorge zu überzeugen – denn die Fa­ milien von schwer krebs- oder herzkranken Kin­ dern brauchen auch weiterhin dringend diese Hilfe – zumal im Fall der nach wie vor unheilba­ ren Mukoviszidose. Von Carl Herzog von W ürt­ temberg, Ex-DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vor- felder über die deutsche Fußballnationalmann­ schaft, den VfB-Stuttgart, Skispringer Martin Schmitt bis zu den Akteuren der SWR-Fernseh- serie „Die Fallers“ reicht die Liste der Förderer der Nachsorgeklinik und der Stiftung Deutsche Kinderkrebsnachsorge, um nur einige Namen von vielen zu nennen. Zehn Jahre im Kreistag aktiv Zum Engagement für die Allgemeinheit gehörte bei Roland Wehrle auch die Kandidatur für den Kreistag. In diesem Gremium w ar er für die Raumschaft Oberes Bregtal zehn Jahre lang als Mitglied der SPD-Fraktion aktiv, gehörte unter anderem dem Krankenhausausschuss an. Die Person Willy Brandt ist es gewesen, die Roland Wehrle zum Eintritt in die SPD bewogen hat. Bewahrer der traditionellen Fastnacht Das starke soziale Engagement von Roland Wehr­ le ist die eine prägende Seite im Lebenslauf, die Liebe zur schwäbisch-alemannischen Fastnacht die andere: Seit fast 12 Jahren ist er Präsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narren­ zünfte e. V. (VSAN) mit ihren 69 Mitgliedszünften im gesamten deutschen Südwesten und der Schweiz. In dieser Funktion wurde er u.a. durch zahlreiche Fernsehauftritte landesweit bekannt, Die N achsorgeklinik Tannheim.


Roland W e h rle Und natürlich ist es für den früheren Furtwan- ger Spättlemeister das größte Vergnügen, selbst ein Fastnachtsnarr zu sein, so am „Schmutzigen Dunschdig“ beim Strählen in den Furtwanger Lo­ kalen oder bei der „Elfimeß“ in der Bütt – mittler­ weile gelegentlich auch schon im Duo mit Sohn Marcel. Es ist Roland Wehrle ein besonderes Anlie­ gen, dass die schwäbisch-alemannische Fastnacht ein Brauchtum bleibt, das alle Bevölkerungs­ schichten und Altersgruppen verbindet. Hier hat er Vorbildliches geleistet: seine große Liebe zur Fastnacht, die überall, wo er als Präsident auftritt zum Ausdruck kommt, motiviert andere M en ­ schen zum Mittun. Auch bei den zahlreichen Verpflichtungen im Umfeld der Vereinigung Schwäbisch-Alemanni­ scher Narrenzünfte bleibt der Präsident ein Narr mitVorbildfunktion. Da kommt es sogarvor, dass sich Präsident Roland Wehrle in Verkleidung bei einem Empfang für schwäbisch-alemannische Narren in die Villa Reitzenstein einschteicht, dort unerkannt mit M inisterpräsident Erwin Teufel vespert und ebenso unerkannt das Stuttgarter „Regierungsviertel“ wieder verlässt… Starker Rückhalt in der Familie Die Wehrles sind eine Familie mit vier Kindern, da benötigt Ehefrau Jacqueline bei einem derart en­ gagierten Mann „beste Managerqualitäten“. Das weiß Roland Wehrle, der in seiner Familie einen starken Rückhalt hat, ohne den er seine großarti­ gen Leistungen nicht hätte vollbringen können. Freizeit jedenfalls ist kostbar bei ihm. Und ist sie dann doch vorhanden, w artet ein Flobby be­ sonderer Art: Die Furtwanger Donauquelle, für ihn – wie könnte es auch anders sein – die einzi­ ge, wahre Donauquelle. Um in diesem mit Lei­ denschaft gepflegten Streit mit den Donauesch- ingern „die Oberhand zu behalten“, lässt sich der Furtwanger immer etwas Neues einfallen. Das ist dann stets „Dort, wo die Donau herkom mt“ , wie es auf einem Aufkleber heißt, der wie ein Wappen neben der Eingangstür klebt. Unweit des Fahnen- mastens im Garten, an dem bald wieder die Flag­ ge der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Fastnacht wehen wird, denn die nächste Fasnet, die kommt ganz bestimmt! W ilfrie d D o ld 71 Roland Wehrle als P räsident d e r Vereinigung Schwäbisch-Alem annischer Narrenzünfte. gilt zusammen mit renommierten Wissenschaft­ lern wie Prof. Dr. Werner Mezger als erster Ver­ fechter überkommener Fastnachtstraditionen. Roland Wehrle achtet sehr darauf, dass die Fastnacht trotz stetem gesellschaftlichem W an­ del nicht ihre Wurzeln verliert, dass den Narren die kirchlichen Wurzeln ihresTunsbewusstsind. So ist es nur folgerichtig, dass er die Präsentation von Fastnachtsgeschichte fördert, sich stark für das Museum „Narrenschopf“ der VSAN in Bad Dürrheim engagiert. Dort können schon junge Narren erfahren, um welch einmaliges Kulturgut es sich bei der schwäbisch-alemannischen Fast­ nacht handelt. Maßgeblich initiiert hat Roland Wehrle zudem die „Kulturstiftung der schwä­ bisch-alemannischen Fastnacht“, die unter an­ derem Wissenschaftler mit einem Forschungs­ preis auszeichnet, die sich mit dem Phänomen der Fastnacht auseinandersetzen. Aber auch Tagun­ gen werden abgehalten und das mittlerweile auf europäischer Ebene, denn die Liebe der M en ­ schen zur schwäbisch-alemannischen Fastnacht kennt keine Ländergrenzen.
















T T – t Ketterer Getriebe in Furtwangen gehört zu den Marktführern im Bereich mechanische Antriebstechniken wie sie weltweit bei höhenverstellbaren Schreibtischen zum Einsatz kommen.


Aus dem Wirtschaftsleben 175 Jahre Ketterer Getriebe „W ir übersetzen Ideen“ Benedikt Ketterer S ö h n e GmbH & Co. KG, kurz Ketterer Getriebe, war die erste Fabrik von Furtwangen, gehört zu den äl testen Firmen im Schwarzwald und gilt als Tech­ nologies ch m ie de: Getriebe für höhenverstellbare Büromöbel, So nderge- • ¿ T triebe z.B. für die Solarindustrie, Getriebe für Son- I * jSfkJj nenschutz oder elektrische Antriebe in der Reinraum- f c j g [ y j | ^ w j A technik dokumentieren die Innovationskraft, die im , V : Slogan „Wir über se tz en Ideen“ zum Ausdruck kommt. Geschäftsführer ^ ^ 1L, Odin )äger: „Vieles hat sich bei Ketterer verändert, aber e in e s ist ge b l ie ­ ben: Es dreht sich auch nach 175 Jahren für unsere rund 100 Mitarbeiter al­ les um Spindeln und Zahnräder.“ Auch auf d a s in den Jahren 189 6 bis 1 89 8 er­ baute, d e nk m alg esc hü tzt e Fabrikgebäude ist man bei der BKS stolz: Die Ketterer-Fabrik gilt als ein i m p o sa n tes Wahrzeichen der Furtwanger Industriegeschichte, der einstigen Uhrenstadt. Die Fabrik an der U m ge hu ngss traß e ist auch nachts ein Ereignis: Sie ist auf s e h e n s w e r t e Art und Weise illuminiert*— Prüfung einer Präzisionsspindel wie sie bei der manuellen oder motorischen Höhenverstellung von Büromöbeln verbaut werden (siehe CAD- Konstruktion rechts).


Aus dem Wirtschaftsleben Die Geschichte der Firma Ketter- er ist zugleich die Geschichte von zwei Brüdern, die sich den Traum von der reichen H eim kehrau s dem „fernen England“ verwirklichten – ihr Geld hatten si e dort mit Uhren­ handel verdient. Der Anteil am el­ terlichen Philippenhof in Vöhren- bach-Langenbach allerdings musste als Pfand für ihren „Existenzgrün­ dungskredit“ dienen, den Niklas Hummel gewährte. Mit dem Start­ kapital kauften die Ketterer-Brüder zahlreiche Uhren und finanzierten ihre Reise: Die Uhrmacher Benedikt (27 Jahre alt) und Martin Ketterer (21) gründeten 1832 in Portsea, ei­ nem Stadtteil von Portsmouth, ihr e i g e n e s Unter­ nehm en „Ketterer & Co.“. wird zur Mitte d e s 19. Jahrhunderts aufgrund der großen Konkurrenz­ verhältnisse immer schwieriger. So sucht Benedikt Ketterer nach Alter­ nativen und erkennt früh die Zei­ chen einer neuen Zeit: In den S täd ­ ten heizt und beleuch tet man die Häuser mehr und mehr mit Gas – wie aber misst man den Verbrauch? So fertigt er nach e nglis ch em Vor­ bild aber nach eigene r Konstrukti­ on ab 1851 Gasuhren. Die ersten 20 Stück nimmt die Stadt Freiburg ab. Damit hat der Furtwanger für den uh renmachenden Schwarzwald zu­ gleich einen ne uen Industriezweig begründet. Das Land Baden aner­ kennt d i e s e großartige Leistung und verleiht ihm dafür 1858 die Silberne Verdienstmedaille. Benedikt Kette rer, 1805 -1871 Und d a s mit viel Erfolg: Benedi kt Ketterer kehrte 1842 als woh lh abe nd er Mann nach Lan­ ge nbach zurück, löste den Kredit für die Firmengründungab und eröffnete in Furtwangen eine m ech an ische Werkstatt zur Herstellung von Uh­ ren, die sich schon bald in die ers te und somit heute ä ltes te Fabrik von Furt­ wangen verwandelte: „Be­ nedikt Ketterer & S ö h n e “. Sein Bruder Martin Ketter­ er blieb noch bis 1856 in England, brachte dann Tei­ le s e i n e s dort verdienten Ketterer-Uhr aus Portsea, gebaut von einem Furt- wangerUhrmacher. Vermöge ns gleichfalls in die florierende Furtwanger Fa- brik ein. Martin Ketterer er­ warb am Straßberg ein Haus, das „Werk 2 “, in dem die Ketterers fortan Regula­ teure bauten. Die erste Gasuhrenfabrik in Baden Es zeichnet die Firma Ketterer au s – und da s über die gesa m te 175-jährige Geschichte hinweg – dass sie immer ein fe in es Gespür für die Märkte b e ­ saß: Der lukrative Schw arzwälder Uhrenmarkt 8 8 Die erste Wassermesser-Fabrik Und zur Gasuhr ge se ll t sich etwa zwei Jahrzehn­ te später die Wasseruhr: Mit dem Aufbau der öf­ fentlichen Trinkwasserversorgung über Leitungs­ netze ist auch der Verbrauch von Wasser eine gut m e ssb a re Größe ge wor de n. Damit zeigt sich nach Prof. Dr. Kahlert, wissenschaftlicher Berater Die BKS firmierte in den 1870er- Jahren als „Erste badische Wassermesser-Fabrik“, hier ein Ketterer Flügelrad-Wassermesser um 1900. SÖHNE


am Deutschen Uhrenmuseum: „Be­ nedikt Ketterer war der erste in Furt- w an gen und Um gebung, der die auf Uhren b e z o g e n e gewerb lic he Mo­ nostruktur spren gen konnte. Er b e ­ w ies, d a s s e s ne ben der Zeitm es­ su n g Chancen gab, M essg e räte an­ derer Artzu produzieren und zu ver­ kaufen.“ Technikpionier Felix Ketterer Felix Ketterer, 1847-1911 Mit dem Bau der W a ss er m es se r ist ganz b e s o n d e r s der Name Felix Ket­ terer verbunden. Der Technikpionier v e r w e n d e te als erster Furtwanger Unternehmer für sein Geschäft d a s Telefon, und er ließ die früheste für gewerbliche Zwecke g e ­ nutzte Übertragungvon Kraftstrom in Baden bau­ en. Ihm verdankt die Stadt die e in gan gs g eze igte Fabrik. Und: Als Teilhaber und technischer Direk­ tor war er entscheidend am Aufschwung der um 1900 weltweit bekannten Badischen Uhrenfabrik beteiligt. Für Furtwangen ganz b e s o n d e r s von Bedeutung: die vom Vater üb er n om m e n e Firma Benedikt Ketterer S ö h n e entwickelte sich unter seiner Leitung 1910 zum größten Arbeitgeber, b e­ Ketterer Getriebe schäftigt 396 Mitarbeiter! Prof. Dr. Kahlert in e inem Beitrag über Felix Ketterer: „Die Erste Badische Was­ sermesser-Fabrik, s o lautete die Überschrift auf einem Rechnung s­ formular au s der Zeit, hatte ihr Kompetenzzentrum gefund en: Fa­ brikation von Zähl- und Registrier­ werken und Armaturen für Gas, Wasser- und Elektrizitätsmesser so w ie für so n stig e Zwecke. Man ist Metalldreherei und zu dem Metall­ gießerei. Deutlich erkennbar wird die Tendenz, s e l b s t entwickelte und patentrechtlich g e s c h ü tz te Geräte auf den Markt zu bringen, etwa den Ketterer-Flügelrad-Was- sermesser oder den selbstkassierenden Gasver­ käufer, der ge gen Münzeinwurf eine bestimmte G asm enge freigab. Das Unter nehmenskonzept, Messgeräte fürVersorgungsgüterzu fertigen, blieb in dieser Form auch im 20. Jahrhundert tragfähig. Ein stolzer Industriebau ist die Ketterer-Fabrik aus dem fahr 1898. Das vorbildlich sanierte Fabrikge­ bäude bietet großzügige, freundliche Arbeitsplätze. Die Zeitzeigtden Getriebe-Experten aus Furtwangen eine Turmuhr von Schneider aus Schonach an. 8 9


Aus dem Wirtschaftsleben Ketterer-Getriebelösung für Sonnenschutz, Ent­ wicklung aus den ig/oer-Jahren. Ketterer Erzeugnisse haben auch weiterhin Le­ bensqualität g e m e s s e n . “ Felix Ketterer war ein e b e d e u te n d e Persön­ lichkeit seine r Zeit, die sich vielfach in d a s öf­ fentliche Leben von Furtwangen einbrachte und stark sozial engagierte. Sei ne Beerdigung im )ahr 1911, er verstarb 64-jährig, gehörte zu den größ­ ten, die Furtwangen erlebt hat. Der Trauerzug war mehr als einen Kilometer lang, er umfasste nahe­ zu alle Furtwanger Vereine. Von Stromzählern und „Radio-Bauplänen“ Und wenn davon die Rede ist, Lebensqualität zu m e s s e n , dann gilt d a s bei Ketterer folgerichtig auch für Strom. Felix Ketterer erkennt früh die Möglichkeiten d e s jungen Energiemarktes und l ä s s ta n der Badischen Uhrmacherschule in Furt­ wan gen se ine n Sohn Oskar Ketterer in der Kon­ struktion und im Bau von Elektrizitätszählern ausbilden. Schon 1901 liefert die BKS erste Strom­ zähler, schließlich entwickelte sich daraus ab 1924 die Deuts che Zählergesellschaft, die zuerst in Furtwangen und dann in Vöhrenbach über Jahr­ z eh nte h in weg mit ca. 2 0 0 Beschäftigten zu den größeren Arbeitgebern zählte. Und Oskar Ketter­ er gründet ein weiteres Unter­ nehm en, die heutige Firma Ketterer Druckguss, die ihren Stammsitz in der Bregstraße hat, gegenüber d e s Hauses, in dem Benedikt Ketterer 1845 seine mechanische Werkstätte Wie viele andere Uhrenfa­ briken engagierte sich in den ig2oer-Jahren auch die BKS im Zukunftsmarkt „Radiobau“. Hier ein zeitgenössisches Werbeblatt. 9 0 eröffnet hatte. Die Ketterer-Galvanik in Furtwangen und die Firma J. B. Rom­ bach, die so g e n a n n te Gaszählerfabrik Karlsruhe, sind zwei weitere Beispie­ le für Firmen, die a u s der traditions­ reichen Firma Benedikt Ketterer h e r vor gega nge n sind. Auch sie dokumentieren die Innovations­ kraft von Ketterer. Und auch d a s ist eine wichti­ g e Episode der Firmengeschich­ te: In den i92oer-Jahren erhoffte man sich bei Ketterer einen dauerhaften Erfolg durch den Bau von Radiogeräten. Zusammen mit Professor Dr. Weiss entwickelte die BKS s o g e ­ nannte „Radio-Baupläne“ sam t Teile, die jeder­ mann einen Radio-Selberbau möglich machten. Der Furtwanger Radiopionier Oskar Ketterer hat­ te darin die volle Unterstützung s e i n e s S c hw a­ gers Emil Jäger, Leiter der Uhrmacherschule, der als technischer Berater fungierte. Der Radiomarkt entwickelte sich rasant, aber die BKS blieb dann doch bei ihrem Kerngeschäft, dem Getriebebau. i95oer-Jahre: Getriebe für den Sonnenschutz Die kommend en Jahrzehnte der Firmengeschich­ te bestimmt Emil Jäger: Der Mann von Olga Ket­ terer ist seit 1923 Leiter der Uhrmacherschule und in Personalunion technischer Berater der BKS, lenkt maßgeblich die Geschicke d e s Unterneh­ m ens . Ernst Hepting ist kaufmännischer Leiter. Wie alle Unternehmen durchlebt die BKS in den infla tio nsb ed ingt i92oer-Jahren eine große Krise. Nach dem Zwei­ ten Weltkrieg dann nimmt Emil Jä­ ger mit s e c h s Beschäftigten und trotz einer fast vol lständigen De­ m o n ta g e durch die französische Be satzungsm ach t die Fertigung wieder auf: Der Not der Zeit fol­ ge nd, beginn t man 1946 vorüber­ g e h e n d mit der Produktion von Aschen bechern! Auf Initiative von Emil Jäger und Sohn Felix Jäger er­ öffnet sich in den i95oer-Jahren ein n eues Geschäftsfeld mit großer Zukunft: Die Konstruktion und der


Eine Sondergetriebe-Lösung von Ketterer-Getriebe für Bus­ türen: Selbst ohne Strom öff­ nen sich die Türen kinder­ leicht, was im Notfall von le­ benswichtiger Bedeutung ist. Ketterer Getriebe – Tendenz ste igen d. So wie in den Gründerjah­ ren Benedikt Ketterer den Markt für Gas- und Wasseruhren erkannte, ge la n g e s Odin Jäger mit der Spezialisie rung de s Unternehmens auf den Bau von Getrieben und Sondergetrieben, die BKS auf Zukunftsmärkte auszurichten und damit die Basis für ein kontinuierliches Wachstum zu schaf­ fen. In den Bereichen Antriebe für die Höhenver- stellung von Büro- und Werkstattarbeitsplätzen darf sich da s Unternehmen heute zu den Markt­ führern zählen, hat bei einer Exportquote von ca. 64 Prozent gl änz en de Zukunftsperspektiven. Mit immer neuen Ideen vorne dabei Bau von Getrieben für Jalousien, Markisen und Rollladen. Damit fällt die Familie Jäger die Ent­ s c h e id u n g , d a s traditionsreiche Unternehmen mit dem Getriebebau fortzuführen. Die Teilhaber Gerold Ketterer und Manfred Hepting komp let­ tieren die Geschäftsführung, sc h e id e n in s p ä t e ­ rer Zeit aber aus. Die Ära der höhenverstellbaren Arbeitsplätze Die BKS bleibt bei ihren erfolgreichen Wurzeln, wie sehr sich d i e s e Entscheidung bewährte, ver­ deutlicht die jüngere Firmengeschichte. Als 1982 im Alter von 2 0 Jahren Odin Jäger, Sohn von Ge­ schäftsführer Felix Jäger, in der BKS s e i n e Tätig­ keit beginnt, ist die Firma e be n in die Konstrukti­ on und den Bau von Getrie­ ben für hö hen verstellbare PC-Arbeitsplätze e in ges tie ­ gen. Bereits 1984 über­ nimmt Odin Jäger die tech­ nisc he Leitung und verfügt über einen Stamm von 18 Mitarbeitern. Er erkennt die riesigen Möglichkeiten im Bereich von höhenverstell­ baren Arbeitsplätzen und ste ue rt die BKS damit auf einen soliden Wachstums- kurs, der gegen wärtig 100 Arbeitsplätze möglich macht Geschäftsführer Odin Jäger K etterer-G etriebe Die tech nisc he Kompetenz d e s Un ternehmens kann Geschäftsführer Odin Jäger mit einer Fülle von faszinierenden Entwicklungen belegen. Ketter­ er-Getriebe ist ein Problem loser für Kunden, sprich ein reiner Zulieferbetrieb: „Wir versuchen, mit immer neuen Ideen vorne dabei zu sein. Das drückt sich in einer Viel­ zahl von kundenorien­ tierten Entwicklungen aus, die von spezifisch­ en Kleingetrieben bis hin zu kompletten Antriebs­ elemen ten reichen. Oft besteht die Herausforde­ rung, BKS-Höhenverstel- lungen oder elektrische Antriebe in bereits b e ­ wicklungen höchs­ ist ein Problem lo­ ser für Kunden, sp ezialisiert auf spezifische Ent­ ter Q ualität. s t e h e n d e Grundmodule zu integrieren. Aber, Ketterer-Getriebe findet eine perfekte Lösung!“ Beis piele hierfür sind Sondergetriebe für Operations­ mikroskope in der Augenchirurgie, für Druck- und Farbwalzen an Rota­ tionen im Druckgewerbe, für Kran­ ken- und Pflegestühle oder Spezial­ getriebe für Bustüren. Das Ketterer-Know-how im Getrie­ bebau kommt be so n ders auch bei der Fertigung von Getriebelösungen für den Bereich PhotovoltaikzumTragen. Die Ket- Ein Ketterer-Getriebe für Büromöbel als CAD-Konstruktion.


Aus dem Wirtschaftsleben m erg L Einblick in die Ketterer-Montage: Links die Herstellung von Motoreinheiten für die Höhenverstellung Schreibtischen, rechts ein Getriebe, wie es in der Solarindustrie zum Einsatz kommt. terer-Entwicklungen garantieren den präzisen Transport der Solarzellen beim Texturieren, Phos­ phorglasätzen, der Reinigung oder Kantenisola­ tion. Ketterer-Sondergetriebe helfen dabei, immer dünnere und noch effiziente re Solarzellen zu produzieren. Eine besondere Unternehmenskultur Die Entwicklung von Ketterer Getriebe ist vor d i e s e m Hintergrund überaus positivu nd e s gehört zur besonderen Unterneh­ menskultur, d a s s man um den g e ­ schäftlichen Erfolg kein Geh eim­ nis macht, schließlich war e s der Einsatz aller Mitarbeiter, der ihn möglich ge mach t hat. 9 2 Wie e s wirtschaftlich steht, können die Mitarbeiter den regelmäßig aktualisierten Mitteilungen e nt­ n e hm e n, die am Infobrett hänge n. Für 2 0 0 7 je­ denfalls hat man 17 Mio. Euro Umsatz angepeilt, großen Anteil daran haben die Kegelradgetriebe für die stu fen lo s e Höhenverstellung von Büro­ tischen, die vom Markt weiter stark nachgefragt werden. Im jahr 2 0 0 7 z.B. montierte man bei Ket­ terer ca. 3 7 8 . 0 0 0 die se r Getriebe für die m an u­ elle oder motorische Höhenverstellung. Allein für d i e s e n Bereich hat man ca. 4,7 Millionen Nicht nur Zahnräder und Spindeln ver­ lassen die BKS, die Kernstärke sind komplette Getriebe und komplexe Baugruppen, hier ein Kegelradge­ triebe.


Ketterer Getriebe Ein großes Ereignis für Ketterer Getriebe war die Feier zum 175-jährigen Bestehen des Unternehmens im Sep­ tember 2007 – ein seltener Anlass, den nur wenige Firmen im Landkreis begehen können. Bei einem „Tag der offenen Tür“ konnte man Ketterer Getriebe besichtigen, vorab gab es einen offiziellen Rundgang für die Ehrengäste. Geschäftsführer Odin Jäger (rechts, Mitte) zeigte unter anderem Furtwangens Bürgermeister Richard Krieg (rechtes Bild, links) sein Unternehmen. Groß war der Andrang der Bevölkerung, rund 3.500 Besucher nahmen die BKS in Augenschein und staunten darüber, was in dem unter Denkmalschutz stehen­ den Fabrikgebäude produziert wird und welche Firmenphilosophie dahinter steht. Zahnräder gefertigt. Weiter werden mit bis zu 4 0 Tonnen Druck rund 4 0 0 Tonnen Materialzu hoch­ wertigen Gew indespin deln verarbeitet. Das g e ­ schieht durch Gewinderollen, ein beson ders hoch­ wertig es und vor allem s p a n l o s e s Fertigungsver­ fahren. Viel Lob für Mitarbeiter und Ideenschmiede Wer einmal an einem Schreibtisch mit Ketterer- Getriebe gearbeitet und erlebt hat, wie ele gant weich derTisch nach oben und unten fährt und mit welcher Präzision und Zuverlässigkeit er sich im Dauerbetrieb steuern lässt, kann verstehen, d ass d i e s e Produkte stark nachgefragt werden. Einer der großen Kunden sitzt in Amerika und in einem Dankschreiben, da s er als Anzeige in der eigenen Imagebroschüre veröffentlichte, ist er über die Id ee nsch m ie de mitten im Schwarzwald und ihre „butterweichen, einzigartigen Getriebe“ voller Lob. Namhafte Hersteller von Büromöbeln in al­ ler Welt teilen d i e s e Begeisterung. Als sich im S e p te m b e r 2 0 0 7 a u s Anlass d e s 175-jährigen Bestehens von Ketterer im Unterneh­ Die M itarb eiter sind stark m o ti­ men eine Festgesellschaft ve rsam me lte, konnte Geschäftsführer Odin Jäger vor d ie se m Hinter­ grund eine rundum positive Bilanz z iehe n. Und die gut 3.500 Besucher beim nachfolgenden „Tag der offenen Tür“ konnten sich gleichfalls davon überzeugen, wie jung und fortschrittlich das 175 Jah­ re „alte“ Unternehmen ist. Odin Jäger gibt d i e s e s Lob gerne an s e i n e Mitar­ beiter weiter, die über ein b e s o n d e r e s Prämien­ s y s t e m am Erfolg d e s U n ter n e h m e n s beteiligt sind. Und weil jeder an s e in e m Platz die optimale Leistung bringt, sich für da s Gesamtprodukt verantwortlich fühlt, hat man bei Ketterer-Getriebe die Endkontrolle der Erzeugnisse abgeschafft. Und e s greift: Der Qua­ litätsstandard ist s o hoch wie noch nie. abgeschafft – und te hat man einfach viert, die Endkon­ trolle der Produk­ es greift! Dieser Erfolg ist hart erarbeitet, die Kompe­ tenz in der Entwicklung e b e n s o – Ausruhen gibt e s nicht, man verb es se rt sich stän dig. 175 Jahre Ketterer-Getriebe bedeutet: Die erfolgreiche Fir­ Wilfried Dold me n ge sc h ich te g eht weiter! 9 3


5- Ka p i t e l A r c h ä o l o g i e Die Alamannen von Neudingen Ein Gräberfeld liefert Einblicke in die W elt des frühen M ittelalters Am sü döstlich en Rand der Baar liegt direkt an der Donau der Ort Neudingen. Aus der Ebene der Riedbaar kom mend , tritt der noch junge Strom hier in sein e n g e s Durchbruchstal durch die Alb ein. Das s die Wurzeln d e s Dorfes Neudingen bis in alamannischeZeitzurückre ichen, zeigen nicht nur sein alter Ortsname mit der typischen En­ du ng auf -ingen, sondern auch archäologisc he Funde. Bei der Erschließung e i n e s N e u b a u g e ­ bie tes am südlichen Ortsrand (Abb. 1) st ie ß man 1978 auf ein gr oß e s alam an n is ch es Gräberfeld, d a s in den darauffolgenden jahren fast ganz a u s ­ ge grab en wurde. Beigaben für die Toten Der zur Sie dlun g gehö rige Friedhof um fasst e ur­ sprünglich etwa 4 5 0 – 50 0 Bestattungen, von d e ­ nen noch 3 3 0 gebo rgen werden konnten. Sie lie­ ferten reiche Funde. Damals herrschte g e m ä ß der noch heidnischen Jenseitsvorstellungen die Sitte, die Toten in ihrer Festtagstracht zu b e stat­ ten. Außerdem wurden ihnen G eb rau ch sge gen­ s tä n d e mit ins Grab gelegt, die die so ziale Stel­ lun gdemon st rieren sollten, w e lch e sie im Leben ein gen om m en hatten. Auf d ie se Weise stellte die Familie den Status ihres Verstorbenen und auch ihren e ig e n e n Rang innerhalb der dörflichen Ge­ meinschaft dar. Einem berittenen Kriegerfolgten also beispiels weise se ine Reitausrüstung und se i­ ne Waffen mit ins Grab, ja mitunter sogar sein Pferd. Einer reichen Bäuerin war ihr prachtvoller 9 4 Abb. 1 Ortsplan von Neudingen mit Lage des Grä­ berfeldes (schwarze Rechtecke). Schmuck a n g e leg t worden. S p e i s e und Trank für die Reise ins Jenseits vervollständigten eine s o l ­ che Grabausstattung. So ge la n gte viel Kulturgut in die Erde, d a s dort dem mensch lichen Zugriff e n tz o g e n die Jahrhunderte über da uer te , und h e u te als wertvolle G e s ch ic h ts q u e lle genutzt werden kann. An den Beigaben (Abb. 2) kann die Wohlh abenheit e i n e s Verstorbenen a b g e l e s e n werden, mitunter auch s e i n e Elerkunft. Nicht zu­ letzt diene n si e als Hilfsmittel, um zu b e sti m ­ men, in welcher Zeit ein Grab a n g e leg t wurde. Leute aus Thüringen und dem Frankenreich Neudingen wird in den Schriftquellen erstmals im Jahr 87 0 in einer St. Gallener Urkunde als „Nidinga“ erwähnt. Sein Name ist au s de m P e r so n e n n a m e n Nido g e b i l ­ det und b e d e u te t soviel wie „Bei den Leuten d e s Nido“. Das s der Ort viel älter ist und zu d ie se m Abb. 2 Neudingen. Beschläge als Beispiel für Ausrüstungsbeigabe.


Die Alamannen von Neudingen den Halsketten der Frauen zei ge n Verbindungen ins nördliche Franken­ reich an den Niederrhein. Die Gründung d e s Dorfes Nidinga fiel in e in e politisch b e w e g t e Zeit. Gerade hatte d as zur Großmacht auf­ strebe nde Frankenreich auch im s ü d ­ lichen Alamannien die Oberherr­ schaft errungen. Wie in anderen neu e rw or b en en Geb iete n waren die Frankenkönige au s dem Geschlecht der Merowinger auch hier bestrebt, sy stem at isc h ihre Herrschaft zu f e s ­ tigen. Dies taten si e mit Hilfe fränki­ scher Gefolgsleute, die hier a n g e s i e ­ delt wurden und vor Ort die Herr­ schaft trugen. An den Um s ie d e lu n ­ ge n beteiligten die Franken jedoch auch Familienverbände a u s dem Thüringerreich, d as sie 531 unterworfen hatten. Nicht nur in Neud ingen, sondern auch an zahl­ reichen anderen Plätzen wurden in die se r Zeit ne u e Sie dlun gen an ge legt, in deren z ug ehö ri­ gen Gräberfeldern uns ne b e n einer e in h e im i­ sche n alam annischen Be völkerungsgruppe im­ mer wie der Leute aus Thüringen und dem Fran­ kenreich b e g e g n e n . Bauernkrieger als lokale Elite Wie in anderen Sie dlun gen gab e s auch in Neu­ dingen e in e örtliche Oberschicht. Ihre wirt­ schaftliche Basis war umfangreicher Grundbe- Zeitpunkt schon mehr als drei Jahrhunderte b e ­ stand, zeigt uns der Friedhof. Er führt uns in e i ­ ne Zeit zurück, aus der e s keinerlei schriftliche Au fzeichnungen über die Gegend gibt. Die e r s ­ ten Neudin gerGräberwurd en im 2. Viertel d e s 6. Jahrhunderts n. Chr. a n g e leg t und beherbergen die Gründergeneration de r S ied lu n g. Ihre Beiga­ ben w e i se n darauf hin, d a s s zu m indest ein Teil der Ortsgründer a u s den Gebieten der Thüringer im heutigen Mitteldeutschland st a m m te . Das z ei ge n b e i s p i e l s w e i s e b e sti m m te Formen von Tongefäßen, d i e v o r a l l e m dort verbreitet waren. Auch wertvolle silbe rn e und v e rg o ld e te Ge­ w a n d s p a n g e n (Fibeln) der Frauentracht in ty­ pisch thü ringisch er Machart kamen a u s den Neudinger Gräbern zutage (Abb. 3). Die N e uan sied le r hatten die Stücke wohl zum Teil noch s e lb st aus ihrer alten Fleimat mitgebracht, ihre Handwerker stellten d i e s e aber auch am neuen Ort nach den alten Tradi­ tionen her. Andere Spuren führen ins heutige Nord- und Ostfrankreich. Ei­ ne silberne Kleinfibel (Abb. 4) besitzt b e i s p i e l s w e i s e ein i d e n ti s c h e s Ge­ ge nstü ck aus dem Gräberfeld von Cu- try an der oberen M osel in Ostfrank­ reich, das in derse lben Gussform g e ­ fertigt wurde. Andere Fibeln so w ie best im m te Typen von Glasperlen an Abb. 4 Eine silberne Kleinfibel. 95


Archäologie Abb. 5, links: Eiserne Schnal­ le eines Männergürtels mit Mustern aus eingelegten Silberdrähten (weiß). Abb. 6, oben: Darstellung ei­ ner Goldblechscheiben fibel. sitz, den sie von großen Höfen au s bewirtschaftete. Über m e h­ rere Generationen h in w e g ist auf dem Friedhof eine führende Familie zu verfolgen, die sich durch b e s o n d e r s reiche Grabaus­ stattungen bemerkbar macht. Nicht nur die Men ge der Beigaben fällt auf, sonde rn auch deren hoh e Qualität – so w o h l in der han dwerklichen Ausführung al s auch den verw en de ten Materialien. Für die Kleidung konn­ te man sich e r le se n e Stoffe leisten, die mit fei­ nen Goldfäden durchwirkt waren. Man b e s a ß ko stbare S t a t u s s y m b o le wie etwa g lä se rn e Trinkbecher und Bronzegeschirr, mit denen man die Tischsitten der me diterranen Oberschicht a u s den Gebieten südlich der Alpen nachahmte. Die Männer treten uns als sc h w er b e w a ffn e te Krieger e n tg e g e n . Sie führten ein kunstvoll g e ­ sc h m i e d e t e s z w e is c h n e id ig e s Langschwert (die s o g e n a n n t e Spatha) und ein e i n s c h n e i d i g e s Kurzschwert (den s o g e n a n n te n Sax), die noch durch Lanze, Schild so w ie Pfeil und Bogen er­ gänzt wurden. Die Gürtet – ein w e iter es Statu s­ symb ol d e s vornehmen M ann es – b e s a ß e n Be­ sc h läge mit prächtigen Mustern a u s e in gelegten Silberdrähten (Abb. 5). Durch zahlreiches Reit­ zubehör wie Trensen, Zaumzeug und S te ig bü ge l stellen sich die Krieger auch als berittene Pfer­ d ebesitzer dar, die in der Lage waren, ein solch kostbares Tier nicht nur zu erwerben, sondern auch zu versorgen. Oft wurde d i e s e s getötet und ne ben s e in e m verstorbenen Besitzer in einer ei­ 9 6 ge ne n Grabgrube beiges et zt. Zaumzeug, Gürtel und and er e A u s r ü s t u n g s g e g e n s t ä n d e waren mitunter aus Italien importiert worden und z ei­ gen, d a s s die Neudinger Sip pe offenbar Bezie­ hungen nach dorthin unterhielt. Der sozia le Status der Frau war vor allem an ihrem Schmuck a b z u le se n . Die Damen der füh­ renden Neudinger Familie trugen Goldschmuck, wie ein b e s o n d e r s qualitätvolles Exemplar der im frühen 7. Jahrhundert üblichen runden Sc h e i­ benfibe ln zeigt, d e s s e n S c h a u s e it e ganz mit Goldblech bedeckt und mit au fg eleg ten hauch­ dünn en Drähten verziert ist (Abb. 6). Ihr Hals- schmuck hob sich nicht nur durch die größere Men ge und höhere Qualität der Glasperlen vom Durchschnitt ab, son dern auch durch die Ver­ w e n d u n g kostbarer Flalbedelsteine wie etwa g e ­ schliffener Amethyste. Auch die Gräber se lbst , die all d i e s e Dinge aufn ah men, waren ein Sp iege l d e s hoh en g e ­ sellschaftlichen Status. Denn die umfangreichen Beigabenausstattungen, die mitunter sogar noch durch hölzerne Möbel ergänzt wurden, erforder­ ten große Grabschächte, die als Schutz vor s p ä ­ terem Grabraub zusätzlich auch noch b e so n d e r s tief a n g e leg t werden m usst e n. In d i e s e hinein wurden hölzerne, meist a u s Eichenbalken g e ­ zimmerte Grabkammern errichtet, die die Holz­ särge mit den Verstorbenen au fn ahm en und oft noch ein e zusätzliche Abtrennung für die Be iga­ ben b e s a ß e n (Abb. 7). Eine Familie, die für ihre Toten so au fw en dig bauen konnte, m u s ste Un­ t e rg e b e n e haben, die d i e s e Arbeiten für si e a u s ­ führten. Auf der alten Römerstraße in die Ferne Der Ort Neudingen lag an einer wichtigen alten Römerstraße, die aus dem Oberrheintal über den


Schw arzwald und dann weiter d on auab w är ts Richtung A ugsburg führte. Sie hatte auch im Frühmittelalter ihre B ede utun g noch nicht verlo­ ren und wurde weiterhin benutzt. Der Ort b e sa ß also Verbindungen in weit entfernte G ege nd en , die sich auch in den arch äolo gisc he n Funden nie derschlugen . Silbermünzen au s dem o stgoti­ sc h e n Italien oder e in e sil be rn e Gürtel- g schn alle au s Aquitanien, dem heutigen Süd- ■ westfrankreich, hatten ihren Weg mit Sicherheit über die Fernstraße nach Neudingen gefunden (Abb. 8). Sie waren entwede r von Durchreisen­ den mitgebracht worden und ginge n – auf w e l ­ che Weise auch immer – in den Besitz der Ein­ wohne r über, oder sie gehörten Personen aus d ie se n G ege nd en , die sich hier niederg elass en hatten. „Blidgund ritzte die Runen“ Eine Besonderheit d e s Neudinger Gräberfeldes ist der Untergrund au s schw er em , w a s s e r s ta u ­ e n d e m Opalinuston. Während in den frühmit­ telalterlichen Gräberfeldern or ganisc he Mate­ rialien in der Regel völlig vergan gen sind, konn­ ten sich hier w e g e n der geringen Bodendurch­ lüftung vor allem die Hölzer nur sehr langsam zer setzen und sind d e sh alb in vielen Fällen bis h eute erhalten geblie ben. So eröffnet sich uns eine a n s o n s te n völlig un ter ge gange ne Welt: ei­ ne Vielfalt von hölzernen Gefäßen wie Teller, Be­ cher oder Backmulden zum Mischen von Teig ka­ men ansT ag eslicht, darüber hinaus Kerzenstän­ der, Leisten zur Herstellung von Schu he n und sogar ga nz e Möbelstücke. In e inem Grab mit b e ­ s o n d e rs günstigen Erhaltungsbedingungen lag dieTote in ein em Bett und hatte auch einen Stuhl und einen kleinen Fußs chemel mit ins Jenseits bekom m en. Auf dem Bauteil e i n e s ebenfalls mit ins Grab g e g e b e n e n Webrah mens fand sich eine Ritzung von Runen, die mit ihren 30 Zeichen zu den längsten Runeninschriften gehört, die aus Alamannien bekannt ge worde n sind. Die Tatsa­ che, d a s s si e auf Holz überliefert ist, macht sie im g e sa m te n kontinentalen Europa bisher ein ­ malig, und läss t e ra hne n, wie viel an d er sw o durch schlechtere Erhaltungsbedingungen ver­ loren g e g a n g e n sein m u s s. Es ha ndelte sich um Die Alamannen von Neudingen Suchschnitt Abb. 7 Neudingen, Grab 300. Das Beigabeninventar (schwarz) des am reichsten ausgestatteten Kriegers aus der Mitte des 7. Jahrhunderts umfasste insge­ samt 92 Objekte. In der rechten Kammerhälfte liegt der Verstorbene, während sich in der abgetrennten linken Hälfte Zaumzeug, Steigbügel, Lanze und Schild sowie als Speisebeigabe ein Huhn und ein Ferkel befanden. einen Glücks- oder S e g e n sw u n s c h : „Liebes der Imuba von Hamal.“ Der Webrahmen war jener Imuba wohl von ein em g e w i s s e n Hamal zum Ge­ sc he nk ge m ach t worden. Gleichzeitig gibt sich 97


Archäologie Abb. 9 Kreuzanhänger aus Blei. in die seit Jahrhunderten vom Christentum g e ­ prägten G ebiete im Sü de n und Westen, also nach Italien und in die Kerngebiete d e s Franken­ reiches. Auch eine inte nsive Missionstätigkeit durch Mönche und Wanderprediger trug mit zur Christianisierung der Alamannen bei. Als der n e u e Glaube stärker und tiefer Fuß g e fa s s t hatte, be ga nn sich im sp ät en 7. Jahrhun­ dert auch d as alte Totenbrauchtum langsam auf­ zulösen: die Beigaben wurden immer weniger, und auch ganz b e i g a b e n l o s e Gräber b e g e g n e n jetzt immer öfter. Der letzte Schritt in dieser Ent­ wicklung war schließlich die Aufgabe der Grä­ berfelder. Die Benutzung d e s Neudinger Fried­ hofs bricht um 7 0 0 herum ab. Die Toten begrub man nun in ge weihter Erde an der jetzt im Dorf existieren­ den Kirche. Die Erinnerung an den alten h e i d n is ch en Toten­ acker blieb an dem Platz als Flurname „Löbern“ oder „Leberer“ haften. Er g eht auf d a s alth oc hdeut­ s c h e Wort „hlevirun“ (von „ h l e o “ zurück, w e l c h e s nichts a n d e ­ res b e d e u t e t als „bei den Gräbern“. Die hier 1978 g e ­ baute Straße trägt den Namen „Auf Löbern“ und bewahrt so bis heute d a s Andenken an den Neudinger Alamannenfriedhof. für Grab/Grabhügel) Tobias Brendle Abb. 10 Schmuckbeigabe aus dem Runenfibelgrab 319. Abb. 8 Eine silberne Gürtelschnalle, die aus Aqui­ tanien stammt. uns die Schreiberin zu erkennen, ein e Frau na­ m e n s Blidgund, die der Runen kundig war, eine Runenmeisterin. Sie hatte im Auftrag d e s Hamat die Inschrift an seiner Gabe angebracht und stolz hinzugefügt: „Blidgund ritzte die Runen“. Die ersten Christen und d as Ende d e s Gräberfeldes In ein em Frauengrab a u s der 2. Hälfte d e s 6. Jahrhunderts taucht in Neudingen d a s erste Mal ein Vorbote d e s Christentums auf: ein kleiner An­ hänger a u s Blei in der Form e in e s Kreuzes (Abb. 9). Erwarin den he idnisch en Amulettzauber ein ­ b e z o g en und z u sa m m e n mit anderen Talisma­ nen zur Abwehr von Unheil getragen worden. Zu­ dem b e g e g n e t d a s christliche Symbol in einem Grab, d a s man noch nach den alten Sitten mit Beigaben aus ge stattet hatte. Diese Zeit d e s Über­ g a n g e s , al s sich christliche und vorchristliche Gebräuche miteinander ve rmisc hten, z o g sich über mehrere Generationen hin. A u sge lö s t wur­ de der allmähliche Wandel der Glaubensvorstel­ lungen durch Kontakte vor allem derOberschicht 9 8


Suche nach einem verlorenen Ort Zur Lokalisierung der W üstung W aldhausen b eiV illin g en in Raum und Zeit 6 . Ka p i t e l G e s c h i c h t e Das Nacheinander und das Nebeneinander bestimmen heißt die Einzelheiten in Raum und Zeit unterscheiden, heißt nicht bloß sagen, daß sie sind, sondern was sie da sind. Johann Gustav Droysen | Die bis heute zuweilen Erstaunen Einleitung a u s l ö s e n d e Tatsache, d a s s im Mittelalter zwei Orte n a m e n s Waldhausen auf dem Gebiet d e s heutigen Landkreises lagen, hat auch in der re­ gionalges chichtlich en Forschung für Verwirrung ge sor gt. Un sicherh eiten und Verwech slu ng en bezüglich der geogra fische n Zuordnung der in verschiedenen frühen Urkunden genannten Wald­ hause n behinderten bis in die n e u e s t e Zeit die Forschung, i n s b e s o n d e r e zur A le mann enz eit. Der folge n de Artikel d e s Freiburger Historikers Thomas H. Wieners hilft hier Klarheit zu schaffen und in sb es o n d er e da s Waldhausen der Urkunde d e s a lem an n isc h e n „H ausk lost er s“ St. Gallen aus dem jahre 7 6 9 e inde ut ig als d a s einst nahe beiVillingen g e le g e n e und im Spätmittelalter ab­ g e g a n g e n e Waldh au sen zu identifizieren. Das einst an der Brigach unweit g e g en ü b e r dem Kir- nachtal gele ge ne Dorf gehört zu den ältesten, noch vor Villingen und Sc hw en ningen (817) urkund­ lich erwähnten Orten und st eht damit in einer Reihe mit Heidenhofen und Biesingen (7 59/60), Nordstetten (762), Weigheim (763), Weilersbach Joachim Sturm (764) und Klengen (765). A m 16. O ktober76 9 übertrugMatzo se inen ge samten Besitz zu Waldhausen dem Klos­ ter St. Gallen, erhält ihn aber Zeit s e i n e s Lebens g e g e n einen jährlichen Zins als Lehen von der Abtei zurück. Da die Schenk un gsurkun­ de lediglich den Namen d e s Ortes, an dem die übertragenen Güter lagen, oh n e weitere räumli­ che Angaben nennt, stellt d e s s e n g e n a u e Loka­ lisierung ein nicht unerh ebliches Problem dar. Denn allein in Deutschland lass en sich über 20 Sie d lu n gen mit der Be ze ich nun g Waldh ausen nachweisen. Selbst der Ausstellungsort der Übertragungs­ urkunde wird nicht erwähnt. Geschrieben wurde d a s Diplom auf Bitte d e s Schenk ers von dem St. Galler Diakon Ato. Bereits fünf Tage später, am 21. Oktober 769, fungierte Ato bereits wieder als Schreiber einer Urkunde, in welcher der St. Gal­ ler Abt Johannes an Chrodhoch und Raginswin- da deren dem Galluskonvent übertragenen Be­ sitz zu Baidingen als Leibgeding verlieh. Als Ort der Urkundenausstellung wird hier d a s Gallus­ kloster genannt. Eine Schenkung am Gallustag Be ac htensw ert ist d a s Au ss tellu ngs datu m der Waldhausener Schenkung. Denn beim 16. Okto­ ber handelt e s sich um den Festtag d e s hl. Gal­ lus. In der Le be ns bes ch re ibun g d i e s e s Heiligen wird bereits für d as 8. Jahrhundert ausdrücklich geschildert, d a s s zahlreiche Pilger a us dem Be­ reich der Bertholdsbaar s e i n e Ru hestätte b e ­ su chten . In der Urkunde, die Matzos Schenk un g beglaubigt, heißt e s explizit, d a s s dieser sie dem „Kloster d e s heiligen Gallus, wo d e s s e n heiliger Leichnam ruht“ übertragen hat. Aus dem Ausstellu ngsta g von Matzos Über­ gabeurkunde lässt sich rückschließen, d a s s der Sche nk un gsakt im Kloster St. Gallen stattgefun­ den hat. Die nur fünf Tage später durch d e n s e l ­ ben Schreiber beur ku nd et e A n w e s e n h e i t von Chrodhoch und Raginswinda, die Güter zu Bai­ dingen an die Gallusjünger vergabten, lass en e s unter der Berücksichtigung der Erwähnung von Pilgern a u s der Bertholdsbaar in der Gallusvita pla usibe l ers ch ein e n , M atzos Besitz zu Wald­ hause n ebe nfalls auf der Baar zu lokalisieren. Das Problem der g e naue n Verortung ist d a ­ mit aber noch immer nicht ge lö st. Denn im Be­ reich der Baar gab e s im Mittelalter zwei Orte na- 9 9


Zur Lokalisierung der Wüstung Waldhausen In der Nähe des einstigen Klosters St. German. m e ns Waldhausen: d a s heute noch bzw. wieder exis tieren de Waldhausen bei Bräunlingen und die w ü st gefallene Sie dlun g Waldhausen bei Vil- lingen. Und in der Tatwurden von der bisherigen Forschung beide Orte für d a s in der St. Galler Ur­ kunde von 769 genannte Waldhausen in Anspruch geno mmen, ohn e d a s s je eine Begründung für die jeweilige Festlegung auf einen der Orte geliefert worden wäre. Waldhausen beiVillingen Für da s Waldhausen bei Villingen spricht, d a s s sich in d e s s e n unmittelbarer Nachbarschaft mit Villingen, Nordstetten, Weilersbach und Schw en­ ningen Orte befinden, an denen da s Kloster St. Gallen ebenfalls Besitz erwerben konnte. In der unmittelbaren Um gebu ng von Waldhausen bei Bräunlingen hin geg en las se n sich für d a s Früh­ mittelalter lediglich Besitzerwerbungen de s Klos­ ters Reichenau nachw eise n. In der späteren Urkundenüberlieferung d e s Klosters St. Gallen findet sich keine Erwähnung d e s B esi tze s zu Waldh ausen mehr. Nur in der Schlichtung e in e s Streites zwisc hen den Meiern der Gallusabtei zu Kirchdorf und dem KlosterSa- lem über den Zehnten zu Runstal und Rietheim im Jahre 1 24 4 wird unter den Zeugen ein Konrad von Waldhausen angeführt. Der Zehnte zu Runstal und Rietheim, zwei Stät­ ten in unmittelbarer Nähe von Waldhausen bei 10 0 Villingen, war dem Kloster Salem am 12. Juli 1228 von Abt Konrad und dem Konvent von St. Gallen g e g e n eine Zahlung von 4 0 Mark Silber und ei­ nem jährlichen Zins von e in em halben Pfund Wachs üb erlassen worden. Am 1. August d e s s e l ­ ben Jahres beurkundeten Abt Konrad und sein Konvent, d a s s der St. Galler Meier Burkard von Kirchdorf ebenfalls auf d a s Recht d e s ge nannten Zehnten verzichtet hat. Im Jahre 1237 ge statteten der genann te Abt und die Brüder zu St. Gallen dem Kloster Sale m, von St. Galler Lehensleuten so w o h l Lehen als auch Eigengüter auf der Baar ge gen einen jährlich an die Gallusabtei zu e nt­ richtenden Wachszins zu erwerben. Nach dem Tode Konrads von Waldhausen gab d e s s e n Witwe Adelheid am 29. August 1244 in Anwesenheit d e s beurkundenden Villinger Schult­ heißen Konrad einen Hof zu Waldhausen und ei­ ne Mühle bei Villingen an d a s Kloster Sale m zu­ rück, w e lch e sie z u sam m e n mit ihrem Gemahl vom b e sagte n Kloster als Lehen inn eg ehab t hat­ te. Im Jahre 1254 verzichtete Graf Heinrich von Fürstenberg zug un ste n S a l e m s auf sein Eigen­ tum über Güter in Waldhausen. Bereits am 23. Mai 1259 verkauften dann allerdings Abt Eber­ hard und der Konvent von Sale m ihre Besitzun­ gen zu Runstal, Waldhausen und Kirchdorf für die Su m m e von 274 Mark Silber und 12 Pfund durch die Hand d e s Grafen Heinrich von Fürstenbergan die Stadt Villingen. Aus der im Jahre 1237 den Salem er Zisterzi­ ensern zugebilligten Erlaubnis, sanktgallische Güter auf der Baar zu erwerben, erhellt, warum der Besitz der Gallusmönche zu Waldhausen in der späteren Urkundenüberlieferung St. Gallens keine Erwähnung mehr findet: er wurde vom Kloster Salem erworben. Aus der Sal em er Über­ lieferung, in der Waldhausen zusammen mit Runs­ tal, Rietheim, Villingen und Kirchdorf gena nn t wird, lässt sich nun rückschließen, d a s s das Wald­ ha use n der St. Galler Urkunde von 76 9 bei Villin­ gen zu verorten ist. In der Folge der Erwerbungen von Gütern zu Waldhausen durch die Stadt Villingen seit 1259 ging die Feldmark dieser Siedlun g allmählich in der Gemarkung Villingen auf und ihre Bewohner z ogen in den durch Mauern gesc hü tzten Raum der Stadt. Für d as Jahr 1274 ist noch eine klös­ terliche Gemeinschaft – Priorin und Sa m m lun g


Waldhausen befand sich unweit des St. Germans­ klosters am oberen rechten Blldrand. Ausschnitt aus der Rottweiler Pürschgerichtskarte. von Waldhausen – belegt, w elch e ebe nfalls nach Villingen üb ersiedelte und sich dort mit der Vet­ tersa mmlu ng vereinigte. In der Nähe des Klösterchens St. German Zu lokalisieren ist Waldhausen nordwestlich von Villingen an der Brigach. Nach einer Beschrei­ bung der Zehntmarken vom Jahre 1544 schloss sich vom Gewann „Neue Wiesen“ ab nach Süden hin die Mark d e s Dorfes Waldhausen an diejeni­ gen von V ocke nh ausen an. Auf der Rottweiler Pürschgerichtskarte d e s David Rötlin von 1564 findet sich in d ie se m Bereich da s Klösterchen St. German e in g e z e ic h n e t. Nach den Jahrge­ schichten der Villinger Franziskaner lebten seit 1380 im Kloster zu St. German Witwen und Jung­ frauen nach der dritten Regel d e s Ordens. Das Patrozinium d e s fränkischen Heiligen Germanus lässt darauf sc hließ en , d a s s die Kapelle wohl kaum erst im 14. Jahrhundert d ie se m Heiligen ge w e ih t wurde, sondern e s verweist auf die Zeit d e s fränkischen Königtums im 8. und 9. Jahr­ hundert zurück. Hieraus kann man sc h lu s sfo l­ gern, d a s s d a s Kloster zu St. German im Bereich der e hem alig en Kirche d e s mittlerweile ve röd e ­ ten Dorfes Waldh ausen en tst an den ist. Das St. Germanskloster wurde im Dreißig­ jährigen Krieg am 6. Juli 1633 von württembergi- sc h e n Sold ate n niedergebrannt. 1667 wurden schli eßlich die S te in e d e s zerstörten St. Ger- m a n s k l ö ste r c h e n s zur Erhöhung der Villinger Thomas H. T. Wieners Stadtmauer verwandt. Literaturhinweise: Revellio, Paul: Beiträge zur Geschichte der Stadt V illin ­ gen, Villingen 1964. Rösener, Werner: Reichsabtei Salem. Verfassungs- und W irtschaftsgeschichte des Zisterzienserklosters von der Gründung bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts (= Vorträge und Forschungen, Sonderband 13), Sigmaringen 1974. Wieners, Thomas H.T.: Zinsen für die Ewigkeit. Die Ver­ gabungen im Schwarzwald-Baar-Kreis an das Kloster St. Gallen in fränkischer Zeit, in: Almanach 2006. Heimat­ jahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises, Bd. 30. 101


Geschichte Die Saline Bad Dürrheim Der salzige W eg zum erfolgreichen Kurort Salzgeist, Salzsäckchen, Salzhandel und Salzhansel, Siedepfanne, Solebohrturm und Salinensee: Bad D ü rrh e im trä g t nicht nur das P rä d ik a t H e ilk lim a tis c h e r Kurort, s o n d e rn ist auch w e it ü b e r d ie G ren zen des Landes h in au s b e k a n n t als S o le h e il­ bad. Kein W un d er also, dass ein em Begriffe rund um das T h e m a S alz an allen Ecken und Enden d es K u ro rte s am R a n d e des S chw arzw alds begegnen. Reinste S ole aus u ralten S alzs tö c ken – d ies ist h ie r ein T he- m a, s e it m an am A b en d d es 25 . Februars 1 8 2 2 in 375 Fuß T ie fe fü n d ig w u rd e . Doch wie kam e s zur Entdeckung der Sole? Anfang d e s 19. Jahrhunderts war ein Villinger Schreiner n a m e n s Konrad Heby, der sich e in g e ­ hend mit G eologie und Mineralogie besc häftig­ te, davon überzeugt, d a s s in Dürrheim weit mehr als Gipsgestein zu fin den sein m ü s s e . Der Mann, der auf allen möglic hen Gebieten als Natu rb eg ab un g galt, ve rm u te te unter dem Gips ein gr oß e s Salzvorkommen. Konrad Heby äußerte Das Bohrhaus der Sa­ line Bad Dürrheim. In diesen Häusern stan­ den die Pumpen, die das Salz in der Sole an die Oberfläche schaff­ ten. „p^ERSON ZOCffjfo. ‚ * C9 (NIGERIA) UP NIGERIA ^NEST SAif sich dem damaligen Amt­ mann der Johanniterver­ waltung Villingen, Johann Baptist Wiltmann, g e ­ genüber: „Der Gypsbruch i stn ic h td ie H a u p ts a c h e ­ unter ihm liegt ein Schatz verborgen von u n b e re ­ chenbarem Werthe – hier glaub e ich Salz zu fin­ den.“ Und in der Tat, Kon­ rad Heby war und ist der eigentliche Finder der Sa­ line Dürrheim. Immer wie­ der drängte er Willmann, sich für die Erschließung d e s Gipsvorkommens e in ­ zuse tz en , da nach d e s s e n Abbau bestimmt ein Steinsalz lager zum Vorschein kommen würde. 40 Lbs. Im Jahr 1 806 erhielt Heby dann die G en eh ­ migung für eine Gips- und Getreidemühle. Mit dem damals amtierenden, staatlichen D om änen­ verwalter Willmann und den Villinger Bürgern Karl Magon und Joseph Neugart betrieb er die Mühle auf dem G elä nd e d e s späteren Kur­ hei m-Sana to­ riums, d a s im Das kostbare Salz aus Bad Dürrheim wurde selbst nach Afrika geliefert.


April 2 0 0 7 als „add on Vital-Hotel am Kurpark“ wieder eine neue Bestim­ mung bekam. Um die Mühle b e s s e r finanzieren zu können, betrieb man im s e lb e n Gebäud e den „Goldenen Löwen“. Die Gastwirtschaft war der Grundstock für d a s später e Saline n­ wirtshaus. Willmann holt sich berühmte Hilfe Im Jahr 1810 erstattete Willmann der Kreisverwaltung erneut Bericht darü­ ber, d a s s in Dürrheim ein Salzlager sein könnte. S e i n e m Bericht s c h l o s s er die Bitte an, die Großherzogliche Regierung davon in Kenntnis zu se tz en . Mit einem ersten Erfolg, denn e s wur­ den Quellenunter suchungen vo rgen om m en . Die Wirren d e s N ap oleon ische n Krieges allerdings st op p te n die S u ch e nach dem „w e iße n Gold“ zunä chst wieder. Und trotzdem – J o h a n n Baptist Willmann war von der Idee der Salzgew innu ng nicht abzubringen und wan dte sich mit se inen Vermutungen acht Jahre nach dem ersten Vor­ s to ß an den dam al s berühmten Salinisten Karl Christian von Langsdorf. Wieder ginge n drei Jah­ re ins Land, bis e s dem be d e u te n d en Salinisten gelang, die Zustimmung der badisc hen Regie­ rung für die erbetene Bohrung zu erhalten. Acht Monate später aber, exakt in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 182 2 st ie ß der Bohr­ kopfin rund 110 Metern Tiefe tatsächlich auf das erste, reine Salz. B ö l le r sc h ü s se und Kirchen­ glockengelä utverkü ndeten der Bevölkerung den wertvollen Fund. Wenige Wochen später wurde ein g r o ß e s Fest gefeiert und wäre man damal s der großh e r zoglich en G en e h m ig u n g gefolgt, Die Saline Bad Dürrheim Johann Baptist Willmann, Entdecker des Salzvorkommens in Bad Dürrheim. würde die Kurstadt h e u te nicht den Namen Bad Dürrheim s o n ­ dern „Ludwigshall“ tragen. Das künftige Saline nw er k n a m e n s „L ud w igss ali ne“ wu rde vom Großherzo g g e n e h m i g t. Karl Christian von Langsdorf leitete die vorbereitenden Arbeiten für den Sa linenb etrieb : Er lieferte Pläne, sc h l o s s Kaufverträge ab, schaffte tech ni­ sc h e Hilfsmittel an, be z eic hne te die Plätze für die einzelnen G eb äud e und b e so r g te anfangs so g a r d i e A usz ah lungde r Arbeiter. Doch dem 65- Jährigen wurde die Belastung schließlich zu groß und er bat um se in e Absetzung. Bergrat Capitaine August Freiherr zu Althaus wurde zum ersten Salinendirektor berufen und leitete zwanzig Jahre lang d a s Werk. Der runde Platz vor dem he utigen Rathaus war der Aus­ ga ngspu nkt der Dürrheimer Saline. Die beiden Geb äude am Rondell, deren Fassaden übrigens der Rundung d e s Platzes a n g e p a s s t sind, bilde­ ten die Verwaltungshäuser der Saline. Drei Sie- d e häu se r wurden gebaut, von denen heute noch zwei be st e he n: Das Haus d e s G as tes auf der ei­ nen Seite, d as Haus d e s Bürgers genau g e g e n ü ­ ber. Dazu kamen Bohrtürme, Sa lz maga zine , La­ ger und dergleichen mehr. Zweifelsoh ne brach­ te die Saline Arbeitsplätze und war Wegbereiter Die Saline zur Mitte des 19. Jahrhunderts. 103


Rechte Seite: Lithographische Ansichtskarte mit Ludwig-Saline um 1890 und ein Lageplan von 1910, der alle Teile der Anlage verzeichnet. zugeschrieben: Sie befreit die Atemw eg e, ent la s­ tet Wirbelsäule und Gelenke und stärkt Herz und Kreislauf. Es war um d a s Jahr 1830 herum, als im Salinenwirtshaus erste Sole bä der an Heilungs­ su c h e n d e verabreicht wurden. Doch Dürrheim war ein ruhiges, be sc hau li c he s Bauerndorf, in dem die Infrastruktur für einen gere gelte n Kur­ betrieb gänzlich fehlte. Die erste Solbadanstalt eröffnet 1851 Die erste Solb ada nstalt wurde im Jahr 1851 im Bohrhaus IV mit drei Badekabinen eingerichtet. Im Jahr darauf kamen nochm al s vier weitere d a ­ zu. Die Bade wa nne n b e stan d e n zu jener Zeit au s Holz und waren mit Zinkweiß gestrichen. Im e r s ­ ten Jahr ihres B e s t e h e n s w i e s die Anstalt eine Frequenz von 3 8 4 Bädern auf. S e c h s Jahre s p ä ­ ter wurden immerhin scho n 3 . 6 9 6 Bäder regis­ triert. Ein öffentlicher Vortrag d e s Arztes und Hof­ rates d e s Fürsten zu Fürstenberg, in dem ein Plä­ doyer für die Förderung Dürrheims als Badeort gehalten wurde, brachte den ersten großen Wer­ beerfolg. Bis dahin hatte man sich rund dreißig Jahre lang auf den Salz ha nde l beschränkt, der Geschichte Beim Transport des Salzes vom Trockenherd. d e s späteren Kurbetriebs. Die Verwendung der Sole zur Heilung von Krankheiten g eht auf zufäl­ lige Beobac htun ge n zurück. Die Medizin wurde um d a s Jahr 1 8 0 0 auf den hohen ge su n dh eitli­ chen Wert d e s S o l e b a d e n s aufmerksam und noch he ute wird der Sol e eine dreifache Heilkraft Im Kindersolbad, ip2oer-Jahre. 10 4


VvwtVvc H t i c & « v n t ga>|ho> u*Kreut p 2>orf2)ürrheim$ S itu â tio n s p la n s S a /in e n – G e lä n d e s g u 2 ) ü r r /je im . 1910 SicJjenert/amuf/. – 2 I . I – » Æ. tSaùnenamteçebàudel . z. 3 .S ie d h a u s 9. 5. ü S o /re s e ri/o /r J . 7. ^&~~B3ü7fdU5 X. 9 X . 10. S c h m ie c /e . ^ * . 1y. Torfschuppen. IG . M a g a zin e . 19. ß e a /n te n h a u s l 20. ßeamtenhausF. z1.: Z irS t/’/m e n h o te / . 2Y .— * ‚ 2 3 . G asth au s flö s s /e , fr ü h e r H in d e rs t/tt/a d . Z d . O a s th . x u m tir e u z . 2 3 ( X . S o n n e . 11. S c h lo s s e re i. 2 6 . ß a h n h o fg e b ä u d e . 1 2 . S is e n u . O e t M a g a z /n . .« 1 3 .S c //r e in e r e /. { Z 7 )B o h rh a u ¿ 1 * 1 . 1 9 . l/e /f t r iz /t e t s w e r k . (Z S .) 1 S . f io h r t/d u s M . ( 2 g .) 1 6 . f f l u l . ( 3 0 .) » » * J S f Y X f i.


Geschichte Bad Diirrheimer Badesalz! (Durch besonderes Herstellungs­ verfahren gewonnen.) General-Vertrieb: Steigerwald Aktiengesellschaft Heilbronn a. N. Löste Badesalz bei Bezug in Säcken „ Paketen von 3 kg ………………………………………………12,5,, Die Preise verste h en sich fiir je 1 0 0 kg b ei SacKbezug ausschliesslich SacK bei Kistenbezug einschliesslich Kiste. G.-M. 7.50 „ 19.— „ 16 — Die S te u er wird jew eils b eso n d ers in R echnun g gestellt (z. Zt. b e träg t dieselbe G .-M . — .74 für 1 0 0 kg). D as B adesalz wird in Sachen von 50 Kg oder in Kisten von 50 u n d 100 Kg ne, erfolgreiche Fremdenverkehrsstadt werden konnte. Uniformen gehörten ab 1892 zum ganz alltäglichen Bild ln Dürrheim, denn der Ort wur­ de zur offiziellen „Militärbadstation“ für drei Ar­ m eek orp s. Kurheime, P en sion e n , Sanatorien und Erholungsheime entst an den und die gr ö ß e ­ ren Häuser erhielten schon damal s direkte S o l e ­ leitungen. Die Gem einde w u ch s, ein Kurverein wurde ins Leben geru fen, Jugend st ilfassa den schm ück ten d as ein st ige Bauerndorf, ein Kur­ haus wurde ge baut und auch d a s Landessolbad und ein Kindersanatorium öffneten ihre Türen. Und auch wenn die Anfänge, die au s Bad Dürr­ heim eine bekannte Kurstadt mit ho hen Über­ nachtu ngszahlen gem ach t haben, bis in die Mit­ te d e s 19. Jahrhunderts zurückreichen, die e nt­ sc h e i d e n d e n We ich enstellun gen liegen in den fünfziger Jahren d e s 20. Jahrhunderts. Preisliste zum Badesalz aus dem Schwarzwald. 200.000 Übernachtungen in den i95oer-Jahren pro Jahr gut ein e Million Gulden Reinerlös In die Regi er un gska ssen spülte. Nun war die Chance für die G emeinde gekom m en – die Pionierzeit für den Kurort angebr oc he n. Die klimatische Lage d e s Ortes, Bäder, Inhalationen: Dies alles führte dazu, d a s s sich ein Leben entwickelte, das mehr und mehr auf Gäste zug esc hnitte n wurde. Vieles m u s s te nach und nach Zu sammen ko mmen, d a ­ mit a u s dem damaligen Bauerndorf eine m oder­ Ab 1954 führte Otto Weis se nb erge r als Bürger­ meister und Kurdirektor die Geschäfte. „Macht keine kleinen Pläne; ihnen fehlt der Zauber, da s Blut in Wallungzu bringen! Macht große Pläne!“: So lautete ein Leitspruch W eisse nb erge rs, der respektvoll bis h eute gerne als „Löwe der Baar“ be zeichnet wird. Immer wiede r wurde d a s Heil­ bad von neuen Konzeptionen beflügelt und nach und nach st ie g die Zahl der Kur- und Erholungs­ einrichtungen e b e n s o wie die der Gäste. In den frühen 1950er- Jahren wurden in Bad Dürrheim durchschnitt­ lich etwa 2 0 0 . 0 0 0 Über­ nachtungen im Jahr g e ­ zählt und auf vielen Ge­ bieten so llte d a s Bad ein Modell für and er e Das Salzvorkommen machte Bad Dürrheim zum beliebten Kurort, hier das Kurhaus und Salinenhotel um 1900. 10 6


Die Saline Bad Dürrheim Rund 150 Jahre nach dem Beginn, kam 1972 das Ende der Bad Dürrheimer Salzproduktion. Die Salinenan­ lagen wurden größtenteils abgerissen. Kurorte werden. 1958 war e s dann, als die g e ­ sa m te Badverwaltung von der Staatssalin e AG in die Kur- und BäderGmbH überging. Noch im s e l ­ ben Jahr wurde da s vom Land für 2,7 Millionen De utsche Mark erstellte Kurmittelhaus, als Zen­ trum einer modernen Bäder- und Inhalations­ therapie eingeweiht. Während bis Mitte derfünf- ziger Jahre üb erw iegen d Kinderübernachtungen gezählt wurden, erfolgte danach eine u m f a s s e n ­ de Strukturänderung hin zum Erwachsenenbad. Im Som m er d e s Jahres 1 96 8 konnte dann in der Kurstadt die Eröffnung d e s Mineral-Sole-Hallen- b a d e s am Südrand d e s Kurzentrums ge feiert werden. Am 31. März 1972 s c h ließ t die Saline Ein denk würd iges Datum in der kurstädtischen Geschichte war auch der 31. März 1972: Das En­ de für die rund 150 Jahre w äh re nd e Salzproduk­ tion war g e k om m e n , die Saline m u s s te ihren Be­ trieb gänzlich einstellen. Der 1851 gegrü nd ete Badebetrieb hatte sich als stärker erwiesen und die Saline überlebt. Die G ebäud e wurden an die Gem einde übergeben und noch heute sind die um geba uten , a b e r d e n n o c h historischen Bauten ein markanter Teil d e s Stad tbildes. Bis 1 984 gehö rten die Kur- und Kurmitteleinrichtungen dem Land, da s d i e s e dann in die Hände der Kom­ mune gab. Für die Übernahme gab e s vom Fi­ nanzministerium dam als als Ausgleich 2 0 Mil­ lionen Deutsche Mark dazu. Dies war nun auch der Zeitpunkt, al s ein richtiges Kurviertel mit Spezialkliniken, Sanatorien und Kurheimen e nt­ stand. Als e ch tes Highlight kam 1987 da s Solemar hinzu. Mit d ie se m Bau unter Bürgermeister und Kurdirektor Gerhard Hagmann erfuhr die Ver­ w e n d u n g der Sol e ihren ba ln eo logisch en Höhe­ punkt. Und d i e s e s auch wirtschaftlich erfolgrei­ che S ole ba d ist bis heute der größte Nutzer der So le qu ellen. In der Kurstadt wird eine 27-pro- zentige Sol e gefördert, die als b e s o n d e r s rein gilt. 3 ,8 Prozent Salzgehalt hat b e is p i e ls w e is e da s Mittelmeer, in der O s ts e e sind e s bis zu 1,3 Prozentund m it 2 6 ,3 Prozent Salzgehalt liegt s o ­ gar da s Tote Meer unter den Werten der S o l e ­ qu elle Bad Dürrheims. Pumpen befördern die Sole durch Leitungen vom Bohrloch direkt in das Sole mar sow ie in diverse Kurkliniken. Je nach Bedarf wird d i e s e Sole auf 1,25 bis fünf Prozent 107


Die Saline Bad Dürrheim verdünnt und sorgt dann für e in e un g ea h n te Leichtigkeit im Wasser. Mit die se r S o l e k o n z e n ­ tration nämlich wird im Wasser eine Gewichtsre­ duktion von bis zu 9 0 Prozent erreicht. Dies e nt­ lastet die Wirbelsäule und hilft bei Erkrankungen d e s Herzens. Ein Bad in wohltuend warmer Sole, die v e rs ch ie denen Becken haben W ass er tem p e ­ raturen zwisc hen 33 und 37 Grad, bewirkt aber noch mehr: Bei rheumatischen und degenerati- ven Erkrankungen d e s B e w e g u n g s a p p a r a t e s trägt e s zu einer Verbe sserung bei. Bei Erschöp­ fungsz ustände n weckt e s die Lebensgeister. Wer also in der wohligen Wärme d e s Sole mars ab­ taucht, der ba det in Mineralien und Sp ur en ele ­ menten a u s den Tiefen der Erde. Calcium, Ma­ gne si um , Natrium, Kalium, Mangan, Sulfat und dergleichen mehr gehören zum Cocktail der Sole. Die spru delnden Attraktionen d e s Solemars verteilen sich auf elf Innen- und Außenbecke n. Und im Gesundheitszentrum Sole mar spielt die Sole auch noch weitere Hauptrollen. Sei e s in der Salzgrotte, die mit rund 9 . 5 0 0 naturreinen Salzziegeln a u s g es ta ttet der Entspannung dient oder bei S o l e -G e sic h tsm as sage n und ähnlichen V e r w öhn ange bote n. Rund 6 0 Prozent der Ar­ be itsp lätz e in der Kurstadt hä n g en h e u te mit dem Tourismus z u sam m e n und jährlich werden rund 1,3 Millionen T a g e s g ä s te und 5 5 0 . 0 0 0 Übernachtungen ge zählt. Die Entdeckung d e s „w eißen G o ld es“ liegt lange zurück und doch ist man sich in Bad Dürrheim der Bedeutun g d i e s e s Fundes noch heute be w u sst. Es hat die Stadt g e ­ prägt und zu dem ge mach t, w a s sie heute ist – eine b e d e u te n d e Ferien-Destination in Deutsch­ land, die jährlich weit mehr g e s u n d h e i t s b e w u s s ­ te Gäste als Einwohner zählt. Eva Schmidt-Steinbach Das höchst gelegene Soleheilbad in Europa erfreut sich ungebrochener Beliebtheit: Rund 160 Jahre nach Eröffnung der ersten Solbadanstalt, kann man die vielen Annehmlichkeiten des Bad Dürrheimer Solemars genießen.


Vor 750 Jahren erstmals e rw ä h n t… doch M ö nchw eiler dürfte w esentlich älte r sein Geschichte kundlich und dokumentarisch beglaubigt ist. Ge­ boren aber wurde Mönchweiler schon w e s e n t ­ lich früher. Dass e s den Plebanus zu d i e s e m Zeitpunkt gab, der als offensichtlich vertrauenswürdiger Zeuge bei wichtigen Verkäufen benannt wurde, w e ist indirekt auf ein e bereits vor ha nd en e Be­ de ut ung d e s Ortes Mvnechewilar hin. B egründe­ ten Sc hätzungen nach lebten zur Zeit der Erst­ nenn un g etwa 170 bis 2 0 0 M enschen hier (heu- Alter Anfang ist schwer. Das gilt auch für Mönch­ weiler, w ob ei ja – wie s o oft – nichts darauf hin­ de utete , d a s s e s sich vor knapp acht Jahrhunder­ ten um einen offiziellen Anfang handelte. Das hat man zwangsläufig erst später erkannt. Das Beste wird s o w i e s o sein, im Plural von Anfängen zu s p re c h e n , die sich zwar z unäc hst b e s c h e i d e n aus n ah m en , dann aber su k z e s si v e ihre eig e ne Dynamik entfalteten. Das Ergebnis kann sich im Jahr 2 0 0 8 – also 750 Jahre nach der Ersterwäh­ nung – s e h e n lassen: Mönchweiler ist das, wa s man völlig zu Recht e in e vor Kraft st rotze nd e G em einde nennen kann. Klein, aber fein und selbsts tändig! Mönchweiler – d a s ist ein an s c h a u li c h e s Beisp iel dafür, d a s s schiere Größe nicht d a s allein se lig m ac h e n d e Kon­ strukt für eine langlebige kommunale Existenz sein kann, so „modern“ da s auch dem einen oder anderen heutzutage erscheinen mag. Ple ban us de Mvnechewilar In nom ine domini am en. Im e rhab ene n Kirchen­ latein ist auch jene denkwürdige Verkaufsurkun­ de formuliert, die zwar mit Mönchweiler nur w e ­ nig zu tun hat, gleichwohl für den Ort von über­ ragender Be de utun g ist. Es ge ht darin um den V e r kaufe ine s Hofes d e s Klosters Sale m an da s Kloster Rottenmünster, bei dem als Zeuge ein Plebanus de Mvnechew ilargenanntwir d. Datiert ist d a s in jeder Be ziehung wertvolle Dokument, da s sich im Original im Hauptstaatsarchiv Stutt­ gart befindet, mit dem 6. März 1258. Das also ist das historisch be legte Datum der Ersterwähnung M ön chw eile rs, quasi die offizielle Geburtsur­ kunde, denn letztlich existiert ja nur das, wasur – Der Mönch, sprich der 1258 erwähnte Leutepriester von Mönchweiler, ist noch heute im Ortsbild prä­ sent, so als Bronze-Skulptur auf dem Platz bei der Kirche.


