Almanach 2014

Almanach 2014 Schwarzwald-Baar-Jahrbuch

He raus ge ber: Land rats amt Schwarz wald-Baar-Kreis www.schwarz wald-baar-kreis.de land rats amt@schwarz wald-baar-kreis.de Re dak ti on: Sven Hinterseh, Land rat Wil fried Dold, Re dak teur (wd) Kristina Blaha, Referentin des Landrats Heike Frank, Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit, Kultur und Archiv Susanne Fricker, Leiterin Informations- und Kulturamt Stadt Hüfingen Dr. Joa chim Sturm, Kreis ar chi var Für den In halt der Bei trä ge sind die je wei li gen Au to- ren ver ant wort lich. Nach dru cke und Ver viel fäl ti gun- gen je der Art wer den nur mit Ein wil li gung der Re- dak ti on und un ter An ga be der Fund stel le ge stat tet. Gestaltung: Wilfried Dold, dold.verlag Verlag: dold .ver lag, Vöh ren bach www.dold ver lag.de Druck: Todt Druck + Medien GmbH + Co. KG Vil lin gen-Schwen nin gen ISBN: 978-3-927677-78-4 Foto rechte Seite: Frühling im Schwarzwald, Blick zum Kohlplatzhof in Furtwangen-Neukirch. 2

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Inhalt Kreisgeschehen „Krankenhaus des Lichts“ Schwarzwald-Baar- Kreis feiert das 40-jährige Bestehen In der Zukunft des Gesundheitswesens angekommen – Das neue Schwarzwald- Baar Klinikum eröffnet 20 Mit einem Festakt im Sitzungssaal des Kreistages am 3. Mai 2013 und einem „Tag der offenen Tür“ am 16. Juni 2013 im Landratsamt feierte der Schwarzwald-Baar-Kreis sein 40-jähriges Bestehen. Die Festrede hielt der frühere Ministerpräsident von Baden- Württemberg, Erwin Teufel, der den Landkreis glänzend positioniert sieht – mit besten Zukunftschancen. 4 36 Neun Jahre nach Gründung der Schwarzwald-Baar Klinikum GmbH und vier Jahre nach dem 1. Spatenstich ist der Schwarz- wald-Baar-Kreis am 6. Juli 2013 in der Zukunft des Gesundheits- wesens angekommen: Im Foyer des neuen Schwarzwald-Baar Klinikums begrüßt Landrat Sven Hinterseh über 500 Festgäste zur Eröffnung des derzeit modernsten Krankenhauses in Deutschland. 270 Millionen Euro sind in den Bau von 46.000 m² Nutzfläche in- vestiert worden. 750 Betten, 3.500 Räume, 15 Operationssäle, 22 Sta- tionen für Normalpflege, fünf für Intensivpflege, eine 3.000 m² gro- ße Notaufnahme, acht Geschosse mit allein 50.000 m² Fassadenflä- che – alles hier ist groß und beein- druckend. Und doch ist ein Haus mit freundlicher Atmosphäre ent- standen, in dem sich freundliche Menschen herzlich um kranke Mitmenschen bemühen.

Inhaltsverzeichnis 2 8 Impressum Bewährtes bewahren – Aufbruch zu Neuem / Sven Hinterseh 1. Kapitel / Aus dem Kreisgeschehen 10 Der Schwarzwald-Baar-Kreis – eine Erfolgsgeschichte / Sven Hinterseh 20 40 Jahre Schwarzwald-Baar-Kreis / Wilfried Dold 27 Ringzug feiert sein 10-jähriges Bestehen / Barbara Kollmeier 30 Tausende beim „Tag der offenen Tür“ 34 Blaulichttag Verkehr und Technik Schwarzwaldbahn – 11 Millionen Fahrgäste jährlich Sonderteil – Schwarzwald-Baar Klinikum 36 Schwarzwald-Baar Klinikum / Wilfried Dold 50 In der Zukunft des Gesundheitswesens angekommen – Das neue Schwarzwald-Baar Klinikum eröffnet / Wilfried Dold 54 Krankenhaus des Lichts / Wilfried Dold 66 Die Fachabteilungen am Schwarzwald-Baar Klinikum 77 Das Labor – 1,6 Mio. Einzelanalysen pro Jahr 78 „Startlinie in eine erfolgreiche Zukunft!“ – im Gespräch mit Rolf Schmid / Wilfried Dold 80 „Alle empfinden sich als Gewinner“ / Christina Nack 86 Die Kunst am Bau / Daniela Schneider 2. Kapitel / Städte und Gemeinden 98 Fürstenberg – hoch über der Baar / Manfred Beathalter 108 Das Schwarzwalddorf Schönwald / Maria Kienzler 160 Die Schwarzwaldbahn gilt im Netz der Deutschen Bahn als die aufwendigste Strecke: Von Kilometer 47 bis Kilometer 107 verläuft sie im Schwarz wald- Baar-Kreis – teils in fast alpinem Gelände, 36 Tunnelbauten gibt es. Insgesamt 11 Mio. Fahrgäste nutzen sie jährlich, 5,5 Mio. wer- den allein auf der Strecke Offen- burg-Singen gezählt. Die Bahn ist eine der Hauptachsen im südwest deutschen Schienennetz. 3. Kapitel / Persönlichkeiten 118 Lotte Sütterlin / Christina Nack 121 Ewald Merkle / Marga Schubert 124 Erich Marek / Stephanie Wetzig 134 Continental / Christina Nack 142 mall umweltsysteme / Manfred Beathalter 148 Glücksschmiede für Leckermäuler / Roland Sprich 154 Die Skiwerkstatt Wehrle / Matthias Winter 4. Kapitel / Wirtschaft 5. Kapitel / Verkehr und Technik 160 Die Schwarzwaldbahn / Bernward Janzing 176 Wandern auf dem Schwarzwaldbahn-Erlebnispfad / Karl Volk 6. Kapitel / Soziales 190 „Wieder aufleben“ / Christa Hajek 7. Kapitel / Bildungseinrichtung 198 Erste Naturparkschule eröffnet / Hans-Jürgen Kommert 5

Inhalt Geschichte und Uhrengeschichte Kunst und Künstler Umwelt und Natur Kuckucksuhr begeistert weltweit Wolfgang Kleiser – renommierter Bildhauer Störche auf der Baar – Eine Erfolgs- geschichte 204 240 260 Auch wenn viele Menschen die Kuckucksuhr kitschig finden mögen, hat sie sich in den letz- ten Jahren zum wohl kultigsten Souvenir aus Deutschland ge- mausert. Selbst der russische Staatspräsident Putin hat von Bundeskanzlerin Angela Merkel eine modern designte Kuckucks- uhr als Gastgeschenk erhalten. Viel Beachtung fand 2013 eine Sonderausstellung des Deut- schen Uhrenmuseums. 6 Das Material, der Inhalt, die Form: Seit fast sechs Jahrzehn- ten ist der Hammereisenbacher Bildhauer Wolfgang Kleiser ein Garant für künstlerische Quali- tät. Ob er sakral oder profan, auftragsbezogen oder völlig frei, figürlich oder ab strakt arbeitet: In allen Arbeiten zeigt sich die Handschrift eines Künstlers, der den Mensch und seinen Glauben in den Mittelpunkt des Schaffens stellt. Ornithologische Erfolgsmel- dungen sind in Zeiten weltweiten Artenschwundes dünn gesät. Da ist es überaus erfreulich, dass der Weißstorch wieder ein häufiger Bewohner der Baar geworden ist. Im Jahr 1990 hatte hier nur noch ein einziges Storchenpaar gebrütet: in Pfohren. Inzwischen sind es wieder 14 Brutpaare, die auf Dächern, Kirchtürmen, Strommasten und Schornsteinen nisten.

8. Kapitel / Geschichte und Uhrengeschichte 204 Kuckucksuhr begeistert weltweit / Julia Scholz 210 Kurze Geschichte der Kuckucksuhr / Johannes Graf 9. Kapitel / Museen 218 Anfassen ausdrücklich erlaubt / Franz Filipp 10. Kapitel / Kirche aktuell 224 Pfarreien im Umbruch / Verena Wider 11. Kapitel / Kunst und Künstler 232 Martin Kippenberger / Stefan Simon 240 Wolfgang Kleiser / Stefan Simon 12. Kapitel / Wasserwirtschaft 250 Gewässer im Wandel – Wertvolle Lebens- und Erholungsräume / Michael Koch 13. Kapitel / Umwelt und Natur 260 Adebar auf der Baar / Helmut Gehring und Wolf Hockenjos 266 Die Kiefern / Wolf Hockenjos 272 Der Furtwanger Aussichtsberg Brend / Wolf Hockenjos 14. Kapitel / Freizeit 280 Ein erfrischendes Relikt aus der Klosterzeit / Roland Sprich 15. Kapitel / Sport 286 Motorsportclub Bräunlingen – Vom Grasbahnrennen zum Bregring-X-Rodeo / Christina Nack 292 11. Internationale Drachentage 294 Die Wild Wings wieder erstklassig! 296 Funpark Schonach – Akrobatik pur 298 Segelfliegen in Blumberg / Bernhard Lutz 16. Kapitel / Gastlichkeit 305 Bodenständigkeit, die schmeckt! / Philipp Jauch 308 Mediterrane Weinerlebnisse / Christina Nack 17. Kapitel / Musik 311 Musiker und Komponist Rolf Langenbach / Matthias Winter Anhang 314 Almanach-Magazin 316 Wahlergebnisse und Arbeitslosigkeit in Prozentzahlen, Orden und Ehrenzeichen 317 Bevölkerungsentwicklung im Schwarzwald-Baar-Kreis 318 Bildnachweis 319 Die Autoren und Fotografen unserer Beiträge 320 Ehrenliste der Freunde und Förderer 7 Sport Segelfliegen mit freier Sicht bis zu den Alpen und Vogesen 298 Vom Panorama über Blumberg schwärmen die Segelflieger jedes Mal aufs Neue. Im Norden reicht die Sicht bis zur Hornisgrinde, im Osten bis zum 70 Kilome- ter entfernten Wallfahrtsberg Bussen – im Westen bis zu den Vogesen. Im Süden sehen sie fast die gesamten deutschen und Schweizerischen Alpen. Die Se- gelfliegerei wird in Blumberg seit 1957 betrieben, seit 1960 gibt es einen Flugplatz.

Zum Geleit Bewährtes bewahren – Aufbruch zu Neuem Liebe Leserinnen und Leser, unser Almanach erscheint in diesem Jahr bereits schon in 38. Auflage. Der Almanach, das Schwarzwald-Baar-Jahrbuch, oder noch präziser formuliert: das bibliothekarische Gedächt- nis des Landkreises. Hier sind annähernd 40 Jahre Kreisgeschichte, jedoch auch vielfältigste Spektren in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Kultur, Sport und Freizeit unwiderruflich fest- gehalten. Ein wichtiges Ziel des Almanachs war es stets und ist es noch, die Tradition sowie Be- währtes zu bewahren. Gleichzeitig soll jedoch auch die Attraktivität gerade für die jüngeren Generationen gesteigert werden. Eine Mitfahrt mit dem Zug der Zeit ist die große Heraus- forderung, die es zu bewältigen gilt. Offen für Veränderungen waren in diesem Jahr auch wieder die „Macher“ des Almanachs. So präsentiert sich dieser in einem etwas anderen, moderneren Äußeren. Das Jahr 2013 stand ganz im Zeichen des 40-jährigen Kreisjubiläums. Höhepunkt neben dem offiziellen Festakt mit zahlreichen politischen Größen, war ganz gewiss der Tag der of- fenen Tür im Juni 2013. Ein Erfolg auf der ganzen Linie – so wurde er von zahlreichen inter- essierten Bürgerinnern und Bürgern begeistert angenommen und das Landratsamt konnte dem Publikum sein vielfältiges Aufgabenspektrum präsentieren. Einen Aufbruch zu Neuem haben wir mit einem echten Jahrhundertereignis, der Eröff- nung des Schwarzwald-Baar Klinikums im Zentralbereich zwischen Villingen und Schwennin- gen, im Juli 2013 in unserem Landkreis gewagt. Folgerichtig findet sich dieses bedeutende und für das Gesundheitswesen wegweisende Thema auch umfänglich im diesjährigen Almanach. Mein ganz besonderer Dank richtet sich an die zahlreichen Autoren und Fotografen, die dazu beigetragen haben, dass wieder ein ansprechendes, informatives und gleichwohl sehr kostengünstiges Heimatjahrbuch entstehen konnte. Ich hoffe, dass die Freunde des Alma- nachs die kleinen Veränderungen positiv aufnehmen und vielleicht noch mehr Leserinnen und Leser angesprochen werden. Auch in diesem Jahr bedanke ich mich sehr herzlich bei den treuen Freunden, den zahl- reichen Förderern und Unternehmen, ohne die dieses Jahrbuch nicht möglich gewesen wäre. Liebe Leserinnen und Leser, der Almanach 2014 liegt nun vor Ihnen. Ich wünsche Ihnen erfüllende Momente beim Lesen – und den Autoren, dass sie in Ihnen eine durchaus kriti- sche, genauso aber faire Leserschaft finden. Ihr Sven Hinterseh Landrat 8

Zum Geleit Meilensteine: Das Schwarzwald-Baar Klinikum ist eröffnet. Das Bild oben links entstand bei der Führung durch die Notaufnahme. Von links: Landrat Sven Hinterseh, Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Direktor Dr. med. Bernhard Kumle und Dr. Rupert Kubon, Oberbürgermeister von Villingen-Schwenningen. Beim Festakt zur Eröffnung des Klinikums dankte der Landrat den Mit-Initiatoren Rolf Schmid (oben rechts) und Horst Schlenker (oben unten). Letzterer war der Vorgänger von Rolf Schmid in der Position des Geschäftsführers. Am Zustandekom- men des Klinikums hatte auch der Kreistag großen Anteil (Mitte). Zum 40-jährigen Bestehen des Schwarzwald- Baar-Kreises verschenkte der Landkreis an seinen Festredner, den früheren Ministerpräsidenten Erwin Teufel, eine Uhr „made in Schwarzwald-Baar“ (u. links). Am gleichen Abend überreichte das ungarische Partner-Komitat Bács- Kiskun zum Kreisjubiläum eine kostbare Uhr (unten rechts), die Vizepräsident Sandor Rausch übergab.

Aus dem Kreisgeschehen Der Schwarzwald-Baar-Kreis – eine Erfolgsgeschichte In 40 Jahren des Bestehens gute und weitblickende Entscheidungen getroffen von Landrat Sven Hinterseh Das Jahr 2013 war im Schwarzwald-Baar-Kreis das Jahr der Jubiläen: Im Mittelpunkt standen die Feierlichkeiten zur vierzigsten Wiederkehr der Gründung unseres Landkrei- ses. Als zu Beginn der 1970er Jahre die Gebiets- und Kommunalreform in Baden-Würt- temberg angegangen wurde, war dies mit sehr vielen Widerständen, Vorbehalten und Bedenken verbunden. Heute wissen wir: Die Gebietsreform war richtig und erfolgreich! Insbesondere im Schwarzwald-Baar-Kreis konnte eine Erfolgsgeschichte geschrieben werden. Dabei waren die vergangenen vier Jahrzehnte nicht ohne gewaltige Herausfor- derungen und Verwerfungen. Der Untergang der Phono- und Uhrenindustrie ist nur ein Beispiel für den Wandel, der in dieser Zeit stattgefunden hat. Zu der Erfolgsgeschichte im Schwarzwald-Baar- Kreis hat u. a. beigetragen, dass die politisch ver- antwortlichen Personen im Landkreis gute und weitblickende Entscheidungen getroffen und da – bei auch ein „glückliches Händchen“ gehabt ha- ben. Die frühzeitig begonnene Neustrukturierung Das Landratsamt Schwarzwald-Baar auf dem Vil- linger Hoptbühl. Im Vordergrund Teile der Kunst am Bau, der Kuckucksuhr. der Kliniklandschaft, die mit der Eröffnung des neuen Schwarzwald-Baar Klinikums in Villingen- 10

Aus dem Kreisgeschehen Schwenningen am 6. Juli 2013 ihren Abschluss gefunden hat, verdeutlicht dies eindrucksvoll (siehe Beiträge S. 36 ff.). Für diese Erfolgsgeschichte in den vergange- nen vierzig Jahren tragen viele Verantwortung: Zuerst die ehrenamtlich tätigen Kreisrätinnen und Kreisräte, die beiden Landräte Dr. Rainer Gutknecht und Karl Heim und nicht zuletzt auch die engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbei- ter im Landratsamt sowie das gute Miteinander mit den Städten und Gemeinden im Landkreis. Ein Blick „hinter die Kulissen“ Unser Festakt am 3. Mai 2013 bot eine gute Ge- legenheit, zusammen mit vielen Zeitzeugen und Wegbegleitern der vergangenen Jahre auf diese Geschichte zurückzublicken. Die Bevölkerung hatte sodann an unserem „Tag der offenen Tür“ am 16. Juni 2013 die Gelegenheit, einmal „hin- ter die Kulissen“ ihres Landratsamtes zu blicken. Mehrere Tausend Besucherinnen und Besucher waren Gast im Kreishaus und sorgten für eine ausgelassene Stimmung und eine rundum ge- lungene Veranstaltung (siehe Seite 30/31). Beim „Blaulichttag“ – Innenminister Reinhold Gall (Mitte) und Landrat Sven Hinterseh (2. v. links) im Ge- spräch mit Kreisbrandmeister Manfred Bau (rechts). „Mit so einem ‚Blaulichttag‘ kann man mich natür- lich locken“, betonte der Innenminister. Die Einsatz- kräfte präsentierten sich beim ersten „Blaulichttag“ von ihrer besten Seite. Oktober 2013 im und rund ums Landratsamt. Zusammen mit den sogenannten Blaulichtorga- nisationen im Landkreis, der Polizei, der Feuer- wehr, dem Deutschen Roten Kreuz, der Malte- ser, der Deutschen Lebens-Rettungsgesellschaft, dem Technischen Hilfswerk, der Bergwacht und der Deutschen Rettungsflugwacht, konnten wir eindrucksvoll die Leistungsfähigkeit der ehren- amtlich Tätigen unter Beweis stellen. Auch hier zeigte sich die Bevölkerung sehr interessiert und war vom Engagement der Einsatzkräfte begeis- tert (siehe Seite 34/35). „Vorwärtsstrategie“: Der demografische Wandel als besondere Herausforderung Ein weiterer Baustein unserer Vierzig-Jahr- Feierlichkeiten war unser „Blaulichttag“ am 12. Die vergangenen vierzig Jahre sind für uns Ver- pflichtung, alle Anstrengungen zu unternehmen, 11

Aus dem Kreisgeschehen um den Landkreis auch in den kommenden Jah- ren und Jahrzehnten in eine gute Zukunft zu füh- ren. Dafür arbeiten wir Tag für Tag und ringen mit allen politischen Akteuren um den richtigen Weg. Und ohne Zweifel gilt, dass dabei gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wan- dels besondere Herausforderungen zu bewälti- gen sind. Dies war auch der Grund dafür, dass wir uns bereits vor über eineinhalb Jahren auf den Weg gemacht haben, um dem demografi- schen Wandel ganz konkret zu begegnen und eine „Vorwärtsstrategie“ zu entwickeln. » Ausgehend von einer Klausurtagung des Kreistages hat die Landkreisverwaltung eine „Demografiestrategie“ unter Betei­ ligung aller wichtigen gesellschaftlichen Akteure und der Bürgerschaft entwickelt. Längst ist klar, dass die Bewältigung des de- mografischen Wandels, der eng mit einem gesell- schaftlichen Wandel einhergeht, die wichtigste strategische Herausforderung der Kommunal- politik ist. Ausgehend von einer Klausurtagung des Kreistages hat die Landkreisverwaltung ge- meinsam mit den Städten und Gemeinden eine „Demografiestrategie“ unter Beteiligung aller wichtigen gesellschaftlichen Akteure und der Bürgerschaft entwickelt. Über drei Einwohner- konferenzen, die zeitgleich an verschiedenen Orten im Landkreis stattfanden, konnte eine intensive Bürgerbeteiligung sichergestellt wer- den. Leitidee war es, den dezentralen Charakter des Landkreises aufzugreifen und die Diskussion raumschaftlich zu organisieren. Unsere „Demografiestrategie“ wurde im Juli 2013 einstimmig vom Kreistag beschlossen. Wir haben damit eine gute fachliche Grundlage, die Herausforderungen der kommenden Jahre, ge- meinsam mit den Verantwortlichen in den Städ- ten und Gemeinden sowie der Bürgerschaft zu meistern. Die breite Abstimmung im Prozess hilft uns sicher bei der Umsetzung schwieriger, aber notwendiger Entscheidungen und erhöht deren Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern. 12 10 Jahre Ringzug – „S-Bahn auf dem Lande“ hat täglich bis zu 15.000 Passagiere Und ein weiteres Jubiläum galt es im Jahr 2013 zu feiern: Gemeinsam mit den Nachbarlandkreisen Rottweil und Tuttlingen konnten wir auf zehn erfolgreiche Ringzug-Jahre zurückblicken (siehe Seite 27). Die „S-Bahn auf dem Lande“ startete am 31. August 2003 und verzeichnet von Be- ginn an stetig wachsende Fahrgastzahlen. Die- se haben sich von anfangs 8.000 Personen an Wochentagen auf heute etwa 15.000 Personen nahezu verdoppelt. Neben Schülern und Berufs- pendlern nutzen immer mehr Familien, Senioren und auch Wander- sowie Fahrradtouristen das Angebot, mit einer Fahrkarte über drei Land- kreise hinweg in der Region Schwarzwald-Baar- Heuberg im Stundentakt pünktlich, sicher und stressfrei ans Ziel zu kommen. Diesen Erfolg haben die drei Landkreise zusammen mit dem Zweckverband Ringzug am 14. September 2013 in Villingen-Schwenningen auf dem ehemaligen Landesgartenschaugelände mit einem großen Familienfest gefeiert. 50 Jahre Hotelfachschule in Villingen-Schwenningen Zu den Besonderheiten im Gesamtspektrum des beruflichen Schulwesens in Trägerschaft des Schwarzwald-Baar-Kreises zählt die Landes- berufsschule für das Hotel- und Gaststätten- gewerbe in Villingen-Schwenningen. Auch hier galt es, im Jahr 2013 ein Jubiläum zu feiern: 50 Jahre Hotelfachschule. Der Landkreis hat sich im Jubiläumsjahr entschlossen, wichtige Moderni- sierungs- und Erweiterungsmaßnahmen an dem Schulgebäude vorzunehmen, um so auch die ho- he Qualität der Ausbildung nicht nur halten, son- dern noch weiter ausbauen zu können. Regionale Schulentwicklung – bestmögliche Ausbildungsbedingungen Bildung ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Zu kunft jedes Einzelnen. Und deshalb kümmert

Aus dem Kreisgeschehen Als „Sprungbrett in die Welt“ präsentiert sich mit internationalem Erfolg im 50. Jahr ihres Bestehens die Landesberufsschule für das Hotel- und Gaststätten- wesen in VS-Villingen. sich der Landkreis sehr intensiv um die in seiner Trägerschaft stehenden zehn beruflichen Schu- len an den Standorten in Villingen-Schwennin- gen, Donaueschingen und Furtwangen sowie um die vier Sonderschulen und zwei Schulkindergär- ten in Villingen-Schwenningen, Donaueschingen und Bad Dürrheim. Rund 10.000 Schülerinnen und Schüler besuchen diese Einrichtungen und der Kreistag hat sich in den vergangenen Monaten intensiv mit der inhaltlichen Weiterentwicklung dieser Schulen im Rahmen seiner „regionalen Schulentwicklung“ befasst. Bestmögliche Aus- bildungsbedingungen zu schaffen, waren dabei unser Handlungsmaßstab. Bildungsregion Schwarzwald-Baar-Kreis hat sich etabliert Um diesen bestmöglichen Bildungserfolg für alle Kinder und Jugendliche im Schwarzwald-Baar- Kreis zu erreichen, wurde im Landratsamt das Bildungsbüro der Bildungsregion Schwarzwald- Baar-Kreis eingerichtet. Das Büro ist wichtiger Impulsgeber und hat in den vergangenen drei Jahren eine große Aufbauarbeit geleistet sowie eine Vielzahl an Projekten und Maßnahmen an- gestoßen und umgesetzt: Vorlesekoffer für Fa- milien, Sommer-Natur-Erlebnis-Camps, Musik- » Der Bildung kommt unter vielen ge­ sellschaftlich diskutierten Aspekten eine besondere Bedeutung zu. Ob es nun um die demografische Entwicklung geht oder um die Themen „Fachkräftebedarf“ und „Chancengleichheit“. Bewegung-Sprache, Mathe for future, Projekte am Übergang Schule-Beruf, Fortbildungen und Netzwerkarbeit mit Erzieherinnen zum Thema Sprachförderung, Trägerschaft der Hector-Kinder- akademie, Leseförderung und vieles mehr. Der Bildung kommt unter vielen gesellschaftlich dis- kutierten Aspekten eine besondere Bedeutung zu. Ob es nun um die demografische Entwicklung geht oder um die Themen „Fachkräftebedarf“ und „Chancengleichheit“. Viele Überlegungen, die mit diesen Themen verknüpft sind, münden mit konkreten Anforde- 13

Aus dem Kreisgeschehen rungen in den Bereich Bildung und sie stellen uns vor Ort vor konkrete Herausforderungen, die es zu meistern gilt, um den Kindern und Jugend- lichen ein gutes Bildungsangebot vorzuhalten. Eine gute Bildungsinfrastruktur – vielfältige Lern- und Bildungsangebote, qualifizierte Be- treuungsangebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf – prägt nicht nur die Wohn- und Le- benskultur, sondern ist auch Grundlage für wirt- schaftlichen Erfolg und damit ein bedeutender Standortfaktor für den Schwarzwald-Baar-Kreis. Bildung wird ein Schlüsselthema der Zukunft bleiben und mehr denn je ist es wichtig, die Kräf- te zu bündeln, um weitere Anstrengungen zum Gelingen von Bildungsbiografien vorzunehmen. Rekordhaushalt in 2013 Das Jahr 2013 war in finanzieller Sicht ein echter Kraftakt für den Kreis mit einem Rekordhaushalt von 265 Millionen Euro. Davon wurden allein 20 Millionen Euro für einen Gesellschafterzuschuss an unsere Schwarzwald-Baar Klinikum GmbH zur Realisierung des Neubaus aufgewandt. Der Landkreis hält nun nach diesem Kapitalfluss mit knapp über 60 Prozent an der GmbH die Mehr- heit und die Stadt Villingen-Schwenningen mit knapp unter 40 Prozent die restlichen Anteile. Weitere beachtliche Summen konnten für die Sanierung unserer Infrastruktur in Schulen, Stra- ßen und Gebäuden investiert werden. Ende des Jahres 2013 wird unser Schuldenstand bei rund 36 Millionen Euro liegen und damit wieder auf einem niedrigeren Stand als im Vorjahr. Unser Ziel bleibt weiter, eine generationengerechte Finanzpolitik mit Schuldenabbau bei gleichzei- tiger Investitionstätigkeit in wichtige Zukunfts- projekte. Breitbandausbau – die Straßen des 21. Jahrhunderts So gehen wir beispielsweise entschlossen und konsequent den Weg hin zum Breitbandaus- bau im Schwarzwald-Baar-Kreis. Damit unser Landkreis ein attraktiver und zukunftsfähiger 14 Standort für die Unternehmen und unsere Bür- gerinnen und Bürger bleiben kann, kommt neben dem Verkehrsnetz und dem Öffentlichen Perso- nenverkehr der Infrastruktur für den schnellen Datenverkehr, dem sogenannten Breitbandnetz, eine sehr große und immer weiter wachsende Bedeutung zu. Breitbandverbindungen sind in- zwischen die wesentlichen wirtschaftlichen und sozialen Nervenstränge. Neue Anwendungen wie beispielsweise Cloud-Computing (Verlagerung von Datenspei- chern, Rechnerkapazitäten und Software auf zentrale Dienste), Vernetzung von Unterneh- mensstandorten, hochauflösendes Fernsehen (HDTV) oder die Telemedizin erfordern wesent- lich höhere Übertragungskapazitäten. Damit die bereits einsetzende Verschmelzung von Telefo- nie, Internet und Fernsehen weiter vorangehen und der enorm anwachsende Datenverkehr be- wältigt werden kann, ist deshalb eine technolo- gische Wende von der bisherigen Kupferleitung hin zum Glasfaserkabel bis in das Haus erfor- derlich. Die Verlegung von Glasfasernetzen bis zum Endkunden ist allerdings sehr teuer, wes- halb Netzbetreiber gewöhnlich diese Verlegung im dünner besiedelten Ländlichen Raum nicht realisieren, sondern sich auf die Großstädte und Ballungsräume konzentrieren. Der Schwarzwald-Baar-Kreis hat sich nun auf den Weg gemacht, um gemeinsam mit al- len Städten und Gemeinden im Landkreis eine Glasfaserinfrastruktur aufzubauen, bisherige Breitbandprojekte von Gemeinden und anderen Projektträgern zu vernetzen und die Kooperation zwischen Kommunen, Verbänden der Wirtschaft sowie Dritten für Errichtung und Betrieb der Net- ze zu fördern. Unser Ziel ist es, den Aufbau eines Glasfasernetzes im Eigentum der Kommunen und des Landkreises als interkommunales Pro- jekt schrittweise voranzutreiben. Wir haben nun die kreisweite Planung für ein Basisnetz in Ringform, das die Städte und Gemeinden mit ihren Ortsteilen und Übergabe- punkte von möglichen Betreibern verbindet (sog. Backbone) in Auftrag gegeben. Die Planung wird vom Land Baden-Württemberg als Modell ge- fördert und wird bis Mitte 2014 abgeschlossen sein. In einem weiteren Schritt soll auf Kreisebe-

ne im Jahr 2014 möglichst mit allen Städten und Gemeinden im Landkreis ein Zweckverband ge- gründet werden, um der notwendigen interkom- munalen Zusammenarbeit eine Grundlage zu geben. In den Jahren 2014 bis etwa 2025 soll dann sukzessive der Bau der Netze und die Vermietung des Netzbetriebs vorgenommen werden. Gute Verkehrsinfrastruktur – Lebensader für den ländlichen Raum Nach wie vor gilt unser besonderes Augenmerk einer guten Verkehrsinfrastruktur im Landkreis. Gerade wir im ländlichen Raum sind mit unserer gesunden Wirtschaftsstruktur auf gut ausgebau- te Verkehrswege angewiesen. Im Schwarzwald- Baar-Kreis werden die Straßen aufgrund der klimatischen Bedingungen im Winter besonders strapaziert und dies erfordert regelmäßig nicht nur hohe Aufwendungen im Betrieb, sondern ge- rade auch in der Instandhaltung. So mussten wir in unterschiedlichste Baumaßnahmen im Jahr 2013 knapp drei Millionen Euro in unsere Kreis- straßen investieren, um unser Kreisstraßennetz mit seinen über 300 Kilometern in gutem Zu- stand halten zu können. Um die Bedingungen für unsere Unterhal- tungsleistungen der über 600 Kilometer Bun- des-, Landes- und Kreisstraßen verbessern zu können, hat der Kreistag im Jahr 2013 beschlos- sen, bei Hüfingen eine neue Straßenmeisterei mit einem Investitionsvolumen von rund 4,5 Millionen Euro zu errichten. Durch die verkehrs- günstige Lage an der B 27 und B 31 kann der künf- tige Einsatz noch effizienter dargestellt werden. Auch haben wir uns an der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplanes, der im Jahr 2014 von der Bundesregierung verabschiedet werden soll, beteiligt. Für den Schwarzwald-Baar-Kreis sind der Lückenschluss der B 523 im Norden von Villingen-Schwenningen und der Ausbau der B 27 von Donaueschingen zur Schweizer Grenze von besonderer Bedeutung. Die B 27 bei Donaueschingen/Hüfingen. Die viel fre- quentierte Bundesstraße soll bis zur Schweizer Grenze weiter ausgebaut werden. Aus dem Kreisgeschehen 15

Aus dem Kreisgeschehen Darüber hinaus widmen wir uns der Ertüchti- gung unserer Schienenwege. Die Elektrifizierung der östlichen Höllentalbahn von Donaueschin- gen nach Neustadt steht dabei ganz oben auf unseren Ausbauplänen. Unser Ziel ist, ab dem Jahr 2020 eine umsteigefreie Verbindung von Villingen-Schwenningen nach Freiburg anbieten zu können. Bislang müssen Reisende zwischen Donaueschingen und Freiburg in Neustadt um- steigen, da die rund 39 Kilometer lange Strecke von Neustadt nach Donaueschingen mangels Elektrifizierung nur mit Dieseltriebwagen be- fahren werden kann. » Um die östliche Höllentalbahn von Donaueschingen nach Neustadt für elek­ trische Züge befahrbar zu machen, müssen auf der topografisch schwierigen Route Oberleitungen verlegt und mit Stromzulei­ tungen versorgt werden. Diese unbefriedigende Situation wollen wir gemeinsam mit dem Landkreis Breisgau-Hoch- schwarzwald ändern und beteiligen uns daher fi- nanziell an der Planung und den dann folgenden Baumaßnahmen zur Elektrifizierung. 13 Kilome- ter der anspruchsvollen Strecke befinden sich auf der Gemarkung des Schwarzwald-Baar-Kreises, und mit 535 Metern auch der Dögginger Tunnel. Um die Strecke für elektrische Züge befahrbar zu machen, müssen auf der topografisch schwieri- gen Route Oberleitungen verlegt und mit Strom- zuleitungen versorgt werden. Zudem müssen Haltepunkte in Döggingen und Hüfingen-Mitte verlängert und modernisiert werden. Neben der Topografie stellt auch das Alter der östlichen Höllentalbahn erhöhte Heraus- forderungen an die Ingenieure. So gilt es in Tun- nel, die lediglich für die Durchfahrt eines ohne Stromabnahme betriebenen Zuges dimensioniert wurden, Oberleitungen einzuziehen und einen Flucht- und Evakuierungsplan vorzusehen. Bis die ersten elektrischen Züge auf dieser Strecke fahren können, werden wir noch einige Herausforderungen meistern müssen. Auch den perspektivischen Ausbau der Schienenstrecke 16 von Villingen nach Schwenningen und Rottweil haben wir im Blick und für die Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans gemeldet. Unser langfristiges Ziel ist, alle Hauptverkehrsschie- nenstrecken in der Region zu elektrifizieren, um so unseren Bahnkunden einen umsteigefreien und komfortablen Verkehr zu ermöglichen. Vernetzte Mobilität Intelligente Mobilität vernetzt die verschiedenen Verkehrsträger miteinander. Und so widmen wir uns auch dem Ausbau unseres Radverkehrsnet- zes in den kommenden Jahren. Wir erstellen eine Planung, die uns für die nächsten zehn Jahre ein konkretes Bau- und Maßnahmenprogramm der überörtlichen Radwege aufzeigt, das sich auf eine Gesamtlänge von circa 500 Kilometer be- läuft. Die Bürger konnten sich über das Internet beteiligen und Vorschläge einbringen. Über 150 Bürger haben diese Beteiligungsmöglichkeit ge- nutzt, um uns wertvolle Hinweise zu geben. Modernisierung im Rettungswesen – Neubau der integrierten Leitstelle Ab dem Jahr 2016 sollen Funksignale nur noch digital übertragen werden. Dies bedeutet insbe- sondere, dass auch im Rettungswesen und bei der Feuerwehr die analogen Kommunikations- netze abgeschaltet werden. Der Schwarzwald- Baar-Kreis betreibt bereits jetzt gemeinsam mit dem Deutschen Roten Kreuz eine gemeinsame, sogenannte integrierte Leitstelle, bei der sämt- liche Notrufe der Nummer 112 eingehen. Am jetzigen Standort ist die Aufrüstung auf die digitale Funktechnik nicht möglich, sodass sich der Landkreis und das Deutsche Rote Kreuz gemeinsam entschlossen haben, eine neue in- tegrierte Leitstelle zu bauen. Diese soll neben dem Luftrettungszentrum und somit gegenüber dem neuen Schwarzwald-Baar Klinikum in Vil- lingen-Schwenningen errichtet werden. Der Spa- tenstich ist für das Jahr 2014 geplant, sodass die Funktechnik pünktlich im Jahr 2016 eingeführt werden kann.

Aus dem Kreisgeschehen 90 Jahre Landwirtschaftsschule in Donaueschingen Im Schwarzwald-Baar-Kreis spielt die Landwirt- schaft nach wie vor eine sehr große Rolle. Vie- le Familienbetriebe sorgen dafür, dass wir uns gesund und mit regional erzeugten Nahrungs- mitteln ernähren können. Auch wäre unsere Kulturlandschaft ohne die Arbeit in den land- wirtschaftlichen Betrieben nicht zu erhalten. Zur Förderung der Landwirtschaft unterhält der Schwarzwald-Baar-Kreis am Standort Donau- eschingen in Kombination mit dem Landwirt- schaftsamt eine landwirtschaftliche Fachschule mit den Fachrichtungen Landbau und Hauswirt- schaft. Diese Fachschule stellt eine wesentliche Grundlage für die Erhaltung unserer bäuerlichen Familienbetriebe und damit auch unserer Kultur- landschaft dar. Im November 2014 kann der landwirtschaftli- che Schulstandort Donaueschingen sein 90-jäh- riges Bestehen feiern. Die Schule hat einen Ein- zugsbereich, der sich auf nahezu alle Landkreise in Südbaden erstreckt, erfreut sich einer hohen Beliebtheit und weist steigende Schülerzahlen auf. Die Absolventen können aufbauend auf einer dreijährigen Berufsausbildung in weiteren zweieinhalb Jahren an unserer Fachschule den Die Landwirtschaft spielt im Schwarzwald-Baar-Kreis eine große Rolle – beim „Tag der offenen Tür“ des Landratsamtes am 16. Juni 2013 gab es viele Informa- tionen zu diesem Themenfeld. Zu sehen waren auch Getreidesorten, die im Kreisgebiet angebaut werden. Abschlussgrad des „Staatlich geprüften Wirt- schafter des Landbaus“ und somit bereits mehr als die Hälfte der für den Meisterabschluss er- forderlichen Prüfungen erwerben. Neben der Ausbildung des landwirtschaft- lichen Nachwuchses kümmern wir uns auch intensiv um eine bessere Erschließung von Hof- stellen, Feldern und Waldflächen, um so einen Beitrag für zukunftsfeste Produktions- und Arbeitsbedingungen in unserem Kreis leisten zu können. Unser Flurneuordnungsamt im Land- ratsamt ist dafür zuständig und rückt neben die- sem Ziel der Verbesserung der Agrarstruktur aber immer mehr auch ökologische Belange wie zum Beispiel Biotopverbund, Gewässer-, Arten- und Biotopschutz in den Vordergrund. Neue Verfahren können nur noch angeordnet werden, wenn zusätzlich ein ökologischer Mehr- wert entsteht. Von zwölf neuen Flurordnungs- verfahren in Baden-Württemberg konnten mit den ökologisch wegweisenden Verfahren Bräun- 17

Aus dem Kreisgeschehen lingen-Bruggen und Schonach/Hochmoor gleich zwei Verfahren in den Schwarzwald-Baar-Kreis geholt werden. Auch diese Flurneuordnungsver- fahren sind wichtige Maßnahmen, um langfris- tig unsere schöne Kulturlandschaft sichern zu können. » Das Forstamt im Landratsamt unter­ nimmt enorme Anstrengungen, um der vielfältigen Bedeutung unseres Waldes gerecht zu werden. Immer mehr geht es dabei auch um Umweltbildung und soziale Projekte. „Sozialarbeit“ im Wald – über 45 Prozent der Fläche unseres Landkreises besteht aus Wald Über 45 Prozent der Fläche unseres Landkreises besteht aus Wald. Die Forstwirtschaft hat daher bei uns eine große Tradition. Das Forstamt im Landratsamt unternimmt enorme Anstrengun- gen, um der vielfältigen Bedeutung unseres Wal- des gerecht zu werden. Immer mehr geht es dabei auch um Umweltbildung und soziale Projekte. So werden beispielsweise mit großem Erfolg soge- nannte „Waldwochen“ durchgeführt. Kinder und Jugendliche, die in Jugendhilfeeinrichtungen un- tergebracht sind, haben während dieser päda- gogisch und fachlich betreuten Waldwochen die Gelegenheit, den Wald zu erleben und im Wald zu arbeiten. Oftmals werden Pflegearbeiten für Naturschutzmaßnahmen durchgeführt und da- bei eigene Stärken und Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen herausgearbeitet. Die fach- übergreifende Zusammenarbeit von Forst- und Jugendamt sowie Trägern der Jugendhilfe ist für alle Seiten befruchtend und erfolgreich. Auswirkungen der Energiewende Die Notwendigkeit einer Energiewende, das heißt der Ersatz fossiler Energieträger sowie der Atomkraft durch Erneuerbare Energien kombi- 18 niert mit Energieeinsparungen und Energieef- fizienzsteigerungen, ist im Schwarzwald-Baar- Kreis nicht erst seit der Reaktorkatastrophe von Fukushima im März 2011 ein bestimmendes The- ma der Kreispolitik. Bereits Ende der 1990er Jah- re waren dank einer fortschrittlichen und einer durch die Diskussionen um die Notwendigkeit eines Schweizer Atommüllendlager geprägten Genehmigungspraxis im Landkreis mehr Wind-, Wasserkraft- und Biogasanlagen in Betrieb als andernorts. Auch heute ist unser Landkreis mit Anlagen zur Erzeugung regenerativer Energien, sei es aus Wasserkraft, Sonne, Wind oder Biogas, mit an vorderster Stelle im Land: 43 Wasserkraftanla- gen, 19 Windkraftanlagen, jeweils rund 4.000 Photovoltaik- und solarthermische Anlagen auf den Dächern im Landkreis sowie 40 Biogasanla- gen und elf Holzhackschnitzelanlagen produzie- ren rund 170 Millionen Kilowattstunden Strom und rund 45 Millionen Kilowattstunden Wärme im Jahr, die in acht Fernwärmenetzen zum Ver- braucher gebracht werden. Damit wurden zu- letzt mehr als 16 Prozent des gesamten Strom- bedarfs im Landkreis abgedeckt. In einzelnen Gemeinden reicht die Quote sogar schon von 50 bis zu 100 Prozent. Nahezu alle Kreisgebäude sind mit Photovoltaikanlagen ausgestattet In der Solarbundesliga rangiert der Schwarz- wald-Baar-Kreis von 142 erfassten Landkreisen auf Rang 26. Nahezu alle Kreisgebäude – Schu- len und Verwaltung – sowie die beiden Deponien sind mit Photovoltaikmodulen ausgestattet. Be- sonders hervorzuheben ist, dass immer mehr bürgerschaftlich getragene Anlagen entstehen, sei es bei der Windkraft oder zur Nahwärmever- sorgung. Alle 20 Städte und Gemeinden im Kreis kümmern sich derzeit um die Fortschreibung ihrer Flächennutzungspläne und der Ausweisung entsprechender Vorranggebiete für Windkraft- anlagen. Und in einem weiteren Feld sind wir ak- tiv. Im Jahr 2013 haben wir uns als Partnerregion der Bioenergieregion Bodensee angeschlossen. Mit einer umfassenden Information und Sensibi-

Aus dem Kreisgeschehen lisierung der Bevölkerung sollen weitere Schritte in Richtung Optimierung der Biomassenutzung und örtlicher Wertschöpfung getan werden. Vor- bilder können hier die sogenannten Bioenergie- dörfer sein. Konsequent in diese Schritte fügt sich die Teilnahme des Schwarzwald-Baar-Kreises am landesweiten Wettbewerb „Gute Bioener- giedörfer“ ein: Mit Förderung des Kreises sowie des Landes sollen für jede Gemeinde Steckbriefe erarbeitet werden, in denen das örtliche Poten- zial für eine nachhaltige Bioenergienutzung den Bürgern sowie den vor Ort Verantwortlichen auf- gezeigt wird. Erfolgreiche Energieberatung Auch an den beiden anderen Säulen der Energie- wende, der Energieeinsparung und der Energie- effizienz arbeitet der Landkreis seit Jahren: Ein konsequentes Energiemanagement für die Ge- bäude des Landkreises hilft, nicht nur schädliches Kohlendioxid einzusparen, sondern auch die Energieverbräuche deutlich zu senken. Zentraler Punkt bei dem Thema Energieeinsparung und In der Solarbundesliga rangiert der Schwarzwald- Baar-Kreis von 142 erfassten Landkreisen auf Rang 26. An dieser guten Platzierung ist die Photovoltaik- anlage auf der ehemaligen Mülldeponie in Hüfingen wesentlich beteiligt, die zu den größten im Landkreis zählt. Energieeffizienz ist die Beratung der Bürger beim Strom- und vor allem Wärmeverbrauch in den Gebäuden. Mit unserer Energieagentur, die im Jahr 2009 im Schwarzwald-Baar-Kreis eingerich- tet wurde, erreichen wir in rund 400 Beratungen im Jahr viele Gebäudeeigentümer und können diese von einer sinnvollen energetischen Sanie- rung überzeugen. Dabei entstehen Aufträge für die heimischen Handwerker und Wertschöpfung wird in der Region gehalten. Energieberatung ist eine Daueraufgabe, die noch über viele Jahre und Jahrzehnte im Interesse der Energieeinspa- rung, der Energieeffizienz sowie dem Einsatz re- generativer Energien notwendig sein wird. Der Schwarzwald-Baar-Kreis ist dabei nicht am An- fang, sondern mitten in der Energiewende. 19

Aus dem Kreisgeschehen „Der Landkreis ist eine Heimat, die identitätsstiftend wirkt“ Zum Kreisjubiläum wird große Bedeutung des Schwarzwald­Baar­Kreises hervorgehoben von Wilfried Dold Mit einem Festakt im Sitzungssaal des Kreistages am 3. Mai 2013 und einem „Tag der offenen Tür“ (s. S. 30) am 16. Juni 2013 im Landratsamt feierte der Schwarzwald-Baar- Kreis sein 40-jähriges Bestehen. Landrat Sven Hinterseh, der dritte Landrat in der 40-jähri- gen Geschichte des Kreises, betonte, man stelle sich mit Zuversicht den Herausforde- rungen der Zukunft. Und er unterstrich, dass der Schwarzwald-Baar-Kreis längst nicht mehr nur ein politisches Gebilde sei. Landrat Hinterseh: „Ich denke, für die meisten unter Ihnen ist der Schwarzwald-Baar-Kreis eine Heimat geworden, die durchaus identi- tätsstiftend wirkt.“ Der frühere Ministerpräsident Erwin Teufel verwies in seiner Fest- rede auf die bedeutende Rolle, die der Schwarzwald-Baar-Kreis in der Region Schwarz- wald-Baar-Heuberg inne habe. Landrat Sven Hinterseh skizzierte vor 200 Persön- lichkeiten des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens den Werdegang und die Zukunft des Landkreises. Was die Geschichte anbelangt, so hielt er fest: „Ich bin sicher, dass der Schwarz- wald-Baar-Kreis für seine Einwohner in den ver- gangenen vier Jahrzehnten weit mehr als ein ‚politisches Gebilde‘, mehr als eine ‚Zuständig- keitsgrenze‘ oder eine ‚Aufgabenträgerschaft‘ wurde. Ich denke, für die meisten unter Ihnen ist der Schwarzwald-Baar-Kreis an dem Ort, an dem Sie leben, auch Heimat geworden, die durchaus auch identitätsstiftend wirkt. Das war zu Beginn der 1970er-Jahre natürlich nicht so – nicht jede der zum Kreis gehörenden Städte und Gemein- den war mit ganzem Herzen dabei. Man hatte über Jahre hinweg in anderen Strukturen gelebt, dann versucht, das Beste aus der überwiegend ungeliebten Strukturreform zu machen und war 1973 in einer neuen Welt angekommen.“ Die ersten beiden Jahrzehnte im neuen Kreis- zuschnitt waren Jahre voller organisatorischer Herausforderungen – vor allem im Bereich der Beruflichen Schulen und der Sonderschulen galt es, in erheblichem Maße die Ärmel hochzukrem- peln, führte Sven Hinterseh mit Blick auf die Leis- tungen des ersten Landrates des jungen Schwarz- wald-Baar-Kreises, von Dr. Rainer Gutknecht, aus. Viele der heute bestehenden Kreisschulen entstanden in den 1970er- und 1980er-Jahren. Das Krankenhaus in Donaueschingen, aber auch viele Straßenbauprojekte standen ebenfalls auf dem gewaltigen Arbeitsplan der neuen Kreis- verwaltung – und es musste noch ein anderes Feld beackert werden: Es galt, ein Kreisbewusst- sein zu schaffen. So wurde eine „Kreischronik auf Zuwachs“ begründet – der Kreisalmanach, das Jahrbuch des Landkreises, das nunmehr in seiner bereits 38. Folge erscheint. Dr. Gutknecht war von 1973 bis 1996 im Amt, ihm folgte Karl Heim nach. Landrat Hinterseh be- zeichnete Dr. Gutknecht als Architekten und Bau- leiter für den ersten Bauabschnitt des Schwarz- wald-Baar-Kreises, Karl Heim war als zweiter Landrat der Kreisgeschichte zwischen 1996 und 2012 für den zweiten Bauabschnitt verantwort- lich. Sven Hinterseh: „Sie brachten damals einen ‚Wind der Veränderung‘ mit und richteten den 20

Aus dem Kreisgeschehen Landrat Sven Hinterseh bei seiner Eröffnungsrede zum Festakt „40 Jahre Schwarzwald-Baar-Kreis“. Landkreis und auch die Kreisverwaltung für die anstehenden Herausforderun gen neu aus. Sie waren auch als Bauherr in jeder Hinsicht tätig, haben nicht nur an Gebäuden und Straßen, son- dern auch gleich noch an Eisenbahnlinien mitge- baut. Ohne Ihren Einsatz könnten wir heute nicht mit dem Ringzug, der ‚S-Bahn auf dem Lande‘, zur Schule oder Arbeit fahren, wie es für Bewohner in einem Ballungsraum schon Jahrzehnte ganz normal ist. Und die Zeit vergeht: Im September können wir bereits das 10-jährige Bestehen des Ringzugs feiern (s. Seite 27)!“ Und Landrat Sven Hinterseh hob noch auf einen weiteren Meilenstein der Amtszeit von Karl Heim ab: Das Schwarzwald-Baar Klinikum, die Neu ordnung des Krankenhauswesens im Landkreis. „Der Weg war steinig und es brauchte eine gehörige Portion Ausdauer“, bilanzierte er. Der demografische Wandel ist eine der großen Zukunftsaufgaben Seit 1. Juni 2012 leitet Landrat Sven Hinterseh die Geschicke des Schwarzwald-Baar-Kreises – und hat vor allem auch die Zukunftsaufgaben fest im Blick. Die Gestaltung der Zukunft des Landkrei- ses sei für alle „Kärnerarbeit“. Als Beleg für diese Behauptung nannte Landrat Hinterseh die Neu- ordnung der Krankenhauslandschaft. Und auch wenn die Menschen weniger wür- den, was im Augenblick der Fall sei, nähmen die Probleme und offenen Fragen nicht etwa ab, sondern gewaltig zu! Sven Hinterseh: „Der de- mografische Wandel und seine konkreten Aus- wirkungen sind natürlich schon heute das zen- trale Thema und auch in den nächsten Jahren wird das nicht anders sein! Wir werden uns die- sem Wandel konsequent stellen und alle unsere Handlungsfelder daraufhin überprüfen. Letztlich geht es dabei auch um den Erhalt der Daseinsvor- sorge im ländlichen Raum – das ist die gewaltige Herausforderung der Zukunft!“ Mit Stolz verwies der Landrat auf die gute Bildungsinfrastruktur, die im Schwarzwald-Baar- Kreis eine große Tradition habe. „In Zukunft wer- den wir noch mehr darauf achten, dass uns kein einziges Kind im Bildungssystem verloren geht. Jeder Einzelne soll bei uns eine echte Chance auf bestmögliche Bildung erhalten“, betonte der dritte Landrat in der 40-jährigen Geschichte des Schwarzwald-Baar-Kreises. Eine gute Infrastruktur, um die ländlichen Räu- me zu erhalten, Straßen- und Schienenwege oder 21

Aus dem Kreisgeschehen Die beiden dienstältesten Kreisräte im Schwarzwald-Baar-Kreis sind Dr. Gerhard Gebauer, früherer Oberbür- germeister von Villingen-Schwenningen (Bild links, Mitte) und Lukas Duffner (Bild rechts, stehend). Die Fotos zeigen links Dr. Gebauer und Ehefrau Lieselotte im Gespräch mit Bürgermeister Fritz Link, Königsfeld, und Lukas Duffner im Gespräch mit Edeltraud und Erwin Teufel. Breitbandausbau – man werde sich im Schwarz- wald-Baar-Kreis voller Zuversicht den Heraus- forderungen stellen, unterstrich Sven Hinterseh weiter. Keine andere Region wie diese habe so viel Erfahrung mit Umbrüchen und Strukturwan- del, zeigte sich der Landrat sicher, dass die Wei- chenstellungen für die Zukunft gelingen werden. Dr. Gerhard Gebauer und Lukas Duffner – die beiden dienstältesten Kreisräte Eingebunden hatte Sven Hinterseh seine Ausfüh- rungen in die Begrüßungsrede – und zwei Kreis- räte erwähnte der Landrat in diesem Zusammen- hang besonders: Dr. Gerhard Gebauer, früherer Oberbürgermeister von Villingen-Schwennin- gen, und Lukas Duffner. Beide sind sie Mitglied der SPD-Fraktion und gestalten seit der Grün- dung des Landkreises – seit also nunmehr über 40 Jahren – die Kreispolitik an vorderer Stelle mit. Zu den namhaften Gästen aus Politik und Wirtschaft gehörten auch der frühere Parlamen- tarische Staatssekretär Dr. Hansjörg Häfele (CDU), ebenso waren Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer und Landkreistagspräsident Eberhard Trumpp zur Feierstunde gekommen. 22 Erwin Teufel ein verdienter Wegbegleiter des Schwarzwald-Baar-Kreises Die Festrede hielt der frühere Ministerpräsident Dr. h. c. Erwin Teufel, der zum Schwarzwald-Baar- Kreis eine besondere Beziehung hat, der Zeitzeu- ge und Geburtshelfer des Landkreises zugleich ist. Landrat Sven Hinterseh stellte die engen Ver- bindungen heraus: „Sie waren über eine sehr lan- ge Zeit unser direkt gewählter Abgeordneter im Stuttgarter Landtag – von 1972 bis 2006. Davon, dass Villingen-Schwenningen – die sprichwört- li che Baden-Württemberg-Stadt – im Schwarz- wald-Baar-Kreis liegt, will ich gar nicht reden. Sie waren Ministerpräsident von Baden-Württem- berg; bei uns hatten Sie 34 Jahre lang quasi ein „Ländle im Kleinen“ mit allem, was dazugehört – natürlich auch mit den landsmannschaftlichen Besonderheiten. Sie sind damit ein Wegbegleiter für unse- ren Landkreis, wie ihn kaum ein anderer Kreis in ganz Baden-Württemberg hatte. Ihrer Initiative verdanken wir den Zuschnitt des Landratsam- tes und der Kreisverwaltung in ihrer heutigen, aktuel len Form. Die Verwaltungsstrukturreform, die Sie auf den Weg gebracht haben, hat letztlich dazu geführt, dass die Verwaltung in ganz Ba-

den-Württemberg heute insgesamt effizienter und vor allen Dingen auch bürgernäher arbeiten kann.“ Die Geburt des Landkreises war von heftigen Wehen begleitet Als Festredner schilderte Erwin Teufel (CDU) eindrucksvoll die vergangenen vier Jahrzehnte der Kreisgeschichte – angefangen bei der Kreis- gebietsreform 1973 über die wirtschaftliche Strukturkrise mit Niedergang der Uhren- und Phonoindustrie bis zum Ausbau der Infrastruk- turen, vor allem im Bereich Bildung und Verkehr. Erwin Teufel erinnerte daran, dass die Geburt des Kreises von heftigen Wehen begleitet war. Die damaligen Kreise Tuttlingen, Rottweil und Donaueschingen hatten mit Nachdruck um ihr Überleben gekämpft. Während der Kreis Tuttlin- gen gestärkt aus der Reform hervorgetreten sei, habe der Kreis Rottweil mit Schwenningen seine größte Stadt und der Kreis Donaueschingen den Überlebenskampf als solchen verloren. Erwin Teufel erinnert sich: „Am 1. Juni 1971 las ich im ‚Schwarzwälder Boten‘ einen Bericht über eine Kreistagssitzung des Kreises Donauesch in- gen mit der Überschrift: ‚Ausverkauf des Kreises Donaueschingen hat begonnen‘. Es wird vom Entsetzen des Landrates Lienhardt geschrieben und davon, dass quer durch alle Parteien die Inte- ressen auseinandergehen und keine Einheit und keine Zusammengehörigkeit im Kreis mehr da sei“. Die Entwicklung nahm ihren Lauf und sie ging zu drei Viertel in Richtung Villingen und zu einem Viertel aus dem Raum Geisingen-lmmendingen- Möhringen nach Tuttlingen. Die Verantwort li- chen des Kreises Donaueschingen versuchten in Gesprächen mit den Vertretern des Kreises Villin- gen für Donaueschingen im Berufsschulwe sen, im Krankenhausbereich und in Verwaltungsau- ßenstellen zu retten, was zu retten war. Der Landtag von Baden-Württemberg be- schloss im Kreisreformgesetz den eingangs er- wähnten Schwarzwald-Baar-Kreis zum 1. Januar 1973. Der Name war ein Zugeständnis an Do- naueschingen und wurde vom Donaueschinger 40 Jahre Schwarzwald-Baar-Kreis Landtagsabgeordneten Leuser beantragt, nach- dem er im Landtag mit einem Antrag zur Auf- rechterhaltung des Kreises Donaueschingen ge- scheitert war. Villingen-Schwenningen war über die Namens- gebung verärgert und wollte nachträglich eine Korrektur zugunsten der Nennung der Stadt im Namen des Kreises. Aber niemand griff die ört- liche Initiative nochmals auf. Aber es blieb beim Autokennzeichen „VS“ für den neuen Kreis. Inzwi- schen sind die Wogen geglättet. Jeder hat sich an den Namen gewöhnt. Er steht für einen starken Kreis mit einer starken Kreisstadt und historisch gewachsenen und deshalb auch selbstbewuss- ten Städten und Gemeinden.“ Sehr erfreulich sei, wie Donaueschingen sei- ne weiteren Geschicke gestalten konnte. Erwin Teufel: „Die Kreisstadt Donauesch ingen hat, das darf man nicht vergessen, einen beachtlichen Zentralitätsverlust im Verwaltungsbereich erlit- ten. Umso bemerkenswerter ist, wie gut sich die Stadt Donaueschingen in den letzten 40 Jahren durch Eigeninitiative in Industrie und Dienstleis- tung und im Bereich der Kultur entwickelt hat.“ » Wir machen uns heute keine Vorstellung mehr, was die von den Franzosen ein­ gesetzten Landräte Robert Lienhardt und Josef Astfäller während der französischen Besatzungszeit leisten mussten. Auch auf die Vorgeschichte der eigentlichen Gründung des Schwarzwald-Baar-Kreises ging Erwin Teufel ein, erinnerte an die schwierige Nachkriegszeit: „Wenn ich den alten Kreisen Vil- lingen und Donaueschingen noch einen Kranz winden will, dann den beiden Landräten der Nach- kriegszeit: Robert Lienhardt und Josef Astfäller. Wir machen uns heute keine Vorstellung mehr, was die von den Franzosen eingesetzten Land- räte während der französischen Besatzungszeit leisten mussten: Von der Ernährung der eigenen Bevölkerung über die Ernährung der französi- schen Truppe, der französischen Zivilverwaltung in Baden-Baden, der beiden großen französi- schen Stadtbezirke Reinickendorf und Neukölln in Berlin. Gegen das Abholzen unserer Wälder 23

Aus dem Kreisgeschehen Der frühere Ministerpräsident Dr. h. c. Erwin Teufel bei seiner Festrede. und die Demontage der Fabriken. Für die Wohn- unterbringung und Eingliederung der Heimat- vertriebenen. Mit größter Hochachtung spreche ich von den beiden großen Persönlichkeiten Landrat Lienhardt, von 1945 bis 1972 Landrat in Donau- eschingen, und von Landrat Astfäller, von 1948 bis 1973 Landrat in Villingen.“ 40 Fabriken schließen: „Ich bin von einer Indus- triebrache zur anderen gegangen“ Beeindruckend waren besonders auch die Schil- derungen der persönlichen Erlebnisse von Erwin Teufel im Zusammenhang mit dem Niedergang der Uhren- und Phonoindustrie. Erwin Teufel: „Der Schwarzwald-Baar-Kreis hat es in den ers- ten 25 Jahren seiner Geschichte wahrlich nicht leicht gehabt. Über diesen wirtschaftsstarken Kreis ist eine Strukturkrise unvorstellbarer Größe her- eingebrochen. Die Stärke von Schwenningen und Villingen, St. Georgen und Triberg waren die In- dustriebetriebe mit Arbeitsplätzen für alle. Dann kam die Krise der Uhrenindustrie und der Phonoindustrie. Ich habe den Niedergang von 24 40 Fabriken erlebt. Nicht nur Mittelständler, son- dern Großunternehmen mit Weltrang sind be- troffen gewesen und verschwanden. Klangvol le Namen wie Kienzle-Schwenningen, Kienzle-Villin- gen, Dual (St. Georgen), SABA (Villingen), sind mit Tausenden von Arbeitsplätzen verschwunden. Umso größer ist die Leistung vieler Unternehmer und Unternehmen, die überlebt und Arbeitsplät- ze gesichert und neu geschaffen haben. Ich bin immer am Tag nach dem Bekanntwer- den eines großen Arbeitsplatzabbaus oder einer Betriebsschließung an Ort und Stelle gewesen. Um viele Betriebe und viele einzelne Arbeitneh- mer habe ich mich bemüht. Ich bin einmal für mich durch Schwenningen gegangen, diese bedeutende Arbeiterstadt, und bin von einer Industriebrache zur anderen ge- gangen. Geschlossene Fabriken. Und das mitten in der Stadt. Die Grundstücke hatten nicht ein- mal mehr den Wert des Grund und Bodens, weil der verseucht war und der Boden zuerst ausge- tauscht werden musste. Es hat mich persönlich betroffen gemacht und ich habe mit den Men- schen gelitten und mit den Städten, von Schwen- ningen über Villingen, Mönchweiler, St. Georgen, Triberg, Schönwald und weiteren. Ich musste einsehen, dass der Staat nicht di- rekt Arbeitsplätze schaffen kann. Das Einzige, was der Staat tun kann, ist, in die Bildung und Ausbildung der jungen Menschen investieren, in die Forschung und in die Verkehrsinfrastruktur.“ Auf die Krise folgt ein hoffnungsvoller Neuanfang, der bis heute trägt Im weiteren Verlauf seiner Ansprache zeigte Er- win Teufel auf, wie aus dieser schwersten Krise des jungen Schwarzwald-Baar-Kreises ein hoff- nungsvoller Neuanfang werden konnte, der noch heute trägt: „Deshalb hat das Land 50 Millionen in ein Forschungsinstitut in Villingen-Schwen- ningen investiert. Mit dem Ziel, die mittelständi- sche Wirtschaft mit Innovationen wettbewerbs- fähig zu erhalten. Deshalb habe ich mich für den Südzubringer von der Autobahnausfahrt Tuningen nach Schwen- ningen, für den Nordzubringer von der Autobahn-

ausfahrt Villingen-Schwenningen, den der Bund zur B 33 bei Mönchweiler durchgehend ausbauen wollte, für die Ortsumfahrung Schwenningen im Zuge der B 27 sowie für Verbesserungen an der B 33 im Raum Triberg und Hornberg eingesetzt. „Die große Aufgabe war, Villingen-Schwennin- gen zu einer Hochschulstadt zu machen“ Vor allem aber habe ich mich um die Schulen und Berufsschulen, für die Feintechnikschule in Schwenningen und die Staatliche Berufsschule in Furtwangen gekümmert. Die große Aufgabe für mich aber war, Villingen-Schwenningen zu einer Hochschulstadt zu machen. Die Zeit der großen Hochschulgründungen der Nachkriegszeit war 1972 vorbei: Konstanz, Ulm, Mannheim. Die erste Hochschulgründung meiner Abgeordnetenzeit war die Fachhochschu- le für Polizei. 14 Städte haben sich darum bewor- ben, darunter klassische Städte der Ausbildung von Polizeibeamten wie Freiburg und Göppin- gen. Ich war Staatssekretär im Innenministerium, das für die Polizei zuständig war. Meinen Minis- ter Karl Schieß hatte ich ebenso gewonnen wie Finanzminister Gleichauf, der die Situation in Schwenningen gut kannte. Schließlich ist die Ent- scheidung für Villingen-Schwenningen gefallen. Der erste Lichtblick. Ein großes Bauvorhaben und eine hervorragende Hochschule mit heute 1.200 Studierenden. Baden-Württembergs Kultusminister Wilhelm Hahn war der Erfinder der Berufsakademie. Ich war von Anfang an im Kabinett dabei und habe ihn in einigen Gesprächen auf Villingen-Schwen- ningen angesprochen und auf die Not in unserer Stadt. Aber es mussten für diese neue Hochschul- form Ausbildungsplätze in den Betrieben gefun- den werden. Diese Chance war in einem Raum Stuttgart oder Mannheim sehr viel größer. Des- halb wurden die beiden ersten Berufsakademien in Stuttgart und Mannheim gegründet. Aber mir hat man die nächste für Villingen-Schwennin- gen versprochen. Die dritte Berufsakademie im Land kam deshalb nach Villingen-Schwenningen. Heute studieren an der Dualen Hochschule 2.323 Studentinnen und Studenten. 40 Jahre Schwarzwald-Baar-Kreis Ein Glanzlicht in unserem Kreis ist die Hoch- schule in Furtwangen. Dort habe ich gelernt, was aus einer solchen Bildungseinrichtung werden kann: Unternehmensgründer und Fachingenie u re. Heute studieren an der Furtwanger Hochschule 5.584 Studenten. Als Villingen-Schwenningen am Boden lag, habe ich mich um die Außenstelle der Fachhoch- schule Furtwangen in Villingen-Schwenningen bemüht. Es gab viele Probleme, nicht nur in Stutt- gart, sondern auch in Furtwangen. Im Senat und im Gemeinderat gab es Widerstand, weil Furt- wangen eine Zurücksetzung gegenüber Villin- gen-Schwenningen befürchtete. Ich habe dort den weiteren Ausbau zugesagt und meine Zusage eingehalten. » Ist das nicht eine großartige Sache: In Villingen­Schwenningen 1.200 Studierende an der Hochschule für die Polizei, 2.300 an der Dualen Hochschule und 2.000 an der Außenstelle der Hochschule Furtwangen. Also 5.500 Studentinnen und Studenten in unserer Kreisstadt. Aber ich habe eine Außenstelle in Villingen- Schwenningen erst durchgesetzt, als ich im Se- nat in Furtwangen sagte, ich würde auf jeden Fall für eine Fachhochschulaußenstelle Villingen – Schwenningen sorgen, dann aber mit einer an- deren Fachhochschule. Heute studieren an der Außenstelle Villingen-Schwenningen der Hoch- schule Furtwangen 2.002 Studenten. Ist das nicht eine großartige Sache: In Villingen-Schwennin- gen 1.200 Studierende an der Hochschule für die Polizei, 2.300 an der Dualen Hochschule und 2.000 an der Außenstelle der Hochschule Furtwangen. Also 5.500 Studentinnen und Studenten in unse- rer Kreisstadt. Und mit das Wichtigste war: Sie studieren in der Innenstadt von Schwenningen. In zentralen ehemaligen Fabrikgebäuden dieser Stadt und in Neubauten. In der Innenstadt von Schwenningen ist wieder Leben. Tausende Studentinnen und Studenten kommen in unsere Stadt und lernen Villingen-Schwenningen schätzen. 25

Aus dem Kreisgeschehen Für die Ansprache des früheren Ministerpräsi- denten gab es stehende Ovationen – beleuchtete sie doch die Entstehungsgeschichte und die wei- tere Entwicklung des Schwarzwald-Baar-Kreises aus einer neuen und sehr persönlichen Perspekti- ve. Landrat Sven Hinterseh hatte für Erwin Teufel ein passendes Präsent parat: eine Uhr. Talkrunde mit zwei Landräten Die früheren Landräte Karl Heim (links) und Dr. Rainer Gutknecht (rechts) im Gespräch mit Klaus-Peter Karger. blicke ihrer Amtszeit. Beide betonten die ausge- prägte Sachorientierung, die die Arbeit des Kreis- tages auszeichne. Das ehrenamtliche, engagierte Wirken der Kreisräte im Schwarzwald-Baar-Kreis hatten auch mehrfach Erwin Teufel und Landrat Sven Hinterseh herausgestellt. Einen persönlichen Blick auf die Kreisgeschichte ergab auch die Talkrunde von Klaus-Peter Karger mit den ehemaligen Landräten Dr. Rainer Gut- knecht und Karl Heim. Sie schilderten die her- ausragenden Momente und besonderen Augen- Im Anschluss an den Festakt erfolgte im Foyer des Kreishauses ein gemütliches Beisammensein. Die stil- volle und professionelle Bewirtung übernahmen die Auszubildenden der Landesberufsschule für das Hotel- und Gaststättenwesen. 26

Ringzug feiert sein 10-jähriges Bestehen Die „S­Bahn auf dem Ländle“ nutzen täglich bis zu 15.000 Fahrgäste 10 Jahre Ringzug von Barbara Kollmeier Im September 2013 konnte der „3er Ringzug“ seinen 10-jährigen Geburtstag feiern. 10 Jahre nach seinem Start ist der Ringzug, wie er allgemein genannt wird, ein weithin anerkanntes Erfolgsmodell und für die Bevölkerung im Schwarzwald-Baar-Kreis eine leistungsfähige Einrichtung des öffentlichen Personennahverkehrs. Als Verbindung zwischen den Landkreisen Rottweil, Tuttlingen und Schwarzwald-Baar-Kreis ist er nicht mehr wegzudenken. Die 10 Jahre sind so schnell vergangen, dass man kaum glauben mag, welche Anfangshürden der Ringzug zu nehmen hatte. Ein Vorbild für die S-Bahn im ländlichen Raum gab es nirgends. Deshalb benötigten die drei Landkreise viel Pio- niergeist. Am 31. August 2003 rollten die ersten Regio-Shuttles der Hohenzollerischen Landes- bahn AG auf den Schienen. Zu diesem Zeitpunkt fehlte jedoch noch ein Großteil der Haltepunkte, die dem Ringzug heute seinen S-Bahn-Charakter geben. Im Rückblick verlief der Start des Ringzuges alles andere als glatt. Die Umsetzung der Idee einer S-Bahn auf dem Lande erforderte die Schaf- fung eines dichten Netzes von Haltepunkten, die sich aufwendig gestaltete. Die zusätzlichen Haltepunkte mussten gebaut und auch die be- stehenden Stationen zum Teil modernisiert wer- den. Ursprünglich war geplant, dass zum Start des Ringzuges bereits 14 neue Haltepunkte in Betrieb genommen werden können. Tatsächlich waren es am 1. September jedoch nur sechs. Auch der Bau der weiteren Haltepunkte konnte nicht termingerecht erfolgen, sodass der Ringzug erst Der Ringzug, die S-Bahn auf dem Lande, ist ein Erfolgs- modell und feiert 2013 sein bereits 10-jähriges Bestehen. 27

Aus dem Kreisgeschehen Wandern mit dem Ringzug – ein gern genutztes Angebot. im Juni 2004 fahrplanmäßig alle Haltepunkte der ersten Ausbaustufe bedienen konnte. Im Dezem- ber 2004 kamen weitere vier Haltepunkte hinzu und der Ringzug erhielt sein heutiges Gesicht. Heute kann man sagen, dass diese Anfangs- schwierigkeiten rasch überwunden wurden und fast schon vergessen sind. Der Ringzug hat sich zu einem Erfolgsmodell entwickelt und bildet das Rückgrat des öffentlichen Personennahver- kehrs in den Landkreisen Tuttlingen, Rottweil und Schwarzwald-Baar. Inzwischen werden jede Woche mehr als 15.000 Fahrgäste befördert. Das entspricht beinahe einer Verdoppelung der Fahr- gäste seit den Anfängen. Zur Attraktivität beigetragen hat sicherlich der Umstand, dass die Fahrgäste ihre Reise von den Haltepunkten der Ringzüge aus mit Bussen fortsetzen können. Mit diesem Ringzug-System werden auch Orte abseits des Schienennetzes an unsere „S-Bahn auf dem Lande“ angebunden. Die Ringzüge fahren jährlich etwa 1.256.000 km und sind dabei zu 97 % pünktlich. Der wachsende Zuspruch der Fahrgäste zeigt eindrucksvoll, dass dieses Nahverkehrsangebot den Wünschen und Bedürfnissen unserer Bevölkerung entspricht. Ringzug-Wanderungen begehrt Neben dem Pflichtprogramm bietet der Ringzug für seine Gäste auch eine Kür. Seit dem Jahr 2004 bietet er in Zusammenarbeit mit dem Schwarz- 28 waldverein und dem Schwäbischen Albverein kostenlose geführte Wanderungen in der Region an. Die Ringzug-Wanderungen finden von Janu- ar bis November immer am zweiten Mittwoch des Monats statt. Man fährt mit dem Ringzug zum angekündigten Treffpunkt – das ist stets eine Ringzug-Haltestelle – und wandert zwei bis drei Stunden bequem durch die Heimat. An die Entdeckungsreisen schließt sich meist ein Ein- kehrschwung an, bevor man mit dem Ringzug wieder nach Hause fährt. Erfahrene, ehrenamtliche Wanderführer pla- nen und leiten die Ausflüge. Die Teilnehmer der Wanderungen bezahlen nur ihr Ticket für die An- reise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln (Ring- zug und Bus) und bei Bedarf Eintrittsgelder. Das Motto der geführten Wanderungen im Jahr 2013 war „10 Jahre Ringzug – Eisenbahngeschichte in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg“. Dahin- ter verbargen sich beispielsweise Wanderungen in den Möhringer Lokschuppen mit seinen 26 Dampflokomotiven, durch unbekannte und ge- schichtsträchtige Tunnel bei Schwenningen, auf den Spuren der ehemaligen Heubergbahn mit ihren atemberaubenden Viadukten und auf den neuen Erlebnispfad entlang der weltberühmten Schwarzwaldbahn bei Triberg. Auch das moder- ne Betriebswerk Immendingen der Hohenzolleri- schen Landesbahn und der ehemaligen Bahnhof Hattingen mit Abstecher zur Donauversickerung wurden von begeisterten Wanderern erkundet. Bei mancher Wanderung fanden sich über 50 Teilnehmer ein. Kinderferienprogramm eine feste Größe Bereits im vierten Jahr bot der Zweckverband Ringzug auch sein Kinderferienprogramm an, das sich inzwischen zu einer festen Größe für im- mer mehr Familien in der Region entwickelt hat. Über 400 Kinder, Eltern und Großeltern nahmen in den Sommerferien das abwechslungsreiche Angebot an. Mit Hilfe einer Vielzahl von Koope- rationspartnern wie Vereinen, Kommunen oder Firmen können Kinder unterschiedlicher Alters- stufen Interessantes und Wissenswertes über die Region erfahren. Dazu können die Teilneh-

10 Jahre Ringzug mer bequem und preiswert mit dem Ringzug an- fahren. Die Aktionen des Ringzug-Ferienprogramms bleiben lange im Gedächtnis, denn alle haben eines gemeinsam: Sie vermitteln auf spielerische Art und Weise Wissenswertes zur Natur und Um- welt in der Region. Ob im mittelalterlichen Abfall von Rottweil archäologisch nach Fundstücken längst vergangener Zeiten geforscht wird, die Kinder in Tuttlingen der Geschichte des Kannit- verstan oder in Donaueschingen den Märchen der Donaukönigin nachspüren. Ziel des Ferien- programmes ist es, für jeden Geschmack und jede Altersstufe etwas anzubieten. Für Bewegungs- freudige gibt es beispielsweise Geocaching oder Eselswanderungen, Technikbegeisterte können den Betriebshof der Südbaden Bus GmbH, eine Pianomanufaktur oder die Betriebswerkstatt der Landesbahn besichtigen, Naturfreunde können Frösche, Wildbienen oder Libellen beobachten. „Mobil mit Bus und Bahn im besten Alter“ Als neues Service-Angebot bietet der Ringzug seit 2013 einen Kurs „Mobil mit Bus und Bahn im besten Alter“, der sich insbesondere an ältere Menschen und Menschen mit Handicap richtet. Ziel des Kurses ist es, diese Menschen für den öffentlichen Personenverkehr zu gewinnen so- wie Ängste und Unsicherheiten abzubauen. Dazu wird in der Praxis geübt, wie man Fahrpläne liest, die richtigen Haltestellen findet, Fahrscheine am Der Ringzug ist optimal mit den Buslinien im Landkreis vertaktet. Eine feste Größe ist das Kinderferienpro- gramm, in dessen Rahmen auch die Besichtigung der Landesbahn angeboten wird. Automaten löst und sicher aus dem Ringzug oder Bus aussteigt. Die Nachfrage nach den Kursen, die in der Regel rasch ausgebucht sind, zeigt, dass tatsächlich viele Menschen neugierig auf den ÖPNV sind, sich aber nicht selbstverständ- lich darin zurechtfinden. Mit der Planung des Ringzuges, die schon Mitte der 1990er-Jahre begann, haben alle Be- teiligten Neuland betreten. Es war eine mutige Entscheidung, die Idee des S-Bahn-Systems auf eine ländliche Region zu übertragen. Ein solches Projekt ist die so genannte Breis- gau-S-Bahn, die bis nach Villingen reichen soll. Im Zuge dieser Planungen wollen der Schwarz- wald-Baar-Kreis, der Breisgau-Hochschwarzwald und das Land Baden-Württemberg die Höllental- bahn durchgängig elektrifizieren. Bislang müs- sen Reisende von Donaueschingen nach Freiburg in Neustadt umsteigen, weil auf dieser Strecke nur mit Dieselloks gefahren werden kann. Nach Fertigstellung sollen Fahrgäste in Villingen ein- und in Freiburg aus demselben Zug wieder aus- steigen können. Die Taktfahrpläne des Ringzug- Systems werden dann selbstverständlich auf die Höllentalbahn abgestimmt, so dass die ÖPNV- Nutzer aus dem Ringzuggebiet komfortabel nach Freiburg und – selbst in den Abendstunden – wieder nach Hause kommen können. 29

Aus dem Kreisgeschehen Aus dem Kreisgeschehen Tausende beim „Tag der offenen Tür“ Das große Informations­ und Veranstaltungsangebot geriet zum Event für die ganze Familie Der „Tag der offenen Tür“ des Landratsamtes Schwarzwald-Baar lockte am Sonntag, 16. Juni 2013 über 5.000 Besucher ins Kreishaus. Bei strah- lendem Sonnenschein feierte der Schwarzwald- Baar-Kreis sein 40-jähriges Bestehen. Wie groß das Interesse an der Veranstaltung war, verdeut- licht auch die Ausgabe von 800 Eintrittskarten zur Besichtigung des Schwarzwald-Baar Klinikums: Die Besucher standen in der Schlange an, in nur 90 Minuten waren alle Karten vergriffen – die Nach- frage war überwältigend. Der „Tag der offenen Tür“ zum Kreisjubiläum machte eindrucksvoll die große Bandbreite an Dienstleistungen deutlich, die das Landratsamt für die 20 Städte und Gemeinden im Schwarz- wald-Baar-Kreis mit ihren über 206.000 Einwoh- nern tagtäglich erbringt. Den Besuchern blieben sechs abwechslungsreiche Stunden, um diese An- gebotsvielfalt zu erkunden: Mehr als 60 Stände Viel Beifall gab es für den Kinder- und Jugendzirkus. Das Foto zeigt die Akteure am Schluss der abwechslungsrei- chen Vorführung im Foyer des Landratsamtes. waren aufgeboten, jeder Mitarbeiter der Kreisbe- hörde engagierte sich. Abwechslungsreich präsen- tierte sich weiter das Rahmenprogramm, das von multikulturellen Tänzen über einen mit viel Beifall begleiteten Auftritt des Kinder- und Jugendzirkus reichte, bis hin zum Konzert der „Quellenländer“, der Hauskapelle des Landratsamtes. Eine „Wohlfühlregion-Schwarzwald-Baar“, die voller Vielfalt steckt Landrat Sven Hinterseh freute sich über dieses große Interesse der Bürger, erinnerte daran, dass die heutige „Wohlfühlregion-Schwarzwald-Baar“ vor 40 Jahren aus den Altkreisen Villingen und Donaueschingen entstanden sei (siehe auch S. 20). Der Schwarzwald-Baar-Kreis präsentiere sich heute als eine wirtschaftsstarke, familienfreund- liche Region, voller Vielfalt – das spiegle auch die Veranstaltung der Kreisbehörde wider. Neben den Eintrittskarten zum Klinikum und den vielen Fachinformationen – beispielsweise 30 30

was die Vermessung von Grundstücken, Sortie- rung des Mülls oder das seniorengerechte Woh- nen anbelangt – war alles gefragt, an dem sich besonders Kinder beteiligen konnten. Ein Sonntag für die gesamte Familie Diese Fülle von Angeboten für die Kinder ist es gewesen, die den „Tag der offenen Tür“ zugleich zu einem Familiensonntag machte. Nicht nur Landrat Sven Hinterseh war mit seinen Kindern ein interessierter Besucher des Märchengartens der Forstverwaltung, wo im Mooszelt zudem die Märchenerzählerin wartete. Die toll aufgemachte Märchenwelt war ein Besuchermagnet. Die Kinder konnten sich weiter am Stand des Gesundheitsamtes daran versuchen, selbst Zahn- pasta herzustellen, sie durften hinter dem Steuer eines der großen Fahrzeuge der Straßenmeisterei sitzen, Nistkästen für Vögel bauen, Brot backen, sich schminken lassen oder auf der obligaten Hüpfburg herumtoben. Vielfalt war auch für die Erwachsenen ange- sagt: Sie konnten mit E-Bikes fahren, einen Sehtest absolvieren, in alten Ausgaben des Jahrbuches „Almanach“ stöbern – oder bei einem Lärmtest mit amtlicher Messung dabei sein. Die Kreiskas- se versteigerte und verkaufte Fernseher, Drucker, Aus dem Kreisgeschehen „Tag der offenen Tür“ Computer und sonstige Gegenstände, die aus Pfändungen stammten. Im großen Sitzungssaal des Kreistages gab es mehrere Vorträge, etwa zum neuen Schwerbehindertenausweis oder zur Pflege im Alter. Vor allem auch die finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten für die Angehöri- gen wurden aufgezeigt. Über Tanz- und Trommelvorführungen inte- grierten sich die Asylbewerber im Schwarzwald- Baar-Kreis in die Veranstaltung. Es handelte sich dabei um ein Projekt des Diakonischen Werkes in Kooperation mit dem Brennpunkt-Theater. Familienfreundlich gerieten übrigens auch die Preise, die im Festzelt oder der Feldküche mit Gulaschsuppe für das regional geprägte Speisen- angebot erhoben wurden. Die Besucher waren sich einig: Das Landrats- amt bot eine perfekte Mischung aus Information und Unterhaltung. Immer wieder neu überrascht die Fülle von Hilfen und Dienstleistungen, die in der Kreisbehörde auf dem Villinger Hoptbühl an- gesiedelt sind. Besonders deutlich wurde das am all- gemeinen Infostand des Landratsamtes, wo man Broschüren und Flyer zu verschiedensten Themen mitnehmen konnte. wd Auftritt der „Krawazi-Ramblers“, der Guggenmusik der Villinger Glonki-Gilde. 31

Aus dem Kreisgeschehen Das Landratsamt präsentiert sich beim „Tag der offenen Tür“ am Sonntag, 16. Juni 2013 voller Vielfalt. Im Festzelt spielen die „Quellenländer“ – zahlreiche Familien sind unter den Besuchern. Zukunft hat die Ausbil- dung in einem Verwaltungsberuf: Auszubildende werben für die Ausbildung im Landratsamt (Mitte links). Märchenhaft schön aufgemacht ist die Märchenwelt der Forstverwaltung. Unten: Die Straßenmeisterei stellt ihre Fahrzeuge vor und das Gesundheitsamt zeigt Kindern, wie Zahnpasta hergestellt wird. 32 32

Aus dem Kreisgeschehen Die Bandbreite der Leistungen für die über 206.000 Bürger des Schwarzwald-Baar-Kreises demonstriert eindrucksvoll der „Tag der offenen Tür“ mit seinen über 60 Infoständen und sonstigen Programmpunkten. Die Fotos von oben links: Brot und Brötchen backen, einen Sehtest absolvieren, Einblick in die Geländevermessung mit GPS bekommen, Basteln von Nistkästen, Lärm machen beim Lärmtest, Vorstellung und Ausgabe von Flyern und Broschüren sowie Asylbewerber, die im Rah- men eines Projektes des Diakonischen Werkes und des Brennpunkt-Theaters musikalisch aktiv sind. 33

Aus dem Kreisgeschehen Erste Veranstaltung dieser Art im Schwarzwald­Baar­Kreis: Der „Blaulichttag“ begeistert Gefahrlos eine Fettexplosion verfolgen, den Rettungshubschrauber besichtigen, einen Suchhund bei der Arbeit beobach- ten oder miterleben, wie ein eingeklemmter Mensch aus einem Unfallauto befreit wird: Der erste „Blaulichttag“ des Schwarzwald- Baar-Kreises am Samstag, 16. Oktober 2013 beeindruckte. Es gab eine wahre Fülle von Informationen und Vorführungen. Bei dieser, unter Führung des Landrats- amtes ins Leben gerufenen Veranstaltung, stellten sich alle im Katastrophenschutzein- satz des Landkreises tätigen Hilfsorganisatio- nen vor, in denen meist ehrenamtliche Helfer aktiv sind. Baden-Württembergs Innenminis- ter Reinhold Gall zeigte sich über die Quali- tät der Veranstaltung hoch erfreut. „Mit so einem Blaulichttag kann man mich natürlich locken“, befand er in Begleitung von Landrat Sven Hinterseh. Der Minister und der Landrat 34 34 waren beeindruckt vom hohen Niveau, auf dem die Hilfsorganisationen tätig sind. Und die Feuerwehr eilt mit ihren Fahr- zeugen nicht nur über die Straßen zum Ein- satzort: Für den Einsatz in den Tunnelbauten der Schwarzwaldbahn ist sie ebenfalls ge- rüstet. So verfügt die Feuerwehr St. Georgen über ein Spezialfahrzeug, das sich auch auf Schienen fortbewegen kann. Mit einer Fett- explosion zeigten die Feuerwehrleute aus der Bergstadt zudem, dass man brennendes Fett nicht mit Wasser löschen darf. „Star der Veranstaltung“ war der Ret- tungshubschrauber „Christoph 11“, den man aus der Nähe besichtigen konnte. Fazit: Was da auf die Beine gestellt wur- de, verdient eine Wiederholung. Erstmals konnte man sich bei einer Veranstaltung ein umfassendes Bild vom hohen Niveau des Ka- tastrophenschutzes im Landkreis machen.

Aus dem Kreisgeschehen Der erste „Blaulichttag“ war überaus vielfältig. So zeigte die Feuerwehr St. Georgen, was geschieht, wenn man mit einer Tasse Wasser brennendes Fett löscht (großes Bild). Die Feuerwehr St. Georgen hatte ein Feuerwehrauto dabei, das auf der Straße und auf Schienen fährt und auf der Schwarzwaldbahn eingesetzt werden kann (unten links). Weiter demon strierte die Feuerwehr eine Personen- rettung aus einem Unfallauto (Mitte links). Oben rechts: Groß war das Interesse am Rettungshubschrauber „Chris- toph 11“. Unten rechts: Die Rettungshundestaffel präsen- tierte stolz den Nachwuchs. 35

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Aus dem Kreisgeschehen Schwarzwald-Baar Klinikum Mit einem Volumen von 270 Millionen Euro ist das 750­Betten­Klinikum die größte Investition in der Geschichte des Schwarzwald­Baar­Kreises Text und Fotografie Wilfried Dold 37

Aus dem Kreisgeschehen Abschluss eines Reformprozesses Der Schwarzwald-Baar-Kreis und die Stadt Villingen-Schwenningen gründen 2004 eine gemeinsame Klinikgesellschaft und realisie- ren in den Jahren 2009 bis 2013 für 270 Mio. Euro einen Klinikneubau mit 750 Betten. Die Inbetriebnahme erfolgte am 20. Juli 2013. Das Klinikum ist Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Freiburg und ein Kranken- haus der Zentralversorgung. Es gehört zu den zehn größten nicht universitären Kliniken in Baden-Württemberg und zu den 80 größten Kliniken in Deutschland. 2.800 Menschen sind im Schwarzwald-Baar Klinikum beschäf- tigt. » Einzigartige Architektur 38

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Aus dem Kreisgeschehen » Die Magistrale – Vom Großen ins Kleine 40 40

Aus dem Kreisgeschehen Freundlich, großzügig – in der Eingangshalle des Schwarzwald-Baar Klinikums. Leicht fällt die Orientierung: Die Hauptmagistrale (Foto) als markante Ost-West-Verbindung lenkt die Patientenströme geradeaus, die Nebenmagistrale führt nach rechts in Richtung Notaufnahme und Frauen- Kind-Zentrum. Die Wege führen immer linear in eine Richtung, aber nie um zwei Ecken. 41

Aus dem Kreisgeschehen » Freundliche Zimmer, herzliche Pflege 42

Aus dem Kreisgeschehen » Bei all unseren Anstrengungen steht das Bestreben nach bestmöglicher Betreuung und Versorgung unserer Patienten im Mittelpunkt. Dabei spielen die „Gebäudehülle“ und die Aus- stattung sicher eine gewisse Rolle, die wir nicht gering schätzen wollen. Letztlich entscheidend ist aber die Fürsorge und das Ringen um die beste medizinische Versorgung durch unsere Ärztinnen und Ärzte und unsere engagierten Pflegerinnen und Pfleger – und gerade vor diesem Hintergrund bin ich sicher, dass wir erfolgreich sein werden. « Landrat Sven Hinterseh bei der Eröffnung des Schwarzwald-Baar Klinikums am 6. Juli 2013. 43

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» Eine der modernsten Kliniken in Deutschland Aus dem Kreisgeschehen Computertomograf mit Röntgenröhren Eröffnung am 6. Juli 2013: Der Ärztliche Direktor, Professor Dr. med. Ulrich Fink (von rechts), erläutert Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Landrat Sven Hinterseh und Oberbürgermeister Dr. Rupert Kubon, Villingen-Schwenningen, die Funktion des Computertomografen mit Röntgenröhren für höchste Abtast- geschwindigkeit. Die Anlage vermag den menschlichen Körper in weniger als einer Sekunde zu betrachten! Und sie unter- sucht die Koronargefäße des Herzens mit der weltweit niedrigsten Strahlendosis. Der Patient ist dabei in keine Röhre ge- zwängt – nur wenige weitere Kliniken verfügen über diese Technik. Blick in den menschlichen Schädel und Darstellung von Blutgefäßen. 45

Aus dem Kreisgeschehen 1,6 Mio. Einzelanalysen jährlich aus ca. 360.000 Proben. Das Labor des Schwarzwald-Baar Klinikums liefert rund um die Uhr durchschnittlich in nur einer Stunde die Untersuchungs- ergebnisse. Möglich ist dies dank einer automatischen Analysenstraße, die hier bestückt wird (siehe auch Seite 77). Bis zu 600 Proben täglich werden so verarbeitet. 46

Aus dem Kreisgeschehen » Im Labor eine automatische Analysenstraße 47 47

Aus dem Kreisgeschehen » In der Kinderklinik – „Mein Freund der Löwe“ 48

Aus dem Kreisgeschehen Eine Heimat auf Zeit für kleine Patienten: An den Wänden sind Fotodrucke von Dschungeltieren angebracht, Elefanten, Giraffen, Nas- hörner oder Löwen beispielsweise. Wie bei den Erwachsenen sind die Zimmer lichtdurchflutet – die Kin- derstation am Klinikum ist ein durch und durch freundlicher Ort. Wie sehr man sich um die kleinen Patienten kümmert, dokumentieren die Zeich- nungen mit Dankesworten an der Stationswand. Besonders freut das Klinikum: Seit 2012 gehört auch ein speziell ausgebildeter Kinderchirurg zum Team. 49 49

Aus dem Kreisgeschehen In der Zukunft des Gesundheits- wesens angekommen – Das neue Schwarzwald-Baar Klinikum eröffnet Nach vier Jahren Bauzeit erfolgt am 6. Juli 2013 die feierliche Eröffnung des derzeit modernsten Krankenhauses Deutschlands Neun Jahre nach Gründung der Schwarzwald-Baar Klinikum GmbH und vier Jahre nach dem 1. Spatenstich zu einem 270-Millionen-Euro-Projekt ist der Schwarzwald-Baar-Kreis am 6. Juli 2013 in der Zukunft des Gesundheitswesens angekommen: Im Foyer des neuen Schwarzwald-Baar Klinikums begrüßt Landrat Sven Hinterseh über 500 Festgäste zur feierlichen Eröffnung des derzeit modernsten Krankenhauses in Deutschland. Baden-Württembergs Minister präsident Winfried Kretschmann betont in seiner Fest- rede: „Sie haben das große Los gezogen! Stadt und Kreis haben mit einer mutigen Entscheidung gegen die Privatisierung Neues gewagt. Das war eine kluge, vorausschau- ende Entscheidung, der ich Respekt zolle“. Der Grünen-Politiker bezeichnet das Klinikum als Geburtstagsgeschenk für den Schwarzwald-Baar-Kreis, der 2013 sein 40-jähriges Bestehen feiert. Ministerpräsident Kretschmann lobt die zukunftsweisende und nach- haltige Krankenhausstruktur im Kreis mit den beiden Standorten Villingen-Schwennin- gen und Donaueschingen. Das Land bezuschusste den Krankenhausbau mit insgesamt 102 Millionen Euro. Ministerpräsident Kretschmann: „Zeichen der Zeit richtig interpretiert“ Ministerpräsident Winfried Kretschmann be- glückwünscht den Schwarzwald-Baar-Kreis zu seinen Entscheidungen. Der Ministerpräsident: „Mit diesem Bau wird in dieser Region in eine nachhaltige Krankenhauslandschaft investiert.“ Er merkte weiter an, es habe keinen Sinn, Kran- kenhäuser offen zu halten, für deren Erhalt die Bevölkerung zwar unterschreibe, sich dort aber dann doch nicht operieren lasse. Dass der Schwarzwald-Baar-Kreis und die Stadt Villingen- Schwenningen mit dem Bau des Groß-Klinikums die Zeichen der Zeit richtig interpretiert haben, zeige die aktuelle Entwick lung: Mehr als 60 Pro- 50 zent der Krankenhäuser im Land schreiben rote Zahlen. Kretschmann befürchtet, dass es zukünf- tig selbst größere Städte geben wird, die kein Krankenhaus mehr haben. Da sich das neue Klinikum in der Mitte der Doppelstadt befindet, äußerte Winfried Kretsch- Fotos rechte Seite Oben: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (2. v. links) mit Landrat Sven Hinterseh (links), Klinik- Geschäftsführer Rolf Schmid (rechts) und OB Rupert Kubon, Villingen-Schwenningen, vor dem neuen Klinikum. Unten: Dem Festakt im Foyer wohnten über 500 Gäste bei. Am Rednerpult Oberbürgermeister Rupert Kubon, Villingen-Schwenningen.