Geschichte Wappenstein in Mönchweiler. Die in einen Findling eingelassene Bronze-Tafel besagt, dass der Ort zwar 1258 erstmals schriftlich erwähnt wurde, seine Gründung aber wesentlich früher erfolgte. te sind e s 3.2 00). Es ist d e sh alb davon a u s z u g e ­ hen, d a s s die Geb urtsstunde Mönchweilers lan­ ge vor der Erstnennung schlug. In w elchem Jahr, lässt sich nicht sa g e n . Doch die Lage d e s Ortes und die Erschließung d e s Schwarzw aldes unter den Zähringern dürfte nicht oh n e Belang für die Entstehung Mvnechewilars g e w e s e n sein. Der „Taufpate“ hieß wohl Berthold Schamei Der bereits erwähnte „Taufpate“ Mönchweilers, e be n b esa gte r Plebanus de Mvnechewilar, spielt zwan gs läufig ein e hera usra ge nde Rolle in den ersten Anfängen d e s Dorfes. Ein Plebanus war ein so genannter Leutepriester, also kein Mönch, sondern ein vom Bischof bestellter Pfarrer, ein Blick auf Mönchweiler, hier lebte 1258 ein Plebanus de Mvnechewilar, ein so genannter Leutepriester. rector e cc lesiar um . Und bei d i e s e m 1258 g e ­ nannten Zeugen han de lt e s sich aller Wahr­ scheinlichkeit nach um Berthold Schamei. Denn ein Jahr später taucht der Priester erneut als Zeu­ g e d e s Klosters Salem auf, und zwar als Berdol- du s dictus Schamei. Dieser Berthold scheint ein


Das älteste noch erhaltene Gebäude in Mönchweiler ist die evangelische Antoniuskirche, Turm und Chor stam­ men aus dem Jahr 1511. Protestantisch wurde der Ort 1595. Zum alten Teil der Kirche gehören auch das Sakramentenhäuschen (rechts oben die kunstvolle Spit­ ze) sowie die Schlusssteine (rechts Mitte und unten). Die Schlusssteine in der Decke des Chorraumes zeigen ein­ mal einen Christuskopf und das Kreuzwappen des Klos­ ters St. Georgen, zu dem Mönchweiler viele Jahre lang gehörte. Oben: Die älteste Inschrift stammt von 1650. Erste Erwähnung Mönchweilers 111


Geschichte ziemlich umtriebiger Mensch g e w e s e n zu sein, d e r z u d e m noch Dekan in Villingen und Pleban in Obereschach war. Jedenfalls war s e i n e „fahren­ de und lie ge nde Habe“ in v e rs ch ie denen Orten der weiträumigen Baar nicht gering, w e sh a lb er davon zu s e in e m S e e le n h e i l klösterliche und ka­ ritative Einrichtungen zu bede nk en g eda chte. So verfügte er b e i s p i e ls w e is e im Jahr 1294, nach se ine m Tod, der ihn dann 1308 ereilte, den schul­ denfreien Hof in Haidenhoven (Heidenhofen?) dem Villinger Armenspital zu stiften. Die Stehlins bestimmen die Besitzverhältnisse 1270 gibt e s bei einem der zahlreichen Verfü­ gun gen d e s Plebanus Berthold auch die Zeugen Conrad Stehlin, Vater und Soh n. Und d i e s e S te h ­ lins, Stehelin s, Stäh elis oder Ste he lis sind für Mönchweilers Geschichte ebenfalls sehr b e d e u ­ tend. Denn in der ersten Hälfte d e s 14. Jahrhun­ derts best im m en sie durch ihre Käufe und Ver­ käufe die Besitzverhältnisse im Ort und somit d e s s e n Entwicklung. Das g e h t a u s divers en Quellen hervor. Daneben gab e s im dörflichen Besitzgeflecht Bauern mit jeweils ei­ nem Hof, der allerdings hin und wieder im Erbgang aufgeteilt wurde. Viele Habenichtse hat’s ind es auch g e g e b e n . Die Be­ sitzer größerer An wese n kamen von außerhalb; ein unmittelbarer Bezu g so lc he r P er so nen zu Mönchweiler als A n s ä s s ig e oder In sa ss en b e ­ stand nur über die dort g e le g e n e n Güter, die als Lehen und so m it al s siche re Einn ah mequelle fungierten. (Die 17 Höfe, a u s d e n e n Mönchweiler best an d, sind te il w e ise noch heute im Grund­ buch nachweisbar.) In den folgenden Jahrzehnten und Jahrhun­ derten w e c h se l te n immer wieder die Besitzer. Was blieb, war die „ b o d e n s t ä n d i g e Be völke­ rung“, jene Men sche n, von de nen sich die m e is ­ ten auf den Fronhöfen verdingten und als Besitz mit dazu gehörten. „Das Gericht in Rottweil b e ­ kennt, d a s s Johann Stäheli dem Abt Heinrich von St. Georgen sich s e l b s t und all sein Eigenthum, namentlich auch die Hälfte d e s Dorfes Mönch­ weiler überge be n hat.“ Das war am 5. Februar 1339 und ist der Chronica Villa Monachorum im Typisch für Mönchweiler sind die zahlreichen Bron­ ze-Skulpturen im Ortsbild, die immerwiederauch an die eigene Geschichte anknüpfen. Wo heute in Nach­ barschaft zu modernen Wohngebieten Kinderspie­ len, wurden in früherer Zeit Schafe gehütet.


Generallandesarchiv Karlsruhe zu e ntne hm e n. Die Verbindungzum KlosterSt. Georgen bestand de mnach dergestalt, d a s s e s Teile Mönchweilers im Laufe d e r z e i t nach und nach durch Kauf oder Übergabe erwarb, w as wiederum darauf sch lie­ ß e n lässt, d a s s Mönchweiler keine unmittelbare Gründung d e s Benediktiner-Klosters St. Geor­ gen ist. Denn warum sollte da s Kloster erwerben, w a s ihm gehört? Mönchweiler wird sein Entstehen und Wach­ se n a u s seiner regionalgeografischen Präsenz be z o g en haben. Und zwar zu einem viel früheren Zeitpunkt, als die Erstnennung 1258 vermuten lässt. Das Wirken der Zähringer und der Aufstieg Villingens werden nicht oh n e Einfluss auf da s in Die exponierte Lage und seine Bedeu­ von M önchw eiler unmittelbarer Nähe g e ­ l e g e n e Mvnechewilar g e w e s e n sein. Im Jahr 9 9 9 erhält Vilingun das Münz- und Marktrecht. Es dauert dann bis zum Jahr 1225, d a s s Villin- gen erstmals civitas, al­ so Stadt, g ena nn t wird. In d ie se n m e h r a l s z w e i Jahrhunderten ist in der „Marktstätte“ und in der Nachbarschaft ein kontinuierlicher Aufwärts­ trend f estzustellen. schon vor 1258 b e­ tung machen es sehr w ahrschein­ lich, dass der Ort siedelt war. Die exponierte Lage Mönchweilers und die damit ve rb unden e Be de utun g d e s Dorfes ergab sich aus der erklärten Absicht der Zähringer, den Schw arzwald bis hinunter ins Kinzigtal zu er­ schließen . Desh alb unterstützten si e 108 4 den Bau d e s Reformklosters St. Georgen. Bischof Gebhard von Konstanz hat das Kloster nicht nur geweiht, er hat e s auch gefördert. Gebhard war ein Bruder d e s Herzogs Berthold von Zähringen, der die junge Klostergründung von Villingen aus schützte. Der Weg nach Offenburg führte aber nicht über St. Georgen, sonde rn Uber Mönch­ weiler, Peterzell, Brogen und Langenschiltach. Herzog Berthold unterstanden dam als derThur- gau, die Baar, der Breisgau und die Ortenau, die e s als letztes für die Verkehrsströme zu öffnen galt. Das Zähringer-Städtenetz rechts d e s Rheins bildete ein Dreieck, d a s von Freiburg, Offenburg und Villingen markiert wurde. Und im ersten Ab­ schnitt der elementar wichtigen Straßenverbin­ Erste Erwähnung Mönchweilers d u n g Baar via Ortenau lag und liegt M ön ch­ weiler. Der Ort ist langsam aber stetig gewachsen Die verk eh rs be de ut ende Position kann ein Beleg dafür sein, d a s s Mönchweiler als kleine Ansied­ lung aus sich s e l b s t heraus ent st an de n und mit den Erschließungsabsichten der Zähringer w e i ­ ter g e w a c h s e n ist. Wenn man die relativ gü n st i­ ge Entwicklung auf der Baar zwische n dem 11. und frühen 13. Jahrhundert, auch bedingt durch die in unserer Region sta bilisierende politische Großwetterlage unter den Sachsen -, Salier- und Staufer-Kaisern, berücksichtigt und die unmit­ telbare Zeit vor der Erstnennung im Jahr 1258 sorgfältig einordnet, dann st e h t Mönchweiler mehr für ein langsam , aber stetig g e w a c h s e n e s , s e l b s t ä n d i g e s Gebilde. Weniger für eine Grün­ du ng von St. Georgen aus. Denn an immerhin 17 Orten der Um gebu ng erhielt St. Georgen scho n in den Jahren 1 0 9 4 / 9 5 Güter übertragen, wie der Historiker Casimir Bu- miller in dem Band „Faszination einer Zeitreise“ (1999) ausführt, dem wir auch andere Hinweise e n tn o m m e n hab en . Dem Kloster wurden also Güter zu einem sehr frühen Zeitpunkt s e i n e s Be­ s t e h e n s vermacht. Es bedurfte in der Regel kei­ ner Gründungen, vielmehr ergab sich der um ­ fangreiche Klosterbesitz a u s Vermächtn issen und Stiftungen. Vermacht und verkauft wurden auch in s p ä ­ terer Zeit immer mal wieder „hal be“ und andere „theile“ von Mönchweiler. Am 5. November 1481 ist zum Beispielzu lesen: „Enly Engelschmann von Asan (Aasen?), Hainrich Kolers eheliche Hausfrau, jetzt zu Munchwiler g e s e s s e n , ist mit ihren Kin­ dern und Kindeskindern Leibeigene d e s Gottes­ Wilfried Heupel hau se s St. Georgen.“ Anmerkung: Alle Angaben basieren weitgehend auf der in Skriptform vorliegenden neueren „C hronik des Dorfes M önchw ei­ ler von den ältesten Zeyten bis auf den heutigen Tag“ von Johann Dieter Pechmann (M önchweiler). Darin sind auch die zahlreichen Quellennachweise enthalten, die hier aus Platzgründen nicht genannt w erden können. 113


7- Ka p i t e l K i r c h e n g e s c h i c h t e Die Kirche Sankt Nikolaus in Achdorf Der spätgotische Turm m it eisernem Doppelkreuz w urde um das Jahr 1440 erbaut Ein Kleinod sakraler Baukunst ist die Pfarrkirche im Blumberger Ortsteil Achdorf. Unübersehbar mit ihrem Zwiebelturm liegt sie, um ge ben von großen Bäumen und dem Friedhof, im Ortskern und manch ein Wanderer sucht d ie se n alten Ort der Stille und Be si nn ungau f, bevor er s e i n e Tour fortsetzt. In den Jahren 1697 bis 1702 wurde die jetzi­ ge Pfarrkirche im Barockstil erbaut, nachdem die Vorgängerkirche für den Ort zu klein geworde n war. Von dieser weit älteren Kirche ist nur noch der Turm erhalten, derin seiner heutigen Gestaltwahr- scheinlich um 1440 im spätgotischen Stil erbaut wurde und mit zu den ältesten Gebäuden in der Re­ gion zählt. Das eiserne Doppelkreuz auf der Turm­ spitze erinnert an die Fürstäbte von Sankt Blasien, die zur Bauzeit die Herren von Achdorf waren. Wiederholt renoviert und umgestaltet zeigt sich das heutige Kircheninnere schlicht. Ein p a s­ send er zurückhaltender Rahmen für die vierzehn Stationen d e s holzgeschnitzten Kreuzwegs, der im Empirestil 1780 gearbeitet wurde. Noch heute la­ den die Bilder zur besinnlichen Betrachtung ein und vor dem linken Seitenaltar steht das wuchtige aus Stein g ehaue ne Taufbecken von 1786. Seitenaltäre im Stil der Renaissance Die Statuen der beide n Seitenaltäre Sankt Be­ nedikt, Sankt Antonius und Sankt Blasius mit der Doppelk erze, dem S e g e n s s y m b o l g e g e n Halskrankheiten, Ap ostel Johannes und, als ein ­ zige Frau im Heiligenreigen, Sankt Margret, ent­ stam m en alle der Renaissancezeit. Von hoh em künstlerischem Wert ist die ein ­ dringliche Figur d e s Heiligen S e b a s t i a n s von Die katholische Kirche von Achdorf, der Turm stammt wahrscheinlich aus derzeit um 1440, die Kirche ist in den Jahren 1697 bis 1702 in der heutigen Form er­ weitert worden. 114


Die Kirche Sankt Nikolaus in Achdorf Das Innere der Achdorfer Kirche, das Got­ teshaus ist kostbar ausgestattet, so mit ei­ nem Kreuzweg im Empirestil, der 1780 ent­ standen ist (rechts). 1 680, die auf der linken Wandseite d e s Kirchenraums frei auf einer Konsole steht. Sie stellt den römischen Offizier währe nd s e i n e s Mar­ tyriums dar, wurde er doch von s e i ­ nen Kamera­ den mit Pfei­ len e r s c h o s ­ se n. Und im b äu­ erlichen Umfeld von Achdorf wurde der Hei­ lige inbrünstig als Schu tzp a­ tron g e g e n V ie hseuc he n aller Art verehrt und manche Wall­ fahrt wurde zur Achdorfer Kir­ che unternommen, b e ­ findet sich doch hier Der Heilige Sebastian wurde in Achdorf besonders verehrt. auch eine Reliquie, die um d a s Jahr 1 6 8 0 von e i ­ nem unbekannten Stifter a u s den römischen Ka­ takomben ins Achdorfer Tal gebracht sein soll. B e so nd er s eindrucksvoll zeigt die Votivtafel auf der rechten Wandseite die große Gläubigkeit der Dorfbewohner auf und ihre tiefe Verehrung für den Kirchenpatron: „Ex Voto 176 4“ heißt e s auf dem Bild „ge stiftetvon der G e m ei n de A ch dor fzu Ehren d e s heiligen Märtyrers S e b a s tia n “. Es ist eine schlich te Darstellung, Sold ate n ne h m e n den Toten ab, im Hintergrund sind Tempelbauten zu s e h e n , dazu eine Gruppe von Frauen, teils neugierig, teils mitleidsvoll und eine Anzahl von


Kirchengeschichte Der rechte Seitenaltar stammt aus der Renaissancezeit, von links: Sankt Benedikt, Sankt Blasius mit der Dop­ pelkerze sowie Sankt Antonius. Rindern, ein Hinweis auf die Fürbittkraft d e s Hei­ ligen bei allerlei Viehkrankheiten. Sankt Nikolaus der N am e ns geb er Kirchenpatron und N a m e n s g eb er der Achdorfer Kirche ist Sankt Nikolaus, der Bischof a u s dem kleinasiatischen Myra, der als Kinderfreund und Wohltäter der Armen in den Legenden bekannt ist und zugleich als Patron der Seefahrer, Fischer und Flößer gilt. Ihn haben sich die Talbewohner ganz sicher nicht oh n e Grund als Schutzpatron gewählt, denn wer den Gefahren der Meere g e ­ bieten kann, ist sicherlich auch bei Hochwassern der wilden Wutach ein kräftiger Helfer. Auf de m Bild, d a s h e u te den gr oße n, aus buntem Marmor ge h a u e n e n Hochaltar der Kirche schmückt, ist Sankt Nikolaus im bischöflichen Ornat dargestellt wie er kleinen Kindern Äpfel reicht. Im obersten schm ü ck en den Rund d e s Al­ tares ist noch ein Bild d e s volkstümlichen Heili- Sankt Nikolaus als Bischof, Gemälde am Hochaltar der Kirche. 116


Marienfigur, linker Seitenaltar. ge n zu finden. Des Weiteren verfügt die Kirche über da s Altarbild „Christi Himmelfahrt“ im Stil der „Na zar en er ku nst“ 1867 von der Freiburger Male­ rin Creszentia Stadler g e sc h a f­ fen. Fast hundert Jahre bis 1963 sc hm ü ck te e s den Hochaltar und wurde dann von einer Ma­ riendarstellung ab gelöst . Seit 1985 ist d a s Nikolausbild auf dem Hochaltar zu se h e n . Im Chorbogen der Achdor- fer Kirche befi ndet sich eine barocke Kreuzesgruppe von al­ ter, eindringlicher Schönhei t. Sch w eb en d in der Mitte hängt da s Kreuz mit der Christusfigur, links davon Mater Dolorosa, die Schmerze ns mutter und auf der Konsole, auf der die Figur steht, ist die Jahreszahl 1702 vermerkt. Rechts steht mit der Figur d e s Johannes der Lieblingsjünger, der sich nach der Le gende der Gottesm utter a n ­ nahm. 1987 kam d i e s e Gruppe nach bald z w e i­ jähriger fachlicher Restauration wieder in die Kir­ che zurück und fand im Chorbogen einen p a s ­ s e n d e n Rahmen. Das Bild von 1904, gem alt von A. Durchow a u s Rastatt, d a s als „Jüngstes Ge­ richt“ den Chorbogen schmück­ te, wurdeim Rahmen derlnnen- renovation der Kirche über­ malt. Diese Innenraumsanie­ rung fand während der Amtszeit von Pfarrer Alois Kleiser statt. Groß ist der G lo c k e n b e ­ stand der kleinen Kirche und an hohen kirchlichen Festtagen ist der Klang d e s vollen Geläu­ t e s weit im Tal zu hören. Von 1632 stammt die silberne Niko­ lausglocke und ist die äl teste Glocke in der Glockens tube. Die Ersatzstahlglocken au s den Kriegsjahren wurden 1976 durch n e u e Glocken ers et zt und so läuten die Wendelinsglock en 1 Kreuz im Chorbogen, um 1700. Die Kirche Sankt Nikolaus in Achdorf und 2, die Michaelsglocke und die Schutzengelglocke im Turm. Diese Glocken kamen durch die Vermittlung von Pfarrer Otto Schwalbach 1976 a u s Beierts­ heim in die Achdorfer Pfarrkir­ che. Am Himmelfahrtstag 1976 fand die Weihe der neu g e g o s ­ s e n e n S e b a s tia n s g l o c k e statt und am Tag darauf wurden alle Glocken in den Turm gehievt. Verblieben ist auch, außer Be­ trieb, noch eine der ungeliebten Stahlglocken im Turm, sie erin­ nert an Not und Krieg. Die notw en dig ge w or de ne Au ßensan ierun g der Achdorfer Pfarrkirche fand 2 0 0 5 statt. Zusammen mit Pfar­ rer Erwin Roser, dem Kirchengemeinderat und Architekt Theo Hirschbihl vom Erzbischöflichen Bauamt in Freiburg wurden Kirchendach, die F as sa d e der Kirche und der Turm von Hand­ werksbetrieben au s der näheren Um gebu ng von Grund auf saniert. Mit in die Sanierung e in b e zo g e n war auch die Turmzwiebel, die neu mit Kupfer ein ge dec kt wurde. Vollständig überholt wurde auch d a s ei­ serne Doppelkreuz mit se ine n Schnörkeln und den vergoldeten Blattlilienmotiven an den Ge­ s t ä n g e e n d e n . Mit de m Kreuz wurde auch die Kugel neu ver­ goldet, die jetzt wieder mit auf der Sp itz e d e s Zwiebelturms thront. In der Kugel befinden sich, s o r g s a m in einer extra dafür angefertigten kupfernen Dose, ein Au sz ug au s der Achdorfer Kirchengeschichte, Daten und Fakten der B aum a ß n a h m en , K os te nv oran sc hläg e, die Na­ men aller beteiligte n Hand­ werksbetrieb e mit ihren Mitar­ beitern, Fotos, ein Schwarzwäl­ der Bote vom Tag, ein Fläsch­ chen mit S c hn aps und eine Do­ s e mit Schnupftabak, e n tsp re ­ ch end altem Handwerker­ Christiana Steger brauch. 117


Kirchengeschichte Die Friedhofskapelle St. Gallus und Verena in Tannheim V ielfältig e Ausstattung erzäh lt von Kunst- und Kirchengeschichte der Baar Am nordöstlichen Dorfrand, a b­ seits der größeren Straßen, ruht zwischen hohen Bäumen die seit Jahrhunderten als A n d a c h ts­ stätte in w e c h se ln d e r Funktion nachweisbare Friedhofskapelle vonTannheim. Ihre un gewöh nli­ che Größe, ihr mit einer Glocke ve rseh en er Dachreiter, der weit über den Zweigen der u m s t e ­ he nd en Birken thront, wie ihre Gestalt, erw eckt Aufmerk sa m­ keit. Schn ell kommt die Frage auf die Lippen, w a s e s wohl mit d ie se m Kirchlein auf sich habe. Ihr n e u e s Leben verdankt die Kapelle der Zeit der späten Aufklärung, in der d a s Fried­ h o f s w e s e n im Sinne einer pragmatischen und dem G e s und he itsged ank en förderlichen Hand­ habun g geor dne t wurde. Innerörtliche Begräb­ nisstätten wurden an den Rand der Siedlungen verlegt, Orte ohne Gottesacker mit einem solchen ve rs eh en . In Tannheim erinnerte man sich so im Zuge der 1805 b e g o n n e n e n Beratungen üb er die Errichtung einer neuen Pfarrei nach Aufhebung d e s Klosters und der B estim mung e in e s Stand­ orts für den neu a n z ule gen de n Friedhofe – bis­ heriger Begräbnisort war Kirchdorf bzw. Wolter­ dingen – an d as am Ortsrand g e le g e n e Kirchlein. 1807 entschied der Oberkirchenrat die Anlage d e s ne uen B egräbnisplatzes rund um d a s Gallus und Verena ge w e ih te Haus. Die Friedhofskapelle in Tannheim. Reste von Bestattungen, w ob ei den Zeit genos­ sen die „ un ge w öh nlic he Größe“ der M e n sc h e n ­ knochen auffiel. Sollte e s sich um Alemannengrä­ b e r g eh a n d e lt haben, wie vermutet werden darf, s o hätten wir damit einen Hinweis auf die Ent­ s te h u n g d e s ersten Kirchenbaues. Es wäre eine alemannische Eigenkirche ge w e se n , die man sich nur als kleinen (Holz-)bau vorstellen sollte, der bis heute keine sichtbaren Spuren hinterlassen hat, jedoch den Nachfolgebauten den Platz zu­ wies. Das Patrozinium könnte ein Fingerzeig sein Während die Frage, ob die Friedhofskapelle einst Kirche einer s p ä t e s t e n s mit Errichtung d e s Paulinerklosters 1353 a u fg e h o b en en Pfarrei g e ­ w e se n sei, mangels urkundlicher Erwähnung bis­ her nicht beantwortet werden kann, b e ste h e n zur baulichen Datierung zu m indest einige d is­ ku ssionswürdige Ansatzpunkte. Bei der Anlage d e s Friedhofes nämlich nach 1807 st ie ß man auf Auch da s Patrozinium „St. Gallus und Verena“ könnte ein Fingerzeig sein. Eine St. Gallus g e ­ weih te Kirche knüpft durchaus ein Band zu dem großen gleichnamigen KlosterS üdalem an niens, d a s für die frühe Christianisierung u n se re s Raumes im letzten Drittel d e s 1. Jahrtausends nach Christi Geburt üb er ragen de Be deutun g besitzt und w e l c h e s zudem auch in Tannheim b e ­ 118


Friedhofskapelle St. Gallus und Verena Das Innere der Friedhofskapelle – ältester Bestandteil ist der Altarstein. Die heutige Kapelle könnte um 1695 entstanden sein, zu dieser Zeit wird von einer Weihe berichtet. gütert war. Auch die Copatronin Verena, welche 3 4 4 n. Chr. in Zurzach zu Grabe ge le g t worden sein soll, g e n o s s die Wertschätzung der Ale man­ nen. Doch istauch eine spätere Benennungdurch- au s in Betracht zu z iehen. Wie im Falle der Stadtkirche d e s fürstenber- gisc he n Hüfingen, deren Patrone Gallus und Ve­ rena 1662 e rstmals nachweisbar sind, wäre eine Ne uw idmung im fürstenbergischen Raum auch im 16. oder 17. Jahrhundert durchaus nicht u n ge ­ wöhnlich. Ein Neubau mit N a m e n s g e b u n g in der verklingenden Gotik ist daher ebe nfalls in Be­ tracht zu zie he n, zumal der durch eine Natur­ san ds teinplatte verdeckte Altarstein als ältester Bestandteil der heutigen Kapelle aus dieser Epo­ che stammt wie zwei Holz-Skulpturen d e s Lau­ rentius und S te ph anu s, von d e n e n erstere noch erhalten ist. Die Kirche könnte im Dreißigjährigen Krieg zerstört und danach wieder aufgerichtet worden sein, da 1695 die fürstenbergisc he Verwaltung d e s baar-wartenbergischen Teiles, zu dem Tann­ heim damal s zuge hö rig war, von e in e r a n s t e h e n ­ den Weihe spricht. Dies wäre der zentrale Bau­ körper, den auch der heutig e Be sc ha ue r noch vor sich hat, wenn gleich in einer stark veränder ­ ten und vergrößerten Form. 1755 nämlich – die Jahreszahl findet sich über der südlichen Eingangstür – erhielt die Kir­ che ein drittes Fenster und wurde auf beiden S e i ­ ten um w e n ig e Zentimeter unterschiedlich ver­ längert und leicht verbreitert, mit Schindeln g e ­ deckt und ein em (neuen?) sc h i n d e l g e d e c k te n Reitertürmchen mit sc h m ie d e is er n e m Kreuz ver­ s e h e n . Da die Kirchenfabrik finanziell gut a u s g e ­ stattet war, darf man von einer ordentlichen bau­ lichen Unterhaltung in den Folgejahren ausgehen. Durchgreifende Erweiterung und Erneuerung Noch Mitte d e s 19. Jahrhunderts maß da s Lang­ haus der a u s San ds tein errichteten Kirche ins­ g e s a m t rund 5 Meter in der Breite, 6 Meter in der Länge und 5 ,60 Meter in der Höhe. 104 Personen fanden darin sitzend, 136 s te h e n d Platz. Der sich oh n e Bogen öffnende halb achteckige Chor mit gleich h o h em First wu rde wie d a s Langhaus durch zwei rundbogige Fenster beleuchtet. 1 8 8 7 – 1 8 8 8 kam e s zu einer durchgreifenden Erweiterung und Erneuerung, welche man mit dem Wunsch der Abhaltung wöchentlicher Schülergot­ te sd i e n ste begründete. Vorangegangen w ar ein e aufgrund inzwischen geringer Finanzmittel er- 119


Kirchengeschichte A bbildung aus einer Fest- Schrift zum Anbau der Kapelle im fa h r 1887. folg te Notreparatur 1881. Eine Sakristei wurde an den Chor a n g e b a u t, Fundament und Stockmauerwerk e rn eu­ ert, die Türen mit rotem Sandstein eingefasst und das Dach neu gede ckt. Auch das heute in der Heimatstube be­ findliche Harmonium wurde damals, 1887 oder 1888, an­ geschafft. Die ebenfalls mit e in geb au te hölzerne Em­ pore für den Kirchenchor anstelle einer sehr viel b e sc h e i d e n e r e n Vorgängerin mit Blocktreppe wich zu Beginn der i95oer-Jahre einem Aufbah­ rungsraum, der mittels einer e in g ez o g e n e n Mau­ er vom Kirchenschiff getrennt wurde. Diese Wand trägt das 1954 vollendete Auferstehungsgemälde d e s Baar-Malers Karl Merz (1890 -1970). Der bei der Renovierung 1954 -19 5 6 v o r g e s e ­ h e n e Einbau einer Leichenhalle im Westteil fand zunä chst keine Genehmigu ng. Erst 1969 kam e s dort zu Einrichtung einer E insegn ungskape lle und 1974 nach d erEin gem eindu ngzurSchaffu ng e in e s Ein seg n ungs pla tze s vor dem Hause. Der über dem Türsturz von 1755 e i n g e l a s s e ­ ne Geden kstein an Xaver B l e s s i n g a l s den ersten Toten d e s Krieges von 1870/7 1 wurde wohl b e ­ reits 1 8 8 8 beim Umbau eingebracht, w o h in g e ­ gen die in die südlich e Mau­ er inzwi­ s c h e n stark verwitterten Grabsteine d e s frühen 19. Jahrhunderts Hinzufügun­ ge n nach 1973 sind. e i n g e l a s s e n e n , Die Friedhofskapelle steht seit einer Vereinbarung der G e m e i n d e mit der katholi­ s c h e n Pfarrei vom 31. De­ z e m b e r 1 9 0 6 allen christli­ chen Konfessionen offen. Die Friedhofskapelle im Jahr 1 9 3 7, im H intergrund der Ort Tannheim. 12 0 Die Innenausstattung: Sehenswerte Objekte aller Kunstepochen seit der Gotik Bemerkenswert an der heutigen In nenausstat­ tung der Friedhofskapelle ist ein e Heterogenität, die ne ben ländlicher, kirchlicher Kunst die Ge­ schichte der Baar se it der Gotik widerspiegelt. Allein die s lohnt ein e Besichtigung. Hier ist z unächs t einmal der bereits e rw äh n­ te ca. 8 0 cm h o h e goti sc he Altarstein, der von ei­ ner etwa 20 cm dicken Sands teinplatte bedeckt ist und über dem sich der Altar erhebt. Zeitlich z ug ehö rig wäre die heute in der Hei­ matstu be verwahrte, um 1500 gesc hnitzte Lau­ rentiusfigur einer schlichten, bäuerlichen Gotik, w e lch e lange verborgen in der Sakristei stand. Ihr soll sich bis etwa 190 0 ein a u s gleicher Zeit (und Werkstatt?) sta m m e n d er S te p h a n u s z u g e ­


seilt haben, über d e s s e n Ver­ bleib nichts bek an nt ist. Kaum jünger ist die um die Mitte d e s 16. Jahrhunderts e n t s t a n d e n e s p ä tg o tis c h e Kre uzi gungsgru ppe, deren zentrale Christusfigur ur­ sprünglich zwi­ sc h e n Chor und Langhaus hing und die heute mit zwei Begleitern Johannes und Ma­ ria die Nordwand schmückt. tr en ne nd Die Herkunft d e s durch klim atische Unbilden b e ­ schäd igten barocken Vortra­ ge k r e u z e s, w e l c h e s nach jahrelanger Verbor­ g e n h e i tin der Sakristei nun a uf dem Altar lehnt, ist u n gew iss. Seit alters her ist e s d a s Vortrage­ kreuz auf den L e ic he nb eg ängn issen . Ebenfalls die se r Epoche zuz urechnen sind die mit Holzrahmungen in barocker Manier g e ­ fas sten, an den Schmal sei ten d e s verbreiterten Langschiffes befindlichen Porträts der Verena mit Kanne und Kamm auf der Evangelienseite und, auf Epistelseite, d e s St. Gallus mit Bär, der zwi­ schen den Zähnen ein Holz hält und in der rech­ ten Tatze den Spitzwecken. Der Altar stam m t w oh l von 1750 Der aus Tannenholz gefertigte, mit marmoriertem Ölanstrich und w e n i g Vergoldung gefertigte, wohl um 1750 ge st altet e Al­ tar, trägt ein deutlich früher gefertigtes Gemälde. Als zen­ trale Darst ellu ngd es Hochal­ tars nämlich findet sich ein „Sip penbild“ der heiligen Fa­ milie d e s Hüfinger Malers Martin Menrad (1638 -1701), da s nach einer nicht wieder entdeckten Signierung 1 68 6 gefertigt sein soll. Das s die ­ Altarbild der heiligen Familie des Hüfinger Malers Martin Menrad (1638 -1/01). Friedhofskapelle St. Gallus und Verena Den Altaraufsatz schmückt ein Gemälde des Erzengels Michael. s e s von Anbe ginn an die nach 169 6 (wieder?)geweihte Kirche schmück te, sc he int sehr wahrs cheinlich . Waren doch die Fürstenberger Ortsherren und b e z ie h e n sich Menrads säm tliche 25 Städtebilder wie s e in e religiösen Ma­ lereien ausschließlich auf fürstenber- gisc he Orte. Wann hin ge ge n der Altar s e lb st als Bildträger in die St. Gallus und Verena- Kirche g elan gt e, bleibt derzeit ein Rät­ sel, da der obere, kleine Altaraufsatz über dem Traversbalken eher g e g e n ein e Auf­ stellung zur Entstehungszeit spricht. Einen kleinen Hinweis könnte die darin b e ­ findliche bildliche Darstellung ge be n, ein klei­ n e s Gemälde d e s den Drachen töt enden Erzen­ ge ls Michael, der als bevorzugter Heiliger d e s Ordens der Johanniter gilt. Über d e s s e n Haupt flattert zudem ein rotes Banner mit dem w eißen Kreuz, w e l c h e s die Wappen- bzw. Bannerfarben d e s Ordens sind. Nur d a s im Banner befindliche Kreuz entspricht nicht dem je nigen d e s Johanni­ te ro rde ns , s o d a s s Zweifel b e s t e h e n bleiben. Trotz allem hat e s den Anschein, d a s s der Altar aus dem Besitz d e s säkularisierten Johanniter­ or dens stammt. Er kann damit schwerlich als der mit dem Umbau 1755 eingerichtete Altar gelten. Nicht ganz a b w e g i g scheint auch, d a s s der kleine Altaraufsatz später zum Altar hinzugefügt 121


Friedhofskapelle St. Gallus und Verena wurde und somit den heutigen Betrachter in die zeitliche Irre führt. Doch die s m ü s se n weitere Nachforschungen und Stiluntersuchungen her­ ausfinden. Glocken a u s de m Jahr 1727 Gleichfalls noch einmal im Detail untersucht wer­ den m ü s s t e die Abfolge und Herkunft der die Turmhaube s c hm ü ck en de n Glocken. Bisherige Veröffentlichungen darüber sind ungen au oder widersprechen einander. Fest st eht nur, d a s s die derzeitige Glocke etwa ein Jahr nach dem großen Dorfbrand 1817 aus der mit zwei Glocken v e r s e ­ henen Pfarrkirche, dem G ot tes haus d e s säk ula­ risierten Paulinerklosters, e n tn o m m e n und in der Friedhofskapelle auf gehä ngt wurde. Wie aus der Inschrift zu e n tn e hm e n ist, verließ sie 1727 die Werkstatt von Peter Ernst (II) in Lindau. Aus den Jahren um 180 0 stammt der auf der Epistelseite thr on end e St. Wendelin, gleichwie die auf der Evangelienseite s te h e n d e n schlich­ ten Figuren von St. Verena, St. Gallus. Der zu ihren Füßen s t e h e n d e tulpenförmige, achteckige Taufstein datiert au s dem Jahre 18 08. Die übrigen Kunstwerke wie z.B. die vor den flankierenden Altarsäulen knienden Engel sind Einbringungen d e s sp äten 19. wie d e s 20. Jahr­ hunderts. Sie zeugen von dem Wunsch jeder Epo­ che, Ausschm ück un gen nach ihrem Gesch mack und Kunstverständnis hin zuzufügen . Dies gilt auch für den n e ogotisc he n Tabernakel. Für G ottes dien st e wird die Kapelle St. Gallus und Verena seit Errichtung einer 189 9 mit Bene- Prächtige Glocke der Friedhofskapelle. diktion v e r s e h e n e n e ig e n e n Pfarrkirche nicht mehr benutzt. Der 180 6 um die Kirche a n g e l e g te Friedhof wurde 186 6 vergrößert und bei die se r G ele gen ­ heit Kirche und Grabfeld im Grundbuch als Ei­ gentum der politischen Gem einde ein getragen. Durch die Anbringung e in e s G ed en kst eins zum ersten Tannheimer Toten d e s de uts ch-französi­ schen Krieges 1870/71 über dem Sü deingang, der Aufstellung d e s ursprünglich vor der Schule aufgestellten Kriegerdenkmals zum Ersten Welt­ krieg am Friedhofseingang und durch die 2 0 0 6 erfolgte Neug estal tung d e s Ehrenhaines für die Gefallenen und Vermissten d e s Zweiten Welt­ krieges mit erneuerten Porträts im Keramikoval erhält die Friedhofskapelle auch den Charakter einer Trösterin über d a s Leid d e s Krieges. Joachim Sturm Literatur: H erbert Berner (Hg.), Tannheim. Geschichte von Dorf und Kloster am Osthang des Schwarzwaldes (S chriften­ reihe des Landkreises Donaueschingen 31), 1971, S. 169 -174. Deutscher Glockenatlas / (bearb. von Sigrid Thurm), Bd. Auferstehungsgemälde von Karl Merz, 1954. 4, Baden, 1985, S. 602. 122


Der Schwarzwald-Baar-Kreis im Farbbild Wintereiche im Naturschutzgebiet Tannhörnle bei Villingen fotografiert von Gerhard Krieger, VS-Pfaffenweiler 31. Maschgerelauf in Villingen fotograßert von Gerhard Krieger, VS-Pfaffenweiler Herbstliche Baar – im Oktober bei Mundeifingen fotografiert von Wilfried Dold, Vöhrenbach Pferdekoppel bei Heidenhofen fotograßert von Wolf Hockenjos, Donaueschingen Herrgottstag – an Fronleichnam in HUfingen fotograßert von Wilfried Dold, Vöhrenbach Weihnachtliche Schlittenfahrt auf dem Marktplatz von Furtwangen fotograßert von Wilfried Dold, Vöhrenbach Schwenninger Trachten auf dem Muslenplatz fotograßert von Michael Kienzier, Brigachtal Mechanische Weihnachtskrippe in der Schönenbacher Nikolauskirche fotograßert von Wilfried Dold, Vöhrenbach Am Oberen Weiher in Wolterdingen – fotograßert von Gerhard Krieger, Pfaffenweiler. iS










8 . K a p i t e l M u s e e n Schulmuseum Hüfingen eröffnet Wenn der Griffel bei historischen Schulstunden über die Schülertafel huscht In Hüfingen hat die Welt der Schule im alten Bahnhof einen festen Platz gefunden : Mit der Eröffnung d e s S c h u lm u se u m s im Juni 2 0 0 7 schlägt die Stadtverwaltung mit der Präsenta­ tion baden-württembergischer Schul- g e s c h i c h t e im Schwarzwald-Baar- Kreis zugleich ein n e u e s Kapitel Hei­ matge schichte auf. Rund 1,4 Millio­ nen Euro hat sich die Bregstadt den G esamtumb au d e s alten B ahn ho fge­ b ä u d e s ko sten l a sse n . Bereits im Som m e r 2 0 0 5 wurden d a s Ingeni­ eurbüro Thomas Liebert s o w ie da s D on au e sc h in ge r Architektenbüro Alexander Schmid mit den e ntsp re ­ ch enden Planungen beauftragt, auf deren Basis d a s spätere Nutzungs­ konzept für da s 1920 erstellte G eb ä u d e e n t ­ wickelt wurde. Auch Fördermittel für das geplan­ te Schulmuseum im Rahmen der Altstadtsanie­ rung konnten damit beantragt werden. Bereits erste Skizzen der Planer zur bau tec h­ nischen Lösung in dem d enk m alg esc hü tze n Ge­ b äu d e ließen früh erk ennen, d a s s e in e Mehr­ Das Schulmuseum „erste klasse“ hat im vorbildlich sanierten Hü- finger Bahnhofsgebäude eröffnet. fachnutzung nicht nur möglich, sondern sinnvoll erscheint. So entstand im Erdgeschoss nach dem Um­ bau d e s Tr ep pe nh au ses d a s Museum mit einem Foyer auf rund 130 Quadratmetern. Ober- wie auch D a c h g e s c h o s s wurden zu Ferienwohnun­ gen a u s g e b a u t und für die Nutzung d e s früher Im Hüfinger Schulmuseum kann man auch historischen Unterrichtsstunden beiwohnen. 132


Schulmuseum Hüfingen be ge m ach t, in s e i n e n Kel­ lerräumen einen beachtlichen Fundus an alten Schulbänken, Lehrerpult sa m t Rohrstock, Kartenständern mit Karten und Schautafeln, Schulranzen, Fi­ beln, Rechenschieber, Sc h ie ­ fertafeln, Griffelkästen und vieles mehr als stu m m e Zeit­ z e u g e n d e s d e u ts c h e n Bil­ d u n g s w e s e n s für die Nachwelt zu sammeln. Mit dem Projekt der Erinne­ run gs pflege im Jahr 2 0 0 4 im Alten- und Pflegeheim Chris- toph-Blumhardt-Haus in Kö­ nigsfeld wurde von ihm erst­ mals der Versuch unternom men, ein zelne Expo­ nate ein em größeren Kreis zugänglich zu m a­ chen. Ein dauerhafter Raum für ein S c h u l m u s e ­ um konnte d a s Altenheim kaum se in. Axel Strecker war d e sh alb auf der Su che nach g e e i g ­ neten Räumen im Schwarzwald-Baar-Kreis, um so vielen M enschen auf an schauliche Weise die Möglichkeit zu einem bildlichen Streifzug durch die Schu lg eschichte zu ermöglichen. Fasziniert von alter Projektionstechnik. als Lagerschuppen genutzten N e b e n g e b ä u d e s bot sich die Einrichtung e in e s S a a l e s für Klein­ kunst an. Im Anbau sind damit ne ben Vorträgen heute auch Veranstaltungen möglich. Axel Strecker der Begründer Den Stein ins Rollen gebracht hatte Axel Strecker au s Weiler, der die Einrichtung e in e s Schulmu- s e u m s im Schwarzwald-Baar-Kreis als kulturel­ len Beitrag bei der Villinger Sc hu lbehö rde a n ­ regte. Denn als Rektor der Grundschule Neuh au ­ se n hatte er e s sich in über 25 Jahren zur Aufga­ Aus p äd ag ogi sch er Sicht ist ein s o l c h e s Mu­ se um ein wertvoller Beitrag in Sa chen Heimat­ kunde, wie der damalige Schulamtsdirektor Kle­ m e n s Auberle als ein Verfechter d ie se r Idee s o ­ gleich erkannte. Auch d a s s eine so lc h e Einrich­ t u n g sic h durchaus tourism us­ fördernd zu einem Publikums­ m a g n e te n entwickeln kann, b e leg te die Resonanz auf das S c h u lm u se u m in der B o d e n ­ s e e s t a d t Friedrichshafen mit geschätzten 25.000 Besuchern jährlich. Neben Villingen, wo sich d a s Abt Gaisser-Haus an- bot, aber der Gedanke w e g e n der Zus chussfrage nicht w e i ­ terverfolgt wurde, signalisier­ te das Schwarzwälder Freilicht­ m us eu m Vogtsbaue r nhof bei Gutach In teresse an einem Standort für d as künftige Mu­ s e u m . Auch in Hüfingen ließ Axel Strecker bei der Su ch e 133 Alte Unterrichtsmittel wie dieses Planetarium zeigt das Hüfinger Museum gleichfalls.


Museen nach einem Domizil aufhorchen. Der Ruf d e s p as­ sionierte n Sa m m le rs hatte so m it in mehreren Städten auf der Baar einen Widerhall au s g elö st, doch lediglich in Hüfingen zeichneten sich kon­ krete Um setzun gs mög lic hk eite n ab. Für Bürger­ meister Anton Knapp erschien gera de der e h e ­ mal ige Bahn hof in HUfingen gut g e e i g n e t zu sein, zumal er verk ehrsgünstig am Ringzughalt auch für Sc hu lklass en erreichbar ist. Gerhard Nowakowski, Rektor der Schellenber ger Schule in Hausen vor Wald und Bürgermeister Anton Knapp trieben die Idee g e m e i n s a m nach dem Grund satzbesch luss im Gemeinderat voran und knüpften den Kontakt zu Axel Strecker. Schließ ­ lich sicherte sich die Stadt die Option auf die Dauerleihgabe der Exponate nach d e s s e n über­ raschenden Tod im S e p te m b e r 2 0 0 6 vertraglich mit Angelika Strecker. In dem Museum sollte das Lebenswerk d e s 1 9 4 8 in Freiburg g e b o r en en 134 Zweimal Schule: So sah der Unter­ richt in Hüfingen um 1920 (oben) aus. Unten Museumsbegründer Axel Strecker bei einer historischen Unterrichtsstunde. Axel Strecker leb en dig bleiben. Bereits im P la nun gs stad ium reifte e b e n s o die Erkenntnis, d a s s die konzeptionelle Betreu­ un gein er m usea le n Einrichtung d i e se r Art wie be reits erfolg­ reich beim HüfingerStadtmuse- um sinnvol lerweise einem För­ derverein übertragen werden sollte. Das mit Dr. Renate Eppler vom Staatlichen Schulamt Villingen g e m e i n s a m erar bei tete p ä d a ­ g o g i s c h e Konzept sie h t eine Nutzung über ve rsch ie de ne Al­ tersgruppen hinweg vor und bie­ tet dabei themenorientiert Ein­ blicke in die d a m a lig e Sc hu l­ zeit. Vorträge und Präsentatio­ nen, die mit der Thematik kor­ respondieren, sind im Schulmu- s e u m e be nfalls möglich. Das S c h u l m u s e u m so ll Besuchern durch Führungen fundiert er­ sc h l o s s e n werden, denn Schule im Museum soll in d e s mehr se i n , als nur der Versuch Verän­ derungen, Beso nd er he iten und Alltäglichkeiten d e s S c h u l w e s e n s im Schwarzwald-Baar-Kreis zu dokume ntieren. Denn viele Erwachsene können sich heute noch lebhaft an ihre e ig e n e Schulzeit erinnern und w iss en Bescheid über sc hu li s ch es Belehrt- und Erzogensein, für Kinder und Jugendliche ist sie Bestandteil d e s täglichen Le­ b e n s und somit nicht unbedingt e tw as Neues. Um Interessierten aller Altersgruppen den Zu gan gzu dem s p a n n en d e n Thema „Wie war die Schule früher?“ zu eröffnen sind Schreib übun­ gen mit dem Griffel auf der Tafel e b e n s o Be­ standteil der Vorführungen, wie die Demonstra­ tion der knirschenden Gänsefede r auf dem Pa­ pier, w a s ne b e n alten H andarbeitstechniken weitere Einblicke in ve rgan gen e Zeiten auf a n ­ schauliche Weise gewährt. Geräte wie Laterna


Magica, Episkop oder Versu chsanor dnu ngen a u s dem Physikunterricht drehen e b e n s o d a s Rad d e s Schulunterrichts zurück. Das Museum in Hüfingen ist s o zu e inem Ort der B e g eg n u n g mit der Historie ge worde n und bie tet damit auch S c hu lklass e n ein en t h e m a ­ tisch g ebün delte n Rückblick begl eite nd zum Un­ terricht. Ein erster Blick auf die dort ab gebildete Schulwirklichkeit sch eint den Besuchern zu b e ­ stätigen, d a s s sich die Ges chichte im Laufe der ve rg an gen en 100 Jahre zwar verändert hat und d a s s mit Pult, Wandtafel und Schränken a u s g e ­ stattete Klassenzimmer aber noch immer der Ge­ ruch geölter Holzbretter oder d e s Linoleumfuß­ b o d e n s heimelig durchzieht. Auch wenn sich der Unterrichtvon der Tafel- auf die Buchschule ver­ legte: er erfolgt auch heute noch frontal von der Mitte d e s Klassenzimmers aus, auch wenn sich dort lä ng st kein Lehrerpult mehr auf einem er­ höhten P odest gut sichtbar für alle befindet. Historische Unterrichtsstunden Der Freundeskreis S c h u l m u se u m in Hüfingen bietet neben Führungen b e so n d e r e Unterrichts­ stunden an, um die Schu le von ein st heute noch handelnd erleben zu können. Nicht fehlen darf Gerhard Nowakowski (Mitte), Rektor der Schellen­ berger Schule in Hausen vor Wald, sowie Alois Bat- sching (rechts), der frühere Rektor derWessenberg- schule der Jugendhilfeeinrichtung Mariahof, und der pensionierte Herbert Weiss, der Lehrer an der Lucian Reich-Schule war, koordinieren im Freundes­ kreis Schulmuseum den laufenden Betrieb. Schulmuseum Hüfingen dabei natürlich d as Androhen von Strafe, w as gerade bei Jahrgangstreffen für a llgem eine Hei­ terkeit sorgt. Das eine oder andere Familienfest nahm s o ber eits mit einer b e s o n d e r e n Sc hu l­ stunde dort seinen Anfang: Auf den alten Bänken sitzen, mit hartem Griffel auf der Tafel kratzen und knifflige Rechenaufgab en lö se n, da hatte schon m an c h e s betagte Geburtstagskind se ine jug end lic he Freude am S c h u l b e su c h neu e n t ­ decken kö nne n. Vorträge und Präs en tatio nen runden einen nicht alltäglichen Rahmen fürTref- fen Ehemaliger im Schwarzwatd-Baar-Kreis ab. Wer sich zu ein em längeren Verweilen im Hü- finger M useum die Zeit nimmt, kann einze lne Schriftstücke in den Vitrinen sichten oder auch Dokumente und Postkarten rund ums S c h u lw e ­ se n ge na ue r studieren, die dabei zugleich poli­ tische n Zeitgeist erkennen l a sse n . Wie s o n s t könnte man h e u te noch erklären, d a s s etwa Schillers Wilhelm Teil per Rundschreiben von 1941 als Unterrichtslektüre un er wü nsc ht und sta ttd e s se n lieber eine wehr ge is tig e Erziehung ang estr ebt wurde. Ja, s e l b s t d a s Betrachten der einzelnen Schulranzen in gefet te tem Leder, mit Fellbesatz od er so lc h e n a u s Leinen la sse n so manchen Rückschluss auf da s dam alige soz ia le G esellsc haftsg e füge zu. Bei den au sges tel lte n Schriftproben m ag die s jedoch nicht s o leicht auszu m ach en sein. Auch nicht, wie viele Stu n­ den d e s Übens sich dahinter verbargen. Wer Lust hat, kann sich in eine der alten Schulbänk e s e t ­ zen und sich s e l b s t in der 1911 im Auftrag d e s preußischen Kultur- und Schulministeriums von Ludwig Sütterlin entwickelten Ausgangsschrift unter Anleitung versuchen. Weitverbreitet in den ersten Schuljahren war die Schiefertafel, die in Hüfingen für Besucher als Nachbildung gerahmt in Holz und in v e rs ch ie denen Größen neben w e i ­ teren Utensilien ein b e g e h r t e s Souvenir dar­ stellt. Eine e n g e Verzahnung hinsichtlich einer Be­ wirtung durch d a s Hotel Frank ist Bestandteil d e s Konzeptes. Dadurch soll d a s Sc hulm use um mit Führungen auch für den S o n nta gs ausf lugvon Fa­ milien eine Anlaufstelle in Hüfingen neben Rö­ merbad, Sennhofplatz oder Bregaue am Halte­ punkt d e s Ringzuges sein. Ohne Zweifel ist Hü­ fingen mit der Eröffnung um ein e kulturelle Ein­ Franz Filipp richtung reicher. 135


Museen Aus Burg, Schloss oder Vogtshaus? Geheim nisvolle Truhe im Heim atm useum Buchenberg Das 1 9 8 9 im ob eren Stock d e s Bu chenberger Rathauses liebevoll und sachv erst änd igvom ört­ lichen Heimat- und Geschichtsverein ein gerich­ tete Heimatmuseum (siehe Almanach 1996) zählt zu den noch w e n ige r be ka nnt en M use e n d e s Landkreises. Neben überregional b e de ute nd en Gemälden wie denjenigen Otto Leibers b e i sp i e ls w e is e , n e ­ ben der romanischen Skulptur d e s Buchenber­ ger Herrgöttles oder vielfältigen Ze ug nissen der Wohn-, Lebens- und Arbeitswelt d e s Schwarz­ w a l d e s findet sich dort manch über rasche ndes Stück. Überhaupt sind die dort a u s g e s te l l te n und durch r eg e lm ä ß ig e S on d e r a u ss te l lu n g e n ste ts in neuer Sicht ersch ei nend en Objekte zur v e r g a n g e n e n Le be ns w elt rund um d a s Glas­ bachtal durch ihre Qualität und ihre Exempla- rität vielfach Kleinode. Einzigartige Schranktruhe Eines der sc h ö n ste n und mit se ine n über 75 kg sicherlich schw er ste n Exponate die se r s e h e n s ­ werten S am m lun g ist eine in d a s 17. Jahrhundert zu datierende eiser ne Schranktruhe. Sie scheint ein äu ßerst s e l t e n e s , wenn nicht gar einzigarti­ g e s Exemplar. Bis heute konnte kein w eit er es Stück d i e s e s Typs in einem Außen schmücken die Buchenberger Truhe florale Verzierungen im Stil des Barocks. Museum, einem S c h l o ss oder einer Burg in Eu­ ropa n ac hge w ie se n werden. Die Truhe zählt zu den wichtigsten Möbeln d e s Mittelalters und der be ginn en de n Neuzeit. Als vers ch lie ßbares Be­ hältnis zur Au fbewa hr un g persö nlicher Habe entsp rach si e zuers t den Erfordernissen der noch zwisc hen ihren v e rs ch ie denen Residenzor­ ten bzw. B e h a u s u n g en (Burg, S c h l o s s , S tad t­ w o h n u n g etc.) r eise nd en Ange hör ig en d e s Adels. Kunstvoll bearbeitet, mit S c h l o ss wie hier in Buchenberg gesi chert und mit Beiladen und Fächern ausges tattet , war sie s c h ü tz e n d e s Mö­ belstück im direkten Umfeld d e s Besitzers, wo- Eine Kostbarkeit ist die Schranktruhe im Museum Buchenberg, sie gilt als ein­ zigartig.


Die Buchenberger Truhe ist von an­ deren Kostbarkeiten umgeben, so vom bekannten „Herrgöttle“ im Original und als Gemälde von Otto Leiber. von die auf G em äl de n oft zu s e ­ he n d e Aufstellung direkt am Bett zeu gt. Noch im 15. und 16. Jahr­ hundert ist die Aufstellung der Tru­ he an der L äng sse ite d e s Be ttes verbreitet, da d i e s e auch als Stufe dienen konnte, um in d a s höher g e l e g e n e Bett zu gela n gen . Lange blieb die Truhe n e b e n dem sich s e it dem 14. Jahrhundert e n t­ wickelnden Schrank ein zentrales Stück der Ein­ richtung einer repräsentativen Wohnstatt. Die Truhen erleichterten den Ortswechsel Gerade die Möglichkeit, si e bei O rtswechseln mitzunehm en, prädestinierte si e jedoch gleich­ z eiti g für b e s o n d e r e Situ atio nen. Im Dreißig­ jährigen Krieg dienten Truhen aufgrund der Ei­ senverstärkung und Auskleidung mit Metall im­ mer größeren Gewichtes oft als fahrbare Regi­ ments-Kasse, da sie nichtzu leichtzu entwenden waren. So g e s e h e n ist die Truhe Vorläufer der sp äter in den Amtsstuben auch der Gemeinden d e s Landkreises aufgestellten Panzerschränke. In ihrer kleinsten Form hingegen, dem fein einge­ legten Minnekästchen – heute Schmuckschatul- le – war si e eine schr einerische Kunstarbeit und fand ihre Aufstellung in den höfischen Räumen. Die Buchenberger Schranktruhe allerdings entzieht sich bislang jeder Einordnung, da sie statt e in e s Deckels zwei Flügeltüren besitzt. Sie ist ein bisher einzigartiges Zwisc he nm öbel zwi­ sc he n Schrank und Truhe, d a s auch durch se ine Einbauten d i e s e Zwitterstellung wiederholt. Während die als Tresor oder zur Aufbewahrung von W e rtge gen ständ en d i e n e n d e linke Innen­ se i te eher der Truhe zuzuordnen wäre, gleicht die mit zahlreichen kleinen und größeren Sc hu b­ laden v e r s e h e n e rechte Innenseite eher einem Sekretär und damit ein em Schrankmöbel. Da­ durch gibt sich die Schranktruhe auch als eine Geheimnisvolle Buchenberger Truhe s p ä t e Fortentwicklung e i n e s spätmittelalterli­ chen Mobiliarstücks zu erkennen, d a s letztmalig Elemente der Truhe mit denjenigen d e s inzwi­ sc he n se hr viel weiterverbreiteten Schrankes zu verbinden sucht. Entstehungszeit wohl im frühen Barock Weitere Hinweise auf ihre Entstehungszeit und ihr möglic he s Herste llungsgebie t g e be n die s o ­ wohl außen auf den Bändern angebrachten Ver­ zierungen wie auch die Innenverkleidung d e s Riegelwerks in Form einer in Ornamenten a u fg e ­ lösten Eisenplatte. Die auf allen Se iten a n g e ­ brachte Ornamentik mit ihrem recht groben Ran­ kenwerk enthält als zentrales Element eine ein ­ fache Blüte, an den Seiten ergänzt durch kaum sichtbare m e n sc h lich e Köpfe und Büsten, die Ornamentdetail des Truhen-Innenbeschlags: in ba­ rocker Manierverwobene Fabelwesen und Pflanzen. 137


Geheimnisvolle Buchenberger Truhe Von oben links: Detail der Buchenberger Truhe: Sorgfältig gearbeitete und verzierte Schubladen. Ei­ ne Rarität im Museum ist das Glas aus lokaler Pro­ duktion. Unten rechts: Blick in ein bäuerliches Schlafzimmer. man, da zum Teil von o ben her abscha uen d, auch als Engel interpretieren könnte. Die den S c h l o s s ­ m e ch a n ism u s der Innenseiten ve rd ec ke nd e Ver­ zierung schließlich w ebt in die Pflanzen die Ge­ stalt und d a s Gesicht von Fabelwesen ähnlich den in Schwarzwälder Gärten oft zu e n td e c k e n ­ den Wurzelgestalten. Diese Ornamentik scheint auf eine Entstehungszeit im (frühen) Barock vor 1 65 0 zu de u te n , w e n n g le ich a nd er e zentrale Sc h m u ck el em en te wie b e i s p i e ls w e is e d a s weit verbreitete Akanthusmotiv fehlen. Insgesamt aber w e ist die Ornamentik auf eine Entstehung bis zum Ende d e s 17. Jahrhunderts im s ü d w e s t d e u t ­ sche n Raum hin. Nach A u ssa g e n d e s letzten Besitzers der Schranktruhe stand d i e s e seit unvordenklichen Zeiten im Tälebauernhof nahe der Zollstation auf de m Brogen. Sie diente dabei sicherlich nicht zur Aufbewahrung der Einnahmen d e s Zollhal­ ters. Hierfür ist si e im Geg ens atz zu anderen b e ­ kannten Verwahrmöbeln der Verwaltung viel zu aufw ändig und kunstvoll gestaltet. Eine bisher nicht widerlegte Vermutung hält si e für ein ste he n g e b l ie b e n e s Relikt a u s der Zeit d e s französischen Erbfolgekrieges. Dies hat e i ­ ni ge s für sich, denn z o g doch 1703 der französi­ s c h e General Villars mit se in e m Heer über den Brogen wie auch 1704 wiederum d as französi­ sc h e Heer unter MarschallTallard am Brogen vor­ bei se ine n Weg nahm. Das sc hw er e Stück könn­ te Teil einer Kriegsbeute a u s einem S c h l o ss oder 13 8 einem Kloster, vielleicht gar au s den Räumen ei­ ne s ho chgestellten Bürgers g e w e s e n sein, da s auf dem Rückmarsch u n bequ em geworden war und d e s s e n man sich daher schnell entledigte. Aber vielleicht gibt e in e s Tages einer der rund tausen d jährlichen Besucher d e s M use um s den Joachim Sturm e n t sc h e id e n d e n Fingerzeig. Heimatmuseum Buchenberg im Alten Rathaus (Ortsverwaltung) geöffnet Mai bis Septem ber : jeweils s a m s t a g s 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr November bis April: jeweils am 1. S a m s t a g d e s Monats von 14 .0 0 Uhr bis 1 6.00 Uhr


Krippenbauer Arnold Kemmerle Der Schönenbacher baut seit m ehr als 20 Jahren kunstvolle W eihnachtskrippen 9 . Ka p i t e l B r a u c h t u m Wenn sie bei ihrem nächsten Waldspaziergang einem sportlich-drahtigen jungen Mann b e g e g ­ nen, der einen prächtigen Husky an der Leine führt, dann wundern si e sich nicht, wenn er sich gelegentlich bückt, um nach irgend ein em Ge­ ge nst an d am Boden zu greifen! Nicht für seinen Hund sammelt er Holz- und Pflanzenteile, sondern für seine nebenberufliche Hauptleidenschaft: Ar­ nold Kemmerle a u s Vöhrenb ach-Langenb ach baut Krippen. Für ihn ist d a s nicht nur vorweih­ nachtliche Bastelei, um den häuslich en Weih­ nachtssc hm uc k zu ergän zen, vielmehr ist dieser Mann se it be inahe zwanzi g jahren stä ndig b e ­ fass t mit dem Entwerfen von Landschaften, Ge­ bäuden und detailgetreuen Interieurs für die Weih­ nachtssz en e. Wer je d a s Glück hatte, ein e der Krippenaus­ st ellungen zu b e su ch en , die alle drei jahre im Sc hön en bacher Dorfgemeinschaftsraum veran­ staltet werden, der wird e r m e s s e n können, mit w elchem Ideenreichtum, mit wie viel handw erk­ lichem Geschick, Geschmack und Stilsicherheit er am Werk ist. Seine Tätigkeit als Hobby zu b e ­ zeichnen, wäre Untertreibung, er arbeitet beruf­ lich ebenfal ls stän d ig schöpferisc h mit Natur­ materialien: Arnold Kemmerle ist Koch im Furt- wanger Altenheim St. Cyriak. Nach seine r Lehre beim Chefkoch d e s Krankenhauses hat er sich durchaus in der weiteren Welt u m g e se h e n : Auf den „Adler“ in Hinterzarten, folgte ein h alb es Jahr Arbeit auf Hawaii, wo e r e s sich nicht e n t g e ­ hen ließ, den Ironman a u s nächs ter Nähe mitzu­ erleben, nachdem er s e lb st schon dreimal am Triathlon in Rot/Franken te il g e n o m m e n hatte. Auch auf sportlichem Gebiet verlangt er sich al­ so hä rte stes Training und Hochleistungen ab. Weihnachtskrippen älter als der Christbaum im s ü d d e u t s c h e n Weih nachtskrippen ha ben Raum jahrhundertelange Tradition. Die figürli­ che Darstellung der G eschehnisse in der Heiligen Nacht gehörte, wie in den meis ten katholisch g e ­ prägten Ländern, in j e d e s Haus, lange bevor der Arnold Kemmerle mit einer seiner Kunstkrippen, die überall bei Ausstellungen bewundert werden.


Krippenbauer Arnold Kemmerle Weihnachtsbaum in den deu tsch en Wohnstuben zu leuchten begann. Arnold Kemmerle Ist seit se i­ ner Kindheit mit Krippen gleich doppel t vertraut: In seinem Schön en bacher Elternhaus stand sie von Dezember bis Lichtmess im Zimmer und gleich ne benan , in die St.-Nikolauskirche pilgerten die Bewohner d e s Bregtals – und nicht nur die Kin­ der – zu der große n m e ch an ische n Krippe am Marienaltar. Möglicherweise unterschwellig hat di e se kunstvolle Krippenanlage mit der hoch auf­ getürmten Berglandschaft, mit ihren Höhlen, Fels­ grotten und Tunnels ihn geprägt, denn schon in se in e m ersten Werk macht die Landschaft einen großen Teil der Faszination aus. Sie ist „kompo­ niert“ um die Pappmache-Figuren, die Vater Kem­ merle seinem neunjährigen Sohn geschenkt hatte. Auch das Innenleben stimmt exakt W a sd e n B e s c h a u e r im m e r w ie d e r s ta u n e n lässt, ist die Unbestechlichkeit, mit der er nur „e ch te “ Materialien einsetzt. Beispielsweise hat er für ei­ ne große Schwarzwaldlandschaft in z w eistün di­ ger Arbeit mit der H andsäge vor Ort einen g e w a l­ tigen Wurzelstock zerlegt, den er während einer Radtour auf dem Furtwängle entdeckt hatte. Zu Hause fügte sich d a s naturgebleichte Gebilde dann harmonisch in eine Bauernhofidylle ein, die den Schauplatz für da s Leben der Heiligen Fami­ lie darstellt. Und wer e s nicht g e s e h e n hat, kann e s sich nicht vorstellen, auch all die Gebäude in 1 4 0 Die Krippen von Arnold Kemmerle erzählen die Weihnachtsgeschichte auf ihre eigene Weise – mit Ausdruck. Alle Szenen sind gut geplant und die Fi­ guren sind keine „Massenware“, sondern werden von angesehenen Bildhauern eigens geschnitzt. den unterschiedlichsten Landschaften sind nicht etwa bloß e Attrappen, vielmehr stimmt da s In­ nenle ben e in e s Stalls oder Bauernhau se s exakt, bis hin zur Raumaufteilung und der Stu b e n e in ­ richtung. Auf vorgefertigte Versatzstücke – au s dem E ise nb ahnm od ellbau – greift Kemmerle äuß er st se lten zurück, h ö c h s t e n s , wenn bei Kleinstformaten der Aufwand an Handarbeit in keinem Verhältnis mehr zum op tischen Effekt stü nd e, wie etwa bei dem winzigen Reisigbün­ del, d a s in der Dachluke e in e s Stalls zu s e h e n ist. Mauerwerkz.B., könnte ja auf einen Hintergrund gemalt sein, nicht so bei Arnold Kemmerle, er lässt sich S a n ds teinp la tte n ins richtige Format z u ­ rechtsägen, um dann die „Z iegelsteine“ mit Mör­ tel sau be r aufzumauern. Der S c h n ee auf den Dächern und Bergen s e i ­ ner großen Winterkrippe kann zwar natürlich kein echter sein, doch immerhin hat er dafür ein e i g e ­ ne s Rezept entwickelt auf der Basis von Isolier­ schaum und Styropor. (DieAnleitungdazu gibt er jederzeit preis.) Längst sind s e in e Krippen nicht mehr nurauf Platten montiert, hinter die eine bemal te Rück­ wand be fe stig t wird; e s fordern ihn i m m e r w i e d e r n e u e Formate zurGestaltungheraus: Holzkäs­ ten von der Größe e in e s Stu­ benfensters etwa, bilden einen g e s c h l o s s e n e n Raum für einen engen Dorfwinkel mit Wohn haus und Stallungen; von innen sind die Gebäude zwar beleuchtet, doch der Glanz der so e b e n Für den Schnee in seinen Krip­ penwelten hat Arnold Kemmerle ein eigenes Rezept – auch dieser Teil seiner Kunstkrippen ist lie­ bevoll ausgearbeitet.



Brauchtum Eine orientalische Krippe. durch ein Tor hereindringenden drei Könige mit ihrem Gefolge überstrahlt die schlichte dunkle Alltagsszenerie u m s o wirkungsvoller. Auch kleine Kastenkrippen e n tste h e n unter Kemmeries Händen, häufig in Form von Uhren­ kästen, manchmal in Stalllaternen, immer jedoch üb erzeugen si e in den Proportionen und schaf­ fen die Illusion einer kleinen traulichen Welt. Zauberhafte Wintenveit, im Hintergrund ragt der Kirchturm der Heimat Schönenbach auf. 142 Solche Art tragbarer Krippen waren früher in den Alpenlän ­ dern von Kindern zum „Hei­ s c h e n “ von Haus zu Haus getra­ gen worden, doch beim Krippen­ bauer von heute sind di e se Kunst­ werke im Kleinstformat nicht mehr in dieser Weise z w e ck g e ­ bunden, sondern b ezeu gen nur die unerschöpfliche Fantasie, die sich durch jeden Fund auf einem Trödlermarkt oder im Internet ent­ zünden lässt. Hat er überha upt Vorbilder nötig? Sicher b e su ch t Kemmerle j e d e erreichbare Krippenaus­ stellung und von den berühmten Museen hat ihn die Krippenab­ teilung im Münchner Nationalmuseum am ti ef s­ ten beeindruckt. Aber er bekennt, allein der An­ blick e in e s Figurensatzes la sse vor se in e m in n e­ ren Auge sofort eine komp lette U mge bu ng e nt­ ste h e n . Und die zu verwirklichen reizt ihn bis­ weilen derart, d a s s er jede Minute Freizeit d a ­ ransetzt, auch wenn dann da s Wohnzimmer für fünf Wochen mit Material und Werkzeug übersät ist. Leicht ein zu se he n, wieviel Herzblut an einem solche n Werk hängt, da s er dann kaum je ver­ kaufen mag, denn woran sollte der Preis b e m e s ­ se n werden! Begehrt wären d i e s e prachtvollen Sc h ö p fu n g en durchaus, wem der Kaufpreis unerschwinglich sc he int oder ganz einfach der Stellplatz fehlt, der kann immer­ hin für die Weihnachtszeit ein e Krippe a u s le i h e n . (Informatio­ nen ü b e r d a s A u s l e i h e n derKrip- pen unter 07727-7787.) Geld gibt er in erster Linie selbst aus, und zwar u m s o mehr, je hö­ her s e i n e e ig e ne n Ansprüche an Perfektion werden. Je zierlicher der Laternenkasten oder der Holzstall ist, d e sto feiner a u s g e ­ prägt wird die Haltung oder die Gestik der Person en sein m ü s ­ s e n . Zum große n Glück für Ar­ nold Kemmerle b e ste h t da n kd er


Krippenbauer Arnold Kemmerle Vermittlung eines befreundeten Krippenbauers seit einigen Jahren enger Kontakt zu den Ober- amm ergauer Holzbildhauern Haseidl und W ag­ ner. Mit ihnen bespricht er genau, welche Kör­ perhaltung und -drehung eine Figur in bestim m ­ ter Größe haben soll und so wird sie exakt ge­ fertigt. Die Wurzelstöcke und Pflanzen fü r seine Krippen­ welten fin d e t A rnold Kemmerle bei Spaziergängen im Wald. Rechts oben: Eine Laternenkrippe. Jedes Detail, lom Reisigbündel über die kleine Laterne bis hin zum Wagenrad is t selbst gebunden oder gefer­ tigt, überall g ib t es etwas Reizlolles zu entdecken. Ein Idealist m it vielen Helfern Fürs „D rum herum“ hat der Künstler bereits ein zuverlässiges Netzwerk von Helfern: Sein Bru­ der, von Beruf Schreiner, sägt die großen Holz­ teile zurecht, ein Uhrenschildermaler besorgt das Bemalen der Hintergrundplatten, auf denen übri­ gens immer der spitze Schönenbacher Kirchturm zu sehen sein muss, auch das eine ganz per­ sönliche Note. Leisten kann sich der Krippenspe­ zialist all seinen Aufwand eigentlich erst, seit er selbst ein Kochbuch geschrieben und herausge­ geben hat, und daneben gelegentlich auch Auf­ tragswerke annimm t in Form von Umarbeitung oder Ergänzung von Krippen, die den Ansprüchen ihrer Besitzer nicht mehr genügen. Auch bei sol­ chen Arbeiten kommt ihm sein untrüglich siche­ res Stilgefühl zugute. Unvorstellbar, dass Arnold Kemmerle je die Ar­ beit ausgehen könnte, auch wenn ihn während der Sommerzeit das Training für die Mountainbike- Rennen in Anspruch nimmt. In seiner Werkstatt am Dachboden warten bereits etliche Figuren- sätze verschiedener Formate darauf, in die pas­ senden Gebäude und Landschaften gebettet zu werden, und außerdem: was kann man nicht al­ les am Wegrand entdecken, auch vom Fahrrad aus! Bel allem Tempo, mit dem sein Leben ab ­ läuft, genießt er ganz bewusst das Eintreten in sein „M useum “ , hier taucht er in eine stille ei­ gene Welt ein. Als Andachtsbilder waren Krip­ pen schließlich seit jeher gedacht. Elke S chön 143


Brauchtum Seit loo Jahren Brauchtumspflege B eim T ra c h te n v e re in S t. G e o rg e n b le ib t d ie „ g u te a lte Z e it“ le b e n d ig In der heutigen schnelllebigen Zeit, in der Hek­ tik und Stress den Alltag bestimmen und nur das Morgen zählt, ist der Blick zurück eine Ausnah­ me. Ein Verein, der sich den Blick in die Vergan­ genheit bewahrt hat, istderTrachtenverein in St. Georgen. Er hält das Brauchtum aus vergange­ nen Tagen aufrecht. Insbesondere die St. Geor­ gener Tracht, die seit 100 fahren in unveränder­ ter Form getragen wird. Die älteste Aufzeichnung über die Tracht stammt aus dem Jahre 1795, sie beschreibt die Frauentracht: „Schwarzzeugener Rock oder Wilf- ling, Schlupfrock (Unterrock), Wullen Hemd, Für­ tuch, grüne oder schwarze Kappe, w eiße Haube, Flor, Goller, Brusttuch, Weste, Gürtel, ein Paar w eißw ollene S trüm p­ fe, ein Paar Schuhe.“ Daraus ist zu erse­ hen, dass viele Teile der heutigen Tracht schon dam als ge­ bräuchlich waren. An Festtagen durfte das unlerheirate­ te M ädchen den bis zu drei Kilo schweren Schäppel (Brautkrone) tragen. An einem Drahtgestell s in d die Schm uckteile befestigt, die aus lielen Stoffrosen, Glas­ kugeln, kleinen Spiegeln, Flit­ ter, Glasperlen und Glasku­ gelketten bestehen. Diese Teile waren früh e r sehr wertloll, so dass der Bau­ erzeigen konnte, wie reich er war. Der Schäp­ p e l w ird m it Baum woll- bändern an den Zöpfen befestigt. 1 4 4 Die Tracht lon St. Georgen im Spiegel historischer Darstellungen, lon ob. links: Junge Frau in St. Geor­ gener Tracht, im H intergrund die elangelische Kir­ che, um 1860. Ü brige A bbildungen: kolorierte A n­ sichtskarten um 1890 bis 1920. Ihre Rolle im Alltag hatte die Tracht zu dieser Zeit schon längst einge­ büßt. Dass die Tracht aus dem A lltag lerschwindet, sprich lerschwunden ist, wurde m ehrfach bereits um 1840 im Schwarzwald beklagt. Doch wie nahezu überall im Schwarzwald brach­ te das 19. Jahrhundert das „Aus“ für die Tracht. Für die bäuerliche Kleidung war im Zeitalter der Industrialisierung kein Platz mehr. Es galt nicht mehr als chic, sich in der aufstrebenden In­ dustriestadt in der „H ippe“ , wie das bäuerliche Outfit im Dialekt genannt wird, zu zeigen. Dass die Tracht dennoch bis heute in unveränderter Form getragen, sprich be­ w ahrt wird, ist auf das gute Gedächtnis der Groß­ herzogin Louise von Baden zurück­ zuführen. Diese weilte mit Großherzog Friedrich I. anlässlich einer Gewerbe­ ausstellung 1884 in St. Georgen. Sie wurde von 70 Schäppelmädchen em p­ fangen und bekam als Geschenkeinen prächtigen Brautschäppet ü ber­ reicht. 21 Jahre später, 1905, nahm die Großherzogin an einem Trachtenfest in Ober- prechtal teil und vermisste die St. Georgener Tracht, die ihr wohl aufgrund des eindrucksvollen



Brauchtum Trachtenschneiderinnen bei d er Arbeit. Die St. Georgener Tracht in aufw ändiger H andarbeit nach O rigina l­ mustern hergestellt. Empfangs durch die 70 Schäppelmädchen noch gut in Erinnerung geblieben war. Sie nahm den St. Georgener Fotografen Fritz Schultheiß ins Ge­ bet, der ihr versprechen musste, sich für den Er­ halt der wunderschönen Tracht des St. Georgener Kirchspiels einzusetzen, was er auch zusagte. Nach seiner Rückkehr be­ richtete Fritz Schultheiß sei­ nem Freund, dem H eim at­ dichter Rudolf Wintermantel, von der Begegnung mit der Großherzogin und ihrem gro­ ßen Wunsch. W interm antel hatte zu diesem Zeitpunkt be­ reits mehrere Gedichte und Theaterstücke in Mundart ver­ fasst, die unter der Regie von Fritz Schultheiß von einer im ­ mer größer werdenden Thea­ tergruppe ab 1905 aufgeführt wurden. Aus dieser Theater­ gruppe heraus bildete sich nun die Trachten­ gruppe, bis im Jahri907derTrachtenverein St.Ge- orgen unter Vorsitz von Rudolf Wintermantel ge­ gründet wurde. Das war der Beginn zum Erhalt R udolf Wintermantel, G rün d e rde r Trachten- g ruppe St. Georgen. 1 4 6 D ie B ra u t, d ie a m H o c h z e its ta g n ic h t w e in t , d ie s n a c h h e r u m s o m e h r m u s s … Einige populäre Schwarzwaldreisende haben die St. GeorgenerTracht beschrieben, so auch der Schriftsteller Wilhelm Jensen in seinem Schwarzwaldreisebuch von 1900: „Die weibli­ che Tracht erinnert mit ihren gezipten Strohhü­ ten mit schwarzen Wollrosen an die des Schap- bach- und Gutachthaies, ist indes zumeist pro­ testantisch einfacher als die der katholischen Bevölkerung. Eine Ausnahme macht der Braut­ anzug mit der w undersam en, Schappel ge­ nannten (altnordisch skapla, ‘Hut für alte Frau­ en’) Brautkrone. Diese besteht, wie ein Turban oder mehr noch wie ein Rad gerundet und nur auf dem Scheitel liegend, aus einem schuhho­ hen, mit Perlen, bunten Steinen und Flitter­ gold gezierten Aufsatz. … So schreitet die Braut stets vorschriftsmäßig unter Tränen zur Kirche, letzteres nicht um ihrer schweren, müh­ sam balancierten Kopflast willen, sondern weil die Braut, die am Hochzeitstag nicht weint, dies nachher umso mehr muss…“


und zur Pflege von St. Georgener Tracht und Brauchtum, wie es dem Wunsch der Großherzogin entsprach, der bis heute in Erfüllung gegangen ist. lo o fahre später wird das Erbe zum Erhalt der St. Georgener Tracht noch immer aufrechterhal­ ten. Die unverfälschte Pflege wird von Generati­ on zu Generation weitergegeben. Dafür sorgten auch stets die Vorsitzenden, darunter Hermann Ettwein, Alfred Ettwein, M atthias Stockburger, Erich Stockburger, Christian Staiger, Kurt W in­ termantel, Renate Beha und Bernhard Borho, der den Verein seit sechs Jahren leitet. Aufw ändige H andarbeit erforderlich Dafür, dass die St. Georgener Tracht bis heute absolut identisch hergestellt wird, sorgen die Trachtenschneiderinnen und Schäppetmache- rinnen des Trachtenvereins. Drei Frauen beherr­ schen noch das seltene Handwerk und stellen die insgesamt zwölf Einzelteile in aufwändiger Handarbeit her. Vom Unterrock über den „Goller“, einem Halsmäntelchen, bis zum mit roten oder schwarzen Wollrosen bestückten Strohhut. Nicht Trachtenverein St. Georgen zu vergessen die bestickten Schürzen. Was es mit den roten und schwarzen Rosen auf sich hat, erklärt Marion Borho, eine der drei Trachtenschneiderinnen aus St. Georgen: „Ab der Konfirmation dürfen die Mädchen den Hut mit den roten Rosen tragen. Nach der Hochzeit tra ­ gen sie dann den Hut mit den schwarzen Rosen“ , erklärt sie. Eine der auf­ wändigsten Arbeiten ist das Verzieren der Trachten­ bluse, des so genannten Hippenhemdes. Dabei wird der Stoff am Ärmelende in kleinste Falten gelegt und mit Spitzenbändchen fi­ xiert. Ein einzelner Ärmel besteht aus bis zu 130 solch kleiner Falten. m ation bis zu r Hochzeit tragen die Mädchen Nach der Konfir­ einen Hut m it roten Rosen. Unzählige Arbeitsstunden sind notwendig, bis eine St. Georgener Tracht fertig ist. Die Tracht wird übrigens nicht nur in St. Georgen in dieser Form getragen. Sondern in den ganzen Gemein- Eine aufwändige Stickarbeit ist die besonders schöne Fahne der Trachten­ g ruppe lon St. Georgen aus dem Jahr 1957. Sie zeigt ein Trachten­ p aar m it dem Leitspruch des Trachten­ gaues Schwarzwald: „ S itt und Tracht der Alten wollen w ir erhalten. “