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Aus dem Kreisgeschehen mann weiter die Hoffnung, dass sich die beiden Stadtteile durch das gemeinsame Krankenhaus näherkommen. Eine Rückblende Landrat Sven Hinterseh erinnert bei der Begrü- ßung der Gäste an die enormen Anstrengungen der Vergangenheit: Im 13. Jahrhundert lässt Ag- nes von Fürstenberg in Villingen das Heilig-Geist- Spital bauen, für die Region Schwarzwald-Baar ist das der Beginn der organisierten Krankenpfle- ge. Um die Bevölkerung vor Krankheit zu schüt- zen, ihr Pflege und Heilung zu ermöglichen, ver- wirklicht die Stadt Villingen im Jahr 1912 für 325.000 Mark das 70 Betten große „Friedrich- Krankenhaus“. 1961 dann eröffnet im Villinger Frieden grund ein Klinikkomplex mit 350 Betten. Diese Klinik wurde nun für das Großklinikum auf- gegeben. Die Stadt Villingen investierte damals 16 Millionen DM. In das Schwarzwald-Baar-Klini- kum fließt 53 Jahre später mehr als das 33-fache. Zukunftsfeste Entscheidung Der Weg zum Schwarzwald-Baar Klinikum ist kein leichter: 2003 schließt das Krankenhaus in Furtwangen, es kommt zu heftigen Protesten der Bevölkerung. Im April 2012 folgt die Schließung des Krankenhauses in St. Georgen. 2013, mit der Eröffnung des neuen Klinikums werden die bis- herigen Krankenhäuser in Villingen und Schwen- ningen aufgegeben. Von ursprünglich sechs Stand- orten sind zwei übrig geblieben: das neue Klini- kum und Donaueschingen. Landrat Sven Hinter- seh: „Im Schwarzwald-Baar-Kreis können wir dafür dankbar sein, dass der Kreistag und der Stadtrat von Villingen-Schwenningen bereits vor knapp zehn Jahren zukunftsfeste Entscheidun- gen getroffen haben. Man war hier früher als in anderen Regionen bereit, aktiv zu handeln und teils schmerzvolle Entscheidungen zu treffen.“ Einen besonderen Dank sprach Landrat Hin- terseh seinem Vorgänger Karl Heim aus, der die- sen Weg gemeinsam mit dem Kreis eingeschla- gen habe. „Das war der richtige Weg“, befand 52 Sven Hinterseh, der auch Oberbürgermeister Dr. Kubon und dem Stadtrat von Villingen-Schwen- ningen dafür dankte, dass man an einem Strang gezogen habe. Der Landrat: „Nur so konnte eine Neuausrichtung der Kliniklandschaft im Schwarz- wald-Baar-Kreis in kommunaler Verantwortung gelingen.“ Für Landrat Sven Hinterseh ist das Schwarz- wald-Baar Klinikum der wichtigste Baustein eines tief greifenden Reformprozesses, der eine medizinisch optimale und zugleich betriebswirt- schaftlich sinnvolle Krankenhausversorgung für mehr als 200.000 Menschen allein im Schwarz- wald-Baar-Kreis zum Ziel habe. Der Landrat: „Das Schwarzwald-Baar Klinikum mar kiert den Beginn einer neuen Zeitrechnung in der medizinischen Versorgung unseres Landkreises.“ Dank an Rolf Schmid und Horst Schlenker Ein außergewöhnliches Arbeitspensum leistete im Zusammenhang mit dem Klinikneubau das Krankenhausdirektorium mit Geschäftsführer Rolf Schmid an der Spitze. Mit Blick auf die erheb- liche Belastung lobte Landrat Hinterseh: „Sie ha- ben wirklich über all die Jahre einen tollen Job gemacht und können auf das Geleistete mit gro- ßer Zufriedenheit blicken. Sie sind seit Anfang an dabei und der entscheidende Geburtshelfer.“ Wichtige Vorarbeit leistete weiter Horst Schlenker, der ehemalige Geschäftsführer des Kli- nikums von Villingen-Schwenningen. Er erkannte früh, dass es ohne eine grundlegende Neuord- nung der Kliniklandschaft und eine kommunale Trägerstruktur nicht gehen wird. „Ein großes Werk hat die Zielgerade erreicht“ „So ein Tag wie heute gibt einen Schub, dass es fertig wird“, befand Klinik-Geschäftsführer Rolf Schmid. Einen besonderen Dank übermittelte er an Ministerpräsident Kretschmann: „Ohne die Förderung des Landes hätte es nicht klappen können“, so Schmid. Und der Klinik-Geschäfts- führer zog zufrieden Bilanz, in dem er anmerkte: „Ein großes Werk hat die Zielgerade erreicht“.

Aus dem Kreisgeschehen Symbolische Schlüsselübergabe, von links: Klinikum-Geschäftsführer Rolf Schmid, Leitende Pflegedirektorin Christa Dietel, Ärztlicher Direktor Prof. Dr. med. Ulrich Fink sowie die Architekten Guido Meßthaler, Wolfgang Vögele und Ralf Landsberg. Obwohl funktionale Aspekte im Vordergrund stehen müssten, strahle das Haus eine angeneh- me Atmosphäre aus, freute sich Rolf Schmid. Und er lobt die Mitarbeiter: „Sie sind das Kapital die- ser Klinik.“ Der Ärztliche Direktor Prof. Dr. med. Ulrich Fink betont, mit dem Leistungskonzept der strik- ten Spezialisierung und Abbau von Betriebsstät- ten sei das Schwarzwald-Baar Klinikum Vorreiter in Baden-Württemberg. Prof. Fink unterstrich, was Christa Dietel, die Leitende Pflegedirektorin, zur Funktionalität und Bedeutung des neuen Klini- kums ausführte: „Unser Klinikum ist das derzeit modernste Krankenhaus Deutschlands.“ „Wunderschöne Partnerschaft“ Rupert Kubon sprach in seiner Funktion als Ober- bürgermeister von Villingen-Schwenningen und als derzeitiger Klinik-Aufsichtsratsvorsitzender. Die „wunderschöne Partnerschaft“ zwischen Stadt und Kreis erlaube es, ein höchst erfolgrei- ches Unternehmen gemeinsam zu betreiben. Mit Blick auf eine Privatisierung betonte Kubon, die Menschen hätten nicht gewollt, dass ein wichti- ger Teil der Daseinsvorsorge in fremde Hände übergeht. Das neue Klinikum werde „Maßstäbe bei Diagnose und Qualität“ setzen. Architekt Guido Meßthaler sprach von einem „Jahrhundertwerk“. Er habe schon viele Kliniken gebaut, aber diese hier sei einzigartig. „Mit die- sem grandiosen Blick, den es sonst nirgendwo gibt, werden ihre Patienten noch schneller ge- sund“, wünschte sich Meßthaler. Das Planungs- team habe „ein Krankenhaus des Lichts mit Rundumsicht“ verwirklicht. Ein Haus, das rundum beeindruckt Im Anschluss an den Festakt wurden die Gäste in Gruppen durch das imposante, lichtdurchflutete Gebäude geführt. Beeindruckt war man von den freundlichen Zimmern, vor allem auch von der technischen Ausstattung des Schwarzwald-Baar Klinikums, in dem sich 15 Operationssäle befin- den (siehe nachfolgenden Beitrag). Radiologie und Notaufnahme stießen auf be- sonderes Interesse. Die Erstversorgung eines Pa- tienten in der Notaufnahme braucht in der Regel nur 35 Minuten. „Damit sind wir bundesweit in der Spitzengruppe“, erklärte Prof. Fink. Er führte Ministerpräsident Kretschmann anschließend in die Radiologie, wo einer der modernsten Compu- tertomografen Deutschlands steht. Das Fazit aller Gäste: Das Geschaffene sichert den Menschen dieser Region dauerhaft die Teil- habe am medizinischen Fortschritt, eine optima- le me dizinische Versorgung. Die mutige Entschei- dung war die richtige – nachhaltige medizinische Qualität hat Vorrang. wd 53

Aus dem Kreisgeschehen Krankenhaus des Lichts Das Schwarzwald­Baar Klinikum zählt zu den leistungsfähigsten Kliniken in Baden­Württemberg – zusammengestellt und fotografiert von Wilfried Dold Imposant, freundlich und harmonisch zugleich „Es sind dieser Blick und die Weite gewesen, die mich beim Entwurf des Schwarzwald-Baar Klinikums inspiriert haben. Die Rundumsicht wollte ich ins Gebäude transportieren: Es sollte ein Krankenhaus des Lichts werden.“ So beschreibt Architekt Ralf Landsberg das Werden des Entwurfs zum Schwarzwald-Baar Klinikum. 270 Millionen Euro sind in den Bau von 46.000 m² Nutzfläche investiert worden. 750 Betten, 3.500 Räume und 10.000 Türen, 15 Operationssäle, 22 Stationen für Normalpflege, fünf für Intensivpflege, eine 3.000 m² große Notaufnahme, acht Geschosse mit allein 50.000 m² Fassadenfläche – alles hier ist impo- sant, groß und beeindruckend. Und doch ist ein Haus mit freundlicher Atmosphäre entstan- den, in dem sich freundliche Menschen herzlich um kranke Mitmenschen bemühen – eine durch und durch lichte Welt. 54 54

Aus dem Kreisgeschehen 55

Aus dem Kreisgeschehen Mit Superlativen sparsam umzugehen, fällt beim Schwarzwald-Baar Klinikum schwer. Alles hier ist groß und impo- sant: 270 Mio. Euro an Investitionen und insge- samt 46.000 m² Nutzfläche – zwischen Villingen und Schwenningen ist eines der 80 größten, mo- dernsten und schönsten Krankenhäuser Deutsch- lands in Betrieb gegangen! Allein schon die Lage. Wie dieser Standort na- he der L 173 wirkt, erzählt Architekt Ralf Lands- berg: „Als ich 2005 das allererste Mal dort oben auf der Kuppe stand, sind wir auf das Autodach geklettert – und waren von der fantastischen Rundumsicht überwältigt. Wow! Was für eine grandiose Lage!“ Vor uns breitete sich das freie Feld aus. In östlicher Richtung erahnten wir die Das Schwarzwald-Baar Klinikum (Mitte) wurde na- he der L 173 in idealer Lage zwischen Villingen und Schwenningen (oben) auf freiem Feld erbaut. Vorne rechts befindet sich das Personalwohnheim, vorne links ist die Geriatrische Klinik zu sehen. Im Umfeld des neuen Klinikums sollen weitere Gebäude entste- hen, geplant sind ein Ärztehaus und ein Hotel. Schwäbische Alb, westlich erstreckte sich der Schwarzwald und gen Süden gab die günstige Wetterlage den Blick bis zu den Alpen frei.“ Der Blick ist in der Tat einmalig und wird nur durch den Horizont beschränkt – imposantere Aussichten kann ein Krankenzimmer nicht bieten. Vom Krankenbett aus diese Fernsicht zu genie- ßen bringt wohltuende Erleichterung. 56

Aus dem Kreisgeschehen Auch die Ästhetik des Gebäudeensembles ist außergewöhnlich: Trotz seiner Größe wirkt das Klinikum leicht, ja filigran, fügt es sich hervorra- gend in die Landschaft ein. Daran ist wesentlich die Fassade mit dem weithin sichtbaren Wech- selspiel von transparenten und farbig verglasten Feldern beteiligt. Die Farbflächen sind das opti- sche Markenzeichen des Klinikums und unter- stützen seine „freundlich-heitere Anmutung“. Wirtschaftlichkeit greifen. Für den architektoni- schen Entwurf bedeutet das: ge stal terische, funktionale und wirtschaftliche Aspekte mög- lichst ideal zu verzahnen. Damit sind hohe An- forderungen verbunden, es braucht dazu eine hervorragende Kenntnis der inneren Zusammen- hänge. Beim Schwarzwald-Baar Klinikum – da sind sich alle Beteiligten einig – ist diese Symbio- se in beispielhafter Weise geglückt. Anforderungen optimal verzahnt Foto oben: Alle Zimmer sind freundlich und hell – hier der Blick in ein Zimmer der Kinderklinik. Die Versorgung der Patienten steht bei der Pla- nung eines Krankenhauses im Mittelpunkt – aber es müssen dabei auch die Prinzipien der Das weithin sichtbare Wechselspiel von transparen- ten und farbig verglasten Flächen ist das optische Markenzeichen des Klinikums. 57 57

Aus dem Kreisgeschehen Die Nebenmagistrale führt zur Notaufnahme und zum Frauen-Kind-Zentrum. Viel Raum – wohltuende Ruhe Das Schwarzwald-Baar Klinikum zählt mit seinen jährlich fast 50.000 stationären und 130.000 am- bulanten Patienten zu den größten und leis- tungs fähigsten Kliniken in Baden-Württemberg. 2.800 Menschen versorgen im Schichtbetrieb rund um die Uhr über 750 Patienten. Besucher kommen und gehen. In der imposanten Ein- gangshalle der Klinik ist von der damit verbunde- nen Betriebsamkeit wenig zu spüren. Das Klini- Blick in die großzügige Eingangshalle des Klinikums. kum bietet für all die Menschen hier den nötigen Raum: 425.000 m³ Rauminhalt sind es insgesamt – das entspricht 520 Einfamilienhäusern! Damit verbunden ist architektonische Großzügigkeit, aus der sich auch im Innern eine wohltuende Weite und vor allem Ruhe ergibt. Von der Eingangshalle aus seinen Weg zu fin- den fällt leicht. Die Hauptmagi strale (Hauptver- kehrslinie) bietet nur zwei Möglichkeiten: gera- deaus in Richtung Westen oder nach rechts, wo die Nebenmagistrale zum Frauen-Kind-Zentrum führt. Es geht vom Großen ins Kleine: über die Magi strale zu den Leitstellen, den Organisations- einheiten der Fachabteilungen. Von dort aus er- reicht man die jeweiligen Stationen, Behand- lungsräume und Krankenzimmer. 58

Aus dem Kreisgeschehen Erster Spatenstich zum Bau des Schwarzwald-Baar Klinikums am 28. Juli 2009. Luftbild zum Stand der Bauarbeiten im Herbst 2011, die Fassadenarbeiten sind in vollem Gang. Meilensteine – Zur Geschichte des Klinikbaus mehr als veranschlagt, der andere glatt das Dop- pelte – somit ca. 450 Mio. Euro! Jetzt werden die Bauleistungen einzeln ausgeschrieben. 2004 | Am Beginn steht die Neuordnung des Krankenhauswesens durch die Stadt Villingen- Schwenningen und den Schwarzwald-Baar-Kreis. Eine Klinikgesellschaft unter kommunaler Trä- gerschaft entsteht. Am 6. Juli bringt der Schwarz- wald-Baar-Kreis sein Kreisklinikum Donauesch- ingen in die Schwarzwald-Baar Klinikum GmbH ein. Bereits 2003 hatte man den Klinik betrieb in Furt- wangen eingestellt. Die Stadt Villingen-Schwen- ningen bringt ihr großes Klinikum und das Kran- kenhaus St. Georgen ein. Die Partner beschließen, für ca. 175 Mio. Euro in der Doppelstadt ein neues Krankenhaus zu bauen und mit Ausnahme von Donaueschingen alle anderen Krankenhäuser im Kreis zu schlie- ßen, sprich in das neue Klinikum zu überführen. 2005 | Der weitgehend unbebaute Zentralbe- reich zwischen Villingen und Schwenningen wird zum Standort des neuen Klinikums bestimmt. 2007 | Nach einer exakteren Kalkulation wird nun mit Baukosten in Höhe von 222,3 Mio. Euro gerechnet. Ministerpräsident Günther Oettinger sagt für das Land Baden-Württemberg einen Landeszuschuss in Höhe von 94 Mio. Euro zu. 2008 | Die zweite Ausschreibung ist positiv, vor allem aber steht das Land zu seiner Zusage: Es erhöht den Zuschuss sogar noch um weitere 8,4 Mio. Euro, da das Projekt als vorbildlich einge- stuft wird. Am 28. Juli 2009 erfolgt der symboli- sche 1. Spatenstich für das Großklinikum. Als Ge- samtkosten sind um 263 Mio. Euro kalkuliert. 2010 | Die Grundsteinlegung kann am 7. Mai 2010 erfolgen. Am 26. November 2010 wird das Richtfest gefeiert. 2011 | Das Klinikum wächst in die Höhe. Auf die Fassadenarbeiten folgt die Elektroinstallation. Im August starten die Arbeiten für die Kliniker- weiterung in Donaueschingen, das Klinikum in- vestiert 2,28 Millionen Euro in die Gebäudeauf- stockung (davon 1,4 Millionen Euro vom Land). 2012 | Der Kreistag beschließt, die ursprünglich als Schutzschirm gedachten 20 Mio. Euro an Rücklagen in die Klinikum GmbH einzuzahlen. Im April schließt das Krankenhaus St. Geor- gen. Am 20. April ziehen die Plastische, Hand- und Ästhetische Chirurgie sowie die Psychothe- rapeutische Medizin mit je 24 Betten in das Do- naueschinger Klinikum um. 2008 | Eine gezielte Ausschreibung bei zwei Ge- neralunternehmern bringt das gesamte Vorha- ben ins Wanken. Der eine verlangt 80 Mio. Euro 2013 | Am 6. Juli 2013 erfolgt die feierliche Eröff- nung des Schwarzwald-Baar Klinikums. 59 59

Aus dem Kreisgeschehen Auf dem dreigeschossigen Basisbau sitzen die Betten- würfel, die ebenfalls dreigeschossig sind. Alle Ambulanzen und Patientenaufnahmen sind im Erdgeschoss angesiedelt Dreigeschossiger Basisbau Das Schwarzwald-Baar Klinikum gründet auf ei- nem dreigeschossigen Basisbau. Darin sind Un- tersuchungs- und Behandlungsräume sowie eine Technik etage mit den lüftungstechnischen An- lagen untergebracht. Auf diesem Basisbau sitzen die „Bettenwürfel“. Ihr Name leitet sich von der markanten Form ab. Es handelt sich dabei um drei Gebäudeteile mit jeweils drei Geschossen. In den Würfeln befinden sich die Zimmer für die 750 Planbetten. Die Komfortstation mit 36 Einzelzimmern ist in der obersten Etage des auf der Südwestseite gelegenen Würfels angesiedelt (siehe Foto oben). Alle Patientenzimmer zeigen immer nach außen – das gestattet den freien Blick in die Landschaft. Weil Architekt Ralf Landsberg die Weite um das Schwarzwald-Baar Klinikum her- um, die Rundumsicht, in die Zimmer „transpor- tieren wollte“, sind alle Fenster extrem groß kon- zipiert und die Fensterbänke niedrig angesetzt. Das gestattet den Patienten liegend vom Bett aus eine optimale Sicht. Hierauf gründet sich „das Krankenhaus des Lichts“ – die Verbindung von innen nach außen. 60 In einem eigenen Baukörper, der an das Gebäude angebunden ist, befindet sich die Frauen- und Kinderklinik. Optimal liegt auch die Notaufnah- me, die im Ostteil nahe des Haupteinganges über einen separaten Zugang verfügt. Alle Ambulan- zen und Aufnahmen sind im Erdgeschoss unter- gebracht und über die beiden Hauptverkehrswe- ge direkt zu erreichen. Ihnen sind die medizini- schen Untersuchungsbereiche angegliedert. Der Gedanke da hinter: Durch das Zusammenlegen von Bereichen werden effizientere Prozesse möglich, deshalb hat man zusammengelegt, was zusammengehört. Dieser Ansatz wurde so auch im ersten Stock des Klinikums verwirklicht, wo die 15 Operations säle und die Intensivstationen enge Nachbarn sind. Elf Innenhöfe angelegt Von der „Klinik des Lichts“ profitieren nicht nur die Patienten, sondern auch die Beschäftigten. Mit elf Innenhöfen ist es gelungen, Tageslicht und damit Durchlässigkeit selbst in die tiefer lie- genden Untersuchungsbereiche zu bringen. Die Innenhöfe unterteilen den Basiskörper. Sie spie- geln in ihrer gärtnerischen Ausführung markante

Daten und Fakten zum Schwarzwald-Baar Klinikum Aus dem Kreisgeschehen Gebäude Technik » Bauherr: Schwarzwald-Baar Klinikum Villingen-Schwenningen GmbH » Gesamtkosten 270 Mio. Euro » ca. 46.000 m² Nutzfläche » Rauminhalt 425.000 m³ brutto, entspricht ca. 520 Einfamilienhäusern » rund 3.500 Räume » ca. 50.000 m² Fassadenfläche » 8 Geschosse/Ebenen » 19 Fahrstühle in neun Gruppen mit insgesamt 450 m Förderhöhe » 11 begrünte Innenhöfe » 15 Treppenhäuser (2.300 Trittstufen) » ca. 10.000 Türen » 650 Stellplätze für Mitarbeiter, 500 für Besucher und Patienten » Am 20. und 21. Juli 2013 musste mit 239 Patienten aus den beiden Altstandorten und mit 30.000 Gütern in das neue Klinikum umgezogen werden. Medizin » Rund 750 Betten, hiervon: 36 in der Komfortstation 58 Intensivbetten für Erwachsene 14 Intensivbetten für Kinder » Pflegestationen: 18 Normalpflege 2 Wahlleistungsstationen 5 Intensivpflege / Intermediate Care 1 Aufnahmestation 1 Komfortstation » Energiezentrale Länge 56 m, Höhe 9 m 2 Warmwasserkessel 2 Hochdruckdampfkessel Kältemaschine / Wärmepumpe Heizleistung: 5.900 kW Länge der Rohrleitungen: 275 km Luftmengen: 550.000 m³/ h » Holzhackschnitzel Vorrat für 6 – 8 Tage im Volllastbetrieb Bunker: 700 m³ Verbrauch bei Volllast: 1 LKW-Ladung / Tag Einsparung von CO₂: 1.700 Tonnen jährlich » Leuchten 15.000 Stück » Lüftung Fläche der Kanäle: 60.000 m² entspricht 8 Fußballfeldern » Notstrom Leistung 2 x 1.000 KVA Notstromdiesel: 2 x 1.000 KVA 18.000 Relais 12.000 Sprinkler / -anlagen » Sicherungsautomaten 35.000 Steckdosen / Schalter 5.900 Brandmelder » Internet- und Netzwerktechnik 11.000 aktive IT-Steckdosen 1.000 W-Lan Ports » OP-Zentrum 15 Operationssäle auf einer Geschossebene Fotos v. links: Multimediazentrale für Telefon, Inter- net und Fernsehen, Mitte Ansicht des Klinikums von Osten und rechts, Flurbereich der Komfortstation. 61

Aus dem Kreisgeschehen Innenhof zum Thema Brigach und Breg. Die elf Innen- höfe sorgen auch in den unteren und hinteren Berei- chen der Klinik für Tageslicht. Landschaften im Schwarzwald und auf der Baar wider. Dargestellt ist beispielsweise wie sich Bri- gach und Breg zur Donau vereinen, aber auch die Wutach- und Gauchachschlucht oder der Schwen- ninger Neckarur sprung sind symbolisch aufge- griffen. Die Nebenmagistrale begleitet ein Innen- hof, in dem großformatige Fotografien mit Moti- ven aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis zu sehen sind. Pflege und Komfort Entscheidend mehr als die äußeren, zählen die inneren Qualitäten des Schwarzwald-Baar Klini- kums – die medizinische Ausstattung, Qualität der Pflege und der Komfort. Es gibt nur Doppel- zimmer, das ermöglichen maßgeblich die 36 Ein- zelzimmer der Komfortstation und die damit ver- bundenen höheren Einnahmen. Im Vergleich zum bisherigen Klinikum erfolgte damit beim Patien- tenkomfort ein riesiger Sprung nach vorne. Die Pflege in Zahlen: 750 Betten, 18 Normal- pflegestationen, zwei Wahlleistungsstationen, eine Komfortstation mit 36 Einzelzimmern, fünf In tensivstationen und eine Auf nahmestation. Die hell und modern ausgestalteten Zwei- bettzimmer verfügen über eine eigene Nasszelle, elektrisch verstellbare Betten und ein Patienten- terminal mit Monitor, das zum Telefonieren, im Internet surfen, Fernsehen oder Radio hören dient. Die Wahlleistungsstationen bieten zusätz- lich hochwertig ausgestattete Zimmer, eine Ta- geszeitung am Bett, erweitertes Speisenangebot und eine Minibar. Nur schwer zu überbieten scheint im kom- munalen Krankenhausbereich das Servicepaket der Komfortstation. In den Zimmern ist ein Par- kettboden verlegt und sie verfügen über eine ausgewählt schöne Nasszellenausstattung. Wei- 62

Aus dem Kreisgeschehen ter finden sich hier ein Schreibtisch, Sitzecke, Kühl- schrank, großer Fernseher, elektrische Steuerung von Jalousie und Licht, ein Lounge-Bereich für Pa- tienten und Besucher – und es gibt diverse Ser- vice-Leistungen wie das Frühstücksbuffet. Verändert hat sich die Stationsgröße: Früher waren es bis 28 Betten pro Station, jetzt sind es 33 bzw. 36. Weil das Schwenninger und Villinger Krankenhaus in ein gemeinsames Klinikum zu- sammengeführt wurden, kam es auch zu einer grundlegend neuen Zusammensetzung der Pfle- geteams. Herausragende medizinische Ausstattung Dass der Schwarzwald-Baar-Kreis im Kranken- hauswesen zu einer medizinischen Vorzeige- region aufgestiegen ist, hängt mit dem breiten Spektrum modernster medizinischer Möglichkei- ten im Klinikum zusammen. Das Schwarzwald- Baar Klinikum befindet sich auf universitärem Das freundliche und hilfsbereite Stations- und Pflegepersonal ist bei Fragen oder Sorgen mit Rat und Tat für die Patienten da. Niveau, was allein schon die Möglichkeiten der Röntgendiagnostik aufzeigen: „Die Angst vor der Röhre“ nimmt den Patienten der neue hochleis- tungsfähige Computertomograf mit großer Öff- nung. Der Computertomograf arbeitet unglaub- lich schnell und betrachtet den menschlichen Körper in weniger als einer Sekunde! Dazu kommen mehrere Magnetresonanz- tomografiegeräte mit Feldstärken bis zu drei Tes- la, ein Durchleuchtungsraum und zwei Angiogra- fie-Arbeitsplätze zur Darstellung und interven- tionellen Therapie von Blutgefäßen. Das Herzstück der Abteilung Radiologie und Nuklearmedizin ist das acht Tonnen schwere 3.0 Tesla Magnetresonanztomografiegerät. Dieses neueste und modernste Gerät liefert nach weni- gen Minuten Bilder, die an Qualität nicht zu über- bieten sind. Die hohe Detailtreue der Aufnahmen Das Schwarzwald-Baar Klinikum bei Nacht. 63

Aus dem Kreisgeschehen Modernste Technik: Hochintegriertes OP-System zur Verknüpfung von Bild- und Befunddaten am OP-Tisch. Rechts: Robotergestütztes, offenes System für eine dreidimensionale Bildgebung während der Operation. Es handelt sich bei den Darstellungen um Werkfotos der Hersteller. bildschirm bedienbar. Der Standort Donauesch in- gen verfügt ebenfalls über einen der bundesweit modernsten Operationssäle. Auch dort ermög- licht Hightech die zentrale Steuerung und Kont- rolle aller medizinischer Geräte. Zur modernen Ausstattung gehört zudem die Analysenstraße im Kliniklabor (siehe Seite 77). ermöglicht eine noch präzisere Diagnose, da die Ärzte auf grundlegend besseres Bildmaterial zu- rückgreifen können. Eine Besonderheit der Kardiologie ist ein Na- vigationssystem für Herzuntersuchungen, das dem Arzt in Echtzeit anzeigt, wo sich der Katheter be- findet. Ein röntgenloses GPS-Navigationssystem ermöglicht es, sensorbestückte Katheter mittels Roboter äußerst exakt im Herzen zu positionie- ren. Dreidimensionale Bilder gestatten dabei op- timales Arbeiten. So können Ärzte auf die sonst üblichen, parallel notwendigen Röntgenaufnah- men verzichten. Der Ärztliche Direktor Prof. Dr. Ulrich Fink: „Das Schwarzwald-Baar Klinikum ist das vierte Krankenhaus überhaupt, das diese In- novation einsetzt.“ Spitzentechnologie in 15 OP-Sälen hat in der deutschen Kliniklandschaft eine Sonderstellung Eine Sonderstellung in der deutschen Klinikland- schaft hat die konzentrierte Spitzentechnologie, die sich im Operations-Zentrum in gleich 15 Ope- rationssälen aneinanderreiht. Im Hybrid-Opera- tionssaal kommen robotergestützte, bildgeben- de Verfahren zum Einsatz, die mit einem Naviga- tionssystem verknüpft sind. Im integrierten Ope- rationssaal sind alle Geräte über einen Flächen- 64 Zentrale Notaufnahme Die Notaufnahme des Klinikums ist nicht nur eine der effektivsten, sondern auch eine der größten in Baden-Württemberg. Die Leitung liegt in den Händen von Direktor Bernhard Kumle, der mit jährlich knapp 40.000 Notfällen rechnet. Unter diesen Fällen befindet sich alles, was man sich vorstellen kann: Patienten, die zu Fuß ankommen oder im PKW von Verwandten oder den Rettungsfahrzeugen gebracht werden. Kin- der mit Blinddarmdurchbruch, Patienten mit ab- getrennten Gliedmaßen, schwere Verbrennun- gen, Schlaganfälle – oder Patienten, die mit dem Rettungshubschrauber „Christoph 11“ ins Klini- kum transportiert werden. Dazu ist die Notauf- nahme über einen speziellen Aufzug mit einem unterirdischen Gang verbunden, der vom Hub- schrauberlandeplatz aus in die Klinik führt. Ein zusammen mit dem DRK entwickelter Patienten- monitor gibt detailliert Auskunft über den Zu- stand der ankommenden Patienten, auch dies ist eine besondere Innovation. 3.000 Quadratmeter groß ist die Notaufnah- me, in der 70 Mitarbeiter rund um die Uhr ihren Dienst tun – darunter 17 Ärzte. Es stehen zehn Untersuchungsräume, zwei Schockräume und ein Gipsraum zur Verfügung.

Aus dem Kreisgeschehen Computertomographen sorgen für höchste Aufnahmegeschwin- digkeit. Fassungsvermögen zum Ein- satz. Besonderen Wert legt man auf Frische und re gionale Lie- feranten. Den Salat putzen Kü- chenleiter Vinzenz Hermann und seine Mitarbei- ter von Hand – am Wochenende wird gebacken! Natürlich kommt modernste Technik zum Ein- satz, so ein induktionsgestütztes Ausgabeband, das frisch gerichtete Menüs bis zu eineinhalb Stunden lang ohne Qualitätsverlust warmhalten kann. „Die Sogwirkung hält an“ Das Schwarzwald-Baar Klinikum steht nicht für sich allein. Ein neu gebautes Wohnheim liegt in unmittelbarer Nähe, ebenso die Luftrettungssta- tion für den „Christoph 11“. Und es gibt eine Betriebskindertagesstätte mit auf den Klinikbetrieb abgestimmten Öff- nungszeiten von 5.45 Uhr bis 20.15 Uhr, die einen wertvollen Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf leisten. Angegliedert sind dem Klinikum eine Hebam- menschule sowie eine Pflegeschule für Kinderkran- kenpflege und Krankenpflegeschule. Als staat- lich anerkannte Weiterbildungsstätte bietet das Klinikum zudem verschiedene Qualifizierungen. Zusätzlich zum Klinikum ist ein Nephrologi- sches Zentrum entstanden, ein Ärztehaus und ein Hotel sollen folgen. Landrat Sven Hinterseh und Oberbürgermeis- ter Dr. Rupert Kubon ziehen für die Gesellschafter Landkreis und Stadt jedenfalls eine rundum posi- tive Bilanz: „Es wird noch viele weitere, zukunfts- weisende Impulse geben – die Sogwirkung hält an. Vor allem aber sichert das Klinikum die Kran- kenhausversorgung der Region Schwarzwald-Baar auf Top-Niveau. Darauf können wir alle stolz sein.“ 65 Zukunftsorientierte Energiezentrale Die Ausstattung des Schwarzwald-Baar Klini- kums entspricht nicht nur medizinisch betrach- tet höchsten technischen Standards. Auch die Haustechnik und Energieversorgung ist in vieler- lei Hinsicht richtungsweisend. Holz dient als nachwachsender Rohstoff zur Befeuerung des Hackschnitzel-Heizwerks. An einem strengen Win- tertag wird eine LKW-Ladung an Holz verbraucht. Der Bunker der Anlage fasst 700 m³ an Vorräten. Über 275 km lange Rohrleitungen verteilt sich die Wärme im gesamten Klinikum. Elektrofilteranla- gen der neuesten Generation reinigen die Abga- se, so können 1.700 Tonnen CO₂ eingespart wer- den. Im Schwarzwald-Baar Klinikum gibt es 11.000 aktive IT-Steckdosen, 15.000 Leuchten, 5.900 Brand- melder, 35.000 Steckdosen und Schalter und die Fläche der Lüftungskanäle macht 60.000 m² aus – um nur einige von vielen imposanten Zahlen zu nennen. Alle Mitarbeiter erhalten ihre Dienst- kleidung auf Knopfdruck frisch gewaschen aus dem Automaten. Und es gibt ein kilometerlanges Rohrpostsystem, das u. a. eilige Laborproben und Medikamente verschickt. Tagtäglich 1.200 Mittagessen Hochleistungen erbringt im Klinikum weiter die Küche mit ihren 64 Mitarbeitern: 1.200 Mittag- essen für Patienten und Mitarbeiter werden tag- täglich ausgegeben. Die Mengen haben sich durch die Zusammenlegung der beiden Kliniken beträchtlich erhöht. Es kommen deshalb in der Küche auch nur noch Kessel mit 40 bis 290 Litern

Aus dem Kreisgeschehen Die Fachabteilungen am Schwarzwald-Baar Klinikum 66 66

Aus dem Kreisgeschehen Mit seinen 25 hochspezialisierten Fachabteilungen und zwei Belegabteilungen, Zentren und Praxen deckt das Schwarzwald­Baar Klinikum ein medizinisches Spektrum auf meist univer­ sitärem Niveau ab. Diese Fach­ und Belegabteilungen sind es, die den hervorragenden Ruf eines der modernsten Krankenhäuser in Deutschland begründen. Sie werden auf den folgen­ den Seiten kurz vorgestellt. Weitere Informationen finden sich im Internet: www.sbk­vs.de Foto: Anlaufstelle für Besucher und Patienten sind die Stationen, wo sich ein Team von Fachkräften 24 Stunden am Tag um die Patienten bemüht. 67

Die Fachabteilungen am Schwarzwald-Baar Klinikum » Allgemein- und Viszeralchirurgie DIE KLINIK: Behandelt werden Patienten mit all­ gemeinchirurgischen Erkrankungen. Die Fachab­ teilung ist Referenz­ und Überweisungsklinik für die Region. Die Ärzte setzen in hohem Maße auf schonende, minimal­invasive Eingriffe. Es wer­ den im Jahr rund 3.600 Patienten vollstationär versorgt. Dazu stehen insgesamt 19 Ärzte bereit, davon acht Fachärzte. Ferner kümmern sich 34 Gesundheits­ und Krankenpfleger um die Patien­ ten, ebenso ein Stomatherapeut. AUFGABEN: Das Einsatzgebiet der Viszeralchir­ urgie betrifft vor allem die Bauchorgane. Insbe­ sondere den Verdauungstrakt von der Speiseröhre über den Magen und die Gallenblase bis zum Dick­ darm. Operativ behandelt werden beispielsweise auch Patienten mit Leistenbrüchen oder schwe­ rem Übergewicht. Kleinere Eingriffe wie die Ver­ sorgung von Nabelbrüchen oder Portimplantatio­ nen werden ambulant vorgenommen. » Anästhesiologie und Intensivmedizin DIE KLINIK: Die Klinik für Anästhesiologie und In­ tensivmedizin verfügt mit Blick auf jährlich etwa 16.000 Operationen in 15 OP­Sälen über große Er­ fahrung im gesamten Bereich der modernen An­ ästhesie. Auf den Intensivstationen werden jährlich 1.600 Patienten nach Unfällen oder großen Ope­ rationen betreut. Die Klinik behandelt ferner Pa­ tienten mit chronischen Schmerzen. Zusammen mit Notärzten anderer Abteilun­ gen besetzt die Klinik rund um die Uhr zwei Not­ arzt­Standorte sowie einen Rettungshubschrau­ ber. AUFGABEN: Narkosen, Schmerztherapie, opera­ tive Intensivmedizin, Notfallmedizin, regionales Schmerzzentrum. » Anästhesie, Interdisziplinäre Intensivtherapie und Beatmungsmedizin DIE KLINIK (Standort Donaueschingen): Ein schmerz­ und damit angstfreier Krankenhausauf­ enthalt trägt entscheidend zur Genesung bei. Um diese Schmerzfreiheit bei höchster Sicherheit zu ermöglichen, bietet die Fachabteilung alle moder­ nen Anästhesieverfahren an. Zusätzlich kümmert sich die Klinik um eine sorgfältige Nachsorge. AUFGABEN: Die Anästhesie gründlich vorzube­ reiten und das jeweils optimale Verfahren gezielt auszuwählen und sicher anzuwenden, ist die zen­ trale Aufgabenstellung. Es steht rund um die Uhr ein Schmerzdienst bereit, um die Schmerzfreiheit nach der Operation zu gewährleisten. Patienten mit chroni schen Schmerzen werden in der Schmerzambulanz mit anästhesiologischen Methoden behandelt. Im Notfall sorgt das Team aus qualifizierten Notärzten auch außerhalb der Klinik an den Standorten Donaueschingen und Furtwangen für schnelle Hilfe. 68 68

Schwarzwald­Baar Klinikum Klinik bietet verschiedene Entbindungsmethoden an – dazu gehört beispielsweise die Entbindungs­ wanne. AUFGABEN: Das Aufgabengebiet umfasst die Geburtshilfe mit der Pränatalmedizin, die gynäko­ logische Onkologie (Krebschirurgie), die allgemei­ ne Gynäkologie sowie die Chirurgie von Brust, der Genitale und des Beckenbodens sowie die Behe­ bung der Harninkontinenz. AUFGABEN: Gesamtes Spektrum der Medizin rund um die Blutgefäße: Angiologie, interven­ tionelle Radiologie (Katheterbehandlung) und Gefäßchirurgie. Dazu gehören Einengungen der Halsschlagader, Aneurysma der Aorta, Gefäßver­ schluss am Bein, nicht heilende Wunden am Fuß oder Krampfadern. Weiter operative Behandlun­ gen bei Verengungen und Verschlüssen von Hals­ schlagadern (Carotiden), peripheren Gefäßen, der Bauch aorta und Eingeweidearterien. Halschirurgie werden in dieser Klinik angebo­ ten. Der Umfang reicht von Tumor­Operationen, plastischen Operationen, Eingriffen bei Knochen­ brüchen im Gesichtsbereich, Eingriffen an den Speicheldrüsen, gehörverbessernden Ohr­Opera­ tionen, endoskopische Nasennebenhöhlen­Ope­ rationen und Schnarch­Operationen bis hin zu Eingriffen zur Verbesserung der Stimme. » Frauenheilkunde und Geburtshilfe DIE KLINIK: Rund um die Uhr ist die Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe für die Behand­ lung und Betreuung von Frauen da – inklusive der Schwangeren und Wöchnerinnen. Die Geburtshil­ fe der Frauenklinik bildet mit der Kinderklinik ein Perinatalzentrum der obersten Stufe und bietet somit einen medizinischen Versorgungsstandard auf höchstem Niveau. Ein direkt an den Kreißsaal­ bereich angeschlossener Operationssaal ermög­ licht in Notfallsituationen rasches Handeln. Die » Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin DIE KLINIK: Die Klinik für Gefäßchirurgie ist als einzige Fachabteilung des Klinikumstandorts Donaueschingen in das neue Schwarzwald­Baar Klinikum nach Villingen­Schwenningen umgezo­ gen. So befindet sie sich am gleichen Ort wie die Unfallchirurgie, was die Zusammenarbeit erleich­ tert. In der Diagnostik kommen modernste und nebenwirkungsärmste Untersuchungstechniken zum Einsatz. » HNO, Kopf- und Halschirurgie DIE KLINIK: Die vor eineinhalb Jahren ins Leben gerufene Klinik für Hals­Nasen­ Ohren­Heilkunde (HNO), Kopf­ und Halschirurgie am Schwarz­ wald­Baar Klinikum war räumlich bislang vorläu­ fig untergebracht. Im neuen Klinikum stehen der Abteilung nun adäquate Untersuchungs­ und Be­ handlungsräume zur Verfügung. AUFGABEN: Nahezu alle operativen Eingriffe der Hals­Nasen­Ohren­Heilkunde sowie Kopf­ und 69

Aus dem Kreisgeschehen Die Fachabteilungen am Schwarzwald-Baar Klinikum » Innere Medizin I – Gastroenterologie DIE KLINIK: In der Klinik Innere Medizin I/Gastro­ enterologie werden pro Jahr mehr als 4.000 Pa­ tienten stationär behandelt. Dazu kommen noch etwa doppelt so viele Patienten, die ambulant untersucht oder versorgt werden. Die Fachabtei­ lung ist eine der gefragtesten Einrichtungen in Baden­Württemberg. AUFGABEN: Die Klinik behandelt insbesondere Patienten aus dem Bereich der Gastroenterologie (Verdauungstrakt), Diabetologie, Endokrinologie (Hormone) und Rheumatologie/Autoimmuner­ krankungen. In der klinischen Geriatrie bietet die Klinik eine optimal auf die Bedürfnisse älterer Menschen an­ gepasste Behandlung an. In der Fachabteilung steht – neben der moder­ nen apparativen Ausstattung – rund um die Uhr ein hoch qualifiziertes ärztliches sowie pflegeri­ sches Team bereit. » Innere Medizin II – Hämatologie/Onkologie DIE KLINIK: Der volle Name dieser Fachabteilung umreißt ihr vielfältiges Leistungsangebot: Klinik für Innere Medizin II/Onkologie, Hämatologie, Im­ munologie, Infektiologie und Palliativmedizin. Im neuen Klinikum ist die Klinik als eigene Ein­ heit mit Ambulanz/Tagesklinik nahe des Haupt­ eingangs gerade für ihre vielen ambulanten Pa­ tienten schnell erreichbar. AUFGABEN: Das Aufgabengebiet umfasst das ge­ samte Spektrum der Diagnostik und Therapie von Krebs­ und Bluterkrankungen. Zudem werden Patienten mit Infektionskrank­ heiten und sogenannten Systemerkrankungen behandelt. Darüber hinaus leitet diese Klinik den interdisziplinären Onkologischen Schwerpunkt (OSP) der Region Schwarzwald­Baar­Heuberg. » Innere Medizin III – Kardiologie und Intensivmedizin DIE KLINIK: Mit „Hochleistungsmedizin für Herz­ erkrankungen“ umschreibt die Klinik für Innere Medizin III/Kardiologie und Intensivmedizin ihr Angebot. Das Team von 35 Spezialisten wird durch modernste technische Ausstattung unterstützt, die deutschlandweit einmalig ist. AUFGABEN: Behandlung von koronaren Herz­ erkrankungen, Herzrhythmusstörungen, Herz­ klappenfehlern, Herzmuskelerkrankungen und Lungenembolien. Internistische und kardiologische Intensivmedizin. Vier Herzkatheter­Labore mit mo­ dernster apparativer Ausstattung stehen für die Diagnostik und Therapie zur Verfügung. Für Patienten mit Herzrhythmusstörungen, Herzschwäche sowie für Schrittmacher­ und De­ fibrillator­Patienten gibt es Spezialambulanzen. Hinzu kommt eine Brustschmerzabteilung (Chest Pain Unit). 70

Schwarzwald­Baar Klinikum Aus dem Kreisgeschehen » Innere Medizin IV – Allgemeine Innere Medizin/Angiologie als auch chronische Erkrankungen etwa des Ma­ gen­Darm­Trakts, der Leber sowie des Stoffwech­ sels – u. a. Übergewicht, Adipositas und Metaboli­ sches Syndrom. Weitere Schwerpunkte sind die Gefäßmedizin (Angiologie) und die Altersmedizin (Geriatrie). Hause entlassen werden kann oder ob er doch zur weiteren Behandlung stationär in einer der ver­ schiedenen Fachabteilungen aufgenommen wer­ den muss. „Die interdisziplinären Handlungsabläufe sorgen aber vor allem dafür, dass wir schnell und angemessen reagieren können, wenn höchste Eile geboten ist: zum Beispiel bei Herzinfarkten, Schlaganfällen und schwersten Verletzungen“, heißt es im Rahmen der Internet­Präsentation der Fachabteilung. Und weiter steht dort zu lesen: „Notfälle sind nicht kalkulierbar. Der Dienst in der Notaufnahme verlangt viel von unserem Team aus Ärzten und Pflegekräften. Jeder Tag ist eine Herausforderung – dieser stellen wir uns 365 Tage im Jahr!“ DIE KLINIK (Standort Donaueschingen): In der Klinik für Innere Medizin IV – Allgemeine Innere Medizin/Angiologie werden Patienten mit Erkran­ kungen des gesamten allgemein­internistischen Fachgebiets behandelt und betreut. Diese Klinik ist sehr gut für die Diagnostik und Therapie aus­ gestattet. AUFGABEN: Das Aufgabengebiet umfasst akute Erkrankungen wie Infektionen oder Vergiftungen » Interdisziplinäre Notaufnahme DIE KLINIK: Eines der herausragenden Merkmale des neuen Schwarzwald­Baar Klinikums ist die neu formierte, zentrale und interdisziplinäre Notauf­ nahme/Aufnahmestation: Sie nimmt als eine der größten Notaufnahmen in Baden­Württemberg 3.000 Quadratmetern Fläche ein und wird voraus­ sichtlich 38.500 Notfallpatienten im Jahr versor­ gen – rund um die Uhr an jedem Tag des Jahres. Das entspricht täglich durchschnittlich etwa 100 Patienten. In der Notaufnahme kann auf die Er­ fahrung von Fachärzten aus 20 verschiedenen Ab­ teilungen zurückgegriffen werden. AUFGABEN: Die Notaufnahme kümmert sich um alle Notfälle von der kleinen Schnittwunde bis hin zum Schlaganfall und zu schweren Unfallverlet­ zungen. Neu ist in der zentralen Notaufnahme, dass dort nun in einer eigenen Aufnahmestation auch 18 Patientenbetten belegt werden können. Dort werden Notfallpatienten je nach Fall bis zu 24 Stunden versorgt. Damit gibt es mehr zeitliche Spielräume, be­ vor sich entscheidet, ob ein Patient wieder nach 71 71

Aus dem Kreisgeschehen Die Fachabteilungen am Schwarzwald-Baar Klinikum » Kinderheilkunde, Jugendmedizin und Kinderchirurgie DIE KLINIK: Die Klinik für Kinderheilkunde und Jugendmedizin befindet sich im neuen Klinikum mit all ihren Bereichen im Frauen­ und Kinder­ zentrum, einem eigenen Teilgebäude des großen Klinikkomplexes. Seit 2012 gehört zum Team ein speziell ausgebildeter Kinderchirurg – einer der wenigen in Deutschland. AUFGABEN: Die Fachabteilung deckt ein weites Aufgabenspektrum ab. Es reicht von der Versor­ gung von Frühchen über Kleinkinder bis hin zu Jugendlichen. Schwerpunkte sind: Kinder­Pneumologie (Lun­ generkrankungen), Allergologie, Kinder­Intensiv­ medizin, Kinderkardiologie (Herzerkrankungen), Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie, Nerven­ und Muskelerkrankungen, Anfallsleiden, Neugeborenen­Intensivmedizin sowie die Ver­ sorgung von Frühgeborenen mit einem Geburts­ gewicht von unter 1.250 Gramm. » Apotheke (Institut für Klinische Pharmazie) DAS INSTITUT: Die Mitarbeiter des Instituts für Klinische Pharmazie (Apotheke) arbeiten mit den Medizinern und Pflegekräften eng zusammen, so um beispielsweise Anforderungen an selbst herge­ stellte Arzneien zu bestimmen. Diese Kooperation ist im neuen Klinikum, wo die Apotheke und die meisten Fachabteilungen unter einem Dach ver­ eint sind und alle Fragen direkt und individuell ab­ geklärt werden können, noch einfacher. AUFGABEN: Die Versorgung mit Arzneimitteln steht natürlich im Zentrum der Aufgaben der Klinikapotheker, die nicht nur dem Schwarzwald­ Baar Klinikum, sondern auch zwölf weiteren Klini­ ken und Rettungsdiensten in der Region zur Verfü­ gung stehen. „Damit gehören wir zu den größten Einrichtungen dieser Art in Baden­Württemberg“, unterstreicht die Fachabteilung. » Kontinenzzentrum Südwest DAS ZENTRUM: Im Kontinenzzentrum Südwest werden Patienten aus ganz Deutschland behan­ delt. Im neuen Klinikum liegen die Urologie­Ab­ teilung und das Kontinenzzentrum direkt beiein­ ander – das erleichtert die Zusammenarbeit der Spezialisten. AUFGABEN: Weit verbreitet, aber oft mit Tabus behaftet, ist das Gesundheitsproblem der Harn­ oder Stuhlinkontinenz – wenn der Betroffene also unter unfreiwilligem Urinverlust oder Stuhlabgang leidet. Nur jeder fünfte Betroffene nimmt ärztliche Hilfe in Anspruch – dabei könnten 80 Prozent der rund acht Millionen Menschen, die sich damit pla­ gen, von ihrem Leiden befreit werden. Mit Einfüh­ lungsvermögen versucht das Kontinenzzentrum, seinen Patienten die Scheu zu nehmen. Behandelt werden ferner chronische Blasen­ schmerzen, Harnwegsinfekte und Blasenentlee­ rungsstörungen. 72 72