Brauchtum Trachtengruppe Sh Georgen i.Schwarzw, Die Trachtengruppe a u f einer historischen Ansichtskarte um 1930. den des evangelischen Kirchspiels, zu denen ne­ ben den St. Georgener Ortsteilen Brigach, Lan- genschiltach, Peterzell, Stockwald und Stock­ burgauch Buchenbergund derevangelischeTeil von Tennenbronn gehören. Das Prunkstück der St. Georgener Tracht ist der prächtige Brautschäppel (siehe auch Seite 144). Die mit Glaskugeln, Stoffrosen, „Zitterle“ und Spiegeln besetzte Brautkrone ist in ihrer Größe einzigartig in der Region. Wenn derTrach- tenverein bei Umzügen und Trachtentreffen sei­ nen kompletten Hochzeitszug zeigt, geht stets ein Raunen durch dieZuschauerreihen, die mäch­ tigen, drei Kilo schweren Brautschäppel werden stets bewundert. Botschafter für St. Georgen Wenn der St. Georgener Trachtenverein oft als „Botschafter für die Stadt und den Schwarzwald“ bezeichnet wird, ist damit die internationale Re- präsentanzderSt. GeorgenerTrachtund das Ver­ mitteln Schwarzwälder Kultur in der ganzen Welt zu verstehen. Schon in den Anfangsjahren reiste der Trachtenverein zu Trachtentreffen unter an­ derem nach Karlsruhe. Ende der i95oer-Jahre nahmen die St. Georgener Trachtenträger das 1 4 8 erste Mal am Umzug beim Münchner Oktober­ fest teil. Besuche in der französischen Partner­ stadt St. Raphael 1979 und beim internationalen Trachtentreffen in Annemasse 1982, bei der die Bergstadttracht den ersten Preis erhielt, waren weitere Höhepunkte der vielen Aktivitäten in der internationalen Brauchtumspflege. In den neun­ ziger Jahren repräsentierte derTrachtenverein sich und die Region Schwarzwald unter anderem in Dä­ nemark und der Slowakei sowie in den neuen Bun­ desländern. Die bislang w eiteste Reise führte im Jahr 2 0 0 0 in die USA. Dort nahm der Verein auf Einla­ dung eines ehemaligen St. Georgeners, der nach New Jersey, einem Nachbarstaat des Bundesstaa­ tes New York ausgewandert ist, an der Steuben- parade in New YorkCity teil. Mehrere hunderttau­ send Amerikaner jubelten den „very nice people from Black Forest“ beim farbenprächtigen Umzug durch die Straßenschluchten von Manhattan zu. Rund 2 0 0 M itg lied er und viel Nachwuchs In seinem Jubiläumsjahr ist der Trachtenverein gut aufgestellt. Rund 2 0 0 M itglieder hat der Ver­ ein, knapp die Hälfte ist aktiv. Zum Verein ge­ hören neben der reinen Trachtengruppe auch ei-


Schwarzwal ne Tanz-, Theater- und Glockenspielgruppe sowie seit zehn Jahren eine Stubenmusik. Auch um den Fortbestand braucht sich derTrachtenverein St. Ge­ orgen keine Sorgen machen. In der jugendtanz- und Jugendglockengruppe sind zahlreiche Kinder und Jugendliche davon begeistert und stolz d a­ rauf, die St. Georgener Tracht zu tragen und da­ mit das Brauchtum am Leben halten zu dürfen. In seinem Jubiläumsjahr zum 100-jährigen Bestehen in 2007 war derTrachtenverein St. Ge­ orgen zum sechsten M al Ausrichter des Gau­ trachtentreffens des Trachtengaus Schwarzwald. Knapp 2 .0 0 0 Trachtenträger richteten einen far­ benprächtigen Umzug aus, mehrere zehntausend Menschen aus nah und fern säumten die Stra­ ßen. Im pressionen lom Trachtenfest zum 100-jährigen Bestehen der Trachtengruppe St. Georgen – n atür­ lich war neben dem Hochzeitszug und der Kinder­ gruppe auch der Schwarzwälder U hrenträger dabei. Der Trachtenverein erwies sich damit erneut als würdiger Botschafter der Stadt St. Georgen, als lebendige Gemeinschaft, die ein wertvolles StückStadtgeschichte bewahrt. R o la n d S p rich 1 4 9


i o . Ka p i t e l ■ M u s i k 30 Jahre VS swingt – eine Erfolgsgeschichte Das hätte sich am 2 8 . November 1970 in der Aula des Deutenberg-Gymnasiums in Schwenningen keiner träu­ men lassen, dass aus diesem ersten Konzert einer neu ins Le­ ben gerufenen K onzertreihe der d am aligen K ulturgem einde Sch w enn ing en , das an jenem A bend d ort über die B ühne g in g – Blues m it W illie Dixon and His Chicago Blues All Stars – eine nicht nur für unsere Region erfolgreiche Geschichte w erden w ü r­ de. Aber: 2 0 0 6 fe ie rte man im T he a te r am Ring die 3 0 . A usgabe von VS s w ing t, des Intern atio nalen Jazzfestivals V illin gen – Sch w enn ing en , das aus d ieser K onzertreihe als w eiterfü hrend e V e ranstaltun g hervorging. Eine Veranstaltun g , die sich W e ltg e l­ tu n g v e rs c h a fft hat: w ie sonst lie ß e sich d ie lange R eihe der W e lt stars e rklären , die im O berzentrum Villin gen -S ch w enn ing en b e­ reits zu hören war. Hingabe an die M usik und faszi­ niert lon „ VS sw in g t“: Melissa Walker. Unten: M onty Alexander Lionel Hampton, ein Weltstab inYS . Sein‘ A u ftritt war um jubelter Höhepunkt der Pre­ m iere 1977 im Theater am Ring. „f:y



Musik wurde mit diesem Großereignis eine Wende in der Geschichte von „VS swingt“ eingeläutet, denn bereits in diesem Jahr verlegte man „VS swingt“ in die Neue Tonhalle und nordete den Pro­ grammablauf auf neue, jüngere Zielgruppen aus, ohne die bisherigen, treuen Fans zu verprellen. Und der auch in diesem Jahr nahezu program­ mierte Erfolg gibt den Machern Recht und macht Mut zu neuen Taten. Pat M etheny, Keith Jarrett, Kid Thomas… In den sieben Jahren, die die neue Konzertreihe „Jazz und Pop“ der Kulturgemeinde Schwennin­ gen, die beim Zusammenschluss der beiden Städ­ te von der Villinger „Theatergemeinde“ übernom­ men wurde, bis zum ersten Festival im April 1977 hinter sich brachte, durften die vielen Jazzfans in der Region großartige Konzerte und vielverspre­ chende Jungstars erleben. Wer kann es sich heu­ te noch vorstellen, dass bereits 1974 Pat M eth e ­ ny mit Gary Burton und seinem späteren Pianis­ ten Lyle Mays im Theater am Ring auf der Bühne stand, Keith Jarrett, am Tag vor dem berühmten Köln-Konzert, im Theater am Ring am Klaviersaß und ein ebenfalls von ECM mitgeschnittenes Konzert gab, von dem manche behaupten, Frag­ mente des Villinger Konzerts auf der LP des Köln Concert wiedererkennen zu können, dass Larry Coryell mit Randy Brecker, Danny Trifan und Al- phonse Mouzon in der Tonhalle nach einem gefeierten Auftritt beim M ontreux Festival ein zweites Konzert in Euro­ pa gab. g e n “ , d ie L eg end en d es N e w O rle a n s A uch „ a lte H a u d e ­ Jazz, s ta n d e n im V illin g e r T h e a te r B ü h n e . am R in g a u f d e r Und an gleicher Stel­ le eine Gruppe von alten Haudegen des origina­ len New Orleans Jazz unter dem Namen „The New Orleans Joymakers“ mit dem über 90 Jahre alten Trompeter Kid Tho­ mas ein begeistertes Publikum fürzw ei Stunden nach Louisiana entführte. Die „Tremble Kids“ aus der Schweiz mit Charly Antolini oder Stuff Combe am Schlagzeug, Oskar Klein, Kornett und Bandleader W erner Keller im m er w ieder das Theater am Ring bis auf den letzten Platz füllten. Nigel Kennedy stand dreieinhalb Stunden a u f der Bühne, hatte bei d e r30. Auflage lon „ VS s w in g t“ im Jahr 2 0 0 6 einen um jubelten Auftritt. Und wie man feierte: Nigel Kennedy, den man in der klassischen Kulturwelt als „G eigenpunk“ apostrophiert, krönte dieses Jubiläum mit einem atem raubenden, nahezu 3,5-stündigen Konzert. Man ließ ihn fast nicht mehr von der Bühne und die autogram m fordernde Dam enw elt bildete hinterher eine mehrere M eter lange Schlange um dem lausbübischen Showman ihre Aufwar­ tung zu machen und beglückt mit seinem Auto­ gramm und manchmal sogar mit einem von ihm überreichten Glas Champagner in der Hand sei­ nen charmant-schlitzohrigen Fragen und Ant­ worten zu lauschen. Aber auch eine amerikanische All Stars- Gruppe um die New YorkerTrompeten-Stars Ran­ dy Sandke und Warren Vaché, darunter auch der wenige Monate später an Herzversagen verstor­ bene Weltklasse-Klarinettist Kenny Davern mach­ ten dem Jubiläum ihre Aufwartung. Pianist Mc- CoyTyner glänzte mit einem Septett junger New­ comer, die ebenfalls mit ihrem Konzert für einen weiteren Höhepunkt in diesem w ahrhaft begeis­ ternden Jubiläumsfestival sorgten. Gleichzeitig 1 5 2


„VS swingt“ – eine Erfolgsgeschichte Eine Promotion-Tour des Klavierherstellers Steinway ermöglichte es auch Oscar Peterson, damals schon nicht mehr bei MPS unter Vertrag, dem Villinger Publikum, sehr zum Unwillen seines Managers Norman Granz, in einem Solo-Konzert zu präsentieren. Noch viele wären anzuführen, die man seinerzeit in der Reihe „Jazz und Pop“ auf den Villinger und Schwenninger Bühnen er­ leben konnte. „Sy Oliver und sein Swingorches­ tra“ im Beethovenhaus, „Oregon“ dieses W ahn­ sinnsquartett um den Gitarristen Ralph Towner, die Vorläufer einer so genannten „World Music“, aber auch der heute so gefeierte Jan Garbarek stellte bereits 1977 seine heute noch existieren­ de Band mit Eberhard Weber, Rainer Brüninghaus außerhalb des 1. Festivals vor. Leider musste man ganz schnell feststellen, dass offensichtlich mit den erst fünf dann vier Festival-Konzerten der Bedarf an dieser Musik in Villingen-Schwennin­ gen gedeckt w ar und im Herbst nachfolgende Konzerte sehr unter Besuchermangel zu leiden hatten. Das Garbarek-Konzert erlebten zum Bei­ spiel nur noch ca. 150 Zuhörer. Fritz Ewald präsentiert„VS sw ing t“ Im November 1976 war es dann soweit: das von Fritz Ewald dem Theaterbeirat vorgelegte Kon­ zept eines Jazzfestivals unter dem Namen „VS sw ingt“ wurde nachdrücklich befürwortet von Oberbürgermeister Dr. Gerhard Gebauer, verab­ schiedet und im April 1977 ging „VS swingt“das erste Mal über die Bühne des Theaters am Ring. Und gleich richtig, denn mit den Lionel Hampton All Stars, darun­ ter der Pianist M ilt Buckner und derTrom- Bei „ VS s w in g t“ a u f der Bühne: S axophonist Joe Henderson (links) und Pianist McCoy Tyner, h ie rl o r dem Riettor. I _____ „The World’s Greatest Jazzband“ von Yank Law- son und Bob Haggart mit Ralph Sutton, Al Klink, Bud Freeman und Bob W ilber dermaßen von der Atmosphäre im Theater begeistert waren, dass sie im darauffolgenden Jahr zurückka­ men und eine Platte „live in Europe“ aufnahmen, die nie veröffentlicht wur- § | de. Die Herren hatten sich so über den am Vorabend in Zürich erfolgten Raus­ schmiss von Pianist Ralph Sutton aus der Band durch ihren Manager, Barker Hickox, der die Bandrechte besaß, er­ regt, dass einige von ihnen ziemlich betrunken waren und man die Aufnah­ men nichtveröffentlichen konnte. Aller­ dings merkte das kaum einer, der wie­ dermal begeisterten Konzertbesucher. Fritz Ewald, g e istig er Vater und M acher h in te r,, VS s w in g t“.


Streetparade einer echten M arching Band aus New Orleans durch die Vil­ lin g e r Innenstadt – Im pression lon „ VS s w in g t“ aus dem Jahr 1978. fachkundigen, aber immer d an k­ baren und treuen Fankreis gefun­ den. Die Villinger Streetparade Und so ging es weiter, Jahr um Jahr: 1978 war der Saxophonist Stan Getz die große Nummer, auch mit dem Pianisten Earl Hines kam eine Jazz- Legende nach Villingen und es gab die erste MPS-Gala mit der West- coast-GruppeSUPERSAX, sechs wei­ tere so genannte MPS-Galas sollten folgen. Aber das Tagesgespräch waren zwei Gruppen aus New Or­ leans: die Pontchartrain Brass Band und die New Orleans All Stars des Trompeters Wallace Daven- port. Am Sonntagmorgen gab es mit der Pontchartrain Brass Band die erste Streetparade einer ech­ ten Marching Band aus New Orle- i ans durch die Villinger Innenstadt. Möglicherweise wohl nur an der Fasnet sah die Rietstraße so viele Zuschauer auf einmal wie an diesem Sonntagmorgen im Mai 1978. Im Städtle hatte man wieder mal was zum Erzählen. So ziemlich alle Spielarten des Jazz, viele große Namen dieserMuslkaber auch so manchen, später erfolgreichen Newcomer konnte man im Lauf dieser Festivals kennen und lieben ler­ nen. Oft boten die dem Hauptkonzert folgenden Night Sessions mitrei­ ßende, interessante Er­ lebnisse, spontan ent­ stehende Jam Sessions mit den Stars der großen Konzerte. Die vier Po­ saunenstars Albert Mangelsdorff, Kai Winding, JiggsWhigham, BillWatrous, beispielsweise, mit n isse m it d en S ta rs sig e K o n z e rt-E rle b ­ S e s s io n s e rs tk la s ­ O ft b o te n d ie den H a u p tk o n z e rte n fo lg e n d e n N ig h t d e r S ze n e . peter Cat Anderson standen weltweit anerkannte Stars auf dem Programmzettel der ersten „VS swingt“ -Ausgabe. Sofort ausverkauft und tage- langdasStadtgespräch. D adie Stadt einen Emp­ fang für die Künstler gab, lernte Lionel Hampton auch Oberbürgerm eister Dr. Gebauer kennen und widm ete ihm hinterher im Konzert einen Im ­ promptu-Blues, in dem unter anderem vom „M ay o r“ aber auch von „Sourkraut“ die Rede war. Marion Williams, die große Gospelsängerin war von der ergriffenen Stimmung während ih­ res Konzertes so angetan, dass sie das Konzert in einen Gottesdienst umwandeln wollte und nachfragte, ob sich vielleicht ein Pfarrer im Pu­ blikum befände. Selbst nüchterne Pressemen­ schen waren tief beeindruckt. Es war ein gelun­ gener Start und „VS swingt“ hatte von Anfang an einen sehr interessierten, nicht unbedingt immer 154


„VS swingt“ – eine Erfolgsgeschichte Einmalig: Die MPS Galas der ersten Jahre g a n g e n e n d re i Jahr­ Lässt man die drei vergangenen Jahrzehnte Re­ vue passieren, erinnert man sich der großen Na­ men, die zum „VS swingt“ eingeladen wurden und mit oft großartigen Konzerten, die das Festi­ val zum Ereignis werden ließen, sollte man bei den insgesamt sechs MPS Galas der ersten Festi­ valjahre halt machen. Neben SUPERSAX 1978, erinnert man sich besonders an den Trombone Summit 1980 mit einem unglaublichen, sponta­ nen und freien Duo-Stück von Albert M angels­ dorf und Bill Watrous unter dem Namen „Mis­ sissippi Muddy Shoes“. Die deutschen Zigeu­ nergeiger 1979 als Vio- lin Sum m it ausgew ie­ sen, füllten den Saal fast allein mit zahlungsun­ willigen, so genannten „Verwandten“ . Die Kar­ tenkontrolleure hatten einen schweren Tag. Aber die folgende Night Session im kleinen Saal der „Tonhalle“ mit „La Romanderie“ brachte dieses Spontanereignis vollends gar auf den Punkt. Die einzige elektrisch verstärkte Geige im Saal wan- derte von Hand zu Hand, wieder mal bis in den frühen Morgen. m a n sich an d ie v ie ­ z e h n te R evue p a s ­ s ie re n , e rin n e rt Lässt m an d ie v e r­ len g ro ß e n N a m e n d es Jazz. Der Auftritt des Freddie Hubbard Quintetts bei der MPS Gala 1981 ging leider aufnahmetech­ nisch etwas in die Hose, da Jazzpapst Joe Behrendt unbedingt dem Pianisten während der Aufnah­ me Anweisungen zuflüsterte. Ergebnis: die erste Hälfte des Konzerts musste wiederholt werden. Eine der schönsten MPS Galas war leider auch die letzte: 1983 Hank Jones und Tommy Flanagan im Franziskaner Konzerthaus. Wunderbare Spon­ tanimprovisationen zweier großer Pianisten. B. B. King: Rekordwünsche bei der Gage Die große Blues-Legende B. B. King konnte man zweimal im Rahmen von „VS swingt“ live erleben, 1984 und 1988. Eine später geplante Verpflichtung konnte nicht mehr realisiert werden, die Gagenvor- stellung seines Managers entsprach in etwa dem gesamten Festival-Etat, schade. Wild Bill Davison, 155 E a rl„F a th a “ Hines, EarlHines Orchestra, 1978. der Darktown Jazzband, Stuttgart, vereint zu ei­ nerwahnwitzigen Version ü be r„S he ik ofA rab y “. Eine der längsten Jam Sessions in der Geschich­ te von „VS swingt“ fand 1981 statt: Auf der Büh­ ne des „Kleinen Saales“ die lokale „Real Blues Band“ von Harry Wille, mit Gil Kunkel und „Erbse Ebers“, deren großer Fanclub belegte nahezu je­ de freie Stelle im Saal. Es steigen ein, die Musi­ kerder Buddy Guy/Junior Wells Band, die beiden Chicago Blues Größen Junior Wells und Buddy Guy folgen kurze Zeit später nach. Dies lässt die Gospelsänger der Brooklyn All Stars nicht ruhen und sie folgen ihren Kollegen in der ersten Pau­ se auf die Bühne. Darunter Paul Owens, die gro­ ße Stimme in der damaligen Gospelszene. Es folgt ein musikalischer Schlagabtausch bis in den frühen Morgen. Die Brooklyn All Stars fahren an diesem Tag (einem Freitag) weiter nach Bern, wo sie Sonntagnachmittag mit einem Kirchenkon­ zert das Festival beschließen sollten. Pech: Paul Owens konnte nur noch krächzen. Er hatte sich in dieser Nacht in Villingen völlig heiser gesungen.


The M anhattan Transfer, 2001 Auf insgesamt drei Auftritte brach­ te es das Count Basie Orchestra, je­ desmal mit einem neuen musikali­ schen Leiter. 1988 war es Frank Fos- ter, der Tenorsaxophonist, der jah­ relang in den 5oer-Jahren, zusam­ men mit Frank Wess, den Sound des Orchesters prägte, sodass diese Basie-Formation als die „Two Franks- Band“ in die Jazzhistorie einging. Zudem auch Komponist von „Shiny Stockings“ , einem Riesenhit der Basie-Band. 1999 dann mit Grover Mitchell, einstiger Posaunist dieses Orchesters und schließlich 2 0 0 4 nach M itch eil’s Tod, ein anderer Weggefährte des Count, William H. Hughes. 1999 und 2 0 0 4 saß jeweils Butch Miles am Schlagzeug des Or­ chesters, damit hatte diese einzig­ artige Swingmaschine wieder einen präzis-kraftvollen Motor hinter sich. Das don­ nernde Basie-Blech der soer-Jahre kam wieder zum Vorschein. Besonders eindrucksvoll war 1999 das Konzert des Orchesters zusammen mit den New York Voices. Swingender Jazz von selte­ ner Güte, kaum zu toppen. Große M om ente durch Newcomer Große Mom ente bescherten uns auch viele New­ comer, die bei „VS sw ingt“ auftraten: Einen Start- und Ziel-Sieg feierte der französische Bas­ sist Renaud Garcia-Fons mit seiner „Oriental Bass Band“ . Im Jahr 2 0 0 7 gab er wieder ein ein­ der große Kornettist des Chicago Jazz, einer der Heros von Festivalmacher Fritz Ewald, war mit un­ terschiedlichen Besetzungen dreimal bei „VS swingt“ vertreten. Höhepunkt dürfte sein Konzert 1982 gewesen sein mit dem Top-Klarinettisten Chuck Hedges und dem einstigen Louis Arm ­ strong-Schlagzeuger Barrett Deems. Dave Brubeck war zweimal Gast des Festivals, 1983 und 2004. Sein Quartett, das er 20 0 4 mitbrachte, mach­ te dieses Konzert zu einer reinen Ohrenweide. Die überschäumende Spielfreude der älteren Herren, unbändig swingend – einfach großmeis­ terlich. FredyCole Quartett, swingender Jazz der Extraklasse. u


drucksvolles Statement ab, zusammen mit dem großen, spanischen Gitarristen Gerardo Nüfiez und dem Perkussionisten Cepillo. Auch der wun­ derbaren Sängerin Dianne Reeves, 1994 und 2005 bei „VS swingt“ gelistet, war im ersten Jahr ein echter Überraschungserfolg beschieden. Die jun­ gen Löwen James Carter und Joshua Redman, beides Tenorsaxophonisten, stellten ihr großes, derTradition verbundenes Können unter Beweis und wurden gefeiert. Regina Carter (Violine) mit ihrem Begleiter Kenny Barron (Klavier), das Brad Mehldau Trio, die Sängerin Jane M onheit nah­ men ebenfalls ihre Chance wahr. Aber den stärks­ ten Eindruck hinterließen Jacky Terrasson und sein Trio mit Eric Harland am Schlagzeug und die Solisten des „Kind of Blue“ -Konzertes, allen vor­ an Wallace Roney und M ark Turner. Einen un­ auslöschlichen Eindruck hinterließ bei jedem seiner beiden Auftritte der kubanische Pianist Gonzalo Rubalcaba – unübertrefflich. Die Legenden des Jazz Legenden des Jazz, in den vergangenen 30 Jah­ ren dieses Ausnahme-Festivals lernte das Publi­ kum viele kennen, sind eine Art Wertmarke von „VS swingt“ . Neben den bereits genannten, wie dem Basie-Orchester, Brubeck oder B. B. King, waren das Modern Jazz Quartett mit Milt Jackson und John Lewis, der Schlagzeuger Louie Bellson, Tito Puente und sein Orchester, Herbie Mann, M anhattan Transfer, Max Roach, Teddy Wilson, Earl „Fatha“ Hines, Illinois Jacquet, Joe Hender­ son und, nehmen wir sie bereits dazu, die Mar- salis-Brüder, Wynton und Branford. Sie alle ha­ ben beim Publikum einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. „VS swingt“ – eine Erfolgsgeschichte Auch der deutsche Jazz kom m t bei „VS swingt“ imm er wieder zu Wort. Die großen Na­ men der frühen Jahre: Albert Mangelsdorff, Dus- ko Goykovich, Klaus Doldinger, Joe Haider, Ro­ man Schwaller, Klaus Weiss, Wolfgang Dauner, Manfred Schoof, Charly Antolini und viele mehr. Die jungen Helden mit Cécile Verny, Lyambiko, Thilo Wagner, Olaf Polziehn, World Jazz Quintett, Tom Gaebel Big Band. Eine Liste, die Jahr um Jahr länger wird. „V S s w in g t“ ist von B ü rg ern d e r D o p p e ls ta d t zu v e rd a n k e n ist. d ie in e rs te r Linie e in e E rfolgsstory, d e r E ig e n in itia tiv e „VS swingt“ – eine echte Erfolgsstory. Ent­ standen aus der Eigeninitiative von Bürgern die­ ser Stadt, die die Notwendigkeit erkannten, kul­ turelle Anreize für die Jugend in Szene zu set­ zen und natürlich mit der Hilfe der jeweiligen Kulturämter der beiden Städte. Die Reihe „Jazz und Pop“ w ar eines, „theater aktu ell“, das zweite erfolgreiche Glied dieser Initiative, ein an­ deres. Beidegibt es sie heute noch, nach ü b er30 Jahren. In anderer Form zwar (theater aktuell ist heute „Theater im CAPITOL“), aber sie haben überlebt, weil Interesse dafür da w ar und die Programmgestaltung den Wünschen der Besu­ cher entgegen kam. Die Konzertreihe „Jazz und Pop“ und das darauf folgende Jazzfestival sind dabei der engagierten, ehrenamtlichen Eigeni­ nitiative des gebürtigen Schwenningers und Werbefachmannes Fritz Ewald zu verdanken, der 1969 von der Vorsitzenden des damaligen Ar- Impressionen lon „ VS sw ingt“ 2007: Newcomer Tom Gaebel aus Köln und Richard Galliano, Entdecker des Akkordeons fü r den Jazz.


„VS swingt“ – eine Erfolgsgeschichte beitskreises der beiden Volkshochschulen, Dr. Christel Pache, für diese Aufgabe gecastet w ur­ de und seither, erst für die Reihe „Jazz und Pop“ und darauf folgend, auch für das von ihm initi­ ierte Jazzfestival „VS swingt“ (seine Wortschöp­ fung), seit nunmehr 37 Jahren, nach wie vor in al­ len Bereichen (Programming, Marketing, Orga­ nisation), engagiert tätig ist. Natürlich mit der Unterstützung des die Ver­ und sind b e im Jazz­ V ie le B ü rg er w a re n fe s tiv a l a k tiv – und antw ortung tragenden Amtes für Kultur, aber auch mit der Unterstützung zahlreicher Helfer, die zum großen Teil auch ehrenamtlich tätig w a ­ ren, darunter zeitweise auch M itglieder des Jazzclubs Villingen. Lisa Boulton, als einstiges Vorstandsmitglied des Jazzclubs, sei hier stell­ vertretend genannt, da sie auch heute noch, im m er w ieder für die Künstlerbetreuung ein­ gesetzt ist. Zu den Festi­ valhelfern, die am längs­ ten mit dabei waren zählen Hans Reinhold Ebers (Erbse), der jahrelang für den Sound und die Bühnenorganisation zuständig war, zusam­ men mit Alexander M eder (Sascha), und dem St. Georgener Gymnasiasten Joe Maier. 1991 stellte der so genannte Theaterbeirat Fritz Ewald mit Hans Georg Brunner-Schwer und Friedhelm Schulz zwei M it-Programm gestalter zur Seite. 1997 schieden die beiden Herren aus dem Beirat wieder aus und wurden durch vorerst vier neue Beiräte ersetzt. Mit Dieter Dorer, St. Georgen kam der zweite Vorsitzende des Jazzclubs zum Festi­ d as zu m g ro ß e n T eil e h re n a m tlic h und o ft s e it Jahr­ z e h n te n . 1 5 8 Jon Faddis, 1996. val, mit Hansjörg Böninger und Wolfgang Eppler kamen zwei Gründungsmitglieder des einsti­ gen Schwenninger Jazzclubs in den Beirat und mit Hellmut Kohlermann, Bad Dürrheim ein gestandener New Jazz Fan ins Gremium. Wolfgang Eppler zog sich ein Jahr später zurück um wieder selbst aktiv M usikzu m a­ chen (Blue Note Combo), die an­ deren Beiräte engagierten sich in zusätzlichen Aufgaben. Hansjörg Böninger übernahm die Anzeigen-Akquisition, Hellmut Kohlermann organisierte die komplette Künst­ lerbetreuung, zeitweilig unterstützt von Hans­ jörg Böninger. Dieter Dorer schrieb zusammen mit Fritz Ewald die Programm-Texte, half mit Bild­ material und war beim Stageing und Backstage- Security mit tätig. Großartige Konzerte erm öglicht 2 0 0 6 stiegen die drei aus der Festival-Organisa­ tion aus. In den insgesamt neun Jahren ihres M it­ wirkens glänzte „VS swingt“ Jahr um Jahr immer heller, dank des zielgerichteten, gemeinsamen Engagements, das großartige Konzerte mit gro­ ßen Namen ermöglichte. Darunter Branford und Wynton Marsalis, Joe Lovano, M anhattan Trans­ fer, Brad Mehldau, Take 6, Herbie Hancock, Jacky Terrasson und Charlie Haden. Für sein ehren­ amtliches Engagement, erhielt Fritz Ewald auf einstimm igen Beschluss des Gemeinderates 1996, zum 20. Jubiläum von „VS sw ingt“ , die Bürgermedaille der Stadt Villingen-Schwennin­ gen. Zum 30. Jubiläum verlieh ihm der Minister­ präsident des Landes Baden-W ürttemberg die Ehrennadel des Landes. „VS swingt“ 2007, die Neuausgabe des Int. Jazzfestivals Villingen-Schwenningen stellte ei­ ne Zäsur in der Festival-Geschichte dar. Das Fes­ tival geht in die Hände des Amtes für Kultur Uber und berücksichtigt zusätzliche Spielarten des Jazz. Mit-Organisator ist nach wie vor Fritz Ewald. Der Fortbestand ist gesichert. Fritz E w ald


Musical „Theater der Zeiten“ D ie tric h D a n k s in b e g e is te rte m it s e in e r L ieb e z u r M u s ik e in e g a n z e S c h u le Musik Als Dietrich Danksin an der Südstadtschule in VS-Villingen dam it begann, allen seinen Schü­ lern in der Klasse 5 das Spielen auf der M un d ­ harmonika beizubringen, war noch nicht abseh­ bar, dass gut fünf )ahre später daraus das Schul- musical „Theater der Zeiten“ entstehen sollte. Oder vielleicht doch? Danksin entwickelte früh­ zeitig ein Curriculum über fünf Schuljahre hin­ weg bis zum Hauptschulabschluss, in denen er für 24 Schüler Klassenlehrer war und so gezielt wie reichlich aus den ästhetisch-kulturellen Bil­ dungsplanbereichen Schreibwerkstatt, Film, Musik, Literatur, Hörspiel, Präsentation, Theater und Fotografie schöpfte. Dabei pflanzte er seinen Schülern den „Virus Musik“ gezielt ein. Seine eigene musikalische Ge­ schichte ist lang: als jugendlicher spielte er be­ reits in vielen Schüler- und später in zahlreichen regionalen Rockbands. Früh begann er zu kom­ Über fü n f Schuljahre hinweg bereitete sich die Süd­ stadtschule a u f die A ufführung des M usicals „T h e ­ ater der Z eiten“ lor, das 1.200 Besucher hatte. Dietrich Danksin ponieren, zu arrangieren und im eigenen Studio für verschiedene Auftrag­ geber zu produzieren. Sein Spektrum reicht d a­ bei vom Kinderlied bis zur Klassik, vom Hörspiel bis zum Werbespot. Auch im Bereich Film hat er zahlreiche Projekte reali­ siert. Heute gilt der 54- Jährige als M edienexper­ te, hat einen Auftrag am Landes- und Kreismedi­ enzentrum, ist Aus- und Fortbilder für die baden- württembergische Lehrerschaft in Sachen Musik und Lehrer mit Leib und Seele, der davon über­ zeugt ist, dass viel mehr in den Schülern steckt, als gemeinhin wahrgenom men wird. M it „sei­ ner“ Klasse an der Südstadtschule versuchte er mit dem selbstgeschriebenen Musical „Theater der Zeiten“ den Beweis anzutreten. Mit vollem Erfolg: im Juli 2 0 0 6 brillierte „Theater der Zeiten“ mit fünf ausverkauften Vorstellungen und insge- 1 5 9


Musik l/ordern Erfolg stand der Schweiß, über Jahre hinweg bereitete sich die Südstadtschule a u f das M usi­ cal „ Theater der Zeiten “ lor. Auch die Band bestand aus Schülern. zeug, sangen mit erstaunli­ chen Stimmen und schlossen sich zu einer Klassenband zu­ sammen. Es dauerte nicht lan­ ge, da wurden aus den Vor­ spielen beim Schulfest zum Ende der siebten Klasse „rich­ tige“ Auftritte und Konzerte Ir­ vor fremdem Publikum. sa m ti.2o o Zu sch auern und vorallem : mit einem zweistündigen, von Schülern selbständig und ohne die Hilfe von Erwachsenen bewerkstellig­ ten Programm auf höchstem Niveau. Handlungs­ bedarf sieht Danksin im Nachgang bei der Wir­ kung solcher Projekte. Noch anschaulicher, trans­ parenter und überzeugender müsse nach außen dargestellt werden, welche Fähigkeiten gerade Hauptschüler dabei erlangen, welches Können sie entwickeln, sagt Danksin und denkt dabei an zukünftige Lehrherren und Arbeitgeber. Ab der 8. Klasse die Grundlagen erarbeitet Schon ab der achten Klasse wurden die inhaltli­ chen Grundlagen für das Musical im Unterricht erarbeitet, es entstand ein Ideenpool, der von den Heranwachsenden gespeist und von Dank­ sin im Klassenlehrerteam mit Kollegin Gisela Singer verwaltet wurde. Die Schüler nahmen so aktiv am Entstehungsprozess von „Theater der Zeiten“ teil, ledoch der Reihe nach: Die Leiden­ schaft für das M undharmonikaspiel war nur der Anfang. „Damals spielte lediglich ein Schüler ein Instrument, irgendwann waren es 15, die priva­ ten Musikunterricht nahmen“, erinnert sich Dank­ sin. Lang und intensiv sei dieser Prozess zwar gewesen, aber nachhaltig. Die Mädchen und Jun­ gen spielten schließlich Keyboard, Gitarre, Bass und Saxophon, Geige, Akkordeon und Schlag- 1 6 0 gendwann tauchte die Frage nach einem neuen Ziel auf und Dietrich Danksin, der bereits für die Bickeberg- schule zwei Musicals geschrieben und an St. Ge­ orgener Schulen mehrere Musikprojekte durch­ geführt hatte, hatte die Idee eines Science-Fic- tion-Musicals, das auf einem fernen Planeten spielt. Die Klasse war Feuer und Flamme, die Fanta­ sien sprühten und es entstand die Geschichte von Kelly (Julia Besch), der Sängerin von der Er­ de, d ie a u fd e n Planeten Celsora in d as J a h r2 /6 2 gebeamt wird, sich dort in den galaktischen W el­ tenbum mler Romyl (Sebastian Danksin) verliebt und mit ihm in den „imm er währenden Rhyth­ mus von Raum und Zeit“ eintaucht. Man trifft auf eine Musikgruppe, deren Mitglieder aus verschie­ denen Welten und Zeiten stammen und für eine intergalaktische Friedenstournee proben. Klar, dass man auf Celsora viele seltsame Gestalten trifft wie Kosmo, den Breakdancervom Planeten Vxopis (Jonathan Schießle), Stardesignerin Smil- la (Andrea Schwarz), den DJ und Fotografen M il­ ten (Osman Colak), die Flower-Power-Sängerin Areancha vom Planeten Balos (Anja Gureew), Janne, die Stimme vom Planeten Alx (Christina Hinz) und viele mehr. Was für die Schüler einfach nur eine „geile Story“ war, bestand für Dietrich Danksin, der al­ le Songs selbst schrieb und komponierte, insge­ heim aus vielen sozialen, ethischen und philoso­ phischen Gedanken, die zu dem für die Schüler griffigen und daher leidenschaftlich vorgetrage-


nen Satz „Wir leben das Geheimnis allen Lebens – es ist die Liebe“ führte. Doch noch war es nicht so weit: der Weg auf die Musicalbühne war lang. Zunächst war da die Frage des Spielortes, man wünschte sich eine In­ dustriebrache, um sie gemeinsam mit den Schü­ lern musicaltauglich zu machen. Im mittlerweile pensionierten Schulleiter Rolf-Jürgen Look fand das Projekt einen exzellenten Manager, der sich dieser Frage annahm und auch fündig wurde: das seit Jahren leerstehende, ehem alige Kino der französischen Garnison in der Pontarlier- straße. „Das hat Flair“ , wusste Looktrotz des de­ solaten Zustandes sofort und machte es sich zum Ende seiner beruflichen Karriere als Päda­ goge zur Aufgabe, das Gebäude aus dem Dorn­ röschenschlafzu wecken. Der Besitzer, das Bun­ desvermögensamt, ließ sich nach zähem Ringen davon überzeugen: hier gehört w ieder Leben hinein, hier muss „Theater der Zeiten“ aufge­ führt werden. Größere Investitionen durften von den 2 .0 0 0 Euro Miete für zehn Monate sogar ab­ gezogen werden. In der Freizeit das Kino renoviert Ab Weihnachten 20 0 5 standen n ich tn u rd ie Pro­ ben für Gesang, Musik und Schauspiel auf dem Tagesprogramm, sondern auch die Renovierung des Kinos – wohlgemerkt außerhalb des Stun­ denplans. Die einstige Kinoleinwand hing nur noch in Fetzen von der Decke, die Bühne war für eine Aufführung nicht tief genug und musste mit einem Anbau vergrößert werden, überall blät­ terte die Farbe ab, es gab praktisch keine Elek­ trik mehr, die Toiletten, das Foyer und die Au­ ßenansicht mussten generalüberholt werden. Ein Kraftakt! Jedoch: Sponsoren wurden gesucht und gefunden, Elandwerker arbeiteten zu ermä­ ßigten Preisen, Eltern, ja sogar Großeltern schuf­ teten an der Seite von Lehrern und Schülern mo­ natelangin beispielloser Gemeinsamkeit für das Projekt Schulmusical. Jeder genoss trotz w ochenlanger Maloche das entstehende Wir-Gefühl und die stetig wach­ sende Vorfreude auf eine außergewöhnliche Auf­ führung. Die Schüler, die einen eigenen Schlüssel zur „Baustelle Kino“ besaßen, identifizierten Musical „Theater der Zeiten“ sich mit „ihrem “ Musical ohne Wenn und Aber. Schneiderin Marlies Schlayer fertigte mit ihnen und einigen Müttern Kostüme, Daniela Klenk und die Klasse 8 kreierten zum Musical passende Kunst für die Kinowände, ein T-Shirt wurde ent­ worfen. Zu dieser Zeit griff ein weiterer Teil des von Danksin entwickelten Curriculums, das sich in dieser Phase stark auf Unterstützung von außerhalb der Schule konzentrierte. Schüler durf­ ten bei einem Grafiker schnuppern und dabei das Bühnenbild entwickeln, ein Lichtmeister kreierte mit zwei Schülern das Lichtdesign. Professionelle Unterstützung Währendessen ging es auch bei den Proben mit professioneller Hilfe in die heiße Phase: Ein Schauspieler, eine Theaterpädagogin, eine Cho­ reografin, ausgebildete Sängerinnen und M usi­ ker gaben sich an der Südstadtschule die Klinke in die Hand und den Schülerakteuren den letzten Schliff. „Erwerb von Kompetenzen“ nennt Dank­ sin das, was seine Jungen und Mädchen in die­ ser Zeit durchmachten: praktisches Lernen mit Unterstützung der Schule. Manchmal wahrlich kein Zuckerschlecken, denn vor allem die letzten Wochen wurden zur Nerven- und Geduldsprobe. Schließlich mussten neben den vielen Stunden des Übens auch die Vorbereitungen für die Hauptschulabschlussprüfung erledigt werden. Nach der Englischprüfung ging es zur Probe, ganz gleich, wie man sich danach fühlte. In die­ ser Phase mussten die Schüler lernen durchzu­ halten, Biss zu zeigen und für das gemeinsame Ziel auch einmal auf Freizeit zu verzichten. „Das w a rfü re in ig ee in e besondere Lebenserfahrung“, weiß Danksin. Anstrengend auch für die Lehrer, die im m er um die pädagogische Atmosphäre bemüht waren, ohne die der gesamte Prozess nicht so positiv hätte verlaufen können. Der große Tag – die Aufführung Anders als im „Schonraum Klassenzimmer“, in dem schon auch einmal etwas schief laufen darf, standen alle in der Verantwortung um den Erfolg des Musicals. Alle haben durchgehalten und am 1 61


Musical „Theater der Zeiten“ Freude über den Erfolg, begeistert standen die Schüler a u f der Bühne im ehemaligen französischen Kino, das sie selbst renoliert hatten. l i . Juli 2 0 0 6 öffnete sich erstmals der Vorhang im alten französischen Kino für 250 Zuschauer – darunter reichlich örtliche Prominenz, die sich vom Charme des renovierten Saales schon im lie­ bevoll ausstaffierten und mit Fotografien der Wiederherstellung geschmückten Foyer schnell überzeugen ließen. Was sich dann auf der Büh­ ne abspielte, machte noch mehr Staunen und gab die Gewissheit, dass Flauptschule Qualität ha­ ben kann, dass Flauptschüler überzeugend und ausdrucksstark agieren, musizieren und singen können, ließ ahnen, welche logistische Leistung von den Schülern auch beim Kartenvorverkauf, Catering und in allen anderen „unsichtbaren“ Bereichen einer Musicalaufführung geleistet wur­ de und veranlasste zu Beifallsstürmen. Über sich hinausgewachsen Die Schüler wuchsen angesichts der spürbaren Begeisterung über sich hinaus, hielten die Leis­ tung über fünf Vorstellungen hinweg und zehren bis heute vom Erlebten. „Ein Musical ist ein Ge­ meinschaftswerk und alleine nicht zu schaffen“, wehrt Danksin Lob ab, das allzu sehr auf seine Per­ son abzielt. Im Rückblickauch auf schwere Zeiten, die er, wenn er ehrlich ist, „nicht so schnell wieder durchstehen möchte“ , überwiegen jedoch die schönen Erinnerungen an das Projekt. Reif seien 1 6 2 seine Jungs und Mädchen geworden, sagt Danksin, haben gelernt, Kritik offen zu äußern und zu empfan­ gen, Sensibilität fürden an­ deren zu empfinden, Gren­ zen zu spüren und eine ei­ gene Persönlichkeit zu ent­ wickeln. Wertvolle Erfahrungen, die sich bei nicht wenigen auch am Ende an den Schul- noten bem erkbar machte. Viele Schüler Dietrich Dank- sins nahmen nach der neun­ ten auch noch die zehnte Klasse in Angriff, die zur Mittleren Reife führt. Das Musical und seine fünfjährige Vorgeschichte ist für Dietrich Danksin kein Patentrezept, aber ein Weg, Hauptschüler gezielt zu fördern und herauszukitzeln, was wirk­ lich in ihnen steckt. „Es ist erstaunlich, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten Kinder hervorbrin­ gen, die verschüttgehen würden, wenn sich nie­ mand für sie zuständig fühlt“, zieht Danksin sein ganz persönliches Fazit vom Abschlussprojekt „Musical“ . Fast ein Jahr liegt „Theater der Zeiten“ nun schon zurück, demnächst wird sich die gesamte Crew treffen, um in Erinnerungen zu schwelgen. Dann wird Dietrich Danksin nicht nur erfahren, wie es seinen Schützlingen in der Zwischenzeit ergangen ist, er wird ihnen auch eine DVD mit der Filmdokumentation auf den Weg geben, mit der sie ihr Musical noch einmal erleben können. Derweil entsteht an der Südstadtschule Neues. Danksin – erstmals an der Grundschule tätig – hat hier einen inzwischen 40-köpfigen Kinder­ chor ins Leben gerufen und bereitet ihn auf ein „M ini-Musical“ vor. „Das dauert aber höchstens zwanzig Minuten!“ Das französische Kino ist trotz aller Anstrengungen für eine Renaissance inzwi­ schen jedoch wieder in einen Dämmerzustand zurückgefallen – angeblich besteht an den Not­ ausgängen Einsturzgefahr für die darüberlie­ genden Betondächer. Rolf-Jürgen Look und der Leiter der örtlichen M usikakadem ie, Michael Hampel, wollen jedoch noch nicht locker lassen und bemühen sich weiterhin um den außerge­ wöhnlichen Spielort. B ir g it H e in ig


Blasmusik hat Konjunktur O h n e d ie 6 8 B la s m u s ik v e re in e im B la s m u s ik v e rb a n d S c h w a rz w a ld -B a a r w ä re d as ö ffe n t­ lic h e Leben u n d e n k b a r Musik Konzentriert schaut Dirigent Michael Jerg in die Reihen der Register. Er führt den Taktstock nach oben und gibt den Einsatz, dann beginnen die Klarinetten. „Aurora“ heißt dieses Stück, das die Stadtkapelle Blumberg bei ihrem Frühjahrskon­ zert 2007 in der Blumberger Stadthalle spielt. „Aurora“ kommt aus dem Lateinischen und heißt „Göttin der Morgenröte“. Es ist ein ganz moder­ nes Stück, das dem Dirigenten und dem Orches­ ter alles abverlangt. 52 Musikerinnen und Musi­ ker sind im Einsatz, sie intonieren ein spannendes Wechselspiel mit verschiedenen Klangfarben. Blasmusikhat Konjunktur. Das Altersspektrum der Blumberger Stadtkapelle reicht an diesem Konzert von 14 bis 79 Jahren. Dieser große Al­ tersquerschnitt ist exemplarisch für die insge­ samt 6 8 Blasm usikvereine im Blasm usikver­ band Schwarzwald-Baar. Ohne sie wäre das kul­ turelle Leben im Schwarzwald-Baar-Kreis kaum vorstellbar. Kirchliche Feste wie Weihnachten, Erstkommunion und Fronleichnam, ein S tadt­ oder Dorfjubiläum oder Jubiläumsfeiern anderer Vereine: Den festlichen Rahmen liefern vor allem auch die Musikkapellen. Stadt- und Bürgerwehren die Anfänge Die Orchester pflegen eine lange Tradition, die nach dem Zweiten Weltkrieg und vor allem in den letzten Jahrzehnten große Änderungen erfuhr. Die Anfänge der heutigen Vereine waren die Stadt- und Bürgerwehren wie Flüfingen und reichen über 3 00 Jahre zurück. Dass die Orchester sich so gut entwickeln können, verdanken sie neben dem eigenen ehrenamtlichen Engagement auch dem Blasmusikverband Schwarzwald-Baar. Die Gründung dieses Verbandes ist besonders einer Person und einem Verein zu verdanken: Fiermann Schleicher und der Stadtharmonie Vil- lingen. Musik lag Fiermann Schleicher, der in Vil- lingen als eines von sechs Kindern des Eisen­ bahnschlossers KarlSchleicheraufwuchs, im Blut. Im Alter von 13 Jahren fing er im Jahr 1908 bei der Knabenmusik Villingen an, der Nachwuchska­ pelle der 1889 gegründeten Villinger Stadtm u­ sik. Bei S tadtkapellm eister Fiermann Fläberle lernte er Zugposaune. Mit 17 Jahren w a re re in ge­ fragter Posaunist. Bis 1923 blieb er in der Stadt- Wenn die M usik s p ie lt- ohne die Blasmusik, hier Musiker der Stadtkapelle Donaueschingen, wäre das öffentliche Leben im Schwarzwald-Baar-Kreis undenkbar. 1 6 3


Musik musik. Als 1924 der Musikverein „Harmonie“ ge­ gründet wurde, wählten die 18 Anwesenden Her­ mann Schleicher als 2. Vorsitzenden und Ge­ schäftsführer, da sich zunächst niemand für den Vorsitz fand. Als 1927 die Jugendkapelle der „Har­ monie“ gegründet wurde, wurde Hermann Schleicher Dirigent und schwang den Taktstock bis zu sei­ nem Tod 1963. Blasmusikverband Schwarzwald-Baar e.V.“ . Alle Vertreter stimmten der Gründung des „Volksmu­ sikverbandes Schwarzwald-Baar“ zu, der einige Jahre später in „Blasmusikverband Schwarzwald- Baar“ umbenannt wurde. 28 Kapellen traten dem neuen Verband sofort bei. Zum 1. Vorsitzenden des Verbandes wurde einstimmig Hermann Schleicher aus Villingen gewählt. Hermann Schleicher war es auch, der nach dem Zweiten Welt­ krieg die Initiative ergriff. Bei den von den Besatzungsmächten ver­ langten Neugründungen aller M u ­ sikvereine, weil sie das Musizieren nun unpolitisch fortsetzen sollten, übernahm Schleicher zunächst wie­ der in Villingen Verantwortung. Bei der Neugründung der „Harm onie“ wurde er 2. Vorsitzender. Das Bestreben war nun, einen Ver­ band zu gründen. „Die Neugründung der M usik­ vereine war deshalb der willkommene Anlass, dass die Kapellen des Schwarzwaldes und der Baar zwecks Neugründung eines Volksmusik­ verbandes nach Villingen eingeladen wurden“, berichtet Hermann Schleichers Sohn Hans Schlei­ cher, der bei der Verbandsgründung mit dabei war. Die Harmonie und ihr 2. Vorsitzender Her­ mann Schleicher waren schon 1932 bei der Grün­ dung des „Musikverbandes Baar-Schwarzwald“ beteiligt gewesen. Gründung des Blasmusikverbandes ZurGründungsversammlungam Sonntag, den 25. September, 1949 im Saalbau „Waldschlößle“ in Villingen kamen Vertreter von 33 Kapellen, schil­ dert Hans Schleicher in der Chronik „50 Jahre Hermann Schleicher Große Bedeutung hatte auf der Versam mlung das Referat von Dr. Holle aus dem Kultusministerium Tü­ bingen. Holle sprach über „Sinn und Zweck eines Volksmusikverbandes“. „Besondere Beachtung fanden bei den Anwesenden seine Ausführun­ gen überden großartigen Verlauf der in Württemberg-Hohenzollern abge­ haltenen Musikfeste, die Rekordbesucherzahlen aufwiesen und somit das große Interesse der Be­ völkerung an der Volksmusik bewiesen“, berich­ tet Hans Schleicher. Die positiven Erfahrungen der Vereine in Württemberg-Hohenzollern wurden für den neuen „Volksmusikverband Schwarzwald- Baar“ richtungsweisend. Bereits 1950 richtete der Verband in Villingen das 1. Verbandsmusik­ fest mit Wertungsspielen aus. Mit zwei Ansätzen legte der Verband den Grundstein für den Erfolg: Es wurden Dirigenten für die Kapellen ausgebildet, und es wurde eine Ausbildung für den Nachwuchs entwickelt. Die ersten Lehrer für die angehenden Dirigenten w a­ ren Willy Schneider und Hermann Regner vom Hochschulinstitut für Musik in Trossingen. In meh­ reren Wochenendlehrgängen in Villingen lernten die angehenden Dirigenten Theorie wie Instru- mentenkunde und Dirigiertechnik. „Dann sind wir achtTage nach Inzigkofen gegangen, um den letz­ ten Schliff zu empfangen“, schildert Hans Schlei-


Blasmusik hat Konjunktur dezim iert, viele Musikvereine brauchten die ersten Jahre nach dem Krieg zum Teil Aushilfen, um überhaupt spielfähig zu sein, be­ richtet Hans Schleicher. „Deshalb w ar die Jugendausbildung eine vordringliche Aufgabe.“ Der Verband installierte darum einen Verbandsjugendleiter. Als erster Verbandsjugendleiter wurde 1956 Hans Schleicher gewählt, ei­ ner der ersten fünf neu ausgebil­ deten Dirigenten. Der Sohn von Ver­ bandspräsident Hermann Schlei­ cher war und ist selbst Vollblutmu­ siker, der mehrere Instrumente spielte. Auch Hans Schleicher hat­ te bereits Erfahrung mit Vorstands­ tätigkeiten bei Musikvereinen. Bei der Wiedergründung der „Harm onie“ Villingen wurde er 1946 zum 1. Kassierer gewählt. Als Ver­ bandsjugendleiter organisierte er Grund- und W eiterbildungslehrgänge für Jungmusiker ver­ schiedener Instrumentengruppen und erzielte damit beachtliche Fortschritte. 1977 übernahm der Villinger Musikdirektor Rupert Binder das Amt des Verbandsjugendleiters, sein Nachfolger wurde bis 1996 der städtische M usikdirektor Michael Jerg aus Blumberg. Ihm folgte Thomas Umbscheiden. Wichtig für die Entwicklung war die überre­ gionale Einführung von Leistungsabzeichen für Jungmusiker, das beim 3. Internationalen Ju- gendkapellen-Treffen 1978 in Breisach erstmals Die fü n f ersten Dirigenten, die nach dem Zweiten Weltkrieg in den Rei­ hen des Blasmusiklerbandes Schwarzwald-Baar ausgebild et wurden (lon links): Willi Springmann, PaulMerz, Hans Schleicher (z ugleich ers­ ter Verbandsjugendleiter), WalterSchmidt und Ferdinand Scherzinger. eher, der 1953 zu den ersten fünf Lehrgangsteil­ nehmern zählte. Nach dem Abschlusslehrgang in Inzigkofen im Donautal konnten die M usiker Paul Merz (Blumberg), Ferdinand Scherzinger(Gütenbach), Hans Schleicher (Villingen), Walter Schmidt (Vil- lingen) und Willi Springmann (St. Georgen) die Zeugnisse als „Laiendirigenten in Blasmusikka­ pellen“ in Empfang nehmen. Alle fünf haben ih­ re Kapellen über Jahrzehnte dirigiert, Paul Merz spielt sogar noch heute in der Stadtkapelle Blumberg mit. Die Jugendausbildung als vordringliche Aufgabe Die Dirigentenausbildung war ein Standbein, ein zw eites wurde die Nachwuchsförderung: Die meisten Kapellen waren nach dem Krieg stark Vom Festzelt, über Umzüge bis zum konzertanten Auf­ tritt – die 68 Blasmusiklereine im Landkreis haben lielfältige Aufgaben, lon links die Kapellen aus Scho- nach, Buchenberg, Nußbach und Obereschach.


Musik verliehen wurde. „Damit vollzog sich ein gewal- tigerWandel in der Ausbildung der jungmusiker“ , beschreibt Hans Schleicher: „Dadurch hatten wir die Gewissheit, dass die Jugendlichen einen rich­ tigen Ausbildungsweg erhielten. Und es hat den Ehrgeiz geweckt, jeder wollte das Abzeichen.“ Als eine logische Konsequenz daraus wurde am 2. Juni 1986 die Bläserjugend im Blasmusik­ verband Schwarzwald Baar gegründet. Unter den bisherigen Vorsitzenden Klaus Stadler, Georg Jordan, Paul Heizmann und seit 20 0 2 Alexandra Götz nahm die Bläserjugend eine viel beachtete Entwicklung. Im Sommer 2007 zählt sie rund 3.300 Mitglieder unter 27 Jahren, davon waren 1.775 weiblich und 1.526 männlich. Die Bläserjugend leistet umfangreiche Ju­ gendarbeit in den Vereinen, sie kümmert sich um musikalische Früherziehung, um spielfähige Ju­ gendorchester in vielen Vereinen und um quali­ fizierte Ausbilder. Sie bietet Lehrgänge für Ins- trumentenkunde, Literaturvorstellung, Motivati­ onslehre sowie Ausbildungslehrgänge für Diri­ genten und Ausbilder an. Die Bläserjugend arbei­ tet eng mit den Musikschulen zusammen. Neu ist die Einführung von Musikmentoren in der Blas­ musik und gleichzeitige Förderung dieser Ausbil­ dung durch die Landesregierung. Das Jungmusikerleistungsabzeichen Zusätzlicher Aufschwung für die Bläserjugend kam durch eineÄnderungbeimJungmusikerleis- tungsabzeichen. Seit Oktober 1998 gibt es jedes Jahr zwei viertägige Lehrgänge zum Erreichen des Silbernen Jungmusikerleistungsabzeichens. Außerdem gibt es jährlich fünf Prüfungstermine für das bronzene Abzeichen. Den Erfolg belegen am besten die Zahlen: Seit 1998 erhielten 2.021 Früh übt sich…, der kleine Lucas an der Tuba – „N ach­ wuchsmusiker“ aus St. Georgen. Jugendliche das Jungmusikerleistungsabzeichen in Bronze, 7 28 erhielten das Abzeichen in Silber und 73 Jugendliche erhielten das Leistungsab­ zeichen in Gold. Von dieser Qualifikation profi­ tieren auch die Jugendkapellen, die immer häu­ figer erfolgreich an Wertungsspielen teilnehmen. Dielugendkapellen lon Triberg und Donaueschingen, der Nachwuchs hat im Blasmusiklerband Schwarz­ wald-Baar beste Entwicklungschancen.


Die Wertungsspiele waren und sind ein wich­ tiger Impuls im ganzen Blasmusikverband. Sie wurden mit Einführung der Verbandsmusikfeste gegründet. Die Kapellen hatten so die Möglich­ keit, sich den Wertungsrichtern zu stellen und dam it Aufschluss über ihren Leistungsstand zu erfahren. M odernere M usik – für alle gut geeignet Völlig neu gestaltete sich nach dem Krieg das No­ tenangebot. Vor dem Krieg spielten die Blasmu­ sikvereine hauptsächlich arrangierte Klassik-Wer­ ke, Opern-Ouvertüren oder Operetten von Karl Millöcker oder Franz Lehar, „es gab keine Original- Kompositionen für Blasmusik“ , weiß Hans Schlei­ cher. Nach dem Krieg waren viele Noten und auch Instrumente geplündert. In Mundeifingen „schrieb Pfarrer Julius Lamp alle Noten von Hand“ schildert der spätere Blumberger Dirigent Paul Merz, der sich zum Beispiel noch an einen Auf­ tritt an Fronleichnam um 1950 erinnert. Doch schon in kurzer Zeit entstand eine ei­ gene Literatur durch Komponisten wie den Gen­ genbacher Stadtkapellmeister Hans Hartwig und den Schramberger Stadtmusikmeister Ernest Ma- jo. Sie begannen mit etwas moderneren M usik­ stücken, „die auch Dorfkapellen gut spielen konn­ ten“ . Speziell Hartwig reiste viel herum und bot seine Kompositionen an. Später, so berichtet Hans Schleicher, kamen vor allem auch die niederländi­ schen Komponisten hinzu, die auf dem Gebiet der Original-Blasmusik heute noch führend seien. Die Kapellen wurden größer, nach 1970 be­ gannen sich auch Mädchen für Blasmusikzu in­ teressieren. Heute sind mindestens ein Drittel der Aktiven in den Kapellen Frauen. „Viele Musikver­ eine könnten ohne Frauen gar nicht mehr auftre- Blasmusik hat Konjunktur ten .“ Bei der „Stadtharm onie“ Villingen w ar Eli­ sabeth Klingele, geborene Eigeldinger, eine der ersten, der 1973 der Einbruch in die M ännerdo­ mäne gelang. Noch heute ist die Diplom-Musik- lehrerin bei der „Harm onie“ Flötistin. Nicht zu vergessen ist auch das große Be­ mühen der Musikkapellen, als Botschafter der Völkerverständigung tätig zu sein. So kann zum Beispiel die „Stadtharmonie“ Villingen mit fast allen europäischen Ländern und den USA mehr als 8 0 musikalische Verbindungen nachweisen. Die Präsidenten: Hans Schleicher, Ewald M erkle und Heinrich Glunz Motor des Verbandes war die ersten 14 Jahre Prä­ sident Hermann Schleicher. War irgendwo ein Musikfest, wurde er mit dem Motorrad abgeholt und hielt eine Rede. „Bei jedem Auftritt warb er geschickt und beharrlich bei den Bürgermeis­ tern, die Kapellen zu unterstützen“, erklärt Hans Schleicher. Am 11. September 1963 starb der Grün­ der und 1. Präsident. Zum Nachfolger wurde Ewald Merkle, der Vor­ sitzende der „Stadtharmonie“ Villingen und Stadt­ rat, gewählt. 27 Jahre leitete er die Geschicke, in seine Amtszeit fielen wichtige und anerkannte Ent­ scheidungen, die insbesondere auch dem Fort­ schritt der Bläserjugend dienten. Auf der Jahres­ hauptversammlung 1988 in Öfingen erhielt Prä­ sident Merkle aus der Hand des Präsidenten des Bundes Deutscher Blasmusikverbände, vom Frei­ burger Regierungspräsidenten Dr. Norbert Not­ Ohne Blasmusik geht es nicht: Die Stadtkapelle lon Bräunlingen spieltauf, zieht musizierend durch die In­ nenstadt, und die Stadtkapelle Vöhrenbach eröffnet einen Festakt an der Linachtalsperre.


Ewald Merkle, Präsi­ dent des Blasm usik­ lerbandes Schwarz- wald-Baar bis 1990. mann Schleicher und Ewald Merkle so­ wie des langjährigen Verbandsdiri­ genten Wolfgang Kunzeimann hin. „Ihnen ist im Wesentlichen zu verdan­ ken, dass die Blasmusik sich geöffnet und den neuen Anforderungen gestellt hat“, betont Heinrich Glunz. Ohne die­ se Öffnung, da ist Glunz sich sicher, würden viele Kapellen heute unter Nachwuchsmangel leiden. Die Leis­ tung sei hoch einzuschätzen, weil die älteren Aktiven der Kapellen mit der traditionellen Blasmusik wie Walzer, Polka oder Marsch vertraut waren. „Sie für die moderne Blasmusik zu ge­ winnen, war ein Erfolg.“ Als Schwerpunkte seiner Arbeit nennt der Präsident, die bisherige Ent­ wicklung fortzuführen. Das beginne mit der musikalischen Früherziehung der Kinder und dem Heranführen an die musikalische Erziehung über­ haupt. Dazu kommt das Bestreben, ta­ lentierte Nachwuchsmusiker als Aus­ bilder oder sogar Dirigenten zu gewin­ nen. Der M angel an Nachwuchsdiri­ genten nehm ezu. Um den Nachwuchs Musik helfer, für sein 25-jähriges Wirken im Blasmusikverband Schwarzwald-Baar und im Bundespräsidium das CISM Ehrenkreuz. Das CISM Ehrenkreuz ist die höchste Auszeichnung, die diese Weltorganisation vergeben kann. Als M erkle sein Präsidentenam t auf der Hauptversam mlung 1990 in Tennen­ bronn abgab, wurde er einmütig zum Ehrenpräsidenten ernannt. M it Heinrich Glunz aus Öfingen wurde erstmals ein Mann zum Nach­ folger gewählt, der nicht aus Villingen kam. Aus Villingen waren bis dahin entscheidende Impulse für den Ver­ band gekommen, Persönlichkeiten aus Villingen waren bis dahin wesentlich in der Verbandsspitze tätig. Heinrich Glunz versuchte nun, neben dem Schwerpunkt Villingen Vertreter aus dem gesamten Verbandsgebiet in die Führungsaufgaben mit einzubinden, was ihm auch gelang. Stellvertreten­ der Verbandspräsident wurde Nieder- eschachs Bürgermeister Otto Sieber, der auch Kreisrat war. „Es war unge­ mein wichtig, dass er sich als Bürger­ meister der Verantwortung stellte. Er war für uns ein wichtiges Bindeglied zu den kommunalen Entscheidungs­ trägern, insbesondere im Kreistag“, hebt Heinrich Glunz hervor. Die Öffnung des Vor­ standes für die ganze Region lohnte sich: „D a­ durch erreichten wir, dass im Verband ein star­ kes Mitverantwortungsgefühl und ein stärkeres Zusammengehörigkeitsgefühl entstand.“ Glunz hatte bei seiner Wahl selbst schon 21 Jahre Vorstandserfahrung. Bereits mit 19 Jahren war er Vorsitzender des Musikvereins Öfingen geworden. Er war zudem Ortschaftsrat in Öfin­ gen und seit 1975 Stadtrat und später auch Bür­ germeisterstellvertreter in Bad Dürrheim. Als er­ fahrener Kommunalpolitiker bot er die Gewähr, den 6 8 Kapellen des Verbandes der richtige An­ sprechpartner zu sein. Heinrich Glunz bem ühte sich um eine naht­ lose Fortführung der erfolgreichen Ära unter sei­ nen Vorgängern. Er weist auf die besonderen Verdienste namentlich seiner Vorgänger Her­ 1 6 8 Heinrich Glunz, heu­ tig e r P räsident des Blasmusiklerbandes Schwarzwald-Baar. mehr einzubinden, wurde 1 9 9 6 /9 7 ein Verbandsjugendblasorchester gegrün­ det. „Dieses Orchester bietet Talenten aus allen Kapellen einen Anreiz.“ Das Verbandsorchester hat unter Leitung von Ingrid Fromm und jetzt Wolfgang Läufer schon schöne Erfolge gefeiert und konnte im Frühjahr 20 0 7 mit einem viel beachteten Konzert in Villingen in der Neuen Tonhalle sein zehnjähriges Bestehen fei­ ern. Seniorenorchester ein großes Anliegen Ein großes Anliegen ist Heinrich Glunz die Grün­ dung eines „Seniorenorchesters“ , in dem ver­ diente langjährige Aktive sich noch in die Blasmu­ sik einbringen können, ohne dass sie sich Ver­ einsaktivitäten unterordnen müssen. Die stän­ dig verbesserte, qualifizierte Ausbildung und Nachwuchsförderung habe dazu geführt, „dass viele altgediente Musiker glauben, den Anforde-


Eine der ältesten Blasmusikkapellen im Schwarzwald-Baar-Kreis ist die Stadtkapelle lon Hüfingen , die aus Anlass des 375-jährigen Bestehens im Nolember 2006 e in Kirchenkonzert gab. rungen nicht mehr gewachsen zu sein“. Ihnen möchte Gtunz eine eigene Plattform schaffen. Sorge bereitet dem Verbandspräsidenten die Situation des Ehrenamtes. Zwar werde die über­ wiegende Zahl der Verbandskapellen durch sehr gute Leute im Vorstand repräsentiert. Doch die Herausforderungen an das Ehrenamt würden im­ mer größer, gerade was die Vereinbarkeit mit dem Beruf betreffe, oft stellten sie eine schier unü­ berwindbare Hürde dar. Glunz liegt deshalb am Herzen, „dass man die Vereine wieder als gesell­ schaftlichen Teil sieht und anerkennt“ . ber berufen. „Es begann nun eine Zeit kontinuier­ licher Fortbildungsmaßnahmen für Bläser, Ausbil­ der und Dirigenten“, beschreibt Chronist Hans Schleicher. Hilfreicher Begleiterfürdie Lehrgangs­ tätigkeit, insbesondere für die Heranbildung von Nachwuchsdirigenten und Jugendausbildern war die „Bundesakademie für mu­ sikalische Jugendbitdung“ inTrossingen mit ihrem Di­ rektor Professor Dr. Walter Berg. Der Verbandsdirigent steuert die musikalische Entwicklung Für die musikalische Entwicklung im Verband ist der Verbandsdirigent zuständig. Bis 1971 gab es fürdie bisdahin selbstständigen LandkreiseVil- lingen und Donaueschingen jeweils einen eige­ nen Verbandsdirigenten im Präsidium. Danach wurde der seit 1971 fungierende Verbandsdirigent Wolfgang Kunzeimann zum alleinigen Amtsinha­ Der Verbandsdiri­ gent Wolfgang Kun- 25 Jahre wirkte Wolf­ gang Kunzeimann in d ie ­ sem Amt. Als verantwortli­ cher Organisator und Do­ zent konnte er auf eine er­ folgreiche Tätigkeit zurück­ blicken. In seiner Ära leg­ ten alleine 102 Absolven­ ten des Lehrganges „Der Ausbilder im Musikverein“ und 109 Absolventen des Lehrganges „Der Dirigent im Musikverein“ erfolgreich die Prüfung ab. Er organisierte und zelmann, bis 1996 im Amt. 1 6 9


Imposanter Musikergruß: Aus Anlass des Landesmusikfestes 2006 lersammelten sich a u f dem Villinger M üns­ terplatz rund 3.000 Musiker. leitete als Dozent zahlreiche Schulungen, Infor­ mationstage, besonders zu erwähnen sind acht „Dirigentenkongresse“, die er durchführte. Da­ für konnte er so hochkarätige Musiker wie den bekannten Big-Band-Dirigenten Peter Herbolz- heimer gewinnen. Wolfgang Kunzeimann hat sich damit „ein bleibendes Verdienst geschaffen“, be­ tont Chronist Hans Schleicher. Der Einsatz als Wertungsrichter des „Bundes Deutscher Blas­ musikverbände“ unterstreicht die fachliche Kom­ petenz Kunzeimanns. Eine besondere Auszeich­ nung für den Verband bedeutete es, dass der Bund Deutscher Blasmusikverbände an Pfingsten 1981 sein 5. Bundesmusikfest und 2 0 0 6 erstmals das Landesmusikfest Baden-Württemberg nach Villin­ gen-Schwenningen vergab. Möglich wurde dieses Werk, weil Kunzeimann, 1985 zum Musikdirektor ernannt, bei der Indus­ trie- und Handelskam m er Schwarzwald-Baar- Heuberg sehr verständnisvolle Vorgesetzte hat­ te, wie er selbst betont. Möglich wurde das zu­ dem durch das sehr gute Verhältnis zu Professor Walter Berg von derTrossinger Bundesakademie. „Die Bundesakademie liegt vor unserer Haustü­ 1 7 0 re“, erläutert Kunzeimann, „dadurch konnten die Teilnehmer zu Hause übernachten“. Für die Teil­ nehmer der Lehrgänge, die zum Teil über ein hal­ bes Jahr dauerten, war dies ein wichtiger Aspekt. Verbandsdirigent M ichael Jerg 1996 gab Wolfgang Kunzeimann sein Amt als Verbandsdirigent nach 25 Jahren ab. Sein Nach­ folgerwurde der bisherige Verbandsj’ugendleiter Michael Jerg, städtischer Musikdirektor in Blum­ berg. Verbandspräsident Glunz war dabei wich­ tig, mit Jerg einen Kollegen zu gewinnen, der für die neue Ausrichtung in der Blasmusik stand. Das habe er mit der Blumberger Stadtkapelle ja zum Teil bereits umgesetzt. Klar war, laut Glunz, dass sich die Aufgaben für den Verbandsdiri­ genten änderten. So sei zum Beispiel die um­ fangreiche Dozententätigkeit Kunzeimanns heu­ te kaum mehr möglich. Michael Jerg sieht sich als Ansprechpartner für die Kapellen in allen musikalischen und fach­ lichen Fragen der Fort- und Weiterbildung. Seine


Aufgabe sei es, ihnen die Angebote dafür zu prä­ sentieren und aufzuzeigen. Dazu kommen Diri- genten-Workshops mit hochkarätigen Dozenten, darunter Namen wie Johann de Meij, Professor Johann Mösenbichler und Trompeter Malte Bur- ba. Als weitere Funktion nennt Jerg, die Vereine bei der Dirigentensuche sowie in fachlichen Fra­ gen wie der Organisation von Wertungsspielen fachlich zu unterstützen. In der Regel finden alle vier Jahre Verbandsmusikfestspiele statt. Dane­ ben sieht Jerg sich auch als Bindeglied des Blas­ musikverbandes Schwarzwald-Baar zum Dach­ verband, dem Bundesverband Deutscher Blas­ musikverbände, für den Jerg seit 2 0 0 0 auch Wer­ tungsrichter ist. Als ehem aliger Verbandsjugendleiter und Leiter der Musikschule Blumberg kennt Jerg auch die Situation im Nachwuchsbereich, zum al er auch Gastdozent an der Bundesakadem ie in Trossingen ist. Einige Vereine bilden ihre Zöglin­ ge noch selbst aus, was Jerg begrüßt. Viele Ver­ eine kooperieren inzwischen zumindest in Teil­ bereichen mit den Musikschulen. Für die Verei­ ne im Blasmusikverband gibt es flächendeckend fünf Musikschulen: Trossingen, Donaueschin- gen, Blumberg, Tuttlingen und St. Georgen-Furt- wangen, wobei letztere sieben Gemeinden um­ fasst und dort Zweigstel­ len hat: Furtwangen, Vöhrenbach, St. Geor­ gen, Königsfeld, Triberg, Schonach und Schön­ wald. w u c h s a rb e it z u m in ­ v e re in e k o o p e rie ­ ren b ei d e r N a c h ­ V ie le B la s m u s ik ­ d e s t in T e ilb e re i­ chen m it d en L an d k re is. M u s ik s c h u le n im In den letzten Jah­ ren bekam die musikali­ sche Früherziehung zu­ nehmend Bedeutung. „Die musikalische Erzie­ hungfördert die Entwicklung der Kinder“ , betont Michael Jerg, das bewiesen zahlreiche Studien, darunter die Bastian-Studie. „Bereits im Alter von 18 Monaten ist es sinnvoll, Kinder musika­ lisch zu fördern.“ Dafür gebe es ein spezielles Konzept: den Musikgarten. Die gute Nachwuchsarbeit in den M usik­ schulen und Kapellen zeigt sich auch an zwei Beispielen: Von der Musikschule St. Georgen- Furtwangen wurde Benjamin Hummel, ein Klari­ nettenschüler von Schulleiter Bernd Rimbrecht, Blasmusik hat Konjunktur Bundespreisträger im Wettbewerb „Jugend mu­ siziert“ . Nach einem Jahr beim Luftwaffenmusik­ korps in Berlin studiert er seit Herbst 2 0 0 7 an der H ans-E isler-M usikhoch- schule Berlin mit H aupt­ fach Klarinette. Und mit Steffen Urhan aus Hüfin- gen schaffte gar ein Musi­ ker den Sprung zu den Berliner Philharmonikern. Er begann in der M usik­ Verbandsdirigent Michael Jerg. schule Donaueschingen, lernte dann bei der Blumberger Musikschule Schlagzeug und spiel­ te das Instrument aktiv in der Jugend- und Stadt­ kapelle. Fünf Kapellen spielen in der Höchststufe Das Niveau der Kapellen im Verband kann sich sehen lassen: M it der Stadtmusik Villingen, der Stadtharmonie Villingen, dem Musikverein Froh­ sinn Tennenbronn, der Stadtmusik Geisingen und der Blumberger Stadtkapelle spielen fünf Kapellen in der Höchststufe. In der Blumberger Stadthalle fesselt das Stück „Aurora“ das Publikum. Das packende Wechsel­ spiel zwischen Klarinetten und Blechbläsern hat Dirigent Michael Jerg durch eine gesangliche Un­ term alung bereichert: Einzelne O rchesterm it­ glieder fungieren dabei als eigener Klangkörper (Chor) im Orchester. In dem Stück über die „Göt­ tin der Morgenröte“ baut sich ein Spannungsbo­ gen auf, der sich dem krönenden Schluss nähert. M it einem Beckenschlag setzt Schlagzeuger Andreas Kuntz den letzten Schlag so gekonnt, dass sich die Spannung auf das Publikum über­ trägt. Für einen spürbaren M om ent ist es in der Halle mucksmäuschenstill, dann beginnt anhal­ tender Beifall. B e rn h a rd Lutz W eitere In fo rm a tio n e n ü b e r den B la s m u s ik l e r­ b a n d S c h w a rz w a ld -B a a r fin d e n s ich u n ter: w w w .b la s m u s ik l e rb a n d .d e 171


l i . Kapitel Kunst und Künstler Gotthard Glitsch: Genialer Druckgraphiker und Wortakrobat Ehre wem Ehre gebührt: eigentlich macht der Kunstverein Villingen-Schwenningen keine Sonderausstellungen anlässlich von runden Geburtstagen seiner M itglieder, aber bei seinem Ehrenvorsitzenden Gotthard Glitsch wurde einmal von der Regel abgewichen. Der 1937 in N iesky/O berlausitz geborene und seit 1946 in Königsfeld und seit 1991 abwechselnd in Heidelberg lebende Künstler, der über drei Jahrzehn­ te dem Kunstverein Villingen-Schwenningen Vorstand, wurde am 30. Oktober 70 Jah­ re alt. Bei einem vorgezogenem Geburtstagsgeschenk im Villinger Franziskaner­ museum konnte seine große Fangemeinde anhand von 70 druckgraphischen Arbeiten aus dem Zeit­ raum von 1993, dem Jahr, als die letzte Sonderaus­ stellung von Gotthard Glitsch im Franziskanermu­ seum stattfand, bis heute, die große Qualität der Graphik-Kunst von Gotthard Glitsch erleben. Stand bei der damaligen Retrospektive eindeutig der figurative Aspekt im Vorder- grund, so bemerkte man in der diesjähri- gen Präsentation, dass der Graphiker sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr in Richtung Abstraktion bewegt. Das Le­ benswerk des Künstlers zeigt so in ideal­ typischer Weise eine Stringenz auf, die man in dieser Konsequenz seltenst sieht: Von der kratzwütigen Attacke der Neuformulie­ rung eines Menschenbildes, das sich aus dem verebbenden Tachismus erhebt (Die Jasager, 1963) über die die Geometrie der Antike und die geometrische Abstraktion der i97oer-Jahre verbindenden Arbeiten (Ixion, 1974 oderConfocale Liegende, 1976) bis hin zu den an keinem sofort erkenn- baren Naturvorbild orientierten Werke Links: Der Künstler beim Linol- schnitt. Rechts: Dialog, Radierung, 1981. Plattengröße: 2 4 ,6 x 1 6 ,2 cm 1 7 2