Schwarzwald­Baar Klinikum » Lungenzentrum DIE KLINIK (Standort Donaueschingen): Die Patienten werden von interdisziplinären Spezia­ listen für die Fachbereiche Pneumologie (Lungen­ fachkunde) und Thoraxchirurgie (Operationen an Organen des Brustkorbes) betreut. Die interdis­ ziplinären Strukturen des Lungenzentrums mit täglichen gemeinsamen Besprechungen und re­ gelmäßigen Konferenzen erlauben eine optimale Versorgung. Den Patienten kommen einerseits modernste Diagnostik­ und Therapiekonzepte zugute, andererseits können sie sich auf eine für­ sorgliche und individuelle Betreuung verlassen. Die Klinik verfügt u.a. über Hochleistungs­Endos­ kopie und entsprechende Funktionsdiagnostik. AUFGABEN: Diagnostiziert und behandelt wer­ den Erkrankungen der Lunge und des Brustkorbes. Dazu gehören die chronisch obstruktive Bronchi­ tis (COPD), Asthma bronchiale, schwere Infektio­ nen der Lunge oder Tumorerkrankungen. » Neurochirurgie DIE KLINIK: Die Neurochirurgen behandeln Verlet­ zungen, Tumore, Missbildungen und entzündliche Erkrankungen des peripheren Nervensystems. Vom topmodernen Hybrid­Operationssaal im neuen Kli­ nikum profitieren alle Patienten. Hier können die Ärzte mittels bildgebender Verfahren während der laufenden Operation im Körperinneren auf Bild­ schirmen den Instrumenteneinsatz mitverfolgen. Es handelt sich hier um modernste Operationssäle bundesweit. AUFGABEN: Die Neurochirurgen helfen bei Ver­ letzungen, Missbildungen und Tumoren des Ge­ hirns und des Rückenmarks, degenerativen Wirbel­ säulenerkrankungen , ent zündlichen Erkrankun­ gen des Nervensystems sowie bei chronischen Schmerzen. Wo immer es geht, erfolgen die Ein­ griffe minimal­invasiv. Neurochirurgen sind wichtige Kooperations­ partner anderer Fachabteilungen. Bei ihnen ist zu­ dem ein Wirbelsäulenzentrum angesiedelt. » Neurologie DIE KLINIK: Die Fachabteilung behandelt unter anderem mehrere hundert Schlaganfall­Patienten im Jahr. Rund um die Uhr steht in der Akut­Neuro­ logie ein Spezialteam bereit. Hier arbeiten zwölf Ärzte, darunter sieben Fachärzte und 40 Kranken­ pflegekräfte. Die Klinik verfügt über alle modernen neuro­ physiologischen Diagnostikverfahren und die ent­ sprechenden Behandlungsmöglichkeiten. AUFGABEN: Unser Aufgabengebiet umfasst die Diagnostik und Behandlung sämtlicher Erkran kun­ gen des Gehirns, des Rückenmarks, der peripheren Nerven und Muskeln. Die Neurologen sind für eine Vielzahl an Krank­ heitsbildern zuständig. Da zu gehören Schlaganfall, Epilepsie, Multiple Sklero se, Hirnhautentzündung, Parkinson, Demenz, Schmerz­ und Nervenkompres­ sions­Syndrome so wie Schwindel. 73

Die Fachabteilungen am Schwarzwald-Baar Klinikum » Klinik für Orthopädie, spez. orthopäd. Chirurgie und Rheumaorthopädie DIE KLINIK (Standort Donaueschingen): Die Fachabteilung ist hoch spezialisiert auf die Be­ handlung degenerativer Gelenkerkrankungen, Verletzungen von Muskeln und Weichteilen, Fuß­ deformitäten sowie Sportverletzungen. Alle wesentlichen diagnostischen Möglich­ keiten stehen der orthopädischen Klinik zur Ver­ fügung: Sonographie (Ultraschall), Computerto­ mo graphie und Magnetresonanztomographie. Der Standort Donaueschingen verfügt über 79 Betten und eine intensivmedizinische Funktions­ einheit, sodass auch Patienten mit schweren Be­ gleiterkrankungen orthopädisch versorgt werden können. AUFGABEN: Der Schwerpunkt der Behandlung liegt auf der Versorgung stationärer Patienten, aber selbstverständlich werden den Patienten, wann immer möglich, auch ambulante Operatio­ nen angeboten. » Pathologie DAS INSTITUT: Wenn Operateure während einer laufenden Tumor­Entfernung wissen müssen, ob der Tumor bösartig ist und sie sicher sein müssen, ob das fragliche Gewebe tatsächlich komplett entfernt wurde, dann sind die Pathologen gefragt. Anhand einer Gewebeprobe können sie sagen, ob die Chirurgen erfolgreich waren oder noch mehr Gewebe entfernen müssen. Mit Hilfe der Rohrpostanlage können die Pro­ ben im Nu an die Pathologen geschickt werden. AUFGABEN: Pathologen analysieren krankhafte Prozesse. Auch an kleinsten Gewebeproben lässt sich erkennen, ob es sich um einen gutartigen oder einen bösartigen Prozess handelt. Es gibt noch eine weitere Aufgabe: Bei uner­ warteten, natürlichen Todesfällen forschen die Pathologen nach Erkrankungen und der Todes­ ursache. Dies nützt auch den Lebenden, denn so ergeben sich wichtige Erkenntnisse für Patienten mit vergleichbaren Krankheitsbildern. » Physiotherapie und Rehabilitation DIE FACHABTEILUNG: Betreut werden die Pa­ tienten des Schwarzwald­Baar Klinikums sowohl in Villingen­Schwenningen als auch in Donau­ eschingen. Das Team der Abteilung Physiothe­ rapie und Rehabilitation besteht aus 50 exami­ nierten Fachkräften mit zusätzlich zertifizierten Fachkompetenzen. Die standortspezifischen Spe­ zialtherapien und ganzheitlichen, individuell ab­ gestimmten Behandlungskonzepte garantieren die bestmögliche Versorgung der Patienten. Die Fachabteilung besitzt die Zulassung aller Kas­ sen und Berufsgenossenschaften. AUFGABEN: Es werden alle modernen Behand­ lungsformen der komplexen Physiotherapie und der interdisziplinären Rehabilitation angeboten – sowohl stationär als auch ambulant. Das Leis­ tungsspektrum umfasst alle physikalischen Thera­ piemaßnahmen des Heilmittelkataloges. 74

Schwarzwald­Baar Klinikum » Plastische-, Hand- und Ästhetische Chirurgie DIE KLINIK (Standort Donaueschingen): Als eine der größten handchirurgischen Kliniken im gesamten Raum Schwarzwald, Bodensee und Schwäbische Alb versorgt die Fachabteilung seit mehr als 25 Jahren sämtliche Erkrankungen und Verletzungen der Hand mit sehr hoher Kompe­ tenz und in 24­Stunden­Bereitschaft. AUFGABEN: Die Hauptaufgabe der Plastischen Chirurgie ist es, Körperformen oder Funktio­ nen wiederherzustellen – so nach entstellenden Tu moren, Verbrennungen, Unfällen oder Ge­ wichtsabnahmen. Die Tätigkeit erfordert neben handwerklichem Geschick vor allem Kreativität, ästhetisches Empfinden und Einfühlung in den jeweiligen Patienten. Die Chirurgen benutzen zarte Instrumente, feinste Fäden und operieren mit Lupenbrille oder Mikroskop. Auf diese Weise sind u.a. möglichst unauffällige Narben erreichbar. » Psychotherapeutische Medizin DIE KLINIK (Standort Donaueschingen): Das multidisziplinäre Team besteht aus Ärzten, Spe­ zial­/Kreativ­Therapeuten, Psychologen, Pflege­ kräften und Sozialarbeitern. Die Arbeit basiert auf dem psychosomatischen Verstehens ansatz: Seelische Vorgänge, körperliche Erscheinungen und soziale Lebensbedingungen stehen im steten Wechselspiel zueinander und be­ einflussen sich gegenseitig. Deshalb werden diese » Radiologie und Nuklearmedizin DAS INSTITUT: Die Radiologischen Abteilungen an den Standorten Villingen­Schwenningen und Donaueschingen sind organisatorisch zusammen­ gefasst und digital vernetzt. So stehen alle Unter­ suchungen einschließlich der Voruntersuchungen an zwei Standorten zur Verfügung. AUFGABEN: Das Institut bietet das gesamte Spek­ trum der modernen Radiologie. So auch Magnet­ resonanztomographie sprich die Kernspintomogra­ drei Dimensionen im jeweils individuellen Behand­ lungsplan der Patienten berücksichtigt. AUFGABEN: Das psychotherapeutische Angebot ist umfangreich und umfasst neben beziehungs­ dynamisch­orientierten Gruppentherapien auch kreative Erlebnistherapien (Gestaltungs­ und Kör­ per­/Tanztherapie) sowie symptombezogene ver­ haltenstherapeutische Verfahren. phie mit sämtlichen zur Zeit vorhandenen speziellen Untersuchungstechniken wie Ganzkörperuntersu­ chungen, schnelle Bildgebung und Gefäßuntersu­ chungen aller Gefäßregionen. Wobei die Radiologen nicht nur Analysegrund­ lagen und Diagnosen liefern, sondern auch selber therapieren: Sie nehmen Operationen an Venen und Arterien vor, indem sie Verengungen per Kathe­ ter­Einsatz öffnen und durch Einsetzen eines Stents (Gefäßprothese) offenhalten. 75

Aus dem Kreisgeschehen Die Fachabteilungen am Schwarzwald-Baar Klinikum » Strahlentherapie und Radioonkologie DIE KLINIK: In der lokalen Behandlung bösartiger Tumore wird die Radiotherapie immer wichtiger. Ihre Wirkung besteht im Wesentlichen darin, die Teilung der Tumorzellen – und so das Weiterwach­ sen des Tumors – zu stören oder zu verhindern. Die moderne Strahlentherapie ist in hohem Maße von der Technik abhängig. So sind in der Kli­ nik zwei Linearbeschleuniger aktuellster Technik installiert worden. AUFGABEN: Die meisten Patienten können durch die Strahlentherapie – allein oder kombiniert mit anderen Therapien – dauerhaft geheilt werden. Bei anderen Patienten verbessert die Radiothera­ pie die Lebensqualität durch Verminderung von Schmerzen oder anderen beeinträchtigenden Be­ schwerden. Auch einige gutartige Er krankungen lassen sich durch eine gezielte Bestrahlung sehr günstig beeinflussen, hier hilft die schmerzlin­ dernde Wirkung der Strahlen. » Unfall- und Wiederherstellungschirurgie DIE KLINIK: Als zertifiziertes überregionales Trau­ mazentrum der Deutschen Gesellschaft für Un­ fallchirurgie (DGU) sichert die Klinik 24 Stunden am Tag die unfallchirurgische Maximalversorgung für die gesamte Region Schwarzwald­Baar­Heu­ berg und darüber hinaus. Am Schwarzwald­Baar Klinikum ist der Rettungshubschrauber „Chris­ toph 11“ der DRF­Luftrettung stationiert, der auch von Fach­ und Oberärzten der unfallchirurgischen Klinik notärztlich besetzt wird. Ein Schockraum­ und Notfall­OP­Team stehen rund um die Uhr zur Verfügung. Im Notfall und nach entsprechender Information über die Rettungsleitstellen können in der Notaufnahme auch mehrere Schwerstver­ letzte gleichzeitig versorgt werden. AUFGABEN: Die spezialisierte Unfallklinik garan­ tiert eine kompetente Behandlung aller Schwerst­ verletzten. Als zugelassene Unfallklinik der Berufs­ genossenschaften ist sie berechtigt, alle operati­ ven Eingriffe nach dem sogenannten Verletzungs­ artenverfahren durchzuführen. » Urologie und Kinderurologie Die Fachabteilung: Behandelt werden die Er­ krankungen der Harnorgane bei Kindern, Frauen und Männern und Krankheiten der männlichen Geschlechtsorgane. Dazu gehören sogenannte Volkskrankheiten wie das Steinleiden und die gutartige Prostatavergrößerung bei Männern, aber auch Krebserkrankungen oder das Tabuthema Harninkontinenz. Die Fachabteilung besitzt die Zulassung aller Kassen und Berufsgenossenschaf­ ten. AUFGABEN: In den vergangenen 50 Jahren kam es auf dem Fachgebiet der Urologie zu bahnbre­ chenden Entwicklungen – so etwa im Bereich der Behandlung von Harnsteinen, Nieren­, Blasen­ und Prostatatumoren, der Therapie der Inkontinenz, bei Fruchtbarkeitsstörungen und nicht zuletzt bei der männlichen Impotenz. Die Klinik sieht es als ihre vornehmliche Aufgabe an, erprobtes Wissen und Erfahrungen sinnvoll mit dem neuesten Stand der Kenntnisse und Technik zu verbinden. 76 76

Aus dem Kreisgeschehen Über die Analysenstraße im Labor des Klinikums werden täglich bis zu 600 Proben verarbeitet. Das Labor – 1,6 Mio. Einzelanalysen pro Jahr Die moderne Ausstattung des Schwarzwald-Baar Klinikums reicht weit über die Operationssäle hin- aus. Auch das Labor, das allen Fachabteilungen im Schichtbetrieb rund um die Uhr zuarbeitet, ist nach dem neuesten Stand der Technik ausgerüstet, so Petra Saile, Technische Laborleiterin. Aus 360.000 Proben erstellt das Kliniklabor 1,6 Mio. Einzelanaly- sen. 12.000 Blutgruppenbestimmungen erfolgen u.a. jährlich und 90 % der Patienten bekommen mindes- tens eine Blutprobenentnahme pro Aufenthalt. Nicht nur die Gesamtzahl beeindruckt, auch die Geschwindigkeit, mit der die Ergebnisse geliefert werden können, ist imposant: Ein ausgeklügeltes Förderband-System stellt im Zusammenspiel mit einer automatischen Analysenstraße sicher, dass die Ergebnisse aus täglich bis zu 600 Proben dem Einsen- der nach durchschnittlich bereits nur einer Stunde vorliegen. Ein Spezialgebiet ist die Lymphozytendiagnostik (Immunphänotypisierung), die bei Leukämie eine wichtige Rolle spielt und die in enger Zusammen- arbeit mit der onkologischen Abteilung erfolgt. Auch hierzu verfügt man über ein Spezialgerät. Bis zu 170 Blutkonserven lagern im Labor, dem eine Blutbank angegliedert ist. Täglich stellt das La- bor allein bis zu 15 Blutkonserven zur Absicherung bei Operationen bereit. (wd) Die Proben erreichen das Labor meist via Rohrpost, auf dem Foto unten links entnimmt die Technische Laborleiterin Petra Saile eine der Proben. Dem Labor ist eine Blutbank angegliedert. Hier lagern bis zu 170 Blutkonserven (unten rechts). 77

Schwarzwald­Baar Klinikum „Startlinie in eine erfolgreiche Zukunft!“ Im Gespräch mit Rolf Schmid, Geschäftsführer, und einer der maßgeblichen Väter des Schwarzwald­Baar Klinikums Herr Schmid, alle sind sich einig: Ihr Team und Sie haben einen Super-Job gemacht. Wie haben Sie all das geschafft? Im Nachhinein frage ich mich das selber. Es ging oft an die Grenze des Machbaren. Es war ein großer Kraftakt für alle Be- teiligten, die Anstrengungen waren und sind enorm. Die allermeisten Landkreise schaffen es nicht, ihre Kranken- hausstrukturen zukunftsfähig zu machen. Das hat seine Grün- de. Weil das bedeutet, altge- wohnte Krankenhausstandorte aufzugeben, was in der Bevölke- rung sehr negativ besetzt ist. Ich vergesse nicht, dass der Pfarrer von Furtwangen Bittprozessio- nen ans Landratsamt machen wollte, als wir 2003 die Schlie- ßung des Standortes Furtwan- gen ankündigten. Rolf Schmid war bis 2005 Finanz- dezernent des Schwarzwald- Baar-Kreises und übernahm in diesem Jahr die Position des Ge- schäftsführers der Schwarzwald- Baar Klinikum GmbH. Er gilt als einer der maßgeblichen Weg- bereiter des Klinikneubaus (siehe auch Beitrag auf Seite 50). medizinischen Versorgung geht der Wohnortnähe vor! Wie kam es, dass Sie in die Posi- tion des Geschäftsführers der Schwarzwald-Baar Klinikum GmbH wechselten? Als wir die Fusion 2004 umge- setzt haben, ist gegen Ende des Jahres mein Vorgänger Horst Schlenker in den Ruhestand ge- gangen. Der ja mit ein Ideenge- ber zum neuen Klinikum gewe- sen ist. Nun fiel die Entschei- dung auf mich, denn ich war als Finanzdezernent schon damals für die Krankenhäuser in Donau- eschingen und Furtwangen zu- ständig. Und was nur wenige wissen: Zwei Jahre lang fun- gierte ich nebenamtlich als Ge- schäftsführer der Kreisklinikge- sellschaft und war somit mit dem Thema tief verwurzelt. Unserem Landkreis ist diese Neuordnung geglückt. Was sind für Sie die entscheidenden Faktoren? Für mich steht die Aufgabe im Vordergrund, die erfüllt werden muss: nämlich Kranke gesund zu machen oder ihre Probleme zu lindern. Es kann dann nicht das Halten eines Gebäudes vorrangig sein. Und hoch spezialisierte Medizin ist ein Teil des medizinischen Fortschritts, von dem alle Pa- tienten profitieren sollten. Diesen Fortschritt kann ich aber in kleinen, dezentralen Einheiten nicht mitgehen. Wenn die Gesundheit des Men- schen das wertvollste Gut ist, sollte man dort nicht an den Kilometern geizen. Die Qualität der 78 2005 wechselte ich vom in die Klinikgesell- Schwarzwald-Baar-Kreis schaft. Meine Aufgabe wurde klar umrissen – wir wollten die Krankenhausstandorte konzentrieren: Aus sechs mach zwei! Und wir wollten bauen. Wie sind Sie in die Planung eingestiegen? Wir haben keinen Architektenwettbewerb, son- dern ein klassisches Auswahlverfahren für Klinik- architekten gemacht. Es kamen nur Architekten in Frage, die so ein Klinikum bereits mehrfach gebaut haben. Nun suchten wir uns in diesem Kreis den Architekten unseres Vertrauens. Erst

als wir diesen gefunden hatten, haben wir zu pla- nen begonnen. Wir wollten eben den möglichst routiniertesten Klinikspezialisten an unserer Sei- te wissen. Es geht bei einem Krankenhausneu- bau um einen Funktionsbau, eine wunderschöne Planung allein funktioniert garantiert nie. In dieser Entscheidungsphase haben wir etli- che Kliniken besucht. Wir wollten wissen, wie es andere machen. Aber wir sind immer mit der Er- kenntnis nach Hause gekommen: ‚Den besten Entwurf, den haben wir!’ So was gibt Sicherheit. Was gefällt Ihnen persönlich am Entwurf des Architekten am besten? Die Ausgewogenheit, aber auch die Großzügig- keit des Gebäudes, das für meine Begriffe in kei- ner Weise überzogen protzig wirkt. Die bepflanz- ten Innenhöfe lockern das Klinikum sehr auf und prägen die Architektur mit. Sie sind sehr gelun- gen, sorgen für das viele Tageslicht im Haus. Es gab viele Führungen. Welche Erkenntnisse haben Sie dabei gewonnen? Ich habe schnell gespürt, dass das Projekt in der Bevölkerung einen außergewöhnlichen Rückhalt hat. Schon in der Rohbauzeit war das Interesse an den Führungen geradezu riesig. Als wir den Neubau begannen, verstummten die letzten Kri- tiker, ab jetzt gab es nur noch Befürworter. Es gab bei den Führungen auch humorvolle Momente. Von der Luftrettungsstation aus führt ein Tunnel direkt in die Notaufnahme des Klini- kums. Darüber erfolgen die Patiententransporte. Die lustigste Frage dazu war nun: ‚Sie, Herr Schmid, aber wie kommt denn der Rettungshub- schrauber durch diesen Tunnel hindurch?‘ Wie sehen Sie die Ausstattung des Klinikums im bundesweiten Vergleich? Es wird wohl zutreffend sein, dass wir sagen dür- fen, wir sind derzeit das modernste Krankenhaus in Deutschland. Durch die lange Vorlaufzeit, wir Im Gespräch mit Rolf Schmid hatten ja acht Jahre Zeit, unsere Großgerätean- schaffungsplanung auf die Fertigstellung des Neubaus hin zu planen, konnten wir alle Leasing- verträge so ausgestalten, dass sie zum Umzugs- termin abgelaufen waren. So war es uns möglich, zum Einzug alle Großgeräte neu anzuschaffen. Das war die einmalige Chance, uns den neuesten Stand der Technik ins Haus zu holen. Und die ha- ben wir im Interesse der medizinischen ‚Maxi- malversorgung‘ dieser Region genutzt. Die „Kunst am Bau“ hat einen hohen Stellenwert. Wie stehen Sie zu den Kunstwerken? Mir ist zunächst wichtig, dass das Gesamtkon- zept für die Kunst am Bau von den Entschei- dungsträgern einstimmig befürwortet wurde. Mir gefallen die Malereien an den Wänden, die Strahlkraft des Lichtkunstwerkes in der Ein- gangshalle – und das Stahlbaukunstwerk hat mit Robert Schad ein Künstler von europäischem Rang geschaffen. Dieses Kunstwerk hat glühende Be- fürworter und heftige Ablehner. Es ist eben Kunst, die polarisiert. Aber das wird bei Kunst im- mer so sein. Und was war der glücklichste Augenblick? Das war eindeutig der Umstand, dass wir im Juli diesen Jahres fertig waren! Weil solche Großpro- jekte haben ja die Eigenschaft fast nicht fertig zu werden. Wir haben es hier mit einem Volumen von ca. 500 Einfamilienhäuser zu tun … Und mit vielfachen Sparteninteressen der einzelnen Ab- teilungen … Hier alles punktgenau zu koordinie- ren, das war die schwierigste Aufgabenstellung. Und eines wollten wir sicher nicht: enden wie der Flughafenbau in Berlin. Was mich in der Summe freut: Dass wir et- was geschafft haben, was andere nicht geschafft haben. Für meine Begriffe ist das Schwarzwald- Baar Klinikum rundum ein Projekt, für das es sich gelohnt hat, die Kraft zu investieren. Herr Schmid, wir danken Ihnen herzlich für dieses Ge spräch! Wilfried Dold 79

Schwarzwald­Baar Klinikum „Alle empfinden sich als Gewinner“ Eine Umfrage unter Mitarbeitern und Patienten des Schwarzwald­Baar Klinikums unterstreicht die große Zufriedenheit mit dem neuen Haus von Christina Nack „Es besticht nicht nur von außen mit seiner markanten Architektur, auch sein Innenle- ben lässt kaum Wünsche offen“. Das ist der Tenor einer Umfrage zum neuen Schwarz- wald-Baar Klinikum. Die Belegschaft freut sich über Verbesserungen in allen Bereichen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit gestaltet sich unter einem Dach wesentlich effektiver als zuvor; räumliche und apparative Ausstattung entsprechen dem modern s- ten Standard wissenschaftlich-technologischer Entwicklungen – wovon nicht zuletzt und vor allem die Patienten profitieren. Sie loben Zimmer, Atmosphäre, Service, den wohltuenden Blick durch die Fenster. „Alle empfinden sich als Gewinner“, fasst Profes- sor Dr. med. Ulrich Fink, Ärztlicher Direktor, die lobenden Äußerungen zusammen. Für Professor Dr. med. Ulrich Fink, Ärztlicher Direktor, stellte sich das erste, große Glücksge- fühl nach Darstellung aller Befragten am Abend des historischen Umzugs an einem hei- ßen Juli-Samstag ein. Wochenlang hatten al- le dem Tag X entgegen- gefiebert und ihn trotz bester Vorbereitung in wochenlangen Schu- lungen auch gefürch- tet – Komplikationen beim Transport von über 400 Patienten samt Equipment lassen sich kaum proben und müssen doch erwartet werden. „Al- les lief wie am Schnürchen“, rekapituliert Ulrich Fink und lobt die „außerordentlich gute Organi- sation und das Engagement aller Beteiligten“. Auch die Patienten seien erleichtert und hoch- zufrieden gewesen, als sie sich am Abend unbe- schadet und wohl versorgt im neuen Bett wieder fanden. Professor Dr. med. Ulrich Fink, Ärztlicher Direktor 80 Der Mediziner ist mit „seiner“ Radiologie im Erdgeschoss untergebracht, freut sich an „hel- len, großzügigen Räumen und wesentlich bes- seren Arbeitsbedingungen.“ Dies vor allem dank „optimaler Ausstattung“. Ob Gefäß-, Kernspin- oder Computertomografie: „Eine modernere Ab- teilung in diesem Gebiet gibt’s in Deutschland nicht“, ist er überzeugt. Dank neuer Techniken sei eine neue Qualität der Untersuchungen mög- lich: „Da wurde dankenswerterweise nicht ge- spart.“ Dass das neue Klinikum auf Anhieb von der Bevölkerung akzeptiert wurde, war für den Ärztlichen Direktor ein weiteres „Highlight“. Nicht einmal im August habe es ein „Sommer- loch“ gegeben, das Haus sei „bestens belegt, alle Erwartungen wurden übertroffen.“ » Christa Dietel: „Total schön und so, wie wir es uns gewünscht und vorgestellt haben“ Christa Dietel, Leitende Pflegedirektorin, findet das neue Klinikum „total schön und so, wie wir

es uns gewünscht und vorgestellt haben.“ Die enorme Heraus- forderung von Umzug und Inbe triebnahme sei „in großartigem Miteinander“ gemeis- tert worden. „Alle kön- nen stolz darauf sein, wie sie das gemanagt haben.“ Christa Dietel, Leitende Pflegedirektorin Die Orientierung werde durch die klare Anordnung der Magis- trale erleichtert. „Die Ambulanzen im Erdgeschoss, die Operationssäle im ersten Obergeschoss, die Technik im zweiten und ab dem dritten die Bettenhäuser – das ist übersichtlich und einleuchtend.“ Zusatzbonbon sei die „atemberaubende Aussicht“ aus jedem Fenster. Bei der Beschreibung der Patientenzimmer gerät die Chefin von rund tausend pflegenden Frauen und Männern regelrecht ins Schwärmen. „Jeder Patient hat eine Nasszelle im Zimmer, es gibt Telefon, Fernsehen, Internet für alle, insge- Insgesamt ist der Standard mit dem in den alten Häusern überhaupt nicht zu vergleichen. Auch der Start des Klinikums wurde vorbildlich gemanagt. samt ist der Standard mit dem in den alten Häu- sern überhaupt nicht zu vergleichen.“ Auch für die Aufwand und Zeit sparende Logistik findet die Pflegefachfrau viel Lob. Labormaterial werde hausintern über ein Rohrsystem transportiert, dadurch und durch die unmittelbare Nachbar- schaft von Abteilungen, die zuvor durch das Standort-Splitting kilometerweit voneinander entfernt waren, würden Personal und Patienten lange Wege erspart. Eine besondere Freude ist für die langjähri- ge Pflegedirektorin, dass nicht nur der Umzug, sondern auch der Start des Klinikums vorbildlich Umfrage unter Mitarbeitern und Patienten gelang, sprich vorbildlich gemanagt wurde. Auf rund 2.000 Stellen verteilt stehen am Schwarz- wald-Baar Klinikum rund 2.800 Menschen in Lohn und Brot. Jeder einzelne habe sein Bestes gegeben: „Es war ein tolles Miteinander. Dieses ausgeprägte Zusammengehörigkeitsgefühl war überhaupt die Voraussetzung dafür, dass sich alle engagiert ha- ben und alles so gut funktioniert hat.“ Auch mit der architektonischen Ästhetik kann sich die Leitende Pflegedirektorin Christa Dietel voll und ganz identifizieren: „Schon beim Gang in der Früh’ über den großen Platz und beim Anblick des Hauses stellt sich bei mir gute Laune ein.“ » Sebastian Jäckle: „Ausstrahlung des Gebäudes ist positiv und erfrischend“ Sebastian Jäckle, Arzt in der Kardio- logie, gesteht, die gewaltigen Dimen- sionen des Zentral- klinikums anfangs auch als „beängsti- gend“ empfunden zu haben. Er hat zuvor in Villingen gearbei- tet und war an kurze Wege gewöhnt; jetzt muss er sich wie alle Villinger in den stär- ker interdisziplinär ausgerichteten Teams und Prozessen an längere Strecken innerhalb des Hauses gewöhnen. Die Orientierung gelinge dank guter Gebäude-Struk- turen immer besser. Sebastian Jäckle, Arzt in der Kardiologie Als „Riesenpluspunkt“ beschreibt der Medi- ziner die zentrale Notaufnahme, die „super und fast schon zu intensiv“ genutzt werde. Moti- vation, Hilfsbereitschaft und Zusammenarbeit innerhalb der Belegschaft beschreibt er als „sehr gut“. Als „ausgesprochen positiv und erfrischend“ empfindet er die Ausstrahlung der jungen Gebäu- depersönlichkeit. „Die alten Stätten hatten den Charakter einer antiquierten Jugendherberge.“ 81

Schwarzwald­Baar Klinikum » Wolfgang Göhler: „Ich kann nur Werbung für dieses Haus machen.“ Wolfgang Göhler, stellvertretender Lei- ter der Station 52, schwärmt regelrecht vom neuen Arbeits- platz – kein Wunder, denn der seine befin- det sich im fünften Stock, wo die beiden Wahlleistungsstatio- nen angesiedelt sind und der Blick in die freie Baarlandschaft besonders erhebend ist. Onkologie, Kardio- logie, Neurologie und Gastro-Onkologie sind die vernetzten Kernabteilungen hier oben, wo die Patienten ebenfalls in Zweitbettzimmern unter- gebracht sind. Die sind aber im Vergleich zu den anderen Stationen etwas üppiger ausgestattet, zum Beispiel mit einer Mini-Bar. Die Auswahl an Speisen ist größer, der Service umfänglicher. Wolfgang Göhler, stellvertre- tende Leitung der Station 52 Die neue Wohlfühl-Qualität des Klinikums spricht sich schnell herum. Die harmoni- sche Außengestaltung und akzentuierte Kunst am Bau tragen zum gelungenen Erscheinungsbild bei. Viele Patienten schätzen etwa die morgendliche Tageszeitung am Bett und das Entertain-Paket. Die Wahlleistungspatienten seien mit medi- zinischer und pflegerischer Versorgung und den diversen Extras hochzufrieden, Indiz dafür sei auch die hohe Auslastung. Die 36 Betten seien kurzzeitig schon komplett belegt gewesen, die neue Wohlfühl-Qualität des Klinikums jenseits seines in medizinischer Hinsicht ohnehin guten Rufes spreche sich offenbar schnell herum. „Ich kann nur Werbung für dieses Haus ma- chen“, versichert Wolfgang Göhler. Es sei hoch- 82 modern, funktional und dennoch anheimelnd, auch die harmonische Außengestaltung und ak- zentuierte Kunst am Bau trügen zum ganzheit- lich gelungenen Erscheinungsbild bei. „Es macht Freude, hier arbeiten zu dürfen.“ » Daniela Schulz-Lampel: „Interdisziplinäre Kooperation wird erleichtert“ Professorin Dr. med. Daniela Schulz-Lampel, Chefärztin im Konti- nenzzentrum Süd- west, sieht das ebenso. Die Abteilung war bis- lang in dunklen, „ver- wohnten“ Nischen des Schwenninger Kran- kenhauses unterge- bracht und ist jetzt in die lichtdurchflutete Hauptklinik integriert. Nur wenige Meter neben dem Konti- nenzzentrum, das wie alle Funktionsabteilungen ebenerdig und somit besonders leicht erreichbar platziert wurde, befinden sich Chirurgie und Uro- logie. In dieser Abteilung ist Professor Alexander Lampel der Chef. „So treffe ich meinen Mann we- sentlich häufiger als früher“, kommentiert die Ehefrau und Kollegin einen privaten Nebeneffekt im neuen beruflichen Kontext und schränkt lä- chelnd ein: „Meist sehen wir uns allerdings nur von Weitem …“ Daniela Schulz-Lampel Professorin Dr. med. Die interdisziplinäre Kooperation ist für Kon- tinenz-Patienten besonders wichtig und wird im neuen Klinikum erheblich erleichtert. Mit 250 Metern ist die Distanz zur Gynäkologie am größ- ten, „doch das ist immer noch viel besser als die zwölf Kilometer zuvor.“ Nicht alles ist optimal, räumt auch Daniela Schulz-Lampel wie alle Be- fragten ein. Technische Nachbesserungen seien insbesondere bei den Untersuchungszimmern nötig gewesen, wie überhaupt manches Detail noch nicht stimmig sei: „Die Vollendung dauert.“

Doch dieser Prozess sukzessiver Optimierung gehört für Daniela Schulz-Lampel zur Eroberung des neuen Domizils, das nach ihrer Überzeugung ein großer Wurf ist. „Alle profitieren.“ Besonders angetan ist sie von der räumlichen Struktur mit den Lichthöfen, die Offenheit und Transparenz vermittelten. „Insgesamt merken wir, dass wir hier zur Einheit wachsen. Wir haben ein gemein- sames Projekt. Das stärkt das Verbundenheits- gefühl in allen Abteilungen.“ » Vinzenz Herrmann: „Die neue Zentral küche hat sich auf Anhieb bewährt“ Vinzenz Herrmann, Küchenchef, bleibt in seinem Wirkungs- bereich unsichtbar für die Patienten und ist dennoch von ele- mentarer Bedeutung für ihr Wohlgefühl und ihre Genesung: Es ist die Küche. Seit 35 Jahren arbeitet der Küchenchef im Klini- kum. Bislang wurde in Schwenningen und Villingen getrennt ge- kocht, von hier aus wurden zudem Goldenbühl- Klinik und Handchirurgie in St. Georgen mit täg- lich frisch zubereiteten Mahlzeiten versorgt. Vinzenz Herrmann, Küchenchef An der Frische der Produkte, deren schonen- der Verarbeitung und am allseits gelobten Wohl- geschmack hat sich nichts geändert, wohl aber an der technischen Ausstattung und an den Ab- läufen. Mit der neuen Zentralküche wurden zwei Großküchen und zwei Teams zusammengelegt, das war die eine große Herausforderung. Die andere war, auf bewährt hohem Niveau zu ko- chen, alle ernährungsphysiologischen Regeln zu beachten, individuelle Bedürftigkeiten und möglichst auch individuelle Geschmäcker der Pa- tienten zu berücksichtigen. Der Küchenchef war Umfrage unter Mitarbeitern und Patienten selbst überrascht, wie gut das auf Anhieb funk- tionierte. Nach dem Prinzip „cook & serve“ be- reiten 64 Mitarbeiter (verteilt auf 56 Planstellen) täglich frische Mahlzeiten für rund 700 Patien- ten, 600 Beschäftigte und für die klinikeigene Kindertagesstätte zu, in der zur Zeit zwischen 25 und 30 Kinder betreut werden. Vom Einkauf über Warenanlieferung und Lagerung bis zur Entsor- gung der Abfälle wurde jeder Arbeitsschritt aus- geklügelt geplant; moderne Küchentechnik hilft bei der Umsetzung. Die Küchenbereiche dehnen sich statt auf zwei nur mehr auf einer Ebene aus. Endlich sei der Platz ausreichend, die Räume seien anspre- chend gestaltet, auch der Speisesaal fürs Perso- nal sei „super“. Begeistert beschreibt Vinzenz Herrmann zudem die neue zentrale Bio-Abfall- Entsorgung für alle Bereiche. Das System kommt ohne Zwischenlager aus. Es basiert auf einem „Abfallschlucker“, der Abfälle und Speisereste in einen Tank absaugt, dessen Inhalt regelmäßig von einem Laster in eine Biogasanlage transpor- tiert wird. „In dieser Küche brauchen wir keinen Dreckeimer mehr.“ » Matthias Henschen: „Das viele Licht wird als ausgesprochen angenehm empfunden“ Matthias Henschen ist Chefarzt der Kinder- und Jugendklinik im Zentralklinikum und äußert sich ebenfalls begeistert über das neue Haus. Das „viele Licht“ durch die tief nach unten gezogenen Fenster werde vom Personal wie von den Patienten als ausge- sprochen angenehm empfunden. Bei kont- roversen Diskussionen über die Kunst am Bau insbesondere im Außen- bereich übernimmt Henschen gern die Position Matthias Henschen, Chefarzt der Kinder- und Jugendklinik 83

Schwarzwald­Baar Klinikum des Verteidigers. Die 30 Meter lange Metalllinie des Künstlers Robert Schad oben auf dem Dach verlängere sich gleichsam unsichtbar in der Geo- metrie und werde unten auf dem Vorplatz „auf- gezurrt in einem geschmeidig scheinenden Knäu- el“. Auch bei ihm lasse sich optisch kein Anfang und kein Ende finden, alle Linien seien unentwirr- bar miteinander verwoben. Laut Matthias Hen- schen könne dies als Symbol für die Unendlichkeit allen Seins mit der zeitweisen Verbundenheit von Lebensläufen gedeutet werden. Solche Assoziatio- nen gerade vor einem Klinikum findet der Facharzt auch in seiner Funktion als Mitglied der Ethikkom- mission durchaus angebracht. Bei der Konzeption der neuen Zimmer sind Übernachtungsmöglichkeiten für Eltern von vornherein berücksichtigt worden. Das Angebot findet großen Anklang und wird häufig genutzt. Als elementare Verbesserung in „seiner“ Kin- der- und Jugendklinik beschreibt Matthias Hen- schen die Vergrößerung der Räume, vor allem der Patientenzimmer. In den alten sei nicht vorgese- hen gewesen, dass Mütter oder Väter bei ihren kranken Kindern schlafen. Genau das wollten aber immer mehr Eltern verständlicherweise und zu Recht und es sei ihnen auch seitens der Klinik gestattet worden, neben Sohn oder Tochter zu nächtigen. „Allerdings ka- men die Krankenschwestern dann kaum noch an den Betten vorbei.“ Bei der Konzeption der neuen Zimmer seien Übernachtungsmöglichkeiten für Eltern von vornherein berücksichtigt worden. Das Angebot finde großen Anklang und werde häufig genutzt. Das Wertvollste freilich auch im neuen Domizil seien die Menschen, die hier arbeiten. Der Chefarzt lobt Motivation, Engagement und kollegialen Um- gang in den Teams. „Freilich fällt all das in einer freundlichen Umgebung leichter. Das Raumklima kann sich wohltuend auf das Arbeitsklima auswir- ken, das spüren wir hier.“ 84 » Brigitte Kuhn-Bigge: „Vom neuen Klinikum bin ich völlig begeistert“ Brigitte Kuhn-Bigge, Patientin, machte mit ihrem Mann Ferien in Frankreich, als plötzlich ihre Rumpf- und Beinmuskulatur versagte. „Ich hatte meinen Körper nicht mehr im Griff, kein Gefühl in den Beinen, konnte nicht mehr laufen.“ Mit dem Rettungsdienst wurde sie in ein französi- sches Krankenhaus gebracht; eiligst veranlasste ihr Mann den Trans- port ins Zentralklini- kum nach Villingen- Schwenningen. Drei Wochen verbrachte die 52-jährige Schwen- ningerin auf der Kom- fortstation im fünften Stock. Auf Anhieb habe sie sich hier „ge- borgen und in guter Obhut“ gefühlt. Die Ärzte diagnostizierten eine seltene neuro- logische Erkrankung, prognostizierten aber dauerhafte Heilung. „Ich war so froh, das es bei mir noch aufwärts gehen kann und nicht nur abwärts wie bei chronischen Muskelerkrankungen.“ Brigitte Kuhn-Bigge, Patientin Das Pflegepersonal ist „unglaublich freundlich, hilfsbereit und kompetent ohnehin“. Doch vorerst musste sich die bis dahin völlig gesunde, vitale Frau mit dem Rollstuhl anfreun- den und mit der neuen Erfahrung, bei den tägli- chen Verrichtungen auf die Hilfe der Schwestern angewiesen zu sein. Brigitte Kuhn-Bigge war selbst überrascht, wie leicht ihr die Abhängigkeit von fremder Unterstützung gemacht wurde. Das Pflegepersonal sei „unglaublich freundlich, hilfs- bereit und kompetent ohnehin“. Sie habe nie das Gefühl gehabt, „jemandem auf den Wecker zu fallen, weil ich anfangs dauernd klingelte.“ Als

„ungeheuer wichtig“ beschreibt die Patientin Ausstattung und Ausstrahlung des Zimmers und vor allem: „Der Blick ist unbezahlbar.“ In der Notaufnahme in Frankreich lag sie im Bett, starrte durch das Fenster auf eine rote Be- tonwand, „lauerte“ misstrauisch und ängstlich auf ihre reglosen Muskeln. Im Zentralklinikum lag sie auch im Bett, aber hier gibt das Panorama- fenster den Blick auf Schwenningen frei, mit viel freier Landschaft davor und der Schwäbischen Alb im Hintergrund. „Es ist wie eine Verheißung“, sagt die Frau kurz vor ihrer Entlassung und schaut hinaus. „Dort will ich wieder hin.“ Dank der Ge- räumigkeit im Zimmer hat sie schnell gelernt, sich im Rollstuhl zu bewegen. „Völlig begeistert“ ist sie von der Dusche, die sie ebenso bequem erreichen kann wie Wasch- becken und WC. Überall erleichtern Halterun- gen und Griffe die Beweglichkeit; ausgeklügelte Technik erlaubt einen selbstbestimmten Ak- tionsradius. Mit dem Tablet am Bett kann Bri- gitte Kuhn-Bigge die Rolladen steuern, den Fern- seher bedienen, im Internet surfen oder einfach nur telefonieren. Wohnliches Ambiente unverzichtbar Unverzichtbar ist das wohnliche Ambiente, „es erinnert überhaupt nicht an ein Krankenhaus.“ Ein großformatiges Naturbild ziert die Wand hin- ter dem Bett; auch auf den freundlichen, breiten Fluren hängen überall idyllische Naturmotive. „Da schauen die Augen gerne hin und das erfreut die Seele.“ Das Wohlgefühl helfe bei der Gene- sung, die dank „hervorragender medizinischer Betreuung“ gute Fortschritte mache. Im Bewusstsein, dass ihr gar nichts anderes übrig blieb als sich den Teams anzuvertrauen, habe sie stets das Gefühl gehabt, „dass die hier wissen, was sie tun.“ Sie fühle sich in jeder Hin- sicht „gut aufgehoben.“ Das gelte auch fürs Es- sen, das „prima“ schmecke. Stets stehe frisches Obst zur Verfügung, alles werde in Porzellan-Ge- schirr serviert. „In Frankreich hatten sie Plastik- schalen wie im Flugzeug.“ Alles in allem sei sie hochzufrieden: „Ich kann dieses Haus nur weiter- empfehlen.“ Umfrage unter Mitarbeitern und Patienten » Katharina Abramov: „Vor allem auch angenehm von den Zimmern überrascht“ Katharina Abramov, Patientin, die einen Stock tiefer in einem der gängigen Zwei- bett-Zimmer liegt, versichert das auch. Sie kam mit akutem Darmverschluss, habe fast zu lange gewar- tet mit dem Gang ins Krankenhaus, habe Angst vor der Opera- tion gehabt. „Dann ging’s nicht mehr an- ders.“ Wie groß war die Erleichterung, dass nicht nur medizinisch al- les bestens klappte. „Ich habe schon zwei erfolg- reiche OPs hinter mir.“ Außerdem war die 62-jäh- rige Villingerin „angenehm überrascht“ von den Katharina Abramov, Patientin Ich bin angenehm überrascht von den Zimmern, kein Vergleich zum Villinger Haus mit seiner Enge. Im neuen Klinikum ist alles schön. Zimmern, kannte sie doch das Villinger Haus mit seiner tristen Enge. „Ganz schlimm waren immer die Dusche und das WC auf dem Gang.“ Im neuen Domizil findet sie „alles schön.“ Es gebe mehr Platz, endlich könnten die hygie- nischen Angelegenheiten im Zimmer verrichtet werden, an dem ihr nicht nur die zweckmäßige, aber behagliche Einrichtung, sondern auch die Farben gefallen. „Blau, Gelb, Weiß – das sind gu- te Farben fürs Gemüt.“ Ärzte und Schwestern hätten „viel zu tun“, doch seien stets freundlich und auch das Küchen- team bekommt ein dickes Lob. „Meine Breis und Suppen waren immer frisch und gut. Die Küche hat nicht nur auf meinen empfindlichen Magen Rücksicht genommen, sondern auch auf meinen Geschmack.“ 85

Aus dem Kreisgeschehen Die Kunst am Bau Belebte Sinne, bewegte Lebenslinien und ein Gefühl von Geborgenheit von Daniela Schneider mit Fotografien von Wilfried Dold 86

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Schwarzwald­Baar Klinikum Das sensible Gut Gesundheit ist es, das im Schwarzwald-Baar Klinikum im Mittelpunkt aller Bemühungen steht. Menschen in den unterschiedlichs- ten Lebenssituationen kommen dort zusammen – Patienten, Mitarbeiter und Besucher, die an dieser Stelle aufeinandertreffen, sind im Bemühen vereint, Gesundheit zu erhalten, Schmerzen zu lindern oder Heilung zu bewirken. Neben aller medizinischen Kompetenz soll dazu auch die Kunst ihren Beitrag leisten. Bereits im April 2010 hat der Klinikum-Auf- sichtsrat dafür die ersten, zu- nächst einmal not- wendigen monetä- ren Weichen gestellt. 700.000 Euro für eine künstlerische Gesamt- konzeption wurden da- mals bewilligt. Eine versierte Expertenkommission begab sich fortan auf die Suche nach einem „Gesamt- konzept, das ein stimmiges Ganzes ergibt“, so wünschten es sich Klinikum-Geschäftsführer Rolf Schmid und mit ihm der Aufsichtsrat. 15 Künstler wurden letztlich eingela- den, ihre Vorschläge einzureichen. Am Ende entschied sich die Jury, drei Projekte zur Realisierung an drei Standorten im und am Klinikum vorzuschlagen. Der Aufsichtsrat folgte diesen Empfehlungen und gab die Umset- zung im Juli 2011 in Auftrag. „Der Linie lang“ – Schwerer Vierkant-Stahl als Arbeitsmaterial Der renommierte Bildhauer Robert Schad bekam den Zuschlag für den Stand- ort draußen am Eingangsbereich. Im Juli 2012 installierte der Künstler, der aus Ravensburg stammt und heute in Frankreich und Portugal lebt, seine zweitei- lige Skulptur „Der Linie lang“. Schwerer Vierkant-Stahl war hier sein Arbeits- material. Ein Part der Skulptur ist nun jene Schlaufe, die sich als zu sich selbst 88 88

Kunst am Bau Der Künstler Robert Schad installierte am Klinikum seine zweiteilige Skulptur „Der Linie lang“. Die tonnen- schwere Schlaufe steht vor dem Haupteingang. Sie ver- mittelt tänzerische Dynamik und geballte Energie – die physische Schwere des Stahls scheint aufgehoben. zurückkehrende Linie auf dem Vorplatz der Klinik verschlingt (siehe vorangegangene Doppel- seite). Der andere Teil sitzt als 41 Meter langer, mächtiger Stahl-Stab auf der Ecke des Krankenhaus-Da- ches. „Der Linie entlang verläuft unser Leben – manchmal in heftig ausladenden Bahnen, wenn tiefe Emotionen unser Tun und Denken bestimmen – manchmal ruhig balancierend, wenn wir ausgeglichen sind oder uns auf unser Schicksal kon- zentrieren, von innen heraus nach Lösungen suchen, die uns aus schwierigen Situationen herausführen können“, erklärt Robert Schad seinen Ansatz. Für viele sei ein Krankenhausbesuch eine Reise ins Un- gewisse: Wie ist die Diagnose, wie verläuft die Behandlung, muss ich operiert werden, kann mir hier geholfen werden …? Existenzielle Fra- gen rückten das eigene Leben in den Fokus. Skulpturale Gestaltung ein geistiger Begleiter „Eine skulpturale Gestaltung sollte hier deshalb weder bloße Dekoration oder urbane Möblierung sein, noch einen schnellen Tageswitz erzählen, der sich mit der Zeit verbraucht, son- dern ei ne aktive und verantwortliche Rolle in der Wahrnehmung der Menschen einnehmen, die ihr begegnen … ein geistiger Begleiter sein. Sie sollte durch ein breites Assoziationsspektrum eine Langzeitwirkung für Menschen jeglicher Provenienzen und innerer Haltun- gen und Stimmungen entfalten können und zum Denken anregen“, fasst Robert Schad zusammen. 89

Kunst am Bau Die Linien und ihr energetisch verdichteter Verlauf entstehen in den Arbei- ten Schads durch das Zusammenfügen unterschiedlich langer, gerader Teile, die verschweißt werden. „Die Schweißstellen werden verschliffen, erscheinen dann organisch, gelenkartig. Die zeichnerische Bewegung entfaltet sich in weiten Schwüngen und Bögen plastisch im Raum. Die physische Schwere des massi- ven Stahls ist aufgehoben. Es entsteht eine Verlaufsform mit menschlichen Proportionen, um sich tänzerisch im Raum zu entwickeln“, beschreibt es der Künstler selbst. Die Neonobjekte von Mariella Mosler im Foyer des Klinikums scheinen wie Wolken zu schweben. Die Intensität ihrer Leucht- kraft ist eng mit dem Tageslicht verknüpft. 15 „Cosmic Knots“ Wer das Foyer der Klinik betritt und dabei den Blick nach oben wendet, entdeckt das zweite Kunstwerk, für das sich die Kommission und die Verantwortlichen entschieden haben: 15 „Cosmic Knots“ – kosmische Knoten also – baumeln hier leicht und luftig in zwei parallel gehängten Reihen von der Decke, geschaffen und so benannt von der norddeutschen Künstlerin Mariella Mosler, ihres Zei- chens Professorin für Bildhauerei und Keramik an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Bekannt wurde die in Hamburg lebende Künstlerin mit geometrischen Bo- denreliefs aus geschüttetem Quarzsand, zu sehen unter anderem bei der doku- menta x 1997 in Kassel. Sie arbeitete bislang immer wieder mit ungewöhnlichen Werkstoffen wie Fruchtgummi, Liebesperlen, geknotetem Haar oder Silicium- carbid. Vieldimensionale Gegenentwürfen setzt sie gängigen linearen Denk- mustern gegenüber und gibt ihnen auch skulptural Ausdruck. Als Basis dafür dient ihr die mathematische Knotentheorie, die in der Bio- chemie, Strukturbiologie oder theoretischen Physik bis hin zur Kosmologie zur Anwendung kommt. Die Lichtinstallationen im neuen Schwarzwald-Baar Klini- kum entstanden in Zusammenarbeit mit Rolf Mörke vom Unternehmen „Licht- künstlerei“ in Oldenburg. Die fragilen Neon-Lichtobjekte leuchten analog zum Lauf der Sonne und der Veränderungen des Tageslichts in jeweils unterschied- licher Intensität. Durch ihr zartes, zerbrechliches Material verweisen sie auf das sensible Gut Gesundheit, vermitteln aber auch fast schwerelose Leichtigkeit. 90 Die 15 „Cosmic Knots“, kosmischen Knoten also, verweisen durch ihr zerbrechliches Ma- terial auf das sensible Gut Gesundheit.