Gotthard Glitsch


Kunst und Künstler (Rotunde, 1999). Diese Formveränderungen in dem umfangreichen Radierwerk entsprechen auch den Wandlungswegen innerhalb des M edium s. Glitsch, der nach dem Abitur eine Lehre als Glasmaler in Rottweil und anschließend das Stu­ dium der Malerei und Graphik an der Akademie in Karlsruhe bei den Professoren HAP Grieshaber, Otto Laible, Walter Herzger und Emil Wächter absolvierte, be­ schreibt diesen stetigen Wandel folgendermaßen: „Drängendes Werkverlangen regt und stillt sich im Tun des Radierers, fordert und locktihn zum Eindringen, Eintauchen, Ein­ sinken in den quellenden Keimgrund des For­ mens bis zum Einswerden mit dem W and­ lungsgeheimnis geistgeprägter M aterie.“ Das Begegnen von menschlichem Handan­ legen, der Eingriff mit dem Werkzeug in die Kupferplatte und das Naturwalten, die lonen- wanderung im Säurebad, ist für Glitsch das verschwiegene Zentrum der Radierung. Der Ra­ dierer überlässt bei diesem W andlungspro­ zess nichts dem Zufall. Er geleitet sein Werk­ stück behutsam auf diesem Weg. Jeder Plat­ tenzustand bleibt für ihn vorletzte Formulie­ rung. Dabei verneine er, so Glitsch, das Klonen der Bildgestalt, den öden W iederholungs­ zwang. Der Stationenweg, die Genese der Ge­ staltung sind ihm wichtiger als das marktgängige Resultat einer Auflage. M eta ­ morphose und nicht Reproduktion gelten dem überzeugten Graphiker dabei als dem ausgeübten Handwerk selbstbewusste Parole: „Denn der Radierer – und nur er – vermag die Biographie seiner Platte in der Fülle der Zustandsdrucke zu be­ zeugen, was hingegen ein Bildwerker vom Stein schlägt, ein Maler übermalt sinkt ins Wesenslose, unbeweisbar fortan und für im m er.“ Vom Einklang und W iderstreit Das Handwerk, die intensive Auseinandersetzung mit dem M edium , ist der eine bemerkenswerte Aspekt, der andere ist der, den der Betrachter am ersten berührt: Nicht wie die Radierungen hergestellt sind, sondern das, was auf den Blättern zu sehen ist. Im Laufe der i97oer-Jahre, zehn Jahre nach Beendigung seines Studi­ ums, bildete sich grundsätzlich eine wichtige Thematik heraus, mit der der Künst­ ler noch heute in Verbindung steht: Der Einklang und Widerstreit, das Gegenspiel und Zueinander von Figur und Raum, Akt und Ornament, organischer und geome­ trischer Form. Glitsch selbst interpretiert diese markante Werkphase so: „Was hier in altm eisterlicher Einkleidung vorgetragen wurde, w ar gleichw ohl nichts ande­ res, als die Situation des heutigen Menschen in den gerasterten Versatzstücken der funktionalen W elt.“ Die penibel angestrengte Präzision dieser Graphiken wich im Laufe der i98oer-Jahre dem befreiten Duktus im Aufscheinen einer aus­ schließlich figürlichen Thematik, das häufig das Begleitwesen des Tieres einbe­ zog. Schließlich verließ der Künstler das Refugium der Werkstatt, setzte sich in der freien Natur mit den Lichterscheinungen des Himmels, dem Einwirken des At­ mosphärischen und mit dem unerschöpflichen Formenwuchs der Natur auseinan- 174 Rechts: Conlersion, Radierung, 1969. Plattengröße: 2 4 ,3 x 3 4 ,8 cm Links: Frühlicht, Farb- holzschnitt, 2003 Plattengröße: 30 x 22,5 cm Rechts: Confocale Liegende, Radierung, 1976. Plattengröße: 2 4 ,8 x 3 2 ,2 cm


Gotthard Glitsch


Kunst und Künstler der oder lässt sich ein wenig später von den graphischen Strukturen von Stadt­ landschaften inspirieren. Diese Eindrücke lassen sich vorerst nur in der Aquarel- lier-Technik fassen. Diese farbenfrohen Ausflüge in das vermeintlich reale Leben, in denen der Mensch nicht mehr vorkommt, strömten in die Graphik zurück und mündeten in die überaus bestückte Werkphase dramatisch hell-dunkler Land­ schaftsradierungen. Glitsch sieht diese Blätter keinesfalls als Realveduten. Sie seien vielmehr Szenen und Auftritte des optischen Welttheaters, der antitheti­ schen Gegenspieler Licht und Finsternis. Links: Blütenflug, Farbholzschnitt, 2004. Plattengröße: 3 0 x 2 2 ,5 cm Feinste Gewirke aus Strahlen und Streben Mitte der i99oer-]ahre löst sich das Wirken des Radierers nochmals vom vorder­ gründigen Anlass ab, geht über in ein anonymes Tun, spannt feinste Gewirke aus Strahlen und Streben. In der Radiertechnik ging es ab einem gewissen Punkt der Abstraktion nicht weiter, so hat Glitsch um die jahrtausendwende einfach die Technik gewech­ selt. War der HAP Grieshaber-Schüler jahrelang ein Garant für formvollendete meisterhafte Ra­ dierkunst, so hat er den Radiergriffel gegen das Holzschnittmesser eingetauscht, aber auch in diesem M etier seine stilsichere charakteristi­ sche Handschrift behalten. In jüngster Zeit kam auch noch Farbe mit ins Spiel, so stellte sich in dieser Geburtstagsausstellungzwarein alter Be­ kannter, aber einer mit durchaus neuen, teils un­ bekannten Facetten vor. Auch wenn die Schwer­ punkte auf den gleichmäßig gewichteten Tief- und Hochdrucktechniken lagen, so konnte man Gotthard Glitsch noch von einer ganz anderen Seite kennen lernen. Kleine Kugelschreiber­ zeichnungen geben Einblick in die Ideenschmie­ de des Druckgraphikers. Schaut man sich die kleinen Skizzen jedoch genauer an, so ist auch hier schon die Grundstruktur, die den handwerklich perfekt inszenierten Druckgraphiken eigen ist, angelegt: Ver­ dichtung bei gleichzeitiger Dynamik sind die Markenzeichen dieser Blätter. Es sind weniger die Bildinhalte, die dem Werk eine so große Attraktivität verleihen, es ist schlicht und einfach die eingesetzte Technik, die weit über handwerkliche Virtuo­ sität hinausreicht. Hier wird auf geniale Weise Technik thematisiert. Wie Gotthard Glitsch mit den künstlerischen Medien Radierung und Holz­ schnitt umgeht, ist eben in dieser Form einzigartig. Bei der Tiefdrucktechnik sind nicht nur für den Fachmann die winzig kleinen Schritte der stetigen M etam orpho­ se erkennbar und bei der Hochdrucktechnik, die Glitsch aktuell favorisiert, kommt es gar zu ironischen Brechungen. Die spontane, malerisch wirkende Geste wird mit­ tels des zeitaufwändigen Verfahrens ad absurdum geführt. Dass der Geehrte nicht nur ein begnadeter Druckgraphiker ist, sondern auch ein überragender Wortakro­ bat, davon kann man sich bei der Lektüre des Katalogs „ Z u n v o s te n “ überzeugen. Neben einem Bildteil enthält er im Wesentlichen ausgewählte Reden zu den ver­ schiedensten Anlässen, viele davon als Faksimile des Manuskripts, die Gotthard 1 7 6 Rechts: Jericho- Trompeter, Radierung, 1986. Plattengröße: 2 5 x 1 6 ,4 cm


Gotthard Glitsch


Kunst und Künstler Glitsch im Lauf der Jahre gehalten hat. Denn Gotthard Glitsch hält als begnadeter Redner nicht nur die Lobreden auf Künstlerkollegen, sondern führt auch stets über­ aus wortreich in seine eigenen Ausstellungen ein. Links: Strebewerk, Farbholzschnitt, 2003/5 „D er hier das Postam ent b esteigt…“ So virtuos der Radierer und Holzschneider m it Radiergriffel und Schnittw erkzeug um geht, so genial setzt der Jubilar auch die M itte l der Sprache ein. Auch wenn er gleich zu Beginn seiner Laudatio auf sein eigenes Werk fast schon kokettierend be­ merkt „Der hier das Postament besteigt und Pathosformeln abgeneigt, sich dar­ stellt und zugleich beschweigt, verwünscht die grandiose Pose“ blieb dem Künst­ ler und Laudator in Personalunion gar nichts anderes übrig als sich in die ver­ meintlich verwünschte Po­ se zu setzen. Dies macht der Druckgraphiker in per­ fekter, hoch ästhetischer und unnachahmlicher Wei­ se. Bei den Reden sieht die Sachlage eigentlich a n ­ ders aus. In der Regel scheuen sich Künstler über ihr ei­ genes Werk zu referieren, dies überlassen sie ande­ ren. Gotthard Glitsch d a­ gegen bestelltauch dieses Feld auf grandiose Art. Will er hierbei möglichst authentisch etwas über sein Tun und seine Antriebe ohne Rei­ bungsverluste eines weiteren Beteiligten dem Publikum näher bringen o d e ris te s schlicht und einfach der nicht zu unterbindende Drang am Fabulieren mit dem d a­ raus konsequenten Resultat der Selbstdarstellung? Es sind wahrscheinlich beide Faktoren, die den Künstler zu diesem ungewöhnlichen Schritt bewegen. Bei sei­ ner Geburtstagsausstellung hat Glitsch seine Rede zwar nicht in Versform und in den bevorzugten Hexametern geschmiedet, und dennoch wurde das Publikum in geschliffener, poetischer Sprache und darüber hinaus überaus informativ in die Geheimnisse der Radier- und Holzschnittkunst eingeführt. Man erfährt – sämtliche Reden gibt es noch zum Nachlesen – zum Beispiel wie „der Radierer lichtgierig an der Schattengrenze den Ansitz sucht“ , um darauf „den Späherposten auf der Markscheide zwischen gleißender Helle und nächtig star­ render Verschattung zu beziehen“. Gerade das macht das Geheimnis der Kunst von Gotthard Glitsch aus: Er serviert dem Betrachter, dem Zuhörer, dem Leser ein Ge- samtw erkm it„Zauberzeichen, kryptischen Kürzeln, Chiffrenschwärmen und licht­ gelenkten Lineaturen“ und lässt ihn bei der Suche auf den wahren Gehalt nicht al­ lein. Man erkennt bei aller Vielschichtigkeit im Gesamtwerkeine Position, die authen­ tisch und mit äußerster Präzision im Wahl der Mittel zielstrebig den Wandlungs­ wegen folgt. Das ist kein Widerspruch in sich, sondern der Lebensweg eines Künst­ lers, der zurecht hier in der Region eine Institution darstellt. S tefan S im o n 1 7 8 Rechts, lon oben: Berg-Woge, Radierung, ¡ 995 – Plattengröße: 3 9 X 4 9 . 5 cm Ixion, Radierung, 1974- Plattengröße: 3 6 x 26 cm Knüpfung, Linolschnitt, 2003/5 Vogelspruch, Radierung, 1985. Plattengröße: 3 3 x 4 0 cm


Gotthard Glitsch


Kunst und Künstler Wandere offenen Auges durch die W elt… Lisa K e lle r-N ik o la z w is c h e n fin n is c h e n W e ite n und V illin g e r S ta d tm a u e rn „Die M otivation für meine Arbeiten erhalte ich zum größten Teil aus der Natur meiner Heimat, meiner jetzigen Umgebung, Erinnerungen an Ereignisse, geträum te und erwünschte W irklichkeit, der Schön­ heit in der Natur und den Dingen des alltäglichen Lebens.“ Mit diesen Worten beschreibt die in Villingen lebende finnische Künstlerin Lisa Keller-Nikola ihre künstlerische Ausgangssituation. Betrachtet man ihre Werke, dann sind sie auf den ersten Blick deutlich nicht abbildend im Sinne der direkten Wiedergabe eines gesehenen Mom entes. Und doch erheben sie sich nicht ausschließlich selbst zum Gegenstand der Betrachtung. Lisa Keller-Nikolas Arbeiten fußen auf mehreren Basen. In ihnen schwingen die weiten Ebenen der finnischen Landschaft, hunderte Kilo­ meter ohne Menschen und so genannter Zivilisati­ on, ebenso mit, wie die Begrenzung durch die mit­ telalterliche Villinger Stadtmauer. S elbstportrait In Kymi, Finnland, 1941 geboren, ging sie nach Abschluss des Gymnasiums nach Helsinki, um M o ­ dedesignerin zu werden und im Anschluss an der Hochschule für Industriedesign zu studieren. Ihre Arbeiten greifen in derStruktu- riertheit der Oberflächen und der Bedeutung der M aterialhaftigkeit immer wieder auf diese ursprüngliche Ausbildung als Textildesignerin zurück und verweisen in ihrer kompositorischen Fragestellung nach der Bedeutung von Fläche und Linien sowie der Vorrangstellung von Farbe oder Gestalt auf die Entwicklung der Bilden­ den Kunst in den vergangenen 8 0 Jahren. Seit sich die Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa wieder neu zu ori­ entieren hatte, kristallisieren sich zwei Hauptströmungen heraus. Der eher ab­ strakten Kunst steht die überwiegend Gegenständliche gegenüber. Möchte man dieser einfachen Zuordnung folgen, so ist die Kunst Lisa Keller-Nikolas eher der abstrakten Richtung zugeneigt. Die Auseinandersetzung m it dem W erk beginnt vor dem Objekt Betrachtet man die Arbeiten Lisa Keller-Nikolas, fällt die Bandbreite der Formulie­ rungen ins Auge. Man entdeckt das Suchen der Malerin, sich den richtigen Aus­ druck zu erarbeiten. Wie zeigen? Wie vermitteln? Wie erfahrbar machen? Gerade die frühen Arbeiten lehnen sich deutlich an eigenen Naturerfahrungen an. Wie Kin­ der ihre Welt erfahren, so fragt das Objekt nach Vordergrund und Hintergrund, Rechts: Raumerkun­ dung 2,1997 1 8 0


Usa Keller-Nikola


Links: Zwei Heilige, Fragment, 1999 Kunst und Künstler nach stabilen Verhältnissen und fragilen Mom enten. Ein Blatt wie durchgepaust oder aufgeklebt hebt sich hell vor dem dunklen Hintergrund ab, linearangeordnet zum Untergrund und den beiden bräunlichen Begrenzungsstreifen. Geordnet scheint es von unten nach oben zu wachsen. Der Boden hat eine erfahrbare Hori­ zontalstruktur. Doch dies kann nur der Anfang sein. Dann löst sich die Kunst vom Objekt und es werden vermehrt malerische, gra­ fische Fragen nach oben und unten, Vorder- und Hintergrund gestellt. Der blaue Farbton muss nicht länger Himmel, der braune nicht Boden sein. Die Formen sind eindeutig und doch nicht verschlossen kom pakt, farbdurchlässig, die Ober­ flächenstruktur ist nicht nur rau, sondern durch Einritzungen durchlässig mehrschichtig. Doch der Weg, den Lisa Keller-Nikola geht, ist kein gerader, einliniger. Erkennt Windungen und Kehren und immer wieder den Blick hinaus auf die Wirklichkeit. Sie experimentiert mit einer Fülle von Techniken und Ausdrucksmöglichkeiten: Öl­ kreiden, Radierungen und wie­ derholt mit Mischtechniken. Bereits 1971 zog sie nach Vil- lingen, doch erst Jahre später schloss sie sich dem dortigen Kunstverein an. Als dieser sich 1997 zu dem Kunstprojekt „Ver­ gangenheit ist heute“ (Ausstel­ lung 1999 anlässlich der 1000- Jahrfeier der Stadt Villingen) entschloss, das eigene Werk den Objekten aus der Samm- lungdes Franziskanermuseums in Villingen gegenüber zu stel­ len, da entschied sich Lisa Kel­ ler-Nikola für eine dort ausge­ stellte Abendm ahldarstellung aus dem 16. Jahrhundert. Die ehemalige Innenseite, die Hinweise zur Restaurie­ rung und Veränderung der Tafel, zu ihrer Provenienz gibt, wurde ihr zur Hauptan­ sicht. Ein Zeitungsausschnitt auf Goldgrund schafft dort Verbindung zwischen den Zeiten, Welterfahrungen und gesellschaftlichen Gewichtungen. Diese Tafel, in ihrem fragmentierten, verletzten Zustand spiegelt die zurückliegenden Jahrhun­ derte wieder. Ihr nähert sich die Künstlerin durch eine Papiercollage auf Blattgold, Pappe und Hartfaser. Die Abendmahlsdarstellung fand konzentriert in „Tisch“ , ei­ ner Collage aus Papieren, Sand, Holzkohle, Rotwein, Brot, Stoffund Fäden auf Pap­ pe und Hartfaser auf der Gegenseite ihre korrespondierende Entsprechung. „Die Vergangenheit verstehen lernen, mit den Händen begreifen, Schicht um Schicht eintauchen, Spuren deuten, um das Heute zu verstehen“, so schreibt Keller-Niko­ la selbst zu ihrer Arbeit. Die Loslösung vom reinen Gegenstand Wer sich mit Design und Textilien, Farben und Formen sowie der Malerei nach 1950 auseinandersetzt, kommt an den vielfältigen Überlegungen zur Farbfeldmalerei Rechts: W alderkun­ dung 5,1997 1 8 2


Lisa Keller-Nikola 1 8 3


Kunst und Künstler nicht vorbei. Die Farbfeldmalerei (auch: Colourfield Painting oder „nachmalende Abstraktion“) ist eine Stilrichtung der modernen Malerei, die mit großflächigen, homogen gefüllten Farbfeldern arbeitet. Die Oberflächen wurden rau, spröde, auf­ gerissen, der Farbauftrag vielschichtig, durchschimmernd, Materialien des tägli­ chen Alltagsgebrauchs wie Rost oder Sand fanden sich auf dem Bildgrund wieder. Lisa Keller-Nikola sucht eine Verschmelzung dieser Überlegungen mit ihrer sub­ jektiven Motivation. Die Werke werden räumlich. Die Farbpalette, bestehend aus Erd- und Natur-Tönen, spiegelt die von der M a ­ lerin auch in Worten formulierte Erdverbundenheit. Die Elemente Luft, Erde, Was­ ser und Feuer sind für ihr Werk existenziell und essenziell symbolisiert. Sie sucht eine Vermittlung von Naturerfahrungen mit malerischen Überlegungen und den meditativen, über sich selbst hinaus verweisenden Bildüberlegungen Rothkos. Es interessiert sie nicht ausschließlich was auf der Erde passiert, transzendentale Be­ deutungsebenen schwingen mit. Ü bernehmen Farbe oder Form die Vorm achtstellung auf dem Bildgrund? Nur langsam löst sich Keller-Nikola vom direkten Befragen einer Wahrnehmung. Immer wieder nimmt sie Bezug. Die Tafeln Winter und Frühling bilden einen Über­ gang. Die Oberflächen sind völlig geglättet. Von der Betonung der Oberflächen­ struktur, der M aterialhaftigkeit ist nichts geblieben. Stattdessen loten wohl be­ rechnete, senkrechte Farbstreifen, teils streng begrenzt, teils im sanften Farbver- lauf die Fülle der Naturtöne zu verschiedenen Jahreszeiten aus. Damit stellt sie sich in eine Reihe von berühmten und direkten Vorbildern. Im Kunstverein Villingen-Schwenningen hat in den i98oer-Jahren der Maler Rolf Deimling seine Überlegungen zu Farbverläufen und Farbfeldern vorgestellt. Auch er nicht, ohne deutlich in Werk und Wort auf berühmte Vorbilder wie Ad Rein­ hardt, M ark Rothko, Antoni Täpies und Barnett Newman zu verweisen. Auch die­ sen Überlegungen verschließt sich Lisa Keller-Nikola nicht. In Arbeiten von 2003 hinterfragt sie den Nuancenreichtum der einen, vermeintlich reinen Farbe Rot be­ ziehungsweise Blau. Sie mischt sie mit anderen Farben und setzt diese Farbtöne nun neuerlich in Streifen übereinander, zueinander in Bezug. Es entsteht ein schwingendes, sich wie in Wellen bewegendes Bild, eine flirrende Raumerfahrung vor einer doch bekanntlich zweidimensionalen Fläche, das Variationen der Op-Art Aika 6-05 1 8 4


Lisa Keller-Nikola Raum + Zeit, 2 1 .9 .2 0 0 5 und Zero-Künstler wie Ludwig Wilding, Heinz Mack oder Piero Manzonis verarbei- tet. Betrachtet man die Arbeiten Lisa Keller-Nikolasausden letzten Jahren, erkennt man, dass sie die Verschmelzung ihrer vorherigen Arbeiten sucht. Nahezu mono­ chrome Bilder und gestische M om ente verbinden sich zu malerisch komplexen Ge­ bilden, die aufgebaut sind aus vielen Farbschichten und Übermalungen. Bilder wie Langzeitstudien, immer wieder überarbeitet, geben einen Veränderungs-, einen Entwicklungsprozess wieder und verweisen auf das Entstehen und Vergehen der Aika 3-05 1 8 5


Kunst und Künstler Natur. „Ich beobachte die Veränderungen in der Natur, wie Bäume langsam ster- ben, Flüsse und Seen veralgen, Tierarten ausgerottet werden, wie die Natur auf den Raubbau der Menschen reagiert.“ So formuliert es die Malerin selbst. Raum + Zeit, 1 4 .9 .2 0 0 6 Aufgeraute O berflächen, g latte Felder Aufgeraute Oberflächen werden in einem Werk glatten Feldern entgegengesetzt, Farbverläufe und das sensible Spiel mit dem vielschichtigen Farbaufbau sehen sich nahezu abweisenden monochromen Farbfeldern gegenübergestellt. Die ma­ anm utende, thematisch meist vertikale Aufteilung der überwiegend quer­ rechteckigen Bildformate fällt ins Auge und die nun deutliche Konzentration auf einen Farbbereich mit Nu­ ancierungen innerhalb e i­ nes Werkes. Verstärkt ha- Festilo, 1998 1 8 6


Lisa Keller-Nikola Raum + Zeit, 2 0 .9 .2 0 0 6 ben sich auch wieder die Anklänge an grafische, zeichnerische Arbeiten. Erinne- rungen an Werke Blinky Palermos und Emil Schumachers drängen sich auf. Krat­ zerverlaufen deutlich als gesetzte Linien über eintönige Farbfelder und schließen unterschiedliche Farbbereiche von einander ab. Großen Flächen werden kleine geometrische Elemente gegenübergesetzt und die Rückbesinnung auf Collage- und Assemblagetechniken wird deutlich. Die Farbpalette verändert sich. Neben Erd- und Naturtönen halten Reminis­ zenzen an die Zivilisation Rost- und Silberfarbe Einzug in die Bildwelten. Die Ma- terialhaftigkeit der Oberflächen erhält erneut ausschlaggebendes Gewicht und Lisa Keller-Nikola bekennt sich zu den beiden Hauptpolen ihres Lebens. Helle, blaugefärbte Leinwände, die an weite Eis- oder Wasserflächen, einsame Nebel­ meere fern jeder Zivilisation erinnern, mit eingeritzten Linien als Verweise, bieten sich dem Betrachter als offene Flächen dar. Daneben stehen Oberflächen, die an M auerwerke, verletzt durch Kratzer und Beeinträchtigungen über Jahrzehnte, gar Jahrhunderte erinnern, mit rostigen Ein­ schlüssen und der abblätternden vielschichtigen Fassung vieler Übermalungen. Verbinden sich beide Welten, dann scheint sich das Licht der untergehenden Sonne auf rostigen Wänden flammend zu spiegeln. Lisa Keller-Nikola geht es um Naturerfahrung, um Räumlichkeit, die Darstellung des Schönen, Absoluten, des Unendlichen, kaum Erfahrbaren, Verletzlichen und die Auseinandersetzung mit den Errungenschaften der Malerei. A n ja R u d o lf 1 8 7


Kunst und Künstler Uli Zandona: Als Autodidakt zum erfolgreich Bildhauer Wie man es auch als Autodidakt in der Kunst zu etwas bringen kann, beweist der Bräunlinger Bildhauer Uli Zandona: Seit Jahren nimmt der 1957 geborene Künstler mit seinen abstrakten Holz­ skulpturen an Einzel- und Gruppenaus­ stellungen sowie an Symposien teil – mitzunehmendem Erfolg. Auf den künst­ lerischen Erfolg alleine möchte sich der gelernte Werkzeugmacher nicht verlas­ sen. Seit seiner Lehrzeit war er in ver­ schiedenen Branchen beschäftigt, seit nun 17 Jahren ist er bei der Bräunlinger Firma Dynacast im Bereich technischer Verkauf als Berater tätig. Der Ausgleich, zu dieser „Schreibtischtätigkeit“ ist für Uli Zandona die handwerkliche Arbeit, die Auseinandersetzung mit dem Mate­ rial, die Beschäftigung mit der Kunst, die mittlerweile zur Berufung wurde. Uli Zandona m it seinen Werken, rechts seine Installation zum Thema G erichtsbarkeitaus Anlass der /o o -la h r-F e ie r lon Bräunlingen.



Kunst und Künstler Seine Installation zum Thema Gerichtsbarkeit, die er im Jahr 2005 anlässlich der 700-Jahr-Feier der Bregstadt während einer Ausstellung am idyllischen Bränd- bach aufstellte, regt nun auch hier im Kreis dauerhaft die Öffentlichkeit zur Inter­ pretation an. Der Verbund der Zähringerstädte w arvon dem im symbolhaften Dia­ log zur Stadtkirche stehenden Ensemble so beeindruckt, dass er das Kunstwerk ankaufte und der Stadt Bräunlingen zum Geschenk machte. Das über vier M eter hohe Richtschwert aus Holz setzt sich mit der Gerichtsbarkeit im düsteren Mittelalter auseinander. Die sieben um das Schwert L gruppierten Betonkugeln sollen die hingerichteten Hexen symbo­ ä i k Rechts: Die fa st im m er namenlosen A rbeiten ent­ stehen alle­ sam t m it der M otorsäge. lisieren. Allein die formalen Eingriffe geben bei Zandonas Arbeiten die Denkrichtung vor. Da es ja in der Realität keine Hexen gab, wurden die Menschen, die nicht konform waren, als runde Kugeln, die w e ­ der Anfang noch Ende kennen, abgebildet. Und das Richtschwert ist * wie seine übrigen abstrakten Arbeiten mit Durchblicken versehen, die wiederum zu Ein- und Ausblicken verhelfen. Der geschichtsträchtige Beitrag zum Stadtjubiläum, mit dem sich der Künstler, der Mitglied im Internationalen Boden­ seeclub und in der Donaueschinger Künstlergilde ist, konkret mit einer Situation auseinandersetzt, ist im Gesamtwerk eher eine Ausnahme, aber er zeigt, dass sich der Bildhauer gekonnt auf ein Thema einlassen kann, ohne dabei seine charakte­ ristische Handschrift und seine abstrakte Formensprache zu verleugnen. Kettensäge bew ahrt das Ursprüngliche Mit Ruß-Leinöl geschwärzt und heftig durchdrungen oder auf den ersten Blick sehr behutsam behandelt: Die mit der Kettensäge von Ulrich Zandona bearbeiteten Skulpturen, für die der Baumstamm seine Dimension vorgibt, faszinieren immer durch ihren Charakter des Ursprünglichen. Mit dem technischen Arbeitsgerät, das Zandona den direkten und schnellen Zugriff erlaubt, werden tiefe Einschnitte, Durchbrechungen, Kerbungen und Höhlungen vorgenommen, die den 1 Einblick unter die Oberfläche nach innen gewähren. Der Bildhauer legt A das Innere des Blocks frei, die rauen und grob belassenen Sägespuren l machen für den Betrachter den Vorgang stets erlebbar und nachvoll- H ziehbar. Obwohl der Herstellungsprozess mit der Kettensäge gerade beim Holz doch sehr gewaltsam ist, steht dieser Kraftakt nicht im Vor­ dergrund. Die Lust an der Aggression tritt in den Hintergrund gegen­ über einem sensiblen Umgang mit der Säge. Zandona lotet das plas­ tische Material sehr subtil aus. Die Kerbungen, Furchen, Schnitte sind weniger als Narben oder Verletzungen zu sehen, son­ dern vielmehr als eine der ursprünglichen Außenhaut ver­ w andte Oberfläche. Die Idee des Künstlers, die Vorstellung von dem ange­ strebten Kunstwerk gewinnt Form aus dem Rohstoff und be­ zeugt die Kultur als Anverwandlung der Natur zum Werkzeug und somit zum Abbild, zum bedeutungsvoll auf sich verwei­ senden Objekt. Es geschieht eine Metamorphose: Die Struktur des Materials wird ins Artifizielle übersetzt. Fragilität wird B P bei vielen Arbeiten Uli Zandonas nicht nur suggeriert, sie 1 9 0 Links: Betonkugel aus der Installation „G erich tsb a r­ k e it“ . Die sie ­ ben Kugeln sym bolisieren die Hexenler­ brennungen in Bräunlingen. Links: Ohne Titel, Kastanie, Ruß- Leinöl, 1 8 0 x 6 0 X 3 0 cm, 2 0 0 3 , dauerhafter Standort Brändbach.



Kunst und Künstler wird auch auf die Probe gestellt. Der Mythos von einer im Stamm verborgenen skulpturalen Form erfährt also bei Zandona seine Fortführung in extremer Form. Nicht nur das Äußere wird entfernt, sondern auch an vielen Stellen der Kern. Übrig bleibt ein geradezu skelettierter Baumstamm. Zum Kern des Stammes vorzudrin­ gen, bedeutet für den Künstler einer klassischen Vorstellung der Bildhauerei gemäß, in dem ungestalteten Material sein Inneres als Bild sich vorzustellen und dies freizulegen. Indem er mit der Kettensäge den Stamm beschneidet, entsteht ein Vorgang voller Spannung, ein stetes Ringen mit den Problemen der Gestaltung oderauch ganz unmittelbar erfahrbar, eine Auseinandersetzung mit der Wucht des eingesetzten Werkzeugs und der Härte und des Widerstandes des Materials. Wi­ dersprüchliches findet sich so im Holz zusammen: der präzise überlegte Prozess der Konstruktion und der Planung aber auch die angestaute Konzentration wird durch die Handarbeit explosionsartig entladen. Das Sägeschwert sucht sich rasch und laut seinen Weg durch den Stamm. Das eine ergibt sich nun wie von selbst aus dem anderen. Die Kon­ zeption zwar stets im Kopf, muss das kalkulierte mit dem spontanen Element ei­ nen Kompromiss eingehen. Eine Übereinkunft im besten Sinne des Wortes: Eine Eini­ gung von durchdachter Ge­ staltung und spielerischem Umgang mit der Kettensäge. Das Resultat sind Skulptu­ ren, die einerseits aufgrund ihrer Solidität nie ihre Bo­ denhaftung verlieren aber andererseits auch d ra m a ti­ sieren, indem mit Irritatio­ nen und Durchblicken gespielt wird. Ulrich Zandona inszeniert, erzw ingt den Blick durch anthropomorphe Öffnungen, und bindet den Betrachter somit ein in die Spannung der Komposition. Der Künstler teilt die Skulptur auf, seziert sie sorg­ sam, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Die Arbeiten offenbaren gleichsam ihr Äußeres sowie ihr Inneres und zudem die verschiedensten Seiten dem Betrachter, der je nach Annäherungs- und Sicht­ weise die Vielschichtigkeit des Polaritätsprinzips erlebt. Das Verhältnis zwischen Offenheit und Geschlossenheit lenkt den Blick durch die M aterialität des Körpers oder um sie herum auf das eigentlich Unsichtbare. Die Einkerbungen, Schnitte und Durchbrüche verleihen den schweren Gebilden somit eine nicht fassbare Leichtig­ keit im Sinne von Transzendenz. Die Skulpturen strahlen so in ihrer angestam m ­ ten Präsenz und der gleichzeitigen Thematisierung des Abwesenden konzentrier­ te Kraft im Raum aus. Der Bildhauer öffnet mit dieser Arbeitsweise nicht nur das plastische Volumen seiner Stücke, um damit Räumlichkeit im Innern der Skulptur sichtbarzu machen, sondern verhilft ihr ebenso zu plastischer Ausdehnung in den sie umgebenden Raum. Aus einer anfänglich kompakten Form wird dadurch ein aktiver Körper mit einer Vielfalt von Nuancen: Töne, die dazwischen liegen, losge­ löst vom Material, freie Räume, getragen von den Kraftlinien, die sie umschließen, 1 9 2 Links: Ohne Titel, v. r. Pappel, Fichte, Pappel, Ruß- Leinöl, jew eils 1 4 0 x 3 0 x 5 cm, 2004 Rechts: Ohne Titel, Apfel, Ruß- Leinöl, 1 2 0x25 x 25 cm, 2005


Uli Zando na


Kunst und Künstler um nochmals an die Bedeutung der eingangs von Henry Moore zitierten „Löcher“ zu erinnern. Beim Umgang mit der Säge bewegt den Bildhauer also immer auch der Gedanke, nicht zu viel zu sägen, damit das Gefüge nicht zusammen bricht. Die­ se Gratwanderung im Umgang mit dem Material macht die Sache für ihn jedoch umso spannender. Seine Arbeit beschreibt Uli Zandona selbst „als ein künstlerisches Ausloten von Extremen, von Gegensätzen und komplementären Dingen“ . Im Hinbtickaufdie Leervolumina seiner Werke kann man feststellen, dass er mit seinem Material in den Raum zeichnet. Denn zum positiven Massevolumen seiner Skulpturen treten die gesägten Partien als gleichberechtigte plastische Bereiche hinzu. Rechts: „K le in e r Flü­ g e l“ , Buche, unbehandelt, 3 0 x 5 x 1 cm, 2005 Polaritäten „Senkrecht und W aagrecht“ Zandona geht es auch immer um die Austotung von extremen Standpunkten, wie es bei dem Thema „Positionen zwischen Senkrecht und Waagrecht“ deutlich wird. Die anhaltend intensive Beschäftigung mit der senkrechten und waagerechten Linie ist jedoch weit mehr als ein Abwägen formaler Möglichkeiten. Dabei inte­ ressieren den Bildhauer weniger das Aufzeigen von polaren Strukturen, sondern mehr die Schnittstellen, die Visualisierung von Orten, wo sich die Gegensätze tref­ fen. Der Blick des Betrachters wird auf das direkte Aufeinandertreffen der unter­ schiedlichen Pole innerhalb einer Arbeit gelenkt. Man erfährt somit, was sich zwi­ schen den Extremen abspielt. Hier spielt sich reduziert auf wenige Formelemente das ganze Leben ab. Die Senkrechte steht als Symbol für das Aufrechte, für den Fortschritt, für die Entwicklung und die Verbindung zwischen Himmel und Erde. Die Waagrechte dagegen stellt als Horizontlinie die Schnittstelle zwischen Himmel und Erde dar, ein Sinnbild für Ruhe und Stille. Und in diesen Schnittpunkten entstehen bedingt durch die Arbeitsweise Assoziationen zum Leben und zum Künst­ ler selbst. Die vertikalen Schnitte mit der Kettensäge entste­ hen sehr durchdacht, pflichtbewusst wie mit dem Lineal kal­ kuliert, als Symbole für den täglichen Zwang zum Überleben. Die Waagrechten, oft spontan aus dem Bauch heraus ge­ sägt, dagegen stehen für das spielerische Element in unse­ rem Dasein. Und im Dialog, in der Konfrontation dieser Lini­ en, entsteht unweigerlich eine Ambivalenz, die einem Bild unserer eigenen Lebenswirklichkeit und Zerbrechlichkeit entspricht. Fazit: Der puren, ungehemm ten Emotionalität dieser Arbeitsweisen und der dam it zur Schau gestellten Vitalität seines kreativen Handelns setzt Uli Zandona jedoch immer die Taktik des Kompositionsgefüges entgegen. Er erzielt d a­ mit nicht nur für sich, sondern auch für den Betrachter die Möglichkeit zur Distanz. Der Bildhauer thematisiert mit sei­ nem Schaffen prinzipielle polare Gesetzmäßigkeiten wie Of­ fenheit und Geschlossenheit, Weichheit und Härte, Transpa­ renz und Dichte, Bewegung und Ruhe. Zudem zeugt seine künstlerische Haltung auch von einer Stellungnahme zum Leben ganz allgemein. S tefan S im on Links: Ohne Titel, Birke, unbe­ handelt, 120 x 2 5 x 2 5 cm, 2002 1 9 4


Uli Zan d o n a


12. K a p ite l Bauen und W o h n en VS-Schwenningen – Stadt im Wandel Schwenningen feiert 100 Jahre Stadtrecht und „bekommt den Neckar zurück“ Grund zum Feiern hatte Schwenningen im Jahr 2007, denn vor 100 Jahren wurde das einst größ­ te württembergische Dorf zur Stadt erhoben. Da­ mals allerdings hielt sich die Euphorie des länd­ lich geprägten Fleckens auf der Baar in Grenzen, man wäre lieber das größte „U h rend o rf“ von W ürttem berg geblieben. Sowohl das Dorf als auch die Stadt Schwenningen war geprägt von der Uhrenindustrie, die sie zur Blüte trieb und ihr den Namen „größte Uhrenstadt der W elt“ ein­ brachte. Namen wie die WUrttembergische Uhrenfabrik von Johannes Bürk, M au the und Kienzle sind untrennbar mit dem Aufschwung und Niedergang der Uhrenstadt verbunden. Ab 1905 entstanden Bauten, die für die Infra­ struktur unabdingbar waren, und die zugleich Ausstrahlung besaßen: Das Krankenhaus an der Salinenstraße wurde gebaut – nach dem neues­ ten Standard. Es gab schicke Parkanlagen, ein Freibad und eine gemeinsame Gasversorgung mit Villingen. Besonders gefragt war der soziale Wohnungsbau, Arbeiterwohnungen entstanden auf dem Sauerwasen und der Flammerstatt, um nur zwei Beispiele zu nennen. Die Bevölkerung wuchs, viele Fremdarbeiter kamen in die Stadt. – 4- Bürk, M authe o der Kienzle, dass Schw enningen einst „g rö ß te U hrenstadt der W elt“ gewesen ist, kann man n u r noch in den Museen entdecken.


Der Aufschwung setzte sich fort: i 9 6 0 stan­ den in Schwenningen 85 Uhren- und Teilefabri­ ken, 2 0 .0 4 0 Personen waren beschäftigt! Aber auch eine markante städtebauliche Entscheidung fiel, die gegenwärtig revidiert wird: 1963 war die Eindolung des Neckars abgeschlossen, der gro­ ße Fluss optisch aus dem Stadtbild verschwun­ den. 1969 dann fanden erste Gespräche zwischen Villingen und Schwenningen zum beabsichtig­ ten Städtezusammenschluss statt. 1971 fassten die Schwenninger bei einem Bürgerentscheid die für ihre Stadt wichtigste Entscheidung der jünge­ ren Geschichte: Sie beschlossen nach mehr als 1.150 Jahren ihre Selbstständigkeit aufzugeben und die Städteehe mit Villingen einzugehen – die Doppelstadt Villingen-Schwenningen war ge­ boren. Viele Weichen wurden aber bereits in den i96oer-Jahren gestellt, als Schwenningen noch zum Landkreis Rottweil gehörte. Sämtliche Schu­ len, auch die gewerblichen Berufsschulen David- Würth-, und Richard-Bürk-Schule, wurden in der Trägerschaft der Stadt betrieben. Das Schulzen­ trum Deutenberg w ar der größte Bau in der ers­ ten Hälfte der i96oer-Jahre mit Gymnasium, Re­ al- und Hauptschule; nicht zu vergessen die bei­ den angeschlossenen VS-Schwenningen – Stadt im Wandel Sporthallen, die von den Vereinen genutzt w ur­ den. Es waren die ersten Hallen in der Region mit Zuschauerrängen. Nach der Fusion ging in den i97oer-Jahren der Ausbau weiter. In Villingen ent­ standen die Neubaugebiete Haslach und Wösch- halde. Das Hoptbühlgymnasium wurde gebaut, dasRomäusgymnasium s a n ie r t – u n d , und, und! M uslensanierung stellt Stadt auf den Kopf Die bereits in den i96oer-Jahren erfolgten Er­ schließungen der Wohngebiete Deutenberg, Sau­ erwasen und Rieten brachten die Stadtentwick­ lung nach der Fusion voran. Die wohl einschnei­ dendste, städtebauliche Veränderung war die Muslensanierung in den 1960er- und i97oer-Jah- ren. Alles, was bisher in Schwenningen gewach­ sen war, wurde auf den Kopf gestellt. Das be­ deutendste Bauwerk in diesem Viertel, die Uh­ renfabrik Mauthe, musste ebenso weichen wie alle Häuser im Quartier. Nichts, außer dem heu­ tigen Heimatmuseum und dem evangelischen Pfarrhaus erinnern an die bäuerliche Struktur in diesem Bereich. Die Absicht war, eine homoge­ ne Innenstadt aufzubauen, das dörfliche Erschei­ nungsbild sollte Platz machen für die Stadt mit Bibliothek (damals der größten weit und breit), Das Freizeitzentrum „Le Prom “ (links) und das Einkaufszentrum „ ’s Rössle“ lerkörpern den städtebaulichen Wandel, das ju n g e Schwenningen.


Bauen und Wohnen Fußgängerzone und Verkaufspassagen. Vom Land Baden-Württemberg flössen durch Sonder­ programme reichlich Mittel in die Stadt. Der damalige Oberbürgermeister Gerhard Ge­ bauer erinnert sich daran, dass vor der Muslensa- nierungdie Karl- und DauchingerStraße die größ­ ten Einkaufsstraßen in Schwenningen waren. Die Fabriken, die zwischen Bauernhäusern standen, bildeten ein Hindernis für die Stadtentwicklung, allen voran der Mautherundbau. Der Konkurs der einst renommierten Firma Ende 1975 erlaubte es, den Koloss abzureißen. Heute erinnert am City- Rondell nur noch das Eingangsportal an die Uh­ renfabrik. Das Zentrum ist mehr denn je ein wich­ tiger Anlaufpunkt für breite Einkaufsmöglichkei­ ten. Der einst größte Bauernhof Schwenningens wich dem Kaufhaus Baro, das zweifellos über Jahrzehnte städtebauliche Akzente setzte. An­ fang der i99oer-Jahre aber fiel das damalige Kaufring-Gebäude einem Brand zum Opfer. Heute steht dort das Freizeitzentrum „Le Prom“, das zu­ sammen mit dem Einkaufszentrum „’s Rössle“ im Mai 2 0 0 0 eingeweiht wurde. Hier stand einst Schwenningens Renommierbau: das Gasthaus Dank p rilater Initiatile laufen die Bären der e in sti­ gen Bärenbrauerei auch heute noch oben über die V illinger Straße. und Hotel Rössle, dessen ältester Gebäudeteil in der M itte des 19. Jahrhunderts gebaut wurde. 1905 entstand der prächtige Saalbau, in dem sich jahrzehntelang das gesellschaftliche Leben Schwenningens abgespielt hatte. Viele Jahr­ zehnte lang war das Gelände ein Spekulations­ objekt verschiedenster Investoren, diente lange Zeit als Parkplatz. Heute steht das vor sieben Jahren von einem Berliner Immobilienfonds er­ richtete Einkaufszentrum leer. Zuerst zogen die großen Ankermieter aus, schließlich konnten die Kleinen nicht mehr überleben. Auch die traditionellen Bären laufen noch Ein Stück altes Schwenningen blieb durch die Oberdorf-Sanierung mit dem Ensemble „Ob dem Brückle“ erhalten. Auch die Bären der traditions­ reichen Bärenbrauerei, die ebenfalls seit den i97oer-Jahren nicht mehr existiert, laufen dank privater Initiative auch heute noch hoch oben über die Villinger Straße. In den i97oer-Jahren fassten auch die Hoch­ schulen in Schwenningen Fuß. Für Gebauer war damals klar, dass zu einem Oberzentrum, das Villingen-Schwenningen mit der Fusion gewor­ den war, auch Hochschulen gehören. Die Pläne für eine Universität wurden vom damaligen Kul­ tusministerium und Ministerpräsidenten Hans 1 9 8


Die Schw enninger Berufsakademie wurde 1975 als dritte Berufsakadem ie im Land gegründet. Neben der Fachhoch­ schule der Polizei (Mitte), der Neubau wurde 1985 bezogen, eröffnete 1987 auch die Fachhochschule Furtwangen in Schwenningen eine Nebenstelle. Filbinger abgelehnt. Konstanz und Ulm sollten als Universitätsstandorte genü­ gen. Bei den Hochschulen hatte das Oberzentrum mehr Glück. In Göppin­ gen oder Offenburg sollten sie zu­ nächst gebaut werden. Doch Villingen- Schwenningen setzte sich durch. Zu­ erst richtete sich die Polizeifachhoch­ schule in Maria Tann bei Unterkirnach ein. 1985 bezogen Professoren und an­ gehende Kommissare dann einen Neu­ bau am westlichen Eingang Schwen­ ningens. Acht Jahre später wurde ange­ baut. Drei neue Gebäude sollten die Ka­ pazität auf 750 Studenten erweitern. Parallel dazu kam die Berufsakade­ mie dazu. Sie wurde im Oktober 1975 als dritte Berufsakademie im Land ge­ gründet und war die erste Einrichtung ihrer Art außerhalb der industriellen Ballungszentren und hatte zuerst gera­ de einmal 15 Studenten. Heute sind es 1.800. Mit dem Abriss der ehemaligen Kienzle- Uhrenfabrik in der Friedrich-Ebert-Straße und dem Neubau der Berufsakademie gingzunächst die notorische Raumnot zu Ende. Heute sind be­ reits mehrere Erweiterungen auf dem Gelände erfolgt, die jüngste, der Mensaneubau für BA und FH, dort wo einst das Wein haus Hess stand, und der dritte Bauabschnitt gehen ihrer Vollen­ dung entgegen. Anfang der i98oer-Jahre kam ein Ableger der Fernuniversität Hagen dazu, die bis heute in der Frühlingshalde angesiedelt ist. Die dritte im Bunde ist die Fachhochschule Furtwangen. DieAbteilungSchwenningen wurde mit drei neuen Fachbereichen 1987 in Schwen­ ningen eröffnet und ist bis heute im gegenüber­ liegenden Teil der ehemaligen Kienzle-Uhrenfa- brik beheim atet 1.380 Studenten werden dort VS-Schwenningen – Stadt im Wandel unterrichtet, wo einst Uhren produziert wurden. Auch hier standen längst Erweiterungen an, die das Land ebenso mit großzügigen Finanzsprit­ zen in zehnfacher Millionenhöhe versah, wie bei der Berufsakademie. Der vor Jahren gefasste Cam­ pus-Gedanke einer gem einsamen Hochschul- landschaft vor dem Bahnhof nimmt weiter Ge­ stalt an. Die Landesgartenschau 2010 kündigt sich an Das Hochschulensemble erhält mit der Landes­ gartenschau im Jahr 2010 – die am Schwennin­ ger Bahnhof ihr Herzstück zeigt – eine weitere Aufwertung. M it der Landesgartenschau geht eine große städtebauliche Entwicklung vor allem 1 9 9


Bauen und Wohnen Der Neckar kehrt ins Schwenninger S tadtbild zurück. im Bereich des Schwenninger Bahnhofareals einher. Auch der bislang eher benachteiligte Ne­ ckarstadtteil wird davon profitieren. Eng verbun­ den mit der Landesgartenschau ist ein anderes Projekt, das bereits vor einigen Jahren gestartet wurde – die Neckaroffenlegung. In vier Bauab­ schnitten werden 3,5 Kilometer des Flusses wieder ans Tageslicht gebracht. In den i96oer-Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde der Neckar in Schwenningen wegen massiverVerschmutzungen durch gewerbliche und private Abwässer voll­ ständig kanalisiert und in den Untergrund ge­ legt. Aufgrund des Wachstums der Stadt, der da­ mit einhergehenden zunehmenden Flächenver- siegelung sowie immer extremer werdender Nie­ derschlagsereignissen war das städtische Ka­ nalsystem in der jüngsten Vergangenheit immer w ieder überlastet. 2 0 0 Knapp zehn Millionen Euro kostet die W ie­ derherstellung des Neckars. Das Land fördert die M aßnahm e mit fünf Millionen Euro, sonstige Ein­ nahmen belaufen sich auf 2,3 Millionen Euro. Der Eigenanteil der Stadt beträgt 2,5 Millionen Euro. Der Spatenstich für den ersten Bauab- schnittvon derTalstraßezur Alten Poststraße er­ folgte im Juni 2 0 0 2. Der zweite Bauabschnitt be­ gann im Oktober 2 0 0 6 und ist bis zum Stern­ hochhaus und zur Neuffenstraße fertiggestellt. Im Jahr 2 0 0 8 wird die M aß n ah m e entlang der Rottweiler Straße bis zur Einmündung in den be­ stehenden Neckar abgeschlossen sein. Mit dem Landesgartenschaugelände deckt sich der dritte Bauabschnitt von der Alten Herdstraße durch das Bahnareal, die Möglingshöhe zur Salinen­ straße bis ins Schwenninger Moos. Der vierte und letzte Bauabschnitt erstreckt sich auf das kleine Stück von der Alten Herdstraße bis zur Burgstraße. Bis zur Landesgartenschau im Jahr 2010 soll die gesamte Neckaroffenlegung been­ det sein. W ohnen Am Vorderen See Der Vordere See, dereinst ein eiszeitlicher Sumpf war, hat sich nicht zuletzt dank der Neckarof- fenlegungzu einem attraktiven W ohngebiet mit­ ten in der Stadt entwickelt. Bei Jung und Alt glei­ chermaßen ist das Wohnen Am Vorderen See be­ liebt, Wohnanlagen sind in den vergangenen Jahren schnell aus dem Boden geschossen. Doch die Attraktivität des nordöstlich der Innenstadt gelegenen Gebietes war nicht zu allen Zeiten so groß wie heute, dafür blieb es im m er Ge­ sprächsstoff. Noch bis vor wenigen Jahren glich derVorde- re See und sein Umfeld einer Wildnis, das ehe­ malige Kienzle-Firmengebäude in der Austraße war abgerissen, Altlasten verseuchten den Un­ tergrund, wilde Gärten entstanden dort, wo sich heute der See ausbreitet und die Schwenninger BKK ihren Neubau erstellt hat, ein Lebensmittel­ markt Kunden anzieht und die Wohnanlagen für Senioren und Familien gebaut wurden. Bis die Investorengruppe Dr. Eisele aus Rottenburg am östlichen Ende des Geländes ein Naherholungs­ gebiet anlegte, erlebte das 4 9 .0 0 0 Quadratme-


VS-Schwenningen – Stadt im Wandel Eine Seeidylle mitten in Schwenningen: Wohnen „Am Vorderen See“ hat sein besonderes Flair. Vielfältig sin d die Freizeitmöglichkeiten. ter große Gebiet eine wechselvolle Geschichte. Einst lagen östlich und nordöstlich des Schwen­ ninger Zentrums feuchte Wiesen mit Quellhori­ zonten (nasse Flächen, die entstehen, wenn Quel­ len austreten) und temporäre Seen. Der hintere und vordere See entstanden aus einem Bach, der als Talzug eiszeitlicher Bildung von Villingen bis zum Deutenberg floss. Der Deutenberg ist als M u ­ schelkalkrücken stehengeblieben, das Wasser musste auf seinem Weg deshalb einen rechten Winkel einschlagen, so dass schließlich das sump­ fige Gebiet des vorderen und hinteren Sees ent­ stand. Später wurde das Gelände trockengelegt, um Weideflächen zu gewinnen. Anfang des 20. Jahrhunderts entstand dort die legendäre Schwenninger Eislaufbahn, noch lange bevor in den i96oer-Jahren das Eisstadion gebaut wurde. Als die Bahn dann überflüssig war, wurde die Fläche verfüllt und teilweise als Grünanlage genutzt, die späterzu Brachland ver­ kam. Auf der westlichen Seite des Geländes war mittlerweile das Werk II der Firma Kienzle Uhren entstanden. 2 0 1


Bauen und Wohnen M arkant is t auch die A rchi­ tektur des Verwaltungsge­ bäudes der Schwenninger BKK am Vorderen See, der einstigen Betriebskranken­ kasse der Kienzle U hrenfabri­ ken. Von der Idee bis zum Bau brauchte es 30 Jahre Anfang der i97oer-Jahre hatte Reinhard Hosemann, der damalige stellvertreten­ de Leiter der Abteilung Grün des Hochbauamtes Villingen und späterer Leiter des Grünflächenam tes von Villingen- Schwenningen, vorgeschlagen, wieder den See anzulegen und darum hochwertige W ohnbe­ bauung zuzulassen. Bis es dazu kam, gingen rund 30 Jahre ins Land. Zeitlich parallel gründete sich damals der Hallenbadförderverein Schwen­ ningen, der die Fläche für ein Hallenbad wollte. Aber die sumpfige, alte Seeftäche war für einen Hallenbadbau nicht geeignet und dieser auch nicht finanzierbar. Der Hintere See war schon früher trockenge­ legt worden. Heute stehen darauf dieTurnhallen der Deutenbergschulen. Unter der Halle wurde ein künstliches Wasserrückhaltebecken aus Be­ ton gebaut. Durch die zunehmenden starken Re­ genfälle in den vergangenen Jahren waren schon mehrfach Hochwasserschäden in diesem Gebiet zu verzeichnen zuletzt 2003 und 2 0 0 6 . Die W ie­ deroffenlegung des Vorderen Sees ist aus heuti­ ger Sicht also nicht nur eine Erhöhung der Le­ bensqualität der Menschen in der Stadt, son­ dern auch eine notwendige M aßnahm e. Sie ist Teil der derzeit noch laufenden Neckaroffenle­ gung. Damit wird nicht wie in früheren Jahren das Abwasser zusammen mit dem Regenwasser in den Mischkanal geleitet, sondern das schmut­ zige vom sauberen getrennt. Die Kanalisation er­ fährt dadurch eine Entlastung. Bis in die 1950er- Jahre durchfloss der Neckar ganz Schwenningen offen. 1999 wurden die Pläne für eine W ohnbebau­ ung am Vorderen See mit der Projektentwick­ lungsgesellschaft Dr. Eisele aus Rottenburg kon­ kret, die das Gelände von derGebau-Süd gekauft hatte. Mehreren Eigentümern des Kienzle-Areals war es nicht gelungen, die Fläche zu sanieren. Die Sewo-Wohnungsbaugesellschaft hatte das Grundstück 1981 erworben, ging 1989 in Kon­ kurs. Danach wurde das Gelände von der Woh­ nungsbaugesellschaft Gebau-Süd gekauft. Da die Altlastenfrage unterschätzt wurde, erfolgte


1991 eine Weiterveräußerung an die Kivi AG in der Schweiz. Nach jahrelanger juristischer Aus­ einandersetzung gab der Verwaltungsgerichts­ hof M annheim 1998 dem Land Recht und erklär­ te, dass der Kaufvertrag zwischen Gebau und Ki­ vi ein Scheingeschäft und somit nichtig war. 18 Jahre lang lag das Gelände brach. Die Rottenburger Firma hatte mit der Stadt ei­ nen öffentlich-rechtlichen Vertrag abgeschlos­ sen, in dem sie sich verpflichtet hatte, die finan­ ziellen Mittel zur Errichtung des Sees aufzubrin­ gen. Bodenbelastungen auf dem 4 9 .0 0 0 Qua­ dratm eter großen Firmengelände machten kost­ spielige Untersuchungen und Reinigungen er­ forderlich. Bis endlich der See mit Wasser gefüllt war, dauerte, weil sich die Stadt und das Büro Eisele nicht überdie Höhe derSanierungskosten von rund 2 5 0 .0 0 0 Euro einig waren. M itten in der Stadt und im Grünen zugleich Heute ist das alles vergessen, wenn die Bewoh­ ner und Besucher des Vorderen Sees die Idylle genießen, die das neue Wohngebiet ausstrahlt. Neben den Wohnungen, die die Rottenburger er­ richteten, hat das Siedlungswerk Rottweil 33 Se­ niorenwohnungen, zwölf Eigentumswohnungen und 17 Eigenheime gebaut. Für 4 8 Wohnungen und 15 Reihenhäuserzeichnet sich der Bauträger GEWO Merz aus Rottweil verantwortlich. Weitere Reihenhäuser sind vor zwei Jahren entstanden. Vor allem die Stadtnähe, der Blick ins Grüne, in das Naherholungsgebiet direkt vor der Haus­ türe und das geordnete Umfeld sind für die Be­ wohner die Hauptgründe, warum sie sich dieses W ohngebiet ausgesucht haben. Das soziale Ge­ füge ist intakt, eine durchwachsene Altersstruk­ VS-Schwenningen – Stadt im Wandel tur herrscht vor. Als Prognose gilt, dass das Ge­ biet natürlich wächst, weil die Bewohner zusam­ men alt werden. Mit d erSanierungdieses Areals ist Schwenningen zumindest in diesem Bereich aufgewertet. Eine weitere Brache – das Bahn­ hofsareal – wird derzeit in Schwung gebracht. Bei einer der größten Altlastensanierungen der Stadt werden ab November 2007 ein halbes Jahr lang rund 112.000 Kubikmeter Boden be­ wegt, um das Gelände für die Landesgarten­ schau „rein“ zu machen. Für die Bahn, die rund fünf Millionen Euro in die Sanierung steckt, ist dies ebenfalls eine der größten Sanierungen, zwar nicht von der Schadstoffmenge, aber von den Ausmaßen her. Das Bild Schwenningens heute ist nach wie vor geprägt von den alten Fabriken, die teils ver­ kommen und teils einer neuen Nutzung zuge­ führt wurden. So sind zum Beispiel aus Urgos und dem alten Maicobau in der Burgstraße Ge­ werbeparks geworden, andere Firmengebäude wurden zu Wohnhäusern umgebaut. Der größte Teil der Industrie hat sich im Laufe der Jahre ins Industriegebiet Ost angesiedelt. Der wichtigste Impuls für die Entwicklung Schwenningens in den nächsten Jahren istdie Landesgartenschau. Seit der Fusion, und nicht davor, gab es eine der­ art geballte städtebauliche Neugestaltung. S a b in e S treck Fotos: M ic h a e l K ie n zie r Schwenningen hat als W ohnort liel zu bieten, lon links: Brunnen am M uslenplatz, der frühere Eingang z u r U hrenfabrik M authe in te g rie rt ins City Rondell, das m oderne Hallenbad un d lor allem liel Kultur, so bei der Schw enninger Kulturnacht.


13- K a p ite l Da leb en w ir Vitlinger Wochenmarkt: Einkäufen, bummeln – Treffpunkt mit Flair Auf dem M ü nsterp latz wird schon seit über 1 .0 00 Jahren M arkt gehalten W e r am S a m s ta g v o rm itta g durch die V illin g e r In n e n s ta d t sc h le n d e rt und M en s c h e n trifft, d ie v o ll g e p a c k te Körbe und Taschen sc h le p p en , aus d en en v o r­ w itz ig e in e S tan g e Lauch h e ra u s ­ schau t, das G von Karotten o d e r ein fa rb e n ­ p rä c h tig e r S o m m e rb lu m e n s tra u ß , d e r kann sich sicher sein: D iese M en s c h e n ko m m en g e ra d e vom V illin g e r W o c h e n ­ m a rk t. Er ist w e it m e h r als ein U m s c h la g p la tz fü r frische L e b e n s m itte l und a lle rle i P ro d u k te d e r h eim isc h e n L a n d w irt­ schaft: W enn M a r k tta g ist, s c h lä g t V illin g e n s a lte s Herz a u f d em M ü n s te rp la tz . Er ist Treffpunkt von Männern, Frauen, Kindern und jugendlichen al­ ler Altersstufen, a u s allen soz iale n Schichten und unterschiedlichen Heimatländern, die alte ei­ n e s verbindet: d a s Vergnügen am Anblick der köstlich bunten Auslagen und am g eselligen Einkauf mit ge m ütlic he m Schw atz zw ischendu rch. Und die beim Rundgang genussv oll je n e unvergleichliche At­ m o sp h ä r e ein atm en , die d ieser mittelalterliche Platz mit dem wuchtigen Münster in se in e r Mitte ausstrahlt. Keine Frage: Der Villinger Wochenmarkt ist einer der s c h ö n s t e n w eit und breit, d a s nun schon seit mehr als 2 0g l . o o o Jahren. Wir erinnern uns: anno 9 99, exakt am 29. März und zwar in Rom, verlieh Kaiser Ot­ to III. dem Grafen Berthold die Markturkunde für s e in e n Ort Villingen, der sich se ith e r „Stad t“ nennen durfte, w a s 1999 mit Pauken und Trom­ peten im Städtle gefeiert wurde. Die Frau lä sst ihre Augen bege hrlich über frisch-grüne S om m ersalate, die ersten Früh­ kartoffeln a u s e ig e n e m Anbau und Tomaten „von hier“ sc h w e i­ fen. DieKappelerin kauft auf dem Auf dem Münsterplatz in Villin- gen trifft sich Samstag für Sams­ tag der „halbe Schwarzwald- Baar-Kreis“zum Wochenmarkt. Ein Markterlebnis, das mehr bie­ tet als Einkäufen.



Erntefnsche Kirschen bester Qualität – verlockende Sommerfrüchte auf dem Villinger Wochenmarkt. VUlinger Markt ein, „seit ich denken kann“. Sie lässt sich vom aktuellen Angebot für die Mahlzei­ ten inspirieren, mit denen sie sich und ihre Lieben am Wochenende verwöhnen wird. „Sonst ist Ein­ käufen oft stressig, hier macht’s einfach S p aß“, sagt sie und deutet auf eine Kiste mit verführe­ risch-roten Kirschen. „Machen Sie mal“, fordert sie die freundliche Verkäuferin zum Wiegen auf, „ich s a g ’ dann stopp“. Das Brotgewicht als Maß der Dinge So einfach und un m is sverständlich nachvoll­ ziehbar – in Kilo und Gramm – war das Wiegen nicht immer. Vor der Einführung d e s Dezimal­ s y s t e m s wurde d a s Getreide in „S e ste r “ a b g e ­ m e s s e n , wie d a s Villinger Getreid ehohlmaß g e ­ nannt wurde. Die Ernährung im Mittelalter ba­ sierte au f Brot und Getreidebrei, d a s Brotge- wichtwardarum Grundlage für alle anderen Prei­ se , die vom R atfe stg e se tz tw u r d e n ,z u m Beispiel für Fleisch und auch für die Löhne. Das Brotge­ wicht richtete sich nach dem höchsten Preis, den 2 0 6 das Malter Korn im Kaufhaus erzielte. Stieg der e rnteabhängige Getreidepreis, wurde nicht der Brotpreis erhöht, sondern das Gewicht verringert. So ge nann te Brotschätzer ac hteten streng auf die Einhaltung der Brot-Gewichte, die in Lot a b g e ­ m e sse n wurden. 1796 wurde in einem Ratsprotokoll kritisch notiert, d a s s die Brotwäger neun Bäcker anzeigen mussten, weil sie die Brote zu klein gebacken hat­ ten und ihnen dafür Strafen von einem Gulden und mehr aufgebrummt wurden. 1812 entsprach der Villinger Sester etwa 8 ,2 9 Liter, w a s sich in den folgen den Jahren mit dem Zukauf neuer Maße immer wieder änderte. 1871 wurde der Sester ab­ geschafft, denn mit der Reichsgründung wurden die bis dahin unterschiedlichen M aße ve rein­ heitlicht und auf Liter umgesteltt. Rund 40 Händler bieten ihre Waren an Die Marktfrau reicht der Kundin diverse Papier­ tüten, die mit frischem Obst und G em ü se aus dem Bioland-Hof gefüllt sind, den die Landwirtin mit Ehemann Guido in Döggingen betreibt. Mit dem Rausgeld legt sie ein e schm ale, orange-ro­ te Möhre auf den Tresen, dankend beißt die Be­


schenk te ein Stück ab: „Schm eckt s u ­ per-süß!“ Sie kommt auch w e g e n der reichhaltigen Auswahl an Bio-Produkten und überhaupt an Lebensmitteln bäuer­ licher Herkunft auf den Villinger Wo­ chenmarkt. 4 0 Beschicker hat der aktuell, Händ­ ler und Erzeuger vom B o d e n s e e bis zur Pfalz, die auf 3 4 0 laufenden Metern ih­ re Ware feilbieten. „Mit zwei Meter Stand fingen wir vor 20 Jahren an“, erinnert sich die Bauersfrau aus Döggingen, „jetzt sind e s z e h n “. Su k z es sive haben die Händler ihr Sortimen t erweitert, verkaufen jetzt auch Fleisch und Wurst aus eigenerSchlach- tung und selbst gebackenes Brot. „Der Kunde will mehr, er ist anspruchsvoller ge worden und darauf reagieren wir.“ So ähnlich funktionierte der Villinger Wochen­ markt auch vor 1.000 Jahren, da er am Schnitt­ punkt der Hauptstraß enachsen Obe re/Niedere Straße und Riet-/Bickenstraße abgehalten wor­ den war und auf den Straßen se lbst. Auch d a ­ mals kamen Händler aus den Dependenzorten und boten Fleisch, Obst, G em ü se und Getreide feil, letzteres wurde in den Mühlen vor den Stadt­ toren gem ahlen . Das kostbare Salz stam m te aus der Bad Dürrheimer Saline und wurde wie alle aus wär tige Ware mit Pferdefuhrwerken auf hol­ prigen Wegen in die Nachbarstadt transportiert. Der Markttag beginnt um 6 Uhr in der Frühe V illin g e r W o ch e n m ark t Farbenprächtig: Was wäre der Villinger Markt ohne sein großes Angebot an frischen Blumen – für den Garten oder die gute Stube. schon früh um drei Uhr auf den Beinen, um s e c h s Uhr m ü s se n sie in Villingen se in, den Stand auf­ stellen, Ware auspacken. Bis sieben Uhr m u s s al­ les gerichtet sein, denn dann beginnt der Markt, noch ist e s still in der Stadt. Er dauert bis 12.45 Uhr, und manch einer ergattert auch noch kurz vor 13 Uhr den Korb Kartoffeln, den er zuvor beim eigentlichen Marktbummel vergess en hatte, viel­ leicht sogar zum Sonderpreis. Von April bis Oktober ist auch mittwoch s Marktzeit, „die Kunden kaufen heute lieber öfter und dafür weniger ein“, hat ein Markthändlerpaar festgestellt, d a s se it 30 Jahren Eier von ihrem Mit ihren Kleinlastern und Autoanhängern ha­ ben e s die heutigen Händler leichter, anstrengend und au fw än d ig ist der mobile Verkauf immer noch. Sie m üsse n in aller Herrgottsfrühe aufste­ hen, die von weiter angereisten Händler sind oft Der Samstag ist im Einzelhandel ein langer Einkaufs­ tag geworden, auf dem Wochenmarkt ums Münster gelten „alte Zeiten“: Die Händler öffnen um 7.00 Uhr ihren Marktstand und um 12.45 Uhr ist das geschäfti­ ge Treiben vorbei.


Da leb en wir Hühnerhof mit rund 4 . 0 0 0 Legehennen in Mönch­ weilerverkauft. Früher hätten die Kunden gleich 20 bis 4 0 Eier gekauft, heute nur noch se c h s, dafür kämen sie zwei Mal in der Woche. „Die H aushalte betr eiben kaum noch Vorratshal­ tung“, sa g t der Landwirt und s e in e Frau ergänzt: „Viele versteh en sich auch nicht mehr darauf.“ Neulich habe eine Kundin gefragt, ob sie ihre in der verg angen en Woche gekauften Eier wegwerfen m ü s se . Manche Verbraucher se ien w e g e n der Le­ bensmittelskandale der Vergangenheit s o verun­ sichert, d a s s sie in ein e regelrechte „Frische- Hysterie“ verfallen se ien . „Dabei halten Eier gut zwei, drei Wochen und wenn wir sie verkaufen, sind sie zwei, höc hsten s drei Tage alt.“ Auch die Händleraus Mönchweiler haben ihr Sortiment den Wünschen der Kunden angepasst. Seit 15 Jahren bieten sie s e l b s t g e m a ch te Eiernudeln an, au ßerdem Fleisch und Wurst von eig e ne n Schw einen, die ein e Metzgerei in Pfaf­ fenweiler schlac htet und verarbeitet. Kollegiale Zusammenarbeit und Vernetzung wird groß g e ­ schrieben, und kollegial, ja freundschaftlich, ist auch das Klima innerhalb der Beschickergemein­ schaft. Gerade schaut der Mann vom Nachbar­ stand vorbei und sichert sich ein Päckchen Nudeln. „Damit ich e s nachher nicht v e r g e s s e “, sagt er grinsend. Obwohl er als Metzger se lb st Wurst- und Fleischprodukte verkauft, em pfindet er den Nachbarn mit zumindest teilweise ähnlichen Pro­ dukten nicht als Konkurrenz. „Der Markt braucht ein breites Sortiment, die Kunden wollen A u s­ wahl. Davon profitieren wir alle.“ Seit 32 Jahren bietet die Metzgerei aus der Villinger Färbergas­ s e an ihrem Stand auf dem Münsterplatz feine Fleisch- und Wurstwaren aus eigener Herstellung an, früher in Regie von Vater Friedbert, der als Erster Wurst-Aufschnitt auf dem Wochenmarkt an g e b o te n hat. „Damals war d as innovativ, h e u ­ te macht e s jeder, die Kunden wollen e s “, stellt der Händler fest. Der Nachbar ist S ortim ent, die Kunden wollen Ausw ahl.“ denn: „Der M arkt keine Konkurrenz, braucht ein breites Auch sein Absatz richtet sich nach Kunden­ wü n sc h e n , die nicht immer leicht kalkulierbar sind. „ S a iso n b e d in g t“ ist d a s erste Kriterium bei der Au sw ahl, jetzt im H och som m er machen Grill-Angebote einen Schwerpunkt aus. Aller­ din gs: in d i e s e m ver­ regneten Som m er 2 007 l ä sst sich ein g e m ü tli­ cher Grillabend im Freundes- und Famili­ enkreis kaum längerfris­ tig planen, son de rn wird sp on tan mit ein em Blick in den Himmel e n t s c h ie d e n . An d ie s e m S a m s ta g lacht die Son ne und Steaks, Grillwürste und „Villingerle“ (Würstle) g e h e n w e g wie „war­ me S e m m e ln “. Auch früher hing d as Angebot von der Nach­ frage ab, Schw einefleisch wurde kaum offeriert, Frische Eier direkt vom Erzeuger sind klassische Marktprodukte – sie halten zwei, drei Wochen lang. Bei Liebhabern begehrt sind die Käsespezia­ litäten – oft stammen sie aus eigener Erzeugung.


Bekannte treffen, ein Schwätzchen halten: der Villinger Markt ist ein beliebter Treffpunkt. weil sich die Familien aus e ig ener Hausschlach­ tu n gversorgten . 1796 zum Beispiel waren s e c h s Rindfleisch-Metzger auf dem Villinger Markt registriert, die sich auf „ban km äß ig es Mastvieh“ sp ezialisiert hatten, auß er de m s i e b e n „Brat­ fleisch-Metzger“, die Kälber und Schafe schlach­ teten. Man trifft sich und hält einen Schwatz Wie früher ist der Villinger Markt auch heute g e ­ selliger Treffpunkt und willk ommen e G e le g e n ­ heit für einen kleinen Schwatz vor den Ständen, d a s Warten macht kaum jemand etw as aus, wer hier einkauft, hat Zeit. Es sei denn, in der B e n e ­ diktinerkirche gleich nebenan ist „Orgelmusik zur Marktzeit“ a n g e s a g t , w e n n e in h e im isc h e und auch auswärtige Organisten ein halbstündi­ g e s Miniaturkonzert auf der Silbermannorgel g e ­ stalten. Es beginnt um elf Uhr, ein e komfortable Zeit. Dann sollten die Einkäufe getätigt sein und e s bleibt immer noch ein Puffer, um nach dem Mu­ si k g e n u ss daheim ein leckeres, vom Markt in­ Auch mit Kultur verbinden – gleich nebenan ist ein M iniaturkonzert lässt sich der M arkt spiriertes M ittagess en zu bereiten. Doch wer mit ban gem Blick auf die Münsteruhr nervös trip­ pelnd in einer Schlange steht, will vermutlich ins Konzert und ist sp ät dran. Mancher Marktbesu­ cher hastet dann mit den letzten Glockenschlä­ gen der Münsteruhr zur Nachbarkirche. Die Or­ gelfreunde stammen wie die Marktbesucher aus dem g e s a m t e n Land­ kreis und se in e r Peri­ pherie; auch d as war „schon immer“ so , denn mit der Verleihung d e s Markt-, Münz- und Zoll­ rechtes war Villingen zum Zentrum geworden, da s an den Warenfluss und damit an die sich all­ mählich entwickelnde Verkehrsinfrastruktur an­ g e s c h l o s s e n wurde. au f der S ilb erm ann ­ orgel angesagt. Die neuen Privilegien ermöglichten einen g e ­ regelten, ge sc hützten Austausch zwischen Stadt und Umland – Käufer und Verkäufer hatten frei­ e s Geleit zum Marktflecken, oh n e Wegezoll b e ­ zahlen zu m ü sse n . Zum anderen entwickelte sich die Zähringerstadt zum Knotenpunkt in einem Handelsnetz, das sich durch den Bau einer Stra­ ß e anno 1310 bis nach Freiburg erstreckte. Mit der Wolltuchproduktion w u ch s die Bedeutu ng 2 0 9


Da leb en wir Ein Markt ohne Kartoffeln ist undenk­ b a r- die heimischen Bauern können mit verschiedenen Sorten aufwarten: von Annabell bis Granola. d e s Villinger Markts im 13. und 14. Jahrhundert. 1344 wurde in der O be­ ren Straße ein e Tuchlaube e i n g e ­ richtet, d a s „alte Kaufhaus“. In dem H olz ge b äu d e waren zu d e m Ver­ kaufslauben für Pelze und Leder e in ­ gerichtet, wäh rend sich Korn- und Brotlauben in der Rietstraße befan­ den. In der Oberen Straße e ntstand 1573 ein massiver, steinerner Re­ n a i s s a n c e b a u (he ute S tad tk ass e), der auch als Tanz- und Gerich tslaube genutz t wurde. Bis ins 18. Jahrhundert wurden Todesur­ teile vom Kaufhaus aus verkündet, das 1827 a b ­ ge b r och en wurd e, weil e s dem w a c h s e n d e n Straßenverkehr wörtlich im Weg stand. Wenn die Villinger heute vom „alten Kaufhaus“ sprechen, m ein en s i e d a s e h e m a li g e Spital in der Riet­ straße, das 1825 um gebau t und als Kaufhaus g e ­ nutzt wurde. Doch zurück in die Gegenwart: In aller S e e ­ lenruhe w iegt ein Bauer die „Erdäpfel“ ab. Es sind noch nichtse ine eigenen, die sollen noch ein w e n i g z u l e g e n auf den Äckern vor Villingen. Heu­ te verkauft er die Sorten Annabell und Berber, in ein paar Wochen wird er die e ig e ne n Kartoffeln anbiete n, die he ißen Desiree, Sieglinde und vor allem Granola, „eine robuste, schm ac khafte und b e s t e n s lagerfähige Kartoffel“, erklärt der Land- „ Villinger Flair“: Der Wochenmarkt auf dem Münsterplatz findet inmitten einer einzigartigen städtebaulichen Kulisse statt.


V illin g e r W o c h e n m a rk t dukten aus der e ig e n e n Umge bung. „Wirzahlen lieber ein biss chen mehr für Fleisch von glückli­ chen Tieren.“ Die beiden haben ihre Einkäufe b e ­ e ndet und freuen sich jetzt auf ein s c h ö n e s Eis mit den beiden Kindern. „Wenn Markt ist, beginnt da s W oc h e n e n d e .“ V illinger W ochen­ markts fast schon W ochenende! ein Ritual, jetzt erst ist so richtig ist der Besuch des Für viele Menschen Das empfindet auch ein Arzt im Villinger Kran­ kenhaus so , für den der Marktbesuch mit den drei Kindern „fast ein Ritual“ ge w or de n ist. Während Mutter Ute d a ­ heim ein paar Stunden Zeit für sich genießt, ra­ deln die Geschwister mit dem Papa in die Stadt. Sie treffen Spielkamera­ den, der Arzt plaudert mit se ine n Kollegen und tauscht Einkaufs-Empfehlungen aus. Heute hat er „fantastische Oliven“ erstanden, schwärmt von Bordeaux-Weinen und regionalen Produkten. Christian (3), Martin (5) und Johanna (7) e s s e n genüsslich Brezeln und „Würstle“ und strahlen um die Wette. Wenn Markt ist, ist das Leben schön. Christina Nack Fotos: Wilfried Dold wirt und zieht beso rgt die Augenbrauen hoch. Auch Granola konnte bei der sommerlichen Dau­ e r n ä sse der gefürchteten Krautfäule nicht stan d ­ halten, die die Blätter befällt und die Pflanzen zum frühzeitigen Absterben verurteilt. Für Bau­ ern gibt e s bekanntlich kein g u te s Wetter, sie schimpfen m e is ten s – entw eder ist’s zu trocken, zu n a s s , z u kalt ode r zu warm. „Aber e s wird auch wirklich immer schlim mer“, findet der Villinger Landwirt. Seit 1958 verkauft er Früchte seiner Felder und au s dem Garten auf dem Villinger Wochenmarkt, zur Zeit nebst „Erdäpfeln“, Sala­ ten, Zwiebeln auch Johannisbeeren. Käse aus der Milch heimischer Vorderwälder „Seien Sie nett zu Ihrem Käse!“ werden die Kun­ den in ein em Flugblatt aufgefordert, d a s beim Stand d e s Untermühlbachhofs zum Mitnehmen a u s lie g t und Tipps für die Lagerung von Roh­ milchkäsevermittelt. Die Milch dazu stam m t von he imischen Vorderwälder-Rindern, die auf dem Hof in St. Georgen-Peterzell ein glückliches, ih­ rer Natur e n tsp r e c h e n d e s Leben führen. Der Be ­ trieb gehört zu den ältesten Bioland-Höfen im Landkreis; der Bauer hat ihn 1984 mit ei­ nem familiären Team ge gründet und of­ feriert seither handgemachte Milch- und Fleischprodukte auf dem Villinger Wo­ chenmarkt. Der Bio-Trend ist ein „Lebensn erv“ d e s Betriebs, wie der Inhaber betont und ein Loblied a u fd ie Kundschaft anstimmt. Die sei im Laufe der Jahre immer sensibler geworden bei Erwerb und U m gan g mit Lebensmitteln, d as Misstrauen in ind us­ triell gefertigte M assenw are sei sc h ließ ­ lich auch begründet. „Wir kaufen fast nur noch Bio-Produkte ein“, bestäti gen zwei Kunden a u s Obereschach, die sich seit 20 Jahren auf dem Villinger Markt mit Grundnahrungsmitteln e in de ck en und von der „genialen Atmosphäre“ schw är­ men und von der großen Auswahl an Pro­ Brunnen-Impression: Alt-OB Gebauer schaut interessiert dem geschäftigen Markttreiben zu.