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Kunst am Bau Die Neonknoten haben eine Glasrohrstärke von zehn Millimeter und eine Farbtemperatur von 5.000 Kelvin. Sie leuchten in zartesten Farben von Grün, Rot, Gelb und Violett bis zu reinem Blau. „Ich bin sehr glücklich“, bekannte die Künstlerin im Juni 2013 beim Aufbau. „Denn erst heute sehe ich alle Arbeiten zum ersten Mal zusammen und die von mir angedachte Licht- und Raumwir- kung meiner Kunstwerke funktioniert hervorragend. Ich hoffe, meine Licht- objekte tragen zum Gesundwerden der Patienten und zum Wohlfühlen aller Besucher und Mitarbeiter hier im neuen Klinikum bei.“ 53 Farben kommen in der kollektiven Arbeit von Michael Jäger, David Harley, Jürgen Palmtag und Volker Saul zum Einsatz. Rechts das großforma- tige Wandgemälde im Foyer. „Quartett“ – mysteriös, prachtvolle Bildeindrücke Als drittem Projekt, anzusiedeln im Hauptkorridor des Gebäudes, haben die Ent- scheidungsträger einem Gemeinschaftswerk den Vorzug gegeben. „Quartett“ heißt es und zieht sich quer durch den rund 250 Meter langen Baukomplex. Mit einer Abfolge von Wandmalereien, die sich vom Foyer aus an insgesamt zwölf Stationen über das Erdgeschoss und teilweise auch das erste Stockwerk der so- genannten Magistrale ziehen, hat es der Betrachter hier zu tun. Die Idee hinter dem kollektiven Projekt stammt vom Maler Michael Jäger, der in Köln lebt und arbeitet. Für ihn war dies übrigens nicht die erste Arbeit in einem Krankenhaus: Bereits 1992 gestaltete er eine über drei Etagen reichende Fensterfassade für den Neubautrakt der Paracelsus-Klinik in Marl mit einer Glas- malerei. Auch in Schwenningen hat er bereits gearbeitet, vor 20 Jahren sorgte er in der damals noch sogenannten Dualen Hochschule für farbenreiche Wand- malereien. Abstrakte Farbraum-Setzungen sind seine Spezialität, geometrische Muster wie Rechtecke und Rauten, Gitter und Streifen werden mit kräftigen Farbflächen kombiniert. Jäger also war es nun, der für die Gestaltung des neuen Klinikums befreun- dete Künstler einlud, hier zusammenzuarbeiten. Seine Wahl fiel auf den Aust- ralier David Harley. Der Mann aus Melbourne arbeitet mit der Sprühdose und ist für seinen zarten Farbauftrag bekannt. 92 Der Australier David Harley arbeitete im Klinikum mit der Sprühdose.

Unaufdringlich, zurückhaltend: Die kollektiv erarbeiteten Wand malereien inner- halb der Magistrale warten mit immer neuen Facetten auf. Kunst am Bau Mit im Boot war außerdem Jürgen Palmtag; der in Schwenningen geborene und heute in Schömberg-Schörzingen im Zollern-Alb-Kreis lebende Künstler arbeitet in den Bereichen Zeichnung, Text, Projektion, Foto und Video und saß 2013 zum Beispiel auch in der Jury für den Kunstpreis des Schwarzwald-Baar- Kreises. Im „Quartett“ war er vor allem für die zeichnerischen Bildgeschichten zuständig. Vierter im Bunde war schließlich der Kölner Künstler Volker Saul, Kreateur ornamentaler Bildformeln. 53 Farben kommen in der kollektiven Arbeit insgesamt „in einem breiten Fächer“ zum Einsatz, erklärt Michael Jäger. Sie sorgen für mysteriös-prachtvolle Bildeindrücke, die im Zusammenspiel mit dem Raum, aber auch als Kontrast zu seiner Funktionalität zu sehen sind. Entstanden ist so eine Kombination von individuellen Handschriften, die sich in einer Art Dialog und Intervention zu einem neuen Gemeinsamen ergän- zen und innerhalb der Magistrale in immer neuen Facetten und Aspekten auf- leuchten und zum Betrachten einladen. So wie in der Klinik Mitarbeiter, Patien- ten und Besucher interagieren, so haben das auch die Künstler getan. Und auch hier gilt als Devise: In diesem Haus sollen die Menschen gesund werden – und die Kunst hierzu beitragen. Das bedeutet auch, dass das Projekt unaufdringlich daherkommt, zurückhaltend angebracht an den Wänden, dazu einladend, hin und wieder Teilaspekte zu betrachten, zu hinterfragen und einfach auf sich wirken zu lassen. Kunst ist nie unumstritten Dass Kunst fast nie unumstritten ist, wurde im Übrigen während der Entste- hungsphase der Werke sehr deutlich. Als Robert Schad im Sommer 2012 seine Skulptur vor und auf dem Klinikum installierte, verlief das nicht ganz geräusch- los – sowohl natürlich im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne. Für Wen- delin Renn, den Leiter der Städtischen Galerie in Villingen-Schwenningen, der den gesamten Prozess als Koordinator begleitete, gibt es darauf nur eine Ant- wort: „Kunst vermittelt sich nicht von selbst.“ Überzeugungsarbeit sei wichtig, Erklärungen seien oft sehr hilfreich. Angebote wie Führungen seien interessiert angenommen worden und hätten oft zu einer neuen Wahrnehmung geführt. Kunst, die sich nicht von selbst vermittelt: 41 Meter langer, mäch- tiger Stahl-Stab von Robert Schad auf der Ecke des Krankenhaus- Daches. 94

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Kunst am Bau Gebetsraum – Raum des interreligiösen Miteinanders Noch ein weiterer Künstler hat in der Klinik seine Handschrift hinterlassen: Tobias Kammerer aus Rottweil, geboren 1968, Absolvent der Akademie der Bil- denden Künste in Wien, ausgestattet mit einer reichen Erfahrung mit sakraler Kunst, hat sich der Gestaltung des Gebetsraums gewidmet. Dieser liegt im Erdgeschoss unweit der Pforte und kann jederzeit für Einkehr, Stille und Gebet sowie die Feier der Gottesdienste genutzt werden und soll Of- fenheit und Geborgenheit für Patienten, Mitarbeiter und Besucher bieten. Das Besondere daran: Es handelt sich um einen Raum des interreligiösen Neben- einanders und ökumenischen Miteinanders. An der rund vierjährigen Planung betei- ligt waren neben den beiden evangelischen Landeskirchen und den beiden katholischen Bistümern die altkatholische Gemeinde Furt- wangen sowie die türkisch-islamische Ge- meinde Ditib aus Villingen-Schwenningen und die VS-Gruppe der islamischen Gemein- schaft Mili Görüs. Die künstlerische Ausgestaltung soll zei- gen, dass es viel Verbindendes zwischen den Religionen gibt. Altar, Ambo und Kreuz wur- den aus dem Villinger Andachtsraum über- nommen. Von Tobias Kammerer stammen der Tabernakel zur Aufbewahrung der Hos- tien und die Glasfront zum Gang hin, die mit Motiven bemalt wurde, die von der Auferstehungsgeschichte inspiriert sind. Das Glaskunstwerk an der Altarwand und der Seitenwand prägt den Raum; der Tabernakel ist darin eingebunden. Die leuchtend hellblauen Farben stehen für Glaube, Liebe, Sehnsucht und Treue Gottes. Unterbrochen wird die Komposition von einem zarten Streifen, dessen purpurne Farbe die Ewigkeit symbolisiert. Auch hier folgt der künstleri- sche Ansatz der Idee, den Menschen in seiner Ganzheit abzuholen und ihm ein Angebot zu machen, aus dem er letztlich schöpfen kann, was er möchte. 96 Teils aus der bisherigen Kapelle übernommen wie Altar, Ambo und Kreuz, teils neu ge- staltet ist die Kunst im Gebetsraum. Links: Die Gebets- texte am Eingang in verschiedenen Spra- chen dokumentieren das interreligiöse Miteinander. Rechts: Tobias Kam- merer hat den Taber- nakel in eine Glasfront integriert. Geschaffen wurde weiter ein Ge- denkort für Sternen- kinder – für Kinder, die die Welt zu früh verlas- sen mussten. Links: Hoffnungen, Wünsche und Dankes- worte: Das Gedenk- buch ist eng beschrie- ben. Rechts: Jesus am Kreuz, das Kunstwerk stammt aus dem bis- herigen Gebetsraum.

2. Kapitel Städte und Gemeinden Städte und Gemeinden Fürstenberg – hoch über der Baar Ein Dorf im Wandel, ein Dorf mit internationalem Flair von Manfred Beathalter 98 98

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Städte und Gemeinden Exakt 918,2 Meter hoch erhebt sich der Fürsten- berg über der Hochebene der Baar und sichert den etwa 475 Menschen, die in dem Dorf woh- nen, einen wunderbaren Blick über eine einzig- artige Landschaft. Nur wenige Minuten von den großen Hauptverkehrsadern entfernt gelegen, ist Fürstenberg vor allem eines: ein Ruhepol, ein Ort, in dem es sich gut leben lässt. Einst der Sitz der Grafen und Fürsten zu Fürstenberg, ist Fürstenberg seit 1971 der drittgrößte Stadtteil Hüfingens. Doch leitet sich der Name nicht von den Fürstenbergern ab, sondern der Fürstenberg ist der vorderste Berg der „Länge“, also der „für- derste Berg“. Zehn Vereine gibt es am Ort. Drei Gasthäuser mit dem Namen Kranz, Bären und Alter Brunnen halten die Tradition der alten Baaremer Wirts- häuser aufrecht, und das renommierte „Hotel Gasthof zum Rössle“ sorgt für internationales 100 Oben: Der Fürstenberg, am Fuß des Berges ist das Neubaugebiet des Ortes zu sehen. Unten links: Neu gestaltet wurde die Ortsmitte. Rechts: Ortsvorsteher Gerhard Hogg vor seiner Gemeinde. Flair und Gäste aus der „großen, weiten Welt“. Landwirte und ein paar Handwerksbetriebe sind in Fürstenberg zu Hause – Äcker, Wiesen und Viehzucht prägen das ländliche Leben. Eine alte Mosterei kümmert sich um die Verwertung von Streuobst, das auf den Berghängen wächst. Der Fremdenverkehr profitiert von der tollen Land- schaft und die Natur lockt zum Kurztrip. Auch die Gleitschirm- und Drachenflieger kommen nach Fürstenberg, die hier hoch über der Baar begeistert ihrem Flugsport nachgehen. Und der Fernsehturm auf der angrenzenden „Länge“ und ein Windrad überragen das Dorf auf halber Höhe.

Fürstenberg – ein Ort zum Wandern Für Ortsvorsteher Gerhard Hogg ist Fürstenberg sehr attraktiv. Der Ortsvorsteher ist ein Ur-Fürs- tenberger, der in einem weltweit tätigen Kon- zern sein Geld verdient und immer wieder in Indien und China Geschäften nachgeht. Er sieht seinen geliebten Ort nicht als „Mittelpunkt der Welt“, sondern ist sich sicher, dass seine Gemein- de ganz andere Pluspunkte vorzuweisen hat. Gerhard Hogg: „Fürstenberg liegt weit weg vom Hauptverkehrsstrom, bietet aber für Tagesbesu- cher ein tolles Programm und volle Verpflegung“. Dazu gehören die Wanderwege, die sich rund um den Berg ziehen und schmale „Serpentinen“, die sich von 750 Meter auf mehr als 900 Meter in die Höhe erstrecken. Und die in jeder Hinsicht einzigartigen Ausblicke punkten: zum Schwarz- wald und zur Wutach, zu den Alpen, ins Donautal oder zum Wartenberg im Osten. Oder ebenso der Blick über die gesamte Baar hinweg in Richtung Oberzentrum Villingen-Schwenningen. Und wo sonst sieht man im Frühjahr prächtige, naturna- he Streuobst- und Blumenwiesen blühen, hinter denen in der Ferne der noch schneebedeckte Feldberg aufragt? „Wanderer finden Ruhe und sind mit der Natur im Einklang“, schwärmt Gerhard Hogg, „die Natur spart bei uns nicht mit Effekten“. Er Fürstenberg meint damit auch das herbstliche Nebelmeer, wenn aus der Baar nur der Fürstenberg heraus- ragt, verschneite Bäume, die Scheibe des Mondes vor der Augustinuskapelle oben auf dem Berg – eben eine Natur, die man nach Lust und Laune genießen kann. „Weit weg von Jubel und Tru- bel ist der Fürstenberg ein Ruhespender“, so der Ortsvorsteher. Dazu zählt auch der erst kürzlich eröffnete Naturlehrpfad, der auf geologische, biologische und geschichtliche Besonderheiten dieses besonderen Orts hinweist. Gerhard Hogg sieht freilich nicht nur die Pluspunkte seiner Gemeinde, für die er sich seit vielen Jahren mit Unterbrechungen im Hüfinger Gemeinderat einsetzt. Er sieht auch den Wandel, betont, Fürstenberg habe viel an Qualität verlo- ren. Traditionelle Gewerbebetriebe wie Schmie- de, Schindelmacher oder die Wagnerei sind längst verschwunden. Der Ortsvorsteher nennt weiter den Kampf um den Kindergarten infolge sinkender Geburtenraten. Und er ergänzt: „Die Schule ist schon lange weg, der Laden ist weg, es gibt keine eigenen Geschäfte mehr“. Wer ein- kaufen will, braucht ein Auto, wer arbeiten geht, pendelt täglich nach Hüfingen, Donaueschingen, Villingen-Schwenningen oder Tuttlingen. Blick von der Streuobstwiese am Fürstenberg aus über die Baar und Behla hinweg in Richtung Feldberg. 101

Städte und Gemeinden International – das Hotel Gasthof zum Rössle Franz Xaver Wolfsteiner, der Wirt des Rössle, sieht das auch so. „Ein Auto ist nötig“, sagt der gebürtige Bayer aus dem Altmühltal. Fürsten- berg liege ein bisschen im Windschatten. „Lauf- kundschaft“ wie es sie in den großen Zentren gibt, ist in Fürstenberg eher „Fehlanzeige“. Aber unzufrieden sind Andrea und Franz Xaver Wolf- steiner nicht. Das Geschäft entwickelt sich wei- ter. Andrea Wolfsteiner, die aus dem Fürstenber- ger Familienkreis Bäurer/Engesser stammt, der über Generationen hier wirtete, und ihr Mann setzen neue Akzente, seit sie 1994 die Verant- wortung für den Gasthof übernahmen. Inzwi- schen kommen Reisegruppen aus Deutschland und den benachbarten Ländern Schweiz und Ös- terreich ins Rössle. Tagesausflüge nach Triberg oder an den Bodensee sind gefragt, „die Gäste nutzen das Hotel als Standort zum Wohnen“. Geschäftsleute und führende Köpfe der großen Unternehmen in Donaueschingen, Hü- fingen, Bräunlingen oder Blumberg sind Gäste im Rössle oder kommen zu Tagungen ins Hotel. Der 55-jährige Franz Xaver Wolfsteiner liebt das Kochen und bietet eine ausgezeichnete Küche. Zuvor war er Küchenchef im Donaueschinger Al- tenheim St. Michael und kochte auch im Donau- eschinger „Carlton“. Dem Aufbau des Restau- rants gilt seine ganze Liebe, im Rössle werden auch Köche und Hotelfachleute ausgebildet. Wolfsteiners Leitfaden: Die typischen gemüt- lichen Teile eines Landgasthofes mit Stammtisch und einfacher Karte bleiben erhalten. Die für die künftige Entwicklung wichtigen Teile sind ein vor gebauter Wintergarten, eine Speisekarte mit edler Qualität, aber bei bezahlbaren Preisen, Ta- gungsräume und die Vergrößerung des Hotelbe- triebs auf 68 Betten. „Die Gäste wollen ein biss- chen Nostalgie, aber auch neue Ideen und neue Angebote“, ist der Wirt und weitgereiste und er- fahrene Koch überzeugt. Dazu gehören zum Beispiel ein kulinarischer Kalender mit einer Matjes- oder Pfifferling-Sai- son, Provence-Abende oder die Wildsaison mit dem griffigen Titel „Born to be wild“. Das neueste Großprojekt ist bereits im Werden: Wolfsteiner hat das alte, nach Pfarrer Rubys Tod leerstehende Pfarrhaus gekauft und baut es um, es entstehen Seminar- und Tagungsräume. Im Gewölbekeller aus dem Jahr 1854 will er künftig Wein-Degusta- tionen für 20 bis 25 Personen anbieten. „Wir wollen kein Fremdkörper im Ort sein“, unterstreicht der Wirt. Beleg dafür sind Familien- feste, Hochzeiten, Konfirmation oder der Weiße Die Mitarbeiter des Hotel Gasthof zum Rössle zusammen mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann. 102

Fürstenberg Sonntag, an dem das Rössle bereits auf drei Jahre im Voraus aus- gebucht ist. So gebe es im Rössle nach wie vor die beliebte Nudel- suppe, den Wurstsalat oder das Hausmacher- Vesper. Einheimische und Fremde sollen sich wohlfühlen, „uns ist wichtig, dass jeder Gast zufrieden rausgeht“. Saft aus eigenen Äpfeln bekommt man im Fürstenberger „Saftladen“. es voran“, berichten Carola und Matthias Preis. Der frisch gepresste Saft wird in fünf oder zehn Liter fassende „Bag in Boxen“ aus Karton abge- füllt. Damit finden sie wieder Dutzende Kunden. Die pfiffig bedruckten Kartons werden von der Bräunlinger Firma „Straub Verpackungen“ her- gestellt und sind im Innern mit einem Einweg- Plastikbeutel mit Zapfhahn ausgestattet. Sind Äpfel und Birnen auf den Streuobstwie- sen der Baar Ende September reif, beginnt in der Moschte das Schaffen: Die Leute bringen ihr Obst und lassen es in Fürstenberg zu schmackhaftem Natursaft pressen. „Alles, was die Natur so her- gibt“, sagt Matthias Preis, „lässt sich zu Saft ma- chen“. Dieser wird in einer Art Durchlauferhitzer auf 80 Grad Celsius erhitzt, damit pasteurisiert und haltbar gemacht. Dann holen die Kunden ihre Saftkartons ab, meist so um die 200 Liter pro Lieferung. Fünf bis sechs Zentner Obst, so Preis, ergeben etwa 35 Liter Saft, die alte Presse schafft das mit einem Druck von 200 Bar in einer Viertel- stunde. Und: Schulen und Kindergärten kommen häufig zu Besuch. Die Kinder lernen wieder ein Stück Fürstenberger Tradition kennen und schät- zen. 570 Seiten Fürstenberger Geschichte Fürstenbergs Geschichte ist vielfach dargestellt worden. Eine wichtige Chronik über Stadt und 103 Und zu diesen Gästen gehörte auch Baden-Württembergs Minister präsident Win- fried Kretschmann. Der schmucke Gasthof war 2012 Schauplatz einer Sitzung des baden-würt- tembergischen Kabinetts. Regierungschef Win- fried Kretschmann und seine Riege von Minis- terinnen und Ministern haben sich bei Familie Wolfsteiner „sehr wohlgefühlt“. So schrieb es der Landesvater ins Gästebuch. Andrea und Xaver Wolfsteiner hat’s gefreut. Die Mosterei – ein besonderer „Saftladen“ Auf eine alte Tradition greift die Fürstenberger Mosterei zurück. Mitten im Ort steht sie, eine mehr als 50 Jahre alte Obstpresse, in einem klei- nen Häuschen untergebracht. Das Geschäft mit heimischem Obst und Apfelsaft war lange Jahre eingeschlafen. Dann hat der Lehrer und frühe- re Ortsvorsteher Bernd Uphaus zusammen mit Carola und Matthias Preis die „Moschte“ wieder aus dem Dauerschlaf erweckt: Vor gut einem Jahrzehnt haben sie damit begonnen, im Herbst Äpfel, Birnen und andere Früchte zu Säften zu pressen. Seither hat Fürstenberg wieder einen im besten Wortsinn florierenden, zeitlich auf den Herbst begrenzten „Saftladen“. Das Geschäft stagnierte anfangs, weil die Leute den rauen Most im Gegensatz zu früheren Jahren immer weniger schätzten. Dann kam die Idee, anstelle des alkoholhaltigen vergorenen Mosts süßen Apfelsaft zu machen. „Seither geht

Städte und Gemeinden Burg Fürstenberg stammt aus der Feder von Au- gust Vetter. Der gebürtige Fürstenberger war Geistlicher Rat und Rektor an der Realschule in Kollnau und ist vor einigen Jahren verstorben. August Vetter hat bereits 1946 damit begonnen, die Chronik des Ortes aufzuarbeiten und sich durch die Archive zu arbeiten. Herausgekommen ist ein 570 Seiten dickes, gründlich recherchiertes und aufschlussreiches Geschichtsbuch, das 1996 er- schien. Es zeichnet „Die Geschichte der einstigen Bergstadt in der Baar“ in vielen Details nach. Aus dem Jahr 1175 stammt eine erste Notiz vom Bestehen der Burg auf dem Fürstenberg, als Herzog Berthold III. von Zähringen die Burg er- oberte. Die Burg freilich ist älter, aber bis heute ist ihr Erbauer unbekannt und auch über das Bau- jahr gibt es keine Klarheit. 1218, die Zähringer sind ausgestorben, tau- chen die Grafen von Urach auf dem Fürstenberg auf, von denen sich einer ab 1245 Heinrich von Fürstenberg nennt. In dieser Zeit wird die Burg zur Burgstadt erweitert. Der Fürstenberg bleibt bis zu den Bauern- kriegen Mittelpunkt der Herrschaft des Hauses Fürstenberg. Selbst im 30-jährigen Krieg hält die Burg eine Belagerung durch die Schweden aus, wird danach aber nur noch als Steinbruch genutzt und zerfällt. „Um 1780 standen von ihr nur noch Reste“, schreibt Dr. Franz Xaver Kraus in seinem Werk „Die Kunstdenkmäler des Kreises Villingen“ im Jahr 1890. Ein Gemälde von Martin Menradt von 1688 zeigt den Ort hoch oben auf dem Berg, umgeben von einer 908 Meter (2725 ½ Schuh) langen Stadt- mauer. Es ranken sich wunderliche Geschichten um den alltäglichen Unterhalt der Stadtmauer, wie auch um den berühmten Brunnen, der den Fürstenbergern schon in alter Zeit den Namen „Bergesel“ eingebracht hat: Denn mit Eseln wur- de das Trinkwasser aus der Schächerquelle auf den Berg geschafft. Der Großbrand von 1841 Einschneidend war der Großbrand vom 18. Juli 1841, dem die ganze Bergstadt zum Opfer fiel. August Vetter schreibt, dass die Ursache für den 104 Großbrand ungeklärt ist, was für Spekulatio- nen Tür und Tor öffne. Von Brandstiftung war die Rede, aber es gibt auch Hinweise auf einen starken Sturm im Zusammenhang mit einer Son- nenfinsternis an jenem 18. Juli, der die Flammen immer wieder anfachte. Und natürlich fehlte es an Löschwasser. Jedenfalls wurde das Städtchen – jetzt aber an der heutigen Stelle, auf halber Höhe des Ber- ges und nicht mehr auf dem Gipfel – rasch wie- der aufgebaut. Hilfsaktionen wurden gestartet und landauf, landab Spenden gesammelt. Im Oktober 1842 bezogen die Bewohner ihre neuen Häuser wieder. Kardinal Bea und die Augustinuskapelle Zur Erinnerung an den Brand von 1841 sollte bereits 1891 auf der Bergkuppe eine Kapelle er- richtet werden, schildert August Vetter die lange währende Geschichte der Augustinuskapelle auf dem Berg. Doch es fehlte am Geld. Die Fürsten- berger mussten sich zunächst mit einem Kruzi- fix auf dem ehemaligen Kirchplatz begnügen. Es dauerte bis zum Jahr 1964: Erbprinz Joachim Fürst zu Fürstenberg ließ in jenem Sommer die Kapelle bauen und erfüllte damit einen Jugend- wunsch von Kardinal Augustin Bea, der aus Ried- böhringen stammte. Die Kirche wurde schließlich am 28. August 1964 von Kardinal Bea eingeweiht. Seither ist die kleine Bergkirche aus roh behau- enem Sandstein, der übrigens aus Bräunlingen stammt, ein Wahrzeichen des Ortes Fürstenberg. Aus der jüngeren Ortsgeschichte Das Schul- und Rathaus der Gemeinde Fürsten- berg wurde 1846 fertiggestellt. Die Wasserver- sorgung mit einer Wasserleitung von der Schä- cherquelle beschäftigte 1896 die Bürger, die Rechte Seite: Die nach Kardinal Augustin Bea benannte Augusti nus kapelle auf dem Fürstenberg, errichtet zur Erinnerung an den Brand von 1841. Unten: Der Brand von Fürstenberg nach einer Zeichnung von Arthur Hauptmann.

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Städte und Gemeinden Stromversorgung von 1903 an. Aber es dauerte bis in die 1920-er Jahre, bis der Strom endlich flie- ßen konnte und die Orte Fürstenberg, Behla und Döggingen „unter Strom setzte“. Aktuelles Geschehen war später die Einge- meindung Fürstenbergs im Zuge der Gemeinde- reform nach Hüfingen im Jahr 1971. Wie in vielen Orten gab es Widerspruch und Diskussionen und wie überall gab es „Eingemeindungsgeschenke“. Die „unechte Teilortswahl“ sicherte Fürstenberg einen Gemeinderatssitz im Hüfinger Kommu- nalparlament zu. Und es kam zu Investitionen: Ein Bürgerhaus entstand, ebenso eine Leichen- halle und ein Kindergarten. Die Sanierung und der Umbau des Rathauses und der Schule, die Modernisierung der Wasserversorgung, Stra- ßensanierungen und eine Abwasserentsorgung folgten. Auch eine schnelle Datenleitung sowie einen Jugendraum gibt es und der Ortsmittel- punkt wurde neu gestaltet. Vereinsleben und Baarflieger Ein reges Vereinsleben in zehn Vereinen prägt die Gemeinde Fürstenberg. Der Musikverein, 1921 ge- gründet, gilt als Aushängeschild des kulturellen Lebens in Fürstenberg. Mit derzeit 71 Mitgliedern, 30 Kindern in der Instrumenten-Ausbildung und weiteren 38 Kindern in der musikalischen Früh- erziehung, ist der Verein gut ausgestattet mit Nachwuchs. Eine Jugendkapelle und ein Voror- chester bestehen gemeinsam mit Riedböhrin- gen. Seit 1976 sind die „Baarflieger“ auf dem Fürs- tenberg zugange. Mit ihren rund 100 Mitgliedern betreiben sie Flugsport mit Gleitschirmen und Delta-Drachen und dürfen sich zu den Pionieren dieses Flugsports zählen. Ein Jahr älter ist der Fürstenberger Trach- tenverein. Er hat sich die Pflege des Baaremer Brauchtums auf die Fahnen geschrieben, hat sich eine typische Baaremer Tracht anfertigen lassen und besteht aus derzeit 34 aktiven Erwachsenen in einer Tänzergruppe und 38 Kindern und Ju- gendlichen. Der Landfrauenverein besteht seit 40 Jahren und hat 64 Mitglieder. Sie beschäftigen sich in 106 Weiterbildungen mit Computer und Internet, unterstützen soziale Projekte wie den Förderver- ein krebskranker Kinder, die Feldner Mühle oder die IMSED. Die Gruppe veranstaltet Ausflüge und unterhaltende Nachmittage, macht Kochkurse. Vorträge über Gesundheit, geselliges Beisam- mensein, Spiel und Handarbeit runden das An- gebot ab. 1996 wurde die Sportgemeinschaft Fürsten- berg gegründet. Für die insgesamt 40 Mitglieder stehen Sport, Volleyball, Mountainbike-Fahren und Gymnastik im Mittelpunkt. Eine aktive DRK-Gruppe wurde 1967 aus der Taufe gehoben. Die 15 Helfer engagieren sich im Sanitätsdienst, helfen mit bei den Terminen zur Blutspende und stehen mit einem Sozialdienst älteren und bedürftigen Menschen zur Seite. Hinzu kommen noch der Alpenwanderverein, der 1979 gegründet wurde, die Freiwillige Feuer- wehr, die seit 1940 besteht, der Gesangverein von 1913 und die Interessengemeinschaft Mo- dellflug von 1978. Fürstenberg ist ein Dorf im Wandel. Einzig- artig ist und bleibt die Lage „auf dem Dach der Baar“ mit zu jeder Jahreszeit fantastischen Rund- blicken und Aussichten. Eine Panoramawande- rung rund um den Fürstenberg kann nur empfoh- len werden. Nur noch die Öfinger Halde und der Wartenberg haben im Schwarzwald-Baar-Kreis ähnlich imposante Blicke zu bieten. Der „Histo- rische Lehrpfad Fürstenberg“ gibt einen Einblick in Geologie, Pflanzenwelt, Bebauung, Besiedlung sowie Leben und Wirken der Menschen auf und bei dem 918 m hohen Berg. Oben angekommen, kann man Friedhofsreste und Mauergräben der ehemaligen Burgstadt besichtigen – ein erlebnis- reicher Ausflug also. Fürstenberg im September 2013. Der Ort ist auch ein Eldorado für Gleitschirm- und Delta-Drachen-Flieger, die von der Bergkuppe aus zu ihrem Flug über die Baar starten.

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Städte und Gemeinden Das Schwarzwalddorf Schönwald Der „Geburtsort der Kuckucksuhr“ von Maria Kienzler 108

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Städte und Gemeinden „Mit einer Höhenlage von etwa 1.000 m Höhe über dem Meeresspiegel gehört Schönwald zu den höchstgelegenen geschlossenen Ortslagen in Deutschland“, heißt es bei Wikipedia.de über das Feriendorf. Überhaupt das Internet: Wer schoenwald.de in seinen Browser eintippt, be- kommt drei Ergebnisse: Schönwald im Fichtelge- birge, die Porzellanmanufaktur Schönwald und eben „unser“ Schönwald – das im Schwarzwald. In Schönwald gibt es das höchstgelegene Rat- haus des Schwarzwaldes – 1.000 Meter über dem Meeresspiegel ist es erbaut. Vor allem aber rekla- mieren die Einwohner den Titel „Geburtsort der Kuckucksuhr“ für ihr Dorf. Kürzlich wurde diese Bezeichnung in der Ortsmitte mit einem riesigen Signet dokumentiert. Von großer Bedeutung ist der Fremdenverkehr: Bei knapp 2.300 Einwoh- nern gibt es immerhin fast genauso viele Gäste- betten, nämlich rund 2.000. Vom Bauern- zum Uhrendorf Schon im 12. Jahrhundert standen im Quellgebiet der Gutach die ersten Bauernhöfe. Als sicher gilt, dass die „Vogtey Schönenwald“ von den Triber- ger Rittern und dem Kloster St. Georgen gegrün- det wurde. Vermutlich entstand der Dorfkern um ein kleines Kirchlein parallel zu den ersten Bauernhöfen in den Außenbezirken. Bis ins 17. Jahrhundert war Schönwald ein kleines Bauern- dorf, erst Anfang des 18. Jahrhunderts gab es eine neue Siedlungsphase, die Handwerker und Uhr- macher anzog. Schönwald ist wie etliche andere Schwarz- waldorte mit der Uhrmacherei gewachsen. Einer der Uhrmacher war Franz Ketterer, den die Schön- wälder als Stammvater der Schwarzwälder Ku- ckucksuhr bezeichnen. Er lebte von 1676 bis 1753 und nutzte den Speicher des Höflebauern im Oberort als Wohnung und Uhrenwerkstatt. Nach Überlieferungen soll er dort im Jahre 1737 die Ku- ckucksuhr erfunden haben. Sein Sohn Franz-An- ton entwickelte die Erfindung des Vaters weiter. Der Historiker Markus Jäk erwähnt 1810 in seinen Schriften, dass die Kuckucksuhr in Schönwald er- funden wurde. Diese Darstellung ist jedoch um- stritten (siehe Kapitel Uhrengeschichte, Seite 210). 110 Die Einwohner des Schwarzwalddorfes sind jedenfalls sehr stolz auf den Uhrmacher Franz Ketterer und nennen deshalb ihre Festhalle „Uhr- macher-Ketterer-Halle.“ Der Heimatverein er- baute schon vor längerer Zeit ein Denkmal in der Nähe der damaligen Uhrenwerkstatt der Familie Ketterer. Und die neue Bürgerinitiative „Aktiv für Schönwald“ (AfS) griff mit Begeisterung die his- torischen Fakten auf, um sie sichtbar für alle zu dokumentieren. Da auch nach Aussage der „Arbeitsgemein- schaft Deutsche Uhrenstraße“ Schönwald als Ge- burtsort der Kuckucksuhr gilt, schritten die stol- zen Bürgerinnen und Bürger zur Tat. Seit einigen Monaten prangt in der Ortsmitte am Dach des Werbehäuschens für die Gastronomie eine rie- sengroße Kuckucksuhr mit einem siebenfarbigen Regenbogen und der Aufschrift „Schönwald Ge- burtsort der Kuckucksuhr.“ Am linken Rand des Infohäuschens steht ein lebensgroßer Uhrenträ- ger aus Holz. Kuckucksuhren werden in Schönwald noch heute gebaut. Direkt an der Hauptstraße liegt die Kuckucksuhrenfabrik August Schwer. Der heutige Inhaber Andreas Winter liefert Schwarz- wälder Kuckucksuhren mit Qualitätssiegel in alle Welt. Mit zwei offiziellen Auszeichnungen des „Vereins die Schwarzwalduhr“ zur Uhr des Jah- res 2004 und 2007, sowie einer Silbermedaille in dieser Kategorie, gehört die Firma August Schwer zu den bekannten Kuckucksuhrenherstellern des Schwarzwaldes. Wo Weltraumtechnik entsteht Aber auch die Hochtechnologie hat hier ihren Platz: Im idyllischen Weißenbachtal entsteht Satelliten- und Weltraumtechnik, hier hat sich das Unternehmen „Schorpp Technologie“ ange- siedelt. Schorpp ist Hersteller und Entwickler von komplexen und hochpräzisen Bauteilen. Neben klassischen Werkstoffen wie Alumi- nium verarbeitet Schorpp spezielle Aluminium- legierungen sowie Faserverbund- und kerami- sche Werkstoffe für Extrem-Anwendungen. Die Kunden stammen aus Luft- und Raumfahrt, Au tomotive, Feinmechanik sowie Medizin- und

Messtechnik. Ende 2008 hatte das Unterneh- mer-Ehepaar den zum Verkauf stehenden Feh- renbachhof im Ortsteil Weißenbach von Schön- wald entdeckt. „Als wir den Hof kauften, standen hier 40 Kühe“, berichten die Schorpps. Nach dem Kauf begann mit viel Eigenarbeit die Umwand- lung des Hofes in ein modernes Firmengebäude. Wie technisch hochstehend die Produkte sind, zeigt sich an den Radar-Satelliten Terra- SAR-X und TanDEM-X. Schorpp Technologie fer- tigte hochpräzise Antennenbauteile (Wavegui- des) aus CFK (kohlefaserverstärkter Kunststoff/ Carbon). Besonderes Augenmerk galt dabei der technischen Reproduzierbarkeit und Sicherheit für eine einwandfreie Funktion. Die Antenne selbst besteht aus ca. 400 dieser Bauteile. Impressionen aus Schönwald: Schwarzwälder Trach – ten paar in der Dorfmitte, Signet zum „Geburts ort der Kuckucksuhr“, Blick zur derzeit stillgelegten Adlerschanze und Ausstellungsraum der Kuckucks- uhrenfabrik August Schwer. Inhaber Andreas Winter präsentiert klassische Produkte, die in alle Welt versandt werden. Die erfolgreiche Co-Entwicklung und Um- setzung wurde seitens des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums DLR mit einer besonderen Auszeichnung versehen. Die Antenne wurde baugleich in den derzeit erfolgreichsten deut- schen Radar-Satelliten TerraSAR-X und Tan- DEM-X eingesetzt. 111

Städte und Gemeinden Kirchliches Leben – zwei Gotteshäuser Die evangelische Kirche wurde im vorigen Jahr- hundert gebaut, während die Katholiken schon 1862 ihre alte Antoniuskirche abreißen ließen, weil sie zu klein war. An der gleichen Stelle wurde eine größere Kirche mit 500 Sitzplätzen gebaut, die aber erst 1873 eingeweiht werden konnte. In der Zwischenzeit wurde der Gottesdienst ent- weder im Freien oder in der Scheune des alten Pfarrhauses gefeiert. Viele Wegkreuze oder Kruzifixe an den Haus- fassaden zeugen vom Glauben der Vorfahren. Außerdem gibt es in Schönwald vier Hofkapel- len: die viel besuchte und beschriebene Huber- tuskapelle bei der Gutachquelle, die Marienka- pelle von Familie Hummel, die im Volksmund Gutenkapelle genannt wird, die Wendelinuska- pelle vom hinteren Farnbauernhof und die An- 112 Faszinierende Blicke über den Schwarzwald hinweg bietet das Prisental. Dort findet sich die volkstümliche Antoniuskapelle (unten rechts). Schönwald hat gleich vier imposante Hofkapellen zu bieten, so weiter die Wendelinuskapelle (unten links). toniuskapelle beim Clausenhof im Prisental. Letztere ist die kleinste Kapelle Schönwalds und wird im Volksmund „Prisekäpilli“ genannt. Ihren Altar hat der Erbauer Julius Pfaff, der einen Unfall überlebte und daraufhin versprach, die Hofka- pelle zu errichten, selbst geschnitzt. Die Kapelle stammt aus den 1890er-Jahren. Jedes Jahr am Fest Maria Himmelfahrt pil- gern die katholischen Christen mit brennenden Kerzen von der Pfarrkirche zur Lourdesgrotte, die 1890 am Waldrand erbaut wurde. Im Zweiten Weltkrieg hatten die Schönwälder zusammen

mit ihrem damaligen Pfarrer Paul Eberle bei einer Andacht Gott eine jährliche Lichterprozession zur Mariengrotte versprochen, falls ihr Heimat- ort von den Kriegswirren verschont bleibt. Vereine und Feste – das größte Osterei Die zahlreichen Vereine in Schönwald zeugen von einem starken Sinn für Gemeinschaft. Es gibt auf musikalischem Gebiet nicht nur die Kur- kapelle und den Kirchenchor, sondern auch die Alphornbläser, die bei allen Festen auftreten. Neben den klassischen Vereinen wie Feuerwehr, Fußballclub, Heimatverein, Rotes Kreuz, DLRG, Turnverein und Ski-Club gibt es außerdem vier Narrenzünfte: Die Hirtebuebe, Weihermänner, Wälderhexen und die Fußball-Hexen werden bei ihren närrischen Auftritten und Umzügen er- gänzt durch den Lochemer Fasnetclub und die Katholische Frauengemeinschaft. Obwohl bei den Kirchenfrauen während des Jahres andere Themen im Vordergrund stehen, sind sie an Fast- nacht mit ihrer jährlichen Großveranstaltung sehr präsent: Die große Ketterer-Halle ist jedes Mal voll besetzt. Es ist erstaunlich, wie großartig die Schön- wälder feiern können. Außerdem erfinden sie ständig neue Feste und ziehen damit nicht nur die Einheimischen, sondern auch zahlreiche aus- wärtige Gäste an. Ein Fest jagt das andere, ange- fangen von Water-Sliding-Contest über Deutsch- lands höchsten Weihnachtsmarkt und die Fran- zösische Nacht bis hin zum Hornschlittenrennen. Sogar ein Maibaum wird jedes Jahr am Sänger- brunnen aufgestellt. Das Osterfest 2013 hielt das ganze Dorf in Atem: Michael Nock aus Schonach stellte den Schönwäldern das vermutlich größte Osterei der Welt auf den Kirchplatz. Erfreut hatte Bür- germeister Christian Wörpel zugestimmt, als Michael Nock, der den Künstlernamen „Woody Woodnock“ trägt, diese Highlight-Aktion samt einem dreitägigen Osterfest vorschlug. Obwohl das bunte Ei, das mehr als 13 Meter in die Höhe ragte und mit den Flaggen aller 193 UNO-Staaten geschmückt war, im tiefen Schnee stand und es empfindlich kalt war, kamen Hun- Schönwald Das mutmaßlich größte Osterei der Welt war an Ostern 2013 in Schönwald zu besichtigen. derte von Besuchern nach Schönwald. Sie spa- zierten in das beleuchtete Osterei hinein und be- wunderten in einer Vitrine zugleich das vermut- lich kleinste Osterei der Welt, das aus Schokolade bestand und nur vier Millimeter maß. Woody Woodnock stellte einen Antrag auf Aufnahme ins Guinnessbuch der Rekorde, doch bis heute hat die Jury noch keine Entscheidung getroffen. Das Wappen wird in einiger Zeit riesengroß die Dorfmitte zieren Das Wappen des Dorfes macht auf die vielen Wälder ringsum aufmerksam, aber auch auf die Quellen, die auf der Gemarkung entspringen. Hinter fünf Felsen wachsen fünf Tannenbäume in den Himmel, während sich ein Wasserfall zwischen den Findlingen den Weg bahnt. Das Wappen scheint auch ein Hinweis zu sein auf die Gutach, die auf Schönwälder Gemarkung ent- springt, um nach einigen Kilometern in Triberg als höchster Wasserfall Deutschlands in die Tiefe zu stürzen. 113

Städte und Gemeinden Simone Hauswald, zweifache Bronze-Medaillen ge win- nerin der Olympischen Winterspiele in Vancouver 2010 ist die bekannteste Einwohnerin von Schönwald. „Wir wollen in Zusammenarbeit mit der Ver- waltung und dem Gemeinderat ein lebendiges Wappen in der Dorfmitte aufstellen“, betont Manfred Fattler, der Sprecher von AfS. Die ehren- amtlich tätige Gruppe will neben dem Infohäusle fünf Felsen vor fünf lebendigen Edeltannen auf- bauen. Dazwischen soll ein Wasserfall mit ech- tem Wasser herabstürzen. Sport und Freizeit In Schönwald gibt es zwei Skilifte, eine Jugend- schanze mit 40 Metern Sprungweite und eine Kinderschanze, auf der man 24 Meter weit sprin- gen kann. Die große Adlerschanze ist seit drei Jahren außer Betrieb, weil sie nicht mehr den heutigen Normen des Internationalen Skiverban- des entspricht. Die Langläufer können sich auf den 200 Kilometer gespurten Loipen tummeln. Schlittenfahrten durch den Winterwald können ebenso gebucht werden wie ein Nachmittag am 114 Biathlonschießstand im Weißenbachtal oder ein Hallenbadbesuch. Simone Hauswald bekannteste Einwohnerin Den optimalen Wintersport-Bedingungen und dem nahen Ski-Internat Furtwangen verdankt die Gemeinde ihre heute auch bekannteste Ein- wohnerin: die Biathletin Simone Hauswald ge- borene Denkinger. Sie erkämpfte sich bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver 2010 Bronze im Massenstart und Bronze in der Staffel. Simone Hauswald ist unter anderem zudem Bi- athlon-Weltmeisterin und mehrfache Weltcup- Siegerin. Im letzten Rennen wurde sie bei der Mix-WM noch mit einer Goldmedaille belohnt und war außerdem Zweite in der Weltcupge- samtwertung 2009/10. Ihre aktive Karriere hat die Mutter von Zwil- lingssöhnen mit einer Serie von großartigen Er- folgen beendet, doch pflegt sie die Verbindung zum Biathlonsport auf vielfache Weise. So veran- staltet Simone Hauswald im Biathlonzen trum im Schönwälder Weißenbachtal neuerdings Bi a thlon Workshops. Und sie betreut zusammen mit ih- rem Ehemann Steffen Hauswald die Schweizer Biathlonnationalmannschaft, ist Spezialistin für den Bereich Neurocoaching. In Schönwald lebt Simone Hauswald seit über zehn Jahren. Großer Einsatz für Frauenskispringen Ex-Bürgermeister Hans-Georg Schmidt, der im Januar 2013 nach 32 Jahren Gemeindeleitung sei- nen Ruhestand antrat, hat sich als Vorsitzender des Skiclubs besonders um den Wintersport ver- dient gemacht. Vor allem setzte er sich mit Erfolg für das Frauenskispringen ein. Im Jahre 1998 fand zum ersten Mal auf der Schönwälder Adlerschanze der „Lady Grand Prix“ statt. „2014 wird das Frauenskispringen endlich olympische Disziplin“, freut sich Hans-Georg Schmidt über die Chance der Frauen, für die er sich seit Jahrzehnten engagiert hat. „Ich war per- sönlich betroffen, weil meine Tochter Michaela eine begeisterte Springerin ist“, begründet der

Fürstenberg ehemalige Schultes seinen Einsatz für die sport- lichen Damen. Ein Höhepunkt in der Wintersaison ist das Hornschlittenrennen am Dobel-Skilift. „Horn- adler“ nennen sich die Teilnehmer stolz. Die Zu- schauerzahlen bewegen sich zwischen 1.000 und 2.000 Personen, die bei dieser Gaudi voll auf ihre Kosten kommen. Im Sommer können die Kinder auf Ponys rei- ten oder baden gehen. Das solarbeheizte Freibad zieht Einheimische ebenso an wie die Gäste. Ins- gesamt 140 Kilometer beschilderte Wege durch Wiesen und Wälder verlocken Wanderfreun- de zum Spazierengehen und Wandern. Es gibt außerdem Volleyballfelder, Spielplätze, einen Fußballplatz, eine Sporthalle mit Kraftsport- raum, einen Golfplatz und ein Schützenhaus mit Luftgewehr- und Kleinkaliberschießstand. Beim Hornschlittenrennen 2013 ging auch Bürger- meister Christian Wörpel (Bild ob., rechts) zusammen mit Bauhofchef Christof Hock (ob. links) an den Start. Das Gaudi-Rennen lockt Jahr für Jahr viele Zuschauer an. Bühlhof der älteste erhaltene Bauernhof am Ort Nicht nur mit der schönen Schwarzwaldland- schaft kann Schönwald punkten, sondern auch mit traditionellen Bauernhöfen. Zwei Höfe erin- nern besonders an die „gute alte Zeit“ des ehe- maligen Bauerndorfes, nämlich der Bühlhof und der Reinertonishof. Der Bühlhof ist einer der äl- testen noch erhaltenen Heidenhöfe im Schwarz- wald. Er liegt direkt an der B 500. Der Hof wurde im Jahre 1547 erbaut und steht unter Denkmal- schutz. Der heutige Besitzer Lukas Duffner Junior 115

Städte und Gemeinden Links der 1547 erbaute Bühlhof, der ein Souvenir- geschäft beherbergt. Rechts: Der neu erbaute Reinertonishof der Familie Lukas Duffner bei seiner Einweihung im September 2012. dient mit zahlreichen Raritäten und alten Mö- beln gleichzeitig als Museum (siehe Almanach 2013). Nach wie vor ist der Reinertonishof neben dem Blindensee das wohl am meisten besuchte Ausflugsziel der Gemeinde Schönwald. rettete das altersschwache Gebäude vor dem Verfall. Er kaufte es 1986 und renovierte es mit viel Liebe zum Detail. Im Innern ist ein viel besuchtes Schwarzwäl- der Souvenirgeschäft untergebracht. Scharen von Touristen besuchen täglich den Bühlhof und kau- fen im Andenkenladen Schwarzwälder Speziali- täten – natürlich auch Kuckucksuhren. Der Reinertonishof im Schwarzenbachtal wurde 1619 erbaut und gehörte Lukas Duffner Senior. Doch fiel der weithin bekannte Hof 2006 einem Brandanschlag zum Opfer. Da die alte Rauchküche nicht verbrannte, baute die Familie Duffner um das rauchgeschwärzte Zentrum her- um den Hof im traditionellen Stil wieder auf. Nur die landwirtschaftlichen Räume wurden nicht mehr errichtet. Im September 2012 konnte der neue Reinerto- nishof unter großer Beteiligung der Bevölkerung eingeweiht werden. Auch der frühere Minister- präsident von Baden-Württemberg und heutige EU-Kommissar Günther Oettinger kam nach Schönwald, um seinem Freund SPD-Kreisrat Lu- kas Duffner zu diesem Neuanfang zu gratulieren. Das sehenswerte Gebäude erinnert an das harte Leben der Bauern in früheren Jahrhunderten und 116 Sagenumwobener Blindensee Der sagenumwobene Blindensee ist ein Hoch- moorsee mit drei Metern Tiefe ohne Zufluss und ohne Abfluss. Der Schonacher Schwarzwaldver- ein hat vor einiger Zeit den Steg zum See vor- bildlich erneuert. Der See liegt inmitten eines Naturschutzgebiets nahe der Wasserscheide Elz/ Gutach und beheimatet zahlreiche Pflanzenar- ten. Eine der botanischen Kostbarkeiten ist die Blumenbinse, die auf der Roten Liste als „stark ge- fährdet“ eingestuft ist. Aber auch andere seltene Pflanzenarten sind hier zu finden wie das Scheidi- ge Wollgras oder die Gewöhnliche Moosbeere. Der Name „Blindensee“ ist vom Blindenhof abgeleitet, zu dem das Naturschutzgebiet noch immer gehört. Das Wohnhaus des Hofs wurde bereits 1908 abgerissen und an Stelle eines ab- gebrannten Gebäudes in Schonach neu errichtet. Der Namen des Hofes wurde von seinem sechs- ten Besitzer, dem erblindeten Bauern Gabriel Kern (1690-1771) abgeleitet (siehe auch heilige- quellen.de). Der Blindensee gilt vielen Besuchern als ge- heimnisvoller Ort, was auch mit Sagen und Er-

zählungen zu tun hat, die sich seit jeher um den stillen See ranken. Einer Sage zufolge soll eine Kuh im Blindensee ertrunken sein, die angeblich Wochen später wieder in der Donau auftauchte. Die Sage soll sogar zum Versuch geführt haben, durch das Einfärben des Seewassers zu belegen, dass eine Verbindung zur Donau besteht. Eine weitere Sage um den Blindensee besagt, dass ein Fuhrmann samt Pferdegespann dort ertrunken und nie wieder aufgetaucht sei. Am Blindensee vorbei führt der Westweg Pforzheim-Basel, einer der bekanntesten Wan- derwege Deutschlands. Auch aus diesem Grund herrscht im Naturschutzgebiet reges Leben. Gemeinde lebendig erhalten Und die Zukunft von Schönwald? Welche Kon- zepte gibt es, die kleine Schwarzwaldgemeinde attraktiv zu halten? Ganz oben auf der Agen- da des neuen Bürgermeisters Christian Wörpel steht ein Ortsentwicklungskonzept, das in den nächsten Jahren verwirklicht werden soll. „Das Schönwald Ergebnis ist offen, denn es handelt sich um ein Bürgerbeteiligungs-Projekt und da weiß man nicht schon vorher, was erreicht wird“, betont der 30-jährige Bürgermeister. Das Projekt beste- he aus verschiedenen Säulen: Die Schönwälder wollen den Tourismus ankurbeln, aber auch die Aufenthaltsqualität auf dem Kirchplatz steigern. Weiter verbessern soll sich der Wohnungsmarkt für Familien, Studenten und Senioren. Alt wer- den in vertrauter Umgebung sei ein wichtiger Ansatz. Wichtig sei, dass auch die Senioren im Dorf bleiben und in Schönwald altersgerecht le- ben können, so Bürgermeister Wörpel. Sei es in der privaten Wohnung, in einer Senioren-Wohn- gemeinschaft, einem Mehrgenerationenhaus oder in einer betreuten Wohnanlage. Ein idyllischer und sagenumwobener Ort ist der Blin- densee an der Gemarkungsgrenze von Schonach und Schönwald. Vor allem im Herbst ist der See viel besucht. Sein Grund ist völlig vermoort. 117

3. Kapitel Persönlichkeiten Lotte Sütterlin Gelebte Hilfsbereitschaft – Großartiges Engagement für die Tafelläden von Christina Nack Ein übervoller Schreibtisch, in den Wandregalen meterlange Aktenordner, die Beschäftigungsver- hältnisse und Geschäftsbeziehungen zu Lie- feranten dokumentieren: Das ist das Reich der Lotte Sütterlin. Es ist das Büro des „Mach mit“ Fördervereins e.V. und der fünf Tafelläden im Kreisgebiet, die in dessen Regie betrieben wer- den. Seit es die Initiative gibt, seit 1996, ist die gebür- tige Schwenningerin Motor im Hintergrund und Frontfrau für die gute Sache. Allmählich will sie kürzer treten, was sie sich mit ihren unglaubli- chen 87 Jahren mehr als verdient hat. Manche ehrenamtlichen Baustellen hat sie bereits verlas- sen: 15 Jahre lang, bis 2008, war Lotte Sütterlin CDU-Stadträtin Villingen-Schwenningens. Bereits in den 1980er Jahren machte sie als Schatzmeisterin des Schwenninger Eishockey- Bundesligisten SERC mit einer Schwarzgeldaf- färe überregionale Schlagzeilen. Über die Ge- schichte ist längst Gras gewachsen, Lotte Sütter- lin überstand sie ohnehin ohne Makel, obwohl sie die Gelder ausgezahlt hatte. 1981/82 war die Aufstiegssaison; „wir bekamen neue Spieler und ich wunderte mich über die vergleichswei- se niedrigen Summen, die auf den Lohnsteuer- karten standen.“ Als es dann hieß, diese Beträge müssten um Bargeld aufgestockt werden, das sei so üblich im Spitzensport, habe sie sich noch mehr gewundert, sich aber gefügt und gezahlt. Die strikte Anweisung jedoch, die Geldflüsse nir- gends darzustellen, habe sie überhört. Insgeheim führte Sütterlin säuberlich Buch über die schwar- ze Kasse. „Ordnung muss sein.“ Als schließlich die Steuerfahndung auftauch- te und die Zahlungen am Fiskus vorbei nicht mehr vertuscht werden konnten, zog sie ihr heimliches Zahlenwerk aus der Schublade. Für die korrekte 118 Dokumentation des unkorrekten Geldflusses sei sie erst gescholten, dann gelobt worden. Durch ihre zweite Buchführung konnte bewiesen wer- den, dass sich niemand der Untreue schuldig ge- macht hatte und alle letztlich das Vereinswohl und den Klassenerhalt im Auge hatten. Die Me- dien feierten die ehrenamtliche Buchhalterin als „Moneten-Lotte“, die sich als „eiserne Lady“ be- währt und Respekt verdient habe. All das ist lan- ge her, Lotte Sütterlin erzählt es wie eine Anek- dote. Vergessen wird sie die Angelegenheit nie, bestätigt sie doch ihre moralischen Grundsätze: „Ehrlich währt am längsten.“ Ehrenamtliche Managerin Obwohl der Tafelladen nebenan an diesem Nach- mittag geschlossen ist, kommt immer wieder ein fest angestellter Fahrer oder ein Mini-Jobber ins Büro, bringt Lieferscheine, holt Post und Papiere für die Filialen. Immer wieder wird das Redak- tionsgespräch auch von Telefonaten unterbro- chen. Eine Frau von der Agentur für Arbeit meldet jemanden krank, erkundigt sich nach Neulingen. Während Lotte Sütterlin in Personalakten blät- tert, berichtet sie: Einer sei sehr fleißig und zuver- lässig, ein anderer unpünktlich, habe auch schon unentschuldigt gefehlt. Das sei die Ausnahme, erzählt die ehrenamt- liche Managerin später: „Die meisten kommen gern zu uns.“ Sie weiß auch warum. Zusätzlich zu dem bescheidenen Stundenlohn von 1,50 Euro spendiert der Mach-mit-Verein Monatskarten für den Bus, die natürlich nicht nur für den Weg zur Arbeit benutzt werden können. Außerdem dürfen die stets um die 20 Männer und Frauen, die von der Arbeits-Agentur und von privaten Job-Centern vermittelt werden, in den Tafellä- den einkaufen. „Sie befinden sind nicht auf der

Lotte Sütterlin Sonnenseite des Lebens, sondern sind materiell und sozial schlechter gestellt als die meisten Mit- menschen“, begründet Lotte Sütterlin die klei- nen Vergünstigungen. Zur Stammkundschaft gehören Alleinerzie- hende, kinderreiche Familien, Rentner, Arbeits- lose, Umsiedler, überhaupt Männer und Frauen mit Migrationshintergrund. „Es ist schlimm, dass im reichen Deutschland so viele Arme leben und eine Tafel brauchen.“ Lotte Sütterlin kennt Hun- ger und Überlebensangst aus eigener Erfahrung. Die gebürtige Schwenningerin gehört zu jener Generation junger Frauen, die noch kurz vor Kriegsende zu zivilen Hilfsdiensten und als Flak- helferinnen eingezogen wurden. Sie wurde vom Reichsarbeitsdienst nach Geislingen an der Steig beordert, schuftete bei Bauern und in Betrieben – überall fehlten Arbeitskräfte, die meisten Män- ner waren an einer Front oder in Gefangenschaft. Nach ein paar Monaten wurde die junge, umsichtige Lotte an verschiedenen Stationen im Württembergischen als „Jungführerin“ ein- Lotte Sütterlin im Büro des Tafelladens, den sie ehren- amtlich leitet. gesetzt. Nach den Luftangriffen auf Pforzheim in den letzten Kriegstagen machte sie sich wie vie- le Kameradinnen von Röhlingen nachts zu Fuß auf den Weg zur Sammelstelle nach Aachen, von dort nach Ochsenhausen, Ulm war das befohlene Ziel. Doch Lotte beschloss „Ich hau’ ab.“ Hilfsbereitschaft verinnerlicht Am 19. April 1945 kam sie in Schwenningen an, „anderntags waren die Franzosen da.“ Die Besat- zer waren in der Uhrenfabrik Mauthe einquar- tiert, wo Vater Franz Kammerer Heizer und Ma- schinist war. Die fünfköpfige Familie wohnte im Nachbarhaus und ergriff die Flucht, als die Fran- zosen versuchten, gewaltsam die Eingangstür zu öffnen. Dabei fielen Schüsse. „Wir zogen mit 119

Lotte Sütterlin einem Leiterwagen zur Familie unserer Schwes- ter an den Stadtrand von Schwenningen.“ Gerade in jenen schweren Jahren hat Lot- te Sütterlin gegenseitige Aufmerksamkeit und Hilfsbereitschaft als notwendig und selbstver- ständlich verinnerlicht. „Meine Eltern waren ge- sellig, herzlich und hilfsbereit, also wurde ihnen auch geholfen.“ Bereits 15-jährig hatte sich Lotte ihre erste Anstellung selbst gesucht, hatte mit- ten im Krieg eine kaufmännische Ausbildung bei den Büdo-Werken (heute ist dort die Lebenshilfe e.V. untergebracht) absolviert, die Schuhcreme herstellten. Kurz nach Kriegsende wurde sie von Wettruf angestellt, ebenfalls Hersteller von Schuhcreme. Es folgten zehn Jahre bei der Uhrenvertriebsfir- ma Karl Laufer, wo Lotte Sütterlin mit verant- wortungsvollen Tätigkeiten betraut wurde. Die Straßenbau-Firma Spreng war nächste und mit 25 Jahren längste berufliche Station. Hier war sie „Mädchen für alles“ wieder in verantwortlicher Position und perfektionierte als einzige Frau unter Männern ihr Organisationstalent. 1956 heiratete sie ihre große Liebe Lothar Süt- terlin, der 1986 einem Herzinfarkt erlag – just an dem Tag, an dem Lotte zu ihrem 60. Geburtstag auf dem Eis von den Wild Wings geehrt wurde. Nach dem plötzlichen Tod des Ehemannes stürz- te sich die Witwe in Arbeit, zunehmend mehr in ehrenamtliche. Nach zwölf Jahren zog sie sich aus dem SERC-Vorstand zurück, ist dem Verein aber bis heute verbunden, guckt sich hin und wieder auch ein Spiel an. Bürgernah und stets engagiert Lotte Sütterlin konzentrierte sich auf ihr Man- dat im Gemeinderat, wurde als bürgernahe und streitbare Kämpferin bekannt, die kein Blatt vor den Mund nahm. Ende der 1990er Jahre begann die anhaltende Phase des Mach-mit-Vereins. Der war von Renate Matusza als Verein für ehrenamt- liche Bürgerhilfe initiiert worden und sollte um einen Tafelladen bereichert werden. So kam Lotte Sütterlin als bewährte Schatzmeisterin ins Boot. Seither sitzt sie nicht nur am Ruder, sondern auch am Steuer, hat Verwaltung und Logistik 120 aufgebaut – die Tafel hat sich zum karitativen Erfolgsunternehmen mit den Ausmaßen einer mittelständischen Firma entwickelt. Täglich sind drei Fahrzeuge (davon zwei Kühllaster) im gesamten Kreisgebiet unterwegs und klappern Bäckereien und Lebensmittelläden ab, die dem Förderverein gut erhaltene Ware schenken, die neuen Sortimenten in den Regalen Platz machen muss. Obst, Gemüse, Salate, verpackte Grundnah- rungsmittel und Non-Food-Produkte wie Putz- mittel und Kosmetika werden zum großen Lager in der Albertistraße in Schwenningen gebracht und hier sorgfältig sortiert, unter Umständen neu beschriftet, neu verpackt und bis zur Aus- fuhr in die einzelnen Läden zwischengelagert. Herzstück des Lagers ist ein großer Kühlraum für verderbliche Produkte. „Nahrung sollte nicht weggeworfen werden“ Zum großen Team gehören fünf Fest-Angestellte, die aus dem Pool an Mini-Jobbern übernommen wurden. Drei Arbeitsverhältnisse werden von der Agentur für Arbeit finanziell gefördert, zwei trägt der Verein. „Darum und wegen der Betriebskos- ten brauchen wir eigene Einnahmen“, erklärt Lotte Sütterlin das Tafel-Prinzip. Die Lebensmit- tel werden an Bedürftige nicht verschenkt, son- dern zu etwa einem Fünftel ihres Werts verkauft. „Nahrung sollte nicht weggeworfen werden“, weist Lotte Sütterlin auf einen weiteren Aspekt der guten Sache hin. Nach wie vor pendelt sie ständig zwischen Büro, Laden, Lager hin und her, fährt Auto und ist überhaupt geistig und körperlich in überra- schend guter Konstitution. „Die Kraft lässt nach, der Kopf noch nicht“, sagt sie lächelnd, „der Herrgott ist wohl der Meinung, dass ich noch ge- braucht werde.“ Doch sie muss kürzer treten, 40 ehrenamtli- che Wochenstunden sind zuviel, jetzt schafft sie „nur“ noch die Hälfte, hat mehr und mehr Auf- gaben an Helgina Zimmermann, Vorsitzende des Mach-mit-Vereins, abgegeben. Ganz aufhören will Lotte Sütterlin nicht. „Ich kann noch etwas bewegen und dafür bin ich dankbar.“

Persönlichkeiten Ewald Merkle Der Villinger Ehrenbürger hat ein Leben lang immer Verantwortung getragen und nie zugeschaut, sondern mitgetan von Marga Schubert Ewald Merkle, Ehrenbürger der Stadt Villingen- Schwenningen, der im Januar 2013 im 89. Lebens- jahr starb, hat ein Leben lang Verantwortung getragen, er hat Leitlinien markiert, an denen sich die nachfolgenden Generationen messen können. Das Leben Ewald Merkles ist ein wich- tiges Stück Stadtgeschichte. Er hat sich politisch, sozial und gesellschaftlich für das Wohl der Stadt engagiert und wichtige Bausteine für die Stadt- entwicklung gesetzt, die heute noch von seiner Weitsicht und seinem Verantwortungsgefühl für das Allgemeinwohl zeugen. gend wirkte. Als Ehrenbürger verbrachte er die letzte Zeit seines Lebens in dem Haus, das er ge- schaffen hat und starb auch dort: im Alten- und Pflegeheim St. Lioba. Ewald Merkle hat es vor 60 Jahren geplant, organisiert und für die Finan- zierung gesorgt, auch drei Erweiterungsbauten machte er mit. Lange Jahre führte er die Geschäf- te im Verwaltungsrat. Aber nicht nur mit St. Lioba hat der Ehrenbür- ger Stadtgeschichte geschrieben. In seiner Regie wurden in größter Wohnungsnot nach dem Krieg mit der „Neuen Heimat“ mehr als 3.000 Wohnungen gebaut. Ewald Merkle war Grün- Der Ehrenbürger war einfach eine Institution in Stadt und Kreis, die viele Jahrzehnte lang prä- Der Villinger Ehrenbürger Ewald Merkle. 121

Persönlichkeiten dungsmitglied der Neuen Heimat (heute Fami- lienheim), war dann über 40 Jahre lang deren Geschäftsführer, hat in den Zeiten des Aufbaus nach dem Krieg und all die Jahrzehnte später mit aller Kraft dafür gesorgt, dass viele Familien einfach ein Dach über dem Kopf bekamen, hat später den Wohnungsbestand mit der Bauge- nossenschaft Familienheim verwaltet, erweitert, modernisiert und instand gehalten. Kommunalpolitische Marksteine In der Kommunalpolitik und für die CDU setz- te Merkle Jahrzehnte lang wichtige Marksteine. Schon in jungen Jahren politisch engagiert, war Merkle lange Zeit als „Benjamin“ für die CDU im Gemeinderat Villingen, später dann viele Jahre als dienstältester Stadtrat der Doppelstadt Villin- gen-Schwenningen im Gremium, mischte er bei vielen Entscheidungen mit. Insgesamt 40 Jahre lang bestimmte er so die Stadtentwicklung mit, über 20 Jahre auch als Bürgermeister-Stellvertre- ter. Bei Landtagswahlen war Ewald Merkle lange Jahre der treue Zweitkandidat des späteren Mi- nisterpräsidenten Erwin Teufel. Eine Beziehung, die sich mit den Jahren zu einer tiefen Freund- schaft entwickelte. An zahlreichen Stellen in der Stadt trifft man auf Werke, bei denen Ewald Merkle die Bausteine zementierte. Ob das jetzt das Alten- und Pflege- heim Lioba, das Münsterzentrum, Kirchen, Kin- dergärten, die Siedlungshäuser in der Südstadt oder viele Genossenschaftswohnungen sind. Fröhlich meinte er immer wieder: „Ich kann in der Stadt eigentlich mit jedem Stein sprechen“. „Man soll nie zuschauen, sondern mittun“ Der ehemalige Ministerpräsident des Landes Ba- den-Württemberg, Erwin Teufel, überschrieb das Leben seines langjährigen Wegbegleiters und Freundes Ewald Merkle einmal mit einem Zitat von Antoine de Saint-Exupéry, das für Merkle als Leitwort stehen könnte: „Was ich am meisten verurteile, das ist die traurige Rolle des Zuschau- ers. Man soll nie zuschauen, sondern mittun und 122 Verantwortung tragen“. Ewald Merkle hat nie zugeschaut, sondern „mitgetan“ und mitgestal- tet auf vielen wichtigen Ebenen des öffentlichen Lebens. Sein Lebenswerk, sein Engagement für die Stadt und die Mitmenschen, vor allem für die- jenigen, die in Not waren, zeugt von einem prall ausgefüllten, erfüllten und zufriedenen Leben. Kaum ein „Feld“ gibt es in der Stadt, auf dem Ewald Merkle nicht gesät, gepflügt, geackert hat – und die Früchte dann auch in reichem Maß in Form von Anerkennung und Dank ernten durfte. Ewald Merkle war ein markantes Beispiel für soziales Engagement, hat nie die Theorie gepredigt, sondern die Praxis vorgelebt. Eine Vielzahl an Auszeichnungen, die Ewald Merkle bekommen hat, zeugen von der Wertschätzung, die seiner Arbeit entgegengebracht wurde: Ehrenmitgliedschaften in Vereinen, vom Stadt- siegel über die Bürgermedaille, Verdienstkreuz und Verdienstmedaille von Bund und Land, vom Ehrenbürgerbrief der Stadt bis zur Stauferme- daille. Ganz besonders freute er sich über ganz persönliche Dankesworte, wenn er bei seinen geliebten Spaziergängen Menschen traf, denen er in irgendeiner Weise geholfen hatte, diese ihn spontan ansprachen und sich bei ihm nach vielen Jahren noch bedankten: „Wissen Sie noch Herr Merkle; damals, als sie dafür sorgten, dass wir eine Wohnung bekamen?“ Soziales Engagement vorgelebt Nie bequem, eher rau, ohne lange Diskussionen zupackend, so kannten ihn die Bürger und lang- jährigen Weggefährten. Zupackend, ja, daran er- innerte er sich auch selbst immer wieder gerne. So stand er in der Südstadt mit Pickel und Schau- fel beim Bau der ersten Siedlungshäuser Abend für Abend selbst in den Baugruben, half mit jun- gen Menschen aus seinen Jugendgruppen den Häuslebauern bei der Arbeit. Auch beim Bau des Jugendheims Spechtloch buddelte der junge Ewald Merkle mit, bis die heute immer noch beispielhafte Freizeiteinrich- tung stand, in der zwischenzeitlich ganze Gene- rationen an jungen Leuten viele schöne Stunden erlebten.

An der Schaltstelle des kirchlichen Lebens hat Ewald Merkle viele wichtige Maßstäbe gesetzt. Seine Verdienste komplett aufzulisten würde jeden Rahmen sprengen. Angefangen vom Auf- bau der Bahnhofsmission, der Organisation des katholischen Männerwerks, legte er bereits 1948 den Grundstein für die katholische Jugendarbeit im gesamten Dekanat, war Gründer und lang- jähriger Leiter des Stadtjugendrings, verwaltete sämtliche kirchliche Finanzen in Villingen, be- treute später fast alle Kirchenbauten und Reno- vierungen in der Stadt, auch die große Münster- sanierung, verwaltete alle katholischen Kinder- gärten. Eine der ersten Baustellen nach dem Krieg war das Jugendheim Spechtloch. Er baute und leitete viele Jahre das erste Jugendwohnheim in Villingen, in dem heimatlose Jugendliche, die in Villingen eine Lehrstelle fanden, unterkamen. Auch ein Wohnheim für elternlose Mädchen richtete er ein. Ewald Merkle ist der „Vater“ des Villinger Münsterzentrums, in dem Pfarrbü- cherei, Caritasbüro und der Kindergarten „Maria Frieden“ eingerichtet wurden. Merkle war auch federführend bei der Sammelaktion zur Beschaf- fung der Münsterglocken. In seiner Regie wurden in größter Wohnungsnot mit der „Neuen Hei- mat“ mehr als 3.000 Wohnungen gebaut. Ein Leben für die Musik Der Blasmusik galt die ganze musikalische Liebe des Ehrenbürgers. 36 Jahre lang war er Vorsit- zender der Stadtharmonie, 26 Jahre auch Ver- bandspräsident im Schwarzwald-Baar-Kreis. Insgesamt hat er für „seine“ Stadtharmonie 102 Auslandsfahrten organisiert, die größte davon als Konzertreise über drei Wochen in die USA. Mit der ersten Ausfahrt nach dem Krieg führte Ewald Merkle die Stadtharmonie übrigens nach La Ferté Bernard in Frankreich, in die Gegend, in der er als Kriegsgefangener war. Im benachbarten Bonné- table war Merkle zwei Jahre lang als Stadtarbei- ter, als Straßenpflasterer eingesetzt. Er pflasterte so ziemlich alle Straßen in der Gemeinde, nahm bei seiner Entlassung eine geballte Ladung an Le- benserfahrung mit nach Hause. Ewald Merkle Ergreifend für Ewald Merkle war das Gefühl, bei dem ihm beim Erzählen später immer noch Tränen der Rührung in die Augen schossen, mit klingendem Spiel auf den Straßen zum Rathaus zu schreiten, die er selbst mühsam als Kriegsge- fangener gepflastert hatte. Zeiten des Abschieds Nun ging dieses Jahr im Januar 2013 sein prall gefülltes Leben zu Ende. Eigentlich wollte Ewald Merkle noch 90 Jahre alt werden, wie er hoffte, was ihm jedoch nun nicht vergönnt war. Doch noch wenige Wochen vor seinem Tod bekundete er: „Ich bin ein tiefgläubiger Mensch, und wenn der Tag kommt, wenn Gott es will, dann bin ich vorbereitet, will ich auch den Tod in Ruhe in Kauf nehmen“. „Aber nicht sofort“, fügte er schnell mit seinem auch im hohen Alter immer noch auf- blitzenden Charme hinzu, wenngleich er wusste und akzeptierte, dass die Zeit des Abschieds be- reits nahe war. Auch das ist ein Beispiel, für den Menschen Ewald Merkle, der nie aufgab, immer kämpfte, aber auch unabwendbare Dinge wie Krankheit und Tod in tiefem Glauben annahm. Im Privatleben musste Ewald Merkle einige schwere Schicksalsschläge hinnehmen. Neben schweren Krankheiten, dem zu frühen Tod seiner Ehefrau Gretel, verlor er zwei seiner drei Söhne. Einer starb sehr früh, Merkles Sohn Klaus, sein Nachfolger als Vorstand der Baugenossen- schaft Familienheim, starb überraschend im Mai 2011 an einem Herzinfarkt. Tragisch, dass Ewald Merkle wenig später als Ehrenvorstand an einer Versammlung der Familienheim teilnehmen musste, in der der Tod seines Sohnes Klaus eine Riesenlücke hinterlassen hatte. Doch der Kreis schloss sich, denn sein Enkel Sebastian Merkle wurde anschließend zum geschäftsführenden Vorstandsmitglied gewählt. Doch trotz der schweren familiären Schick- salsschläge äußerte sich Ewald Merkle an seinem Lebensabend im Rückblick auf sein Schaffen zu- frieden. „Alles, was ich einmal geschaffen habe, ist in guten Händen“, resümierte er, bereits an- gesichts seines nahenden Todes, zufrieden mit seinem Lebenswerk. 123

Persönlichkeiten Erich Marek Der Schwenninger ist ein europaweit bekannter, exzellenter Tierfotograf von Stephanie Wetzig staunt er immer aufs Neue über die Schönheit der Natur. Stunden verbringt er in seinen Verstecken, die er sich inmitten der Bäume mit freier Sicht auf die vom Wild bevorzugten Stellen gebaut hat. Winzige Hütten in ausgehobenen Kuhlen in der Erde, getarnt mit Reisig, das Fenster mit einem Vorhang aus Jutesack verhangen, so dass nur das mächtige 400-mm/f2.8-Objektiv seiner digitalen Kamera herauslugt. Hier harrt er auf einem Gartenstuhl mit abgesägten Beinen aus, bis die Tiere kommen und scheinbar wie ruhm- süchtige Mädchen, die von einer Karriere als Ti- telschönheit träumen, vor seiner Linse posieren. Doch der Weg zum perfekten Bild war und ist ein langer. Nicht nur die rund 100 Stunden und früher zehn Filme, heute, im digitalen Zeit- alter, rund 1.000 Aufnahmen, die er für ein Bild braucht, das seinen hohen Ansprüchen genügt. Nicht nur die langen Wartezeiten bei frostigen 20 Grad minus, das Herumtragen der 20 Kilogramm schweren Kameraausrüstung durch teils unweg- sames Gelände und nicht nur der Berufswechsel vom Friseur zum Buchdrucker, um mehr Freizeit für das Hobby zu haben, die zusätzlich als Hilfs- arbeiter auf dem Bau verbrachten Urlaube, mit denen er sich früher Stück für Stück die teure Fotoausrüstung finanzierte. Seit den 1960er-Jahren vorzugsweise im Unterhölzer Wald aktiv Erich Marek Die Liebe zur Natur wurde Erich Marek in die Wiege gelegt: Seine ersten zehn Lebensjahre verbrachte der 1936 geborene Sohn von Forst- angestellten mitten im Böhmerwald, wo er oft bis nach Anbruch der Dunkelheit umherstreifte, um Tiere zu beobachten. Heute, gut sieben Jahr- zehnte später, gilt er als einer der besten Wild- fotografen Europas. Waffenschmieden und die optische Industrie schicken ihn für Werbeaufnahmen auf Fotosa- fari nach Afrika, in Alaska hatte er berührende Begegnungen mit Grizzlys, aber am liebsten arbeitet er im Unterhölzer Wald. „Meine Foto- Heimat ist hier.“ Es sei das beste Revier weit und breit, wenn er durch das weit mehr als 600 Hek- tar große Naturschutzgebiet auf der Baar streift, Nein, auch die Freiheit, sich in seinem Lieblings- wald so bewegen zu können, wie es für seine Ar beit erforderlich ist, musste er sich erst er- arbeiten. „Das Wichtigste für gute Fotos ist das Vertrauen des Revierleiters“, so der hochgewach- sene, wettergegerbte Marek. Bei seiner Arbeit darf er schließlich keiner Jagdgesellschaft in die 124

Lotte Sütterlin Quere kommen und natürlich kann nicht jeder einfach in einen Privatwald abseits der Wander- wege Verstecke bauen. „Das erste Mal hatte ich mich in den 1960er Jahren mit einem Freund in den Unterhölzer Wald geschlichen“, erinnert er sich. Während Marek ein faszinierendes Bild nach dem anderen machte, hatte der Freund „Schmiere gestanden“, denn der damalige Förs- ter habe es gar nicht gerne gesehen, wenn Spa- ziergänger oder gar Fotografen in seinem Revier unterwegs waren. Er befürchtete, dass dadurch das Wild verscheucht wird und „hatte es verstan- den, die Leute aus dem Wald herauszuhalten“, wie Erich Marek andeutet. Etwa zu dieser Zeit beschloss er, selbst den Jagdschein zu machen. „Ich wollte wissen, wie Erich Marek in seinem Foto-Versteck im Unterhölzer Wald. Üblicherweise ragt aus dem Jutesack-Vorhang nur das mächtige 400-mm-Teleobjektiv hervor. ich mich dem Wild gegenüber verhalten muss.“ Längst weiß er, wann und bei welchem Wetter er welche Tiere fotografieren und wie er sie an- locken kann, zum Beispiel den schwer vor die Kamera zu bekommenden Fuchs. „Wenn es kalt ist, geht der Fuchs raus, bei Pulverschnee bleibt er im Wald.“ Zu Beginn seiner Zeit als Jäger hatte er jahre- lang im Bittelbrunner Wald im Hegau, der damals dem Hause Fürstenberg gehörte, mitgearbeitet und bei der Wildfütterung geholfen. „Durch die Arbeit dort hatte ich immer wieder die Wenn es kalt wird, verlässt der Fuchs den Wald, hier konnte ihn Erich Marek bei der Jagd fotografieren. 125

Erich Marek Möglichkeit, Fürst Joachim kennen zu lernen.“ Es hat sich im Laufe der Jahre eine Freundschaft entwickelt, die ihm im Unterhölzer Wald, der bis heute den Fürstenbergern gehört, den nötigen Freiraum verschaffte. Als dort ein neuer Förster seinen Dienst antrat und vom Fürsten wissen wollte, was er denn mit dem Marek machen solle, der käme immer mit seiner großen Kame- ra, habe Fürst Joachim knapp beschieden: „Der ist mein Freund und kann kommen und gehen, wann er will.“ Nicht erst seitdem revanchiert sich der Fotograf jedes Jahr mit einem Album seiner schönsten Aufnahmen aus dem ehemaligen Wildpark. Die ersten Fotos entstanden mit einem Fernglas als Teleobjektiv Erich Mareks erster kommerzieller Erfolg mit Bil- dern datiert lange vor seinen Erkundungen des Unterhölzer Waldes. „Meine ersten Fotos hatte ich mit einer Kodak Retina Reflex gemacht“, er- innert er sich, „an die ich ein Fernglas montiert hatte.“ Doch schon bald gelangen ihm auch mit einfachen Mitteln so gute Bilder, dass er damit einen Nebenerwerb starten konnte. „Mein erstes Aufnahmen von Raubtieren, hier ein Leopard, sind stets mit Gefahr verbunden. Auch in Alaska ist Erich Marek unterwegs, wo er diesen kapitalen Elch foto- grafieren konnte. verkauftes Bild war ein Bluthänfling“, so Marek. Das Foto habe er auf einen Aufruf hin beim Ju- gendherbergswerk eingereicht. Später fing er an, seine Werke auf Messen zu präsentieren, wo er Kontakte zu den Optik-Unternehmen Zeiss und Swarovski sowie der Waffenschmiede Blaser knüpfte. Die schicken ihn seitdem in die weite Welt, um Bären in Alaska, Leoparden in Afrika und Nashörner in Südafrika zu fotografieren. Um das auch zeitlich zu schaffen, bekam er, als er noch berufstätig war, die volle Unterstützung seines Arbeitgebers, der Schwenninger Druckerei Max Eller KG. „Wenn ich zum Senior-Chef sagte: Ich muss für ein paar Wochen nach Afrika zum Fotografieren, war das immer problemlos mög- lich.“ In den Wochen davor arbeitete er dann eben vor, zwei oder manchmal sogar drei Schich- ten hintereinander. Mit der Schaufel gegen einen Leoparden In Namibia ist ein Foto entstanden, bei dem es für ihn richtig gefährlich wurde. „Ich hatte mir eines Morgens eine Vertiefung vor einem Was- serloch gegraben, in der ich auf Fotomotive war- tete. Der Wildhüter hatte mir gesagt, dass dort tagsüber keine Leoparden seien. Aber dann, um zehn Uhr vormittags, kam doch einer vorbei. Er war hungrig und auf der Suche nach einer Sau, es kam aber keine, so dass er wieder ging. Drei Stun- den später war er wieder da. Plötzlich verschwin- 126

Früh am Morgen auf der Baar – Rehbock mit Rehen. Erich Marek gilt als Spezialist für Aufnahmen von Schwarzwild – hier ein Keiler im Herbstwald. 127

Erich Marek det er in einer Senke und taucht zehn Meter vor mir wieder auf und geht auf mich zu. Ich habe laut geschrien, was ihn gar nicht interessiert hat, dann griff ich zu der Schaufel, mit der ich mein Versteck gegraben hatte und ging damit unter lautem Geschrei auf ihn los, bis er verschwand. Das war knapp.“ In Alaska: Auge in Auge mit einem Grizzly Auch in Alaska hatte er ein Erlebnis, das ande- ren sicher das Fürchten gelehrt hätte. Er war mit dem Wohnmobil unterwegs und ging eines Morgens an einen Bach, um einen Kochtopf zu reinigen. „Als ich aufblickte, stand vor mir ein Bär.“ Er ließ den Topf am Bach stehen ging ganz langsam zurück in den Wohnwagen, um seine Kamera zu holen. „Als ich damit zurück an den Bach kam, war der Bär leider schon 60 bis 70 Me- ter entfernt.“ Die erste Reise nach Alaska hatte er selbst organisiert. Zwei Freunde begleiteten ihn, so sollten sich die Kosten für Mietwagen im Rahmen halten. „Das war ein großer Fehler“, sagt er im Nachhinein. „Die hatten vor allem und je- dem Angst, wollten nicht in ein Wasserflugzeug steigen und fürchteten sich davor, in der Wildnis einem Bären zu begegnen.“ Dafür knüpfte er dort neue Freundschaften. Menschen, die dort leben, helfen ihm, seine Reisen in den Katmai- und den Denali-Nationalpark zu organisieren. Im Bear Valley bei Anchorage hat er immer seinen Aus- gangspunkt. „Da kann es schon mal sein, dass man denkt, es ist schon dunkel geworden, dabei steht nur ein Elch oder ein Bär vor dem Fenster.“ Bei allen Begegnungen mit großen, wilden Tieren konnte ihm jedoch bislang nur eines et- was anhaben und noch dazu ein ziemlich kleines: Ein Zeckenbiss machte Erich Marek zum ersten FSME-Patienten, bevor die Krankheit überhaupt einen Namen hatte. Die Meningitis musste im Krankenhaus behandelt werden, das Gehör hat einen bleibenden Schaden davongetragen. Erich Marek gilt als Experte für die Blattjagd, eine Form der Jagd, bei der in der Brunftzeit der Lockruf der Rehe – früher mit einem Buchen- blatt, heute mit einer Pfeife – imitiert wird. Die verschiedenen Lockpfeifen, mit denen er auch 128 sterbende Hasen oder verfolgte Vögel imitieren kann, helfen ihm, die Tiere anzulocken. Seine Tar- nung ist dabei perfekt und um Tiere wie die be- sonders schlauen Kolkraben an sein Objektiv zu gewöhnen, lässt er schon mal über Tage eine At- trappe an der Stelle stehen, von der aus er später seine Bilder macht. Wenn er dann fotografiert, empfinden die Tiere das Aufnahmegeräusch der Serienaufnahme nicht als Bedrohung. „Anders wäre es, wenn ich nur einmal auf den Auslöser drücken würde.“ So schauen die Tiere neugierig, aber ohne Angst in die Linse, die Augen reflektie- ren das Licht und so manches Mal posieren sie genau an der Stelle, die der Fotograf mit einem Zweig bunten Herbstlaubs geschmückt hat. „Ein bisschen Regie muss man schon führen.“ „Die Fotografie ist etwas Vollkommenes“ Durch sein jagdliches Wissen hat er in ganz Euro- pa Freundschaften in Jägerkreisen geknüpft. „In Bulgarien bin ich mit dem Herausgeber der größ- ten Jagdzeitung befreundet. Der braucht meine Bilder, hat aber kein Geld. Also nimmt er mich als Gegenleistung mit auf die Schwarzwild-Jagd, die sonst sehr teuer ist.“ Aber die Jagd-Leidenschaft tritt bei Erich Marek immer weiter in den Hintergrund. „Was will ich denn noch schießen“, sagt er mit einem Blick auf die Trophäensammlung in seinem Bü- ro. „Wenn ich zum Jagen gehe, dann hängt da am Ende so ein Geweih. Aber bei meinen Bildern sind welche dabei, da geh ich am Sonntag sogar in die Kirche und sage danke.“ Seit ihm atem- beraubende Aufnahmen von Füchsen gelungen sind, schießt er auf keine mehr. „ Die Fotografie ist so was Vollkommenes. Wenn ich heimkomme und mein Bild anschaue und weiß, das Tier läuft noch im Wald herum – das ist doch die wahre Erfüllung.“ Die Fotos von Erich Marek sind weltweit in unzähligen Zeitschriften und vielen Büchern veröffentlicht worden. Und der Schwenninger ist auch offen für Neues: er hat eine App für das iPhone herausgebracht, die Jägern dabei hilft, mit naturnahen Tönen das Wild anzulocken. Die Töne hat er selbst aufgenommen.

Lotte Sütterlin Begegnung mit einem Grizzly-Bären in Alaska. Sonnenuntergang auf der Baar – auch die Landschaftsfotografie hat es Erich Marek angetan. 129

Persönlichkeiten 130

Lotte Sütterlin Impressionen aus dem Unterhölzer Wald – fotografiert von Erich Marek Linke Seite, von ob. links: Die großen Augen des Hasen überblicken wachsam das Stoppelfeld. Seltene Begegnung mit dem Mittelspecht. Mitte: Bussarde kämpfen um ihre Beute – einen toten Hasen von der Straße. Silberreiher sind auf der Baar nicht mehr selten. Das Hermelin hat sein Winterkleid bekommen. Rechte Seite: Wenn alle Menschen zuhause sind zieht das Schwarzwild durch den Winterwald. Unten: Im tief verschneiten Wald eine Begegnung mit den Damschaufler. 131

Persönlichkeiten Oben: Ruhender Altfuchs im morschen Baumstumpf. Unten: Die letzten Früchte gehören den Vögeln – Rotkehlchen. Rechts: Später Sommer, die letzten Pilze vergehen. Rechte Seite: Der Herbst hat den Wald in fester Hand (oben). Morgenstimmung mit einziehendem Damwild. 132

Lotte Sütterlin 133

4. Kapitel Wirtschaft Continental größter industrieller Arbeitgeber im Schwarzwald-Baar-Kreis Das Villinger Unternehmen ist weltweit einer der Marktführer für Tachographen sowie Geschwindigkeits­ und Maut­Erfassungsgeräte von Christina Nack Die meisten Menschen im Kreisgebiet kennen das markante Gebäude in der Heinrich- Hertz-Straße in Villingen-Schwenningen. Seit vielen Jahren steht es dort schon am Rande des Industriegebietes Vockenhausen und es hat auch einiges an Historie zu bieten. In den vergangenen Jahrzehnten haben bereits verschiedene Firmennamen in großen Lettern auf dem Dach geprangt. Mehr als 60 Jahre lang war „Kienzle“ Bestandteil des Firmen- namens, bis das 1929 als Kienzle Apparate gegrün- dete Unternehmen im Jahr 2001 nach dem Übergang von Mannesmann VDO von Siemens übernommen wurde. Seit 2007 ist das Unternehmen nun Teil des Continental- Konzerns, ist mit rund 1.400 Beschäftigten größter industrieller Arbeitgeber im Land- kreis und weltweit eines der marktführenden für Tachographen sowie Geschwindig- keits- und Maut-Erfassungsgeräte. „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten jeden Tag mit größtem Engagement daran, unsere Position im Markt zu behaupten“, sagt Ludger Trilken, Standortleiter und Personalchef für weltweit ca. 7.000 Beschäftigte. Ursprünglich bestand Kienzle Ap- parate aus zwei Kernbereichen: Das eine Standbein war die Bü- rotechnik mit Rechenmaschinen und Geräten zu Zeiterfassung, Datenverarbeitung und Büro- kommunikation. Das zweite war die Fertigung von Tachographen, auch als Fahrtschreiber bezeich- net (griechisch „tàchos“ – „Ge- schwindigkeit“ und „graphein“ – „schreiben“). Von Tachometern also mit angeschlossenem Mess- schreiber, die Lenk- und Ruhezei- ten, gefahrene Kilometer und Ge- schwindigkeiten notierten. Beide 134 Continental-Standortleiter Ludger Trilken. Sparten wurden im Jahr 1981 an den Industriegiganten Mannes- mann verkauft. Der Computerbereich, der im Jahr 1990 an Digital Equipment verkauft wurde, ging schließlich unter, der Fahrtschreiber hingegen schreibt bis heute Erfolgsge- schichte, inzwischen als Kernpro- dukt von Continental am Standort Villingen. Die gegensätzliche Entwick- lung der beiden Hauptsegmente von Kienzle Apparate zeigt bei- spielhaft, dass die Integration eines traditionsreichen Familien-

Zuerst Kienzle, dann Mannesmann VDO – jetzt Continental. Der Continental-Konzern bietet an seinem Stand- ort in VS-Villingen ca. 1.400 Arbeitsplätze und ist damit größter industrieller Arbeitgeber im Landkreis. Hoch automatisiert – Blick in die Fertigung. 135

Wirtschaft unternehmens in einen Weltkonzern einige Herausforderungen mit sich bringt. Vor allem belegt dieses Beispiel eindrucksvoll, dass loka- le Verwurzelung und internationales Operieren kein Widerspruch sind, im Gegenteil. „Anders ginge es nicht, wir brauchen beides: verlässliche, motivierte Mitarbeiter vor Ort und den weltwei- ten Verbund im internationalen Konzern“, stellt Ludger Trilken fest. Der studierte Volkswirt und Geisteswissenschaftler kennt die sensible Zu- lieferer-Szene seit 20 Jahren. 1994 kam er in die Zentrale des Instrumenten-Herstellers VDO in Schwalbach (bei Frankfurt), wurde 2001 Perso- nalleiter von Siemens VDO in Villingen-Schwen- ningen und 2007 zusätzlich Standortleiter. Ein ARGO-Taxameter von Kienzle, 1975. Kienzle setzt Fords Fließbandsystem für den Bau von Taxiuhren ein Der Name Kienzle repräsentiert ein Stück In- dustriegeschichte von Villingen-Schwenningen, die für die beiden großen Stadtbezirke in unter- schiedlicher Weise geschrieben wurde. Wäh- rend sich Schwenningen zum Weltzentrum der Uhrenproduktion entwickelte, hob Dr. Herbert Kienzle, ein Enkel des Schwenninger Uhrenfabri- kanten, 1928 die Firma Taxameter und Apparate AG, „ARGO“ genannt, aus der Taufe, und zwar zunächst als Tochterfirma von Uhren-Kienzle. Auf einer Studienreise in den USA hatte der Schwarzwälder das von Ford entwickelte Fließ- bandsystem kennengelernt und daheim für die Produktion von Taxi-Uhren eingesetzt. Sie mach- ten das bald vom Mutterhaus abgekoppelte und in Kienzle Apparate umgetaufte Unternehmen 136 international wettbe- werbsfähig, die Pro- duktpalette wurde ständig erweitert. Dr. Herbert Kienzle setz- te auf Massenmobili- sierung sowie Mess- und Kontrollgeräte rund um den Verkehr. Anfangs konnte er nur mit ca. 50 Mann arbeiten. Die ersten beiden Fahrtschreiber verkaufte Kienzle an den Fuhrpark der Fürstlich Fürstenbergischen Braue- rei in Donaueschingen, als erste Automobilfirma gewann er Daimler-Benz als Kunde. Dr. Herbert Kienzle 1937 beschäftigte Kienzle schon 250 Arbeiter; 1938 nahm er als neuen Artikel Rechenwerke für Zapfsäulen hinzu. Im Zweiten Weltkrieg statte- te Kienzle die Wehrmacht mit Tachographen als zivilem Produkt aus und übernahm auch Aufträ- ge aus der Rüstungsindustrie. 1944 wandelte er seine Firma in eine GmbH um und nannte sie „Kienzle Apparate GmbH“. Kienzle stattete ganz Deutschland und halb Europa mit Parkuhren und Taxametern aus. Al- les, was mit Rechnen, Messen und Zählen zu tun hatte, wurde von Kienzle-Tüftlern erforscht, ent- wickelt und produziert und gemäß der rasanten technischen und technologischen Fortschritte optimiert. Der Tachograph wird zur Vorschrift für alle Nutzfahrzeuge 1953 wurde der Tachograph per Gesetz Vorschrift für alle Nutzfahrzeuge, um Lenkzeiten und Ge- schwindigkeiten in Bussen und Lastwagen kon- trollieren und Unfälle leichter rekonstruieren zu können. Bald wurde der Fahrtschreiber in ganz Europa obligat und bescherte Kienzle siche- re Aufträge – die Konkurrenz hinkte mit ihren Entwicklungen hinterher. Spätere Versuche, den „unbestechlichen Unfallzeugen“ in Gestalt des Unfalldatenspeichers UDS auch auf dem Pkw-Markt zu etablieren, scheiterten jedoch. So wurden zwar Rettungsfahrzeuge und Auto-

Continental Fahrtschreiber von Kienzle aus dem Jahr 1933. mobilflotten von Polizei und öffentlichen Ver- waltungen mit dem UDS versorgt, Privatkunden allerdings verweigerten die Gefolgschaft. Con- tinental verabschiedete sich im Jahr 2010 end- gültig von diesem Produkt und übergab dieses an einen nationalen Vertriebspartner. In den 1970er Jahren wurde die Uhrenindu- strie von einer desaströsen Struktur- krise gebeutelt; auch das Kienz- le-Imperium in Schwenningen zerbrach. Kienzle in Villingen hin- gegen erlebte einen Höhenflug. 1974 hatte der weltweit erste elektronische Fahrtenschreiber für Furore und seit her für wach- senden Umsatz gesorgt. Parallel dazu entwickelte sich innovative Bürotechnologie mit den Vorläu- fern heutiger Computer zum eige- nen, zunächst erfolgreichen Pro- duktionszweig. Nach Nixdorf war Kienzle deutschlandweit Nummer zwei bei der Entwicklung elektroni- scher Datenverarbeitungssysteme und stattete vor allem Banken, größe- re Verwaltungen und sogar ganz Island mit seinen opulenten Rechnern aus. Doch die Computerbranche entwickelte sich in einer Rasanz, der das nach wie vor familiär geführte Unternehmen aus eigener finanzieller Kraft nicht standhalten konnte. Kienzle Appara- te suchte sich einen starken Partner: 1981 betei- ligte sich der Mannesmann-Konzern mit Stamm- sitz in Düsseldorf an der Kienzle-Gruppe, die fortan Mannesmann-Kienzle hieß. Fahrtschreiber, Diagramm- scheiben und Fuhrparkorgani- sa tionssysteme setzten den Erfolgskurs fort. In den 1970er Jahren hatte sich die Belegschaft in Villingen auf 5.000 Beschäftig- te verdoppelt; weltweit standen 10.000 Männer und Frauen bei Mannesmann-Kienzle in Lohn und Brot. Doch es erwies sich bald, dass Mannesmann mit der so genannten „Mittleren Daten- technik“, wie die Computer jener Generation genannt wurden, auf das falsche Pferd gesetzt hatte. Parkuhr aus dem Hause Kienzle, 1961. 137