14- K a p i t e l A r c h i t e k t u r Mit Wasserkraft zu neuer Energie M utig voran: Die Stadt Vöhrenbach reaktivierte mit der 1922 bis 19 25 /26 erbauten Linachtalsperre die einzige Vielfachbogensperre in Deutschland Familien touren mit dem Rad hierher – Väter erklären ihren Kindern die Funktionsweise der Linachtalsperre und heben sie beim Gang über die M auer vorsichtig ein Stück über die Kante der Betonbrüstung, dam it sie ein Gefühl für 25 M eter Höhe bekomm en. Nach­ dem der Dornröschenschlaf der 1969 stillgelegten Linachtalsperre sein Ende hat, ist die einzige Vielfachbogensperre aus Eisenbeton, die je in Deutschland gebaut wurde, der Renner unter den technischen Baudenkmälern im Schwarz- wald-Baar-Kreis – fester Be­ standteil der Schwarzwaldrund­ fahrten von Touristen aus aller Welt! Mehr als 50 0 Besucher an ein em ein zigen So n n ta g sind im Linachtal jedenfalls die Regel. Vöh renbachs Bürgermeister Robert Strumberger freut das: Es ist sein Werk – und d as d e s G em einderates. Ohne die Beharrlichkeit d e s Bürgermeisters, den Mut seiner Stadträte und d e s ehrenamtlichen Engagements vieler Vöhrenbacher, oh n e die Hilfe von Bund, Land, Stiftungen und Landkreis so w ie etlicher Sponsoren wäre die Linachtalsperre „ein verlorener Ort“ geblie ben – ein Stück zerfallende Geschichte. Nach der Reaktivierung in den Jahren 2 0 0 6 / 2 0 0 7 erzeugt die R e ihengewölbem auer wieder umweltfreundlich Energie. Und sogar nachts zieht sie die Menschen an, sie ist an bestimmten Abenden farbig illuminiert. „Talsperren-Rushhour“ ist im Linachtal nicht nur sonntags, das technische Kulturdenkmal der Stadt Vöhrenbach ist„mega in“. Rechte Seite: Den Vollstau erreichte die Talsperre am 1. Oktober 2007. Begeisterung löste auch die vom Unternehmen Hess-Leuchten in VS-Villingen gespendete Illumination aus. 212



Die Re ak tiv ierung d e r Linachtalsperre Die Linachtalsperre sc h e in t ein magisc her Ort zu sein, der die M ensc hen durch „die Zeiten hindurch“ anzieht – Hildegard Frey, 90-jährig, erinnert sich: „Mein Vater war Stadtbaume ister von Furtwangen, s o n n t a g s sind wir mehrfach über die Linacher Höhe zurTalsperren-Baustelle gewandert. Das größte Bauprojekt weit und breit interessierte ihn brennend. Gespenstisch ging e s dort zu, die Baugerüste warfen lange Schatten – der Lärm von Maschinen drang se l b s t so n n ta g s a u s der Baugrube empor. Die Arbeiter waren ein bu ntes Volk. Von überall her aus der Gegend ka­ men die Besucher, so ein e riesige Baustelle hat­ te zuvor keiner g e s e h e n . “ „Hexensabbat im Linachtal“ Vöhrenbacher, Wanderarbeiter, italienische Fach­ arbeiter und sogar a n g e h e n d e katholische Pries­ ter in den Semesterfe rien waren hier beschäftigt – kurze Zeit se lb s t der Doppelmörder Hundert­ pfund. Der Vöhrenbacher Chronist Franz-Josef Furtwängler, ein weit gereister Mann, der Mahat­ ma Gandhi persönlich kannte, hat d ie se s Treiben se lb st erlebt und in der Chronik von Vöhrenbach als „H exensabbat im Linachtal“ überschrieben. Im Oktober 1922 deute n Gerüste die sp ätere Gestalt der Staumauer erst an, noch ist man mit dem Graben und Betonieren der Fundamente be­ schäftigt. Das „Illustrierte Blatt“ schickt einen Re­ 214 Das kleine Vöhrenbach (rechts unten) wagt in den i92oer-Jahren ein Großprojekt: den Bau der Linach­ talsperre. Unten das Gerüst der Herdmauer, oben und rechts Momentaufnahmen vom Bau der Gewölbe im jahr 1924. Zwischen August (rechte Seite) und Okto­ ber (oben) wuchs die Mauer nahezu unglaubliche 14 Meter in die Höhe. porter ins Linachtal, der berichtet: „Ehe die Schicht beginnt, werden die Sprengungen vorgenommen, die d as Granitgestein losreißen, das in großen und kleinen Trümmern den Grabenboden bedeckt. Inzwischen be lebt sich die Straße von den Ba­ racken her; in Trupps ziehen die Männer heran,



Die R e ak tiv ierung d e r Linachtalsperre Schaufel und Pickel über der Schulter; dann s t e ­ hen sie zusa m m e n g e d r ä n g t In größeren Grup­ pen beim M aschinenhaus, bis die Pfeife klingt und zum Arbeitsbeginn ruft.“ Ein Kind der ersten Energiekrise in Baden Dass sich die Vöhrenbacher in den Jahren 1922 bis 1 9 2 5 / 2 6 wagem utig auf den Bau der Vielfach­ bogensperre einlassen, erklärt sich aus der Ener­ gienot nach dem Ersten Weltkrieg: Die Reparati­ onsleistungen an die Alliierten verursachen Koh­ lemangel, wo immer e s geht, ersetzt man die Koh­ le durch Elektrizität. Das Großkraftwerk Laufen­ burg ist dem gewaltigen Strombedarf der Industrie und der Privathaushalte nicht gewachsen. Ständig kommt e s zu Störungen bei der Stromversorgung, schließlich wird der Strom „rationiert“, e s gibt Stromsperrtage. Als Folge stehen an bestimmten Tagen die Fabriken still. Ohne Arbeit kein Geld, vie­ le Familien geraten in Existenznot – jetzt ist Han­ deln verlangt; Wie andere Städte und Gemeinden in Baden plant Vöhrenbach auf Initiative von Ro­ bert Kupfer, der das städtische E-Werk an der Vil- linger Straße leitet, ein e ige n e s Wasserkraftwerk. Ermuntert wird d ie S ta d ta u c h durch das Land Ba­ den: e s fordert dazu auf, im Schwarzwald die „weiße Kohle“, die Wasserkraft, verstärkt zur En- ergieerzeugu ngzu nutzen. Und s o e ntsteht im Li- nachtal in den Jahren 1922 bis 1 9 2 5 / 2 6 ein e 25 Meter h o h e und 143 Meter breite Eisenb eton­ mauer, die ca. 1,2 Millionen Kubikmeter Wasser stauen kann (siehe dazu auch den Almanach 1981, 1996 und 200 0 ). Am 1. Januar 1922 erfolgt im kleinen Kreis der „Erste Sp aten stich“, aber weder haben die Vöhrenbacher zu d ie se m Zeitpunkt ein e B auge­ nehmigung vorliegen, noch gibt e s detaillierte Planausarbeitungen oder gar Gutachten – im Li- nachtal wird mit „heißer Nad el“ gestrickt. Am 2. Januar 1922 versichert Ing. Fritz Maier dem Be­ zirksamt in Villingen: „Ich hoffe mit Aufbietung al­ ler Kräfte, die Unterlagen Mitte d e s Monats so w eit fertigzu stellen, d a s s noch im Laufe d e s Januars da s wasse rpolizeilic he Verfahren durchgeführt werden kann.“ Anfang Februar können dem Be­ zirksamt endlich die Baupläne und erste Gut­ achten ü b ergeben werden. „Die g e o lo g is c h e n 216 Poröses, sprich „faules G estein“ Untersuchungen der Untergrundverhältnisse der Sperrmauer h ab en ein in jeder Hinsicht e in ­ wan dfreies Resultat ergeben“, schreibt die Stadt und irrt damit: Hätten die Geologen unweit der bis­ herigen Entnahmestellen weitere Gesteinsproben entnommen, wäre klar g e w e s e n , dass im Bereich der Herdmauer der Talsperre eben nicht überall klingender Fels anzutreffen ist, wie sie e s der Stadt vorhergesa gt hatten, sondern auch poröses Ge­ stein, das sich als Untergrund nicht eig net. Inge­ nieur Fritz Maier, Baulei­ ter und Entwurfsplaner der Linachtalsperre, hatte den Vöhrenbachern die of­ fene Bauweise wegen der erheblichen Betoneinspa­ rungen empfohlen. Er rechnete vor, d a s s man statt 3 2 .5 0 0 Kubikmeter Beton im Fall einer M as­ sivmauer, bei der offenen B a u w eise nur rund 6 .500 Kubikmeter Beton benötige. Am Schluss hatte man dann doch rund 10.000 Kubikmeter Be­ ton verbaut, Hauptursache war die tiefere Grün­ dung der Herdmauer. machten die kost­ spielige, tiefere Gründung der Linachtalsperre erforderlich. Behörden zweifeln an der Standfestigkeit Das s im Linachtal lange Zeit nicht gebaut werden kann, obwohl die Stadt Vöhrenbach unaufhörlich drängt und teils oh n e Gen eh m ig u ng Fundamen­ te a u s h e b t und Gerüste aufrichtet, hat mit der neuartigen Konstruktionsweise zu tun: Die Stand­ festigkeit der Linachtalsperre wird vom Bezirks­ amt in Villingen und dem Amt für Wasser- und Straßenbau in Donaueschingen immerwieder neu angezweifelt. Nachdrücklich empfiehlt man den Vöhrenbachern den Bau einer M assivm auer-aber die will die Stadt auf keinen Fall. Wie funktioniert nun die offene Bauweise, mit der man in Amerika mehrfach sehr gute Erfahrun­ gen ge m ach t hatte? Vereinfacht ausgedrückt be­ deutet sie: Es wird nicht eine aus einem einzigen, massiven Stück b e s t e h e n d e Gewichtsmauer er­ baut, son dern e s entsteht ein dreiteiliges Bau­ werk, das sich aus Gewölben, Wandscheiben und Querriegeln zusammensetzt. Der Wasserdruck wird über die schräg liegenden, tonnenförmigen 13 Ge-


Der Kunstsee ist vollendet, noch 1925 werden die ersten Fahrten mit dem Ruderboot unternommen. 25 Meter hoch ist die Staumauer und 143 Meter breit. Mitte: Beim Graben der Fundamente der Herdmau­ er. Links unten: Torkretieren der Hangrohrleitung, in der das Wasser ins Talhinunterzum Krafthaus schießt, wo es die Turbinen antreibt. w ö lb e auf Pfeilerscheiben übertragen, die die Lasten an den Felsuntergrund weitergeben. Die Gewölbe haben eine Neigung von 50 Grad, ihre Mauern sind 4 0 bis 6 0 Zentimeter dick. Auch die Wirtschaftlichkeit der Anlage wird intensiv überprüft: Obergutachter Prof. Dr. Theo­ dor Rehbock, Professor für Wasserbau an der Technischen Hochschule Karlsruhe und Leiter d e s dortigen Flussbau-Laboratoriums, die Kapazität in Baden also, m uss gegenüber dem Wasser- und Straßenbauamt unter anderem nachweisen, dass die W a sserm en ge im Linachtal mit 11,6 Millionen Kubikmeter jährlich eine ausreichende wirtschaft­ liche Grundlage für den Kraftwerksbau darstellt. Die Vöhrenbacher sind trotz aller Schwierig­ keiten nahezu gren zenlos optimistisch. Noch im Jahr 1922 will man die Stau mauer s o weit voran- 217


Die Re ak tiv ierung d e r Linachtalsperre treiben, d a s s zum indest der Baustrom se lb st er­ zeugt werden kann. Bis zu 350 Arbeiter sind zeit­ w e is e im Einsatz. Doch „Linacher Strom“ fließt wegen d e s zögerlichen Verhaltens der Behörden erst Ende 1923. Die Kosten d e s Vorhabens fürchtet man indes nicht, Vöhrenbach gehört zu den waldreichsten Gemeinden in Baden. Und mit Wald will man den Talsperrenbau auch bezahlen: Das Badische Be ­ zirksamt Villingen bewilligt im Januar 1922 den außerordentlichen Hieb von 3 5 . 0 0 0 Festmetern Holz, damit ist a u s Sicht der Stadt die Finanzie­ rung sichergestellt. Dieses Holz entspricht einem Gegenwert von 10 Millionen Mark. Am Schluss hatte Vöhrenbach mehr als 1 0 0 . 0 0 0 Festmeter Holz eingeschlagen – doch die Talsperre ist noch immer nicht bezahlt! Bedingt durch die Wirren der Hochinflation lassen sich die G esamtkosten der Talsperre auch nicht mehr annähernd exakt ermitteln: Billionen von Inflationsmark sind ins Linachtal geströmt, die Linachtalsperre hat Vöh­ renbach an den Rand d e s Ruins gebracht. 3.500 Aktenseiten erzählen die Baugeschichte Rund 3.500 Aktenseiten erzählen vom Bau derTal- sperre, darunterauch die Bautagebücher der Inge­ nieure. Beim Studium dieser Unterlagen erfährt man, d a s s die Linachtalsperre ihr futuristisches A u sse h e n auch ein em großen de utsch en Archi­ tekten verdankt: Prof. Paul Meisner, der die neu­ en Opelwerke in RUsselsheim erbaute. Meisner hat den Entwurf von Dipl.-Ingenieur Fritz Maier 218 auf Drängen d e s Generalunternehm ens Dycker­ hoff & Widmann architektonisch „veredelt“. Al­ lerdings gab e s auf Seiten von Maier erhebliche Widerstände. Meisners Einfluss wurde wohl mit Rücksicht auf d i e s e Empfindlichkeiten – und weil er „nur Details“ verändert hat – nie öffentlich er­ wähnt. So trägt b e isp ie ls w e is e die ele gante Form d e s kahnartigen Überlaufes se ine Handschrift. Wohl da weder Bauleiter Fritz Maier noch das Bauunternehmen Dyckerhoff & Widmann mitder neuen Bauw eise ge n ü g e n d Erfahrung b e sa ß e n , kam e s im Zusam m enspiel mit den ge ologisc h e n Problemen und Wirren der Inflationszeit nicht nurzu enormen Verteuerungen, dieTalsperre war auch nie wirklich dicht: Bereits in den i93oer-Jah- ren m u s ste die Stadt Vöhrenbach hohe Summen in neue Injektionsverfahren zum Abdichten der Mauer investieren. 1951 wird die Dichtungsschicht der Gewölbe erneuert, und 1963 verlangen die Be­ hörden, wegen zunehmender Betonschäden den W assersp ie gel um zehn Meter abzusenken. Auch die Hangrohrleitung, das ca. 1.500 Meter lange Verbindungsstück zum Krafthaus im Tal, war ein stän d iges Sorgenkind, undicht – mit hohen Was­ serverlusten behaftet. Die Stilllegung von 1969 und neue Hoffnung Als der Gemeinderat der Stadt Vöhrenbach 1969 mit deutlichen 8:3 Stimmen aus Furcht vor den Kosten e i n e r a n s te h e n d e n G en eralsanieru ngd ie Anlage stilllegt, versüßt das Kraftwerk Laufenburg die se Entscheidung mit Zahlungen von rund 1,2 Millionen Mark. 2 5 0 . 0 0 0 Mark wurden allein für den Abbruch der Talsperre ü b e r w ie se n , der abe r zu m Glück nie erfolgt ist: Im Gefolge der Energiekrise von 1973 (autofreie Sonntage) und d e s Atomunglücks von Harrisburg im Jahr 1979 kommt e s zu einem energiepolitischen Umdenken. Der baden-württembergische Fi­ Einrüsten der Gewölbe im Früh­ jahr 2006, die Talsperrensanie­ rung hat begonnen.


nanzminister Dr. Eberle beton t 1980, d a s s e s um ­ weltpolitisc h w ü n s c h e n s w e r t se i, mit der Li­ nachtalsperre wieder Strom zu erzeugen. In den i9 8oer-Jahren s e t z e n sich auch der frühere Ministerpräsident und Landtagsabgeor dnete Er­ win Teufel (CDU) sow ie der Landtagsabgeordnete Kurt Kempf (SPD) für den Erhalt der Talsperre ein. Der Vöhrenbacher Kurt Kempf präsentiert am 7. Dezember 1983 die Nachricht d e s Wirtschaftsmi­ nisteriums von Baden-Württemberg, d a s s die Oben: Die Linachtalsperre vor der Sanierung, die Spuren des Zerfalls finden sich überall. Unten: Ein italienisches Spezialunternehmen dich­ tete die Gewölbe mit einer Geomembran ab. Das drainierte Abdichtungssystem auf der Wasserseite umfasst alle 13 Gewölbe und erstreckt sich von der Mauerkrone bis in die frostfreie Tiefe. Das System besteht aus fünf getrennten Abschnitten.


Die Re ak tiv ierung d e r Linachtalsperre Linachtalsperre als b e d e u te n d e s Kulturdenkmal eingestuft worden sei und die Stadt nun Mittelaus der Denkmalpflege erhalten könne. Am Ende der i98oer-Jahre glaubt sich Vöh- renbach am Ziel, als für ein e auf fünf Millionen Mark g e sc h ä tz te Talsperrensanierung die Zusa­ g e d e s Denkmalam tes eintrifft, 6 0 Prozent der Kosten zu tragen. Weitere Z usch ussgeber kom­ men hinzu, der Anteil der Stadt sollte sich auf nur vier Prozent belaufen. Bei vier G egenstim m en be sc hließt der Gemeinderat die Sanierung. 1988 erfolgt d a s Abfischen d e s S e e s , d a s Wasser wird a b g e la s s e n , um sich ein Bild vom Ausm aß der Schäd en an den Gewölben machen zu können. Die Sanierung scheitert aber erneut an den Fi­ nanzen, die Talsperre liegt nun w a s se r lo s brach. Das Ende des Dornröschenschlafes Hildegard Frey gehört zu den letzten Zeitzeugen, die den Bau der Linachtalsperre aus eigenem Erle­ ben schildern können, Vöhrenbachs Bürgermeis­ ter Robert Strumberger in d es hat gänzlich a n d e ­ re Erinnerungen an den Kunstsee. Auch er war mit den Eltern an einem Son ntag h i e r – allerdings in den i96oer-)ahren: Spazierengehen über die Stau­ mauer war a n g e s a g t und natürlich die Bootsfahrt über den Kunstsee. Dass er die se s Bauwerk in sp ä­ teren fahren als Bürgermeister der Stadt Vöh- renbach vor dem Zerfall retten würde – wer hät­ te e s v orherseh en können? Robert Strumberger: „Ich mus ste ganz einfach auf d ie se s Ziel hinarbei­ ten: aus Gründen d e s Umweltschutzes, aus Belan­ gen d e s Denkm alschutzes – und weil die Linach­ talsperre für die Stadt Vöhrenbach ein Alleinstel- Die Sanierung der 13 tonnenförmigen Gewölbe der Linachtalsperre war technisch aufwendig: Die Bild­ folge auf der rechten Seite oben zeigt das Reinigen und Entfernen schadhafter Betonteile, das Anbringen der Geomembranabdichtung und die denkmalge­ rechte Betonsanierung an den Gewölben. Unten ein Überblick über die Gesamtbaustelle vom Juli 2007. lungsmerkmal darstellt, wie e s so in ganz Deutsch­ land kein zweites gibt!“ Die Ausgangs situation war denkbar un gü n s­ tig: Trauriger Höhepunkt von jahrzehntelangen Diskussionen über ein e even tuelle Sanierung ist die Schließ ung d e s M auerü berganges durch die Behörden im Jahr 1994. Als Robert Strumberger 1997 das Amt d e s Vöhrenbacher Bürgermeisters antritt, ist die Linachtalsperre dem „kontrollier­ ten Zerfall“ überlassen. Robert Strumberger b e ­ schließt, die Sanierung der Talsperre zu wagen. Erster Unterstützer ist kein geringerer als Minis­ terpräsident Erwin Teufel. Neue Hoffnung macht auch ein e Privatinitiative: Im Juli 1997 gründet sich die GEDEA Linach KG. Meist örtliche Freunde der Linachtalsperre und mod erne Wasserkraft­ pioniere sanieren das Kraftwerksgebäude an der Kohlbrücke und die te c h n isc h e n Anlagen. 118 Kommanditisten bringen in sg e sa m t7 0 0 .o o o Mark an Kommanditkapital auf und realisieren als Pächter d e s Kraftwerkesein Laufwasserkraftwerk, auch unterstützt durch die regionalen Sparkassen, um deren Hilfe Bürgermeister Strumberger g e b e ­ ten hatte. Vom Dezem ber 1998 bis Septem ber 2 0 0 6 werden fast 8 Millionen Kilowattstunden sauberer Wasserkraftstrom erzeugt. Dass Vöhrenbach mehrheitlich hinter derTal- sperrensanierung steht, zeigt sich am Förderver- Jourfixe der Projekt-Verantwort­ lichen aufderLinachtalsperren- Baustelle, von links: Bürgermeis­ ter Robert Strumberger, Stefan Doll, stellvertretender Zublin-Bau­ leiter, Ing. Christoph Rath, Projekt­ leiter Wasserbau bei der Energie Steiermark AG, Stadtbaumeister Matthias Neininger, Züblin-Baulei- ter Dirk Müller und Regina Saier- Grieshaber, Bürgermeister-Refe­ renda und Projektkoordinatorin. 2 20



ein „Rettet die Linachtalsperre e.V.“ mit se inen mittlerweile ca. 350 Mitgliedern. Vorsitzender ist Bürgermeister Robert Strumberger, der der Ver­ ein sg ründung am 21. April 1999 ein e große Be­ deutung beim isst, denn neben ideeller Hilfe ist au s dem Verein heraus auch fachliche Unter­ stützung erw achsen. Ein Meilenstein war auch da s Forum „Betonbauten als Kulturdenkmale“ im Jahr 2001 in Villingen-Schwenningen, bei dem die Linachtalsperre erstmals wieder als sa n ie ­ rungsfähige Gesamtanlage ins Licht der Öffent­ lichkeit gerücktwurde. Neue Hoffnung keimt auf, zumal im Oktober 2001 durch ein Konzept von Prof. Dr. Werner Seim eine zumindest provisori­ sche Begehbarkeit d e s Talsperrenüberganges er­ reicht werden kann. Prof. Werner Seim fungierte während der San ierun gsm aßn ahm e zudem als Projektvorbereiter und als Berater im Experten­ team der Stadt. Chronologie der derzeit komplexesten und auf­ wendigsten Talsperrensanierung in Deutschland Es gab Zeiten, da hat e s außer Bürgermeister Ro­ bert Strumberger und se ine n e n g ste n Mitarbei­ tern, so die persönliche Referentin Regina Saier- Grieshaber, zugleich Projektkoordinatorin, und Stadtbaumeister Matthias Neininger, keiner für möglich gehalten, d a s s die „alte Dame Linachtal­ sperre“ (Robert Strumberger) erfolgreich „ver­ jüngt“ werden kann. Doch die Beharrlichkeit d e s Vöhrenbacher Bürge rm eisters zahlt sich aus: 2 0 0 2 wird die G esam tan lage Linachtalsperre mit Wasserkraftwerk ins Denkmalbuch Baden-Würt­ tem berg eingetragen. Im Se p te m b e r 2 0 0 2 sitzt Strumberger den Behörden gegen über, präsen­ tiert die Eckpunkte der späteren Gen eh mig ungs­ planung – man staunt nicht schlecht! Erste Kos­ te nschätz ungen folgen, e b e n s o Finanzierungs­ z u sage n durch Bund und Land, schließlich fass t Am 16. März 2007 erfolgt der feierliche Einstau der Linachtalsperre, gespannt schaut der Vöhrenba­ cher Gemeinderat vom Hochwasserüberlauf aus dem Ereignis zu (unten). Oben: Landrat Karl Heim beglückwünscht Vöhrenbach beim vorangehenden Festakt zur erfolgreichen Reaktivierung.


der Gemeinderat am 4. April 2 0 0 3 den mutigen und vom Pioniergeist der Erbauer getr agenen B e sc h lu ss zur Genehmigungsplanung. Im März 2 005 findet ein lange s und teures wasserrechtli­ c h e s Genehmigungsverfahren se ine n Abschlus s und auf den ersten Sp atenstich im Septem ber 2 0 0 5 folgt im April 2 0 0 6 der tatsächliche Bau­ beginn. Nur etwa ein Jahr später, am 16. März 2007, beginnt im Linachtal der Einstau und exakt am 1. Oktober 2007 hat die Talsperre den Vollstau erreicht – oh n e ein e in zig e s Problem! Die derzeit k om p le xeste und aufwendigste Talsperrensanie­ rungin Deutschland (Regierungspräsidium Frei­ burg) findet ihren sensationellen Abschluss. Die Schwierigkeiten dieser Sanierungsmaßnahme wi­ derspiegeln sich auch in den Baukosten, die sich mit Stand Oktober 2 0 0 7 voraussichtlich auf 6,5 Millionen Euro belaufen. Ohne vielfältigste Hilfe wäre d a s Vorhaben nicht geglückt, betont Bürgermeister Robert Strum- berger, der den wiederholten Besuch von Land­ rat Karl Heim an der Linachtalsperre dazu nutzt, auch dem Schwarzwald-Baar-Kreis und den Kreis­ räten zu danken, die das Vorhaben von Anfang an quer durch alle Fraktionen gefördert hätten. Enorme Unterstützung hatte d a s Talsperrenpro­ jekt auch durch Regierungspräsident Dr. Sven von Ungern-Sternberg, den CDU-Bundestagsabgeord- neten Siegfried Kauder, MdB Ernst Burgbacher (FDP), Stefan Mappus, Vorsitzender der CDU-Land- Das Wasser steigt: Schon wenige Tage nach Ein­ staubeg in n verschwindet der acht Meter hohe, pilz- artige Turm der Hochwasserentlastungsanlage nach und nach im See. Die Staumauer hält allen Belas­ tungen problemlos stand. tagsfraktion, den Europa-Abgeordneten Andreas Schw ab so w ie MdL Karl Rombach (CDU). Als sich in Vöhrenbach die Kostenüberhöhungen von ca. 2,0 Millionen Euro abzeichnen, ursprünglich hatte man die Sanierung auf ca. 4,5 Millionen Euro ver­ anschlagt, sind e s wieder Landrat Heim, der Re­ gierungspräsident und MdB Siegfried Kauder, die im Rahmen der Möglichkeiten ihre Hilfe Zusagen. Zudem wird der Schwarzwald-Baar-Kreis wohl 2 0 0 9 die Linachstraße sanieren, zu sam m e n mit der Stadt auch weitere Parkplätze schaffen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel kennt die Linachtalsperre der Stadt Vöhrenbach Die Linachtalsperre hat viele prominente Freun­ d e – auch Bundeskanzlerin Angela Merkel kennt die Talsperre: sie hat sich bei der Stallwächter­ party 2 0 0 5 in der Landesvertretung von Baden- Württemberg in Berlin durch Vöh renbachs Bür­ ge rm eister Robert Strumberger an einem Modell persönlich das Vorhaben erläutern lassen. Minis­ terpräsident Günther Oettinger war im Linachtal 2 2 3


Arch itektu r an Ort und Stelle und Wirtschaftsminister Ernst Pfister e b e n s o . Pfister ist zudem Mitglied im För­ derverein Linachtalsperre, was aufzeigt, wie wohl­ wollend er dem Vorhaben ge gen ü b e r ste h t. Auch Umweltministerin Tanja Gönner besichtigte vol­ ler Lob die Linachtalsperre. In der Rückschau zeigt sich das große Ver­ han dlun gsgeschick d e s Bürgermeisters, das die Linachtalsperre vor dem schon sicher geglaubten „Aus“ bewahrt hat: Robert Strumberger gelingt e s mit Beteiligung der Landesstiftung Baden- Württemberg, d e s Denkmalschutzes und derTou- rismusförderungein Finanzierungskonzept für die Instandsetzung d e s Sperrenbauwerkes zu reali­ s i e r e n – a b e r noch schwieriger ist d a s Verhandeln mit den Baubehörden und Gutachtern, die die Li­ nachtalsperre w e g e n d e r n e u e n Norm DIN 19.700 fast s o einstufen m ussten, als würde e s sich um ein en völligen Neubau handeln: So hatte die Stadt fast all jene Nachw eise zu erbringen, die auch eine neue Talsperre mit sich brächte. Nach langen fünf Jahren endlich am Ziel Aber, die Stadt Vöhrenbach nahm auch d iese Hür­ de: Nach fünf Jahren intensivsten Einsatzes aller Beteiligten war die Finanzierung zu 9 0 Prozent gesich ert und die Stadt konnte 2 0 0 3 mit der um­ fangreichen Genehmigungsplanungbeginnen. Im Spätjahr 2 0 0 5 endlich folgte der offizielle Start­ sc h u ss – am Anfang stand die Räumung d e s Stau­ beckens, im Frühjahr 2 0 0 6 begann die Reinigung der Gewölbe. Über ein Jahr nahm allein die d e n k ­ malgerechte Betonsa nierung am ge sa m te n Bau­ werk inklusive H och w a ss e r e n tla stu n g sa n la g e und Tosbecken in Anspruch. Es kamen in Hand­ arbeit Techniken zum Einsatz, die sc hon beim Bau der Linachtalsperre angewandt wurden. Mit dem Georadar suchte man weiter im Fundament­ bereich der Herdmauer und in den Pfeilern nach Fehlstellen im Beton, die die Dichtheit der Mauer gefährden könnten. Der Leistungskatalog ist der­ art umfangreich, dass er an dieser Stelle nur an­ ge riss en werden kann: Der Fußgängerüberweg wurde abgerissen und neu aufgebaut, die ge sa m ­ te technische Einrichtung wie die Schieberanlage erneuert. Aber auch ein ökologisc hes Ausgleichs­ konzept m u s ste erstellt werden und selbst sämt­ liche Feinvermessungsdaten zurStandsicherheit der Talsperre seit dem Jahr 1925 waren z u s a m ­ Ein Schw erpunkt menzustellen! Abdichtung der 2,5 mm starken G eom em bran. w ar die innovative G ew ölbe mit einer Einen Schwerpunkt bil­ d e te die Abdichtung der wasserseitigen Gewölbe mitderGeomembran (sie­ he Bilder auf S e ite 219 und 221), die ein e w e lt­ weit tätige Spezialfirma a u s Italien vor nahm . Es handelt sich dabei um ein e noch junge, sehr in­ novative Technik: DieGeomem bran hältdie Was­ se r se it e der Gew ölbe dauerhaft von Wasser frei und schützt somit den Beton. Dazu wurde ein Drai- nage-Geogitter auf den G ew ölben angebracht, darüber die 2,5 mm dicke Geom embran verlegt. Im August des Jahres 2007 ist die Linachtalsper- rensanierung fast abgeschlossen, im Hintergrund steigt bereits der See.


D ie se b e s t e h t a u s lückenlos ver­ sc h w e iß te n Einzelteilen. Die Halt­ barkeit der M em brane wird mit durchschnittlich 50 Jahren a n g e g e ­ ben. Der Anschluss der Membran an das Bauwerk erfolgt in Form einer Pressdichtung, die den Drücken von bis zu 174 Meter hohen Wassersäulen standhält! Wie schwer die Linachtalsperren- sanierung zu kalkulieren war, zeigt sich b e so n d e r s am Beispiel der luft­ seitigen Betonsanierung. Die Reihe der Schäd en reichte von Sinterun­ gen und Ausblühungen, über ho hl­ liegende Betonrandzonen, Fugen und Risse bis hin zu freilie genden B e w ehrungen. Viele der Fehler zeigten sich erst nach und nach. Damit wurden in k ostspie lige r Handarbeit Schw ach­ stellen der Konstruktion beseitigt, die noch aus der Bauzeit der Talsperre stammen! Eine n e u e Regelungs-, Steuer- und Überwa­ chungseinrichtung ge währleistet künftig einen rationellen Betrieb: Die Stadt kann nun die Sta u­ h öh e in ein em Toleranzbereich von nur 10 Zenti­ metern konstant halten! Die Stau höhe insgesamt wird e tw as niedriger sein als in der Vergange n­ heit, um sicher zu verhindern, d a s s Wellen über die Mauer schlagen oder Wasser über den alten Überlauf abfließt, der Notfällen Vorbehalten ist. Weiter wurde die Hangrohrleitung te ilweise erneuert und im Krafthaus im Tal stehen drei Fran­ cisturbinen zur Stromerzeugung bereit. Man hat se itens der GEDEA Linach KG neue Generatoren und ein e n e u e Druckrohrleitung eingebaut. Künf­ tig wird mit einer Erhöhung der Stromproduktion um ca. 30 Prozent ge rechnet, das wären rund 1,4 Millionen Kilowattstunden im Jahr. Diese A n p a ss u n g an die Vollstau-Verhältnis- s e ist auch Dank der Unterstützung der Freibur­ ger ba denova möglich. Die ba denova gab einen Z uschuss in Höhe von 2 5 0 . 0 0 0 Euro zur S a n ie ­ rung der Linachtalsperre (H öchstsu m m e für ein Einzelprojekt a u s dem bad en ova-ln novations- fonds), zudem nimmt ba denova die um voraus­ sichtlich 4 0 0 . 0 0 0 kWh ge steigerte umweltfreund­ liche S trom m en ge (jährlich rund 1,4 Mio kWh) als Regiostrom mit erhöhter Einspeisevergütung auf und sichert damit die Wirtschaftlichkeit d e s Die R e ak tiv ierung d e r Linachtalsperre Ständig im Gespräch – Tageszeitun­ gen, Fachzeitschriften, Radio und Fernsehen: Die Linachtalsperre und mit ihr Bürgermeister Strumberger machen Schlagzeilen. Wasserkraftwerkes auf Jahre hinaus ab. Das g e s a m t e Engagement von ba d en o v a beläuft sich auf über 4 0 0 . 0 0 0 Euro. Die höchsten Z usch üsse stellten Land und Bund bereit, so die Lan­ d e ss tiftu n g Baden-Württemberg, das Landesamt für Denkmalpflege, die Tourismusförderung d e s Lan­ d e s und die Deutsch e Stiftung Denkmalschutz. Z usch üsse gab e s weiter vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und dem Förderverein „Rettet die Linachtalsper­ re e.V.“ Eine große Leistung – auch für die Zukunft! Zu den Kindern, die an der Hand d e s Vaters w iss­ begierig über die Linachtalsperre wandern, g e ­ hört auch Philipp Strumberger. Der kleine Philipp schaut mit großen Augen, wenn ihm Vater Robert erklärt, d a s s das Wasser bis zu 25 Meter tief ist, d a s s im Stause e bereits wieder Fische schw im ­ men und nachts so g a r Fledermäuse über den Kunstsee fliegen. Und weil sein Vater als Bürger­ meister je d e s Detail d e s Bauwerkes kennt, weiß er ein es auch schon: Die Linachtalsperre verfügt über ein e 2.500-jährige Erdbebensicherheit. Wo­ mit g e s a g t ist, d a s s die „alte, junge Dam e“ noch etliche weitere Generalsanierungen erleben könn­ te! Schließlich ist sie der Stolz von Vöhrenbach, einer kleinen Stadt in Baden, die in den 1920er- Jahren etwas Großartiges geleistet hat, das in ganz Deutschland seinen Widerhall fand: Mit dem Bau der Linachtalsperre haben die Vöhrenbacher ei­ nen Pioniergeist be wiese n, der großen Respekt verdient – gleiches gilt für die Reaktivierung. Von der Linachtalsperre wird die ge sa m te Region profitieren, das zeichnet sich bereits jetzt ab. Vor allem aber auch „Vöhrenbach – die Stadt der Linachtalsperre“, wie der n e u e Slogan heißt. Text und Fotografie: Wilfried Dold 2 2 5


15. Ka p i t e l U m w e l t u n d Na t u r Baumoriginale im Schwarzwald und auf der Baar: | Teil 2: Ahornarten Farbenprächtig im Herbst und im Frühjahr eine unersetzliche Bienenweide Nachdem im Vorjahr an dieser Stelle rekordver­ dächtige Tannentürme vorgestellt wurden, soll e s d i e s e s jahr etw as b e s c h e id e n e r z u g e h e n . Die Ahorne sind an der Reihe, im Schwarzwald-Baar- Kreis (wie auch in der ge sa m te n Republik) nur in drei Arten vorkommend: Bergahorn (Acer pseu- doplatanus), Spitzahorn (Acer platanoides) und Feldahorn (Acer campestre). Eine vierte Art, den mediterranen Frühlingsahorn (Acer opalus) dür­ fen wir übergehen, denn er ist nur in einzelnen Exemplaren in der äußersten S ü d w este c k e d e s Landes (am Grenzacher Horn) n a c h g e w i e s e n . Parks und botan is ch e Gärten zeigen uns i n d e s ­ se n , d a s s e s weltweit ein e Vielzahl von Ahornar­ ten gibt, die Angaben in der Literatur schw anken von 110 bis 2 o o Arten. Die allermeisten von ihnen haben e s nach den Eiszeiten nicht mehr geschafft, in Europa wieder Fuß zu fass en . In der System atik der Botaniker werden die Ahorne heute als Gattung der Familie der Se ifen baum ge w äc hse zugerechnet, obwohl sie bis unlängst noch als selbstständige Familie (der Ahorngewächse) gelten durften. Zu größerer Popularität haben die Kanadier dem Ahorn ver­ holten. Sein Blatt ziert die kanadische Flagge, g e ­ nau g e n o m m e n d a s Blatt d e s Rot-Ahorns, der die N ordam erikaner-zusa m m en mit zahlreichen an­ deren Ahornarten – bei herbstlicher Verfärbung in Verzückung zu versetzen pflegt. Einen Hauch von „Indian Summer“ verbreitet hierzulande nu rderSpitz ahorn, d e s s e n knallige gelb-orange-rot Farben bei uns den Herbst an­ kündigen. Allerdings finden sich Spitzahorne bei uns in natürlicher Verbreitung nur in Schlucht­ wäldern, etwa in den Wutachflühen oder verein­ zelt auch in der Gauchachschlucht. Am leichtes­ ten ist er im zeitigen Frühjahr auszumachen, denn das Zitronengelb seiner Blüten eröffnet den Früh­ lingsreigen. Frühblüher sind alle drei Ahornar­ ten; als frühe Bien en w eid e sind sie daher fast unersetzlich. Die Straßenbauer haben den Spitz­ ahorn aber woh l vorwiege nd seiner Farben w e ­ gen ins Herz g e s c h l o s s e n . Als Alleebaum zeigt er sich auch von seiner anspruchslo sen Seite, denn er gedeih t auch bei ungünstigerem W ass er h au s­ halt. Der U n sc he in bar ste unter den Dreien, zu­ gleich aber der mit der w e ites te n Verbreitung im Schwarzwald-Baar-Kreis, ist der Feldahorn, vom Volksmund auch mit dem Beinamen „lieblicher Maßholder“ belegt. Auf der Baar darf er eigentlich auf keinem Lesesteinriegel, in keiner Feldhecke und an keinem Waldrand fehlen mit seinen zierli­ chen, stärker gelappten Blättchen. Hier tritt er frei­ lich meist nur strauchartig, bestenfalls als „Baum zweiter Ordnung“ in Erscheinung. Nur einzelne Ex­ emplare schaffen e s zu formschönen, das Land­ schaftsbild bereichernden Baumsolitären. Der stattlich ste ist unzweifelhaft der Berg­ ahorn. Doch der braucht frische, gut durchlüftete Böden, wie sie v o r zu g sw e ise im hängigen Ge­ lände auf dem kristallinen Rumpf d e s Grundge- Linke Seite: Blühender Feldahorn bei Dauchingen. Rechte Seite: „Indian Summer“ auf der Baar, Spitz­ ahornallee zwischen Wolterdingen und Beckhofen.



B a u m o rig in ale – A horna rte n birgsschwarzwalds zu finden sind, keinesfalls aber auf den abzugstr ägen Plateaulagen d e s Bunt­ sa n d s te in s oder gar auf den Tonen der Braunju­ rastufe im östlichen Kreisgebiet. Dennoch hat er im Wirtschaftswald auch Verwendung gefunden, wo e s ihm weniger behagt. Erverdankt die s auf der rauen Baardem Um­ stand, d a s s er Frosthärte b e w e ist und in der Ju­ gend rasch dem Bodenfrost zu entwachsen im Stande ist. Mancher Waldbesitzer pflanzte ihn so eher aus Verlegenheit als in Erwartung e in e s g e ­ steigerten Holzertrags. Da er jedoch keine nassen Füße verträgt, setzt der Bergahorn auf s ta u n a s­ se n Standorten in se in e m weiteren Wachstum bald deutlich zurück, o h n e Chance, je ein vitaler und für den Waldwirt wertvoller Baum zu wer­ den. Was uns nicht wundern darf, denn Berg- ahorne sind eigentlich im hochm ontanen Milieu zu h au se , wo sie Lawinenrinnen und Blockhänge b e siedeln . Auf ihm z u sa g e n d e n frischen Standorten ist der Bergahorn immer ein e wirtschaftlich lohn en­ de Alternative zum Nadelholzanbau. Ahornholz ist gesucht, helle, womöglich „geriegelte“ Ahorn­ furniere schm ü ck en zeitlos die Schlafzimmer­ möbel, aber auch die Verwendung als Vollholz rechnet sich, für Wirtshaus tische, für Treppen wie für das Parkett. Wohlgeformte Bergahorne sind oft Hofbäume Starke und wohlgeformte Bergahornexemplare finden wir im Schwarzwald-Baar-Kreis fast a u s ­ schließlich im Schwarzwald. Außerhalb d e s Wal­ d e s vorallem auch noch als Hofbaum, denn sein Laub ließ sich einst in Notzeiten „schneiteln“ und dem Vieh verfüttern, wenn das Heu knapp wur­ de. Ein se h e n sw e rte s Ensemble aus Hof und Baum bietet uns etwa der Kosbachhof bei Vöhrenbach. Ein noch stärkerer, zweistämmiger Bergahorn, vom Baumsachverständigen d e s Kreises, Hans Letule, verm essen und zum Naturdenkmal vorge­ schlagen, steht hart am Nebengebäude d e s Jäckle- hofs im obersten Brigachtal. Sein Alter wird auf ca. 250 Jahre geschätzt. Er bringt e s heute, nachdem er auch den Brand d e s alten Hofgebäudes fast un­ beschädigt Uberstanden hat, auf den respektablen Stammumfang von 5 0 0 cm. Einer dieser Hofbäume hat e s sogar geschafft, alle heutigen Veteranen an Alter, Umfang und Pro­ minenz bei Weitem noch zu übertreffen: der Bergahorn vom Grundbauernhof bei Rohrbach. Er war bereits um die vorletzte Jahrhundertwen­ de ein Juwel, ein Prachtstück in der Baum sam m ­ Farbenprächtiger Bergahorn beim Kosbachhof in Vöhrenbach. 2 2 8


Ein rund 250 Jahre alter Bergahorn steht beim Jäckle- hofim obersten Brigachtal. getrieben und d a s auch nur sehr spät; im z w e i­ ten Jahre hat er sich wieder erholt. Die Krone ist wundervoll g egliedert“. lung d e s Botanikprofessors und G eheimen Hof­ rats Ludwig Klein, d e s Verfassers d e s 1 908 er­ s c h ie n e n e n Buchs „Bemerkenswerte Bäume im Großherzogtum B aden“1: nach se in e m fachm än­ nischen Urteil war er „der sc h ö n s te und zugleich mächtigste Bergahorn Badens“. „Dieser pracht­ volle und jedenfalls sehr alte Baum “, schreibt Klein, „der wohl 3 0 0 – 4 0 0 )ahre zählt, hat an der schlanksten Stelle d e s kurzschäftigen S tam m es, 1,30 m über dem Boden, genau 6 , 2 0 m Umfang; s e in e Höhe beträgt 23 m. Die im posan te Krone von 25 m Durchmesser hat an den Astenden etwas gelitten, als d as dem Baume g e g e n ü b e r s t e h e n ­ de B a uernhau svoretw a 10 Jahren abbrannte. Im Jahre nach dem Brande hat der Baum kaum a u s ­ Der einst schönste Bergahorn in ganz Baden Einen A b g e s a n g a u f die se n wahrlich be m e rk en s­ werten Hofbaum brachte 1975 ein weiteres Baum­ buch, d a s im Auftrag d e s Landwirtschaftsminis­ ters ers chienen war.2 Sein Autor sollte heraus­ finden, w a s eigentlich von den Baumoriginalen der Jahrhundertwende übrig geblie ben war. Der Baum war noch vorhanden, doch sein Ende zeich­ nete sich bereits ab: „Im Jahr 1967 schließlich hat der S c h n ee ein Ungetüm von ein em Ast aus der Krone gebrochen, der dem Bauern über vier Ster Brennholz einbrachte und dem Holzschleifer 2 2 9


B a u m o rig in ale – A horna rte n beim Versuch, ihn beiseite zu ziehen, den Traktor um warf. Der Schönste ist er nun nicht mehr: Der Stamm ist vom Fäuteschwamm überzogen, der über die klaffenden Wunden ins Holz eindrang, die Krone ist nahezu halbiert. M oosp olster und Gras über­ wuchern die Äste, einer Gabel hoch oben ent­ wächst gar ein junger Vogelbeerbaum, und in den Höhlen nistet der Kauz. Dem alten Grundbauer sind die Alterungszeichen an se in e m Baum nicht entgangen – er nimmt sie g e la s s e n hin wie auch die e ig e n e n . “ Mitte der i98oer-Jahre, im Land sc hlug gera­ de d a s Waldsterben h o h e Wellen, war e s dann auch auf dem Grundbauernhof soweit: der Baum- M ethusalem wollte nicht mehr austreiben, und wir dürfen vermuten, d a s s er ein durchaus natür­ liches Ende erreicht hatte. Die Baumoriginale scheinen zurückzugehen Sterben die Originale allmählich aus? Auch bei den Baumoriginalen hat e s den Anschein, als würden sie weniger in unserer modernen Welt, auch wenn sich die Baumchirurgie mitunter noch s o sehr ins Zeug legt für d a s Überleben e in e s Baumpatienten. Was die Ahornveteranen a n b e ­ trifft, so scheint man in der benachbarten Schweiz dem Verarmungstrend immer schon ein w enig erfolgreicher als hierzulande e n tg e g en g e s t e u ­ ert zu haben. Als im Jahr 1870 der mit 16 (!) m Ge­ sa m tu m fa n g w eltw eit m äc htigste aller Ahorn­ b äu m e vom Sturm um geworfen wurde, der Berg­ ahorn zu Trun im Kanton Graubünden nämlich, unter welchem am 16. Mai 1424 der Obere Bund gesc hworen worden war, pflanzte man einen aus dem Samen d e s alten g e z o g e n e n jungen Berg­ ahorn. Der Wurzelstock d e s alten wurde 1890 s o ­ gar in den Sitzungs saal d e s Großen Bundes nach Bern überführt. Zuviel der Ehre für einen Baum? Ein bisschen mehr Ehrfurcht dürfte e s manch­ mal ja sein; und, bitteschön, nicht immer erst, wenn der Baum schließlich Aufnahme gefunden hat im Naturdenkmalbuch d e s Landkreises und mit ein em Naturdenkmal-Täfelchen etikettiert worden ist. Sorgen wir dafür, d a s s ausreichend viele sc h ön e, aber auch un gew öhnliche, skurri­ le und originelle Bäume nachw achse n und alt werden dürfen. So alt, d a s s sich in uns Bewun­ derung und Verehrung schließlich wie von allein einstellen wollen. Im Baum versinnbildlichen wir die Natur schlechthin, in ihm sp ie ge lt sich letzt­ endlich auch unser e i g e n e s Leben wieder. Beim Grundbauernhof steht noch immer die (nur sehr allmählich zerfallende) Ruine d e s einst so stolzen Bergahornstam mes. M angelnde Ord­ nu ngsliebe ist e s wohl nicht, w e sh a lb der Grund­ bauer den morschen Strunk nicht schon längst entrümpelt hat. Vorerst steht er jedenfalls noch da – ein Denkmal zur Erinnerung an vierhundert Jahre Hofgeschichte. Und zwischen den Wurzeln d e s ab ge stor b e n e n alten Baums wächst bereits wieder ein vielstäm miger neuer Bergahorn. Ein Fall von Wurzelbrut? Ein Stockausschlag? Auf den Vaterschaftstest möchten wir da großherzig ver­ Text und Fotografie: WolfHockenjos zichten. Literatur 1. Klein, L.: Bemerkenswerte Bäume im Großherzogtum Baden. Karlsruhe 1908 2. Hockenjos, W.: Begegnung mit Bäumen. DRW-Verl. Stuttgart 1975 Geschichte ist der Bergahorn beim Grundbauernhof in Rohrbach: links der Baum heute, rechts ein Archiv­ bild von vor etwa 30 Jahren.



U m w e lt und Natur Die Klosterlinde ist verschwunden St. Georgen nim m t Abschied von einem geschichtsträchtigen, m ehr als 3 0 0 Jahre alten Baum und pflanzt eine neue, junge Linde Die Klosterlinde, ein für St. Georgen wichtiger und mit vielen Erinnerungen behafteter Baum, m usste im Juni 200 7 gefällt werden. Das Alter von etwa 3 0 0 bis 350 Jahren, die u m ge b e n d en Schul­ bauten und die Bodenverdichtung machten die Linde hinfällig. Das Innere d e sS ta m m e s warschon lange te ilw e i s e a u s g e h ö h l t und m anc he Teile auch morsch und letztlich dann auch ein e Gefahr für die Schüler. Obwohl die Linde mitten im e h e m a lig e n Klosterareal stand, hat sie die eigentliche katho­ lische Klosterzeit nie g e s e h e n : Sie wurde erst in derwürttembergischen Klosteramtszeit gepflanzt. Der noch vor Jahren stattliche Baum ist immer als e in e s der w e nige n Überbleibsel d e s Klosters b e ­ trachtet worden. Vielfach wurde behauptet, d a s s der jeweilige Abt d e s Klosters unter dieser Linde Gericht abgehalten und die Verfehlungen bestraft habe. Aus den w e nige n Akten ist aber ersicht­ lich, d a s s die Gerichtslinde die „Linde vor dem Kloster“ war. Nach Ab gang dieser Linde wurden zwei ge g e n ü b e r s t e h e n d e Bäume gepflanzt. Zwi­ schen ihnen stand ein Sc hnappgalgen. Um 1 800 verdorrten d ie s e Bäume und wurden u m g e h a u ­ en und d a s Holz verkauft. Gerichtslinde stand nördlich des Klosterhofs Der Gerichtsplatz und damit der Standort der Ge­ richtslinde war nördlich d e s Klostervorhofes, un­ gefähr bei der heutigen Volksbank. Dorthin wur­ den die Bewohner d e s Ortes und die Einwohner der Stäbe, w elch e zum Kirchspiel gehörten, zu den jeweiligen Vogt-, Jahr- und Ruggerichten g e ­ laden. Die Gerichtsverhandlung lief folgender­ maßen ab: Zuerst wurden die Statuten, d a s heißt da s Weistum oder die Dorfrechte vorgelesen . Da­ nach leisteten die Jüngeren, „w elche fernd nicht da waren“ (fernd = letztes Jahr) den Eid. Darauf folgten die Anklagen w e g e n be g a n g e n e r Frevel. Die Klosterlinde von St. Georgen um 1900. Die Untaten wurden dann mit G eldb uß en b e ­ straft. Es folgte die Wahl neuer Richter sow eit w elch e a u s g e s c h ie d e n waren. Danach fand die Bestätigung der Vögte statt. Endlich wurde alles mit Wein besiegelt. Die Äbte hielten nur bis zum Spruch über Le­ ben und Tod Gericht. Sobald sich ein e Todes­ strafe abzeic hn ete z og der Abt s e i n e Gugel (Ka­ puze) vor und übergab den Fall an den Kastvogt oder sp äter an den Amtmann. Vielfach übten die Unterrichter, die Vögte, die niedere Justiz aus. Die Parteien konnten ab ein em Urteil vor einem Unterrichter an das Kerngericht und von da an da s kaiserliche Hofgericht zu Rottweil appellie­ ren.


Die Klo s te rlin de von St. G eo rg en Die Klosterlinde wird gefällt, zahlreiche St. George­ ner verfolgen diesen letzten Akt eines Baum todes. am Standort der gefällten Klosterlinde ein e neue Linde gepflanzt. Sie soll d as Andenken an den historischen Baum weitertragen und die neue Willi Meder „Klosterlinde“ se in. Die neue Klosterlinde ist gepflanzt, Bürgermeister Schergel gießt symbolisch den jungen Baum. Schon früh gab e s in St. Georgen ein Kernge­ richt w e l c h e s aus 12 Richtern bestan d. Je vier Richter kamen au s Brigach und Kürnach und zwei aus St. Georgen. Dazu kamen noch die Vög­ te von Kürnach und St. Georgen, die aber nicht als Vögte, sondern , wie die anderen Richter, bei­ sitzen sollten. Der Vogt von Brigach aber sollte im Namen der Obrigkeit d e s Klosters präsidieren und den Stab führen. Das Kerngericht führte ein e i g e n e s Siegel. Es zeigte einen halb-geharnisch­ ten Kriegsmann m itS p ie ß und Schwert, auf dem Lindwurm ste h e n d , sich mit der rechten Hand auf das Schild mit dem Georgskreuz lehnend. Die Umschrift lautet: „Sigillum judicum Monasterii S. G. in nigra silva.“ Die Strafen w e lc h e der Kastvogt oder der Amtmann ve rh än gte , wurden bei Geldstrafen nach Villinger Währung besti m m t. Friedbruch mitLähmi u n d „ m e iß le n d e W u n d e n “ wurden mit 10 Pfund, also mit 6 Gulden bestraft. Die Strafe für ehrenkränkende Scheltw orte betrug e b e n ­ falls 10 Pfund, für Schelten mit Gotteslästerung 9 Kreuzer und für die Weiberfrevel 6 Kreuzer. Am 15. und 16. Se pte m be r 2 0 0 7 feierte man in St. Georgen den 5 00. Jahrestag der Markt­ rechtsverleihung durch Kaiser Maximilian an Abt Eberhard II und an den St. Georgener Konvent. Im Rahmen d i e s e s Festes wurde im Klosterhof 23 3


U m w e lt und Natur Wanderer zwischen den Welten Die Baar als „Trittstein“ für ziehende Watvögel 1998 hat der Schwarzwaldverein Donaueschin- gen in Zusam m enarbeit mit der Stadt Donau- e sc h in g e n ein Feuchtbiotop am Aasen er Dorf­ bach ge sc haffen. Es soll in erster Linie als „Tritt­ ste in “ für Watvögel dienen, die auf dem Flug zwi­ sc h e n ihren Brutgebieten in Nordeuropa und Sibirien und ihren afrikanischen Winterquartie­ ren auf g e e i g n e te Rastplätze a n g e w i e s e n sind. Was sind Watvögel? Eine sehr interess ante Gruppe unter den Vögeln sind die Watvögel oder Limikolen. Zu ihnen z ä h ­ len neben anderen die Regenpfeifer, die S c h n e p ­ fe n v ö g e l und e in e Vielzahl von W asserläufer­ und Strandläuferarten. Das Leben der Watvögel spielt sich hau pt­ sächlich am Boden ab. Dort su ch en sie schrei­ tend oder watend ihre Nahrung an der B ode n­ oberfläche, in niedrigerVegetation, im Schlamm oder im flachen Wasser. Mit ihren vielfach langen Schnäbeln nehmen sie Würmer, Insekten und d e ­ ren Larven, Spinnen und andere kleine Tiere als Ein Flussuferläufer bei Donaueschingen, auch für ihn fungiert die Baar als „ Trittstein “. Nahrungauf. Fastalle von ihnen sind Bodenbrü­ ter, deren Gelege meist aus vier spitzovalen Eiern b e ste h e n . Watvögel b e s ie d e ln s e h r un terschiedlic he Lebensräume. In der Regel sind e s Feuchtgebiete. Fluss- und Seeufer, Sümpfe, Moore, Feuchtwiesen und die M ee re sk üste n sind die bevorzu gte Hei- Die junge Donau und die sie umgebenden Feuchtgebiete sind für die Watvögel lebenswichtig. 2 3 4


mat dieser Vögel. Einige Arten kommen allerdings auch an trockenen, vegetationsarmen Standorten vor. Die Ernährungsweise und die überwiegend nördliche Verbreitung der Watvögel haben zur Folge, d a s s viele Watvogelarten im Laufe d e s Jah­ res a u s g e d e h n t e Wanderungen durchführen. Ih­ re Brut- und Überwinterungsgebiete liegen oft mehrere ta u sen d Kilometer auseinander. Auf der Baar brüteten bis 1990 fünf Watvo­ gelarten: Kiebitz, W aldschn ep fe, F lu ssregen­ pfeifer, Bekassin e und Großer Brachvogel. Die B ekassin e und der Große Brachvogel kommen allerdings seitd em als Brutvögel hier nicht mehr vor. Dem Kiebitz scheint d as gleiche Schicksal besc hert zu sein. Während der Zeit d e s Vogelzugs im Frühjahr und Herbst rasten r eg e lm ä ß ig v e r s c h ie d e n e Watvogelarten, auch in größerer Anzahl, an g e eig ­ neten Rastplätzen auf der Baar. Sie nutzen die Baar als „Trittstein“. Zur „Trittsteintheorie“ Wenn z.B. ein Kampfläufer Ende Februarsein afri­ k a n isc h e s Ü b erw interu ngsgeb ie t am Niger in Mali verlässt, um in sein skandin avis ches oder sibir is ch es Brutgebiet zu fliegen, dann hat er einen bis zu 8 . 0 0 0 km langen Weg vor sich. Es ver­ steht sich, d a s s er zur Überwindung dieser Strecke auf g e eignete Rastplätze ange w ie se n ist, auch wenn man von einer erstaunlichen Tagesleis­ tung von bis zu 1.000 km au s geh en kann. Diese Rastplätze m ü s se n ausreichend Nah­ rung und Ruhe bieten. Sie m üsse n auch in erreich­ baren A b ständ en au f dem Z u gw eg zu finden sein, so d a s s sie als ein e Art „Trittsteine“ fu ngie ­ ren können, die ein „Auftanken“ von Energie er­ möglic hen. Nach B e e n d ig u n g der Brut in den nordischen Brutgebieten, hier wird das reichliche Nahru ngsa ngeb ot und die lange Helligkeit der Tage zur Jungenaufzucht genutzt, stellt sich das Problem für diese Zugvögel in g leicherw eise, nur ist die Zugrichtung ein e andere. Ähnlich dem Kampfläufer g eht e s alljährlich mehreren hunderttausend Watvögeln Eurasiens. Ein Großteil dieser Vögel folgt auf ihrem Zug den Meeresküsten. Ein nicht unbedeutender Teil über­ quert allerdings d a s mitteleuropäische Binnen­ Z ie h e n d e W atv ög e l Großer Brachvogel auf der Riedbaar bei Neudingen und ein Dunkler Wasserläufer im Schwenninger Moos. Er ist ein sehr seltener, rastender Watvogel. land. Dies erklärt, w e s h a lb an ge e ig n e te n Rast­ plätzen auch bei uns r egelmäß ig Watvögel w ä h ­ rend der Zeiten d e s Vogelzugs beob ac h te t wer­ den können. Watvogel-Rastplätze auf der Baar Aufgrund der Nahrungsansprüche der Watvögel und ihrem Ernährungsverhalten lässt sich das Bild e in e s g e e ig n e t e n R astbiotops für d ie s e Vögel leicht ableiten. Es sind in der Regel feuch­ te Lebensräume mit kurzer, lückiger Vegetation oder gar vegetationsfreie Bereiche in Feuchtbio­ topen. Diese Gebiete verfügen über ein reiches Nahru ngsa ngeb ot an wirbellosen Tieren, welch e für die verschie denen Watvogelarten gut erreich­ bar sind. Entsprechend den v e rsch ie denen Er­ nährungsstrategien der ein zelnen Watvogelar­ ten bevorzugen sie unterschiedliche Rastplätze. 235


U m w e lt und Natur Die Muselschnepfe (oben) tritt auf der Baar nur im Frühjahr auf, der Kampfläufer meist ebenso. Unten: Ein Alpenstrandläufer. So st oc h e r tz . B. die Uferschnepfe mit ihrem lan­ gen Sc hnabel gerne im Boden feu c h te rW ies en nach Regenwürmern, während der Flussuferläu­ fer gerne Insekten an san digen oder steinigen Ufern aufpickt. 2 3 6 Auf der Baar sind folgende Lebensräume als Rastbiotope fürWatvögelvon Bedeutung: Im Früh­ jahrtreten regelmäßigund in größerer AnzahlWat- vögel in den staunass en Wiesen und Äckern zwi­ schen Bad Dürrheim und Donaueschingen sowie im Großen Pfohrener Ried auf. Flervorzuheben sind auch die übersc hw em m ten Wiesen der Nie­ derung der Baar-Donau bei Frühjahrshochwas­ ser. Hier können Uferschnepfen, Kampfläufer, Große Brachvögel, Regenbrachvögel, Grünschen­ kel, Bekassinen und Waldwasserläufer regelmä­ ßig beobachtet werden. Auf den Wiesen der Ried- baar rasten Mitte März nicht selten 4 0 0 Kiebitze. Die bevorzugten Rastplätze im Som m er und Herbst unterscheiden sich klar von denen d e s Frühjahrs. Hier kommt der Baar-Donau ein e b e ­ so n d e re Bedeutun g zu. Die Wass erte ppiche d e s Flutenden H ah n en fu ß e s und tr ockengefa llene Uferbereiche bieten dann gün stige Rastbedin­ gu n gen . Bereits ab Anfang Juli kön nen hier Bruchwasserläufer, Flussuferläufer und Wald­ w asserläufer b e o b a c h te t w erden. Hinzu kom ­ men vereinzelt Bekass in en, Grünschenkel und Alpenstrandläufer. Regelm äßig können im Spät­ so m m er und im Herbst an g e e ig n e te n Stellen im Bereich der Riedseen ebenfalls ge fie derte Gäste aus dem hohen Norden fe stgestellt werden. Jahreszeitliches Auftreten und Rastdauer Schon im Februar treffen die ersten Kiebitze aus ihren Überwinterungsgebieten bei uns ein. Sie ge hör en zu den ersten zurückkehrenden Zug­ vögeln , die auf der Baar für einig e Zeit Rast m a­ chen. Ihre Brutgebiete in Holland, Norddeu tsch­ land oder Polen erreichen sie dann im März. Zu dieser Zeit finden sie dort bereits gün stige Vo­ rauss etzungen für ihr Brutgeschäft vor. Die Brut­ ge biete der Bruchwasserläufer z.B. sind zu d ie ­ ser Zeit noch schn ee- und eis bedeckt. Erst Ende Mai oder Anfang Juni bieten die Moore in Skan­ dinavien oder Nordrussland g e e i g n e te Umwelt­ bedin gungen für die Brut und Jungenaufzucht die se r Art. Entsprechend sp äter ta uchen die Bruchwasserläufer bei uns auf dem Rückzug in ihr Brutgebiet auf. Es versteht sich, d a s s auch Witterungsbedingungen einen starken Einfluss auf d a s Rastverhalten von Zugvöge ln haben .


Z ie h e n d e W a tv öge l Der seltene Kiebitzregenpfeifer, das Odinshühnchen und eine Bekassine, die regelmäßig auf der Baar ih­ re Rast einlegt (von oben links). Schränkt z.B. ein Tiefdruckgebiet oder Hochne­ bel d as Zugverhalten ein, s o kann e s zu b e s o n ­ deren Be ob ac htungen kommen. Ein s o g e n a n n ­ ter Zugstau erhöht dann die Individuenzahlen und die Rastdauern der durchziehenden Watvö­ gel. Unter so lc h e n Bed in gu n ge n wu rden z.B. 2 . 8 0 0 Kiebitze im März 2 0 0 3 bei Biesingen, 35 Goldregenpeifer im November 1983 bei Aasen und 24 Regenbrachvöget im April 198 0 bei Bad Dürrheim beobachtet. Festgestellte Watvogelarten Seit 198 0 wurden 25 Watvogelarten auf der Baar festgeste llt. Darunter sind Arten, die extrem s e l ­ ten sind und bisher nur ein- bis zweim al b e o b ­ achtet wurden. Hierzu gehör en Steppenkiebitz, O dinshüh nchen, Küstenstrandläufer oder Kie­ bitzregenpfeifer. Es gibt aber auch Arten, die all­ jährlich bei uns auftreten. So rasten z. B. Kiebit­ z e, Bekassin en , Bruchwasserläufer, Flussufer­ läufer oder Kampfläufer traditionell auf ihrem Zug im Bereich der Baar. Ausblick gen. Um d i e s e „Trittsteine“ für die „Wanderer zwischen den Welten“ zu erhalten, m ü s se n hier nachteilige Veränderungen, vor allem im Bereich d e s W a ss e r h a u sh a lte s, u n b e d in gt verm ied en werden. Es hat sich auch gezeigt, d a s s künstlich an­ g e le g te Feuchtbiotope von großer Bedeutun g für z ie h e n d e Watvögel sein können. Text und Fotografie: Helmut Gehring Literatur H. Gehring: Die Baar als Trittstein für ziehende Limiko- len (Watvögel). – Schriften der Baar Bd. 42, Donau­ eschingen 1999, S. 81 – 96. Von b e so n d e r e r B e de utun g als Rastplätze für z ie h e n d e Watvögel sind die Feuchtwiesen der Riedbaar so w ie die relativ naturnahe Baar-Do- nau zwisc hen Don aueschingen und Gutmadin- H. Gehring & F. Zinke: Die Vogelwelt der Baar. – In: Fas­ zination Baar-PorträtsausNaturund Landschaft (Hrsg. A. Siegmund), Mory’s Hofbuchhandlung, Donaueschin­ gen 2006, S.158 -162. 23 7


i 6 . Ka p i t e l La n d w i r t s c h a f t Das Heuen – früher und heute Am Ende der „guten alten Zeit“ – Warum spricht niemand vom Anfang der „guten neuen Zeit“? Alles w a r ja h rh u n d e r te la n g g anz an ders, eine V e rä n d e ru n g kaum fes tzu s tellen , so, als ob die Geschichte R ückzu g sgeb iete h ätte, M ö g lich ke iten des S tillstand s, fe rn ­ ab aller E ntwicklungen, beim L a n d m an n , der, an sein e r Scholle k le b e n d , von den Vorgab en und den G esetzen d er N atur a b h ä n g ig , sich a u f die E rfah ru n g vo n G e n e ­ rationen Stützt und verlässt. Ein Leben im Takt der Jahreszeiten, und d i e s e schrieb en die Ar­ beit vor. Ackergang, „Im Märzen der Bauer…“, Gartenumstechen, Heuernte, Getreideernte, Beeren­ sa m m eln, Kartoffelernte, Herbsten, Sorge um das Winterholz, Dreschen, im Gebirge Almauftrieb, Alm­ abtrieb. Das galt auch für Haus und Stall an ein em jeden Tag. Man w u s s t e von nichts anderem. Die einzelnen Techniken, durchaus nicht immer einfach, viele b e stan de n in grober Arbeit, a n d e ­ re erforderten Geschicklichkeit, wurden von Ge­ neration zu Generation weiter g e g e b e n . (Man konnte ein e Arbeit „mit Vorteil“ z ustan de brin­ gen oder auch nicht. Schaute man einem unbe­ holfenen Menschen zu, konnte man die spöttische Frage hören: „Warum einfach, wenn e s u n ge ­ schicktauch geht?“) Aber kommen wir zum Thema! Die erste große Arbeit im Jahr, für die alle Hän­ de, die der Kinder ein gesch lo ssen, gebraucht wur­ den, war das Heuen. So wichtig war das, d a s s e s se l b s t Ferien dafür gab. Wurde das Wetter g ü n s ­ tig, konnte in der „Hirtenschule“ der Dorfschul­ meister d i e s e von ein em Tag auf den ändern an­ ordnen, in Grenzen auch ihre Dauer. Ausspruch e in e s Schulleiters: „Wenn e s mir und der Land­ wirtschaft recht ist…“ Noch vor 50 Jahren war das so. nersache.Zum „Scharenschütteln“ wurden Frau­ en und Kinder ange stellt, d i e s e , so b ald sie eine „Furke“ (Forke, dreizinkige Heugabel) oder einen Rechen „ h e b e n “ (halten) konnten. Es ging mit beiden Geräten. Das frische ausgeb re itete Gras ließ man über Nacht liegen. Am nächsten Tag wurde e s , wenn der Tau ve rdunstet war, g e w e n ­ det und am Abend auch bei gutem Wetter auf „Ruder“ (Wellen) gerecht“, woraus „ S c h o c h e n “ g e m a ch t wurden. Der Zweck dieser M ethode war: da s am nächsten Vormit­ tag wieder ausgeb reitete Gras sollte auf trockenen Boden zu liegen kom m en. Au­ ß e r d e m konnte e s sc hon auf Schochen „doren“, wie dörren im Dialekt hieß. War aber Regen Zu Beginn einerSchönwetter- periode wu rde d a s Gras von Hand mit der S e n s e gemäht, im Schw arzwald, au ß er in Kriegsjahren, m e is t Män- Er hat eine Ruhepause verdient: Anton Läufer, Unterschafberg, „Auf der Höhe“, etwa 1954.


a n g e sa g t, s o war d as „S c h o c h e n m a c h e n “ erst recht notw endig. Dann blieb d a s Gras auf S c h o ­ chen sitzen, bis die S o n n e w ieder sc hien, manchmal tagelang. Waren e s noch „Grasscho­ c h e n “, s o kon nte e s g e s c h e h e n , d a s s sich in ihrem Innern ein e hoh e Temperatur entwickelte und sie beim Auseinandermachen rauchten. Denn, wovon ein Nicht-Eingeweihter kaum e tw as weiß: Heu und mehr noch Öhmd, der zweite Schnitt, m ü s se n gären, und d ie se m Prozess dienen die Schochen ebenfalls. Vorausse tzung war, wie in früheren Zeiten selbstverständlich, d a s s für d i e s e Arbeit viele M enschen zur Verfügung stan den, denn ein e in ­ zelner schaffte e s auf einem weiten Grasacker nicht, zudem kam der „Verleider“ an ihn. Und al­ le freuten sich, wenn ihnen ein Vorübergehender zurief: „Scheeni Schechli mac he ihr!“ Das Bela­ den d e s Heuwagens: s a g e keiner, das sei einfach g e w e s e n . Es war ein e sc hw ere Arbeit, d as „Heu­ bie ten“, und das Setzen d e s H eu es eine hohe Kunst dazu, der Wagen durfte ja nicht ein seitig g ela d en se in, und er durfte auf dem Weg in die S c h e u n e nicht auseinanderfallen. Eigentümer kleiner Landwirtschaften brach­ ten d a s Heu auf dem Ziehkarren oder auf dem Rücken mit der „Heukrätze“ nach Hause, je nach der Entfernung eine große Schinderei, erst recht, wenn e s bergauf ging, sie wurde auch von Frau­ en (!) bewältigt. Und je nach Topographie auch das: Einen steilen Berghang hinunter über Fel- sensch rofen in halsbrecherischer Fahrt auf dem Schlitten. Mein Gott! Die große Stunde der Kinder Kaum war d as Heu im „Denn“ , war die große Stunde der Kinder ge k om m e n , die jetzt „heu- h o p p e n “ durften. Das Heu sollte auf dem Heu­ stock durch Hüpfen und Springen „khäb“ (dicht) werden. Gelacht wurde gelege ntlich über einen Bauern, der bei nicht ganz einwandfrei gedörr­ tem Heu s a g te , e s se i nicht s o sc hlimm, „ e s kommt unte ni“, wo e s w e g e n der Hitzeentwick­ lung gefährlich werden konnte, oder am Ende der Heueernte, e s se i nicht s o sc hlimm, „ e s kommt o b e druf“. Und er hatte immer Glück. Der Hof st eht noch. Das Heuen – frü h e r und heute Schochenmachen beim Hasenbauern (Gremmels- bach – Leutschenbach). War schließlich die ganze Arbeit getan („ighei- wet“), freute man sich auf die „Heigaus“, gemeint ist ein Fest für Familie und Gesinde (durchaus an einem Werktag, wofür ursprünglich in Zeiten, die unsere Erinnerung nicht mehr erreicht, wohl ei­ ne gebratene „Gaus“ (Gans) auf den Tisch kam. In manchen S c h w a r z w a ld g e g e n d e n hatte die Viehwirtschaft das bei weitem größere Gewicht vor der Getreidewirtschaft, d as heißt, d a s Heuen war die schw erste Plackerei im ganzen Jahr. Je nach Wetterlage sprach man von „strengem Hei- w e t “. War aber alles geschafft, hatte man g u te s, nicht verr egnete s, nicht w e g e n ungünstiger Wit­ terung halb grünes oder schlech t getro cknetes, rotes oder schw arzes, dem Regen a b g e lis tete s und vor allem g e n ü g e n d Heu auf der Heu bühne, dann war das mehr als ein Grund zum Aufatmen, e s war ein Glück, man konnte auch einmal g e ­ meinsam singen und musizieren. Es war das Fest, d a s man sich selber gönn te, nicht an einem b e ­ stimmten Tag wie die kirchlichen oder staatlichen Feiertage. Man w e iß noch von b e s s e r e m Mit­ ta g e s s e n mit ein em gekoc hten Schinken und ei­ nem reichhaltigeren Vesp er mit einer Flasche Bier. Als Regel für die Vorratshaltung auf einem Hof galt, d a s s bis zum Heuet so viel an Nahrungs­ mitteln noch vorhanden sein musste, dass e s auch für die Helfer reichte. D ie se s individuelle „Hof­ fest“, das nie wie die „Kilwi“ (Kirchweih) ein Dorf- 2 3 9


Lan d w irtschaft Beladener Heuwagen mit Ochse und Pferd be­ spannt. Auf dem „Gemeindehof“. Links als „Helfer“ Ortspfarrer Hermann Schneider. Geheut wurde für den „Unterschafberg“, etwa 1949. fest war, wurde heute zu einem so lchen erh o­ ben. Der Start glückte. Man wü nscht ihm, d a s s e s traditionsbildend wird. Der Mäher ließ „d’Sägis briele“ Die Häufung der Dialektwörter im Zu sam m en ­ hang mit dem Heu zeigt, welcher Differenzierung die bäuerliche Sprache fähig ist, über welch en Reichtum an präzisen Ausdrücken sie verfügte. Mit den Erleichterungen durch die Technik ver­ ändern sich landwirtschaftliche Methoden und mit a u fg e g e b e n e n Bräuchen und nicht mehr not­ w e nd ig e n Geräten verlieren sich auch ihre Be­ zeichnungen. Es ist damit zu rechnen, d a s s die junge Generation und alle, die ihr folgen, S c h o ­ chen und Garben nur noch von Gemälden und Fotografien kennen. Deshalb sei noch ein Brauch erwähnt, der die Freude darüber kundtun sollte, d a s s alle Raine und Gräben a b g e m ä h t waren. Der Mäher ließ ,,d’ Sägis briele“, der rieb den Wetz­ stein an der unteren Seite d e s S e nsen blec hs und erzeugte damit ein weithin hörbares Geräusch. Kaum noch jemand weiß heute e tw a s davon. Das alles war einmal – k e in e s w e g s in grauer Vorzeit. Noch leben M en schen, die sich an d i e s e Arbeitsw eise genau erinnern und alle Techniken a nw en de n könnten, hätten sie nur noch einmal G ele gen he it dazu. Die industrielle Revolution, die im 19. Jahrhundert die Arbeitswelt mit e p o ­ 2 4 0 chaler Wucht verwandelt hat und sie in ein e für uns unvorstellbare Zukunft weiter entwickeln wird, hat verspäte t die Landwirtschaft erreicht, ihre M ethoden dann aber unaufhaltsam und in fie­ berhaftem Tempo verändert. Das Berufsbild d e s Bauern, die ganz e Agrarsoziologie, hat sich g e ­ wan delt, von „Agrarfabrikanten“ wird g e s p r o ­ chen, Maschinen erleichtern und beschleunigen die Arbeit, indem sie e in ze ln e Arbeitsschritte überflüssig machen. Das ganz e Leben wurde a n ­ ders – und auch auf dem Land die bäuerliche Kultur. Jede Verweigerung wäre sinn los g e w e ­ se n . Hier versank ein e Welt unwiderruflich. Einige Erwartungen der Industrialisierung wurden erfüllt, ein e g e ste ige rte Produktion bis zum Nicht-mehr-Konsumierbaren, Su bventionen b edeuteten ein e spürbare Hilfe, machten aber stolze Bauern auch zu Antragstellern, hatten un­ geliebte Buchführungzur Folge, die Konzentrati­ on der Arbeit auf w e n i g e Hände, bei w eitem leichtere Arbeit für Mensch und Tier, wenn tieri­ sc h e Kraft nicht ganz durch m aschinelle ersetzt wurde: Aber leider trafen auch negative Vorher­ sa g e n ein: Bräuche verloren ihren Sinn, lösten sich s a n g und klanglos auf, die Romantik d e s Lichtgangs (statt d e s s e n der Fernsehabend), das frohe Arbeiten in der Gemeinschaft, die glückli­ che Verbundenheit mit einer großen Verwandt­ schaft, auch der Nachbarschaft, d a s Wetteifern b e i d e r Arbeit, mancher Schabernack, d a s „Aus- beißen“ zum Beispiel, (d.h. wenn mindestens drei Personen mit dem Rechen das Heu w e n d ete n , konnten die beiden äußeren durch sc hnelleres Aufeinanderzuarbeiten dem in der Mitte die Ar­ beit w e g n e h m e n ), die Freude am raschen Fort­ schreiten der Arbeit, der G en uss e in e s milden