Wirtschaft Datenverarbeitungsanlage von Mannesmann-Kienzle, 1980er-Jahre. Die Aufnahme entstand in der Landes- berufsschule für das Hotel- und Gaststättenwesen. Übernahme durch enorme Fluktuation gekennzeichnet Die Zeit nach der Übernahme durch den Bran- chenriesen war von enormer personeller Fluk- tuation im Management gekennzeichnet. Rund zwei Dutzend Chefs reichten einander in den 14 Mannesmann-Jahren die Verantwortung weiter. So lange die Geschäfte gut liefen, funktionierte die Kooperation mit den wechselnden Mannes- mann-Managern reibungslos. Problematisch wurde es, als der Konzern Sanierer nach Villingen schickte, die auf Umsatzrückgang mit Personal- abbau reagierten. Es half nichts: Kienzle-Rechner hatten den Anschluss an neue Technologien im Personalcomputer-Bereich verpasst; 1991 entle- digte sich Mannesmann des Sorgenkinds durch den Verkauf an den amerikanischen Compu- ter-Riesen Digital Equipment Corporation (DEC) mit weltweit 124.000 Beschäftigten. Von da an gingen die beiden Geschäftszweige getrennte Wege. 138 Kienzle-Computertechnik steuert in den Abgrund Der Bereich Automotive blieb zunächst bei Man- nesmann, fusionierte 1995 mit der VDO AG und firmierte nun als VDO Kienzle. 2000 wurde die Mannesmann AG durch Vodafone übernommen. Ein Jahr später wurde das Villinger Unternehmen als Siemens VDO Automotive AG geführt und 2006 vollständig in die Siemens AG integriert. Seit 2007 stabilisierte es sich in der Continental AG, die mit weltweit ca. 170.000 Beschäftigten vor allem mit ihrer Reifensparte bekannt ist. Die frühere Kienzle Computertechnik hingegen steuerte in Regie von Digital in den Abgrund. DEC hatte in den 1970ern zwar den ersten Mini- Computer entwickelt, der damals 18.000 Dollar kostete, den Markt für Privatkunden aber völlig verkannt. Der triumphale Siegeszug des PC brach dem einstigen Giganten das Genick. Mitte der 90er Jahre begann Digital mit Entlassungswellen in Deutschland und daheim in Maynard/Mas- sachusetts. 1998 wurde DEC mit damals noch 54.000 Beschäftigten vom Erzrivalen Compac für 9,6 Milliarden Dollar einverleibt. In Villingen wurde unterdessen vergeblich versucht, über die Gründung von Beschäftigungs- gesellschaften zu retten, was zu retten war. Die letzte Firma, die von und mit ehemaligen Kienz- leanern geführt wurde, war die Forest GmbH. Sie verschwand im Jahr 2000 im Zusammenhang mit Anteilsverkäufen an das Software-Unterneh- men Nexus AG in Villingen-Schwenningen. Die Entwicklung von Continental ist seit Jahren stabil Die Entwicklung von Continental hingegen ist seit Jahren stabil. Die größte Unsicherheitskom- ponente für den Standort Villingen liegt in der Abhängigkeit von der Nutzfahrzeugindustrie. „Das ist das Problem aller Zulieferer“, konsta- tiert Ludger Trilken. „Geht’s den Herstellern von Lastwagen und Bussen gut, geht’s uns auch gut. Geht’s denen schlecht, müssen wir uns der Si- tuation entsprechend stellen.“ Das war so wäh- rend der Wirtschaftskrise 2009, die Continental

Skiwerkstatt Wehrle Furtwangen Funktions-Stress-Prüfung des Digitalen Tachographen mittels Roboter. Funktions-Endprüfung des Digitalen Tachographen. 139

Wirtschaft Zahlen und Fakten zu Continental • 1929 wurde die Kienzle Apparate und Taxa- meter AG gegründet. • 1970 wurde das heutige Werk im Industrie- gebiet Vockenhausen in Villingen-Schwen- ningen gebaut. • 28.000 Quadratmeter Produktionsfläche • Hauptkunden sind die Nutzfahrzeugher- steller Volvo, Renault, Daimler, IVECO, MAN, SCANIA, VW. Die neue Generation: Digitaler Tachograph zur Aufzeichnung der Lenk- und Ruhezeiten in LKWs und Bussen. „einigermaßen heil“ überstand, vor allem dank der Solidarität der Belegschaft, wie der Manager betont. Die Mitarbeiter waren zu Kurzarbeit und Gehaltsverzicht bereit, um dem Unternehmen über die Durststrecke zu helfen. „Das Wir-Gefühl ist ausgeprägt bei uns; der Arbeitsplatz ist den Menschen viel wert.“ Sie sind auch das wichtigste Kapital von Con- tinental. „Wir müssen ständig am Ball bleiben und um neue Produkte kämpfen.“, beschreibt Ludger Trilken die Voraussetzung zum Erhalt der Konkurrenzfähigkeit. Villingen ist bis heute eine Innovationsschmiede, in der rund 300 Inge- nieure beschäftigt sind. In der Fertigung arbeiten rund 850 Männer und Frauen. Diese konzentriert sich auf mehrere Bereiche: Fahrtschreiber, Fah- rerarbeitsplätze für Busse, Maut-Geräte für Lkw, Kombiinstrumente für Lkw und Bord-Elektronik. Villingen ist das „Headquarter“ für die weltweit ca. 7.000 Beschäftigten im Bereich Nutzfahr- zeuge, die in Entwicklungs-, Produktions- und Vertriebsstätten rund um den Globus, unter anderem in Rumänien, Brasilien und Mexiko, Indien und natürlich in China, arbeiten. Zu Be- fürchtungen, dass die Chinesen dem deutschen Konzern mit ihrem Plagiatseifer Probleme berei- ten könnten, sieht Ludger Trilken keinen erkenn- baren Anlass. „Unsere Produkte sind höchsten Sicherheitsreglementierungen unterworfen und hochtechnisiert. Gerade in unserem Produkt- umfeld legen die Kunden Wert auf genau diese Qualität.“ Standort Villingen-Schwenningen ist für die Zukunft gut gerüstet Für die Zukunft sieht sich der Personalchef am Standort Villingen-Schwenningen gut gerüstet. „Auch unser Nutzfahrzeug-Geschäft ist eine 140 140 Fahrerarbeitsplatz für Linienbusse.

hoch-dynamische Branche, die sich ständig er- neuert und verändert. Neue Technologien halten in die Fahrzeuge Einzug. Vernetzung, Digitalisie- rung, Kommunikation sind nur einige Themati- ken, an denen unsere Entwicklungsmannschaft stetig arbeitet und in denen wir uns weiter ent- wickeln.“ Vermehrte und veränderte Aktivitäten erfor- dern die Akquise von gut qualifiziertem Personal. Continental engagiert sich intensiv für die Aus- bildung des eigenen Nachwuchses. Von den stets rund 100 Auszubildenden werden ca. 20 in Ko- operation mit Kendrion ausgebildet; in der Regel werden die Berufsanfänger übernommen. Das Unternehmen arbeitet auch eng mit den Schulen der Umgebung und mit der Hochschule Furtwan- gen zusammen. Die Belegschaft soll sich wohl- fühlen am Standort und sich mit dem Betrieb Auslesen der auf der Fahrerkarte gespeicherten Lenk- und Ruhezeiten. identifizieren. Dazu tragen u.a. die Betriebs- sportgruppen bei; 300 Continental-Beschäftigte liefen im Sommer 2013 beim Villinger Stadtlauf mit, so viele wie noch nie. „Die Jugend bleibt, wenn wir gute Perspekti- ven bieten“, ist der Wahl-Doppelstädter Trilken überzeugt, der sich mit Ehefrau und drei Kindern als mittlerweile „fest verwurzelt“ in der Region empfindet. „Die Gegend hier ist mit ihren Frei- zeit- und Kulturangeboten, mit ihrer schönen Landschaft und guten Lage hochattraktiv. Die Vorteile der Region könnte man gerne bei vielen Gelegenheiten noch stärker herausstellen.“ Alle Informationen im Blick – inno- vatives Kombiinstrument für Nutzfahrzeuge. 141

Wirtschaft mall umweltsysteme – Schutz für Wasser und Boden Einer der Marktführer für Wasser­ und Abwasserbewirtschaftung – An sechs Standorten beschäftigt das Pfohrener Unternehmen 450 Mitarbeiter mall umweltsysteme zum Schutz von Wasser und Boden sind in ganz Europa installiert. Es handelt sich um Anlagen aller Größen, ausgestattet mit hochwertiger und clever ein- gesetzter Technik. In fünf Jahrzehnten hat sich die Mall GmbH mit ihrem Programm für den Hoch-, Tief- und Straßenbau zu einem bedeutenden Spezialanbieter mit verfahrenstechnischem Know-how für Kleinkläranlagen, Abscheider und die Regenwasser- nutzung bzw. -bewirtschaftung entwickelt. Seit fast zehn Jahren setzt Mall zudem auf erneuerbare Energien und stellt Pelletspeicher und Hack- schnitzelbehälter her. Seinen Hauptsitz hat Mall in Pfohren bei Donaueschingen. Die rund 450 Mitarbeiter sind in sechs Produktionsstätten beschäftigt und erwirtschaften einen Jahresumsatz von über 61 Mio. Euro. In Pfohren arbeiten 200 Menschen, hier ist auch das Prüf- und Entwicklungszentrum angesiedelt. Europaweit sind insgesamt 25 Vertriebsstandorte mit Beratung und Verkauf der Mall-Produkte betraut. Markus Grimm, Sprecher der Geschäftsführung, und Markus Böll, Leiter Vertrieb und Marketing, zählen das Unternehmen zu den Marktführern in Europa, wenn es um Kläranlagen, Regenwasser- bewirtschaftung oder Ölabscheider geht. „Mall ist ein mittelständisches Unternehmen mit ex- zellentem verfahrenstechnischem Know-how für Produkte im Umwelt- und Klimaschutz“, be- werten Markus Grimm und Markus Böll das 1952 in Pfohren gegründete Unternehmen. Mit Betonrohren, Steinen, Decken und Trep- pen startete „Mall Beton“ in die Wiederaufbau- phase nach dem Zweiten Weltkrieg. Schachtringe ab 1960, vollbiologische Kläranlagen ab 1970 und Abscheidetechnik ab 1978 sind die ersten markan- ten Entwicklungsstufen des Unternehmens. Kurz darauf führen Regenwassernutzung und -bewirt- schaftung sowie der Pumpen- und Anlagenbau in eine neue, stark von Umweltfragen geprägte Ära der Firmengeschichte. 142 Das Mall-Produktprogramm • Regenwasserbewirtschaftung • Abscheider • Waschwasseraufbereitung • Kläranlagen/Kleinkläranlagen • Grauwassernutzung • Pumpen- und Anlagentechnik • Neue Energien • Schachtbauwerke • Friedhofstechnik Bilder rechts: Am Stammsitz Pfohren (o.) fertigt Mall auch die Betonelemente, die später die Anlagentechnik zum Schutz von Wasser und Böden aufnehmen. In der Mitte links wird ein Regenwasserbecken betriebsbereit gemacht. Ins Geschäftsfeld „Neue Energien“ fällt der Einbau von Pelletspeichern wie beim Bahnhof Hüfingen (Mitte r.). Unten: Herstellung eines Armierungskorbes.

Mall Umweltsysteme 143

Wirtschaft Die ca. 450 Mitarbeiter verteilen sich auf die Standorte wie folgt: 200 Mitarbeiter sind in der Firmenzentrale in Pfohren beschäftigt, 100 in Coswig, je 50 in Ettlingen und Nottuln und 50 in Ungarn. Das gute Geschäft begründet sich zu 85 Prozent auf Erfolgen, die auf dem deutschen Markt gemacht werden. Schweiz, Italien, Frank- reich, Niederlande und Dänemark sind jedoch vielversprechende Zukunftsmärkte. Umweltgesetze auf nationaler und europa- weiter Ebene waren und sind die Türöffner für vielfach patentierte Mall-Produkte. Sensibel für Fragen der Umwelt, immer ausgestattet mit neuestem verfahrenstechnischem Wissen für den Umwelt- und Klimaschutz, hat sich Mall fol- gerichtig in „mall umweltsysteme“ umbenannt. Betontechnologie höchster Qualität das Markenzeichen von Mall Das traditionsreiche Unternehmen ist mit einem Werkstoff erfolgreich, den man wunderbar für Umwelttechnik einsetzen kann: Beton. Dieser wird zu Bauwerken in allen Variationen und Grö- ßen verarbeitet – sei es in den deutschen Nieder- lassungen Pfohren, Haslach im Kinzigtal, Ettlin- gen, Coswig bei Dessau (Anhalt) und Nottuln im Münsterland oder im ungarischen Szentendre. Derzeit geht es in der ungarischen „SzeBeton AG“ vor allem um die Betonverarbeitung für Bauele- mente, die der Infrastruktur in Baugebieten oder Städten dienen: Schachtbauwerke und Beton- rohre. Betontechnologie höchster Qualität ist eines der Markenzeichen von Mall. Oft entstehen Stahlbetonbehälter, also Betonbauwerke ver- stärkt mit Bewehrungsstahl. Sie sind fugenlos, wasserdicht, befahrbar und somit stark belast- bar. Die Betonkörper mit einem Durchmesser von 80 cm bis drei Metern leisten im Zusammenspiel mit modernster Anlagentechnik hervorragende Arbeit als Kläranlage, Regenwasserspeicher oder Fett- und Öl abscheider. Aber auch Großbehälter, die aus Betonsegmenten zusammengesetzt wer- den und dann bis zu sechs Meter Durchmesser erreichen, verlassen die Werkshallen. Sie dienen als Zisternen, für Anlagen der Abscheidetechnik, 144 werden zu Klär- oder Pumpanlagen und Puffer- speichern, Sickerkammern sowie Grabkammer- systemen zusammengebaut oder für die Lagerung von Holzpellets und Hackschnitzeln verwendet. Das alles stets in Verbindung mit modernster Systemtechnik – mit Pumpen, Filteranlagen oder Ventilen, Rückstauklappen, Umstellweichen, Schiebern, Substratfiltern oder Steueranlagen zur Überwachung. Regenwasser vor Ort bewirtschaften und dabei sparen Durch die hohen Entwässerungsgebühren für belastetes Regenwasser rechnen sich Maßnah- men zur Regenwasserbewirtschaftung zuneh- mend. Das Bundesministerium für Umwelt, Na- turschutz und Reaktorsicherheit in Berlin hat für den Neubau seines Verwaltungsgebäudes in der Nähe des Potsdamer Platzes die angrenzenden Flächen saniert. Nun kann das Regenwasser nach der Behandlung durch einen Mall-Substratfilter kostenlos ins Grundwasser versickern. Mit den modernen Anlagen von Mall können selbst Abflüsse stark belasteter Verkehrsflächen in Stadtzentren so gereinigt werden, dass sie an- schließend direkt ins Grundwasser versickern dürfen. Der dreistufige Substratfilter ViaPlus von Mall ist vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) bauartzugelassen und garantiert so, dass das Grundwasser vor dem Eintrag schädlicher Stoffe geschützt wird. Durch eine nachgeschaltete unterirdische Ri- golenversickerung ist zudem kein bewachsener Oberboden für die Versickerung erforderlich und der ohnehin knappe Platz in Stadtzentren steht für andere Nutzungen zur Verfügung. Damit ent- fällt die für die Ableitung zur Kläranlage fällige Gebühr, die Betriebskosten der Immobilien sin- ken und der natürliche Wasserhaushalt profitiert gleichfalls. Markus Grimm (rechts), Sprecher der Geschäftsfüh- rung bei Mall, und Markus Böll (links), Leiter Vertrieb und Marketing, mit Betonelementen höchster Quali- tät für den Bereich Umwelttechnik.

Über 160.000 Mall-Zisternen Mit über 50 Jahren Erfahrung und mehr als 160.000 installierten Anlagen ist Mall führend bei Betonzisternen in Deutschland und Euro- pa. Die fugenlosen Stahlbetonbehälter sind aus einem Guss gefertigt und umlaufend armiert; sie sind wasserdicht und formstabil und eignen sich deshalb ideal für den Einbau im Erdreich. Mall-Betonzisternen werden komplett an- schlussfertig geliefert und direkt vom Lieferfahr- zeug in die vorbereitete Baugrube versetzt. Eine Reihe von großen Zisternen bilden zum Beispiel im Frankenstadion in Nürnberg die Grundlage für eine wirtschaftlich arbeitende Be- regnungsanlage. Und sie sorgen auch für eine zeitgemäße Regenwasserbehandlung und Ver- sickerung von Dach- und Oberflächenwasser aus 78.000 Quadratmetern in der Münchner Allianz- Arena. Auch die rund 1.000 Schüler des Lise-Meit- ner-Gymnasiums in Falkensee können sich auf einen 40 Kubikmeter fassenden Regenwasser- speicher aus dem Haus Mall verlassen, wenn sie die Toilettenspülung drücken. mall umweltsysteme Große Zisternenanlagen mit bald zwei Dut- zend Regenspeichern sorgen in Wohngebieten dafür, dass beispielsweise die Waschmaschinen nicht mit teurem Trinkwasser, sondern mit Re- genwasser betrieben werden können. Die Mall-Pelletspeicher Hüfingens alter Bahnhof, vor einigen Jahren für 1,4 Millionen Euro saniert, wurde mit sechs Fe- rienwohnungen ausgestattet sowie in einen Kul- tursaal und ein Schulmuseum verwandelt. 2006 wurde für dieses Gebäude ein großer Mall-Pel- letspeicher eingebaut und so ausreichend Lager- raum für eine moderne Holzheizung geschaffen. Der Mall-Pelletspeicher verwendet das Ent- nahmesystem „Sonnen-Pellet Maulwurf“, das speziell für die Lagerung von Pellets entwickelt wurde. Mit dieser Innovation ist die Pelletlage- rung im Pelletspeicher erstmals zuverlässig ein- setzbar. In Umkehrung der klassischen Entnahme- technik „von unten“ entnimmt der Maulwurf 145

Wirtschaft die Pellets von oben. Er ist an den Saugschlauch der Heizung angeschlossen und bewegt sich an der Oberfläche des Pelletvorrates im Pelletlager. Duschwasser-Recycling mit der Mall Grauwassernutzungsanlage Das Wasser beim Duschen, Baden oder Hände- waschen wird nur sehr gering verschmutzt. Die Hälfte des täglichen Wasserverbrauchs lässt sich mit geringem Aufwand soweit aufbereiten, dass eine Wiedernutzung möglich ist. Die Mall-Grau- wasseranlage bereitet das ge ring verschmutzte Wasser aus Dusche, Badewanne und Waschbe- cken biologisch zur Wiederverwendung auf. Die Anlage zur Grauwassernutzung bietet das Unter- nehmen für aufzubereitende Wassermengen von 600 Liter bis 13.500 Liter pro Tag an. Kommunale Kläranlagen und Kleinkläranlagen Das Pfohrener Werk ist nicht nur die Unterneh- menszentrale und das größte Werk der Mall GmbH, sondern auch Lieferant für Europas Sü- den, für die Schweiz, Österreich, Kroatien und Slowenien. Und Pfohren ist auch der zentrale Ort, an dem die Entwicklung neuer Produkte an- gesiedelt ist. Dies geschieht in Europas größtem Prüf- und Entwicklungszentrum für Abscheider, Regenwasser- und Kläranlagen. Die Entwässe- rung von Flächen in einem möglichst natürlichen Kreislauf ist bei Mall Grundlage aller Arbeitsab- läufe. Die innovative Verfahrenstechnik in den dazu erforderlichen Betonbehältnissen, „das ist unsere Technik“, unterstreicht Geschäftsführer Markus Grimm. Die Mall GmbH verknüpfte die Inbetriebnah- me des mustergültigen Prüf- und Entwicklungs- zentrums mit dem Start einer Qualitäts- und Produktoffensive. Es ist das erklärte Ziel, die Entwicklungspotenziale und Produktivität des Unternehmens und seiner Mitarbeiter durch die leistungsfähige Anlage noch besser auszuschöp- fen. In der Pipeline des Prüfzentrums befindet sich aktuell die Neuentwicklung eines Hochleis- tungsabscheiders und einer Anlage zur Behand- 146 lung von Regenwasser. Auf der neuen Prüfstre- cke können Belastungstests für Entwässerungs- anlagen mit einer Reinigungsleistung von bis zu 200 Litern pro Sekunde unter realistischen Be- dingungen durchgeführt werden. Immer häufiger müssen Hersteller von Spe- zialprodukten für Entwässerungssysteme den Nachweis liefern, dass ihre Produkte die gesetz- lichen Anforderungen erfüllen. Verschärfte Auf- lagen enthält auch das novellierte Wasserhaus- haltsgesetz, das Industrie- und Gewerbebetrie- ben sowie Kommunen vorschreibt, Regenwasser nicht mehr in den Kanal einzuleiten, sondern ge- reinigt vor Ort im Boden versickern zu lassen. Aus diesem Grund hat Mall eine zweistufige Anlage zur Behandlung von Regenwasser entwickelt, die über 90 Prozent der Schadstoffe zurückhält und so die gesetzliche Norm von 80 Prozent deutlich übertrifft. Ob industrielle oder kommunale Kläranla gen, Kleinkläranlagen, Regenwasser- und Schmutz was- seraufbereitung oder Pumpen- und Anlagentechnik für bekannte Unternehmen wie BMW oder Rit- ter Sport: Ein Team von engagierten Ingenieu- ren und Produktmanagern arbeitet in Pfohren an ständig neuen Konzepten. Geschäftsführer Markus Grimm: „Wir bieten Beratung, Entwick- lung, Produktion, Montage und die nachfolgende Wartung samt Schulung – diese Bandbreite kann in Deutschland kein zweites Unternehmen vor- weisen“. Und als weiteren wesentlichen Faktor nennt er die Langzeitbeziehung zum Kunden, die schon deshalb erforderlich ist, weil zum Bei- spiel u.a. bei der Abscheidetechnik alle fünf Jahre Generalinspektionen und Dichtigkeitsprüfungen anfallen. Und im Bereich der Fortbildung werden durch das Unternehmen europaweit bis zu 2.000 Ingenieure und Architekten pro Jahr geschult, um sie mit neuen Techniken vertraut zu machen. „Wir wollen Innovations- und Marktführer sein – Komplett- und Systemanbieter für Ent- wässerung und neue Energien“, betont Markus Grimm, Sprecher der Geschäftsführung. Ver- triebsleiter Markus Böll ergänzt: „Auch in Ni- schenprodukten gehören wir zu den Top Drei in Deutschland, mengenmäßig und qualitativ“. Die Zeichen sind bei Mall also weiter auf Wachstum Manfred Beathalter gestellt.

Mall Umweltsysteme Das Unternehmen Mall bietet eine ganze Palette an Produkten und Dienstleistungen, von denen hier nur einige präsentiert werden können. Oben links: Die Ver- kaufsbox aus Beton, die bboxx, ist sicher! Oben rechts: Einbau einer Kleinkläranlage im Schwarzwald. Mitte: Mobiplan-Verkehrsinseln eignen sich sowohl für den dauernden als auch zeitlich befristeten Einsatz. Unten: Die komplett anschlussfertigen Stahlbeton- behälter werden bundesweit geliefert und direkt an Ort und Stelle eingebaut.

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Wirtschaft Glücksschmiede für Leckermäuler Was in der Schwarzwälder Genusswerkstatt in St. Georgen hergestellt wird, ist einfach zum Reinbeißen von Roland Sprich Ein süßer Duft umschmeichelt die Geruchsnerven beim Betreten der Schwarzwälder Genuss- werkstatt am Bärenplatz. Schokolade besteht aus bis zu 600 natürlichen Aromastof- fen. Safran, Rosmarin, Chilipfeffer, gefriergetrocknete Sommerkirschen, Him- beere und viele weitere Gerüche liegen in der Luft. So muss man sich wohl das Schlaraffenland vorstellen. In den Regalen im gut klimatisierten Verkaufsraum befindet sich Schokolade in allen denkbaren Variationen. Einen Stock tiefer arbeiten Dagmar Holzer und Oliver Bittlingmaier mit ihren Mitarbeitern in der Schokoladenküche. Hier wird gegossen, dragiert und verziert. Die beiden Ma- cher der Schwarzwälder Genuss- werkstatt vereinen Kreativität und Innovation. Konfitüren, Pralinen und Torten run- den ihr Angebot ab. 149 149

Wirtschaft 150 Es heißt, Schokolade macht glücklich. Demnach ist die Genusswerkstatt eine regelrechte Glücks- schmiede. Aus drei großen „Schokobrunnen“ läuft unermüdlich flüssige Vollmilch-, Zartbit- ter- und weiße Schokolade. Daraus entstehen edle Pralinen und Trüffel oder zart schmelzende Schokotafeln in extravaganten Geschmacksrich- tungen wie Aprikose-Lavendel. Und selbst Bier- flaschen im unterschiedlichsten Schokoladen- design werden hergestellt. Hinzu kommen ty- pische Schwarzwälder Produkte wie Kuckucks- uhren, Tannenzapfen und Mini-Kirschtorten aus Schokolade und Marzipan. Diesem Angebot zu widerstehen, gelingt nicht lange. Wie das ist, wenn man in St. Geor- gen die Schokolade kostet? Man soll sie langsam auf der Zunge zergehen lassen, und „bitte nicht beißen“, so die Fachfrau Dagmar Holzer. Beim Schmelzen gibt die Schokolade im Mund näm- lich einen ganzen Strauß von Aromen frei. Der Geschmack hält auch dann noch an, wenn der Mund wieder leer ist – das spricht für die Qualität der Produkte. „Wir produzieren alles selbst“ Seit fünf Jahren sorgen Holzer und Bittlingmaier mit ihrer Schwarzwälder Genusswerkstatt in St. Georgen für sowohl optisch als auch ge- schmacklich originelle und ungewöhnliche Scho- koladenkreationen. Im November 2008, mitten in der Wirtschaftskrise, übernahmen sie die Fir- ma aus einer Insolvenz heraus und entwickelten das Konzept weiter. Bereits davor kannten sich die Konditorinnenmeisterin und der Konditor- meister. Beide sind im Vorstand des Condi-Crea- tiv-Clubs aktiv, einer Organisation von 61 Spit- zen-Konditoren aus ganz Deutschland. „Wir produzieren alles selbst, mit besten Rohstoffen und in höchster Qualität“, erklärt Oli- Oben: Oliver Bittlingmaier und Dagmar Holzer. Mitte: Schwarzwälder-Kirschtorte im Mini-Format. Unten: Auch die Verpackung der Produkte ist hochwertig, unterstreicht ihre außergewöhnliche Qualität – nicht nur die der köstlichen Trüffeln.

In der Schwarzwälder Genusswerkstatt — ein Verkaufsraum voller süßer Köstlichkeiten. ver Bittlingmaier. So versteht es sich von selbst, dass auch die Schokolade eine spezielle „Hol- zer-Bittlingmaier-Mischung“ ist, die sie aus ver- schiedenen Schokoladensorten extra in einem Kontor in Lübeck nach ihrem eigenen Rezept mischen lassen. Wobei die genaue Zusammensetzung der einzelnen hochwerti- gen Rohstoffe natürlich ein gut gehütetes Geheimnis bleibt. Ganz anders der Forestero, der als Golden Deli- cious der Schokoladenbranche bezeichnet wird. Neben einem Repertoire von rund 50 Trüffel- sorten mit knackiger Hülle und einem feincre- migen Kern gibt es Schokolade in unzähligen Varianten. Auch die Jahreszeiten spiegeln sich wider. Es gibt Süßes zur Fastnacht, zum Valen- tinstag, zu Ostern, zum Früh- lingsanfang oder Herbst, der in Form von Kastanien und Kürbissen aus Marzipan Einzug hält. Verraten wird aber, dass die beiden Schoko- ladenmacher am liebsten zum Criollo, dem Kreolen Kakao greifen. Er wächst in den Hochlagen vor allem Ecuadors und Venezuelas und gilt als der beste dunk- le Edelkakao der Welt. Und natürlich dürfen die klassischen Schokoladenweih- nachtsmänner nicht fehlen. „Über das Jahr gesehen haben wir rund 800 verschiedene Formen im Gebrauch“, er- zählt Dagmar Holzer. Und selbst die „klassischen“ Schokofiguren wie der 151

Wirtschaft Oliver Bittlingmaier präsentiert eine Schallplatte aus Schokolade, die das Badnerlied spielt. Oster hase oder der Weihnachtsmann heben sich durch ein individuelles Aussehen ab. Wo sonst trägt der Osterhase einen Schwarzwälder Bollen- hut auf dem Kopf? Immer wieder neue Ideen reifen heran Angst, dass die Ideen eines Tages ausgehen könn- ten, hat das eingespielte Team nicht. „Wir haben mehr Ideen, als wir umsetzen können“, versichern die beiden. Die Ideen entstehen im ständigen Dia- log, an dem die Mitarbeiter beteiligt sind. Auch sorgen die Kunden dafür, dass die kreativen Köpfe der Schwarzwälder Genusswerkstatt immer was zu tun haben. Oft kommen sie mit dem Wunsch, 152 für einen bestimmten Anlass ein ideenreiches Ge- schenk aus Schokolade zu kreieren. Selbstredend, dass für eine Oscar-Verleihung im Rahmen einer Schulfeier die in Hollywood begehrten Statuen aus Vollmilchschokolade nachgestaltet werden. Auch eine Schallplatte aus Schokolade gibt es. Der Clou: Wenn man die Schokoplatte auf einem Plattenspieler abspielt, erklingt tatsächlich das „Badnerlied“. Ihr Handwerk haben Dagmar Holzer und Oliver Bittlingmaier von der Pike auf gelernt. Dagmar Holzer wurde 1997 zur Konditorin des Jahres gekürt, gerade mal ein Jahr, nachdem sie ihre Meisterprüfung abgelegt hat. 1999 wurde sie Fünfte bei der Konditorenweltmeisterschaft in Lyon, Frankreich. Oliver Bittlingmaier verfeinerte sein Hand- werk in verschiedenen Häusern in Deutschland, darunter in der „Traube“ Tonbach in Baiers- bronn, und wurde 1995 Vize-Konditor des Jahres. In Bad Dürrheim gründete er die Schwarzwälder Konfitüren, spezialisiert sich auf die handwerk- liche Herstellung feinster Marmeladen und Auf- striche. Kein Wunder, dass der erste Lehrling, den das Duo ausbildete, die Gesellenprüfung als Gesamt- sieger mit der Traumnote 1,0 bestand. Kunstvolle Torten, köstliche Konfitüren Schokolade und Trüffeln sind nicht die einzigen Leckereien, die in der Genusswerkstatt in immer neuen Variationen entstehen. Als Konditoren- meister beherrschen Holzer und Bittlingmaier selbstverständlich auch die Kunst des Kuchen- backens und die Gestaltung feinster Torten. Fan- tasievolle Hochzeitstorten entstehen, auf Bestel- lung werden weitere Motivtorten und verschie- dene Mousse-Torten gebacken. Eine Spezialität an Weihnachten sind das traditionelle Hutzel- brot und der Christstollen. Auch Fruchtaufstriche ge hören zum Repertoire. Rund 40 Sorten Kon- fitüren und Gelees, die nur in kleinen Mengen hergestellt werden, stehen im Regal. Der Betrieb ist zwar mehr Manufaktur als Café, im hinteren Teil des Verkaufsraums befinden sich aber auch vier kleine Tische, akkurat flankiert von

Dagmar Holzer und Oli- ver Bittlingmaier bei der Arbeit – Kunstwerke aus Schokolade entstehen. acht Polstersesseln – hier werden Kaffee, Tee und Trinkschokolade an Trüffel oder Praline ser- viert. Schokoladenseminar in der Genusswerkstatt Für Freunde der süßen Verführung bieten Oliver Bittlingmaier und Dagmar Holzer in ihrer Schwarz- wälder Genusswerkstatt ein Seminar rund um das Thema Schokolade an. Die beiden Konditormeis- ter nehmen die Teilnehmer mit auf eine unter- haltsame Geschmacksreise. Hier erfährt man, welche Qualitätsmerkmale und Schokoladensor- ten es gibt, wie die Rohstoffe verarbeitet werden und warum Schokolade glücklich macht… In dem rund zweistündigen Workshop stellt man selbst Pralinen bzw. ein saisonales Produkt her. Und das gleiche gibt es auch für Kinder, beispielsweise als Überraschung für die Gäste des Kindergeburtsta- ges. Die Kinder machen in der Genusswerkstatt ihre Schokolade einfach selbst! „Wir essen jeden Tag Schokolade“ Drängt sich die Frage auf, ob man überhaupt noch Schokolade essen kann, wenn man tagtäg- lich mit dem süßen Material zu tun hat? Diese Frage stellt sich für Dagmar Holzer und Oliver Bittlingmaier nicht. „Ja, wir essen jeden Tag Schokolade“, versichern sie. Und ist im Urlaub mal nicht ständig Schoko- lade greifbar, bekommen sie richtig Entzug. „Wir lieben es nun mal süß“, lachen sie. Und man sieht es den Geschäftspartnern an – Schokolade macht wirklich glücklich. Weitere Infos gibt es unter: www.schwarzwaelder-genusswerkstatt.de Kleine Schoko-Kunstwerke. 153

Wirtschaft Die Skiwerkstatt Wehrle Auf dem Raben bei Furtwangen gehören auch Schwarzwaldadler wie Sven Hannawald zur Stammkundschaft – 1930 eröffnet von Matthias Winter Die Skiwerkstatt Wehrle auf dem Raben ist eine Furtwanger Institution – und eine der ältesten Skiwerkstätten des Schwarzwaldes. Damit man beste Skitechnik zur Verfügung hat, besten Service bekommt – oder eine Reparatur erhält, die sonst keiner macht, stehen die Kunden von Franz Wehrle „gerne“ auch mal in der Schlange. Selbst Sven Hannawald gehört zu den Kunden. Vor der Wintersaison, und wenn der Schnee frisch gefallen ist, herrscht auf dem Raben jedenfalls Hochbetrieb. Jeder will seine Ski gewachst, braucht eine neue Bindung oder neue Skier. Dann ist Geduld nötig – Zeit für ein Schwätzchen. Und: Wer außer Landwirten kann heute noch direkt an seinem Arbeitsort wohnen? Auf Franz Wehrle trifft das zu. Der gelernte Schreinermeister wohnt in dem Haus, in dem er auch eine florierende Skiwerkstatt samt Verkauf betreibt. Die Lage ist idyllisch. Die Skiwerkstatt der Wehrles liegt auf der Rabenhöhe direkt neben dem Sträß- chen, das von Furtwangen zum Hausberg Brend empor führt, gleich nach dem Hotel Goldener Ra- be, links auf der anderen Straßenseite. Auf über 1.000 Metern Höhe und einigermaßen abgelegen würde man nicht unbedingt ein gut gehendes Geschäft vermuten. Allerdings: Die Fernskiloipe Schonach – Belchen führt nur wenige Meter hin- ter dem Haus vorbei. Und auf ihr sind im Winter zahlreiche Kunden von Franz Wehrle unterwegs. Der erste Ski-Boom bescherte den Anfang Angefangen mit dem Ski-Bau hat freilich der Vater Hermann, das war bereits im Jahr 1930, der Zeit des ersten Ski-Booms. Auch er war ein Schreinermeister und hatte irgendwann damit begonnen, für Freunde auch Skier herzustellen. Auf Grund einer Anzeige sah er sich jedoch spä- ter gezwungen, dafür ein Gewerbe anzumelden. Und bis ins Jahr 1950 hat er die Skier in seiner Franz Wehrle mit einem noch vom seinem Vater Her- mann gefertigten Massivholzski und Haselnuss-Stock. 154 154 Rechts: Der Ski-Wehrle im Winter.

Skiwerkstatt Wehrle Furtwangen 155

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Skiwerkstatt Wehrle Furtwangen Werkstatt komplett selbst angefertigt, ebenso die Stöcke. „Die Werkzeuge dafür sind noch vor- handen“, berichtet Franz Wehrle. Die hier gebau- ten Skier wurden damals noch aus Massivholz hergestellt. Als Holz wurde Esche verwendet, die Stöcke waren dagegen aus Haselnuss. Doch bald nach dem Zweiten Weltkrieg ka- men Skier auf, die maschinell aus mehrfach ver- leimtem Material gefertigt wurden. Hermann Wehrle verlegte sich daraufhin auf den Verkauf und die Reparatur von Skiern. Damals gab es noch keine Sicherheitsbindun- gen, diese Funktion wurde gleichsam durch den Ski selbst übernommen. Denn der brach bei ex- tremer Belastung einfach durch. „Oft waren es die Skispitzen“, erinnert sich Franz Wehrle. Dann wurde der Ski einfach an der Bruchstelle abgesägt und ein Rohling mit einer neuen Spitze darauf gesetzt. Inklusive der Firmenschildchen, damit es wie neu aussah. „Manchmal brachte jemand aus Furtwangen seinen Ski zur Reparatur und fuhr, wenn alles fertig war, mit den reparierten Skiern zurück in die Stadt, da brach unterwegs der zwei- te Ski und er kam gleich wieder zurück“. Gründer Hermann Wehrle mit drei seiner sieben Kin- der in der Skiwerkstatt, 1950er-Jahre. Unten: Der „Ski- Wehrle“ auf dem Raben bei Furtwangen in einem Winter der 1920er-Jahre. Alfred Wehrle beim Wachsen von Langlaufskiern. Spit- zensportler und Hobby-Skiläufer weit über die Region Furtwangen hinaus nutzen die Dienste des Experten. Die Eltern hatten sieben Kinder, sie mussten das Geld zusammen halten und betrieben neben der Schreinerei eine kleine Landwirtschaft, die Mut- ter Klara hatte in dem Haus einen Tante-Emma- Laden eingerichtet. Da gab es alles, was man zum täglichen Bedarf so brauchte, bis hin zu diversen Knöpfen. Alfred Wehrle hat sich auf den perfekten Schliff von Langlaufskiern spezialisiert Franz Wehrle selbst besuchte mit 22 Jahren die Meisterschule für Schreiner und übernahm 1985 die Werkstatt und den Schreinerbetrieb, nach- dem sein Vater 1984 verstorben war. Auch sein Bruder Alfred, der mit ihm die Werkstatt betreibt, ist Schreinermeister. Er hat sich auf den richtigen Schliff für Langlaufskier spezialisiert und hat für diese Fähigkeit einen hervorragenden Ruf im ganzen Schwarzwald. Für diese Arbeiten steht in der Werkstatt eine Schleifmaschine, die aber nicht automatisch funktioniert, sondern je nach Bedarf von Hand eingestellt werden muss. „Das ist wie der Reifen 157

Wirtschaft Gerüstet für die neue Saison: Bei Ski-Wehrle herrscht eine urig-professionelle Atmosphäre. Gerade das lie- ben nicht nur die Furtwanger, sondern Skifreunde aus dem ganzen Schwarzwald. beim Autofahren“, erklärt Franz Wehrle. Bei ganz trockener Straße wäre ein Reifen ganz ohne Pro- fil optimal, bei Nässe aber hoch gefährlich. Deshalb muss sich der Schliff auch nach der Witterung beziehungsweise Schneebeschaffen- heit richten. Das optimal zu bewerkstelligen, ist eine hohe Kunst. Man kann aber einen Belag auch einfach auf möglichst hohe Geschwindig- keit schleifen. Deshalb waren früher alle Elite- sportler des Skiinternats bei Wehrle, sie wollten möglichst schnelle Skier. Selbst Sven Hannawald war einmal mit seinen Sprungskiern da, erinnert sich Wehrle. Allerdings musste das damals ge- heim bleiben. Mund-zu-Mund-Propaganda verhilft zu einem großen Einzugsbereich Heute betreibt Franz Wehrle mit seinem Bruder aber auch einen großen Skiverleih, vor allem für Kinder werden Skier oft für die ganze Saison ge- mietet, um nicht ständig neue und längere Ski- 158 er anschaffen zu müssen. Alleine in der Saison 2012/13 waren 250 Kinderskier im Umlauf. Die Kunden der Skiwerkstatt kommen aus einem riesigen Einzugsbereich, sie erfahren von dem Geschäft oft durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Die Bedeutung von Ski-Wehrle wird auch da- raus ersichtlich, dass die Firma Fischer im Lang- laufbereich im gesamten Schwarzwald lediglich drei Geschäften das Prädikat „Racing-Center“ verliehen hat – eines davon ist Wehrle. Und das hat seinen Grund: „Bei uns wird je- der Ski nach dem genauen Gewicht ausgemes- sen“, erklärt Franz Wehrle. Der Ski muss nämlich gerade die richtige Spannung haben, so dass er ausschließlich beim Abdruck und bei Belastung voll durchgedrückt wird, dadurch muss die Lauf- fläche in den Schnee gedrückt werden. Ist der Ski für ein falsches Gewicht ausgelegt, funktioniert das nicht mehr optimal. Pauschale Gewichtsbe- reiche über fünf oder mehr Kilogramm für Lang- laufskier sind für Franz Wehrle zu ungenau. Der Skibelag besteht aus Polyäthylen, das mit Poren für Wachs versehen ist. Es gibt aber auch Ski- er mit einer Steighilfe, die lediglich mit einem Spray versehen werden, um den Schmutz abzustoßen. Skier werden bei Wehrle kostenlos umge- tauscht, wenn der Kunde damit nicht zufrieden ist, „Kulanz ist für uns ganz wichtig.“

Skiwerkstatt Wehrle Furtwangen Geschlossen ist bei „Ski-Wehrle“ nur am ersten Weihnachtsfeiertag Nach wie vor ist aber die Reparatur von Skiern ein wichtiges Standbein des Betriebs und dafür ist vor allem im Sommer Zeit. Noch bis vor einigen Jahren wurde der Betrieb in der warmen Jahreszeit auf Schreinerei umgestellt. Doch das lohnte sich nicht mehr, die Kunden gerade beim Möbelbau brachen weg. Es werden eher neue Möbel gekauft, als dass die alten Stücke repariert werden.„Beim Ausbes- sern von Skiern hilft uns aber unsere handwerk- liche Ausbildung“, betont Franz Wehrle. Und so werden manchmal auch Reparaturen angenom- men, wo es anderswo heißen würde: „Weg mit dem Ski“. Auch die Leih-Skier müssen im Sommer wieder auf Vordermann gebracht werden. Dennoch gibt es in dieser Jahreszeit arbeits- mäßig ein wenig Luft, Franz Wehrle hat auch mal Muße, sich aufs Rennrad oder Mountain-Bike zu schwingen und seinem Hobby zu frönen. Aber auch das Holz für den Winter muss ge- macht werden. Und im September kommen be- reits die ersten Lieferungen der neuen Modelle an. Diese Lieferungen läuten den Saisonbeginn ein. Die „Sommerruhe“ ist jetzt vorbei, es heißt nun wieder jeden Morgen um 5 Uhr aufzustehen, die Saison ist da – Dauerarbeit ist angesagt. Und ganz geschlossen ist das Geschäft dann nur noch an einem einzigen Tag, nämlich am ersten Weih- nachtsfeiertag. In seinem Elternhaus fühlt sich der 62-jährige Franz Wehrle nach wie vor sehr wohl. Und er will das Geschäft auch noch einige Zeit betreiben. Wann das Haus gebaut wurde, weiß man nicht genau, sein Vater hat aber einmal einen Balken mit der Jahreszahl 1603 gefunden. Mög- lich ist, dass das Haus einst als Leibgeding oder Gesindehaus für den ein Stück tiefer liegenden Hof (heute Familie Fehrenbach) gebaut wur- de. Bekannt ist lediglich, dass die Heimat der Wehrles noch vor 100 Jahren eine Uhrmacher- werkstatt beherbergte. Franz Wehrle ist überzeugt, dass eine gedul- dige Beratung des Kunden, Fachwissen und ein guter Service nach wie vor die besten Grundla- gen für das Geschäft sind. Dazu kommt Kulanz in berechtigten Fällen. „Die wichtigsten Eigen- schaften in der Hinsicht habe ich von meinem Vater gelernt“, stellt er rückblickend fest. Auch wenn er in der Meisterschule ebenfalls etwas über Kundenpsychologie erfahren hat. Somit gilt für Franz Wehrle das Motto auf sei- ner Internetseite: „Zugegeben: Leicht zu finden sind wir nicht – aber auch nicht leicht zu über- treffen!“ 159

5. Kapitel Verkehr und Technik Die Schwarzwaldbahn 36 Tunnels: Aufwendigste Strecke im Netz der Deutschen Bahn – 11 Millionen Fahrgäste jährlich von Bernward Janzing mit Fotos von Wilfried Dold und Frank D. Paßlick Ortstermin bei der Schwarzwaldbahn – ein klei- ner Scherz zur Begrüßung: „Eigentlich müssten wir die Strecke zwischen Hausach und St. Georgen sofort stilllegen“, sagt Karl Bolli. Denn niemals werde sie kostendeckend zu betreiben sein – die Bergstre- cke mit ihren 36 Tunnels ist schließlich eine der auf- wendigsten Eisenbahnstrecken im Netzgebiet der Deutschen Bahn. Dirk Andres, gebürtiger Freiburger und der für diese Strecke zuständige Bahnmanager der DB Regio, schmunzelt. Aber zugleich ist sie eben auch eine der reizvollsten – landschaftlich wie bau- technisch gesehen. Und so will sie natürlich niemand stilllegen, Bolli schon gar nicht. Der 54-Jährige ist Leiter der Betriebsführung der Deutschen Bahn – und ein Bähnler von ganzem Her- zen. Aber er ist auch jemand, der gerne mal drasti- sche Worte benutzt. Denn in der Tat war nicht nur der Bau der Schwarzwaldbahn in den 1870er Jahren durch den Ingenieur Robert Gerwig eine Meisterleis- tung, auch ihr Betrieb ist eine Herausforderung, technisch wie finanziell. Karl Bolli, Deutsche Bahn, und Dirk Andres, DB Regio, inspizieren die Gleise beim Bahnhof Villingen. 160 160

Schwarzwaldbahn Ausfahrt aus dem Großen Triberger-Kehrtunnel mit Blick zum Wärter- posten 60 – heute das Wohnhaus eines Eisenbahnliebhabers. Tag für Tag fahren hier an die 50 Züge vorbei. 161

Geschichte und Uhrengeschichte Verkehr und Technik 1.698 Meter geradeaus durch den Sommerau-Tunnel – in der Ferne ist als kleiner Lichtpunkt das Tunnelende auszumachen. Die Notfallbeleuchtung ist der ca. drei Millionen teuren, sicherheitstechnischen Nachrüstung zu verdanken, die etwaige Rettungseinsätze deutlich erleichtert. Sommerau-Tunnel: Für gut drei Millionen Euro sicherheitstechnisch nachgerüstet melsbacher-Tunnel und der Große Triberger- Tunnel, doch sie bleiben mit 912 beziehungswei- se 835 Metern unter der besagten Marke. Jüngster Beleg für die aufwendigen Arbeiten: Der Sommer au-Tunnel – mit 1.698 Metern der längste der Schwarzwaldbahn – wurde für gut drei Millionen Euro sicherheitstechnisch nach- gerüstet. Denn bei Tunnellängen ab 1.000 Me- tern gelten inzwischen verschärfte Sicherheits- vorschriften. So wurde an den beiden Tunnel- portalen jeweils ein aufwendiger Rettungsplatz angelegt, es wurde ein Löschwasserbehälter in stalliert und über die ganze Tunnellänge eine Notfallbeleuchtung. Das alles ist schnell erzählt, aber in der Ausführung sehr aufwendig. Der Sommerau-Tunnel ist der einzige der Schwarzwaldbahn, der die 1.000-Meter-Marke überschreitet und daher den verschärften Vor- schriften unterliegt. Die nächstgrößten Tunnel zwischen Offenburg und Villingen sind der Grem- 162 Von Kilometer 47 bis Kilometer 107 verläuft die Bahn im Schwarzwald-Baar-Kreis Teuer sind aber nicht nur die Tunnel, teuer ist auch der gesamte Unterhalt der Strecke. Alleine für die regelmäßige Instandhaltung der gut 50 Kilometer langen Gleisstrecke von Hausach bis Villingen seien jährlich 3,5 Millionen Euro nötig, führt Karl Bolli aus. Und während er das vorrechnet, sind im Raum Triberg mal wieder Industriekletterer an den Felsen zugange, um die steilen Wände zu sichern. Denn ohne regelmäßige Felsarbeiten droht hier Steinschlag. „Wir haben eben ein fast alpines Gelände“, sagt Bolli, der als gebürtiger