Feierabends nach getaner, harter Arbeit – und um e s zu wiederholen: die Heugaus. Allein kann man nicht feiern. „Der Juni holt das Heu herein“ Auf denn! An die praktische Arbeit! Was der Laie zunächst als ein e Art Wetteifern um den frühes­ ten Beginn und damit d a s früheste Ende d e u te ­ te, war in Wahrheit von der Klimaveränderung vor gege be n. Einst stand in unserem Erstkläss­ ler leseb uc h der Vers: „Der Juni holt d a s Heu herein.“ Heute gilt das nicht mehr. Man kann An­ fang Mai beginn en . Der frühe Sommer lässt das Gras schneller heranw achsen . Die herkömmli­ che S e n s e hat w e itgeh en d a u s g ed ie n t und wird nur noch an Gräben und Steilh änge n benutzt. „Mäder“ vom e ig e n e n Hof, a u s der Nachbar­ schaft, a u s größerer Entfernung, die bei S o n ­ ne n a u fg a n g auf den W iesen sta n d e n , gibt e s nicht mehr. Mit dem Ladewagen, auch er gehört sc hon wieder der Vergangenheit an, begann die Revolutionierung d e s Heuens. Derzeit ist e s der Kreiselmäher oder der sc h o n e n d e r e Frontmäher mit se in e m etwa vier Meter breiten Balken und den zwei sich g e g e n lä u fig b e w e g e n d e n M e s ­ sern. Heu ist auch heute immer noch Heu, aber nicht mehr d a s einzige, w a s man a u s Gras m a­ chen kann, um e s einmal s o auszudrücken, und Das H eu en – frü h e r und heute s e i n e Konservierung hat sich drastisch g e ä n ­ dert. Das Vieh braucht Trockenfutter, nach wie vor, Heu behält als Zusatzfutter se inen Wert, weil junges Gras einen zu hohen Eiweißgehalt enthält und ein e Vergiftung hervorrufen kann. Eine Wohltat, eine willkommene Erleichterung für die Bauersfamilie w ar die Heustockbelüftung, die al­ len Bedenken w e g e n der Selb ste n tz ü n d u n g d e s Heus ein Ende se tzte . Das H eu geb lä se s c h le u ­ derte das Heu an jede ge w ü n sc h te Stelle auf den Heustock und unter d a s Dach und ersparte das m ü h s a m e Abladen. Auch d i e s e Technik wird nicht mehr gebraucht. Heu, aber wirklich dürres Heu, wird von einem Netz um geben in Ballen, in der Tenne aufbewahrt. Eine Zeitlang hat das Beton- oder Holzsilo neben dem Hofgebäude dem Heustockden Rang abgelaufen. An Nährwert ist Silofutter dem Heu gleichwertig, wenn e s ein en g e w i s s e n Anwel- kungsgrad erreicht hat. Die heute gä n g ig e und verbreitetste M ethode der Heukonservierung ist da s Pressen zu Siloballen, die – natürlich m a­ schinell auf der W iese – in grüne oder w e iß e Fo­ lien ge sc h w e iß t, luftdicht verpackt werden. Die­ s e „Eier“, von S p a ß v ö g e ln „Saurier-Eier“ g e ­ nannt, können jeder Witterung oh n e Schädigung a u s g e s e tz t bleiben, w e sh a lb man sie d as ganze „Heugaus“ feiern auf dem Grundbauernhof in Gremmelsbach, etwa 1955. 241


Wiese wird sofort gedüngt, der n e u e Be wuchs gleicht alle s schnell wieder aus. Nachrechen hat beim Tempo der Maschine keinen Sinn, „G rebsten“, wie man d a s früher nannte, d as ist vorbei, und bald wird auch die B ezeich nun g dafür v e r g e s s e n se in. Der große Rechen dafür wird M useum sstück werden. Nach dem ersten Schnitt ist der Som m er noch lang, und noch dreimal kann sich dieser Vorgang w i e ­ derholen. Bei d ie se m Tempo kom men die Heu- sc hrecken nicht mehr mit. Wie viele t a u s en d Heuschrecken, winzig kleine, grüne, braune, und große mit Hautflügeln wie kleine Vögel zuckten nach rechts und links w e g , wenn wir barfuß Uber e in e a b g e m ä h t e W iese rannten. Wir machten uns ein Vergnügen daraus. Heute sind sie selten ge worden. Vom Wandel in der bäuerlichen Welt Zu reden ist jetzt noch von den Biotopen, die un­ ter b e stim m ten B edingu ngen staatlich er se its mit Prämien gefördert werden, um die Vielfalt der Pflanzenwelt und selten er Tiere zu b e w a h ­ ren. Das können in feuchten Senken s o g e n a n n ­ te „W ässer w ie sen“ sein. Einzige Auflage ist, die Gräben instand zu halten. Eintrag darf im Mai geholt werden, später wäre e s in sich zusammen g e s e s s e n und kaum noch zu mähen. Trocken- und Feuchtbiotope dürfen vom 1. bzw. vom 15. Ju­ li an a b g e m ä h t werden, je nach der Blütezeit d e s Grases. Als Einschränkung ist nur das Verbot zu beachten, die Flächen zu düngen. Ist von d ie se m sc hm alen Sektor der Land­ wirtschaft a u s – denn die Viehzucht, S c h w e in e ­ zucht, Geflügelhaltung, Getreideproduktion, wo ebenfalls neue Entwicklungen festzustellen sind, bleiben außerhalb unserer Betrachtung – ein Schluss auf das Bauerntum im Allgemeinen zu ziehen? Würden sich M enschen vor vier Genera­ tionen nicht fa ss u n g s lo s , voll Grausen vor dem Zustand heutiger Landwirtschaft ab w en d e n , die d a s Schneiden d e s Getreides vor der Reife für „Grünkern“ ablehnten, weil sie e s für ein e Belei- d igu n gG ottes hielten und ihrGewissen nicht b e ­ lasten wollten? Was würden sie sa g e n , wenn sie erführen, d a s s Getreide höheren Gew inns w e ­ ge n zu Motorenöl verarbeitet wird, w as, wenn Das Heu in Folie eingeschweißt vor dem Leibgeding auf der Matte, auf dem Dach die Solarzellen: Der Wan­ del in der Landwirtschaft ist offensichtlich. Impres­ sion vom Hinterbauernhof in Furtwangen-Linach. Jahr über im Freien sieht. Die w e i ß e Folie leu ch­ tet weit ins Land. Was also noch vor kurzer Zeit für Scharen von M enschen ein e g roße Arbeit war und Wochen in Anspruch nahm, wird heute von einer oder zwei P ersonen in gleichvielTagen (drei bis vier) „ sp ie ­ l en d“ bewältigt. Der Wanderer kann sich wu n­ dern, wenn er nach zwei Tagen an der gleichen B lum enw iese vorüberkommt, d a s s er sie a b g e ­ erntet vorfindet. Rationalisierung überall. Da ein gerader Messerbalken nicht mehr wie die alther­ gebrachte S e n s e jede Vertiefung erreicht, bleibt da und dort einmal ein Wischlein Gras ste he n. Auch wenn die Maschine nicht alles s o sorgfäl­ tig wie der Rechen aufnimmt: macht nichts, die 2 4 2


Heuernte in Gremmelsbach, Zinken Althornberg heute: Die Maschinen erlauben es, mit wenigen Menschen das Heu einzubringen, eine große Erleichterung für alle Beteiligten. sie s ä h e n , d a s s Gras, falls überhaupt noch ge m äh t, nicht den Weg durch den Kuhmagen wählt, sondern gleich am Bachrand verrottet? Auf Höfen werden Kühe ge halte n, deren Milch man nicht mehr braucht, Muttertierhaltung nennt man das, Bauersleute produzieren se lb st keine Butter, keinen Käse, keinen Speck mehr, Nah­ rungsmittel, um die man sie 1945 höchlichst b e ­ n e id e te, und Eier für den Kuchen m ü s s e n sie se lb st kaufen. Die Zukunft bleibt ungewiss Hofflächen, die einst Generationen ernährten, sind verpachtet, der Stall steht leer, ist Werkstatt oder Abstellraum für tech n isc h e Geräte gew or­ den, ein Gärtchen reicht für ein e kleine Familie. Kleinere Höfchen sind zu W och e n e n d gü tch en mutiert. Mit dem Computer und dem Internet kann man um gehen w ie fr ü h e r m itH e u g a b e lu n d Rechen. Vergess en ist, d a s s vor Jahrhunderten der Großbauer „mit se inen Völkern (!)“ auf dem Acker stand und sich d a s Essen dorthin bringen ließ. Es ist alles anders. Sorge wird zunehm end d as Vererben der Hofgüter mac hen. Vor knapp hundert Jahren konnte Oswald Sp en gler in s e i ­ nem „Untergang d e s A b e n d l a n d e s “ se h r a b ­ strakt und apodiktisch wie a u s großer Entfer­ nung fe ststellen: „Der Bauer ist ge sc h ich tslos. Das Dorf steht außerhalb der Weltgeschichte… Der Bauer ist der e w ige Mensch, unabhängig von aller Kultur.“ Ob er d iese Behauptung heute auch noch w agen würde? Jedenfalls würde man sie ihm nicht mehr kritiklos a bn eh m en . Nicht nur d a s s die Farmer in Nordamerika nie die tiefe Verwurzelung mit der Scholle wie der Bauer in Europa kannte (und die s seit Jahrtau­ se nd en ), die technische, wirtschaftliche, sozio- kulturelle Entwicklung ließ keine andere Wahl. Wie weit d a s führen und wo d a s alles enden soll, wer kann e s wissen ? So scharfsinnig, richtig, er­ schütternd und gültig bis heute Spen gler „die S e e le der Stadt“ analysiert hat, die Entwicklung auf dem Land konnte er nicht vor ausseh en . Die Geschichte hat auf das Land übergegriffen. Mit der Industrialisierung überschreitet die M en sch­ heit weltweit ein e Stufe, die dem Übergang vom sc hw eife nden Leben zurSessh aftig k eitw äh rend Karl Volk der Jungsteinzeit zu vergleichen ist. 2 4 3


17. Ka p i t e l G e s u n d h e i t u n d S o z i a l e s Behinderte spielen ein Musical Die Aufführung von „Mut-tut-gut“ war für die jungen Akteure eine große Herausforderung Die Bregtalschule Furtwangen, ein e Einrichtung der Reha-Südwest für Behinderte gGmbH, b e ­ treut und fördert behinderte Kinder und Jugend­ liche. Mit viel Liebe und intensiver Arbeit werden sie hier auf d as Leben vorbereitet. Die Bregtal­ sc h u le ste h t auf den Säulen Frühförderung, Schulkindergarten, Schule und Internat, u.a. mit Kurzzeitunterbringungsmöglichkeit, die allesamt geprägt sind von Offenheit und Transparenz. Da­ bei geht die Einrichtung immer wieder neue, fa s­ zinierende Wege, Furore m achte sie 2 0 0 6 mit dem Musical „Mut-tut-gut“. Nicht nur d a s s die viel beachtete Veranstal­ tung in der Gütenbacher Festhalle ein en nach­ haltigen Eindruck bei den Besuchern hinterließ, sondern die musik alische Vorführung mit ihrer g anzen Bandbreite von Vorbereitungen sorgte für einen wertvollen, päd a g o g isch en Nachhall. Die Schule hat sich geradezu verändert. Es wur­ d e wahre „Er ziehungskunst“ g e le iste t, die ef­ fektvoll nachwirkt. Kinder, d i e s c h w e r Z u g a n g z u Texten od er Musik hatten, lernten eifrig a u s ­ w e n d ig und konnten je nach B egabun g Aufga­ ben übernehmen. S e l b s t a n Rollstuhl G efe sselte wurden „beschäfti gt“, bekamen sinnvolle Anlei­ tung und konnten Eigenaktivitäten entwickeln. Motor d e s Ganzen war Regina Aust, die in ihren musikalischen Mitstreitern nicht nur her- 2 4 4 Gabriele Heizmann als Löwe „Mäuschen “ und Zirkus­ direktorin Jasmin King. vorragende instrumentale Begleiter hatte, s o n ­ dern die bei Arrangements und Textbearbeitun­ gen sow ie bei der Motivierung der Band mithal­ fen. Gustav Off erw ies sich als au s gez e ic h n ete r Pianist, der mit se ine m Keyboard gr oß e s mus i­ kalisches Empfinden hören ließ. Mit Gitarre und Perkussion be geis terte der Kolumbianer Leonar­ do Palicios-Paz und Arnd Schröder (Baß und Per­ kussion) so r g te für e in e g e s u n d e Basis und feuerte die Band immer wieder an. Regina Aust ist Religi­ ons p ä d a g o g in und Kirchenmusike­ rin. Ihre Vorliebe gilt der Musik. In­ strumental- und Gesangsunterricht b efähigten sie ab 1995 fünf ver­ sc h i e d e n e Chöre im Schwarzwald zu leiten. Ein e rstes Musical konn­ te sie mit dem Neukircher Kinder- Mit Begeisterung und Liebe bei der Sache: im Schulchor wirkten 38 Schü­ ler der Bregtalschule mit.


chor auffUhren. Nach der Vorlage von Elisabeth Kübler-Ross komponierte sie „ S u sa n n e und Pe­ ter“, w e lch es zum Publikumserfolg wurde. Dabei begann Regina Austs Kontakt zur Bregtalschule. Sie erhielt ein e frei g e w o r d e n e Stelle, die sie mittlerweile seit acht Jahren mit viel B e g e iste ­ rung ausfüllt. Hilfe mit besonderen pädagogischen Mitteln „Mut-tut-gut“ wurde zur Sinnfrage und Aufgabe, behin derten, jungen M enschen mit b eson deren päd agogisch en Mitteln zu helfen. Als Basis d ien­ te d as von einer Schu le s e l b s t ve rle gte Buch „Mut-tut-gut“. Ein ac htköpfig es Team war damit beschäftigt, die Texte einprägsam und kurz zu f a ss e n , damit die behinderten Schüler alles auf­ n ehm en konnten. Der Effekt der geis tigen Leis­ tung war erstaunlich, denn viele der Bregtalschü- ler können nicht lesen . Bereits in der Vorberei­ tu n g s p h a s e stellten sich Erfolgserlebnisse ein. Die Kinder und Jugendlichen bewiesen, d a s s sie durchaus in der Lage sind, ihre Grenzen au s z u ­ loten und zu überschreiten. Damit war auch die Maxime erfüllt, den Kindern und Jugendlichen Mut zuzusprechen. Regina Aust war b e i s p i e ls w e is e mehr als an­ ge tan, wie gekonnt Linda die Ansa ge übernahm. Die Motivation war so groß, d a s s der Chor von 16 Mitgliedern auf 38 anwuchs. Die Musik begeister­ te: Die Kinder und Jugendlichen begriffen den Um­ B e h in d e rte spiele n ein M us ica l g a n g mit ihrer Stimme, ein wichtiger Punkt bei der persönlichen Entwicklung. Die Kinder lern­ ten, sich zu artikulieren, Laute hervorzubringen und spürten die unterschiedlichen Rhythmen. Und e s kam ein w eiteres wichtiges Element auf: Teamarbeit! Damit wurde d a s Musical zur Co- Produktion von Schule, Internat und Kindergar­ ten. Durch d as intensive G emeinschaftserlebnis gewann die Bregtalschule eine neue, innere Geis­ teshaltung. Eine große Hilfe war Schulleiter Winfried Neu­ burger, den d a s Projekt von Anfang an faszinier­ te. Er b e gleitete aufmerksam die Probenarbei­ ten, half mit wo e s ging und sorgte für die nötige finanzielle und moralische Unterstützung. Wert­ volle Anleitungen steuerte Theater-Profi Markus Stöcklin bei, der viele Inszenierungs-Tipps gab. Nach rund eineinhalb Jahren war e s so weit, d a s s das „auf den Leib geschneiderte“ Werk aufgeführt werden konnte. Regina Aust kam die g e s a m t e musikalische Leitung und die Führung d e s Chores zu. Sie ver­ wandte populäre Musiken, die „mundgerecht“ b e ­ arbeitet wurden. Zu den Arrangements gehörten unter anderem e in e Melodie au s der Lindenstra­ ße , „Wenn einer sagt ich m ag Dich Du“ oder der „Mut-tut-gut-Rap“. In sg e sa m t wurde m u sik a­ lische Fülle mit Soloauftritten, instrumentaler Ansagerin Linda und der Löwe „Mäuschen“: Die Kin­ der und Jugendlichen machen durch ihr eigenes Ver­ halten dem ängstlich gewordenen Löwen neuen Mut.


B e h in d e rte spiele n ein M usical Mit großer Spielfreude bewältigten die Schüler der Bregtalschule ihre Rollen. Obwohl nicht jeder Schü­ ler lesen kann, gelang es dennoch, den Text aus­ wendig zu lernen. Ausführung so w ie chorischer Leistung gebote n. Rund einhundert Akteure hoben schließlich im November 2 0 0 6 auf der Gütenbacher Festhallen­ bühne d a s Musical a u s der Taufe. Es erwies sich als abw ec h s lu n gs re ic h e s, kinder- und behinder­ te n ge re ch tes Lehrstück. FImtergründiger Ernst, Le b e n sn ah e und Lebenserfahrung wurden of­ fenbart und d a s alles mit viel Spielfreude und musikalischem Engagem ent. Bezaubernd waren die Bühnenbilder. Spürbar wurde d a s o rganisa­ torische Zusammenwirken. Stimmig waren Re­ quisite und Kostüme. Keine Mühen sc h e u te man mit der M aske und b e s t e n s funktionierenden Technik so w ie Beleuchtung. Eine D o p p e lb es etz u n g gab e s bei der Figur der „Linda“. Erstaunliche ge sanglich e Qualitä­ ten brachte Jessica Brandt mit. Den verbalen Part übernahm Manuela Müller, die Linda s c h a u s p ie ­ lerisch in Sz ene setzte. In Gabriele Fleizmann hat­ te man den p a s s e n d e n Zirkuslöwen „M äuschen“ gefunden. Sie verstand e s, die facettenreichen S e e le n s tim m u n g e n einzufangen und dem gro­ ßen Publikum herüber zu bringen. Wie am Schnür­ chen liefen die zwölf Szenen ab. „Mäuschen“ taugt nicht zum großen Zirkuslöwen und wird vom Zir­ kusdirektor (Jasmin King) als Feigling davon g e ­ jagt. Doch „M äuschen“ lernt mit Kindern über ei­ 2 4 6 nen Graben zu springen und rettet Kinder aus ei­ ner Baugrube. Er b e g e g n e t Matthias, der Mut mit einem Hund b e w e ist und der achtjährige Marius überwindet s e i n e Angst, auf den Sp eic h e rz u g e ­ hen. Schließlich sind alle Ängste überwunden Mit kindlicher Offenheit deckt Linda d as unauf­ richtige Verhalten von drei Kaffeetanten auf und solidarisch erklärte sich eine Fußballmannschaft mit ein em türkischen Mädchen, d a s trotz An­ dersartigkeit a n g e n o m m e n wurde. Hannes b e ­ kennt sich zu seiner Angst in der Sportstunde und schließlich träumt Zirkuslöwe „M äuschen“ als Superheld durch d as Leben zu g e h e n . Er be- kommtZuspruch durch Linda. Schließlich landet „M äuschen“ wieder im Zirkus und hat alle Ä n gs­ te über w u nd en . Er erhält ve rdie nten Applaus und in einer großen P olonaise e n d e te d a s Stück, d a s poppig, rappig, jazzig, schlagerartig und schlicht-religiös gewürzt war. Ein Stimmungsidyll war „Antrax“ und gera­ dezu ein Volltreffer wurde „Peter und Ayse“ mit arabesken Akzenten. Viel Einsatzfreude b ew ies de r C hor m itJch möchte’ mit einem Zirkusziehn“, „Mut-tut-gut-Titelmelodie“ oder „Zieh’ den Kreis nicht zu klein“. Zu einer cin eastis ch en Glanzleis­ tung wurde die „ G eisterszene“ und als erstklas­ sige Profis erw iesen sich nicht zuletzt die Instru­ Siegfried Kouba m e n t a ls t e n .


Die Damen des Turnvereins Villingen entfachen Volleyball-Boom i 8 . Ka p i t e l S p o r t Nach drei Aufstiegen in vier Jahren jetzt Regionalligist Sonntag, 18. März 2007: Rund 8 0 0 Zuschauer verfolgen in der Villinger Hoptbühlhalle das Ober- liga-Votleyballspiel zwischen den Damen d e s TV Villingen und FT Freiburg. Es ist 15.10 Uhr. Nur noch ein Punktfeh ltden Villingerinnen zum ganz großen Triumph. Die Zuschauer m üssen nicht lan­ g e darauf warten. Nur Sekunden später sc h m e t­ tert Isabel Prange den Ball wuch tig in die Frei­ burger Spielhälfte. Keine Akteurin der Breisgau- er kommt noch an den Ball, der hart platziert auf dem Hallenboden aufschlägt. Was folgt sind a u s ­ g e la s s e n e Jubelszenen und wohl jeder der 8 0 0 Zuschauer fühlt mit den Spielerinnen, die a u s g e ­ lassen die Meisterschaft feiern. DerTV Villingen istCham pion in derOberliga und wird in der Sa iso n 2 0 0 7 / 0 8 in der Regional­ liga s p ie le n . Die kontinuierliche Aufbauarbeit der vergangenen Jahre hat ein en weiteren Höhe­ punkt erreicht. Das Villinger Damen-Volleyball- Team hat in Deutschland erstmals die dritthöchs­ te Liga erreicht. Vater d e s Erfolgs ist Trainer Robert Senk, der d i e s e Mannschaft z u s a m m e n ­ gestellt hat. Eine Mannschaft, die in den vergan­ ge n e n vier Jahren dreimal den Erfolg d e s Auf­ sti e g s a u s k o s te te und die sicher noch nicht am Ziel ihrer Möglichkeiten an ge k om m e n ist. Einen beachtlichen Anteil am jüngsten Aufschwung hat jedoch auch Eckard Prange, der vor Robert Senk als Trainer der ersten Mannschaft arbeitete und damit die Grundlagen legte. 3AIVKE d a n k e Jubel nach dem Aufstieg. Die Volleyball-Damen des TV Villingen sind Meister der Oberliga und spielen Jetzt in der Regionalliga. 247


Sport BSG W inkler schließt sich TV V illingen an Volleyball wird in Villingen-Schwenningen erst se it dem Jahr 1959 betrieben. In den zwei Villin- ger Betrieben SABA und Kienzle war Volleyball als Freizeitsport sehr beliebt. Diese Mannschaf­ ten bestritten auch erste Spiele. Nach der Grün­ dung d e s sü db adisc he n Verbands im Jahr i 9 6 0 startet zwölf Monate später eine Kienzle-Damen- mannschaft in die Punktspiele. Wenig später bil­ dete sich schließlich ein e ne u e Mannschaft, d e ­ ren Name über )ahre hin w eg bekannt war: BSG Winkler. Volleyball gew ann in der Doppelstadt an Po­ pularität und schnell bildeten sich auch Jugend- mannschaften. 1977 schließlich gründeten Wink­ ler und Kienzle ein e Sp ielgem einschaft der Her­ ren, die Jahre später in groß en Teilen als TG Sc hw en ningen in den W ettbewerbssp ielen aktiv war. Die BSG Winkler hingeg en sorgte vor allem im Nachw uchsbereich in Sü db aden immer w ie ­ der für Erfolge. Schon dam als war e s vor allem ein Mann, der viel für den weiblichen Volleyball­ sport getan hat: Eckard Prange. Die vorerst letz­ te Stufe der Veränderungen wurde im Jahr 2 0 0 3 erklommen: Die BSG Winkler trat mit ihrer g e ­ sam ten Abteilung dem TV Villingen bei. Mit d ie ­ s e m Beitritt wurden n e u e Strukturen geschaffen. Der Aufschwung begann. Im Jahr 2 0 0 5 s tie g die Damen-Mannschaft sc hon unter der Leitung von Trainer Robert Senk von der Verbands- in die Oberliga auf. Und sorg­ te dort auch gleich für Furore. Die Vizemeister- Intensive Besprechung der Spielzüge. Trainer Robert Senk erläutert seinen Spielerinnen, wie der Ab­ wehrblock des Gegners zu knacken ist. 2 4 8 EckardPrange schaft krönte eine erfolg­ reiche Saison , der ein e noch erfolgreichere fol­ gen sollte. Gleich im zweiten Anlauf erober­ ten die Viilingerinnen den Gipfel, die Meister­ schaft. Beeindruckend war die Bilanz. In 17 Spielen wurden led ig ­ lich sie be n Sätz e abge- g e b e n , fünf davon g e ­ gen den ärgsten Verfol­ ger aus Sinsheim. Die großartigen Leistungen der jungen Frauen wurden in der Stadt immer popu­ lärer. Waren noch vor wenigen Jahren ausschließ­ lich ein paar Angehörige od er Freunde d e s Sports bei den Heimspielen in der Halle, so lö­ se n dieTV-Damen ein en regelrechten Boom aus. Nie war e s für möglich gehalten worden, d a s s 500, 6 0 0 oder wie am Finaltag gar 8 0 0 Zuschau­ er die Frauen anfeuern. Ein Publikum, mit dem auch alle Gästemannsch aften beeindruckt wur­ den. Sogar ein richtiger Fanclub hatslch gebildet und ist se lb st bei den Ausw ärtsspielen dabei, um lautstark die Punkte zu fordern. Erfolgreiche Talente Mit Miriam Hartmann, Miriam Senk, Isabel Pran­ ge, Laura Weihenmaier, Claudia Kern, Ewa Bies, Daniela Heck, Julia B e ssab aw a, Sandra Fuhr, Na­ talie Jenns, Inna Schäfer, Melanie Siegl und Co- Trainer Sven Johanss on hatte Cheftrainer Robert Senk ein e nahezu perfekte Mannschaft. Es zahl­ te sich auch aus, da s s Miriam Senk, Claudia Kern, Isabel Prange und Miriam Hartmann Erfahrun­ gen a u s höheren Ligen mitbrachten. Teilweise war die Mannschaft in der Liga ihren Kontrahen­ ten klarer überlegen als e s die Ergebnisse a u s ­ drückten. Nicht selten bestätigten die Üb un gs­ leiter der Gegner d as höherklass ige Format der Viilingerinnen. Seit Herbst 2 0 0 7 sp ie len die Viilingerinnen nun erstmals in der Regionalliga. Nachdem die unteren Ligen im Eilzugtempo ve rlass en wurden, gilt e s jetzt zunächst, sich in der dritten Liga zu etablieren, bevor n e u e Ziele ins Blickfeld kom-


m en.Z udem m ü s se n mit Laura Weih enmaierund Miriam Hartmann zwei A bgänge von Spielerin­ nen kompensiert werden. Trainer Robert S e n k wird aber nicht bange. Im eig enen Nachwuchs bieten sich schon jetzt ei­ nige Talente an, von denen derTrainer bereits in dieser Saison den Durchbruch erwartet. Mäd­ chen, die schon länger gezielt au fgebaut werden und die schon jetzt in ihren Altersklassen in S ü d­ ba den und S ü dd eu tschland Titel und Meister­ schaften gewinnen. In vielen Villinger Schulen werben die Trainer inzwischen für Nachwuchs. Die Talente werden ge sich tet und auf möglichen Sp ie lp o s itio n e n ausprobiert. Auch hier zeigt sich, d a s s die Arbeit der Trainer ihre Früchte trägt, st eigt doch die Zahl der jungen Mädchen kontinuierlich, die bei ein em Schnuppertraining vor beisch au en. Fernziel 2. Bundesliga Zudem g e la n g im Frühjahr 2 0 0 7 ein weiterer Coup: Zu den 25 0 Mitgliedern, die in s e c h s Damen- und vier Herrenmannschaften spielen, kommt nun auch die fast kom p le tte Damen- Mannschaft derTG Schw en ningen zum TV Villin­ gen. D ie se s bisherige Verbandsligateam spielt in dieser Sa iso n unter der BezeichnungTVVillin- Siegesfreude – die beste Motivation für auch weiter­ hin erfolgreichen Volleyballsport. Volle y b alle rin n e n des Turnvereins V illingen Erfolgreiche Abwehr, die Spielstarke der Villinger Volleyballdamen soll sie in die 2. Bundesliga führen. gen II. Damit wird ein e noch weitere Bündelung der Kräfte in Villingen möglich, ein e b e s s e r e Sichtung, ein b e s s e r e s Training und auch eine Vergrößerung der Mannschaften um auch in Zu­ kunft in Villingen Volleyballsport auf höchstem Niveau zu bieten. Schließlich hat sich Trainer Ro­ bert Senk ein Fernziel gestellt: Den Aufstieg in die 2. Bundesliga. Mit ein em noch größer wer­ denden Spieler- und Sponsorenkreis scheint die­ s e s Ziel durchaus machbar zu sein. Und die Zuschauer werden mit ihrer Unter­ stü tzung sicher nicht wenige r d a s Team anfeu­ ern, denn wer einmal d i e s e tolle Stim mung ken­ nen gelernt hat, kommt bei freiem Eintritt sicher gerne wieder. Und vielleicht lässt die nächste Schlagz eile auch nicht lange auf sich warten, in die Zukunft blicken darf man ja: März 2 0 0 9 , 1 5 Uhr: Die Volleyballerinnen d e s TV Villingen sind Meister der Regionalliga und st e igen in die 2. DietmarZschäbitz Bundesliga auf… 2 4 9



S port Stefanie Rudel – Eisprinzessin aus Königsfeld Ihre Geschichte klingt wie ein M ärchen und so könnte sie auch beginnen: Es w ar ein m al ein kleines M ä d c h e n , das davon träu m te, Eisprinzessin zu w e rd e n . Nach langen Irrungen und W irrungen, nach Nackenschlägen und vielen Prüfungen, die das Leben für sie bereit hielt, ging ih rT rau m in Erfüllung – aus dem kleinen M äd ch en w u rd e ein Star bei H oliday on Ice. Und das sind die Fakten: Die echte Eisprinzessin h eiß t S tefanie Rudel, sie stam m t aus Königsfeld, ist 25 Jahre jung und das einzige deutsche M itglied der w e ltw e it größten Eislaufshow. Eine un­ glaubliche Geschichte wie sie nur das Leben schreiben kann, zu m a l die eh e m alig e Zinzendorf-Schülerin ihren Traum ohne „Prinzen und Protektion“ erreicht hat. Ihre Karriere ist ihr nicht zu Kopf g e s t i e g e n , im G e g e n ­ teil: Maximal noch e in e in ­ halb Jahre lang will sie auf Kufen um den Globus to u ­ ren, dann sind die drei Jahre ’rum, die gesetzlich als Pau­ s e zw isc he n S ta a ts e x a m e n und Referendariat erlaubt sind. Das will Stefanie Rudel u n be dingt absolv ieren, um ihren zweiten und längerfristig a n g e le g te n Traumberuf a usüb en zu können: Sportlehrerin will sie werden und Kindern und Jugendlichen all ihre Erfahrungen w eitergeb en , für die sie „un­ endlich dankbar“ ist. über d as Eis zu sc h w e b e n , a bz uh eb en mit küh­ nem Sprung und sc h w er elos durch die Luft zu fliegen? Doch derlei romantische Fantasien fin­ den s p ä t e s t e n s nach den ersten Stürzen auf ei­ sigem Untergrund ein mehr oder minder schmerz­ haftes Ende. Nicht so bei Stefanie Rudel. Vierjährig schon drehte sie daheim in Königsfeld auf dem S äge w e ih e r und den Golfplatz-Tümpeln ihre e rs­ ten Runden, nur einen Steinwurf vom elterlichen Haus auf der H o lz w iese entfernt. „Alle liefen Schlittschuh, also wollte ich das auch.“ Mutter Brunhilde half gutmütig, auf den flachen und darum schnell zugefrorenen Tümpeln Schnee zu « Ich w o llte es einfach können und es hat m ir im m e r viel S p a ß gem ach t. » „Elfengleich“ über das Eis… Welches Mädchen träumt nicht irgendwann e in ­ mal davon, im zarten Rüschenkleid elfengleich Stefanie Rudel in ihrer Rolle als Meerjungfrau In der Revue „Peter Pan on Ice“. sc h ip p en und freute sich am sportlichen Ver­ gnü gen ihrer Kinder. Sohn Christian sp ielte mit seinen Kumpels Eishockey, die Mädchen – d a ­ runter die jüngere Schw ester Stefanie – übten nebenan Pirouetten. Unvermeidliche Stürze e nt­ mutigten sie nicht, sie nahm sie als Ansporn zum Weitermachen: „Ich wollte e s einfach können, und e s hat mir immer riesig viel S p aß g e m a ch t.“ 251


S port Schon als kleines Mädchen hatte Stefanie Rudel an ihrer Rolle als Eisprinzessin viel Freude. In den folgenden Jahren wurde S te ­ fanie nicht nur auf dem Eis immer bess er, sie war ve r s e s se n auf B ew egung und nutz­ te je d e G ele gen h e it dazu. Turnte im Kö­ nigsfelder TuS, ging nach Villingen in den Ballettunterricht, tanzte bei jeder G ele g en ­ heit, tobte sich auf dem Tennisplatz aus, liebte e n t s p a n n e n d e Ausritte und den Kontakt zu Pferden. Überall verblüffte sie mit Disziplin, Geduld und Ausdauer, „ich wurde ja nicht g e zw u n g e n , ich hatte einfach meinen S p a ß “. Für Mutter Bruni, die Stefanie nach e ig e n e m Bekunden s te ts unterstützend begleitet, nie angetrieben hat, liegt d a s Erfolgsgeheimnis ihrer sport­ lichen Tochter in der Vielseitigkeit: „Sie g e n o s s die Abwechslung. Und die Kombination von Aus­ dauer-, Kraft- und Beweglichkeitstraining ist ei­ ne ideale Vorbereitung fürs Eis.“ 1,63 Meter s e i ­ en zudem ein e gu te Körperlänge – „außerdem hat sie fraglos Talent und Ausstrahlung, all das m u s s schon Z usam m en kom m e n“. Auf dem Höhepunkt eine Karrierepause Die Erfolgserlebnisse im Eiskunstlauf weckten Stefanies Ehrgeiz. Sie b esu ch te das Königsfel­ der Zinzendorf-Gymnasium, wo sie 2001 Abitur machte, und trainierte in ihrer Freizeit in einem auswärtigen Verein – aus einer Hobby- war Hartes Training brachte Stefanie Rudel im Eiskunstlaufan die Spitze. ihr eine Leistungssportlerin geworden. Stefa­ nie nahm an Wettkämpfen teil, bedeutends- terS ie gw ar d e r erste Platz bei den baden- württembergischen Eiskunstlauf-Nach­ wu ch sm e ister sc h afte n 1997. Das war letzter Wettkampf, 16-jährig machte sie S chlu ss mit dem Eis­ lauf, verließ den Verein. „Es gibt M enschen, die einem Steine in den Weg le g e n “, vorsichtig for­ muliert s ie ihre Begründung. „Eiskunstlauf ist ein e Einzelsport­ art, da kämpft jeder für sich.“ Ich wollte zu Holiday on Ice“ r ^ Vier Jahre lang z o g sie ihre Schlittschuhe nicht an. Stefanie Rudel begann ihr Lehr- amts-Studium an der P ä d a g o g isc h e n Hochschule (PH) in Freiburg, wo sie in den Fächern Deutsch, Sport und Kunst immatrikuliert war. Bald juckte e s sie wieder in den Füßen, die Königsfelderin nahm ihr Eislauf- Training wieder auf. Sie tat e s allein o h n e Ma­ nage m e n t und professionelle Betreuung, a b s o l ­ vierte 2 0 0 3 die Prüfung zur staatlich anerkann­ ten Eiskunstlauftrainerin, trainierte Kinder, Ju­ ge n d lic h e – und sich s e lb s t. Antrieb war ein he imliches Ziel im Kopf, d a s ihre Kleinmädchen- Träume konkretisierte: „Ich wollte zu Holiday on Ice.“ Dafür kämpfte sie zäh und konse quent, erin­ nert sich an die se lb s t verordnete Trainingstor­ tur, s e c h s Tage die Woche, acht Monate lang bereitete sie sich in Freiburg auf die di­ versen Vorausscheidungen vor, w ä h ­ rend der S o m m e r m o n a te 25 2


Stefanie Rudel und ihre Truppe in der holländischen Fernsehshow „Stars auf Eis“. trainierte sie in der Schweiz. Stefanie nahm Ein­ zelstu nden, die sie sich als Küchenhilfe und als Kellnerin verdiente, „ich bewund erte s i e “, erin­ nert sich die Mutter an d ie s e Zeit, „und zugleich tat sie mir oft leid, weil sie sich s o quälte“. Die harte Vorbereitungsphase sollte sich loh­ nen: Nac hdem Stefa nie alle Vorläufe passiert hatte, in denen d a s internationale Bewerberfeld sy stem atisch selektiert wurde, hatte sie sich für d as ab s c h lie ß e n d e Casting in Paris qualifiziert. 3 0 0 Nachwuchsläuferinnen und -läufer nahmen daran teil, nur drei genügten den strengen Kri­ terien der Jury – darunter Stefanie Rudel. All das passierte während ihres ersten Staatsexamens in Freiburg, „der Druck war enorm “, stellt sie fest und gesteht: „Ich habe ge weint, als die Zusage von Holidy on Ice kam.“ Die einzige Deutsche im Läuferteam 305 Millionen Zuschauer begeis te rt die weltweit größte Eislaufshow mit ihren Live-Produktionen rund um den Globus, Stefanie ist die ein zige Deutsche im 49-köpfigen Läuferteam, ein e b e ­ son d e re Ehre, die sie zu würdigen weiß. 18 Na­ tionen sind in der Truppe vertreten, die sich in Utrecht auf die Inszenierung von „Peter Pan on Ice“ vorbereitete, einer speziellen Kinder-Produk- tion. „Wahnsinnig aufgeregt“ sei sie in dieser ersten g e m ein s a m en Arbeitsphase g e w e s e n , ihr Lebenstraum war Wirklichkeit ge w or de n, jetzt wollte sie b e w e ise n , d a s s sie den extremen An­ forderungen auch gerecht wurde. Stefanie stu­ dierte wie alle Ensemblem itglieder mehrere Rol­ len ein: Elfe, Meerjungfrau, „am liebsten d as flie­ g e n d e S k ele tt“. Bei d ie se r ate m b e r a u b e n d e n Nummer a u s der Hauptproduktion „M ystery“ fliegt sie an unsichtbaren Schnüren durch die Luft („Ich m u s s höllisch a u fp a sse n , d a s s die sich nicht verheddern“), fällt in scheinbar freiem Fall metertief und macht spektakuläre Salti. Die Premiere von Peter Pan in Paris im Okto­ ber 2 0 0 5 war mit 1 6 . 0 0 0 Zuschauern au s ver ­ kauft, e b e n s o die zweiw öchigen Anschlussvor ­ stellungen, das Publikum war jeweils hingeris­ se n . Der Beifall als Lohn d e s Künstlers, erstmals erlebte Stefanie d i e s e s Glücksgefühl se lbst, das sie auch durch die a n s ch lie ß e n d e sie b e n m on a- tige Welttournee trug. 25 3


E isprinzessin S te fa n ie Rudel Im Se pte m be r 2 0 0 6 folgte die zweite große Herausforderung: S tefanie Rudel war bei der Hauptproduktion von Holiday on Ice gelandet, „Mystery“ mit Premiere in Hamburg. Die sei „ b e ­ r a u sc h e n d “ g e w e s e n , ein u n v e r g e s s l ic h e s Er­ lebnis für die Deutsche, die der Crew ihr Land vorstellen konnte – und e s nach außen reprä­ sentieren m u s ste . Die Herzen d e s Premierenpu­ blikums flogen ihr zu, Uwe O chse nknecht san g live, überhaupt waren viele Prominente da, alle gratulierten der einzigen Deutschen in der Show, die plötzlich zum Medienstar avanciert war. Sie nahm an Press ek onferenzen teil und wurde un­ ter den Fernseh-Sendern herumgereicht, hatte Auftritte bei NDR, WDR, in der Serie „Lebe Dei­ nen Traum!“ drehte Pro 7 ein ausführliches Por­ trait über die Königsfelderin. Ein Erlebnis für sich war der von Fotografen und P re ss etr oss b e g le ite te Besuch im Pariser Kostümatelier von Edwin Piekny, der die auf­ wändigen Kostüme für die S h o w s kreiert. „Ich m u s s t e Model s p i e l e n “, in w elch er Rolle sich Stefanie deutlich weniger wohl fühlte als mit Ku­ fen auf dem Eis. Die erste Scheu beim Posieren für Werbe-Fotos verflog schnell, mit ihrer natür­ lichen Anmut und ihrem b e sc h e id e n e m Wesen b e z a u b e r te S tefanie Rudel d a s internationale Kamerateam. Sie ist d as W erb egesich t von „M ystery“, auch d a s ist ein e große Ehre, doch e s sei ein ko­ m isc h e s Gefühl g e w e s e n , als sie d a s erste Mal ihr e i g e n e s Konterfei auf vier Meter vergrößert an der M oskauerStraßenbahn sah. „Ich bin rich­ tig erschrocken.“ Täglich 10 bis 12 Stunden auf dem Eis Inzwischen ist Stefanie seit fast zwei Jahren auf Tour, lebt a u s dem Koffer, ständig in anderen Ho­ tels. Die erste Euphorie hat sich gele gt, Stefanie m u s s ein en zwar ab e n te u e r lic h e n , aber auch harten Alltag b e w ältigen , der nichts mit Mär­ chenrom antikzutun hat. Der Job ist anstrengend und stressig, zehn bis zwölf Stunden stecken die Füße in den enge n Eislaufschuhen, parallel dazu wird Ausdauer trainiert und Gymnastik gemacht, oft bis nachts um eins. Sie v erm isse ihre Familie in Königsfeld und ihren Freund in Freiburg sehr, 254 Stefanie Rudel bei einer internationalen Pressekon­ ferenz auf der Seine in Paris. hat de nnoch w e nig Zeit für Heimweh, will e s sich auch nicht zu intensiv erlauben. „Meine Zeit hier im Team ist endlich, ich will sie bewusst und dank­ bar g e n ie ß e n . “ Das Team: e s sei Ersatz für familiäre und freundschaftliche Bindungen, d as Klima sei kol­ legial, sie fühle sich wohl. Eineinhalb Jahre hat sie noch Zeit bis zum Referendariat, bis dahin will sie ihren Traum als echte Eisprinzessin a u s ­ kosten, will d a s Publikum auf der ganzen Welt mit ihren Pirouetten und Sprüngen begeistern. „So e tw a s kannst du nicht 2 0 Jahre lang m a­ c h e n “, w e iß die Königsfelderin, die über der Ver­ wirklichung ihres Kindheitstraums die eigentli­ che Berufung nicht a u s den Augen verloren hat. „Ich will Lehrerin werden und freue mich d a ­ rauf“, sagt sie mit strahlendem Lächeln. Und sie hat sich v o r g e n o m m e n , den ihr anvertrauten Schülerinnen undSchülern nichtn u rsch ulisches Wissen und körperliche Fähigkeiten zu vermit­ teln, sondern sie vor allem in ihrem Selbstve r­ trauen zu stärken und im Glauben an die e ig e n e Begabung. „Du darfst dein Ziel nicht aus den Au­ gen verlieren, dann wirst du e s auch erreichen.“ Christina Nack


Schwarzwald-Marathon Bräunlingen feierte den 40. Geburtstag S port Auf der Königsdisziplin der Langstreckenläufer dem Weltruhm entgegen Seit 4 0 Jahren gibt e s ihn mittlerweile – den Schwarzwald-Marathon. 2 0 0 7 feierte der w elt­ älteste Natur- und Frauenmarathon d ie se n Ge­ burtstag. Der Lauf hat se it 1 968 nicht an Faszi­ nation verloren. Die Wurzeln d e s auf der S ü d o s t ­ ab d a ch u n g d e s Sü d sch w arz w ald e s bei Bräun­ lingen stattfindenden Marathons finden sich im 1. Waffenlauf derfran zösischen Streitkräfte (FFA). 1967 hatten e id g e n ö s s i s c h e Langstreckenläufer angeregt, ein en ähnlichen Lauf unter deuts ch er Regie zu veranstalten. Roland Mall, Vorsitzender der Sportvereinigung Don aueschingen, griff da­ mals die Idee auf, wollte zunächst einen 100 Kilo­ meter-Lauf veranstalten. Dieser ließ sich jedoch nicht umsetzen. Ziel d e s Schwarzwald-Marathons war e s von Anfang an, neben Spezialisten auch ein e große Läuferszene anz uspr ec he n. Die Organisatoren d e s Schwarzwald-Marathons präsentierten sich damit al s Vorreiter einer Idee, die in den 1960er- jahren längst überfällig war. Mut, Durchsetzungs­ und Ü b er zeu gungsfähigkeit , O rgan is ation sta ­ lent und das Gespür, die richtigen Wege zur rechten Zeit e in zu schlagen , zeichnete n sie aus. Wie an­ ders wäre e s zu verstehen, wenn in einem Bericht der amerikanischen Zeitung „Stars and Stripes“ (S e p te m b e r 1978) der Schwarzwald-Marathon gelo b t wird: „Der Schwarzwald-Marathon, einer der landschaftlich s c h ö n ste n und populärsten Läufe Europas, misst 42 Kilometer. Er ist der erste internationale Marathon, der Kategorien für Frau­ en (1968) und Jugendliche (1977) anbietet.“ Roland Mall suchte sehr früh Allianzen, um dieVeranstaltungvoranzubringen: bei den sport­ lich aktiven Männern mittleren Alters e b e n s o wie bei Frauen, älteren Männern und ausländisc hen Läufern. Der Schwarzwald-Marathon präsentiert Vor imposanter Kulisse: Start zum Bräunlinger Schwarzwald-Marathon, zugleich weltältesterNatur- und Frauenmarathon. sich nicht zuletzt desh alb als weltältester Frauen- Marathon. Dass Frauen sportlich e b e n s o leis­ tun gsfähig sein können wie Männer hatte Mall mit den finnischen Lotta-Mädchen im Zweiten Weltkrieg erfahren. D ie se Erfahrungen über­ nahm er als Sportwart und Trainer der Ski-, Schwimm- und Leichtathletikabteilung 194 8 in die Praxis. Er habe Feld-, Wald- und Wiesenläufe mit den Mädchen über zeh n bis 20 Kilometer 25 5


Die lange Reihe der Läufer nimmt die Höhenrücken um Bräunlingen in Angriff, im Hintergrund der Fürs­ tenberg. durchgeführt, oh n e d a s s e s dabei zu Ausfällen gekommen sei. Der DSV hatte daraufhin 1951 den Damen-Skilanglauf in d e s s e n Programm a u fg e ­ nom m en und Meisterschaften ausgesch rieben. Erfolgreiches Bemühen um Internationalität Dies g e s c h a h eineinhalb Jahrzehnte bevor Dr. van Aaken sich theoretisch mit dem Langstre­ ckenlauf der Frauen befasste. Später wurde dies auch sportmedizin isch in Zusammenarbeit mit der Abteilung Sport- und Leistungsmedizin d e s Klinikums der Albert Ludwig-Universität Freiburg wissenschaftlich abge sic hert. Die Organisatoren waren von Anfang an erfolgreich im Bemühen um Internationalität. Dies lässt sich an den Aus­ schreibungsheften able se n, die lange Zeit in Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch aufgelegt wurden. Auch die Siegerpreise waren international au s gele gt. Nachdem der DLV den ersten (inoffiziellen) Frauenlauf 196 8 nicht moniert hatte, waren die 2 5 6 Damen 1969 in den AntragzurVeranstaltungein- b e z o g e n worden (Schreiben vom 10. Juli 1974 von Roland Mall an BLV-Sportwart Hans Motzen- bäcker). DLV-Sportwart Fallack hatte d am als die G en eh m ig u ng hierzu erteilt. Ein weiterer Schritt, die w e iblic he Läuferklientel für den Schw arz­ wald-Marathon zu sichern, waren die B em ühu n­ gen Mails, den Frauenmarathon sp o r tm e d iz i­ nisch abzusichern. Er hatte 1969 bei ein em m e ­ dizinischen Kongress in Freiburg die Idee e in e s S p o r t p a s s e s vorgebracht und den Kontakt zu Professor Ernst Jokl (UNESCO-Präsident, Univer- sity Of Kentucky, Lexington, Kentucky) ge sucht, der sich mit Alterssport und möglichen Todes­ fällen beim Laufen beschäftigte. Marthel v.d. Berge erste Marathon-Siegerin Roland Mall lag von Anfang an richtig mit seiner Initiative. Die Beteiligung an der Auftaktveran­ staltung d e s Schwarzwald-Marathons Bräunlin­ gen am 5. Oktober 1 96 8 war enorm: 653 Läufer und 51 Läuferinnen a u s fünf Nationen hatten sich g e m e l d e t . Mittlerweile finden sich zw isc he n 2 . 0 0 0 und 2 .500 Läufer ein. Als erste Marathon- Siegerin der Welt schrieb sich Marthel v.d. Berge


(Münster/Westfalen; 4:19,57) in die Be stenliste ein. Bei den Herren siegte Peter Bhend (Schweiz; 2:36,05). Mall konnte zudem 1970 auf die Unter­ stü tzu n g der I n te r e s s e n s g e m e in s c h a ft älterer Langstreckenläufer (IGÄL) bauen. In einem Tele­ gramm (11. Oktober 1970) d e s IGÄL-Vizepräsi- denten an den Don aueschinger heißt es: „Herzli­ chen Dank für d i e s e großartige Veranstaltung, die sich würdig in die gr oße Reihe der interna­ tionalen europäischen Marathonläufe einreiht! Die internationale Schwarzwald-Marathonveran­ staltung ist zahlenmäßig die größte auf dem euro­ päischen Kontinent und die b edeutu ngsvollste im Hinblick auf den Volkssportcharakter. Roland Mall ist ein europäischer Pionier für eine echte Au sw eitung d e s V olkssp ortgedank en s.“ Der DLV hatte durch die Verbandsinitiative d e s BLV-Vorsitzenden H. Rang 1974 als zweiter Landesverband der IAAF den Marathonlauf der Frauen in d e s s e n Programm au fge n om m e n , al­ lerdings noch oh n e Meisterschaft. Der Schwarz­ wald-Marathon hatte derart gu te Reputationen, d a s s 1974 die Weltpremiere e in e s Frauen-Mara- t h o n s a l s Länderkampf der Schweizerisch en und Deutschen Leichtathletikverbände veranstaltet werden durfte. S c h w a rz w a ld -M a ra th o n Bräu nlin g en die „1. D e utsch e M arathonm eis tersc haft für Frauen“ üb ernehmen wolle. Daraufhin hatte sich die SVD am 5. März 1974 um die Ausrichtung die­ ser Veranstaltung im Jahr 1975 bewor ben – ein e Weltpremiere. Hervorgehoben wurde, d a s s der Schwarzwald-M arathon se it 1 9 6 8 (inoffiziell) Marathonläufe für Frauen durchführe. Daraus re­ sultiere ein e bereits dreistellige Damen-Kartei. Die D a m enzulassung habe die Veranstaltung in­ ternational bekannt gemacht, unter anderem g e ­ be e s Meldungen a u s den USA (mit G en eh m i­ gun g der (AAU)). Seit 1972 b e d ie n e man sich der elektronischen Auswertung der Ergebnisse. Als Manko wurden zwar die 3 0 0 Meter Höhenunter­ schied zwischen Start und Kilometer 14 a n g e s e ­ hen, diese würden jedoch durch den hohen Ozon­ gehalt in 8 6 0 Meter über NN in etwa a u s g e g l i­ chen. Angeregt wurden eine Qualifikationszeit von 4 :4 0 Stunden, eine international offene Aus­ schreibung so w ie die Herabsetzung d e s Alters auf 18 Jahre. Wegen Unklarheiten bei der Aus­ sc h r e ib u n g bat Roland Mall im Juli 1974 BLV- Sportwart Hans Motzenbäcker um Unterstützung, die „1. Deutsche Damen-Marathonmeisterschaft“ durchführen zu dürfen. Eine Weltpremiere in Bräunlingen BLV-Kreisvorsitzender Rolf Rapp hatte 1974 bei einer Kreisversammlung angefragt, ob die SVD Schweizer hatten den Anstoß zum Bräunlinger Ma­ rathon gegeben, noch heute stellen sie eine große Gruppe im Teilnehmerfeld, zahlreich sind auch die Schweizer Fans an der Strecke. Gedenkteller erin­ nern an die zurückliegenden Lauf-Ereignisse. 25 7


Mit Freude beim Marathon: gerade für Frauen hat die Bräunlinger Veranstaltung eine besondere Ge­ schichte. Und sie schreibt immer neue sympathi­ sche Geschichten, wie jene, die die beiden Bilder unten erzählen, für die es keine Worte braucht. Ende 1974 war w e itgeh en d klar, d a s s die SVD die „1. D e utsch e M arath onmeiste rsc haft für Frauen“ übernehmen könnte. Roland Mall sagte Elans Motzenbäcker rund neun Monate vor der achten Auflage zu, die Veranstaltung üb erneh­ men zu können. Mall regte eine Startmöglich­ keit ab 18 Jahren an. Das bei den Männern vor­ g e s c h r ie b e n e Alter von 21 Jahren hielt er für überholt. Zudem regte er ein e Altersklassenein­ teilung von zehn Jahren an, die neue DLV-Rege- lung mit fünf Jahren bei ae rob is ch en Dauer­ sportarten sei nicht aktuell. Mit dem Computer 6 0 0 1 von Kienzle würde e s keine Schwierigkei­ ten bereiten, die Meisterschaftsbewerberinnen e in e Stunde vor dem Start zum 8. Schwarzwald- Marathon starten zu lassen. Der Schwarzwald- Marathon erhielt schließlich für den 11./12. Ok­ tober 1975 den Zuschlag. Ehrengäste waren u.a. Baden-Württembergs Ministerpräsident Dr. Elans Filbinger, Regierungspräsident Dr. El. Person, Il­ s e Bechthold (DLV-Vizepräsidentin), Elans Ax- mann (DLV-Breitensportwart) und Landrat Dr. Gutknecht. Siegerin dieser „1. Deutschen Mara­ thonm eisterschaft für Frauen“ und Baden-Würt­ tem bergischen Frauenmeisterschaft am 11. Ok­ tober 1975 wurde Christa Vahlensieck (TV Bar­ men; 2:45:43). Die erfolgreiche Organisation vermochte e s schließ lich, 1976 den Schwarzwald-M arathon als ein e Veranstaltung d e s Badischen Leichtath­ letikverband es (Kreis Villingen-Donaueschin- gen) zu platzieren. Einbeziehung der Jugend und Schüler Ein weiterer Meilenstein war die Einbeziehung der Jugend und Schüler 1977. Beim DLV-Verbandstag wurde eine durch Landessportwart Motzenbäcker und H.G. Siegeris (TV Pfaffenweiler) beantragte Jugend- und Schülerm eisterschaft im Rahmen d e s Schwarzwald-M arathon s amtlich z u g e l a s ­ se n . Zur „1. Jugend- und Schülermeisterschaft“ am 9. Oktober 1977 waren 4 9 Jugendliche, d a ­ runter s e c h s Mädchen, g e m eld e t. 1984 erfolgte e in e N euregelung der Jugendstarts durch den DLV. Roland Mall b e m än ge lte die Einschränkun­ ge n d e s DLV (nur noch die A-Jugend durfte star­ ten, B-Jugend nur nach Nachw eis auf Grundlage


der DLO-Sportordnung, wenn eine Qualifikation ein er D eutsch en Juge nd-M eisterschaft erfolgt war). Diese Zäsur w erde zur Folge ha ben , d a s s der Schwarzwald-M arathon in den d e u ts ch en Bestenlisten kaum mehr in Erscheinung treten werde. Ende der i97oer-Jahre hatte der Schw arz­ wald-Marathon den Zenit erreicht, g e m e s s e n an derTeilnehmerzahl. 2.509 Meldungen waren 1978, dem Jahr d e s Großen Preises der internationalen Sc hw arzwald-M eiste rsc haft (ein w e ite r e s Mal 1979) bewältigt worden. Neue Organisationsstrukturen Bereits 1972 s c hu fsich dieV eran staltungm itder Gründung d e s Organisationsk omitees ein orga­ nisator isches Rückgrat. Das OK-Präsidium wur­ de b esetzt mit Bräunlingens Bürgermeister Karl Schneider (Präsident), Roland Mall (Sekretär), einem SVD-Vorsitzenden (erst bei der General­ v e rs a m m lu n g im April 1972 nominiert) so w ie dem TuS-Vorsitzenden Theo Brüner. Um die Ver­ anstaltung finanziell abzusichern, regte Roland Mall 1974 die Gründung einer Abteilung d e s „Inter- Center Schwarzwald-Marathon e.V.“ an. Es soll­ te verm ieden werden, die Startg eld überschüsse der ve rgan gen en Jahre versteuern zu m ü s se n , z u m a la n d e r e Vereine bereits vom Finanzamtzur Kasse ge b e ten worden waren. Die Eintragung ins Vereinsregister (Nr. 310) erfolgte am 22. D ezem ­ ber 1976. In den i99oer-Jahren erkannten die Organi­ satoren, d a s s der Schw arzwald-Marathon nur S c h w a rz w a ld -M a ra th o n Bräunlingen dann dauerhaft Ub erlebensfähig bleiben kann, wenn für Teilnehmer neue Anreize geschaffen und d a s M anagement noch professioneller werden würde. Die Meldezahlen waren rückläufig. 1999 konnte der Negativtrend derTeilnehmerzahl g e ­ stoppt werden. Die Streckenänderung (1999 bis 2001) d e s Marathons, der neu eingeführte Halb­ marathon, der ao-Kilometer-Straßenlauf, der Bam- binilauf so w ie die Walker-Konkurrenz trugen d a­ zu bei. Nachdem Klaus Banka als OK-Präsident an­ getreten war, wurde 2 0 0 2 der Schwarzwald-Ma­ rathon erstmals auf einer zweimal zu laufenden Runde ausgetr agen. So sollte der Streckenver­ lauf entschärft werden. Ein weiterer wichtiger Schritt erfolgte 2 0 0 4 , als der Schwarzwald-Ma­ rathon am 9./10. Oktober erstmals zweitägig a u s ­ getragen wurde. Ab 2 0 0 3 ba stelte Banka erfolg­ reich an einer großen Marathonrunde auf neuer Strecke, w as auch dem Läuferwunsch entsprach. Diese Strecke wurde 2 0 0 5 erstmals gelaufen. Mit der Gründung der „LSG Schwarzwald-Marathon Bräunlingen e.V.“ am 7. Dezember 2 0 0 6 löste sich die Veranstaltung organisatorisch von der Sport­ vereinigung D o n aueschingen. Das Läuferteam wird den Schwarzwald-Marathon weiter unter den Langstreckenläufern bekannt machen. Stefan Umberger-Andris Fotos: M. Kienzier Eine Bereicherung hat die Veranstaltung durch die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen erfah­ ren. Undenkbar wäre der Marathon ohne die vielen ehrenamtlichen Helfer im Organisationskomitee und entlang der Strecke. 2 5 9


S port Der Reitsport bietet im Landkreis eine ganze Fülle von Möglichkeiten Immer mehr Pferdefreunde entdecken ihre Leidenschaft für den Fahrsport Alles Glück dieser Erde liegt b e ­ kanntlich auf dem Rücken der Pferde: Es ist sc h o n e in e ar­ chaisc he Faszination, die Rös­ ser auf M en sc h e n au s ü b e n . Seit Jahrtausenden sind sie ih­ nen treue Begleiter a ls Reit-, Last- und Zugtiere und erleich­ terten den oft harten Kampf um s Überleben. Heute haben Pferde se lten noch e in e e x is ­ te nz ie lle B e d e u tu n g für M en­ s c h e n , ihre Anziehungskraft freilich ist u n geb rochen. Als Freunde in der Freizeit und Ge­ fährten beim Sport erfreuen sie sich steigender Beliebtheit, das ist auch bei uns im Schwarz- wald-Baar-Kreis so , wie ein e kleine Rundreise auf den Spuren der Einhufer ergab. Ob Spring­ od er Dressursport, ob th e r a p e u tisc h e s Reiten für M enschen mit körperlichen und geistigen Be ­ einträchtigungen oder g e se lli­ g e Ritte durch die sc h ö n e Na­ tur: Das A n geb ot an pferde­ sportlichen Aktivitäten bei uns lässt kaum Wünsche offen. Und wer die Welt nicht vom Sattel a u s erkunden will oder kann, der fühlt sich vielleicht auf ei­ ner Kutsche wie ein K ö n ig – im – mer mehr Pferdenarren e n t­ decken ihre Leidenschaft für den Fahrsport. Alles Glück der Erde Hegt auf dem Rücken der Pferde – und derSchwarz- wald-Baar-Kreis bietet viele Möglichkeiten dazu, wie hier auf dem Gfell- deibishofin Schönenbach. strömt d a s Publikum zu kleineren und größeren Turnieren in St. Georgen, Villingen, Weilersbach und andersw o; auf den Im menhöfen gibt sich die nationale Reitsportelite ein Stelldichein, zum Auch die Zahl der passiven Pferdefreunde wächst, die sich an Sc h ön h e it, Eleganz und Kraft der großen Vierbeiner lie­ ber aus sicherer Entfernung er­ freuen. Zuve rlässig zahlreich 2 6 0 Für so manchen Reiterfreund beginnt das Reiterleben auf dem Rücken des Holzpferdes. So lernt man beim therapeutischen Reiten auf dem Fischerhof u.a. die richtige Haltung und den Sitz.


Die Reithalle in Schwenningen zählt zu den großen der Region. Inhaber Patrick Majher ist Mitglied des Olym­ piateams der Slowakei. Championat in D o n a u e sc h in g e n ersch einen gar die be ste n Reiter und Amazonen der Welt. Wie tief der Pferdesport auch in der brei­ ten Bevölkerung d e s Landkreises verwurzelt ist, z eigt unser A u s­ flug. Die Station en sind k e i n e s ­ w e g s vollstä ndig, im G egenteil, wir stelle n nur ein e kleine A u s­ w ahl der Pferde-Par ad iese vor, die öffentlich zugänglich sind und auch jenen zu dem berühm ten Glück dieser Erde verhelfen, die kein e i g e n e s Pferd besitzen. Un­ se r e Expedition führte uns zum Schw enninger Reitverein, wo auf treuen Schul- pferden nach klassischer Reitpädagogik Grund­ kenntniss e in Springen und Dressur erlernt w er­ den können. Wir machten auf dem TuningerThu- rihof Flalt, der mit pionierhafter Flerdenhaltung rund 50 Pferden ein a r tg em ä ß es Leben im Fami­ lienverband bietet. In Don aueschingen führen Falk und Bettina Böhnisch Uneingeweihte in die Kunst d e s Gespannfa hren s ein, auf dem Gfell- deibish of bei S c hön en bach nähern sich Kinder und Jugendliche den Pferden in ländlich-bäuer­ licher Verbundenheit. Der Fischerhof bei Vöh- renbach wiederum bietet jenen d a s beglückende Erlebnis von rhythmischer B e w e g u n g auf dem Pferderücken, die sich s e l b s t kaum oder gar nicht auf den e ig e n e n Beinen for tbewegen kön­ nen – M enschen mit Behinderungen. Schwenningen: Fünf Hektar große Koppeln Wohliges Prusten und gedäm pfte Tritte im Zwei­ ertakt d e s Trabes sind das ein zige Geräusch, das an d ie se m Vormittag in der Schwen ninge r Reit­ halle zu vern eh men ist. Eine junge Frau longiert einen großen, braunen Wallach, der gemächlich s e i n e Runden z ie ht und mit g e le g e n tlic h e m R e its p o rtim Landkreis Schnauben durch die Nüstern sein Wohlgefallen kundtut. Im Freien trotten ein paar Pferde im Be­ wegungszirkel, nebenan spritztein Mädchen ei­ nem Schimmelwallach mit dem Gartenschlauch die Beine ab. Der l ässt sich d a s reglos gefallen, „ e s tut ihm gut bei der Flitze, die beiden haben gerade einen Ausritt g e m a ch t“, erklärt Patrick Majher. Der 31-jährige, gebürtige Slowake hat die Anlage vor gut ein em Jahr gepachte t, er ist Reit­ lehrer mit umfassenderTurniererfahrung, gehört zum Olympiateam der slowakis chen Springrei­ ter, mit dem er immerhin den großen Preis von Basel g e w o n n en hat. Alle 4 2 Boxen in den a u s ­ g e de hnte n Stallungen in Schw en ningen sind b e ­ legt, 15 Pferde gehören Privatleuten, die anderen sind Ausbildungs- und Schulpferde. Patrick Majher ist nicht nur passionierter Rei­ ter und Ausbilder von Mensch und Tier, er züch­ tet auch gern, w a s hier in Schw enningen dank fünf Flektar großer Koppeln um die Reitlage her­ um b e s te n s möglich ist. Das malerische Gelände n e b e n dem Eisstadion ist ein Glücksfall, alle Pferde kom men in den G en uss, auf den a b g e ­ trennten Koppeln w e id e n zu können. Einen Steinwurf nur von der Stadt entfernt herrscht hier ländliche Idylle pur, ein e Welt für sich, die unmittelbar ins Schwen ninge r M oos übergeht. 261


S port Ein ideales Reitgelände findet sich im Umfeld des Schwenninger Mooses. Spaziergän ger haben ihre Freude an den über­ mütigen Fohlen, die auf sattgrünen Weiden h e ­ rumtollen, von ihren stolzen Müttern fürsorglich bewacht. Die Stadt-Kinder, die bei den Pferden ihre Freizeit verbringen, lernen ihre Lieblinge nicht nur vom Sattel a u s als vierbeinige Sportgeräte kennen, sondern als G eschöpfe mit eigener Per­ sönlichkeit und b e son de re n Bedürfnissen. Beim Ausm iste n, Füttern, Putzen werden die Kinder und Jugendlichen mit den Pferden ver­ traut, erhalten beim Anfängerunterricht an der Longe ein Gefühl für die Grundgangarten Schritt, Trab, Galopp. Später kommunizieren sie se lbst mit den braven Schulpferden, teilen ihre Kom­ m and os mit Körpergewicht, Schenkeln und Zü­ geln mit – „Hilfen“ heißt d a s in der Reiterspra­ che. Rund 3 0 0 Mitglieder hat der Schwen ninger Reitverein, 70 n e u e sind se it dem Pächterwech­ se l ge k om m e n , au ßerdem fast 100 zweib einige Schüler. Vor allem bei derju gend hat Patrick Maj- her e in e regelrech te B e g e iste r u n g s w e lle a u s ­ gelö st, rund 30 Nachwuchsreiter und -amazonen begleitet der Reitprofi reg elmäßig auf kleinere Turniere und unternimmt mit ihnen Ausritte in die Umgebung. In den großen Ferien bietet er b e ­ zahlbare Reitkurse für die D ah eim geblie benen 2 6 2 an, s o m m e r l i c h e s Reitturnier, Fuchsjagd im Herbst, Weihnachts- und Neujahrsreiten sind Höhepu nkte im Vereinsjahr. S p ez ielle Am azo­ nen-, Hausfrauen- und Herrenstunden erfreuen sich w a c h s en d e r Beliebtheit, der älteste Schüler ist 81 Jahre alt: „Reiten hält jung“, b e h au p te td e r Pferdenarr. Donaueschingen: Führerschein für zwei PS „Fahren auch“, versichern Bettina und Falk Böh- nisch, die in D o n a u e sc h in g e n -A a s en Führer­ schein-Kurse für zwei PS anbieten. Rund 20 Fahr­ stu nden auf dem Kutschbock und 20 Theorie­ stu nden sind dazu nötig, schon das Anlegen von Kummet- oder Brustblattgeschirr ist ein e Wis­ sensch aft für sich und auch der Umgang mit Lei­ nen und Peitsche will sorgsam erlernt sein. Fah­ ren sieht viel leichter aus, als e s ist – und kann hochgefährlich werden, wenn ein Pferd b u ch­ stäblich über die Stränge sch lägt und der Fahrer nicht in der Lage ist, die Situation zu kontrollie­ ren. Falk Böhnisch freilich ist ein Routinier, die mit Sieger-Schleifen und Plaketten flächig g e ­ schm ückte Staltwand kündet von s e in e n sportli­ chen Erfolgen bei nationalen und internationa­ len Turnieren. S e in e Erfahrung und Kompetenz sind auch beim Parcoursbau in Don aueschingen gefragt, Böhnisch gilt zudem als Pionier d e s Ge­ schicklichkeitsfahrens in der Halle, der etwa den Stuttgarter Hallencup initiiert hat. „Schw eres Warmblut“ heißt die Oldenburger Fahrpferderasse, von der s i e b e n Vertreter im geräumigen Stall in Aasen s te h e n . Ihre w ichtigs­ te Eigenschaft neben der kräftigen, „kalibrigen“ Statur ist ihr a u s g e g l i c h e n e s Temperament. „Fahrpferde brauchen gute Nerven und m ü s se n absolu t straßensicher s e i n “, sa g t Bettina Böh­ nisch, die Rechtsanwaltsgehilfin und außerdem Pferdewirtschaftsmeisterin ist und ge n a u s o fahr­ sportverrückt wie ihr Mann. Wie beim Autofüh­ rerschein gibt’s auch beim Fahrschein ne b s t theor etischer ein e praktische Prüfung im Stra­ ßenverkehr; hier kam so mancher Eleve schon ganz schön ins Schwitzen, wenn neben der Kut­ s c h e ein donnernder Lastwagen auftauchte und d as Gespann beunru higtzu tänzeln be gann. Ge­ rade bei Anfängern auf dem Kutschbock sei zu-


Der Führerschein fü r Kutschen b raucht 20 Stunden Theorie und 20 Stunden a u f dem Kutschbock. viel S e lb stb e w u ss tse in fehl am Platz; darum sei der Fahrsport wenige r für Ju­ ge ndlich e g e e ig n e t („die trauen sich meist sc h n ellzu v i e lz u “) und s e tz e v ie l Verantwortungsb ewussts ein voraus. Tuningen: Sportpferde in Gruppen Das ist Voraussetzung überall, w o sich M enschen um respektvollen Umgan g mit den ihnen anvertrauten Tieren b e m üh en . Das ist zentraler Gedanke auch auf dem TuningerThurihof, der von Jörg Rönnefahrt ge gründet wurde und heute von Tochter Ulrike Mend mit Ehemann Michael betrieben wird. „Wir haben den Beweis angetreten, d a s s auch Sport­ pferde in Gruppen gehalten werden k ön n e n “, sagt der. Alle 50 Pferde (die Hälfte davon sind Pensionspferde) werden in großen, offenen Lauf­ ställen ge halten, Einzelboxen gibt e s nicht. Vor jedem Stall ist ein kleiner Auslauf, a ußerdem ist der Hof von großen Weiden um geben. „Vor 15 Jahren wurden wir für unsere Idee au sgelacht, Skeptiker prophezeiten uns Mord- und Totschlag“, erinnert sich Michael Mend an die ersten Kommentare, auch au s Fachkreisen. Doch die a u s n a h m s l o s guten Erfahrungen hät­ ten Kritiker zum S chw eigen gebracht. Freilich werden im Thurihof vierbeinige Neu­ linge nicht willkürlich in ein en Stall gestellt. Für die ersten Wochen kom men sie in ein e Einge­ w öh n u n gsb ox, wo sie sich allmählich mit ihrer neuen Familie bekannt ma­ chen können. Wenn sich die Pferde au s re ich en d be sc h n u p p e r t ha ben , kö nnen sie untereinander die Rang­ ordnung klären, die für jede Herde gilt. Das geht natürlich nicht oh n e anfä ng­ liche Kabbeleien vonstatten , doch in Tuningen werden alle Pferde in großen, offenen Laufställen g ehalten – was z u ­ nächst als unm öglich galt, h a t sich g u t be­ währt. ernsthafte Verletzungen m usste n noch nie b e ­ klagtwerden. „Sie haben g e n u g Platz, um ein an­ der a u s zu w e ic h e n .“ Rund 2 0 0 Kinder und Jugendliche werden im Schulbetrieb unterrichtet, w e g e n der w a c h s e n ­ den Resonanz wurde im zu Ende g e h e n d e n Jahr ein e z w e ite Reithalle ge b a u t. Bevor die Reit­ schüler ihr Pferd putzen und satteln, m ü s se n sie e s erst einmal „ein fangen“, w as in der Regel kein Problem ist. Wegen derartgerechten Herdenhal­ tung und d e s bedarfsgerechten Auslaufs hätten alle Tiere a u s g e g l i c h e n e Gemüter, ve rsichert Mend, und ließen sich willig auf die sportliche Partnerschaft mit den jungen Zweibeinern ein. Das gilt auch für die zehnjährige Ponystute La­ metta, die d a s größte Maß an Freiheit genießt. Als sie vor Jahren auf den Hof kam, war sie so sc he u und verängstigt, d a s s sie sich in keiner der fünf- bis 20-köpfigen Pferdefamilien wohl fühlte. Andererseits wollte sie auch nicht allein


S p o rt sein, in einer Einzelbox fühlte sie sich sichtlich unwohl. „Also lassen wir sie völlig frei herum­ laufen“, beschreibt Mend die Konsequenz. Seit­ her ist Lametta glücklich, sucht sich ihre vierbei­ nigen Kumpels nach e ig e n e m Gusto und ist er­ klärter Liebling aller zweib einigen Hofbesucher. Schönenbach: Zehn Pferde im Stall Die harmonisc he Verbindung von Mensch, Tier und Natur macht den Charme d e s Gfelldeibis- hofs bei Sc hön en bac h aus. Vor 15 Jahren stellte Albert Wehrte den elterlichen Betrieb von Rin­ der- auf Pferdehaltung um; Auslöser war ein e Al­ lergie g e g e n Rinder-, Rehe- und Ziegenhaare. Auf Pferdefell reagiere er zum Glück w eniger empfindlich, aber fürs Putzen und Ausm isten sind o hn eh in in der Regel die Kinder und Ju­ gendlichen zustän dig, die auf den beiden Ver­ einspferden ihre ersten Reitversuche unterneh­ men. Wirtschaftlicher Hauptzweig ist nach wie vor der S äg e b e tr ie b , au ß er d e m m achen die Wehrles d a s Heu für die in sg e sa m t zehn Pferde im Stall. S e c h s bis 14 Jahre alt sind die Jugendli­ chen, die in der e ig e n s gebauten Reithalle ihre Sattelfestigkeit trainieren. Die Jüngsten begin­ nen in der Voltige-Gruppe, einmal in der Woche In d er Reithalle des Thurihofs b ei Tuningen, h ie r ler­ nen rund 2 00 Kinder das Reiten. kommen zu d e m körperlich und ge istig b ehin­ derte Kinder von der Furtwanger Bregtalschule, m itd e r d e r z u g e o r d n e t e Reitverein Oberes Breg- t a l e i n e Kooperation betreibt. Hammereisenbach: Reiten für Behinderte H eilp ä d a g o g is ch es Reiten, Hippotherapie und Sport für Behinderte sind die Stichworte für den Reitbetrieb im Fischerhof bei Vöhrenbach, der zur Bruderhaus Diakonie gehört. Die 8 6 Heim­ bewohner sind Erwachsene mit „intellektuellen Einschränkungen“, wie Uschi Besch formuliert, Pferdewirtschaftsmeisterin und Reittherapeutin. Die An geb ote hier sind nicht nur offen für die H eim bewohner, son dern auch für auswärtige Be hinderte, Kinder vor allem, die daheim bei den Eltern leben und vom regelmäß igen Kontakt mit Pferden ernorm profitieren. Zur integrativen Arbeit gehört auch die Zusammenarbeit mit der vierten Klasse von der Wolterdinger Grundschu­ le: „Die Schüler b e g e g n e n bei uns zwangslä ufig behinderten M en sc h e n , d a s fördert ihr Ver­ stän dn is für deren Bedürfnisse und macht sie sensib ler.“ „Reiten ist s o o o o sc hön !“ versichert Sandra und klettert mit Hilfe einer Leiter auf Montana, e in e zwölfjährige Stute, die e ig e n s als Therapie­ pferd a u s g eb ild et wurde. Geduldig wartet die Stute, bis e s sich die Heimbewohnerin auf ihr 2 6 4


Reitsp ort im Landkreis Therapeutisches Reiten er­ m öglicht den behinderten Bewohnern des Fischerhofs den fü r sie so w ichtigen Kontakt zu Pferden: Sie ha­ ben Freude daran und ih r Selbstbewusstsein s te ig t vielleicht Kutsche fahren, auch das gehört zu den pferdesportlichen Ange­ boten, die mit Hilfe von Spendengeldern ermög­ licht wurden. Sandra juchzt beglückt, als ihre Stute einen der überdi­ mensionalen Gymnastikbälle berührt, mitdenen hier manchmal Horseball gespielt wird. Die Wän­ de der Halle sind mit gemalten Sonnenblumen geschmückt, die Atmosphäre ist heiter und trau­ lich. An der Wand steht ein Spruch, der den Be­ suchern beim Lesen ein versonnenes Lächeln in die Gesichter zaubert: „ W er n ie im M o rg e n s o n n e n lic h t a u f edlem w o h le rzo g e n e m Pferde d ie W elt du rch flo g d e r k e n n t s ie n ic h t d ie h ö ch ste W onne d ie s e r Erde. “ C h ristina Nack F otografie: S te p h a n ie Wetzig gemütlich gemacht hat. Schwupps, da springt Hund Felix hinterher – Sandra strahlt. Bevor sie hierher ins Heim kam, lebte sie bei den Eltern. Mit der „Außenwelt“ kam sie nicht gut klar, sagt Georg Fischer, der hier als Heilerziehungspfleger arbeitet. Die junge Frau wurde auf der Straße verspottet, hatte kein Selbstvertrauen, war ge­ hemmt. Durch das Reiten habe sie allmählich Ängste abgebaut, sei viel selbstbewusster und kommunikativer geworden. Die Heimbewohner helfen auch bei Stalldienst und Pflege der Kop­ peln für die insgesamt zehn Pferde, „sie leisten etwas, sind stolz darauf und empfinden große Freude beim Umgang mit den Tieren“ . Nicht alle Bewohner können reiten, tabu ist es zum Beispiel für Epileptiker. Die dürfen dafür Reitsport im Schwarzwald-Baar-Kreis Die nachfolgende Auflistung erhebt keinen Anspruch a u f Vollständigkeit. Alle Angaben ohne Gewähr. Reit- und Fahrverein Niedereschach | Der Verein exis­ tiert seit 30 Jahren und hat momentan sechs Schul- pferde, vor allem Ponys. Es gibt eine Reithalle und ei­ nen Außenplatz. Dauchingerstr. 102 -104, 78078 Niedereschach Isabel Krause (Reitunterricht): 0173-3142820 www.rfl-niedereschach.de ____________________ Reit-und Fahrverein Donaueschingen e.V. | Der Verein wurde 1968 gegründet und hat heute 300 Mitglieder. Trainiert wird auf der Vereinsreitanlage „Im Sickenbühl“ mit Reithalle und Außenreitplatz, jeweils in den Ab­ messungen 20×40 Meter. Außerdem gibt es einen se­ paraten Longierzirkel und ein Rasen-Turnierplatz. Es stehen sechs Schulpferde und zwei Schulponys zur Verfügung. Im Sickenbühl, 78166 Donaueschingen Ernst/unginger (Pächter): 0771 -5519 www.ruf-donaueschingen.de__________________ Reit-Voltigier-Fahrverein VS-Zollhaus e.V. | Der Reit- Voltigier-Fahrverein VS-Zollhaus e.V. wurde 1976 ge­ gründet und hat mittlerweile mehr als 200 Mitglieder 2 6 5


Reitsport im Landkreis aller Altersgruppen. Es stehen fünf Schulpferde, eine Reithalle, ein Sand platz und Ausreitgelände zur Verfü­ gung. Neben dem Reitunterricht Hegt ein Schwerpunkt auf dem Voltigieren. Auch Mitglieder ohneTurnleram- bitionen sind willkommen. Fairness gegenüber den Pferden wird groß geschrieben. Zollhäusleweg 1, 78052 VS-Zollhaus Tel: 07721 -3773 www.reitlereln-zollhaus.de ____________________ Reitverein Kirchen-Hausen | Der 95 Mitglieder starke Verein wurde 1980 gegründet. Ihm gehören 12 Schul­ pferde vom Pony bis zu Warmblütern mit 1,70 Meter Stockmaß. Acht der Pferde starten auch auf Turnieren. Für Kinder ab vier lahren wird Voltigieren angeboten, den Reitunterricht können sie ab sechs lahren begin­ nen. Geboten werden Voltigieren, Dressur, Springen, Vielseitigkeit und Ausritte. Zur Anlage gehört eine 20×40 Meter große Halle und ein Turnierplatz mit den Maßen 70×60 Meter. Reit- und Pensionsstall Beständerhof | Der Bestän­ derhof ist ein kleiner familiärer Reiterhof, der aus ei­ nem bäuerlichen Betrieb entstanden ist. Unterrichtet wird auf vier Haflingern und einem Shetlandpony. Ne­ ben Feriengästen und Kindern kommen auch erwach­ sene Einstelger auf den Geschmack. Eine Trainerin C, die sich selbst ständig nach der klassischen Reitlehre weiterbildet, unterrichtet hier. Nach Absprache sind auch Ausritte und Wanderritte möglich. Eine Reithalle gibt es zur Zeit nicht, aber einen Außenplatz. Obertalstr. 25, 78136 Schonach Andreas Hör (Betreiber): 0173-3017266__________ Fahrerfreunde FUrstenberg Falk Böhnisch Wiesengasse 3, 78166 Donaueschingen Tel: 0 7 7 1-4 6 4 8_____________________________ Pferdesportverein Gfelldelbishof Donautalstr. 3, 78187 Geisingen Tel: 07704 – 6677 www.rl-kirchen-hausen.de ____________________ Albert Wehrte Im Untertal 16, 78120 Furtwangen Tel: 07723-2726____________________________ Reiterverein Mönchweller e.V. | Der 1978 gegründete Reiterverein Mönchweller e.V. hat rund 200 Mitglieder. Er bietet Reitunterricht für alle Altersgruppen vom An- fängerblszum Fortgeschrittenen auf Schulpferden an. Außerdem werden regelmäßig Ferienreitkurse und Ausritte organisiert. Die Halle misst 20×40 Meter, der beleuchtete Sand-Außenplatz 25 x 55 Meter. Am Waldacker 1, 78087 Mönchweiler Jan Machunka (Reitlehrer) Telefon: 0160 -7310757 www.reiterlerein-moenchweiler.de _____________ Reltvereln Hubertus | Im Reltvereln Hubertus können Reiter und solche die es werden wollen auf zehn Schul­ pferden lernen. Es steht eine Halle von 20×45 Metern, ein Außen platz und ein Turnierplatz zur Verfügung. An­ geboten werden Dressur, Springen und Voltigieren. Im Friedengrund3, 78050 Villingen-Schwenningen Infos zum Voltigieren: Telefon 07721-25145 Infos zu den Reitstunden: Telefon 07721 -408750 www.rl-lillingen.de _________________________ Reltcentrum Gustav Bauer | Der Pensions-und Schul- stall hat neun Pferde zwischen 1,25 Meter bis 1,70 Me­ ter Stockmaß. Der Berufsreiter Gustav Bauer bildet ln Springen und Dressur aus. Die Reithalle misst 17×50 Meter, zusätzlich steht ein Außenplatz zur Verfügung. Schlachtweg 2 78166 Donaueschingen Tel: 0771-64846____________________________ Verein zur Förderung des heilpädagogischen Reitens Georg Fischer Heim Fischerhof, 78147 Vöhrenbach 07657-91070______________________________ Reit-und Fahrverein Schwenningen e.V. | Der Reit-und Fahrverein Schwenningen wurde bereits ln den 1920er- Jahren als Reiterbund Schwenningen gegründet. We­ gen der Ereignisse ln der Zelt des Nationalsozialismus musste er sich 1945 auflösen und wurde erst sechs Jah­ re später neu gegründet. Heute Ist der Verein Mitver­ anstalter des CHI ln Donaueschingen. Der Pächter der Verelnsanlage mit einer 20 x 40 Meter großen Halle, Sandplatz und Führanlage, Patrick Majher, unterrich­ tet ln Springen und Dressur bis Klasse S. Am Bauchenberg 1, 78056 VS-Schwenningen Patrick M ajher (Pächter und Reitlehrer) 07720 -7975 oder 0176-24083058 www.reitlerein-schwenningen.de ______________ Reitverein Thurlhof | Der Thurlhof versteht sich als Vorreiter für artgerechte Haltung. Die 25 Schulpferde und die meisten der 25 bis 30 Pensionspferde werden ln Gruppen gehalten. Alle haben über ihre Paddocks Zugang zur Weide. Lochenrain 2 78609 Tuningen Tel: 07464 -1325 www.thurihof.de____________________________ 2 6 6


Villinger Kinder- und Jugendzirkus 19. Ka p i t e l Fr e i z e i t u n d Er h o l u n g Lena und „Juri“ Thomas machen seit zehn Jahren Kinder zu Zirkusartisten Donnerstagnachmittag in der Kleinkunstscheuer des Villinger Jugendhauses. Auf der Bühne lie­ gen eine große Turnmatte und der riesige, auf­ geblasene Schlauch eines Baggerreifens. Georg „Juri“ Thomas klatscht in die Hände. „Warm ma­ chen, los“ , ruft er den anwesenden Kindern zu. Knapp zehn sind es, die sich jetzt um kurz nach 17 Uhr hier eingefunden haben, nach und nach werden noch einige mehr hinzukommen. Auf­ wärmen, das heißt hier einmal durch den Raum der Scheuer, hinaus ins Foyer des Kleinkunst­ tempels und wieder zurückauf die Bühne, dann Rumpfbeugen und Dehnen. Dabei wird es einem als zusehenden Erwachsenen schon etwas an- derszumute. Die sechs- bis zwölfjährigen Kinder verbiegen ihre Extremitäten in einer Weise, die erstaunlich ist. „Sophia, mach’ mal Flickflack rückwärts.“ Kaum hat Juri das gesagt, springt die Sechs­ jährige auf und tut was ihr gesagt wurde. Mit sichernder Hand steht Juri dabei, nichts kann passieren bei der gewagten Rolle rückwärts in der Luft. Evelyn darf nebenan den Spagat ma­ chen, kein Problem; auch nicht, als Juri sie an den Beinen in eine aberwitzig anmutende Stel­ lung zieht. Und gleich hinterher begibt sich der achtjährige Thomas in den einhändigen Hand­ stand. Aber nicht unten am Boden. Ganz oben auf Juris Hand, die dieser nach oben streckt. Ver­ trauen ist wichtig in diesem Metier. Lena und J u r i “ Thomas, ein Herz und eine Seele. Sie bringen den Kindern seit zehn Jahren alles bei, was einen echten Zirkusartisten ausmacht. Der Kinder- und Jugendzirkus, zumindest ein Teil davon, übt. Lena Thomas beobachtet wäh­ renddessen aufmerksam vom Rand der Bühne, wie ihr Mann Juri die Kinder anleitet. „Wenn wir freitags in der Sporthalle der Goldenbühtschule trainieren, dann sind da häufig 30 Kinder, die wir anleiten müssen. Dann teilen wir die Gruppe, ich Die M itw irkenden beim Bühnenprogram m „K leine Sterne am Z irkushim m el“ im Jahr 20 0 6 im Theater am Ring.


Freizeit nehme die Kleinen, Juri die Großen“ , erzählt Lena Thomas freiweg. Ihr Mann ist seit knapp drei Jahren bei der Stadt Villingen-Schwennin­ gen angestellt. Beim Amt für Familie ju g e n d und Soziales, in der offenen Jugendarbeit. Pädagogische Zirkusarbeit Zirkus als pädagogische Arbeit für Kinder und Ju­ gendliche, ist ein Konzept, das großen Anklang findet. Insgesamt an sieben Schulen ist Juri Tho­ mas in so genannten Arbeitsgemeinschaften tä­ tig, wo er jeweils einmal in der Woche mit Kindern trainiert. Dass dahinter schon eine über zehn­ jährige Geschichte steckt, ist beachtlich. Ange­ fangen hat die Arbeit des einstmals russischen Starartisten Thomas für die Kinder der Doppel­ stadt im ehemaligen Familienfreizeitpark in Vil- lingen, den der damalige Stadtjugendpfleger Die­ ter Sirringhaus im Jahr 1986 an der Oberescha- cher Straße eröffnet hatte. Schon zu dieser Zeit begann Dieter Sirring­ haus mit einem Kinderzirkusprojekt mit dem Na­ men „Bam bini“ , welches im Zuge der alljährli­ chen Kinderferienprogramme unter Einbindung eines Wanderzirkus’ entstand. Bald schon wurde für den Familienfreizeitpark ein Zirkuszelt ange­ schafft und unter der Leitung von Carola Rogge und Dieter Sirringhaus übten dann in den Som­ mermonaten teils bis zu 40 Kinder artistische Nummern, Zauberei und Jonglage. Schon damals, so erzählt Dieter Sirringhaus, sei einer der Schwer- 2 6 8 Sophia is t zw ar erst sechs Jahre alt, aber sie beherrscht ihre Schlangenmenschen­ num m erschon perfekt. punkte der Stadtjugendpflege wäh­ rend der Sommerzeit die pädagogi­ sche Betreuung von Problemkindern gewesen. Juri Thomas, der mit seinen Eltern aus Russland nach Deutschland aus­ gewandert war, kam mit Dieter Sir­ ringhaus und den Familienfreizeit­ park 1996 über einen Austausch mit den Zirkusschulkindern der Partner­ stadt Tula in Kontakt. Schnell war klar, dass der Artist, der seine Ausbildung am russischen Staatszirkus in Moskau absolviert hatte, für die Arbeit mit Kindern wie geschaffen war. Über das Arbeitsamt wurde eine Arbeitsbeschaffungsmaß­ nahme eingerichtet und Juri Thomas als Trainer für den Kinderzirkus Bambini eingesetzt. Lena Tho­ mas unterstützte ihren Mann Juri, mit dem sie heute seit 15 Jahren verheiratet ist, schon da­ mals beim Training mit den Kindern. Ostern 1997 stand das erste Bühnenpro­ gramm, bald galt der Zirkus Bambini als der Pu­ blikumsmagnet im Familienfreizeitpark. Und auch als der Park sein Domizil an der Obereschacher Straße schloss und am Klosterhof neu eröffnet wurde, war der Zirkus zentraler Dreh- und An­ gelpunkt der pädagogischen Arbeit. Dieter Sir­ ringhaus bezeichnete den Zirkus Bambini da­ mals als „großes Projekt der Integration von russlanddeutschen Kindern und Jugendlichen in Villingen-Schwenningen“ . Womit er wohl den Nagel auf den Kopf traf. Talentschmiede Zirkus Bambini Bald hatte dieses Projekt über 80 Kinder und Ju­ gendliche, die mit Juri und Lena Thomas im Fa­ milienpark trainierten und die Besucher des Parks mit ihren Auftritten begeisterten. Im Jahr 2004 kam es schließlich zur ersten Teilnahme beim europäischen Zirkusnachwuchsfestival in Wiesbaden. Bei derVorstellung der jungen Artis-


ten aus Villingen-Schwenningen bezeichnete die Moderatorin Rebecca Simoneit-Barum das Pro­ jekt Bambini als „die absolute Talentschmiede, die sogar mit Artistenmetropolen wie Paris, Moskau, Budapest und Montreal Konkurrenz macht“ , wie Simoneit-Barum es damals wörtlich ausdrückte. Etwa zu dieser Zeit wurde Bambini offiziell in „Kinder- und Jugendzirkus“ umbenannt. Beim internationalen Zirkusfestival in München be­ legte die junge Truppe im Jahr 2005 gar den ers­ ten Platz. Zwar wurde der Familienpark am Klos­ terhof im selben Jahr nach erheblichen politi­ schen Diskussionen und aufgrund einer desola­ ten Finanzlage der Stadt Villingen-Schwennin­ gen geschlossen. Für den Kinder- und Jugendzir­ kus hieß dies jedoch nicht das Ende. Beim Zir­ kusfestival in Dresden im letzten Jahr erreicht Juri Thomas mit seinen jungen Artisten einen dritten Platz. Glänzender Höhepunkt im Juli 2006 war schließlich ein Auftritt im Theater am Ring mit dem Programm „Kleine Sterne am Zirkus­ himmel“ . Und für 2007 ist die Gruppe in Arbeit für ein neues Programm mit dem Titel „Zirkus­ märchen“ . Die Arbeit geht weiter Wie viel die Arbeit mit Juri Thomas den jungen Menschen gibt, zeigt das Beispiel von Katharina Eiternik. Die heute 17-Jährige kam früh zum Kin­ der- und Jugendzirkus und beeindruckte schon beim ersten Wettbewerb in Wiesbaden mit ihrer Fähigkeit, als Schlangenmensch die verblüf­ fendsten Verrenkungen zu zeigen. Ihre Luftnum­ mer, die sie hoch oben an einem aufgehängten Ring präsentiert, ist Ästhetik pur. Katharina hat nun vor, sich an der Zirkusschule in Berlin zu be­ werben. Artistin will sie werden. Was sonst. Auch all die anderen Kinder die weiterhin mit Juri und Lena ihre Künste erlernen und Zirkusnummern trainieren, sind mit viel Elan dabei. Und siezeigen ihr Können gerne auch der Öffentlichkeit; wenn es sein muss, in einer normalen Sporthalle. Auch wenn es natürlich in einem richtigen Zirkuszelt noch beeindruckender aussieht. Wenn sie ihr Können zeigen, die „kleinen Sterne am Zirkus­ himmel“ . Uwe S p ille Ein wenig A rtistik am Rande is t im m er drin, wie die ju n g en Frauen Katharina u n d ja s m in zeigen. Perfek­ te Körperbeherrschung braucht es, um ein Dutzend Hula-Hoop-Reifen am Körper zu drehen (unten).



DerSchwarzwald-Baar-Kreis ist ein erstklassiges Wanderland – Almanach-Autor Karl Volk nimmt die Leser mit auf eine Wanderung durch seine Heimat Gremmelsbach. Es ist eine Wandertour, die einem zu den schönsten Punkten des Schwarzwaldes rund um Triberg bringt – die vor allem weite Blicke beschert: Nach Horn­ berg hinunter, ins Eisass, auf die Schwarzwäldbahn, die Höhen um St. Georgen,Triberg und Schonach. Es geht durch hohe Wälder an echten Tannen vorbei, am Weg liegen alte Bauernhöfe mit idyllischen Gärten. Und es ist eine Wandertour, die nicht umsonst auch „Abenteuer­ wanderung“ genannt wird, denn man besteigt Rappen- und Schlossfelsen. EhcMi


Freizeit Lassen wir unsere Wanderung bei Gremmels- bachs ältestem Gasthaus, der „Staude“ , (ge­ gründet 1683) beginnen und nehmen wir für un­ seren Rundwanderweg am besten den ganzen Tag. Auch Eindrücke brauchen Zeit, wollen durch längeres Schauen gewonnen werden, wollen sich erst einmal „setzen“ , um sich vertiefen und jederzeit in die Erinnerung zurückgerufen wer­ den zu können. Und auf mindestens 15 km hin und zurück werden wir uns einstellen müssen. Die „Staude“ als Ausgangspunkt zu finden ist keine Kunst. Von St. Georgen oder Triberg über die Bundesstraße 33 kommend, biegt man ge­ nau auf der Wasserscheide Rhein-Donau Rich­ tung Gremmelsbach ab, dann immer gerade aus. Von Langenschiltach herauf kann man die„Stau- de“ überhaupt nicht verfehlen, weil man sie auf der Höhe vor sich sieht. Von Gremmelsbach her weist an einer Abzweigung ein Schild auf unse­ ren Ausgangspunkt hin. Für den PKW sind hier oben ohnehin Parkplätze genug angelegt. „Den“ schönsten Wanderweg des Schwarzwaldes wird es wohl nicht geben, aber dass wir hier einen der schönsten betreten, sogar einen Teil des „Aben­ teuerwanderwegs“ im „Ferienland“ , davon kön­ nen wir uns jetzt überzeugen. Die Wanderzei­ chen sind zunächst die Rauten, die der Schwarz­ waldverein für den Mittelweg Pforzheim-Walds- hut und den Querweg Lahr-Rottweil angebracht hat. Von der Staude g e h t es hin ü be r zum Hohlops, durch einen Hochwald fü h rt der Weg lorbei an Bauernhöfen und an wunderschönen Gärten – dass h ier „glückliche H ü h n er“ leben, g la u b t man sofort. A u f den Dächern erinnern Solarzellen und beim „Deutschen Jäger“ eine Windkraftanlage da­ ran, dass alternatile Energiegewinnung im Schwarzwald längst Alltag ist. Mal im Wald, mal in freier Landschaft – unter­ wegs auf herrlich ausgeglichener Strecke Wo wir uns heute auch bewegen, wir befinden uns auf Gremmelsbacher Gemarkung, aber im­ mer auch an der Grenze zu den Nachbarstädten St. Georgen und Hornberg (bzw. ihren Teilorten Langenschiltach, Reichenbach und Niederwas­ ser). Eben ist der Weg, vom Schlossfelsengebiet und von Althornberg abgesehen, was neben sei­ ner Höhe (um 860 m) ganz gewiss zu seiner Be­ liebtheit beiträgt, und natürlich sind es seine vielen Aussichtspunkte, eigentlich sind es zu­ nächst „Aussichtsstrecken“ . Und ungefährlich ist der Höhenweg, auch für Kinder, die es nach rechts und nach links zieht, wo sie ihre Ent­ deckungen machen wollen, am liebsten im Brunnholz, und sie sich im Heidekraut, in Hei- delbeerstauden, im Adlerfarn tummeln und ver­ stecken können. Dieser Wald ist, wie der Name andeutet, ein unversiegbares Wasserreservoir, „Brunnen“ hatte noch in unserer Zeit die Bedeutungvon „Quelle“ , uralt sein Name, denn schon „Pholende Uuodan vuorun zi .holza’“ . Auch im heißen Sommer sickerte immer Wasser heraus, wie hätte sich sonst hier ein Hochmoor bilden können, und wo­ her käme sonst die Gewannbezeichnung „M oos“ ? Herrlich ausgeglichen ist dieser Weg, mal eine geringe Steigung, mal ein leichtes Ge­ fälle, was ein rüstiger Wanderer kaum bemerkt, auch was das Verhältnis von Wald und offener Fläche angeht. Man wandert im Wald, aber nicht nur. Sonnenschein und Waldesschatten, rauer Wind und Windstille bieten je nach Wetterlage die rechte Abwechslung. Unser Wanderweg ist auch eine Strecke für Mountainbikefahrer. Auf geht’s! Wir überqueren das Sträßchen nach Gremmelsbach hinunter und streben dem Festplatz für das Sommernachts- und Waldfest


der Musik- und Trachtenkapelle zu, wir lassen ihn rechts liegen und finden uns nach kurzer Hö­ henwanderung beim Obertenwald und auf dem Ho(h)lops wieder, ei­ ner Ansammlungvon Häusern und Höfen, auf Gremmelsbacher Ge- m arkungm it„h“ , auf Langenschil- tacher Gebiet ohne „h “ geschrie­ ben, dies der feine Unterschied. Die in den Ortsakten häufig auf­ tretenden „Wirtbergischen Grän­ zen“ : hier sind sie, ehemals Vor­ derösterreich von Württemberg trennend, heute noch Gemeinde­ grenzen. Wir bleiben am Zaun ei­ nes Bauerngartens stehen, nicht nur weil er alle Gewächse enthält, was Mutter für die Suppe „Quer durch den Garten“ genannt ver­ wendet, sondern noch viel mehr: Blumen in und vor dem Garten und am Haus in Töpfen und auf dem Boden und an allen Fenstern in einer Fülle und Vielfalt, wie man sie in dieser Höhenlage kaum noch erwartet. Rotkäppchen und den Wolf treffen wir – wir sind im Märchenland – und alles bewacht von weit mehr als sieben Zwergen. Geübte Wanderer können zusätzlich einen Abstecher zum „Deutschen Jäger“ wagen Hoch ist der Himmel hier und weit auch die Aus­ sicht, nach Norden zum Brandenkopf, unver­ kennbar mit der Fernsehsendeanlage und den Windkrafträdern in ihrer nächsten Nähe, wobei der Aussichtsturm, inzwischen von hohen Bäu­ men umgeben, wie ein Stummel wirkt. Wer sich W a n d e rn in G rem m e lsb a ch Wo sich wie a u f dem Grem­ m elsbacher Hohlops alte Wege treffen, h a t auch der Wanderer unzählige M öglichkeiten, sei­ ne Route zu wählen. für einen Abstecher durchs „Brunnholz“ zum „Windkapf“ , zum Gasthaus „Deutscher Jä­ ger“ , entscheiden kann, sollte jetzt beim „Lindenbüble“ zur „Hohen Straße“ abbiegen (2,4 km). Eine Hohlgasse ist das von einzigartiger Tiefe, ausge­ schwemmt im weichen, roten Sandstein, das Wasser hatte injahrmillionen leichtes Spiel. Hier trennen sich Mittelweg und Querweg. In einer Drei­ viertelstunde hat man „den Kapf“ erreicht. Wanderers Lohn istd e rB licka u fd ie Burg­ ruine Hohengeroldseck zwi­ schen Lahr und Biberach. Sei­ ne Kinder finden beim Gasthaus einen Spielplatz vor. Der Weg zurück, zum Querweg und zur Geb­ hardenbauernhöhe, zum „Birkenbühl“ , ist um die Hälfte kürzer, dafür zu einem Teil steinig. Auf gerader Strecke macht im Wald ein Schild auf den „Berghof“ im Leutschenbach aufmerk­ sam. Am Ende des Waldes, auf dem Birkenbühl also, treffen wir uns wieder, die einen gestärkt im „Deutschen Jäger“ , die ändern in diesem nahen „Berghof“ . Just an dieser Stelle tut uns ein Strei­ fen winderprobter Buchen den Gefallen, uns durch eine Lücke in blauen Fernen den Reihers­ kopf, jenseits der Kinzig, den spitzen Berg neben dem Brandenkopf, sehen zu lassen. Eigentlich ist das ein Fotomotiv, finde ich. Schon entdeckt? Am


Nahezu grenzenlos is t die Aussicht lon den Höhen rund um Gremmelsbach, h ie re in Blick nach Norden, zu B ra n denkopfund Reiherskopf (hinten links). erwähnten Buchenstreifen empfiehlt sich ein kleiner Abstecher Richtung Obersteighof, der Lohn ist die Aussicht auf die Berge der Gutach entlang zum Farrenkopf bei Hausach, und jetzt noch einmal auf die Hohengeroldseck, und man sieht die Hornisgrinde, ein bisschen Glück mit der Fernsicht vorausgesetzt. Das Ruhebänkchen, eines von mehreren an dieser Strecke, steht am richtigen Platz. Und was ist mit den Alpen? Kei­ ne Chance. Die Meereshöhe unter 1.000 m reicht nicht aus, über die höheren Berge im südlichen Schwarzwald hinwegzusehen. Wer auf dem Querweg Lahr-Rottweil bleibt, hat die Sicht nach Süden und Westen frei. Von der Stöcklewaldhöhe schweift der Blick an den Höhen von Schönwald bis Niederwasser vorbei. Und diese Höhen sind alle mit Wald bestanden, er hört nicht mehr auf. Der Horizont wird nur vom Wald gebildet, und der ist gerade seiner Nähe wegen noch dunkel. Einige Windkraftanlagen stechen in den Himmel. Als Ausdruck dafür hat man die Bezeichnung „Verspargelung der Land­ schaft“ gefunden. Man muss schon beinahe die 70 erreicht haben, um die Unterschiede der Land­ schaft in einem guten halben Jahrhundert zu er­ kennen. Größer sind heute die Wälder, die offe­ nen Flächen nur noch grün, ohne die hellen Ge­ treidefelder. Und dennoch ist die Aussicht un­ übertrefflich geblieben, insbesondere solchen Wanderern dargeboten, die sich die volle Länge unseres Rundwegs nicht mehrzumuten können. Hier findet man sie noch, viele ältere Herrschaf­ ten: auf dem „Hohlops“ , über dem „Gefell“ , dem „Moos“ , der „Gebhardenbauern-“ und der „Die- terlebauernhöhe“ , am Rand der „Herrenäcker“ . Selbst bei Schnee zieht es einen hier herauf Von rüstigen Wanderern aber ist diese Strecke fast immer frequentiert, so dass Anwohner festge­ stellt haben, dass sie erst nach einem Landregen von mehreren Tagen ausbleiben, die Fernwan­ derer – von Pforzheim nach Waldshut. Selbst bei hohem Schnee zieht es viele Gremmelsbacher hier herauf, sobald der Weg gebahnt ist. Ein Flur­ kreuz leuchtet ins Land hinaus, eine kleine Hin­ weistafel macht auf den Reichtum an Heidelbeeren im Brunnholz in früheren Zeiten aufmerksam. 274


Großviehhaltung gibt es nur noch auf den Höhen Die Großviehhaltung gibt es nur noch auf den Höhen. Das Bild des Friedens ist von vielen Schrift­ stellern und Malern von Rang dargestellt – die Herde weidender Kühe. Hier weiden noch Kühe, viele ohne ihren Hornschmuck und meist auch ohne Geläut auf großen Flächen, Hunger und Durst ist Ihnen unbekannt, die Erinnerung an Doppeljoche (ein harmloseres Wort für „Dauer­ marterinstrumente“ ) und die Geißel oder die Angst vor ihnen quält sie nicht. Auch ihren Stamm­ baum kennen sie nicht wie ihre schwarzweißen Schwestern in den Vogesen, die im 30-jährigen Krieg schwedische (!) Vorfahren bekamen. Aber gepflegt und schön sind sie, die Vorderwälder­ kühe, wie jene. Ohne Hirtenbuben und -mädchen grasen sie, diese Idylle lebt – wie lange noch? – in der Erinnerung fort. Von uns Wanderern nimmt das liebe Vieh kaum Kenntnis. Wir orientieren uns: Dieterlebauernhöhe. Wie­ der gabeln sich die Wege. Wer nach Homberg weiterwandern möchte, wird auf dem Querweg bleiben. Für uns beginnt erst jetzt mit der Über­ querung des Sträßchens nach Althornberg der eigentliche „Rundweg“ . Der Wanderer sieht und genießt vor allem die unvergleichliche Landschaft, in der Hauptsache den mittleren Schwarzwald. Von der Geschichte der einzelnen Höfe, ihrem Glück und Unglück kann der Fremde nichts wissen, und da er ja zu seiner Erholung wandert, will er auch nicht viel davon wissen. Ist sogar gut so, denn er würde ins W a n d e rn in G rem m e lsb a ch Grübeln geraten, vielleicht sogar in Melancholie verfallen über der Frage, wie das ist mit Gottes Ratschlüssen und seiner Güte (wirksam hier auf Erden). Jede Landschaft hat ihre Geschichte Aber eine Landschaft ohne jede Geschichte? Nur „Natur“ , nur „Gottes freie Natur“ ? Nichts sonst? Kinder, das geht nicht! Bei aller Liebe zur Natur – ihre geschichtliche Dimension darf nicht un­ beachtet bleiben. Wie unterschiedlich Geschichte sein kann, stellen wir gleich fest. Wem die Menschheitsge­ schichte zu kurz ist, der kann sich hier auch in erdgeschichtlichen Äonen bewegen und die Ent­ stehung dieser Landschaft studieren. Zweck­ mäßigerweise zieht er hierzu die Fachliteratur heran. In den tiefen Tälern ist es den Wassern der Urzeit gelungen, die Sandsteindecke mitzuneh­ men, hierauf der Hochebene nicht. Immerhin bie­ tet der unfruchtbare Sand den Kiefern noch Nah­ rung genug. Ihre rötlich-gelbe Färbung in der Abendsonne, ihre Wirkung auf das Gemüt, der Wald verwandelt sich über dem „M oos“ in Gold … mir fehlen die Worte. Radfahrer von vor 60 Jah­ ren erinnern sich noch an den Spaß, wie ihre Rä­ der in den tiefen, feinen Sand einsanken und das Ein (noch) lertrautes Bild: Grasende Kühe beim Dieterlebauernhof.


Freizeit Lenken, überhaupt das Fahren erschwerten. War schön damals! Die Landschaft hat ihre eigene Vergangen­ heit, und ist dennoch nie losgelöst von der allge­ meinen Geschichte. Jeder Hof hat seine „Weltge­ schichte“ im Kleinen, Glück und Unglück sind hier nicht auf einen Blick aus der Ferne zu erkennen. SchwersteTragikdurch Kriege, Unfälle und Krank­ heiten, Unfruchtbarkeit, von eigenem menschli­ chem Verschulden nicht zu reden, lassen den Kun­ digen mitleiden. Dabei ist nur an die letzten über­ schaubaren Generationen gedacht. Dass im 30- jährigen Krieg der obere Leutschenbach in Mit­ leidenschaft gezogen wurde, von Homberg her bis hier herauf geschossen wurde, Angst und Schrecken herrschte, ist kaum bekannt und sei nur am Rande erwähnt. Und nachts strahlen die Lichter von Straßburg In andere historische Tiefen stoßen wir jetzt auf der Höhe von Althornberg. Altes Siedlungsland, wahrscheinlich das früheste auf Gremmelsbachs Gemarkung, im Mittelalter der rauen Natur ab­ getrotzt, in liebliche Fluren verwandelt: unser Wanderweg lässt auf seiner Höhe den Wanderer innehalten, doch nie sah man hier einen Maler von Rang, wohl dagegen Fotografen. Weit geht der Blick in wirklich blaue Fernen über die Kinzig hinweg in den nördlichen Schwarzwald hinein, die Hornisgrinde, hier verstellt sie ein Wald. Aber kommt man im Juni und Juli zwei Stunden vor Mitternacht, dann sind es nicht nur die winzigen Blitze (von Autoscheinwerfem?) und Lichter von Straßburg, klein wie Fünkchen, sondern der an­ gestrahlte Turmhelm des Münsters, größer als sie alle, hell wie der Abendstern. Die reiche Stadt, römische Gründung, Bischofsstadt, Handels­ stadt, Stadt der Humanisten und des Buchdrucks: Kulturstadt: Große europäische Geschichte spiel­ te sich dort ab – und heute wieder. Eines der his­ torischen Wanderwegeschilder weist darauf hin. Am Abend des französischen Nationalfeiertags (14. Juli) ist das Feuerwerk von Straßburg zu se­ hen. Es hat sich herumgesprochen. Westlich da­ von trifft der Blick noch auf die Vogesen. Meine liebste „Ausgehzeit“ ist die Dämmer­ stunde bis zur völligen Dunkelheit. „Am Abend, 2 7 6 Gremmelsbach m it Schwarzwaldbahn: Die w elt­ berühm te Gebirgsbahn ist n u r noch lon wenigen Stellen aus einsehbar – zu überm ächtig is t der Wald, der die Täler „ fa s t erdrückt“ . Auch diese Im ­ pression bieten n u r das Teleobjektil oder Fernglas. wenn die Glocken Frieden läuten…“ (Trakl). Ich gestehe, dass mich schon eine andächtige Stim­ mung überkam, wenn nach alter Tradition vom Oberrötenbachhof und vom tiefstgelegenen Hof in Althornberg herauf, wie man früher sagte, „Betzeit“ (der „Angelus“ ) geläutet wurde, die Sonne hinter den Bergen versank, und danach, das ist geschworen, sie einen Abendhimmel her­ zaubert, das eine Mal schöner als das andere. Und vor allem: jeweils so verschieden, ganz an­ ders als es gestern Abend war und morgen Abend sein wird – und dies seit der Erschaffung der Welt. Ja es tut dir Leid um jeden Abend, den du nicht hier oben erlebt hast. Wenn du es so willst: jetzt kannst du mit dir, mit Gott, mit dei­ nem Schicksal, mit der Geschichte allein sein. Beim „Kreuzacker“ über Althornberg verlas­ sen wir für einige Zeit das offene Land. Wir haben zwei Möglichkeiten, beide mit der gelben Raute gekennzeichnet. Verirren können wir uns nicht. Wählen wir den Weg links vom Flurkreuz (den ich empfehle), kommen wir auf die Gersbachhöhe, eine Freifläche mit einem einzigartigen Blick auf Triberg, „die kleine Stadt im großen Wald“ , nach Althornberg und Homberg die dritte mittelalter­ liche Gründung. Dafür nehmen wir uns ausreichend Zeit, bis wir uns durch einen urwüchsigen, roman­ tischen Wald zum Rappenfelsen aufmachen. Nehmen wir beim „Kreuzacker“ den rechten, kürzeren und bequemeren Weg, so sehen wir nur noch von wenigen Punkten aus in die Ferne. Noch lassen nach einigen hundert Metern etwas abseits von unserm Weg junge Tannen einen Blick nach Norden auf das Hornberger Viadukt zu, nicht mehr viele Jahre. Bald können wir die ersten flachen Felsen betreten, und Triberg wird zu einem kleineren Teil im Süden sichtbar. Nahe sind die Höhen von Schonach und Niederwasser, das tiefe Gutachtal dazwischen; nicht von der Geschichte berührt sind der Rappenfelsen und der Obere Schlossfelsen, es sei denn die Scha­ lensteine wären keltischen, also nicht natürlichen



Freizeit Ursprungs. Die Geologen sind überzeugt, dass sie das Werk der Gletscher der Eiszeit sind, Archäologen, meist aber Hobbyhistoriker hoffen immer noch, dass sich Argumente finden lassen, die beweisen, dass es Überreste aus menschli­ cher Frühzeit sind. Schalen für welchen Zweck – für Tieropfer, Menschenopfer, Feuerstellen für Leuchtzeichen? Raubritter und Schatzsuche Von der Morgenstunde bis vor Mitternacht war ich zu jeder Zeit hier, selbst bei zweifelhaftem Wetter, einmal sogar bei einem überraschend auf­ ziehenden Gewitter, da gab ich nicht den Hel­ den, (vor wem auch?). Schon einmal schlug – der Sage nach – der Blitz ein und beendete für alle Zeiten das frevelhafte Spiel der Raubritter. Ich hatte nicht die Absicht, mich ihnen zuzugesel­ len. Auch gehörte ich nicht zur Schar der jungen Männer, die in einer Neujahrsnacht den Schatz, den die Burgmagd bis heute verwahrt, heben wollten. Heimatgeschichte kann auch skurril sein. Und vor 70 Jahren erzeugteein Blitzstrahl auf ei­ nem Felsen „Blitzglas“ , d.h. er veränderte die Oberflächenstruktur eines Felsens. Aber das ist für den Laien kaum zu entdecken. In früheren Jahren führte im Übrigen vom Rappenfelsen aus ein halsbrecherischer Pfad den Berg hinab zum Oberen Schlossfelsen. Der eigentlich historische Felsen, auf dem das „Schloss“ stand, ist erst der dritte, tiefste. Heute verbindetdie drei Felsen ein Zickzackweg, den der legendäre Triberger Unternehmer Franz Göttler mit seiner Wegebautruppe angelegt hat, „wie es ihnen ihre Heimatliebe befahl“ , so zu le­ sen in großen blauen Buchstaben auf einem ei­ sernen Gitter. Unzweifelhaft eine großartige Leistung, in alpinem, wirklich wildromantischem Gelände. Die Wanderung ist zum Abenteuer ge­ worden, sollte es ja auch. Innerhalb einer guten halben Stunde hat sich die Landschaft vollkom­ men verändert: Hochebene, Kulturlandschaft vorher, jetzt die Welt seit ihrer Erschaffung wie vergessen, von Menschenhand jedenfalls nie gestaltet, die Felsen hängen, liegen aufeinander, nebeneinander, drohen im nächsten Augenblick, loszubrechen, abzurutschen, Wildnis pur, Roman- 2 7 8 Die Schlossfelsen bieten eine tolle Aussicht: Links rag t eine m ächtige Tanne auf, in der Feme liegt Hornberg – im Vordergrund die Ruine Hornberg. Unten: Schmale, aber g u t begehbare Felswege, Aufstieg zum oberen Schlossfelsen. Im Schwarz­ w ald is t Sommer: der Fingerhut blüht.


tik pur. Und die Bäume scheinen so alt wie die­ se Brocken zu sein. Irrtum. Geschundene Waldbe­ sitzer, Holzfäller, die die Stämme auch zu Tal be­ fördern mussten, wissen es anders, ganz anders. Heinrich Hansjakob, der Volksschriftsteller, ließ es sich nicht nehmen, im Mai 1900 die Urhei­ mat seiner Vorfahren in Gremmelsbach aufzusu­ chen, nahm sich allerdingsfürdie Fahrtvon Has­ lach herauf nur einen Tag Zeit, entschieden zu wenig, um sich alles, was für ihn von Bedeutung gewesen wäre, anzusehen. Immerhin gelang es ihm, im Wagen bis an die Rappen- und Schloss-


Freizeit Geradezu „w in z ig “ lie g t einem lom Schlossfelsen aus „ d ie Welt zu Füßen“. Tief im Tal „lersteckt“ ist Niederwasser, die Häuser beim Vierten B auerleuch­ ten m it roten Dächern herlor. felsen zu kommen. Er schreibt: „Solch eine Aus­ sicht eigenartigsten Reizes hätte ich da oben nie erwartet. Man sieht nicht weit (wenn er nur den Blick auf die gegenüberliegenden Höhen von Schonach und Niederwasser meint, ist seine Aussage richtig, der Blick weitet sich jedoch nach Norden bis in die Nähe von Hausach und zum Brandenkopf), aber man schaut in eine so malerisch gruppierte Menge waldiger Bergspit­ zen, kleiner Täler und grüner Mulden, dass ei­ nem das Herz aufgeht vor Freude über dieses Stück Schwarzwald.“ (Erinnerungen einer alten Schwarzwälderin, Haslach 1982,13. Aufl. S. 43). „Die Welt, gesehen von den Felsen aus…“ Die Beschreibung der Aussicht von den drei größten Felsen, einer der schönsten im mittleren Schwarzwald, hat ihren Dichter noch nicht ge­ funden. Wer den Rappenfelsen bestiegen hat, wird seinen Blickvorallem anderen nach Norden lenken. Zwar wird der größte Teil der Stadt Horn­ berg von Bergen überragt, der Blick auf sie ist versperrt, die Burg und das Schlosshotel aber sind sichtbar. Und man entdeckt weiter: Das Gu- tachtal mit seinen typischen, malerischen Höfen, der Brandenkopf und seine Nachbarn, die Hor­ nisgrinde, die Berge, die das Gutachtal säumen; im Westen sind es die Höhen von Niederwasser und Schonach, der Rohrhardsberg als höchste Erhebung, waldbedeckte Bergkuppen, einzelne wenige, weit verstreute Höfe, auf Schonachs Höhen gewinnen drei Windkraftanlagen Strom, auf der Stöcklewaldhöhe ist in den hohen Bäu­ men der Turm nicht mehr zu erkennen. Triberg, voll Liebe auch das „Herz des mittleren Schwarz­ waldes“ genannt, sehr klein wirkt das „Städtle“ aus dieser Entfernung und aus diesem Blickwin­ kel. Zwischen ihr und uns liegen die Burghalde und der Seelenwald. Aus der Talsohle rauscht der Verkehrslärm herauf, zu sehen sind Bach und Straße nicht. 2 8 0 Anders liegen die Dinge beim mittleren, dem „Oberen Schlossfelsen“ . Das ist der, den man schon von Hausach aus sieht und meint, der Berg sei abgebrochen und zeige hier eine Fels­ wand. Von seiner Spitze aus wage man den di­ rekten Blick ins Tal nur, wenn man schwindelfrei ist. Von hier oben erhält man die richtige Vor­ stellung von der Tiefe des Gutachtales. Er ist so stolz und hoch, dass nichts vor ihm die Sicht in die Ferne verstellt. Talgrund, der Bach, die Bun­ desstraße, die Bahnlinie unter uns: hier muss man sich Zeit nehmen und vor allen Dingen wie­ der und wieder kommen. Einmal ist keinmal. Noch eine Beschreibung? Vom Schlossfelsen aus. Zunächst seien vor allem „höhere Semes­ ter“ gewarnt, ihn zu besteigen. Er ist bis zu sei­ ner Spitze, die beim Bau der Burg flach ge­ meißeltwurde, mit Bäumen bewachsen, und ih­ re abgetretenen Wurzeln, sind besonders nach


einem Regen gefährlich glatt. Und Bäume ver­ decken die Sicht, ihre Blätter im Sommer mehr als die Hälfte in der Runde. Mächtig wirkt an stei­ ler Halde der „Obere Schlossfelsen“ , wie gewal­ tig er ist, wird uns erst jetzt klar, von Althornberg ist gerade noch das Gewann „Zimmerwald“ zu sehen, in der Nähe der Schondelhöhe die zwei Windkraftanlagen, das schöne Gutachtal ver­ decken die Baumkronen, Württembergs einst höchster Berg, der „Karlstein“ , liegt uns ge­ genüber, die Höhen von Niederwasser und Scho- nach verfolgen wir nach Süden, von Triberg ist nur ein Bruchteilzu sehen, und unser Rundblick kommt auf unseren Ausgangspunkt zurück. Vom Haus im „Zimmerwald“ , das Hansjakobs Urahn, der„Vogelhans“ , besessen hatte, steht nur noch die Grundmauer mitten in jungem Wald. Wir se­ hen hinüberaufsein Gewann, direkt an unserem Weg liegt es nicht. Von einer Burgruine kann man nicht sprechen Die kurze Stunde, die Hansjakob auf dem oberen Leutschenbach und in Althornberg verbrachte, ließ ihm nur Zeit, seinen Blick in die Umgebung schweifen zu lassen. Von der ferneren Vergan­ genheit hatte er keine Kenntnis, konnte sie nicht haben, da die Forschung erst nach seinen jahren (1926 veröffentlicht durch Pfarrer Konrad Kal­ tenbach in den „Heimatblättern“ ) begann. Ob er überhaupt den eigentlich historischen, den un­ teren Schlossfelsen bestieg, ist zweifelhaft, denn ererwähntdie bedeutendsten, unübersehbaren Überreste – von einer Burgruine kann man nicht mehr sprechen – den Schacht, der das Wasser­ reservoir der Burgbewohner bildete, nicht, auch nicht die „Felsenkammer“ , geschweige denn die wenigen Mauerreste und die Meißelspuren um den Felsen. Unsere Kenntnisse über die ge- 2 8 1


F reizeit Auch K inderhaben am Wandern ihre F re u d e -z u m a l wenn am „B e rg h o f“ das Trampolin wartet. schichtlichen Vorgänge sind inzwischen so um­ fangreich geworden, dass sie kaum in einem abendfüllenden Vortrag ausgebreitet werden könnten. Soweit wir wissen, begann in histori­ scher Zeit mit der Rodungsarbeit des Adalbert von Ellerbach (1111) die Kultur in unserer Heimat. Ach, war das schön, als wir im zarten Kin­ desalter noch den Dampfzügen nachschauen konnten, auf der unteren Schleife in Niederwas- ser um den Eisenberg herum, und wie sie berg­ wärts in Richtung Triberg am Foreltenberg und talwärts am Hang in Gutach entschwanden, weil noch viel mehr von ihnen auf freier Strecke zu se­ hen war, derWald wegen Funkenflugs noch nicht so nah an den Bahnkörper heranreichte. Warum in aller Welt fuhren nicht noch mehr Züge? Am besten einer hinter dem anderen, und diese in beide Richtungen! So dachten wir. Noch war hier nicht die Rede von der Fauna und Flora: Pflanzen findet der Wanderer, die er hier 2 8 2 nicht erwartet. Maiglöckchen suchten wir als Kinder im tiefsten Wald, fast selbstverständlich hat sich hier das Immergrün, die „Burgenpflan­ ze“ , angesiedelt und bildet einen grünen Tep­ pich am Fuß des Burgfelsens. Sehr kühn wirkt die Vermutung, sie sei von heimkehrenden Kreuz­ fahrern aus Palästina mitgeführt worden. Die Brennnessel am Fuß des Schlossfelsens dage­ gen brauchte nicht eingeführt zu werden. Ein guter Botaniker und Zoologe muss man sein, um die Vielfalt der Pflanzen und Tiere in ihren Le­ bensgemeinschaften bestimmen zu können. An der heißen Halde zur Gutach kommen Arten von Faltern vor, die sich erst wieder im Kaiserstuhl finden. Ein Abstecher nach „Althornberg“ Die „Abenteurer“ lassen wir jetzt auf ihrem „Aben­ teuerwanderweg“ weiterziehen. Die Markierung weist sie in Richtung Burghalde und Steinbis. Jenseits der Gutach kommen sie auf dem Franz- Göttler-Weg zum Bahnhof nach Triberg. Wir ha­ ben das Ziel erreicht und wollen zum Ausgangs­ punkt zurückkehren. Wer noch keine runden Knie hat, kann den gleichen Weg bergwärts nehmen. Als Alternative lohnt sich auch der bequemere Weg durch den entferntesten Zinken von Grem- melsbach, „Althornberg“ , im Dialekt „d i alt’ Hor- met“ . Auf zunächst ebenem Weg, der durch den Tannenwald hindurch den Blick nach Nieder­ wasser ermöglicht, erreicht dieser beim unters­ ten Hof – der, mit dem Glöckchen auf dem Dach – ein befestigtes Sträßchen. Jetzt müssen wir uns ein weiteres Mal Zeit lassen. Schon am Aus­ gang des Waldes saßen schwere Beigen Schei­ terholz, links vom Scheunentorwartetein großer Haufen Bengel, rechts davon sind sie zerkleinert für den Herd. Vor dem Haus lässt uns der Garten nicht mehr los: Stangenbohnen, Buschbohnen, Erbsen, Rahnen, Mangold … und Blumen, von de­ nen ich längst nicht alle Namen kenne. Und tat­ sächlich: hier wird noch Getreide angebaut: Rog­ gen, Gerste und Hafer, auch Kartoffeln. Ein Weiher, früher Mahlweiher, heute Brand­ weiher spiegelt in seiner Tiefe die Wolken, Häh­ ne und Hühner erfreuen sich freien Auslaufs. Obstbäume, von denen einst der ganze Zinken


In A lthornberg erw artet den Wanderer der schöne Bauerngarten lon Gertrud Willmann. In der Nähe stehen M irabellenbäum e, w ird Getreide angebaut und in der Hofeinfahrt wacht der stolze Hahn über die Hühner. voll stand, gibt es um den Hof immer noch, aber die Nüsse, holen die Vögel, sogar wenn sie noch grün sind. Das Sträßchen führt wieder den Berg hinauf, zurück auf die Dieterlebauernhöhe: wir sind wieder auf dem Querweg Lahr-Rottweil. Dieser Teil ist unser eigentlicher „Rundweg“ gewesen. Wir kehren jetzt auf bekanntem Weg zurück zum nahen „Berghof“ oder Höhengast­ haus „Staude“ und nehmen gerne die Gelegen­ heit wahr, hier noch einmal zu rasten, die Ein­ drücke zu vertiefen, auf die Schatten zu schauen, die jetzt länger werden, und zu überlegen, wann wir wieder kommen. Zu viel versprochen? Text: K arl Volk, F otogrape: W ilfrie d D o ld 2 8 3


Freizeit Der Schwarzwald-Baar-Kreis ist eine Hochburg des Nordic Walking Die „Stöcklesgänger“ erobern die Wanderwege Sonntagmorgen im Villinger Germanswald, im Bad Dürrheimer Kapfwald oder bei der römischen Badruine in Hüfingen – das gleiche Bild: neben Joggern ziehen Nordic Wal­ ker vorbei, meist in kleinen Gruppen: zwei, drei oder vier, seltenerauch sechs. Häufig unterhalten sie sich auch noch angeregt bei diesem Ausdauersport. Erkennungszei­ chen: zwei Stöcke, die sie, wenn sie es richtig machen, nicht wie einen Spazierstock benutzen, sondern beim Schreiten etwa in der Mitte zwischen beiden Schuhen einste­ chen und sich damit nach vorne stoßen. ternimmt. Idealerweise belegen Anfänger einen Anfängerkurs. Ausgebildete Nordic-Walking-Trainer gibt es inzwischen in praktisch jeder Gemeinde und Stadt im Schwarzwald-Baar-Kreis, sie wurden entweder von den Nordic-Walking-Verbänden (zum Beispiel Deutscher Nordic Walking Ver­ band DNV und Nordic Walking Union) oder den Sportverbänden ausgebildet. So bietet der Badische Turnerbund zum Beispiel für die Übungsleiter seiner Turnvereine in seinem Bil­ dungszentrum in Feldberg-Altglashütten Nordic- Walking-Kurse an und der Skiverband Schwarz­ wald bildet in seinem Leistungszentrum Herzo- Früher teilten sich Jogger und Spaziergänger die Spazierwege, dann kam in den i98oer-Jahren das Walking auf und um das Jahr 2000 schwapp­ te dann die Nordic-Walking-Welle auf Deutsch­ land über. Anfangs mussten sie sich noch mit Kommentaren wie „Habt ihr die Ski vergessen?“ auf den Arm nehmen lassen. Inzwischen hat sich aberauch unter Joggern herumgesprochen, dass die „Stöcklesgänger“ einen Sport betreiben, der Hand und Fuß hat. Immer mehr Jogger tauchen irgendwann in der Nordic-Walking-Fraktion auf. Die Sportge­ schäfte im Landkreis haben den Trend aufgegrif­ fen und registrieren inzwischen, dass es sich bei Nordic Walking nicht um eine Eintagsfliege han­ delt. Mittlerweile ist der Schwarzwald-Baar- Kreis eine Hochburg des Nordic Walking. In bei­ nahe jeder Gemeinde gibt es Nordic-Walking- Treffs, bei denen man sich die ersten Schritte beibringen lassen kann. Diese Fitness- und Aus­ dauersportart ist zwar einfach zu lernen, alle Trainer und Instruktoren empfehlen aber, dass man zumindest am Anfang den Rat eines Anlei­ ters beherzigt und mit ihm fünf, sechs Touren un- Nordic Walking lässt sich überall im Schwarzwald- Baar-Kreis betreiben, h ier eine Im pression aus dem Ferienland bei Schön wald. 2 8 4


und interessierte Mitgliederzu Nordic-Walking- Trainern aus. Weil das Nordic Walking vom Sommertraining der Skilangläufer her abgeleitet ist, sehen es ge­ rade die Landesverbände des Deutschen Skiver­ bandes als ihre Domäne an. Weil aber auch die Wandervereine das Nordic Walking als eine dem Wandern verwandte Freizeitbeschäftigung anse- hen, fungieren nicht selten auch sie als Veran- staltervon Nordic-Walking-Treffs, etwa in Bad Dürr­ heim, und generieren damit einen neuen Schwung in der Mitgliederentwicklung. Die Fleimat- und Wanderakademie Baden-Württemberg hat den Trend aufgegriffen und bietet den Wanderfüh­ rern ihrer Trägerverbände, Schwarzwaldverein und Schwäbischer Albverein, Fortbildungskurse in Nordic Walking. Aber auch Gesundheitseinrichtungen wie das Bad DürrheimerSolemar sind längst auf den Zug aufgesprungen und bieten der interessier­ ten Öffentlichkeit diese Sportart in Kursform an. Im Medizinischen Trainingscenter (MTT) des So­ lemars können neben Aqua Power und Stepp Aerobicauch Nordic-Walking-Kurse belegt wer­ den. Das Solemar ist für Nichtorganisier­ te auf jeden Fall eine Anlaufadresse in Nordic-Walking-Knowhow. Nordic W a lk in g im S ch w a rzw ald-B aa r-K re is Deutsches Walking Institut (DWI) Dies alles reicht noch nicht aus, um den Schwarzwald-Baar-Kreis zu einer Hochburg des Nordic Walking zu machen. Dies ist der Ansied­ lung des Deutschen Walking Instituts (DWI) En­ de 2003 zunächst in Bad Dürrheim zu verdanken. Das DWI hat den Anspruch, Walking und Nordic Walking wissenschaftlich zu begleiten. Vorsit­ zender ist der an der Universität Karlsruhe leh­ rende Professor Dr. Klaus Bös, der sich haupt­ sächlich mit der Motorikforschung, Sport, Ge­ sundheit und Diagnostik beschäftigt. Sein Stell­ vertreter ist der Sportwissenschaftler Prof. Dr. Alexander Woll (Uni Konstanz). Das DWI verlegte im Sommer 2006 seinen Sitz nach Donau- eschingen. Seine Arbeit besteht unter anderem in der Ausbildungvon Nordic-Walking-Therapeu- ten und -Kursleitern aber auch in der Konzeption von Kursangeboten im rehabilitativen Bereich. Nordic Walking wird im Schwarzwald-Baar- Kreis flächendeckend betrieben, wie ein Blick in die Szene zeigt. Nordic Walking kann praktisch ab der Haustür betrieben werden, je nach Zeit­ budget kann man ein-, zwei- oder mehrmals wö­ chentlich losziehen. Einen guten Trainingseffekt erreicht


Freizeit man schon ab einer Tourenlänge von etwa einer halben Stunde, besser ist eine dreiviertel oder volle Stunde. Hier gibt es Nordic-Walking-Akti- vitäten. Unterwegs im Germanswald Rund um Villingen-Schwenningen gibt es noch keine spezielle Nordic-Walking-Route, jedoch verfügt die Stadt über etliche Wanderwege, die vorzüglich für Nordic Walking geeignet sind. Beliebte Strecken sind die nicht geteerten Wan­ derwege im Villinger Germanswald (im Kurge­ biet), auf der praktisch täglich Nordic Walker un­ terwegs sind, derTrimm-dich-Pfad beim Turner­ heim „Waldeck“ in VS-Schwenningen oder das Schwenninger Moos. Viele Vereine bieten Nordic- Walking-Treffs an, vorneweg die großen Sport­ vereine wie Turngemeinde Schwenningen oder Turnverein Villingen, aber auch kleinere Vereine wie der Deutsche Alpenverein. Der Einstieg ist zum Beispiel beim Nordic-Walking-Treff des Turnvereins Villingen jederzeit möglich. Nähere Infos gibt es unter www.tvvillingen.de Auch an Brigach und Breg entlang Die Tourist Information Donaueschingen koope­ riert mit dem Deutschen Walking Institut, weist 2 8 6 die Gäste darauf hin, dass ihnen dort Vorschlä­ ge für Touren und Kurse gemacht werden. Seit 2006 gibt es in Donaueschingen einen zusam­ men mit dem Deutschen Ski Verband (DSV) kon­ zipierten Nordic-Walking-Parcours. Start ist am Buchberg. Es gibt Routen mit 3,9,6,3 oder 8,9 Ki­ lometer Länge mit Höhendifferenzen von 47 bis 78 Meter. Beim Fremdenverkehrsamt gibt es auch Tou­ renvorschläge auf Wanderwegen, die für Nordic- Walking-Touren genutzt werden können. Vom Stadtrand aus gibt es vielfältige Möglichkeiten, auf Rundkursen zu laufen, etwa über das Jäger­ haus zum Staffelberg in Richtung Grüningen oder von der Kreisklinik in Richtung Wolterdin­ gen oder Amalienhütte. Schatten bietet auch der Fürstenbergpark, und entlang der Brigach kann zum Zusammenfluss mit der Breg gelaufen wer­ den und dort weiter in Richtung Pfohren der Do­ nau entlang. Einsteigerkurse bietet auch die VHS der Baar (Sitz: Donaueschingen) an. Bad Dürrheim: Drei Schwierigkeitsgrade Hier gibt es drei ausgewiesene Nordic-Walking- Strecken, die von der städtischen Tourismusge­ sellschaft Kur und Bäder GmbH zusammen mit dem Deutschen Walking Institut ausgearbeitet wurden. Ausgesucht wurde die Streckenführung nach wissenschaftlichen Erkenntnissen von Dr. Petra Mommert-Jauch und ihrem Kollegen, Professor Klaus Bös, von der Sportuniversität Karlsru­ he. Start und Ziel sind im Hinden- burgpark. Wie bei den Skifahrern wurden die Strecken farblich ge­ kennzeichnet, in der gleichen Ab­ stufung: Blau für leicht, Rot für den mittleren Schwierigkeitsgrad und Schwarz für die anspruchs­ volle Walking-Runde. Fünf Kilo­ meter Länge hat die Kurzdistanz. „W ir haben hier keine großen Nordic Walking a u f der Baar – das großzügige Wegenetz bietet beste Bedingungen. Rechte Seite: Die richtige Ausrüstung zählt.


Nordic W a lk in g im S ch w a rzw ald -B aa r-K re is Trainer. „Wir beobachten, dass die Nachfrage stark zunimmt, ein Höhepunkt ist aber wohl er­ reicht“ , berichtete Stefan Schürlein von der Tou­ rist-Information Schönwald. Auch in Gütenbach, Vöhrenbach, Dauchingen und Tuningen viele Nordic Walker unterwegs Das Gütenbacher Tourismusbüro teilt mit, dass es auf der Gemarkung keine speziellen Nordic- Walking-Routen gibt, „auf den meisten unserer Wanderwegen kann man Nordic Walking machen und man sieht auch viele Nordic Walker auf die­ sen Wegen“ . Auch in Tuningen gibt es keine aus­ gewiesenen Nor- dic-Walking-Rou- ten aber ein gut ausgebautes Wald­ wegenetz, das f ü r ‚ diese Sportart gut geeignet ist. Die Volkshochschule und die Turngemeinde bie­ ten Nordic Walking an. Inge Bartmann von der i | Gemeindever- ’ waltung: „Es Steigungen eingebaut“ , erklärt Mommert-Jauch. Das einzigartige an dieser Distanz ist die Be­ schilderung mit Gymnastikiibungen zur Beweg­ lichkeit und Körperwahrnehmung, zur Kräfti­ gung der Wirbelsäule, des Schultergürtels, der Hüfte und der Kniegelenke, Förderung von Ge­ lenkbalance und Gleichgewichtssinn steht im nächsten, dem dritten Abschnitt im Mittelpunkt. Für die Entspannung und Atmung ist auf dem letzten Teil der Strecke gesorgt. Die rote Runde ist 6,5 Kilometer lang und bei der schwarzen Runde kann der Nordic Walker wählen zwischen den 11,6 Kilometern oder einer Abkürzung auf acht Kilometer. Infos gibt es über www.sv-bd.de. Kurse in Nordic Walking und Aqua-Nordic- Walking bietet weiter das Solemar an, die Kurse im Wasser werden entweder im Minara oder im Solemar abgehalten (www.solemar.de). Das Ferienland ist reich an Routen Im so genannten „Ferienland“ , wie die gleich­ namige Tourismusgesellschaft heißt, gibt es mehrere ausgewiesene Nordic-Walking- Strecken. Die Routen sind zwischen 2,5 und 7,5 Kilometer lang. Für Urlauber wird eine Nordic-Walking-Pauschale angeboten, die in Privathäusern, Pensionen und Hotels ge­ bucht werden kann, sie beinhalten ei­ nen Nordic-Walking-Kurs und Karten­ material. Der besondere Clou: der Gast kann die Stöcke am Schluss behalten. Die Touren konnten ausgeschildert werden dankeiner großen Unterstützung durch den Naturpark Südschwarzwald. Die Gemeinden Schonach, Schönwald und Furtwangen ge­ hören durch das ganzjährige Angebot (im Win­ ter hervorragend präparierte Loipen, im Sommer speziell ausgezeichnete und klassifizierte Nor- dic-Walking-Strecken) zu den Nordic-Aktiv-Zen- tren des Deutschen Skiverbandes. Jede Tourist-Information in diesen Gemein­ den und jedes Sportgeschäft bietet einen Stöcke­ verleih an. Kurse finden beinahe täglich statt. Einzelkurse sind auch jederzeit über die Tourist-Informationen zu buchen. Je­ des größere Hotel ist in das Angebot in­ tegriert und hat zum Teil sogar eigene


Freizeit sind verstärkt Nordic Walker auf den Wald- und Wanderwegen zu beobachten.“ Es gibt einen Wanderparkplatz als geeigneten Ausgangs­ punkt für Nordic Walking, er befindet sich auf der Strecke zwischen Tuningen und Talheim (K5711). In Dauchingen wiederum bietet der Gymnastik- und Sportverein Nordic Walking an. In Vöhrenbach gibt es zwar keine ausgewie­ senen Routen, aber viele Wanderwege, die auch für Nordic Walking geeignet sind. Beim Turnver­ ein kann man Nordic Walking auch in der Grup­ pe betreiben. Private Nordic-Walking-Treffs in Bräunlingen Das Rathaus Bräunlingen berichtet, dass vor al­ lem Einheimische auf den Wanderwegen Nordic Walking betreiben. Ausgeschilderte Routen gibt es noch nicht. Es gibt allerdings, wie Maren Ott vom Amt für Tourismus und Sport, berichtet, ei­ nige private Nordic-Walking-Treffs. Im Rahmen des Internationalen Schwarzwald-Marathons kann man auch eine io-Kilometer- und eine 21,1- Kilometer Nordic-Walking-Strecke absolvieren. Nähere Auskünfte gibt es unter www.schwarz- waldmarathon.de Niedereschach: Zwei Vereinsangebote Speziell ausgewiesene Nordic-Walking-Routen gibt es zwar noch nicht. Dafür aber gleich zwei Vereinsangebote: Beim FC Kappel und beim SV Niedereschach. Auch in Niedereschach seien verstärkt Nordic Walker auf Wald- oder Wander­ wegen in der Gesamtgemeinde anzutreffen, be­ richtete die Gemeindeverwaltung. Die Nordic- Walking-Gruppe in Kappel trifft sich beim Sport­ stadion in Kappel, in Niedereschach ist Treff­ punkt bei der Schule Niedereschach in der Fried­ hofstraße. Hüfingen: Ein großes Wegenetz Ausgewiesene Nordic-Walking-Routen gibt es nicht, jedoch bietet sich das beschilderte Wan­ derwegenetz optimal auch für Nordic-Walking- 2 8 8 Touren an. Der TUS Hüfingen hat regelmäßige Nordic-Walking-Angebote. Das gesamte Wander­ wegenetz ist gut ausgebaut, gut beschildert und bietet sich gut für Nordic Walking an; sehr stark von Nordic Walkern frequentiert sind ausgehend vom (Wander-) Parkplatz Römerbad die Strecken des Kräuterlehrpfades (kleine Runde etwa fünf Kilometer, große Runde acht Kilometer) sowie die Strecke nach Bräunlingen und über die Scho- senhöfe wieder zurück. Weitere geeignete Strecken: Rundweg Stadt­ teile Hausen vor Wald nach Behla (über Frei­ fläche und Wald etwa sechs Kilometer); Rund­ weg Behla-Sumpfohren (etwa fünf Kilometer); Rundwege Fürstenberg/Schächer vom Wander­ parkplatz Schächer aus; Rundwege beim Wan­ derparkplatz Gauchachschlucht; Rundwege Hü­ fingen bei den Riedseen. Horst Vetter von der Stadtverwaltung: „Es werden immer mehr Nor­ dic Walker festgestellt, hauptsächlich vom Park­ platz Römerbad aus.“ Nordic-Walking-Parcours eröffnet Die Gemeinde Königsfeld hat im Frühjahr 2007 einen Nordic-Walking-Parcours eröffnet. Fünf ausgewiesene Nordic-Walking-Touren umfassen alle Schwierigkeitsgrade, Startpunkte sind am Rathaus (Hotel Doniswald) in Königsfeld und am Rathaus im Ortsteil Buchenberg. DieTouren sind 4,9 bis 12,1 Kilometer lang. Unterwegs gibt es je­ weils ein Halbzeit-Schild mit Angabe der Rest- Entfernung. Grundsätzlich sind aber alle Wan­ derwege geeignet. Andrea Hermann empfiehlt für Einsteiger den Hackschnitzelweg im Donis­ wald und für alle, wegen der herrlichen Land­ schaft, die Höfe- und MUhlenwanderwege (bis 12,8 Kilometer Länge). Andrea Hermann: „Be­ sonders beliebt ist bei den Nordic Walkern der Doniswald und derRundwegum Königsfeld.“ An mehreren Stationen/Parkplätzen sind die Höfe- und Mühtenwanderwege (Rundwege) ausge­ schildert. Sie eignen sich auch für Nordic Walker. Teile dieser Wege sind geteert. Obwohl eigentlich weiche Wanderwege be­ quemer mit Stöcken zu laufen sind, werden die­ se, teilweise geteerten Wege, von den Nordic Walkern in Königsfeld zu hundert Prozent ak-


zeptiert und mit Begeisterung begangen. Ein Ho­ tel bietet eigens ein Arrangement Nordic Wal­ king im Naturpark Südschwarzwald an. Blumberger Nordic-Walking-Aktiv-Zentrum Die Stadt Blumberg hat zusammen mit dem DSV ein Nordic-Walking-Aktiv-Zentrum mit sechs Strecken von 3,2 bis 11,7 Kilometer Länge aus­ gewiesen, eine sogar als „Grenz-Tour“ zur Schweiz hin. Alle Routen sind vernetzt, so dass man sein individuelles Programm zusammenstellen kann. Höhendifferenzen zwischen 68 und 250 Höhen­ metern sind möglich. Bei den Nordic-Watking- Strecken wurde darauf geachtet, dass für sämt­ liche Stadtteile der Stadt Blumberg eine Ein­ stiegsmöglichkeit gegeben ist. Mehrere Vereine, ob Turn-, Sportclub oder Landfrauen, bieten Nor- dic-Walking-Kurse und nehmen an sportlichen Veranstaltungen teil. Neben den Vereinen bietet auch die Volkshochschule Kurse an, um den Ein­ stieg in das Nordic Walking mittels fachgerech­ ter Unterstützung zu erleichtern und zu trainie­ ren. Information über Nordic-Walking-Kurse gibt es bei der Stadtbibliothek. Zahlreiche Gastrono­ men und Einzelhändler bieten einen Stockver­ leih an. Naturpark veröffentlicht Nordic-Walking-Guide Die Verwaltung des Naturparks Südschwarz­ wald, dem ein Teil der Gemeinden im Schwarz- wald-Baar-Kreis angehört, hat zusammen mit der Sporthochschule einen Nordic-Walking- Guide herausgegeben (Titel: „Nordic Walking im Südschwarzwatd“ . Das Buch ist in den Fremden­ verkehrsämtern der Mitgliedsgemeinden erhält­ lich.) Ende des Jahres 2006 waren im Naturpark Südschwarzwald mehr als 900 Kilometer Nordic- Walking-Strecken in 40 Gemeinden nach einem einheitlichen System ausgeschildert. Wenn die in Donaueschingen lebende Sport­ wissenschaftlerin Dr. Petra Mommert-Jauch vom A u f den Höhen um Bräunlingen bietet das Nordic Walking auch Rundblicke über die gesam te Baar. Nordic W a lk in g im S chw a rzw ald-B aa r-K re is Deutschen Walking Institut (DWI) in Donau­ eschingen über die Trendsportart spricht, hört man nicht nur die Dozentin an der Universität Karlsruhe, sondern auch eine Praktikerin, die sich seit Jahren intensiv mit der Materie be­ schäftigt. 1.000 Baden-Württemberger hat das Institut beim Nordic Walking mit Video gefilmt und die Aufnahmen ausgewertet. „Nordic Wal­ king und Skilanglauf sind nicht das selbe. Der Skilanglauf lebt von der Gleitphase und das gibt es beim Nordic Walking nicht“ , räumt sie mit so manchem Missverständnis auf. Die typischen Nordic Walker sind ihrer Beobachtung nach Frau­ en ab 40, jedoch kommen zunehmend auch Män- neraufden Geschmack, mehrals beim normalen Walking. Dr. Mommert-Jauch warnt auch vor zu viel Hektik: „Wer Nordic Walking schneller als acht Kilometer in der Stunde betreibt, belastet seine Gelenke mehr als beim Joggen.“ Die Sportwis­ senschaftlerin empfiehlt jedem, täglich 8.000 bis 10.000 Schritte zu machen, denn Beweglichkeits­ training sei der beste Schutz vor Arthrose. Nordic Walking könne man jeden Tag betrei­ ben, 60 bis 90 Minuten lang, sofern man keine Probleme bekomme, so Dr. Mommert-Jauch. Ein­ steiger sollten sich langsam steigern. Ein ge­ sundes Maß sei bei Nordic Walking eine Stunde Training an zwei bis drei Tagen in der Woche, wo­ bei 6,5 bis 8,0 Kilometer gegangen werden soll­ ten. Hans-Jürgen Eisen m an n 2 8 9


Freizeit Das Abenteuer Naturhochseilgarten Triberg Zurück im „Baumhaus der Kindheit“ oder: Der Wald aus einem anderen Blickwinkel Es fühlt sich an wie damals, im Baumhaus der Kindheit, nur irgendwie besser. Damals gab es kei­ nen Helm, keine Karabiner und keine persönliche Einweisung einer erfahrenen Fachkraft. Aber der Duft von Wald, Harz und Sonne ist eindeutigder gleiche. Sieben Meter über dem Boden und nur gesi­ chert durch zwei Metallschlaufen, die an einem Stahlseil zwischen zwei Bäumen hängen, kann man schon mal gedanklich abschweifen. Aber wer über das Erlebnis Hochseilgarten schreiben will, sollte es auch ausprobiert haben. Also zwin­ ge ich mich zuerst in ein Konstrukt aus Schlaufen und Ösen, das laut Werner Haas vom Naturhoch­ seilgarten bei den meisten Kunden die Assozia­ tion einer Windel hervorruft. Diese Windel wird mir aber das Leben retten, sollte ich tatsächlich vom Weg abkommen. Nach einer genauen Ein­ weisungin die zwei Karabiner, die an der Windel befestigt sind, gibt es einen Testlauf auf dem si­ cheren Boden. Diezwei Karabinerwerden an den Sicherheitsseilen befestigt, der herzförmige mit Rollen vor dem Haken. Wenn das sitzt, geht es hi­ nauf in die Bäume. Seit August 2006 können mutige Besucher den Aufstieg in luftige Höhen wagen. Die beiden Industriekletterer und Arbeitskollegen von der Triberger Bergwacht, Michael Feser und Werner 2 9 0 Haas, hatten die Idee, einen Naturhochseilgar­ ten ganz in der Nähe der berühmten Wasserfäl­ le zu bauen. „Wir wollten hiereinfach mehr für die jungen und mittelalten Touristen bieten“ , erzählt Feser. Ein Naturhochseilgarten besteht aus ver­ schiedenen Hindernissen, die in einer Höhe zwi­ schen vier und 20 Metern zwischen den Bäumen in einem natürlich gewachsenen Wald befestigt sind. Die Kletterer bekommen einen Klettergurt, einen Helm und eine ausführliche Einweisung von den Trainern. Am Klettergurt befinden sich zwei Karabiner, mindestens einer dieser Karabiner ist immer im Sicherungsseil eingehängt. So bewegt man sich sicher über die Brücken zwischen den Bäumen. Sollte jemand einmal nicht weiterkom­ men, stehen geschulteTrainer mit Rat und Tatzur Seite. In der Not können Besucher jederzeit aus dem Hochseilgarten abgeseilt werden. Gestartet sind Feser und Haas mit zwei Tou­ ren, einer leichten und einer etwas schwereren. 2007 ist eine dritte Tour hinzugekommen, die ist „richtig schwierig“ und sowohl körperlich als auch geistig sehr anspruchsvoll. Sieendetauf ei­ nem Plateau in Respekt einflößenden 20 Metern Höhe. Doch im Frühjahr diesen Jahres musste das Forestfun-Team erst einmal einen herben Rückschlag einstecken: Orkan Kyrill hatte auch im Hochseilgarten einiges an Schaden angerich­ tet, fast ein Drittel der Anlage zerstört. „Ein ein­ zelner umgekippter Baum hat uns fünf Stationen kaputt gehauen“ , berichtet Feser. Die Über­ bleibsel des umgefallenen Baums wurden zu ei­ ner Sitzbank umgebaut – so bietet der Zerstörer auch noch einen Nutzen. Die schwerste Aufgabe kommt am Anfang An fallende Bäume sollte ich momentan aber nicht denken, über eine steile Leiter geht es fünf Über eine schm ale Leiter g e h t es lon einer Platt­ form a u f die nächste – im m er höher hinauf.


Am Schluss gibt es aßs 20-Metern Höhe eine Seilfahrtzurück auf die Erde. Die macht jedem Spaß, so die Beobachtung von Michael Feser und Werner Hpas, die den Naturhochseil- garfetTverwirklicht haben.


Freizeit Meter hinauf auf eine Plattform, dem Beginn der leichtesten Tour. Das erste Hindernis: Eine Art ln- diana-Jones-Seilbrücke aus Brettern, die im letz­ ten Teil deutlich ansteigt. Der erste Schritt ist der schwerste. Es wackelt und schaukelt, dabei muss man sich noch auf das Ein- und Aushängen der Karabiner konzentrieren. Keine leichte Aufgabe, fast sogar die schwerste im ganzen Parcours. „Das ist Absicht“ , erklärt Haas. „Wer den ersten Abschnitt schafft, bewältigt auch den Rest.“ Viele der Besucher suchen geradezu einen the­ rapeutischen Effekt, wollen ihre Höhenangst überwinden. „Es ist natürlich toll, wenn sich ein Erfolgserlebnis einstellt. Da wird man von Besu­ 2 9 2 Vom Boden aus w ird deutlich, in wel­ chen Höhen sich die Kletterpartien beim Triberger Wasserfall abspielen. chern schon mal vor lauter Freude und Erleichterung geknutscht“ , schmun­ zelt Michael Feser. Aber auch ein 84- Jähriger aus St. Georgen hat sich schon in den Naturhochseilgarten ge­ wagt, seine Frau kommentierte dies nur mit den Worten: „Du spinnst ja.“ Egal ob Kind oder Greis: Für das Er­ lebnis Naturhochseilgarten sind keine Vorkenntnisse nötig, alles was benötigt wird sind feste Schuhe, bequeme Klei­ dung und ein bisschen Vertrauen in das Material. Kinder können ab circa acht Jahren teilnehmen. Bedingung ist, dass sie auf eine Höhe von 1,60 Meter hinaufgreifen können, in dieser Höhe verlaufen die Sicherungsseile. Nicht Leistung und Schnelligkeit ste­ hen im Vordergrund, sondern derSpaß und das Erlebnis Natur. Direkt in den Bäumen bietet sich ein völlig anderer Blickwinkel auf den Wald. An schönen Tagen werden die Kletterer von Eich­ hörnchen begleitet, die sich wohl wun­ dern, was die Menschen in solch lufti­ ge Höhen treibt. Die Hindernisse der Touren, auch Stationen genannt, sind kreativ ge­ macht und verlangen Konzentration und körperliches Geschick. Die leichteste Tour besitztsieben Hindernisse und endet auf sieben Meter Höhe. Tour zwei geht über zehn Stationen auf elf Meter Höhe. Die schwerste dritte Tour, die nur geübte Kletterer anpacken sollten, besitzt elf Hindernisse in bis zu 20 Meter Höhe. Eine vierte Tour ist geplant und soll vom Schwierig­ keitsgrad her zwischen Tour eins und zwei lie­ gen, um den manchmal auftretenden Stau auf den leichteren Touren zu entlasten. Die tapfereren Kletterer müssen in den Wip­ feln über dünne Balken, im Zickzack angeord­ net, oder über Baumstämme balancieren. Ein Spinnennetz aus Seilen ist zwischen die Bäume


gespanntund manchmal bringt einen nurein be­ herzter Sprung über den Abgrund voran. Knifflig ist auch eine Konstruktion aus Feuerwehr­ schläuchen. Alle Stationen sind Marke Eigenbau und von Werner Haas und Michael Feser entwor­ fen und gebaut. „Wir wollen bei den Hindernis­ sen einen Mittelweg finden zwischen Anspruch und Spaß“ , erklärt Feser ihre Motivation. Jeden Morgen werden die Konstruktionen bei einem Rundgang überprüft, einmal wöchentlich die Schrauben nachgezogen. Und obwohl es offiziell keinen TÜV für Hochseilgärten gibt, lassen die Be­ treiber die Anlage natürlich vom TÜV überprüfen. Anspruchsvoll sind alle Hindernisse, die größte Herausforderung während der Tour ist je­ doch das Umstecken der Karabiner. Das verlangt am meisten Geschick und auch Grips, man wird tatsächlich mental gefordert. Vor lauter Karabi­ ner an- und abhängen fällt einem aber gar nicht auf, dass man sich mehrere Meter über dem Bo­ den befindet. Mit einem großen Schritt ins Leere Erst beim krönenden Abschluss der Tour wird dies sehr bewusst. Auf der letzten Plattform sind zwei rote Füße eingezeichnet, der Weg führt ins Nichts, nureinSeilverschwindetirgendwo im Wald. „Einfach einen großen Schritt machen“ , macht Haas von unten Mut. Gar kein Problem. Ein Schritt ins Bodenlose und los geht es, an der Seilbahn dem Waldboden entgegen. Da können die Kara­ biner endlich zeigen, was sie halten können. An­ geblich bis zu zwei Tonnen. Die kurze Hängepar­ tie an der Seilbahn ist ein Riesenspaß. Nahezu jeder, der den Schritt von der letzten Plattform gewagt hat, kommt unten selig lächelnd an. „Die Rutschpartie hat einen echten Smiley-Effekt“ , erzählt Haas. Über4.ooo Besuchersind in derSaison 2006 bereits glücklich lächelnd aus dem Naturhoch­ seilgarten gekommen, im Jahr 2007 sollen es noch mehr werden. „Die Leute sind hochzufrieden, wir haben hundert Prozent positive Resonanz“ , be­ tont Feser stolz. Etwa 200 Besucher werden pro Tag durch den Naturhochseilgarten geführt, die Saison geht von Ostern bis Oktober. Gruppen, Vereine, Kindergeburtstage und Schulklassen soll­ N a tu rh o c h s eilg a rten Triberg Luftige Brücke – wer sicher am Stahlseil hängt, traut sich auch diese Überquerung zu. ten sich vorher anmelden. 60 Ausrüstungen ste­ hen zur Verfügung, wenn alle in Gebrauch sind, wird es aber ganz schön eng über den Wipfeln des Schwarzwalds. „Wir planen schon weiter: 2008 soll noch eine Tour dazu kommen, die komplett aus Seilrutschen besteht“ , erzählt Feser. Also ei­ ne richtige Spaßtour, bei der das originale Tar­ zan-Gefühl aufkommt, wenn man, natürlich gut gesichert, durch den Wald saust. A n ja A rn in g Naturhochseilgarten Triberg Öffnungszeiten von April bis Oktober: In den Ferien und an Sonn- und Feiertagen, täglich von 10.00 bis 18.00 Uhr. Sonst von 14.00 bis 18.00 Uhr und nach Absprache. Lage: Im Landschaftsschutzgebiet Wasserfall, ca. 15 Gehminuten vom Haupteingang entfernt, am Weg zwischen Wasserfall und Bergsee. Nur zu Fuß erreichbar. w w w .fo re stfu n .d e 2 9 3


2 0 . Ka p i t e l St ä t t e n d e r Ga s t l i c h k e i t Parkhotel Wehrle – eine erste Adresse Der neue Wellnessbereich „Sanitas Spa“ hat deutschlandweiten Vorbildcharakter sich um das Parkhotel Wehrle in Triberg. Eine besagt, dass Na­ poleon Bonaparte im Zimmer Nummer 101 übernachtet hat, ei­ neandere, dass Ernest Hemingway hier zwei Bücher geschrieben hat. Sicher ist: Der Literatur-Nobelpreisträger von 1954 hatte sich in den i92oer-)ahren zum Flie­ genfischen in den umliegenden Bächen im Zim­ mer 208 einquartiert und ließ sich seinen Fang vom damaligen Küchenchefzubereiten. Sicher ist auch, dass das Parkhotel Wehrle im Jahr 2007 seine Position als eines der Spitzenhotels im Schwarzwald nicht nur behauptet, sondern auch konsequent ausgebaut hat: Im Frühjahr wurde mitvie- len prominenten Gästen – darunter Ministerpräsi­ dent Günther Oettinger – der neue Wellnessbereich eröffnet. Bürgermeister Gallus Strobel nannte den Tag der Einweihung am 21. April einen „Freu­ dentag für die Stadt“ . Das Engagement von Günther Möckesch für das Hotel und die Einrich­ tung des „Sanitas Spas“ sei ein „entscheidender Baustein für die Zukunft der Stadt“ . Er über­ reichte Günther Möckesch zudem die silberne Bürgermedaille der Stadt Triberg, bevor die große Besucherschar den neuen Wellnessbe­ reich unter die Lupe nahm. Wobei die Bezeichnung „Bereich“ fast etwas bescheiden anmutet, wenn man bedenkt, dass Günther Möckesch nicht weniger als 6,5 Millio­ nen Euro in das „Sanitas Spa“ investiert hat. Auf 1.200 Quadratmetern können sich Erholungs­ suchende nach allen Regeln der Kunst entspan­ nen und verwöhnen lassen. Ein großzügiges Schwimmbecken ist dabei nur ein Blickfang in dem komplett neu erbauten Gebäude, das ober­ halb des idyllischen Parks mit seinem stolzen Mammutbaum liegt. Das Design der Innenräume präsentiert sich mit filigranen Mosaik-Kacheln in verschiedenen Farbkompositionen, als immer wiederkehrende Elemente aus einem Guss. Günther Möckesch is t die lorbildliche Wiederbele­ bung des Parkhotels Wehrle in Triberg zu lerdanken. Bürgerm eister Gallus Strobel weiß um die großen Verdienste des in Am erika lebenden Tribergers, der auch die Triberger Erlebniswelt realisieren w ill und lerlieh ihm die silberne B ürgerm edaille d er Stadt. „Mit Wellness geht es in die richtige Richtung“ „M it Wellness bewegen wir uns in die richtige Richtung“ , sagt Georg Wiengarn, der im Parkho­ tel Wehrle seit Dezember 2003 die Einzelproku­ ra innehat. „Wellness ist längst kein Trend mehr.“ Mittlerweile gibt es eine bundesweit gül- 2 9 4


Ein geschichtsträchtiges Haus is t das Parkhotel Wehrle, h ier in den tgsoer-Jahren und unten der Er­ w eiterungsbau fü r den Wellnessbereich. tige Klassifizierung für Wellnessbereiche – das „Sanitas Spa“ wird voraussichtlich dabei den höchsten Standard, fünf Sterne, erhalten. Viele Hotels werben mittlerweile mit „Wellness“ in Prospekten, selbst wenn in ihrem Keller lediglich ein Solarium steht. Die Klassifizierung gibt den Gästen die Sicherheit, dass sie nicht nur ein ge­ prüftes Angebot vorfinden, sondern auch von qualifizierten Fachkräften betreut werden. Im „Sanitas Spa“ etwa von Physiotherapeuten oder speziell ausgebildeten Nordic Walking-Trainern. Zehn neue Arbeitsplätze sind durch den Bau der Wellness-Oase entstanden, womöglich, so Ge­ org Wiengarn, werden es noch mehr. Das frühere Hallen- und Freibad musste für das Spa (der Name leitet sich vom belgischen Ba­ deort Spa ab) weichen. Eineinhalb Jahre Bauzeit stecken hinter dem Projekt. „Erst stand das In­ nenraumkonzept“ , sagt Wiengarn, „dann hat die Architektin das Haus sozusagen drumherum ge­ plant“ . Das Innenraumkonzept präsentiert sich nicht nur aus einem Guss, sondern lässt auch keine Wünsche offen. In den Einzelkabinen, die teil­ weise über einen eigenen Whirlpool verfügen, werden Gesichtsbehandlungen und Massagen angeboten, sie kann man alleine oder auch zu zweit für einen ganzen Tag mieten und hat – ab­ gesehen von den kosmetischen Behandlungen – keinen Menschen um sich und kann in Ruhe ab­ schalten, sofern man das möchte. Im Fitness­ raum genießen die Sportler während dem Trai­ P ark h o te l W e h rle – e in e e rste A dresse ning auf dem Laufband oder an den Geräten den Blick auf die gegenüberliegende Seite der Stadt, in den Erlebnisduschen regen wechselndes Licht und Düfte die Sinne an. Zentimeter dickes Eis an den Wänden Besonders stolz ist man auf den Eisraum, in dem die Saunagänger Abkühlung finden. „Ein klassi­ sches Tauchbecken hat doch jeder“ , erklärt das Parkhotel. Stattdessen wurde ein Eisraum ge­ staltet, der in seinen klaren, hellen Blautönen schon per se frisch wirkt, und auf mehrere Mi­ nusgrade heruntergekühlt so richtig kalt wird – Im Eisraum s in d die Wände zentim eterdick m it einer Eisschicht belegt, die Sitzbänke aber sin d beheizt. Rechts: Beim Laufband-Training, sehr exklusil is t auch der Fitness-Bereich ausgestattet. 2 9 5


S tä tte n d e r G astlichkeit so kalt, dass die Wände zentimeterdick mit Eis überzogen sind. Einen Kälteschock muss jedoch niemand fürchten: Die Sitzbank und der Fußbo­ den sind beheizt. Wer sich lieber von der echten Schwarzwaldluft abkühlen lassen möchte, ist bei der Stollen-Sauna richtig. Wer hier geschwitzt hat, wählt weder Eisraum noch kalte Dusche, sondern besucht den neben der Sauna gelegenen und nicht überdachten Raum. Hier variiert die Ab­ kühlung je nach Wetterlage und Jahreszeit – mal bringt ein Sommerregen die Erfrischung, mal ist es ein schneidiger Winterwind, mal ein Schnee­ gestöber. Ausgefeilt ist nicht nur das Sichtbare des Spas, auch die weitläufigen Technikräume wur­ den nach dem neuesten Stand gebaut. Das große Schwimmbecken etwa wurde – verein­ facht gesagt – auf Betonstelzen errichtet und ist so von allen Seiten gut zugänglich, was Wartung und Reparaturen erleichtert. Wenige Wochen nach der Eröffnung des „Sa- lm Lichterglanz, das Parkhotel in Abendstim m ung. nitas Spa“ ist die Resonanz durchweg positiv. „Die Hotelgäste nutzten das Angebot ordentlich und wir bekommen ausnahmslos positive Rück­ meldungen“ , freut sich Georg Wiengarn. Auch in den Park, der dem Hotel letztlich seinen Namen gab, wurde investiert. Wege und Beete wurden erneuert, neue Lampen tauchen die Anlage rund um den Mammutbaum abends in ein angeneh­ mes Licht. Damit der Koloss – er gehört übrigens zu einer Unterfamilie der Zypressengewächse – im Schwarzwald-Klima auch gedeiht, kommt er einmal jährlich in den Genuss einer eigenen „Spa“ -Behandlung, bei der den Wurzeln spezi­ eller Dünger verabreicht wird. Was die Speisekarte betrifft, setzt das Hotel sowohl auf Bewährtes als auch auf Neuheiten. Die leichte Küche hat in die drei Restaurants „Ochsenstube“ , „Alte Schmiede“ und „Roter Saal“ längst Einzug gehalten, mit der Eröffnung des „Sanitas Spa“ wird mit dem so genannten Rohner-Konzept jedoch noch etwas Neuesange­ boten. Es beruht auf Erkenntnissen des Schwei­ zer Mediziners Wolfgang Rohner und geht davon aus, dass jeder Mensch auf Nahrungsmittel un­ •““»»ÄS»


P ark hote l W e h rle – e in e erste A dresse Spa“ Rechnung. Die exklusi­ ven Angebote werden jedoch weiter fester Bestandteil der Speisekarte bleiben. „Wir können ja nicht 400 Jahre ge­ hobene Gastronomie über Bord werfen“ , so Wiengarn. Bei insgesamt rund 120 Res­ taurantplätzen möchte ver­ mutlich nicht jeder nach dem Rohner-Konzeptspeisen, und nicht jeder möchte oder muss Pfunde verlieren. Für festliche Speisen wäh­ len die Gäste die „Ochsenstu­ be“ , „Alte Schmiede“ oder den eleganten „Roten Saal“ . In ihm liegt über 100 Jahre altes Parkett, die Wände ziert eine ebenso alte rote Strukturta­ pete, die dem „Roten Saal“ seinen Namen gab. Herzhaf­ teres wird „Alten Schmiede“ serviert, wo bis 1950 tatsächlich eine Ochsenschmiede unterge­ bracht war. in der terschiedlich reagiert. Dabei wird sowohl der Stoffwech­ seltyp des Einzelnen ermit- teltalsauch, aufweiche Nah­ rungsmittel der Körper, ver­ einfacht gesagt, „anspringt“ und sie in Form von Fettpöls- terchen verwertet. „Jeder Stoffwechseltyp erhält eine Analyse in den Ampelfar­ ben“ , erklärt Georg Wien­ garn. Grün sind diejenigen Lebensmittel, von denen man so viel essen darf, wie man möchte. Zur Kategorie „Gelb“ gehören solche, die zwar gegessen werden dür­ fen, aber nicht im Überfluss. Die „roten“ Nahrungsmittel hingegen sollten komplett gemieden werden. Das Kon­ zept verzeichnet in der Schweiz durchschlagende Erfolge. Und da die Schweiz für das Parkhotel ein sehr interessanter Markt ist, ist dieses Angebot für viele Schweizer womöglich Anreiz, ihren Urlaub in Tribergzu ver­ bringen. Die Gäste kommen jedoch nicht nur aus den Nachbarländern, sondern aus der ganzen Welt. Das Parkhotel hat etwa 40 Prozent inter­ nationales Publikum. Unter den internationalen Gästen sind viele US-Amerikaner, viele sind auch Geschäftsreisende, die bei Partnerfirmen des Parkho­ tels, darunter etwa Duravit, zu Gast sind – aus Indien, Taiwan, China, Japan oder Brasilien. Im Garten des Parkhotels Wehrle steht ein M am m utbaum . Ab 1707 im Besitz der Familie Wehrle So modern sich das Parkhotel heute präsentiert, so lebendig ist die Geschichte des Hauses, das Für die Umsetzung des Rohner-Konzepts im „Sani- tas Spa“ arbeitet das Hotel mit der Triberger Ärztin An­ nette Naujoks zusammen, die einen Teil ihrer Praxis in die Wellness-Anlage ausge­ lagert hat. Dem neuen Wellness- Konzept trägt das „Wehrle“ nicht allein mit dem „Sanitas Ein rustikales Am biente bietet die „A lte Schm iede“ im Parkhotel. 2 9 7


S tä tte n der G astlichkeit Prominente Gäste bei der Einweihung des Wellness- Bereichs: Günther Möckesch m it M inisterpräsident Oettinger, C D U -Landtagsabgeordneter Karl Rom­ bach, Landrat Karl Heim und CDU-Bundestagsabge- ordneter Siegfried Kauder. 1608 unter dem Symbol des „Goldenen Ochsen“ entstand und bereits 1707 im Besitz der Familie Wehrte war. Seit 2003, als Günther Möckesch das Hotel kaufte, wurde es einmal komplett auf den Kopf gestellt. Das geschah allerdings weni­ ger mit dem Vorschlaghammer als mit Samt­ handschuhen: Die historische Substanz ist nach wie vor komplett erhalten geblieben, so dass dem Parkhotel der Spagat zwischen Tradition und Moderne eindrucksvoll gelingt: Während die Zimmer im Haupthaus und in der Parkvilla nach wie vor individuell und liebevoll mit Antiquitäten ausgestattet sind, wurden die Gebäude in jeder Hinsicht auf den neuesten Stand gebracht. Die Bäder wurden ebenso modernisiert wie die Elek­ trik und auch die aktuellsten Sicherheitsstan­ dards werden mit schwer entflammbaren Tep­ pichböden und Gardinen, feuerfesten Abfallei­ mern und einer hochmodernen Brandmeldean­ lage eingehalten. Die erlesenen Antiquitäten verdankt das „Wehrle“ seinem Vor-Vorbesitzer Claus Blum, dem Schwiegersohn Wilhelmine Wehrles, die das Haus nach dem Ersten Weltkrieg leitete. Für seine Einkäufe aus den verschiedenen Epochen von Bauern barock über Biedermeier bis hin zum Stil des Sonnenkönigs Louis XIV war Blum kein Weg zu weit: Für die Antiquitäten ist er um die ganze Welt gereist, er hat sie von überall her be­ sorgt. Was die Zukunft betrifft, möchte sich das Parkhotel auch weiterhin in der Hauptsache auf Ferien, Wellness, Entspannung und Erholung konzentrieren. N a th a lie G äbe! Rechte Seite: Das historische Parkhotel Wehrle is t m it einem m edizinischen Spa kom biniert, das deutschlandw eit als lorbildlich gilt. Das großzügige Schwimmbecken ist n u r ein Blickfang lon lielen – in Triberg genieß t man exklusile Wellness. Eleganter Eingangsbereich und stillolles, m it wertlo llen A ntiquitäten eingerichtetes Zimmer. 2 9 8



S tä tte n d e r G astlichkeit „Zum Mohren“ – fangfrische Forelle Im traditionsreichen Fischbacher Landgasthof kommt Frisches und Badisches auf den Tisch Früher wurde im „Landgasthof zum Mohren“ im Zentrum von Fischbach Wurst eingekauft, telefo­ niert, Post abgegeben, am Stammtisch palavert, und Forelle gegessen. Fleute ist vieles anders – die Forelle allerdings steht noch immer ganz oben auf der Speisekarte von Berthold Weißer, der den „M ohren“ bereits in der dritten Genera­ tion betreibt. In der Küche schaltet und waltet der Chef höchstpersönlich und dabei ist Frische hier stets die Basis allen Schaffens. Vor rund 14 fahren hat Berthold Weißer den Familienbetrieb, den vor seinen Eltern schon die Oma geführt hat, über­ nommen. Die Wirtshausgeschichte allerdings reicht noch viel weiter zurück, wie eine Schank­ genehmigung aus dem Jahre 1846 schwarz auf weiß beweist. Und der heutige Chef im Traditi­ onshaus in und am Fischbach ist mit der Gastro­ nomie und der Landwirtschaft groß geworden. Ebenso wie seine Geschwister hat der gelernte Koch schon von klein auf in Küche, Gaststube und auf dem Feld mitgeholfen. Noch während derSchulzeitabsolviertederWirtssohn ein Prak­ tikum im Villinger Hotel „Ketterer“ , wo er später auch seine Koch-Lehre durchlief. Danach schwang Berthold Weißer den Kochlöffel im zu jener Zeit renommierten Bad Dürrheimer„Häns- lehof“ – bis ein Feuer den Betrieb im Dezember 1985 vorübergehend außer Gefecht setzte. Die fangfrische Forelle gebraten Damals dann machte er sich zu Wanderjahren in die Schweiz auf. Sein Vater Albert Weißer war es, der ihn vor rund 20 Jahren nach Hause zurück in den Schwarzwald holte, weil er Unterstützung im Familienbetrieb gut brauchen konnte. Bert- Der Fischbacher „La ndgasthofzum M oh re n “ is t ein traditionsreiches Haus. 3 0 0


hold Weißer erzählt, dass früher viele Fabrikan­ ten nach Fischbach zum Angeln an den Bach vor dem Gasthaus gekommen seien. Hatten sie dann eine Forelle am Haken, hat sie die Großmutter Karoline Weißer kulinarisch zubereitet. Kein Wun­ der also, dass die fangfrische Forelle seit langer Zeit zu den Spezialitäten des Hauses gehört. Übrigens: Fangfrisch ist auch heute noch wört­ lich gemeint. Bestellt ein Gast den Fisch, schnappt sich der Küchenchef den Kescher, geht an den Bach vor der Haustüre und angelt eine Forelle. Al­ lerdings aus einer Holzkiste, die ans Ufer geket­ tet im Fischbach schwimmt und in der die Tiere aus einer Wildwasserzucht ihre letzten Tage ver­ bringen. Doch in dem Landgasthof mit Ge­ schichte wird auch bei allen anderen Gerichten, die auf der Speisekarte stehen, viel Wert auf Fri­ sche gelegt. „Unsere Kartoffeln beispielsweise sind vom Bauer um die Ecke“ , versichert Bert- hold Weißer, der im Übrigen auch selbst schlach­ tet und im eigenen Rauchfang räuchert, Spätzle macht, frisches Bauernbrot backt und Maulta­ schen herstellt. Die Küche „gut badisch“ verfeinert Der Mohren-Chef hat die traditionelle Küche des bekannten Landgasthofs nicht einfach umge­ krempelt, sondern behutsam in kleinen Schritten verän­ dert, verfeinert und er­ weitert. Es ist offen­ sichtlich, dass Berthotd Weißer viel Herzblut in das Haus, in dem er auf­ gewachsen ist, einbringt. Unterstützt wird er dabei von sei­ ner Schwester Manuela Cammerer, die sich um die Büro-Verwaltung, das Marketing, die liebe­ volle Dekoration in den großzügigen Gasträu­ men und den modernisierten Gästezimmern so­ wie die Abwicklung von Veranstaltungen küm­ mert. Auch sie hat das Hotelfach von der Pike auf gelernt und weißTradition und Moderne gekonnt zu verknüpfen. Noch heute trifft man im „M oh­ ren“ auf Stammgäste, die schon vor unzähligen Jahren gerne in dem Gasthaus Platz genommen haben, oder gar das Tanzbein Schwüngen: Nach „Zum M o h re n “ – fangfrische Forelle Die gute badische Küche und das angenehm e A m ­ biente begeistern die Gäste des „M o h re n “. dem Krieg nämlich gab es hier einen Tanzsaal und zwar den einzigen weit und breit, wie Berthold Weißer und seine Schwester Manuela berichten. „Es kommen noch heute ältere Men­ schen, die erzählen, wie sie damals mit dem Fahrrad von Schramberg hergefahren sind“ , schmunzelt derWirt. Und auch heute wird in den Räumlichkeiten des „Landgasthauses zum Moh­ ren“ im Niedereschacher Ortsteil Fischbach so einiges gefeiert. Hochzeiten, Geburtstage, Tau­ fen und andere Feierlichkeiten stehen im Reser­ vierungsbuch von Berthold Weißer. Auch Über­ nachtungsgäste kann er regelmäßig begrüßen, Berthold Weißer serliert im Fischbacher „M o h re n “ gerne die „fangfrische“ Forelle aus dem Bach. 3 0 1


„Zum M o h re n “ – fangfrische Forelle Blick in die Gaststube des „M o h re n “ . denn im „Mohren“ stehen sieben Doppel- und ein Einzelzimmer für Fahrradfahrer, Wanderer, Be­ sucher und vor allem auch für Stammgäste be­ reit. Und wer an lauen Sommerabenden auf der Terrasse vor dem Haus Platz nimmt, der erhält auch gleich noch Einblicke in das Dorfgesche­ hen. Der Chef hat viel zu tun, doch gestresst fühlt sich der Mann, der kulinarische Kreationen in der Tradition der badischen und schwäbischen Hausmannskost zaubert, nach eigener Aussage eigentlich nie. Und wenn es ihm doch einmal zu viel wird, dann packt er einfach seine Angelsa­ chen und verzieht sich an einen Bach. „Da findet mich niemand“ , verrät er schmunzelnd, dass er genau dort dann seine Ruhe findet. Berthold Weißer führt die Traditionen und das gastronomische Vermächtnis seines ver­ storbenen Vaters weiter. Mit viel Fingerspitzen­ gefühl hat er dabei die Gastronomie mit tradi­ tioneller Landküche modernisiert. Nach und nach fügte der Koch den Braten- und Schnitzel­ varianten des Hauses saisonale Gerichte hinzu. Neben den bekannten fangfrischen Forellen, Röllchen von der Schwarzwaldforelle und ande­ ren Fischspezialitäten des Hauses gibt es also zur passenden Zeit im Fischbacher „Landgasthof zum Mohren“ auch Wild, Schlachtplatte, Pfiffer­ linge, Spargel, Martinsgans oder gar Bratäpfel. Ela S ch m id t-S teinb a ch B erthold Weißer und seine Schwester M anuela Cam mererbetreiben gemeinsam den „M o h re n “ in Fischbach. Gelobt werden stets auch die freundlichen Gästezimmer des Hauses. 3 0 2


Schweizerhof in Obereschach Aus der landwirtschaftlich geprägten Dorfwirtschaft wurde ein schickes Speiselokal S tä tte n d e r G astlich keit im „Das Produkt muss frisch sein, da gucke ich, dass die Qualität stimmt.“ Seit Küchenmeister Johannes Läufer 1998 den Schwei­ zerhof in Obereschach übernom­ men hat, wurde aus der landwirt­ schaftlich geprägten Dorfwirt­ schaft mehr und mehr ein schickes Speiselokal Landhausstil, in dem fri­ sche Salate und Fisch eine große Rolle spielen. Der 37-Jährige arbeitete unter anderem in der Traube Ton­ bach und das merkt man. Ge­ bratener Schafskäse im Speckmantel oder Car­ paccio vom Rinderfilet mit Limonenmarinade als Vorspeise, gebratenes Filet von der Schwarzwäl­ der Bachforelle mit sautierten Shrimps oder Fi­ letsteak vom Angusrind mit Austernpilzen an Balsamicosauce als Hauptgericht und hausge­ machte Sorbets mit Cassis, Mangos und Sauer­ kirschen als Dessert, so kann die Zusammen­ stellung eines Menüs im Schweizerhof heute in Johannes und Sandra Läufer sorgen im Schweizerhof fü r die lorzügliche Küche und das besondere Ambiente. etwa aussehen. Und das alles zu einem vernünftigen Preis- Leistungs-Verhältnis. Mit 120 Sitzplätzen im frisch renovierten Innenraum bietet der Gasthof Raum und Kapazität für große Ge­ sellschaften. In gemütlicher At- – mosphäre wird auch für den „kleinen Hunger“ eine reiche Auswahl unge­ wöhnlicher und wohlschmeckender Gerichte ge­ boten. So zum Beispiel ein „Kleines Rinderfilet auf Toast mit Blattspinat, Shrimps und Sauce Hollandaise“ . Die Familie Läufer führt das Haus in der fünften Generation. Eberhard Läufer, der Der S chw eizerhof in Obereschach is t im ganzen Landkreis bekannt. astliof Scl]mciiccl)ivf I j ■5 5 W la-w 3 0 3


S tä tte n d e r G astlichkeit Der Schweizerhof um die Jahrhundertwende. Vater von Johannes, spielte eine große Rolle in der Gastwirtschaft und hat den Schweizerhof zu seiner jetzigen Bedeutung aufgebaut. Als er krank wurde und die Mutter Unterstützung brauchte, kehrte Johannes Läufer sofort nach Hause zurück. „Ich dachte, ich muss hierher, ich habe gesehen, dass ich helfen muss“ , erzählt er. Das Haus hat Tradition. Die Geschichte des Schweizerhofes reicht bis ins Mittelalter zurück. Die Speisekarte erzählt, dass er seinen Namen vermutlich über „Marte Schwitzer“ erhielt. Eine Urkunde vom 6. Dezember 1558 berichtet, dass Schwitzer von seinem Herrn, dem Ordensritter und Komtur der Johannitergemeinde Villingen, Georg Kechler von Schwandorf (1546 -1571) den Hof als ewiges Erblehen geliehen und verliehen bekommen hat. Die Johanniter als Grundherrn waren von 1390 bis zur Säkularisation 1803 im Besitz der Dorfherrschaft von Obereschach. Heu- Helle und freundliche Gästezimmer. 3 0 4 te zählen die Tagungsgäste der Seminare des gegenüber gelegenen Johanniterhofes zu denje­ nigen, sie sich gerne in eines der preiswerten und gemütlichen zwölf Zimmer des Schweizer­ hofes einmieten, die 1989 renoviert wurden. Gemütlichkeit, Entspannung und Aktivurlaub sind die Slogans, mit denen der Gasthof heute wirbt. Weil Tennis und Reiten, Rad fahren, Schwimmen und sogar Golf in der Nähe möglich sind, kann Johannes Läufer auf eine Wellness- Abteilung verzichten und wirklich sehr günstige Zimmerpreise anbieten (Einzelzimmer für 36, Doppelzimmer für 58 Euro). „Ich will so bleiben, wie ich bin“ , sagt der gutaussehende Küchen­ meister auf die Frage nach seinen Ambitionen. „Kochlöffel“ , „Kochmütze“ und Erwähnung im Gault Millau sind nicht sein Ziel, obwohl er selbstbewusst unterstreicht: „Es gibt Gäste, die kommen zum Essen von weitherzu uns.“ Und ei­ nen so genannten „Stern“ , eine der höchsten Auszeichnungen für ein Speiselokal, strebt er schon gar nicht an: „Ich w ill keinen Stern, dann könnte ich nicht für 100 Leute kochen.“ Eine familiäre Atmosphäre Seine Ehefrau Sandra, die Mutter Rita und Tante Dorle Läufer helfen mit in der familiär geprägten Atmosphäre des Hauses, das noch auf den Grundmauern von 1558 steht. Im Laufe der Jahr­ hunderte wechselten die Namen der Besitzer des landwirtschaftlich geprägten Anwesens, nur der Hofname blieb. Allerdings ist der Gasthof im Jahr 1929 einmal abgebrannt und musste neu aufgebaut werden. Seit der Schweizerhof 1860 in den Besitz der Familie Läufer kam, gibt es dort auch ein Speiserestaurant. Die Landwirtschaft spielte damals die Hauptrolle. „Im Nebenzim­ mer der Wirtschaft war der Stall“ , erzählt Johan­ nes Läufer, der selbst noch in dieser Tradition aufgewachsen ist. Schlicht und einfach war die Küche damals. Im Jahr 1950 nach dem Zweiten Weltkrieg beschränkte sich das Angebot auf Ves­ per und Schnitzel. Mehr konnten die Menschen sich auch nicht leisten. „Seit 1978 ist der Stall weg.“ Am Anfang habe die Mutter mit viel Liebe die Gastwirtschaft geführt, dann kamen die Un­ ternehmen in der Nachbarschaft und fragten


nach Tagesessen. „So 20 bis 30 Leute haben wir am Tag bekocht.“ Nach einiger Zeit wurde ein Koch eingestellt. „Und dann kam ich.“ In den feinsten Häusern gekocht Johannes Läufer hatte in den feinsten Häusern in Baiersbronn und in der Schweiz gelernt und brachte das Know-how mit, um es mit der Tra­ dition des Landgasthofes zu verbinden. Beim Rind setzt er allerdings nach wie vor eher auf argentinische Rassen als auf heimische „Das Roastbeef und das Filet sind einfach zarter“ , fin­ det der Koch. Von einem Frischkost-Service aus Willstätt bezieht er zwei Mal in der Woche fri­ schen Lachs, Zander und Lamm. „Fisch ist der Trend, aber gutes Roastbeef auch“ , hat er bei seinen Kunden festgestellt: „Ich glaube, wir bie­ ten für jeden etwas.“ Die Zubereitung von fri­ schem Fisch macht dem Küchenmeister persön­ lich Spaß. Seine große Liebe gilt aber den Des­ serts. Ungewöhnliche Sorbets, Mousse und auch mal Zwetschgenknödel sind seine Spezia­ litäten. Gesorgt ist auch für Vegetarier und Gäste mit Laktose-Unverträglichkeit. Ebenso wie für die Kinder bietet der Schweizerhof für sie jeweils eine spezielle Karte. Je nach Saison bringt der Küchenmeister Gerichte mit Bärlauch, Spargel, Erdbeeren, Pfifferlingen und Wild auf den Tisch. S c h w e iz e rh o f in O beresch ach Johannes Lauferin der Küche. Während Fisch das ganze Jahr über gefragt ist, gibt es im Herbst auch mal was Traditionelles wie Schlachtplatte. Den Begriff „Hausmanns­ kost“ mag Johannes Läufer dafür aber nicht hö­ ren. „Das hat ja heutzutage schon was Abwer­ tendes, wenn von gutbürgerlicher Küche die Re­ de ist. „Neue frische saisonale Küche, das ist meine Philosophie“ , sagt Johannes Läufer. Felicitas Schück Zur gepflegten Gastlichkeit im Schweizerhof z ä h lt auch der exzellente Serlice. 3 0 5


21. Ka p i t e l T h e a t e r Andreas Erdel – Theater am Turm Das „Urgestein“ im Theater am Turm hat eine Schwäche fürs Komödiantische Als Knirps schon spielte er vor der Verwandt­ schaft den Kasper, hatte als Neunjähriger seine erste Hauptrolle, stöckelte später als Charley’s Tante über die Bühne und „macht auch heute noch so gerne den Affen“ : Andreas Erdel, Urge­ stein im Theater am Turm, hat eine Schwäche fürs Komödiantische: „Das Leben ist doch ernst genug.“ Und als Knirps hätte er sich nie träumen lassen, dass er irgendwann mal eine tragende Rolle in Nestroys Talisman spielt und dies bei ei­ nem kleinen aber feinen Theater, das seit seinem Bestehen auf einen wachsenden Erfolg abon­ niert ist. Die Biografie des Theater am Turm, kurz TaT, mit Sitz am Kaiserturm und hervorgegangen aus dem Villinger Sommertheater, gäbe jetzt nach 20 Jahren schon Stoff für eine gute wie span­ nende Geschichte. Mit Stücken wie „Es war die Lerche“ , „Bericht für eine Akademie“ , „Fisch zu viert“ oder auch „die Glasmenagerie“ erspielten sich die Amateurschauspieler einen Platz in der städtischen Kultur. Das kleineTheater sorgte nicht nur beim interessierten Publikum für Wirbel. Andreas Erdel beim Villinger Sommertheater. 3 0 6 Auch manche Pro­ duktion zog Leser­ briefe en masse nach sich. Das Dra­ ma „Krach im Hause Gott“ sollte schon fast einen Skandal herauf beschwören, es sorgte zumindest für eine ganze Kla­ viatur der Emotio­ nen: von hingerisse­ ner Zustimmung bis zur entsetzten Ab­ lehnung. Die kriti­ sche Auseinandersetzung mit dem Christentum, in der mit Sarkasmus und Zynismus nicht ge­ spartwurde, war lange Zeit eine Schlagzeile gut. Wie Erdel haben auch die anderen Schau­ Andreas Erdel spieler im Ensemble einen „anständigen“ Beruf erlernt. Laien, die die Lust am Theaterspiel ver­ bindet und die durch ihr überbordendes Talent überzeugen, vor allem auch die jungen Akteure. Freilich holt sich die Theater-Leitung immer wie­ der professionelle Schauspieler nach Villingen und baut in den jährlichen Spielplan einige Gast­ spiele ein. Von Anfang an gab es enge Kontakte zum Zimmertheater Rottweil: Als im November 1991 das „Theater am Turm“ gestartet wurde, gab es den allerersten Vorhang für das Gastspiel des Rottweiler Ensembles: „Love Letters“ . Da­ nach folgte die erste Eigenproduktion des tau­ frischen TaT-Ensembles „Es war die Lerche“ von Kishon. Wenn Andreas Erdel von den vielen (Erfolgs-) Stücken spricht, bekommt er glänzende Augen. Was er im richtigen Leben und beruflich in seiner Arztpraxis umsetzt, das lebt er auch als leiden­ schaftlicher Hobbyschauspieler aus: Mit Humor durchs Leben zu gehen. In der Rolle eines toll­ patschigen Liebhabers beispielsweise, der von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen tapst, da blüht der heute 5i-Jährige erst richtig auf. „Das Komödi-


A ndre a s Erdel – T h e ater a m Turm sich dann auch noch als Kunstturner beim Turn­ verein Villingen einen Namen, wie es schon sein Vater getan hatte und fiel auch bei den Turnver­ einsbällen durch seine Darbietungen auf. Seine erste richtige Hauptrolle aber bekam Erdel als Drittklässler: Im Alter von neun Jahren spielte er in der Geschichte „Das Bäumchen Kümmerling“ den Zwerg. So wenig wie er sich als Kind und Jugendli­ cher über die Schauspielerei Gedanken machte, so wenig hatte er von klein an auch Lampenfie­ ber. „Was ist das?“ , pflegt er auch heute noch zu fragen. Lampenfieber ist das, was immer die an­ deren haben: „Ich muss manches Mal Händchen halten“ , berichtet er von der Sozialarbeit hinter der Bühne. „Ich werde nur etwas nervös, wenn ich nicht weiß, was auf mich zukommt wie bei der Organisation der Veranstaltungen zu unserem 20-jährigen Bestehen im Vorjahr.“ Der große Durchbruch im Rampenlicht kam, als er gerade mal 18 Jahre alt war. Einst Manager der Katzenmusikbälle Gemeinsam mit Theater-am-Turm-Mitgründer Eberhard Zimmermann managte er die Katzen­ musikbälle. Publikum und Vereinsspitze waren so begeistert, dass die Kamuvi-Oberen Andreas Erdel schnurstracks in den Vorstand holten. „Und erst später haben die gemerkt, dass ich antische liegt mir einfach, mein Leben ist von Heiterkeit geprägt.“ Auch wenn er selbst schwe­ re, ernste Stücke wie die Eigenproduktion „Kein Platz für Idioten“ oder „Jedermann“ liebt, seine eigenen Rollen sieht er eher im heiteren Genre angesiedelt. „Ich will für düstere, erschütternde Inhalte nicht der Botschafter sein und sehen, wie das Publikum nach einem Schauspielden Tränen nahe ist.“ Das ist seine Sache nicht. Dann schon eher ein Rollentausch im besten Walter Matthau- Stil wie in der Komödie „Ein seltsames Paar“ (das bei der Premiere so gut wie ausverkauft war) und natürlich eine seiner Paraderollen in der immergrünen Magnet-Nummer „Charley’s Tante“ . Fast muss Erdel schon über sich selbst la­ chen, wenn er freimütig erzählt, dass er meist die Frauenrollen übernommen hatte. So war auch die Persiflage auf die „Geierwally“ dramatur­ gisch gesehen ein Leckerbissen für ihn. Auch die anderen im Ensemble sehen das so, etwa 25 bis 30 Stammspieler, die sich teilweise auch noch Verstärkung aus Schulen holen: Als es um die Besetzung von Charley’s Tante oder der Geier­ wally ging, war klar: „Das macht der Andreas.“ Dass schon der kleine Andreas immer was im Schilde führte, das wussten bereits Tante Lis- beth, Onkel Ernst und die anderen Verwandten, die sich regelmäßig trafen. Der Erdel-Spross, ge­ rade mal fünf Jahre alt, machte sich ein Vergnü­ gen daraus, die Sippschaft mit seinen schau­ spielerischen Ein­ lagen zu unterhal­ „Schon bei ten. denen habe ich den Affen ge­ macht.“ Will sa­ gen: Er schnappte sich die Hüte sei- nerOnkelundTan- ten, formte sie et­ was um, ohne sie freilich zu defor­ mieren und fingan, seine Zuschauer zu karikieren. Einer nach dem anderen. So ne­ benbei machte er Andreas Erdel g lä n z tim Theater am Turm oft in komischen Rollen, m eist als Frau. 3 0 7


Th e ater noch gar kein Mitglied bei denen war.“ Noch heute amüsiert sich Erdel köstlich, wenn er die­ se Anekdote aus dem Leben des Villinger Kat­ zenmusikvereins erzählt. Unvergesslich auch seine Hommage an Hans Mosers Geschichte von der Reblaus. Erdel glänzte auf dem Podium, auch ohne technische Hilfe und Playback. Als das Pu­ blikum, an Playback schon längst gewohnt, er­ kannte, dass das geniale Grünhorn dort oben auf der Bühne alles live macht, war damals in der alten Tonhalle der Teufel los. Im zehnten Jahr jedoch ging ein Fastnachts­ ball gründlich daneben, erzählt Erdel rück­ blickend. Mit der „Schwarzwaldklinik“ sei man zu abgehoben und weg von der Fastnachtssze­ nerie gewesen. Die bislang so gute Zusammen- arbeitm itden Kamuvis zumindest in puncto Bäl­ le war schlagartig beendet. DasTraum-Team Zim- mermann/Erdel war wieder für neue Aufgaben zu haben. Der günstige Zeitpunkt also für den pfiffigen wie erfahrenen damaligen Kulturamtsleiter Dr. Walter Eichner die Bühne zu betreten und mit Eberhard Zimmermann mal den Kontakt zu su­ chen. Eichner, der schon immer ein feines Näs- chen für Talente hatte, fragte im Jahr 1986 das Duo Erdel/Zimmermann, ob sie nicht Lust dazu hätten, ein Sommertheater in Villingen aufzu­ bauen. Freilich hatte der gewiefte Kulturamtslei­ ter auch so seine Hintergedanken: Zur damali­ gen Zeit „sommerlochte“ es in Villingen ganz ge­ waltig. Und so sollte ein „Villinger Sommerthea­ ter“ als Medikament gegen den kulturellen Som­ merschlafwirken. Zimmermann und Erdel waren dabei, hatte Ersterer doch auch bereits Ähnli­ ches im Sinne. Und so wurde 1987 das „Som­ mertheater Villingen“ gegründet und im glei­ chen Jahr erlebten etwa 400 Zuschauer die ers­ ten Aufführungen des neuen Ensembles: Kotze- bues Schauspiel „Die deutschen Kleinstädter“ . Die Bearbeitung und Regie der Inszenierung er­ ledigte Eberhard Zimmermann. Seine engagier­ te wie erfolgreiche aber teils umstrittene Thea­ terarbeit ruht derzeit. Im Innen hof der Realschule in derjosefsgas- se schlug die Geburtsstunde des Ensembles, das es mittlerweile auf rund 100 Veranstaltungen inklusive Sommertheater und Gastspiele im Jah­ resturnus bringt. Damals ebenfalls schon bei der Premiere mit dabei: Andrea Riehle, Britta Dum- ke und Ronald Munz. Das junge Ensemble mach­ te sich schnell einen Namen und so konnten die Theaterleut’ über mangelndes Interesse gerade an den Freilichtproduktionen nicht klagen, da­ runter Stücke wie „Der Talisman“ von Nestroy, „Hauptmann von Köpenick“ oder „Amadeus“ so­ wie „Biedermann und die Brandstifter“ . Auf­ führungen, die auch recht schnell zum Zugpferd Andreas Erdel In „D e r Talisman“ beim Villinger Sommertheater. 3 0 8


wurden, nichtnurwegen der schauspielerischen Qualitäten, sondern auch wegen des Ambientes der Spielstätten: Mal wurde im Kurgarten, der Junghansvilla, mal im Franziskaner-Garten oder dem Innenhofvon St. Ursula geweint, gelacht und analysiert. Es kam, wie es kommen musste: Aus der All­ zweckwaffe gegen das Sommerloch sollte vier Jahre später eine feste Einrichtung werden. Die steigende Erfolgswelle und die Lust der Schau- spieleramTheaterwirkten als Katalysatoren und so ließ sich das Ensemble im November 1991 in den Räumen der ehemaligen Buchdruckerei Mül­ ler in der Schaffneigasse Villingen nieder. NichtnurdieTheaterleute, sondern auch vie­ le Freunde und Gönner machten es möglich, dass im Flerzen der Villinger Altstadt ein neues Kleinkunst-Theater entstand und die Räumlich­ keiten zu einem Theatersaal umgebaut wurden. Das Land Baden-Württemberg und die Stadt Vil­ lingen-Schwenningen gaben ebenfalls Starthilfe. Die ganze Familie teilt die Theaterleidenschaft Ob er nun an seine ersten Abende auf der Bühne denkt oder an sein neuestes Script: Lampenfie­ ber kennt Andreas Erdel bekanntlich nicht und auch das, was vielen Schülern ein Graus ist, meis­ tert er spielerisch. Während andere schon an ei­ nen von Schillers Balladen scheitern, beugt er sich völlig gelassen über seinen neuen Text. „Fast 120 Seiten muss ich auswendig lernen, das heißt höchste Konzentration über zwei Stunden hinweg.“ Er hat seinen eigenen Weg, damit die Sätze nicht wegbleiben oder auf der Zunge ver­ rutschen: „Ich visualisiere sehr viel, bringe den Text mit Bewegungen und Handlungen in Verbin­ dung, außerdem höre ich ihn häufig.“ Äußerst praktisch auch: Familie Erdel teilt die Theaterlei­ denschaft, seine Kinder sind ebenfalls im Turm­ theater in der Villinger Altstadt involviert. Etwas nervös werden Erdel und seine Kolle­ gen eigentlich nur dann, wenn das Publikum überhaupt nicht mitspielt, der berühmte Funke nicht überspringt oderauch nach der fünften ko­ mischen Szene keiner mal herzhaft lachen kann. „Da gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder al­ les rausholen, was in einem steckt oder das A ndreas Erdel – T h e ater am Turm Stück einfach professionell zu Ende spielen“ , umschreibt der versierte Theatermann die Stra­ tegie, die dann ins Spiel kommt. Eine Rutsch­ partie allemal, auch für ein Theater, das sich mit boulevardesken Produktionen wie auch mit an­ spruchsvollem Repertoire, Komödien wie mit so­ zialkritischen Stücken einen Namen gemacht hat und zudem im Jahresverlauf auch Kindertheater, Lesungen und Kabarett anbietet. Ein Kleinod in der Kulturlandschaft Mittlerweile ist das Ensemble finanziell so gut gepolstert, „dass man sich sogar auch mal einen Flop erlauben könnte“ , so Erdel. Zum Glück, denn mit den rund 2.200 Euro als Mietzuschuss, die die Stadt jährlich zuschieße, komme man oh­ nehin nicht weit. „Das deckt gerade mal die Ta­ xikosten“ , scherzt Erdel. Glück für das Ensemble: Nicht nur Landrat Karl Heim empfindet das Thea­ ter als „Kleinod“ in der Kulturlandschaft. Auch in der Wirtschaft gibt es viele Gönner und Sponso­ ren, aber auch Privatiers, die das Ensemble ger­ ne unterstützen. Trotz des allgegenwärtigen Alltagsslapstick auf den Bildschirmen glaubt Erdel an die Zukunft auch jener Theater, die nicht nur dem (Massen-) Publikumsgeschmack hinterher hecheln. Der Erfolg gibt ihnen recht und auch die Tat­ sache, dass „w ir viel junge Zuhörer im Publikum sitzen haben. Wir haben eine Chance, solange wir professionell ausgereift unsere Stücke spie­ len“ . Andreas Erdel, der geborene Freizeit-Komi­ ker, der seine Passion jedoch nie zum Beruf mach­ te. Das konnte auch den Eltern nur recht sein. Als der Gymnasiast ankündigte, er würde auch ger­ ne Schauspieler werden, „schlugen sie die Hän­ de über dem Kopf zusammen“ . Kaum volljährig entschied er sich gegen die zumeist brotlose Kunst und für ein geregeltes Leben und studier­ te zur großen Erleichterung seiner Familie Hu­ manmedizin. Der Humor ist ihm trotz seines Entschlusses dann etwas „Anständiges“ zu lernen, dennoch nicht vergangen. „Ich lache viel und das ist auch gut so. Lachen ist wirklich die beste Medizin.“ Wer wüsste das nicht besser als er. E la-M aria H u b e r 3 0 9


Almanach-Magazin ■ Notizen aus dem Landkreis Eine Erlebniswelt fürTriberg und die gesamte Region Ein in dieser Form im Landkreis bislang einmaliges Projekt wurde am 7. September in gleich zwei BUrgerversammlungen in Triberg rund 1.500 Interessenten vorge­ stellt: Günther Mökesch und Tho­ mas Weisser präsentierten eine ca. 80 Millionen Euro teure Erleb­ niswelt im Umfeld der Triberger Wasserfälle, mit deren Bau bei ei­ nem optimalen Verlauf der Pla­ nungen 2009 begonnen werden könnte. Eine Mini-Schwarzwald- bahn, ein Schwarzwalddorf auf 3 1 0 Eine Übersicht über die Triberger Erlebniswelt, wie sie am 7. Septem ­ ber 2007 bei zwei Bürgerlersam m lungen präsentiert wu rde. acht Ebenen, ein Lifestyle-Zentrum mit einer historischen Stadtfassa­ de von 1826, Kuckucksuhr, Berg­ werk und vieles mehr sollen biszu einer Million Besucher im Jahr anlocken. Wirtschaftsminister Ernst Pfister war bei der Projekt­ präsentation gleichfalls an­ wesend und stellte Landes­ hilfe in Aussicht. Die Triberger Bürger re­ agierten auf das Vorhaben fast einhellig mit Begeiste­ rung. Sie freuen sich darü­ ber, dass sich in ihrer Stadt etwas bewegt. Die Erlebniswelt ist als Ak­ tiengesellschaft konzipiert, die an die Börse will. Vor­ sitzender des Aufsichtsra­ tes istTribergs Bürgermeis­ ter Gallus Strobel. Blick a u f den Dorfplatz und den Eingangsbereich, (unten). Frühwarnsystem für Hochwasser Die Anrainergemeinden von Bri- gach, Breg und Donau haben ein gemeinsames Flut-Informations­ und Warnsystem installiert. Bei einer Tagung in Hüfingen verbes­ serten 35 Vertreter von Gemein­ den der „Flochwasserpartner- schaft Donau“ den Schutz vor Flochwasser und ihr Krisenma­ nagement. Kreis und Oberzentrum star­ ten Geo-Datenbank Eine gemeinsame Geo-Datenbank haben das Oberzentrum und der Schwarzwald-Baar-Kreis ins Le­ ben gerufen. Im GIS sind Pläne, Luftbilder oder Geodäten zu The­ men wie Umwelt, Natur und Land­ wirtschaft gespeichert. Dank der Zusammenarbeit ist in dem geo­ grafischen Informationssystem der gesamte Schwarzwald-Baar-


M a g a z in Kreis enthalten, alle Teile der Re­ gion können nun lückenlos ab­ gebildet werden. Landrat Karl Heim bringt es auf den Punkt: „Spätestens seit GPS und Google- Earth weiß jeder, wie wichtig Geo­ däten sind.“ Triberg freut sich über die feuerrote Stadt-Lokomotive Es gibt nur wenige Städte in Deutschland, die gleiches vorwei­ sen können: Eine feuerrote Loko­ motive, wie sie mit der Nummer 146 236 im Juli 2007 auf den Na­ men „Triberg“ getauft wurde. Die fast 20 Meter lange Lok fährt auf derweltberühmten Schwarzwald­ bahn. Bürgermeister Gallus Stro­ bel freut sich Uber diese tolle Wer­ bung für seine Stadt. Freude über die Lok,, Triberg“. Wer besitzt schon einen Ochsen namens „Felix“, der auch noch in ei­ nem Kinofilm mitspielen darf? Der lam m from m e 1.000 Kilo-Ochse ist das Haustier lon Annem arie Lenzer in St. Georgen und le b t a u f dem Unterm ühlbachhof. Sogar beim Spielen im Wald hatte die ju nge Frau den Ochsen als Kind dabei, der nun 12 Jahre a lt ist. Im Film „K ra b a t“ is t „F e lix“ nun a u f der Leinwand zu bewundern. Villingen hat seine Henybogenuhr zurück Es gibt sie wieder, die Henybo­ genuhr, ein lange Jahre verschol­ lenes Schmuckstück der Villinger Innenstadt wurde seitens der Kat­ zenmusik restauriert und an die Stadt zurückgegeben. Unter der Uhr hat man zugleich eine Schmu­ sebankaufgestellt. Die Katzenmu­ sik Miau hatte die Aufgabe über­ nommen, den Henybogenuhren- platz in der Niederen Straße zu verschönern und setzte dieses Projekt mit Bravour um. Sport-Highlights Die Olympiasiegerin von 2004 und 185-fache Hockey-National­ spielerin Denise Rutschmann, geb. Klecker, verstärkte in einem Oberligaspiel Anfang Juli 2007 das Männerteam des Hockeyver­ eins Schwenningen gegen die Stuttgarter Kickers. Die Schwen- ninger gewannen das letzte Sai­ sonheimspiel mit der prominen­ ten „Aushilfe“ 6 : 2. Der 23-jährige Maschinenbau­ student Matthias Schwierz aus Weilersbach, 2006 bereits zwei­ facher Deutscher Meister im Speedskating, in früheren Jahren auch Vize-Europameister und Ju- nioren-Weltmeister, holte im Ju­ ni 2007 bei den Deutschen Bahn­ meisterschaften im Speedska­ ting in Berlin gleich drei Gold­ medaillen. Anfang Juni 2007 gelang es der 13-jährigen Anna Knöbel vom Bogenclub Villingen-Schwennin­ gen, den Jugendmeistertitel bei der Deutschen Meisterschaft in der Jagd- und Feldrunde im Bo­ genschießen in Wyhl zu erringen. 311


M a g a z in / A n h a n g Der Donaueschinger Constantin Schenk wurde im Mai 2007 Ju­ niorenmeister im Kata bei den Deutschen Karatemeisterschaften in Pforzheim. 2005 und 2006 war er bereits Junioren-Europameister. Der Ringer Jan Rotter vom SVTri- berg konnte wie schon im Vor­ jahr in Furtwangen im April 2007 in Darmstadt den Titel als Deut­ scher A-Jugendmeister im grie­ chisch-römischen Stil gewinnen. Anfang April 2007 gewann die 15-jährige Schonacherin Selina Kämmerer im Kaunertal in Öster­ reich die Deutschen Schüler­ meisterschaften im Snowboard in den Disziplinen Parallelsla­ lom und Parallelriesenslalom. In der Klasse Jugend 16“ holte sich Tobias Hermann vom SC Gü­ tenbach im Rahmen des Deutsch- landpokales den Sieg bei den Deutschen Biathlon Jugendmeis­ terschaften am Großen Arber. Der herausragende Abwehrspie­ lerderdeutschen Nationalmann­ schaft, die im Februar 2007 das Endspiel gegen Polen in der Handball-Weltmeisterschaft ge­ wann, Oliver Roggisch vom SC Magdeburg, ist gebürtiger Villin- ger und die ersten Lebensjahre in Obereschach aufgewachsen. Simon Schempp, er ist 18-jähriger Schüler am Furtwanger SKIF, er­ reichte im Staffelwettbewerb der Biathlon-Juniorenweltmeis­ terschaft Ende Januar 2007 in Martell (Italien) den ersten Platz. Er holte sich im Februar 2007 in Bayrisch Eisenstein zudem den Titel des Deutschen Biathlon-Ju­ niorenmeisters. Juliane Maier aus Brigachtal, die 2006 m itderU i9 in der Schweiz den Europameistertitel im Junio- rinnen-Fußball gewonnen hatte und danach in die U20 gewech­ selt hat, spielt seit der Saison 2006 für den Bundesligisten SC Freiburg. Zur Bevölkerungsstruktur im Schwarzwald-Baar-Kreis Von den rund 210.000 Einwohnern des Land­ kreises sind ca. 110.000 Erwerbstätige. Etwa 35.000 Personen sind Schüler oder befinden sich in einem Ausbildungsverhältnis. Zu den ca. 65.000 Personen (31% der Ge­ samtbevölkerung), die weder erwerbstätig noch in Ausbildung sind, zählen vor altem Rentner und Pensionäre, aber auch Personen mit nicht- erfasster, unentgeltlicherTätigkeit im Familien­ bereich wie Hausfrauen und Hausmänner, Kin­ der im Vorschulalter sowie nichtberufstätige Sozialleistungsempfänger. Ca. 5,5% der Bevölkerung des SBK sind jün­ ger als 6 Jahre und 20% sind 65 Jahre und älter. Personen im Alter von 6 bis 21 Jahren machen etwa 17,5% der Bevölkerung aus. Während die Arbeitslosigkeit in Prozentzahlen Stichtag Schwarzwald- Baar-Kreis 7 , 0 % 6 ,3 % 4 , 6 % Baden- Württemberg 6,8 % 6 ,3 % 4 , 8 % 3 0 .6 . 2 0 0 5 3 0 .6 . 2 0 0 6 3 0 .6 . 2 0 0 7 3 1 2 erste Gruppe mit den Kindern im Vor­ schulalter identisch sein dürfte, ist anzunehmen, dass die zweite Gruppe weitgehend aus Ruheständlern be­ steht und die dritte Gruppe sich zu ei­ nem großen Teil aus in Ausbil­ dung befindlichen Per­ sonen zusammensetzt. Im m erhin rund 110.000 Menschen im Landkreis s in d erwerbstätig. Bundesrepublik Deutschland 11,3 % 1 0 , 5 % 8,8 %


1 2 8 3 2 1 0 3 7 6 6 1 9 8 5 3 1 3 3 6 4 2 2 1 3 5 2 9 4 6 3 1 2 8 6 7 8 2 3 6 1 1 6 3 1 6 8 6 0 5 8 13 5 7 2 2 4 5 0 4 2 0 3 5 1 7 8 2 9 0 5 2 8 2 9 8 1 8 2 5 4 0 2 8 2 1 1 3 2 0 2 1 0 6 1 7 Schonach , 4 2 0 3 Schönwald 2 4 5 0 Furtwangen 9 4 6 3 Unterkirnach , 2 8 2 9 Mönchweiler j 3168 Villingen- Schwenningen 8 1 8 2 5 Gütenbach 1 2 8 6 Vöhrenbach 4 0 2 8 Brigachtal 5 3 1 3 Bräunlingen 6 1 9 8 Bevölkerungsentwicklung im Schwarzwald-Baar-Kreis Gemeinde Stand der Wohnbevölkerung 31.1 2 . 2 0 0 6 Bad Dürrheim Blumberg Bräunlingen Brigachtal Dauchingen Donaueschingen Furtwangen Gütenbach Hüfingen Königsfeld Mönchweiler Niedereschach St. Georgen Schönwald Schonach Triberg Tuningen Unterkirnach Villingen-Schwenningen Vöhrenbach Kreisbevölkerung insgesamt 31.1 2 . 2 0 0 5 12 8 0 6 1 0 5 2 0 6 1 8 4 5 3 6 3 3 6 3 3 2 1 4 3 9 9 6 2 2 1 3 2 2 7 8 2 3 6 1 6 6 3 1 9 3 6 0 1 1 13 6 6 2 2 4 8 8 4 2 3 4 5 2 1 2 2 8 6 5 2 9 0 2 8 1 7 7 8 4 0 9 7 A n h a n g Veränderungen in Zahlen in Prozent 2 6 – 1 4 4 1 4 – 5 0 9 – 8 7 – 1 5 9 – 3 6 0 – 5 0 – 2 5 4 7 – 9 0 – 3 8 -3 1 – 3 4 4 0 – 7 3 4 7 – 6 9 – 7 0 3 0,20 -1 ,3 7 0 , 2 3 -0 , 9 3 0 , 2 5 -0 , 4 1 -1 , 6 5 -2 , 7 2 0,00 -0 , 8 1 -0 , 7 8 0 , 7 8 -0,66 -1 ,53 -0 , 7 3 -0 , 6 5 1 , 4 0 -2 , 5 2 0 , 0 6 -1,68 -0 , 3 3 Nigdereschach * 6 0 5 8 Bad Dürrheim 1 2 8 3 2 Tuningen 2 9 0 5 Donaueschingen 2 1 3 5 2 Hüfingen 7 8 2 3 Blumberg 1 0 3 7 6 3 1 3


Im Blickpunkt ■ Namen und Nach­ richten Bürgermeister Bernhard Kaiser wurde am 14. November 2006 mit der überwältigenden Mehr­ heit von 30 (von 34) Stadträten bereits zum vierten Mal als Ers­ ter Beigeordneter der Großen Kreisstadt Donaueschingen wie­ dergewählt. 90 Jahre alt wurde am 16. Januar 2007 Schönwalds Altbürgermeis­ ter Emil Rimmele. Am 4. März 2007 verstarb der ehemalige Ortsvorsteher von Bräunlingen-Unterbränd, Kurt Hepting im Alter von 69 Jahren. Am 16. März 2007 feierte Dr. Hansjörg Häfele, ehemaliger Par­ lamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und langjähriger Bundestagsabge­ ordneter der Wahlkreise Donau­ eschingen und Schwarzwald- Baar seinen 75. Geburtstag. Mit 30 von 39 Stimmen wurde am 28. März 2007 der Erste Bei­ geordnete der Großen Kreisstadt Villingen-Schwenningen, Bürger­ meister Rolf Fußhoeller, vom Ge­ meinderat der Doppelstadt in seinem Amt wiedergewählt. Am 30. März 2007 wurde Bräun- lingens Bürgermeister Jürgen Guse als Nachfolger des frühe­ ren Trossinger Bürgermeisters Lothar Wölfle, der im Februar zum Landrat des Landkreises Friedrichshafen gewählt worden war, einstimmig zum neuen Vor­ sitzenden des Regionalverban­ des Schwarzwald-Baar-Heuberg gewählt, dem die drei Landkreise Rottweil, Tuttlingen undSchwarz- wald-Baar angehören. Anne Rieple-Offensberger, die Begründerin der Donaueschin- ger Scheffel-Apotheke, Kustodin des Max-Rieple-Archivs und Wit­ we des bekannten Schriftstel­ lers, verstarb am 3. April 2007 im Alter von 82 Jahren. Seit der ers­ ten Ausgabe des Almanach ge­ hörte sie auch zu den „Freunden und Förderern“ des Kreisjahr­ buchs. Nur wenige Monate nach seinem 70. Geburtstag verstarb am 6. April 2007 der ehemalige Hu- bertshofener Ortsvorsteher und Unternehmer Albin Vogt. Am 22. April 2007 wurde Fritz Link mit 90,6% der abgegebe­ nen Stimmen wieder zum Bür­ germeister der Gemeinde Kö­ nigsfeld gewählt. Am 19. Juni 2007 verstarb im Al­ ter von 85 Jahren der frühere Ortsvorsteher von Königsfeld- Neuhausen, Erich Link. Am 15. Juni 2007 erhielt das Ehe­ paar Liselotte und Dr. Gerhard Gebauer die erste Doppel-Eh­ renbürgerschaft der Stadt Villin­ gen-Schwenningen verliehen. Am 14. Juli 2007 erhielt Altbür­ germeister und Ehrenbürger von Bad DUrrheim, Gerhard Flag­ mann, der am 1. Februar 2007 seinen 65. Geburtstag feiern konnte, die Verdienstmedaille des Städtetags in Silber für sei­ ne Verdienste um die kommuna­ le Selbstverwaltung verliehen. Orden und Ehrenzeichen Mit der Landesehrennadel des Landes Baden-Württemberg wurden 2006 ausgezeichnet: Günther Auer, Villingen-Schwenningen, Alfons Faulhaber, Bad Dürrheim, Ursula Grabfelder, Niedereschach, Werner Horstmann, Königsfeld Mit der Landesehrennadel des Landes Baden-Württemberg wurden 2007 ausgezeichnet: Manfred Hils, Villingen-Schwenningen, Fritz Ewald, Villingen-Schwenningen, Bodo Graf, St. Georgen Das Bundesverdienstkreuz hat 2006 erhalten: Werner Benzing, Villingen-Schwenningen Das Bundesverdienstkreuz haben 2007 erhalten: Ingrid Hasenfratz, Bad Dürrheim, Erkentrud Seitz, Villingen-Schwenningen 314


Bildnachweis Almanach 2008 Motiv Titelseite: Die Linachtalsperre. Die Aufnahmen stammen von Wilfried Dold, Vöhrenbach Motiv Rückseite: In der Parkanlage beim Romäusturm in Villin- gen. Die Aufnahme stammt von Wilfried Dold, Vöhrenbach Bildnachweis für den Inhalt: Soweit die Fotogra­ fen nicht namentlich angeführt werden, stammen die Aufnahmen jeweils vom Verfasser des betref­ fenden Beitrages oder sind die Bildautoren oder Bildleihgeber über ihn erfragbar. Mit Fotos sind ferner im Almanach vertreten (die Zahlen nach der Namensnennung beziehen sich auf die jeweilige Seite): Gerhard Krieger, VS-Pfaffenweiler: 4 – Kreisarchiv SBK, VS-Villingen: 6/7, 9 -11,14 -16,18, 20 – 22, 295 ob. – jochen Schwillo, VS-Schwenningen: 8 – Hans-Werner Fischer, VS-Villingen: 12,17,19, 50 m., 50 u., 301 ob., 302 ob., 302 u.l., 311 m.r – Jür­ gen Dreher, Südkurier VS-Villingen: 13 – Wilfried Dold, Vöhrenbach: großes Bild 28/29, 29 u., 31/32, 35, 37, 39, 42/43, 45 – 48, 50 ob., 52, 61, 68, 86, 108 – 112, 114 – 117, 132/133, 139, 140 – 143, 147 u., 167 u.r., 204 – 213, 218 – 225, 242/243,270/271 – 275,277 – 283 – Helmut Geh­ ring, VS-Villingen: 28 u.l., 28 u.r. – doldverlag (Archiv), Vöhrenbach: 40 ob., 214/215, 217 – Markus Keller, Opferdingen: 53 – Jochen Hahne, VS-Villingen: 59,62,70, kleines Bild 150 ob., 153 u., 156 ob., 158 – ebm-papst, St. Georgen: 72 – 79 – FreiLacke, Bräunlingen: 80 – 85 – Ketterer-Ge- triebe, Furtwangen: 86 – 93 – Regierungspräsi­ dium Freiburg, Referat 25/Fachbereich Archäo­ logie: 94, 98 – Joachim Sturm, Niedereschach: 100 – Tiroler Landesarchiv, Innsbruck, Karte Nr. A n ha n g 294:101 – Jürgen Kauth, Bad Dürrheim: 102,103 u., 104 -107, – Archiv Bury, Bad Dürrheim: 103 ob. – Rainer Rosencrantz, VS-Villingen: 119,122 ob. – Heimatstube, Tannheim: 120 – Norbert Wuttke, VS-Villingen: 121 u. – Archiv Trachten­ verein, St. Georgen: 145,146 u., 148 – Michael Kienzier, Brigachtal-Klengen: 147 ob., 149,152, 163,164 u., 165 u., 166,167 u.l., 170,196 – 203,255 – 259,291,292 u., 293,294 u., 298 ob. – Direvi Fo­ topress, VS-Villingen: kleines Bild 151, 156 u., 157, 247 – 249,306 – 308 – Klaus-Peter Karger, VS- Villingen: 155 – Dietrich Danksin, VS-Villingen: 159, 160, 162 – Archiv Blasmusikverband SBK: 164 ob., 168,169 u., 171 – Roland Sigwart, Hü- fingen: 169 ob. – Horst Willi Kurschat, VS-Villin­ gen: 180 -187 – Geschichts- und Heimatverein St. Georgen: 232 – Roland Sprich, St. Georgen: 233, 311 ob. – Stage Entertainment Arena- und Eisveranstaltung GmbH, Hamburg: 250 – Stephanie Wetzig, Niedereschach: 260 – 265 – Ferienland im Schwarzwald GmbH, Schönwald: 284/285, 287 – Parkhotel Wehrte, Triberg: 294 ob., 295 m., 295 u., 296/297,298 u., 299 – Land­ gasthof zum Mohren, Fischbach: 300, 301 m., 302 u.r. – Schweizerhof, Obereschach: 303 – 305 – Maria Kienzier, Triberg: 311 m.l. 3 1 5


A n h a n g Die Autoren und Fotografen unserer Beiträge Arning, Anja, Max-Stromeyer-Straße 178, 78467 Konstanz Boie, Bernd, Zeppelinstraße 4,78050 Villingen-Schwenningen Brendle, Tobias, Winterstraße 9, 86567 Hilgertshausen Dold, Wilfried, Unteranger 3,78147 Vöhrenbach Eisenmann, Hans-Jürgen, Ursula-Haider-Straße 31,78052 Villingen-Schwenningen Ewald, Fritz, Langstraße 14, 78050 Villingen-Schwenningen Filipp, Franz, Postfach 101321, 88662 Überlingen Gehring, D r. Helmut, Königsberger-Straße 30,78052 Villingen-Schwenningen Gfrörer, Ulrike, Am Hoptbühl 2,78048 Villingen-Schwenningen Göbel, Nathalie, Gerwigstraße 35,78112 St. Georgen Hahne, Jochen, Hafnergasse 8, 78050 Villingen-Schwenningen Hausmann, Dirk, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Heim, Karl, Landrat, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Heinig, Birgit, Bozenerstraße 19, 78052 Villingen-Schwenningen Heupel, Wilfried, Alemannenstraße 6,78087 Mönchweiler Hockenjos, Wolf, Alemannenstraße 30, 78166 Donaueschingen Huber, Eva-Maria, Benediktinerring, 11,78050 Villingen-Schwenningen Kaiser, Stefanie, Am Hoptbühl 2,78048 Villingen-Schwenningen Kaltenbach, Heidi, Am Hoptbühl 2,78048 Villingen-Schwenningen Kienzier, Michael, Gartenstraße 15,78086 Brigachtal-Klengen Kouba Siegfried, llbenstraße 36, 78120 Furtwangen Krieger, Gerhard, Auf der Eck 12,78052 VS-Pfaffenweiler Limberger-Andris, Stefan, MUhlenstraße 7, 79877 Friedenweiler-Röthenbach Lutz, Bernhard, Seemühle 14c, 78183 Hüfingen Meder, Willi, Goethestraße 3, 78112 St. Georgen Mosbacher, Hubert, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Nack, Christina, Obereschacher-Straße 7,78126 Königsfeld Preuß, Stefan, Hoher Rain 22, 78052 Villingen-Schwenningen Reinhardt, Dieter, Niederwiesenstraße 16,78050 Villingen-Schwenningen Renner, Rose-Marie, Weilersbacher-Straße 55,78056 Villingen-Schwenningen Rudolf, Dr. Anja, Wolfachstraße 6, 78054 Villingen-Schwenningen Schlecht, Cornelia, Auf Löbern 31,78166 Donaueschingen-Neudingen Schmidt-Steinbach, Eva, Willmannstraße 3, 78073 Bad Dürrheim Schön, Elke, Am Hofrain 26, 78120 Furtwangen Schubert, Marga, Hafnergasse 6, 78050 Villingen-Schwenningen Schück, Felicitas, Kirnacher Höhe 16, 78089 Unterkirnach Simon, Stefan, Haselweg 17,78052 VS-Marbach Spille, Uwe, Lantwattenstraße 4,78050 Villingen-Schwenningen Sprich, Roland, Weidenbächlestraße 6,78112 St. Georgen Steger, Christiana, Birkenweg 8, 78176 Blumberg Steidler, Herbert, Am Tiefen Weg 17, 78166 Donaueschingen Streck, Sabine, Am Affenberg 31,78050 Villingen-Schwenningen Sturm, Dr. Joachim, Steigstraße 32, 78078 Niedereschach Volk, Karl, Untertal 19, 78098 Triberg-Gremmelsbach Wetzig, Stephanie, Niedereschacherstraße 31, 78078 Niedereschach Wieners, Thomas H. T., Merzhauser Straße 147 A, 79100 Freiburg Winter Matthias, Kohlheppstraße 12, 78120 Furtwangen Zschäbitz, Dietmar, Königsberger Straße 1, 78166 Donaueschingen 3 1 6


Inhaltsverzeichnis Impressum Ehrenliste der Freunde und Förderer Fleimat und Klimawandel / Vorwort von Landrat Karl Fleim l. Kapitel / Aus dem Kreisgeschehen Der wirtschaftliche Aufschwung sorgt für Rückgang der Arbeitslosigkeit – Die höheren Steuereinnahmen schaffen endlich wieder Spielraum für Investitionen / Karl Heim Neue Straßenmeisterei gebaut – Der Stützpunkt in Furtwangen-Neueck betreut ein Straßennetz von 380 Kilometern Länge / Herbert Steidler Der Landkreis setzt auf Verkehrssicherheit – Kampf gegen Raser: Neubeschaffung einer mobilen Geschwindigkeitsmessanlage / Heidi Kaltenbach Qualitätsprodukte aus Grünschnitt – Auch Holzhackschnitzel als neues Angebot des Landkreises entwickeln sich zum Renner/ Dirk Hausmann Über 30 Jahre Beratung für Familien – Von der Erziehungsberatung zur umfassenden Beratung für Eltern, Kinder und Jugendliche / Ulrike Gfrörer Tinnitus – „Woche des Hörens“ – Kreisweit haben Kinder und Jugendliche erfahren, was Lärmbelästigung bewirkt / Stefanie Kaiser Wald als pädagogischer Erlebnisparcours – Über 8.000 Besucher strömten zum 1. Kreiswaldtag in Bräunlingen-Unterbränd / Hubert Mosbacher 2. Kapitel / Städte und Gemeinden Neudingen – an der jungen Donau – 700 Einwohner, drei Kirchen – eine lebendige Dorfgemeinschaft mit großer Geschichte / Cornelia Schlecht Schönenbach im Bregtal – „schöne Au“ – Der Ortsteil von Furtwangen ist attraktiver Wohn- und Arbeitsort zugleich / Matthias Winter Opferdingen – abseits der Zentren – Der Opalinuston lässt den Ort geologisch bis heute nicht zur Ruhe kommen / Dr. Joachim Sturm 3. Kapitel / Persönlichkeiten Ulrich Dalm – In Memoriam Ulrich Dalm auf seinen Tod am 30. November 2006 / Bernd Boie Helmut Gehring – Professor Helmut Gehring ist seit 30 Jahren für den Naturschutz auf der Baar aktiv / Stephanie Wetzig Münsterpfarrer Kurt Müller – Der Vitlinger hat die Münstergemeinde geprägt wie kein Pfarrer vor ihm / Marga Schubert Christel Pache – Auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung engagiert Pionierarbeit geleistet / Christina Nack Jürgen Henckell – Der bekannte Maler, Grafiker und Schriftsteller verstarb kurz nach seinem 92. Lebensjahr / Christiana Steger Roland Wehrle – Initiator der NachsorgeklinikTannheim und weithin bekannter Präsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte / Wilfried Dold 4. Kapitel / Aus dem Wirtschaftsleben ebm-papst: Willkommen in der Welt der Luft- und Antriebstechnik – 3.500 Produkte: Das St. Georgener Unternehmen ist im Land der Tüftler und Denker eines der vielseitigsten / Stefan Preuß A n ha n g 2 3 5 7 10 12 14 1 7 21 23 28 3 8 46 5 4 5 6 5 9 62 65 68 7 2 317


In h altsverzeich nis FreiLacke: Systemlieferant für umfassende Oberflächenlösungen – Das Familien­ unternehmen aus Bräunlingen-Döggingen ist darauf spezialisiert, mit Lacken Oberflächen zu veredeln und zu schützen / Stefan Preuß 175 )ahre Ketterer Getriebe: „Wir übersetzen Ideen“ / Wilfried Dold 5. Kapitel / Archäologie Die Alamannen von Neudingen – Ein Gräberfeld liefert Einblicke in die Welt des frühen Mittelalters / Tobias Brendle 6. Kapitel/Geschichte Suche nach einem verlorenen Ort – Zur Lokalisierung der Wüstung Wald hausen bei Villingen in Raum und Zeit / Thomas H. T. Wieners – Einleitung / Dr. Joachim Sturm Die Saline Bad Dürrheim – Der salzige Weg zum erfolgreichen Kurort / Eva Schmidt-Steinbach Vor 750 Jahren erstmals erw ähnt… – doch Mönchweiler dürfte wesentlich älter sein / Wilfried Heupel 7. Kapitel / Kirchengeschichte Die Kirche Sankt Nikolaus in A ch d o rf- Der spätgotische Turm mit eisernem Doppelkreuz wurde um das Jahr 1440 erbaut / Christiana Steger Die Friedhofskapelle St. Gallus und Verena in Tannheim – Vielfältige Ausstattung erzählt von Kunst- und Kirchengeschichte der Baar / Dr. Joachim Sturm DerSchwarzwald-Baar-Kreis im Farbbild 8. Kapitel / Museen Schulmuseum Hüfingen eröffnet-W enn der Griffel bei historischen Schulstunden über die Schülertafel huscht / Franz Filipp Aus Burg, Schloss oder Vogtshaus? – Geheimnisvolle Truhe im Heimatmuseum Buchenberg / Dr. Joachim Sturm 9. Kapitel / Brauchtum Krippenbauer Arnold Kemmerle – Der Schönenbacher baut seit mehr als 20 Jahren kunstvolle Weihnachtskrippen / Elke Schön Seit 100 Jahren Brauchtumspflege- Beim Trachtenverein St. Georgen bleibt die „gute alte Zeit“ lebendig / Roland Sprich 10. Kapitel / Musik 30 Jahre VS swingt – eine Erfolgsgeschichte / Fritz Ewald Musical „Theater der Zeiten“ – Dietrich Danksin begeisterte mit seiner Liebe zur Musik eine ganze Schule / Birgit Heinig Blasmusik hat Konjunktur – Ohne die 68 Blasmusikvereine im Blasmusikverband Schwarzwald-Baar wäre das öffentliche Leben undenkbar / Bernhard Lutz 11. Kapitel / Kunst und Künstler Gotthard Glitsch: Genialer Druckgraphiker und Wortakrobat / Stefan Simon Wandere offenen Auges durch die W e lt… – Lisa Keller-Nikola zwischen finnischen Weiten und Villinger Stadtmauern / Dr. Anja Rudolf Uli Zandona: Als Autodidakt zum erfolgreichen Bildhauer / Stefan Simon 3 1 8 80 87 9 4 9 9 102 109 114 118 123 132 1 3 6 1 3 9 144 150 1 5 9 163 172 180 188


Inha ltsv e rze ich n is 12. Kapitel / Bauen und Wohnen VS-Schwenningen – Stadt im Wandel – Schwenningen feiert 100 Jahre Stadtrecht und „bekommt den Neckar zurück“ / Sabine Streck 13. Kapitel / Da leben wir Villinger Wochenmarkt: Einkäufen, bummeln – Treffpunkt mit Flair – Auf dem Münsterplatz wird schon seit über 1.000 Jahren Markt gehalten / Christina Nack 14. Kapitel / Architektur Mit Wasserkraft zu neuer Energie – Mutigvoran: Die Stadt Vöhrenbach sanierte mit der 1922 bis 1925/26 erbauten Linachtalsperre die einzige Vielfachbogensperre in Deutschland / Wilfried Dold 15. Kapitel / Umwelt und Natur Baumoriginale im Schwarzwald und auf der Baar – Teil 2: Ahornarten Farbenprächtig im Herbst und im Frühjahr eine unersetzliche Bienenweide / Wolf Hockenjos Die Klosterlinde ist verschwunden – St. Georgen nimmt Abschied von einem geschichts­ trächtigen, mehr als 300 Jahre alten Baum und pflanzt eine neue, junge Linde / Willi Meder Wanderer zwischen den Welten – Die Baar als „Trittstein“ für ziehende Watvögel / Dr. Helmut Gehring 16. Kapitel / Landwirtschaft Das Heuen – früher und heute – Am Ende der „guten alten Zeit“ – Warum spricht niemand vom Anfang der „guten neuen Zeit“ ? / Kart Volk 17. Kapitel / Gesundheit und Soziales Behinderte spielen ein Musical – Die Aufführung von „M ut-tut-gut“ war für die jungen Akteure eine große Herausforderung / Siegfried Kouba 18. Kapitel / Sport Die Damen des Turnvereins Villingen entfachen Volleyball-Boom – Nach drei Aufstiegen in vier Jahren jetzt Regionalligist / Dietmar Zschäbitz Stefanie Rudel – Eisprinzessin aus Königsfeld / Christina Nack Schwarzwald-Marathon Bräunlingen feierte den 40. Geburtstag – Auf der Königs­ disziplin der Langstreckenläufer dem Weltruhm entgegen / Stefan Limberger-Andris Der Reitsport bietet im Landkreis eine ganze Fülle von Möglichkeiten – Immer mehr Pferdefreunde entdecken ihre Leidenschaft für den Fahrsport / Christina Nack 19. Kapitel / Freizeit und Erholung Villinger Kinder- und Jugendzirkus – Lena und „Juri“ Thomas machen seit zehn Jahren Kinder zu Zirkusartisten / Uwe Spille Wo die Blicke keine Grenzen kennen – Auf den Höhen bei Gremmelsbach, unterwegs von der „Staude“ zum Schlossfelsen / Karl Volk Der Schwarzwald-Baar-Krels ist eine Hochburg des Nordic Walking – Die „Stöcklesgänger“ erobern die Wanderwege / Hans-Jürgen Eisenmann Das Abenteuer Naturhochseilgarten Triberg – Zurück im „Baumhaus der Kindheit“ oder: Der Wald aus einem anderen Blickwinkel / Anja Arning 196 204 212 226 232 234 238 244 2 4 7 251 2 5 5 260 267 271 284 290 3 1 9


Inh a ltsv e rze ich nis 20. Kapitel / Stätten der Gastlichkeit Parkhotel Wehrte – eine erste Adresse – Der neue Wellnessbereich „Sanitas Spa“ hat deutschlandweiten Vorbildcharakter / Nathalie Göbel „Zum Mohren“ – fangfrische Forelle – Im traditionsreichen Fischbacher Landgasthof kommt Frisches und Badisches auf den Tisch / Eva Schmidt-Steinbach Schweizerhof in Obereschach – Aus der landwirtschaftlich geprägten Dorfwirtschaft wurde ein schickes Speiselokal / Felicitas Schück 21. Kapitel / Theater Andreas Erdel – Theater am Turm – Das „Urgestein“ im Theater am Turm hat eine Schwäche fürs Komödiantische / Eva-Maria Fluber Gedichte Das Boot der Zeit! / Rose-Marie Renner aus „Wiesenwege“ / Christiana Steger aus „Wiesenwege“ / Christiana Steger Entfernung von der Küste (Sizilien) / Jürgen Henckell 294 300 303 306 20 64 64 67 Anhang Almanach-Magazin 310 Der Landkreis im Spiegel der Statistik 312 Arbeitslosigkeit in Prozent­ zahlen 312 Bevölkerungsentwicklung im Schwarzwald-Baar-Kreis 313 Namen und Nachrichten 314 Orden und Ehrenzeichen 314 Bildnachweis 315 Die Autoren und Fotografen unserer Beiträ­ ge 316 Inhaltsverzeichnis 317 3 2 0