Die Schwarzwaldbahn verlässt den Sommerau-Tunnel in Richtung St. Georgen. Im computergesteuerten Füh- rerstand hat der Lokführer alle Angaben zum Tunnel und zur Strecke stets im Blick. Unten links eine Übung der Rettungskräfte im 1.700 Meter langen Tunnel. Unten rechts: Industriekletterer sichern steile Wände entlang der Schwarzwaldbahn. « Von Kilometer 47 bis Kilometer 107 verläuft die Schwarzwaldbahn im Schwarzwald­Baar­Kreis – teils in fast alpinem Gelände. Insgesamt 11 Mio. Fahrgäste nutzen sie jähr­ lich, 5,5 Mio. werden allein auf der Strecke Offenburg­Singen gezählt. Die Bahn ist eine der Hauptachsen im südwest­ deutschen Schienenetz. » Hüfinger nicht nur im Bahnmetier, sondern auch im Schwarzwald-Baar-Kreis fest verwurzelt ist. „Von Kilometer 47 bis Kilometer 107 verläuft die Bahn im Schwarzwald-Baar-Kreis“ – solche Da- ten schüttelt der Bezirksleiter immer wieder aus dem Ärmel. Man gewinnt dabei den Eindruck, dass Bolli jede Bahnschwelle in seinem Bezirk persönlich kennt. Und um die anfängliche Sache mit den enor- men Kosten der Bergstrecke dann ins rechte Licht zu rücken, sagt er schließlich: „Insgesamt rech- net sich die Schwarzwaldbahn sehr wohl.“ Mit rund 11 Millionen Fahrgästen im Jahr, davon die Hälfte auf der Strecke Karlsruhe- Offenburg, die andere auf der eigentlichen Strecke Offenburg- Konstanz, stehe sie gut da. Schließlich ist sie als Verbindung zwischen dem Bodensee und der Rheintalstrecke eine Hauptachse im südwest- deutschen Bahnnetz. Oder, wie man zur Bauzeit sagte, eine Achse des Weltverkehrs. 163

Mächtig lang: 650 laufende Meter Eisenbahnwag- gons vollgeladen mit dem Getränk Red Bull. Der Zug befindet sich auf dem Weg zum Containerhafen. Die Aufnahme entstand bei St. Georgen. Vor allem seit 2006 hat sie an Attraktivität gewonnen, was sich an den gestiegenen Fahr- gastzahlen zeigt. Auf der Strecke Karlsruhe- Offenburg nahmen die Passagierzahlen vor allem unter der Woche zu, im touristischen Ab- schnitt Offenburg-Konstanz vor allem am Wo- chenende. Vergleichszahlen gibt es aus dem Jahr 2003; damals waren rund 9 Millionen Fahrgäste auf der Schwarzwaldbahn gezählt worden. Die Verkehrsleistung lag vor zehn Jahren bei 3,2 Millionen Zugkilometern im Jahr, heute absolviert die Bahn-Tochter DB Regio zwischen Karlsruhe und Konstanz etwa 3,35 Millionen Zug- kilometer im Auftrag des Landes Baden-Würt- temberg. Auf Teilstrecken der Schwarzwaldbahn fahren aber noch weitere Züge, so etwa der Ring- Zug zwischen Villingen und Donaueschingen. Ferner hat das Land bei der schweizerischen SBB zusätzlich rund 1,05 Millionen Zugkilometer für den sogenannten „Seehas“ bestellt, der zwi- schen Konstanz und Engen verkehrt. Und zwi- schen Offenburg und Hausach fährt außerdem noch die Ortenau S-Bahn. 164 Zweimal die Woche rollt ein 650 Meter langer Red Bull-Güterzug über die Schwarzwaldbahn Unter der Schwarzwaldbahn im engeren Sinne versteht man immer die Bergstrecke, die weitest- gehend im Schwarzwald-Baar-Kreis verläuft. Mit 7.200 PS sind dort im Personenverkehr heute die Loks der Baureihe 146 und im Güterverkehr jene der Baureihe 185 unterwegs. Denn auch der Gü- terverkehr ist auf der Schwarzwaldbahn weiter- hin gut vertreten – und zwar aktuell mit zehn Güterzügen pro Tag. Wenn Karl Bolli, der Leiter der Betriebsführung, vom Güterverkehr über den Schwarzwald spricht, dann verweist er – nicht ohne Stolz – gerne auf den Red Bull-Zug. Das bekannte Koffein-Getränk aus Österreich wird zweimal wöchentlich mit einem separaten Zug von Bludenz über die Sommerau nach Bremer- haven gefahren – für den Export in die ganze Welt. Der Zug ist 650 Meter lang. Allerdings sieht man ihm seine Fracht nicht an, es handelt sich um einen üblichen Güterzug – aber eben voll be- laden mit Red Bull (siehe Foto). Und es gibt weitere Frachtkunden hier, so einen, der Kies von Friesenheim nach Villingen transportiert. Auch Holz- oder Benzin- und Heiz- öltransporte sind die Regel. Noch mehr Güter- verkehr wäre möglich, würden die schmalen Tunnelprofile und der geringe Gleisabstand von

nur 3,60 Meter auf der Bergstrecke nicht den Transport von EU-Standardcontainern verhin- dern. Hierfür wären vier Meter nötig. Aber die Situation lässt sich nicht ändern; Gerwig hatte den geringeren Gleisabstand gewählt, weil die- ser den Tunnelbau erleichterte, zugleich für Per- sonenzüge aber noch gut ausreicht. Leistungsfähig ist die Strecke gleichwohl, auch für den Güterverkehr. Mit Doppeltraktion kann ein einzelner Güterzug hier bis zu 1.700 Ton- nen über den Schwarzwald ziehen – eine beacht- liche Menge auf einer Gebirgsstrecke. Auch als mögliche Ausweichstrecke für Castor-Transporte war die Schwarzwaldbahn einst vorgesehen. Für den Fall, dass andere Bahnstrecken wegen Blo- ckaden durch Atomkraftgegner einen Transport der umstrittenen Fracht auf dem Teilstück von Kehl nach Kornwestheim nicht erlaubt hätten. Deutsche Bahn investiert 80 Millionen Euro in elf Lokomotiven der Baureihe 146 Im Personenverkehr unterdessen hat sich viel geändert in den letzten Jahren – am 10. Dezem- ber 2006 nämlich mit dem alljährlichen Fahr- planwechsel begann auf der Strecke eine neue Zeitrechnung. Zuvor war im Zuge der europäi- schen Marktliberalisierung im öffentlichen Ver- kehr eine Ausschreibung des Bahnbetriebs not- wendig geworden. Sie erfolgte europaweit – und unter drei Bewerbern erhielt die etablierte Deut- sche Bahn den Zuschlag. Das Nachsehen hatten die Firma Connex, die heute als Veolia Verkehr firmiert, sowie ein Konsortium aus Südwestdeut- scher Verkehrs AG (SWEG), Hohenzollerischer Landesbahn, Albtal-Verkehrs-Gesellschaft und einer Tochter des schweizerischen SBB. Für die Zeit bis 2018 erhielt die Deutsche Bahn nun die Konzession – und startete damit in eine neue Ära auf dieser außergewöhnlichen Bahn- strecke. Das Unternehmen hatte sich im Rahmen der Ausschreibung verpflichtet, 80 Millionen Euro zu investieren – in immerhin elf neue Loks der Baureihe 146, den „Europameister der Zuver- lässigkeit“, wie es bei der Bahn gerne heißt. Die neue Lok ist ein Meilenstein der E-Trak- tion: Die Baureihe 146 hat gegenüber der älteren Baureihe 143, die zum Beispiel auf der Höllen- talbahn noch überwiegend eingesetzt wird, den großen Vorteil, dass sie elektrisch bremsen kann. Dann speist sie während der Talfahrt Strom zu- rück ins Netz: „26 Prozent der Antriebsenergie gewinnen wir auf diese Weise auf der Schwarz- waldbahn zurück“, sagt Dirk Andres. Er ist seit 2004 der für diese Strecke zuständige Bahnma- nager der DB Regio – und daher das Gesicht der neuen Schwarzwaldbahn. 165

Verkehr und Technik Unter der Führung des gebürtigen Kon- stanzers wurden 2006 zum Fahrplanwechsel 36 Doppelstockwagen der Firma Bombardier angeschafft, die zuvor schon im Höllental und auf der Rheintalstrecke von den Fahrgästen gut angenommen wurden. Die Zeit der berühmten, aber von den Fahrgästen immer weniger ge- schätzten „Silberlinge“ ging damit zu Ende. Die neuen „Dostos“, wie Bähnler die Doppelstöcker liebevoll nennen, verkehren seither zwischen 6 und 22 Uhr im Stundentakt. Und oft nicht nur bis Kon stanz, sondern weiter bis Kreuzlingen, um dort an das leistungsfähige Schweizer Bahnnetz anzuknüpfen. Eine „Erfolgsgeschichte“ nennt man die Doppelstockwagen bei der Bahn heute. Der Verzicht auf die Spitzkehre hat die Schwarzwaldbahn über die Jahrzehnte gerettet Was für ein Glück auch, dass Baumeister Gerwig damals diese günstige Trasse für die Schwarz- waldbahn wählte. Man stelle sich vor, es wäre stattdessen der erste Entwurf der Sommerau- linie realisiert worden: Von Hornberg kommend liefe der Zug durchs Gutachtal in Triberg ein, würde dort in einer Spitzkehre seine Fahrtrich- tung wechseln, sich östlich von Triberg am Hang hinauf schieben, dort erneut in einer Spitzkehre ankommen, um dann gen Nußbach weiterzufah- ren. Dabei wären Steigungen bis zu drei Prozent zu überwinden gewesen – undenkbar für eine leistungsfähige Fernbahnverbindung. Mancher Planer glaubte seinerzeit zwar, die Kopfstationen mit zwangsläufigem Fahrtrich- tungswechsel seien nicht von Nachteil, doch der Entwurf, den Oberbaurat Johann Sauerbeck schon 1846 vorgelegt hatte, musste kräftig über- arbeitet werden. Der Auftrag ging nun erst an Robert Gerwig, der die Kopfstationen beseitigte und die maximale Steigung von drei auf 2,5 Pro- zent reduzierte. Aber auch das war noch nicht die Endfassung, denn diese Variante sah noch eine volle Spirale in einem Tunnel vor, mit einem Ra- dius von nur 180 Metern. Gerwig tüftelte weiter, reduzierte die Steigung schließlich auf nur noch zwei Prozent und weitete die Kurvenradien auf mindestens 300 Meter auf. Die Spirale konnte 166 Fahrkartenberatung und -verkauf per Videokon- ferenz – im Bahnhof Triberg ist das möglich. Die DB Regio testet, wie die Fahrgäste diesen Service annehmen. Der Mitarbeiter der Bahn sitzt in Villingen, der Fahrgast steht in Triberg in einem „virtuellen Schalter“. Schwarzwaldbahnmana- ger Dirk Andres, der die „neue Schwarzwald- bahn“ maßgeblich mitkonzipiert hat, fungiert als Testkäufer (rechts). zudem entfallen. Gerwigs geniale Lösung: Er fügte zwei Doppelschleifen ein, die teilweise in Tunnels verliefen. Einfacher wäre zwar eine grundsätzlich an- dere Linienführung von Offenburg über Hau- sach, Schiltach und Schramberg nach Villingen gewesen, doch sie hatte einen gravierenden Nachteil: Sie führte ein kleines Stück über würt- tembergisches Gebiet – aus badischer Perspekti- ve also „durch das Ausland“. 1864 fiel daher der Entschluss zugunsten der Sommeraulinie. Die von Gerwig gefundene Lösung erfüllte nun alle Anforderungen. Und der Verzicht auf die Spitzkehren, das muss man heute wohl sagen, hat die Schwarzwaldbahn über die Jahrzehnte gerettet und auch für die Zukunft ihren Bestand gesichert. „Hätte man die Spitzkehren gebaut, gäbe es die Schwarzwaldbahn heute bestimmt nicht mehr“, sagt Bahnmanager Andres. Ein ent- sprechendes Beispiel einer Nebenstrecke gab es schließlich in der Region: Die Linie von Kappel- Gutachbrücke (bei Neustadt im Schwarzwald) nach Bonndorf musste bei Lenzkirch eine Spitz-

Schwarzwaldbahn Die Tunnelstrecke zwischen Triberg und St. Georgen auf einer historischen Panorama- karte. Die Höhendifferenz ist enorm: Liegt Hausach um 232 m hoch, befindet sich der Triberger Bahnhof bereits auf 600 m und der höchste Punkt der Bahnstrecke, die Somme- rau, auf 832 m Höhe. Das sind von Hausach aus gesehen ca. 600 und von Triberg aus ca. 232 Höhenmeter, die es zu überwinden gilt. Dennoch gelingt es Robert Gerwig, mit zwei Doppelschleifen die Stei- gung auf nur zwei Prozent zu beschränken. kehre überwinden. Das machte die Strecke auf- wendig im Betrieb. Da sie zudem in Bonndorf als Stichstrecke endete, wurde sie im Jahr 1977 dicht gemacht. Natürlich war die Schwarzwaldbahn, die als Durchgangsstrecke angelegt ist, stets von anderem Kaliber. Doch Spitzkehren hätten ihr aber auf Dauer wohl keine Chance gelassen. Als „Europameister an Zuverlässigkeit“ gilt die Bau- reihe 146: Die Lok kann elektrisch bremsen und wäh- rend der Talfahrt elektrische Energie zurück ins Netz speisen. Hier ist die Lok aus dem Schieferhalde-Tunnel kommend in Richtung Sommerau-Tunnel unterwegs. Mit sechs Personenzügen täglich im Jahr 1873 gestartet – heute sind es 36 Und so spricht Schwarzwaldbahnmanager Dirk Andres voll Ehrfurcht von der Genialität Robert Gerwigs, dessen Bahnlinie am 10. November 1873 den Personenverkehr aufnahm. Güterzüge ver- kehrten bereits einige Tage zuvor, weil sie lang- samer fuhren, und man sie auch zur Schulung der Lokführer nutzte. Das Tempo der Personenzüge war damals gering im Vergleich zu heute: Der Schnellzug zwischen Offenburg und Singen erreichte im ers- ten Betriebsjahr eine Reisegeschwindigkeit von 36 Kilometern pro Stunde; für die 149 Kilometer 167

Verkehr und Technik Das wirklich Neue an der Schwarzwald- bahn ist auf den ersten Blick kaum zu erkennen. Beginnen wir die Suche im Inne- ren der neuen Wagen. Sie laufen ruhig, sind mit Klimatechnik ausgestattet, bieten im Oberdeck Panorama-Blick in den Schwarzwald, haben, ganz im Gegensatz zu neuen Fahrzeugen in anderen Regionen, dicke und bequeme Polster. Die 1. Klasse ist mit Tischen, Leselampen und Laptop-Steck- dosen deutlich aufgewertet worden, ver- fügt über intelligente Informationssysteme mit hohem Aufwand an Bildschirmen, aber auch über Niederflureinstiege und gewähr- leistet dadurch Bequemlichkeit und Barrie- refreiheit . Aus einem Beitrag von Frank-D. Paßlick auf der Internetseite www.posten60.de lange Strecke benötigte er bei 15 Zwischenhalten vier Stunden und zehn Minuten. Das lag auch da- ran, dass für die Heizer in der Dampflok die Berg- fahrt Schwerstarbeit war: Allein auf dem Stre- ckenabschnitt von Hornberg auf die Sommerau wurden bis zu 45 Zentner Kohle verheizt. Mit Diesel ging das später deutlich zügiger. Der Schnellzug zwischen Offenburg und Kon- stanz benötigte 1938 nur noch zwei Stunden und 50 Minuten. Doch viel schneller wurde er einst- weilen nicht, selbst um 1970 dauerte die Fahrt noch ähnlich lange. Erst die Elektrifizierung brachte weitere Fortschritte. Heute braucht der Zug von Offenburg bis Konstanz zwei Stunden und 15 bis 20 Minuten. Zwischen Offenburg und Singen liegt die Reisegeschwindigkeit heute bei rund 85 Kilometern pro Stunde – der Zug ist mehr als doppelt so schnell wie in den Anfangstagen. Aber die Züge wurden im Laufe der Jahrzehn- te nicht nur schneller, es wurden auch mehr: Mit sechs Personenzügen war der Verkehr im Jahr 1873 gestartet. Die Zahl stieg 1898 auf 16 Züge, 1906 auf 22 und 1914 auf 28. Heute verkehren auf der Strecke täglich 17 Zugpaare und es fährt 168 zudem ein Intercity-Paar – macht zusammen 36 Personenzüge pro Tag. Immer besser wird die Schwarzwaldbahn übrigens auch von Radfahrern angenommen. „Einen echten Boom“ beobachtet Bahnmana- ger Andres inzwischen in der Zeit von Ostern bis Spätherbst. In den Sommermonaten muss die Bahn gemäß ihrem Verkehrsvertrag garantiert 30 Räder transportieren können. Doch mitunter ist der Andrang größer. „Unsere Zugbegleiter fungieren dann als Moderatoren, Einweiser, Mediatoren und Ansager“, sagt Andres, „das ist ein großes Thema.“ Insbesondere auf dem land- schaftlich schönen Abschnitt von Offenburg bis Konstanz ist das Velo sehr beliebt. Elektrifizierung der Schwarzwaldbahn macht Tieferlegen der Gleise in den Tunnels nötig So ist es keine Frage, dass die Schwarzwaldbahn sich in den letzten Jahrzehnten gut entwickelt hat, vor allem dank der Elektrifizierung in den siebziger Jahren. Diese aber war – typisch Berg- strecke – natürlich auch sehr aufwendig. Denn in den Tunnels war kein Platz für die Oberleitung. Die Gleise mussten folglich tiefer gelegt oder die Tunnels aufgeweitet werden – ein teures Unter- fangen. Mit Ausnahme des 54 Meter langen Rebbergtunnels unterhalb von Hornberg waren nämlich alle Tunnel zu niedrig für den Bau von Oberleitungen. Die Aufweitung aller übrigen 36 Tunnel zwischen Offenburg und Villingen war somit unvermeidlich. Um einen halben Meter mussten die Gleise abgesenkt, beziehungsweise die Firstgewölbe Nostalgiefahrt der Schwarzwaldbahn, Dampflok beim Triberger-Kehrtunnel. Mit Lokomotiven wie dieser dauerte die Fahrt von Offenburg nach Konstanz noch mehr als vier Stunden. Allein zwischen Hornberg und der Sommerau bei St. Georgen wurden 45 Zentner Kohle verheizt. Im Jahr 2013 benötigt die elektrifizierte Schwarzwaldbahn mit modernsten Lokomotiven für die gleiche Strecke gerade noch zwei Stunden und 15 Minuten. Die Passagiere sitzen in Eisenbahnwaggons mit Panoramablick und haben ihr Fahrrad dabei.

Geschichte und Uhrengeschichte 169

Geschichte und Uhrengeschichte der Tunnel aufgeweitet werden. Das Tieferlegen der Gleise erschien zumeist einfacher und kos- tengünstiger, weshalb man mit einer Ausnahme jeweils die Tunnelsohle vertiefte. Allein der „Klei- ne Triberger Kehrtunnel musste nach oben ver- größert werden, weil sich die Weichen des Bahn- hofs Triberg bis zum Tunneleingang erstrecken, und zudem ein Bahnübergang an dieser Stelle eine Niveauveränderung der Gleise sehr aufwen- dig gemacht hätte. Anfangs dachte man noch über die Möglich- keit nach, die zweigleisige Strecke auf nur eine Fahrspur zurückzubauen, die dann in die Mitte der Tunnel hätte verlegt werden können. Weil das Tunnelgewölbe dort am höchsten ist, hätte auf diese Weise eine Vergrößerung des Tunnel- querschnitts zumindest in einigen Tunnels ver- mieden werden können. Doch schnell sah man ein, dass man die Leistungsfähigkeit einer derart bedeutenden Bahnstrecke nicht leichtfertig aus Kostengründen opfern durfte. Aber so war es immer in der Geschichte der Schwarzwaldbahn – die ausgesprochen an- spruchsvolle Topografie machte alles eben im- 170 Tieferlegen der Gleise oder Aufweitung der Tunnel. Die Elektrifizierung der Schwarzwaldbahn in den 1970er-Jahren war eine Herausforderung. Hier die Arbeiten am Kleinen Triberger-Kehrtunnel, die sich als besonders schwierig erwiesen. mer etwas teurer. Bei der Bahn geht es schließ- lich gleich um satte Beträge: Allein der Austausch einer Weiche kostet rund 250.000 Euro. Und die Unterhaltung der Gleise erfordert akribische Analysen: Zweimal im Jahr fährt der Diagnose- Messzug über die Strecke und sucht die Schie- nen nach schadhaften Stellen ab. Einmal im Jahr fährt außerdem der Gleismesszug, der die kor- rekte Positionierung der Schienenstränge prüft. „Wenn die Schienen mehr als 2,5 Millimeter von der vorgegebenen Spurweite von 1.435 Millime- tern abweichen, muss gehandelt werden“, sagt Bolli. Auch das Gewicht macht die Sache teuer: Bis zu 60 Kilogramm wiegt ein Meter Schiene, 150 Kilogramm wiegt eine einzelne Betonschwelle. Da braucht man viel Material und starke Maschi- nen.

Geschichte und Uhrengeschichte Schwarzwaldbahn « Heute setzt die Bahn vor allem auf die 150 Kilo schweren Beton­ schwellen. Stahl ist inzwischen sehr teuer, Holz – ausschließlich Eiche ist überhaupt geeignet – halte nicht so lange. Lediglich im Tunnel sind auch Holzschwellen einsetzbar: Dank der geringeren Temperaturschwankungen hält das Holz hier fast ewig. Teils sind hier noch Schwellen aus der Bauzeit der Schwarzwaldbahn zu finden. » Am Bahnhof Villingen hat im Sommer 2013 die Erneue- rung der Gleise begonnen. Hier wird eine 15 Meter lange Weiche samt vormontierter Schwellen neu verlegt. Nach einigen Jahrzehnten müssen ohnehin die Gleise turnusgemäß neu verlegt werden. Dann muss der Schotter raus, der 80 Zentimeter tief liegt, es muss neuer oder aufbereiteter Schot- ter wieder rein, und es müssen neue Schwellen und Schienen ins Gleisbett. Heute setzt Bolli vor allem auf Betonschwellen. Stahl sei inzwischen sehr teuer, Holz – ausschließlich Eiche sei über- haupt geeignet – halte nicht so lange. Lediglich im Tunnel hielten auch Holzschwellen fast ewig, den geringeren Temperaturschwankungen sei Dank. Auf der freien Strecke hingegen kann das Gleisbett bei sommerlicher Sonne durchaus 70 Grad heiß werden, was man dem Material auf Dauer anmerkt. Vierzig Jahre nach der Elektrifizierung, als die Gleise über weite Strecken neu gelegt wurden, sind sie jetzt mal wieder an der Reihe. Das Geld dafür steht inzwischen bereit: 52,5 Millionen Euro will die Bahntochter DB Netz bis zum Jahr 2018 171

Verkehr und Technik in Gleise, Tunnels und die Sicherung der Strecke stecken. Am zentralen Bahnhof in Villingen ha- ben im Sommer 2013 diese Arbeiten bereits be- gonnen. „Ist alles abgeschlossen, sind wir wieder auf dem aktuellen Stand und haben viele Jahre Ruhe“, betont Betriebsleiter Bolli. Die dann noch anfallenden regelmäßigen Unterhaltskosten werden aus dem laufenden Betrieb zu decken sein – einschließlich des Winterdienstes. Dieser ist ein wichtiges Thema in diesen Höhenlagen; der Scheitelpunkt der Bahn auf der Sommerau liegt immerhin auf 832 Metern. Der Winter und seine Folgen sind für die Schwarzwaldbahn meist kein Problem Ortstermin am Bahnhof in Villingen. Es ist ein heißer Sommertag, gleichwohl stehen hier das ganze Jahr über für den Winter zwei wichti- ge Fahrzeuge bereit: ein Schneepflug und eine Schneeschleuder. 250.000 Euro im Jahr kostet es alleine, die Technik für den Winterdienst vorzu- halten. 172 Der Winterdienst auf der Schwarzwaldbahn ist tech- nisch zwar unproblematisch, die eingesetzten Maschi- nen aber sind imposant. Oben ist eine Schneeschleuder im Dienst, unten rechts ein 5,5 Meter breiter Schnee- pflug zu sehen. Rechte Seite: Winterdienst bei Triberg. „Schnee bis einen Meter Höhe schieben die Loks einfach weg“, so Bolli. Wenn es aber andert- halb Meter sind, dann muss doch spezielles Gerät her. Zum Beispiel der Pflug, der bis zu fünf Meter Breite ausgefahren werden kann. Und am Ende ist in den Tunnels auch oft noch Handarbeit nö- tig: „Letztes Jahr im Februar, als es so kalt war, waren wir täglich Eiszapfen klopfen“, sagt Bolli. Denn bei Kälte können aus dem Wasser, das aus dem Berg tropft, an den Tunnelwänden riesige Eisgebilde entstehen – fast wie in einer Tropf- steinhöhle. Nur wachsen sie viel schneller. Wenn der Winter auf der Schwarzwaldbahn heute zumeist ohne große Problem bewältigt wird, so ist auch dies wiederum ein Verdienst von Robert Gerwig, der beim Bau der Strecke immer

bestrebt war, eine möglichst witterungsunab- hängig befahrbare Trasse zu realisieren. Daraus resultiert auch sein Hang zu Tunnels, die er als günstiger erachtete im Vergleich zu Brücken. Mit Ausnahme des Reichenbach-Viadukts bei Horn- berg kam Gerwig sogar ohne größere Brücken aus. Die Länge der Tunnel indes summiert sich auf 9,6 Kilometer. Bedenken gegen den Winterbetrieb der Schwarzwaldbahn hatte es in Politik, Gesell- schaft und Medien natürlich vor dem Bau zuhauf gegeben. Manche glaubten, ohne eine kilome- terlange Überdachung der Trasse müsse das Pro- jekt scheitern; ohne Dach, so die Furcht, werde die Bahn jeden Winter ins Stocken geraten. Doch Gerwig ließ sich davon nicht beirren. Mit der Straße von Gütenbach nach Furtwan- gen, die ebenfalls schneereiche Höhenlagen von 1.000 Meter überwindet, hatte er schließlich be- reits Erfahrungen sammeln können. Daher nahm er an, dass auch für eine Schwarzwaldbahn über die Sommerau der Schnee keine unüberwindba- ren Probleme bereiten sollte. Und er sollte Recht behalten. Freilich gab es in der Historie winterliche Störungen, denn die sind natürlich nie ganz zu vermeiden. Doch während der ersten fünfzig Betriebsjahre waren es nur zwei große Ereignis- se. Am 14. März 1883 hatte es den ganzen Tag und die nachfolgende Nacht ununterbrochen geschneit, sodass am Morgen des 15. März eine stellenweise drei Meter hohe Schneedecke die Bahnstrecke zwischen Nußbach und Sommerau unpassierbar machte. Während des ganzen Ta- ges war nicht durchzukommen und so fuhren die Züge von Offenburg nur bis Triberg und von Sin- gen nur bis Sommerau. Dort mussten sie jeweils wieder umkehren. Harmloser war die Verkehrsstörung durch Schnee im Winter 1904/05. Am Morgen des 13. Februar 1905 blieb ein Personenzug zwischen Nußbach und Sommerau im Schnee stecken und konnte erst – mit beträchtlicher Verspätung – weiterfahren, nachdem er freigeschaufelt wor- den war. Aber mit der heutigen Technik hat man auch die strengsten Winter in der Regel im Griff: „In den letzten Jahrzehnten hatten wir die Stre- cke auch nach dem stärksten Schneefall immer 173

Schwarzwaldbahn binnen weniger Stunden wieder frei“, sagt Bolli, während er die Räumfahrzeuge am Bahnhof Vil- lingen präsentiert. Das Stellwerk in Villingen ist für jeden Technikhistoriker ein Schmuckstück Der Bahnhof Villingen ist für die Schwarzwald- bahn übrigens von jeher der zentrale Bahnhof. Bis zu 150 Dampfloks waren hier einst stationiert, ehe später die Dieselloks der Baureihe 220 auf die Strecke gingen. Damit war dann auch die Zeit der 50 Meter breiten Brandschutzstreifen längs der Gleise vorbei. Mit der Elektrifizierung 1975 folg- ten die ersten E-Loks, vor allem der Baureihe 139. Ein Schmuckstück für jeden Technikhistoriker ist das Stellwerk in Villingen – gleichwohl ist es noch immer voll funktionstüchtig. Es ist das letz- te verbliebene mechanische Stellwerk zwischen Karlsruhe und Konstanz. Hier stehen noch immer die großen Hebel in Reih und Glied, mit denen die Signale per Seilzug geschaltet werden. Entfer- nungen bis 800 Meter sind mit dieser Mechanik zu überbrücken – ein mühsames Geschäft. Die Anlagen in Villingen stammen aus den 1930er und 1940er Jahren, solide Ware aus dem renom- mierten Hause Siemens & Halske. 174 Klassisch mechanisch und digital: Während im Stell- werk in Villingen die Signale und Weichen noch per Hand sprich Seilzug geschaltet werden (rechte Seite), ist der Bahnhof Triberg bereits digitalisiert, hier reicht dank Computertechnik ein Knopfdruck (oben). Eine un- ersetzbare Orientierung bietet in beiden Fällen das Ab- bild der Gleisanlagen. Auf das Stellwerk in Villingen mit seinem mechanischen Handbetrieb sind gestandene Eisenbahner – natürlich auch alle Eisenbahn-Freunde – besonders stolz. In Triberg hingegen steht seit 1983 ein elek- trisches Stellwerk, das acht mechanische Stell- werke ersetzt. Und so bestehen Mechanik und Elektrik heute nebeneinander. Und doch ist das Stellwerk in Villingen auch noch für die Zukunft gut. Nächstes Jahr soll es komplett auseinander und wieder zusammenge- baut werden – um anschließend weitere ein bis zwei Jahrzehnte sicheren Bahnverkehr auf einer der anspruchsvollsten Bahnstrecken Europas zu gewährleisten. Einer Bahnstrecke auch, die bis heute nichts von ihrer Faszination eingebüßt hat und von Technikfreunden aus der ganzen Welt besucht und befahren wird. Der erste Anschluss unserer Region an den Weltverkehr – und wohl auch noch immer der Wichtigste, zumindest um- weltpolitisch betrachtet.

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Geschichte und Uhrengeschichte Unterwegs auf dem Schwarzwaldbahn- Erlebnispfad von Karl Volk mit Fotos von Wilfried Dold 176 176 Der Skywalk des Schwarzwald- bahn-Erlebnispfades ragt über eine gut 50 Meter hohe Fels- wand hinaus und ist neben dem Dreibahnenblick der Höhepunkt der Wanderung. Direkt unter der Aussichtsplattform fährt die Schwarzwaldbahn vorbei.

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Verkehr und Technik Für die Freunde der Schwarzwaldbahn ging mit der Eröffnung des Schwarzwaldbahn-Er- lebnispfades am 6. Oktober 2012 ein großer Wunsch in Erfüllung. Entlang der Strecke zwischen Triberg und St. Georgen ist nun ein Panorama-Wanderweg ausgestaltet, der sich schon jetzt zu den klassischen Kurz-Wanderrouten unserer Region zählen darf. Er besteht aus dem Unteren und dem Oberen Erlebnisweg. Beide Wege sind ca. 6 km lang und in je zwei bis drei Stunden reiner Gehzeit zu bewältigen. Geboten werden faszinierende Eisen- bahn- und Landschaftserlebnisse – aber auch 16 interaktive Erlebnisstationen. Die hier an- gebrachten Text- und Bildtafeln informieren über die Natur des Mittleren Schwarzwaldes, den Bau der Schwarzwaldbahn oder den Bahnbetrieb. Wie das Bahnwanderbuch verrät, wird der Pfad von Eisenbahn- und Schwarzwaldfreunden aus aller Welt begangen! Am Ausgangspunkt des Weges, am Bahnhof Tri- berg (Station 1), orientieren sich die Wanderer an der großen Übersichtstafel. Und sie bestaunen die dort ausgestellte Dampflokomotive für Gü- terzüge, wie sie einst auch auf der Schwarzwald- bahn eingesetzt war. Eine gute Idee ist es auch, innerhalb der Öffnungszeiten der Schalterhal- le in einem eigens dafür hergerichteten Raum neben Infowänden zum Bahnbau aktuelle Licht- bilder zur Schwarzwaldbahn zu zeigen und den Wanderer in einem Film vom Zug aus die Land- schaft genießen zu lassen, die er nachher zu Fuß durchstreift. Der gepflegte Weg führt zunächst an den Gleisen entlang talabwärts an Baumaterialien vorbei, er mündet in den Göttlerweg Richtung Hornberg. Es geht zunächst steil abwärts zur 178 Start- und Schlusspunkt der Wanderung auf dem Schwarzwaldbahn-Erlebnispfad ist der Bahnhof in Triberg, wo auch eine Dampflokomotive 50 245 bewundert werden kann. Gutach hinunter. Der Bach rauscht nach einem ergiebigen Regen gewaltig. Wer den Weg zum ersten Mal geht, wird kaum darauf gefasst sein, wie steil das Gelände hier sein kann. Beinahe senkrecht fällt es ab zum Bach, „wandhäldig“, um unserem Dialekt die Ehre zu geben. „Alpin“, hörte ich Franz Göttler im Rundfunk dieses Ge- biet charakterisieren, als er mit seiner Wegebau- gruppe den heute nach ihm benannten Weg an- gelegt hatte. Sage keiner, im Tal habe man keinen Aus- blick! Sehr weit sieht man sogar von hier aus. Auf

Ein Inforaum im Bahnhof Triberg macht einem mit Details zum Bau der Schwarzwaldbahn vertraut und bietet auch interaktive Bildschirme sowie eine Film- vorführung. Am Beginn der Wanderung geht es berg- ab, hinunter zur Gutach. Unten: Blick aus der Schwarz- waldbahn auf die Station 2. der Höhe kann ich die Menschen auf der neuen Aussichtskanzel im Seelenwald beim Vierbah- nenblick erkennen. Talauswärts sieht man den berühmten Rappenfelsen, den Spitzfelsen über dem Steinbis, die Gersbachhöhe – beliebte Wan- derziele. Unter mir ist der Uhrenpark, ich sehe das Pendel der größten Kuckucksuhr der Welt, just in diesem Augenblick erhebt der Vogel seine Stimme. Es geht steil zur Gutach hinunter – und dennoch genießt man weite Ausblicke Trotz des steilen Geländes ist der Pfad so breit, dass zwei Personen bequem nebeneinander gehen können. Der Beweis: Ein Liebespärchen überholt mich, Seit an Seit. Mischwald rechts und links, so gemischt wie hier möglich: Bu- chen, Eichen, Tannen, Ebereschen und natürlich Fichten über Fichten. Eine Hinweistafel neben einer mächtigen Weißtanne erzählt von ihrer Geschichte (der Literat würde es eine „Ich-Erzäh- lung“ nennen). Der Wanderer erfährt unter an- derem, wie alt sie bei der Erbauung der Schwarz- waldbahn, bei ihrer Elektrifizierung und beim Bau des Zuckerhut-Tunnels für die Bundesstra- ße war. Ein aparter Einfall: Einen umgestürzten, schweren Baumstamm ließ man einfach liegen und sägte drei Sitzflächen. So geht´s auch! Die Station 2 liegt direkt an der Bahnlinie über einer steinernen Treppe am Ausgang des Großhalde-Tunnels. Ende 1944 benützte Hein- rich Himmler den Tunnel als Versteck bei Flie- gerangriffen. Man sieht hier auf einer Schotter- fläche eine Lore auf einem Schienenstück stehen. Bilder in einem würfelähnlichen Gebäude geben einen Eindruck von den Schwierigkeiten des Tun- nelbaues. Einst stand hier ein Eisenbahnerwohn- haus. Schwarzwaldbahn-Erlebnispfad 179

Verkehr und Technik Wir steigen den steilen Weg zur Gutach, fast 60 Treppen, hinab, überqueren den Bach, wechseln die Talseite und steigen den ebenso steilen Zickzackpfad beim ehemaligen Gasthaus Bachjörg den Seelenwald hinauf. Hier ist es ein wirklicher Pfad, er verlangt einige Anstrengung, also rüstige Kräfte, an einem Seil kann man sich hinaufhangeln. „Wandhäldig“ wird auch hier der Berg, von einer Felsrippe sieht man hinunter auf die Bundesstraße, lichter wird der Wald, Heidel- beeren könnte man in guten Jahren hier pflü- cken, zentnerweise. Über dem Ausgang des Gummambs-Tunnels reicht der Blick weit ins Gutachtal Die Station 3 liegt über dem Ausgang des Gum- mambs-Tunnels. Sie ist teils mit Eisenbahn- schwellen aus Eichenholz ausgestattet. Sie sind ein Stück Eisenbahngeschichte. Es handelt sich um Eichenschwellen wie sie die Kyanisierungs- anstalt in Villingen um 1870 lieferte, als die Schwarzwaldbahn gebaut wurde. Ein Schotter- bett mit Schellen und Schienen darauf ist hier an- gelegt. Schotter liegt auch als „Vorrat“ bereit. Der Sturm hat die Bäume geknickt, sodass man freie Aussicht auf ein restauriertes Bauernhaus und ein Bahnwärterhäuschen darunter hat, Gum- mambs mit Namen. Nach sprachlicher Herkunft und Bedeutung der seltsamen Gewannbezeich- nung fragt jeder Fremde, aber auch die Einheimi- schen wissen keine Antwort darauf. Dafür wird der Neugierige durch den grandio- sen Ausblick ins Gutachtal bis zum Brandenkopf entschädigt. Für den richtigen Genuss bieten zwei Holzklötze bequeme Sitzmöglichkeiten. Die Station 3 des Erlebnispfades liegt über dem Aus- gang des Gummambs-Tunnels – ein beschaulicher Ort mit Blick ins Gutachtal bis zum Brandenkopf. Durch Rotfilter in Sichtfenstern und bemaßte Höhen- fenster (unten links) bekommt man einen imposan- ten Blick auf die Bahn, kann so die Dimension der Loks und Waggons besser einschätzen. Auch Kinder jeden Alters haben ihren Spaß. Die Station 3 vermit- telt weiter, wie die Gleise der Bahn verlegt wurden. 180

Geschichte und Uhrengeschichte 181

Verkehr und Technik Der Skywalk – Am Vierbahnenblick steht man unmittelbar über dem Abgrund In den nächsten Minuten sind wir auf ebenem Waldweg bei der weit hinausragenden Plattform (Station 4) angelangt, dem sogenannten Skywalk oder Vierbahnenblick. Wie war das möglich, ein solches technisches Bauwerk an den Hang zu set- zen? Wie hält das frei in der Luft? Fritz Maier, Triberg, Metallbaumeister und Restaurator, ist der Kopf des Ganzen. Maßge- bend beteiligt war auch Sebastian Schwab, Me- tallbaumeister und jetziger Inhaber der Firma Schlosser-Maier. Es mussten zwei Gräben in den harten Porphyr gebohrt werden. Der bergseitige Graben musste 1,50 m, der talseitige 1,20 m tief sein. Beide wurden mit hochwertigem Reinbeton gefüllt und in jeden etwa ein Dutzend Betonar- mierungseisen von 3 cm Dicke versenkt. Der Be- ton verbindet sich so mit dem gewachsenen Fels, dass er auch durch die Belastung einer großen Gruppe Menschen niemals aus dem Erdreich ge- hoben werden kann. Eine gute Idee war, in die Brüstung nach drei Seiten Fenster einzubauen, durch die auch kleine Kinder die Landschaft und die Züge gefahrlos betrachten können. Wir schauen auf die Bundesstraße hinunter, wo der Verkehr im Zuckerhuttunnel verschwin- det, wir sehen den Uhrenpark, die modernisier- te Eisengießerei, die gegenüberliegenden Berge am Horizont, hinter einem sind die Rotorblätter einer Windkraftanlage zu erblicken. Weiter führt der Weg zum Gaisloch, am obe- ren Portal des Gremmelsbacher-Tunnels (Sta- tion 5). Silberhell macht ein Bächlein auf sich aufmerksam. Ich verfolge seinen Lauf und werde auf ein Bauwerk aufmerksam, von dem noch nie ein Wanderer erzählt hat, in keinem Heimatka- lender noch in einem Jahrbuch je ein Wort darü- ber zu lesen war. Noch nicht einmal in den Akten vom Bahnbau 1867 – 1873 ist dieses Stück Arbeit erwähnt. Das Bachbett in tiefer Schlucht ist of- fensichtlich künstlich begradigt und etwa 100 m weit mit einer an die Steilhalde angelehnten Tro- ckenmauer befestigt, für die Abertausende von Steinen verwendet wurden. Hier steht im „Gaisloch“ eine Station (5) be- sonderer Art. Im Fernsprecher können Geräu- 182 Spannende Ausblicke auf die Schwarzwaldbahn und die Landschaft ermöglicht der Skywalk, der über eine gut 50 Meter hohe Felswand hinausragt. sche, auch solche, die an der Bahnstrecke längst verklungen sind, per Knopfdruck abgerufen wer- den: Das „Abschlagen“ des Zuges, das heißt seine Ankündigung, das Läuten, das wir als Kinder so unaufhörlich erwarteten. Auch Geräusche von der Dampflokomotive bis zur E-Lok. An der Station 5 erklingen aus einem alten Fernspre- cher längst verklungene Eisenbahntöne – auch eine Dampflok „fährt natürlich vorbei“. Was heute niemand mehr vermutet, wohl kaum für möglich hält: Vor dem Eingang des Gremmelsbacher-Tunnels stand einst ein Bahn- wärterhäuschen, jahrelang das meiner Groß- eltern. Wohl, weil es hier so einsam war und niemand mehr hier wohnen wollte, wurde es abgebrochen. Es wurde in Langenschiltach wie- der aufgebaut und dient heute der Blasmusik- kapelle als Probelokal. Station 6 – der Obere Dreibahnenblick zeigt den Verlauf der Tunnelstrecke Wir unterqueren die Bahn, die Dohle schien mir vor der Elektrifizierung der Schwarzwaldbahn höher, zweimal schlage ich mir den Kopf an. Steil wird der Weg noch einmal, bis er völlig waag-

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Verkehr und Technik Vom Oberen Dreibahnenblick sieht man auch nach Gremmelsbach hinunter und zum Skywalk hinüber. Auf dem Boden der Aussichtsplattform befindet sich eine Nachbildung von Gerwigs Linienführung. Die bei- den Kehrschleifen werden viel diskutiert und bewun- dert. Die Tour auf dem Unteren Erlebnispfad endet mit dem Abstieg vom Feißesberg hinunter nach Triberg. recht zum „Oberen Dreibahnenblick“ (Station 6) parallel zur Bahnlinie verläuft. Zwischen Grem- melsbacher-Tunnel und Gaisloch-Tunnel. Wir steigen die wenigen Meter zu ihm hinab. Blitz- blank ist das Halbrund durch die metallene Si- cherung der Aussichtskanzel. Das Bodenblech zeigt aus rostfreiem Cortenstahl die obere Schlei- fe der Schwarzwaldbahn zur Orientierung. Den Ausblick darf sich niemand entgehen lassen: den Ortsteil Schonachbach, das Eisenwerk und die größere Anlage des „Vierbahnenblicks“. Nur noch wenige Meter, und die Räuberhöhle ist erreicht. Ob ihr wirklich Räuber den Namen gaben, weiß kein Mensch. Der Weg führt jetzt bergauf, und wir treten aus dem Wald, der Feißesberg (Station 7) liegt vor uns und unter uns das Städtchen Triberg, das tiefe Tal und die Berge, die Triberg umgeben. Wald umschließt den Wasserfall, die Schlucht sieht man deutlich, den Wasserfall selbst nicht. Das Kriegerdenkmal beherrscht die Landschaft. Es geht ins Tal hinunter, dem Ausgangspunkt zu, und am Gerwig-Denkmal vorbei (Station 8). Der Felsblock, auf dem das Medaillon mit Gerwigs scharf geschnittenen Gesichtszügen angebracht ist, wurde unter großen Schwierigkeiten über die Hauptstraße durch Triberg hierher befördert. Robert Gerwig (1820 – 1885) war ein genialer Ingenieur, das wurde schon oft gesagt und ge- schrieben. Seine Schleifenführung der Schwarz- waldbahn, diese großartige Idee, fand Nachah- mungsprojekte in Südamerika, USA, Neuseeland und der Schweiz! Damit ist der untere Bahnerlebnispfad be- wältigt – der Bahnhof liegt vor uns. 184

Blick von der Station 11, sie liegt direkt über dem Portal des Grundwald-Tunnels, hinunter zur Station 10 beim Pfriemenhäusle (rechts). Die Station befindet sich links vom Zugende direkt an den Bahngleisen (s. Seite 187). Unterwegs auf dem Oberen Erlebnispfad Es gibt zwei Schwarzwaldbahn-Erlebnispfade, die man sich am Stück oder getrennt erwandern kann. Die Karte auf dem Flyer weist auf die An- bindung des Unteren zum Oberen Erlebnispfad hin: Wenn man den Seelenwald verlassen hat, geht es nun nicht nach Triberg hinunter, sondern man wandert über den Feißesberg zum Unteren Hohnenhof weiter. Auch ein Taxi zu günstigem Preis kann man rufen und sich an die Aus- gangsstation bringen lassen. So umgeht man vom Bahnhof aus den steilen Aufstieg. Es geht zur Station 9 beim Pfriemen- häusle. Hier ist jedes Haus mit Blumen in leuchtenden Farben geschmückt, jeder Garten gepflegt. Und es sei einmal gesagt: Jede Frage des Wanderers wird von den Bewohnern freundlich beant- wortet. Auf kurzer Strecke wird die Schwarzwaldbahn auf einem künst- lich aufgeschütteten Bahn- damm geführt, was nicht häufig vorkommt. Zur Station 10 beim Pfriemenhäusle, diesem Highlight auf Nußbacher Gebiet, ist einiges zu sagen: Nirgend- wo auf der ganzen Strecke ist so viel Eigeninitia- tive verwandt worden. Hier ist ein Plätzchen eingerichtet, das zum Rasten einlädt. Sitzbänke gibt es hier sowieso, frisches Wasser fließt in einen Steintrog, dane- ben stehen im Schatten eine Kiste Bier und Mi- neralwasser. Der Stamm eines Kirschbaums enthält in einer ausgestemmten Höhlung Schwarzwälder Kirsch und ein Kässchen, damit das Getränk bezahlt werden kann. Die Getränke werden gern angenommen, denn Gasthäuser ste- hen nicht hinter jeder Kurve. Das Wanderbuch in einem Kupferkästchen gibt jedem Vor- überkommenden die Gelegenheit, seine Eindrücke einzutragen. Es ist geschmückt mit einem Bild des ehemaligen Nußbacher Bahnhofs, das Uhrenschildermaler Al fons Hilser gemalt hat. Interessant sind die Einträge, ihr Inhalt 185

Verkehr und Technik Die Station 12 informiert über den Güterverkehr auf der Schwarzwaldbahn – täglich verkehren 10 Güterzüge. lässt sich auf die kurze Formel bringen: ein Glück, dass man diese herrliche Wandermöglichkeit geschaffen hat. Die Texte werden gelegentlich durch Zeichnungen ergänzt. Erstaunlich, woher die Wanderer kommen. Selbstverständlich aus der näheren Umgebung: Triberg, St. Georgen und Furtwangen. Aber auch aus Belgien, der Schweiz, aus Frankreich und England, Portugal und Spanien, aus Israel – den Wei- tepreis hätten Wanderer aus Mexi- ko verdient! Neben Einzelpersonen und Familien sind es auch Grup- pen: Turnerfrauen, die Skizunft Tri- berg, der Schwäbische Albverein, der Schwarzwaldverein Yburg von Steinbach … Wir setzen unseren Weg fort, schreiten zunächst unter der Bahn- linie hindurch. Ein Blick auf den Bo- den lohnt sich. Die Familien Rein- hold und Rafael Kammerer haben allerlei Pflanzen an den Wegrand Der Schwarzwaldbahn-Erlebnispfad zeichnet sich durch eine sehr gute und informative Beschilderung aus. 186 gesetzt, darunter das Edelweiß. Es geht zur Sta- tion 11, der exponierten Kanzel über dem Grund- waldtunnel mit Blick auf die Bahnlinie hinunter. Ein grandioser Aussichtspunkt auf die eben erst verlassene Station 10. In der anderen Richtung sind Höfe in Nußbach, das Dill, der Hirzberg, Liemberg, ferner die Geutsche, die Retsche und das Industriegebiet Adelheid zu sehen. Eine Viehherde grast in gewohnter Friedlichkeit auf geradezu riesiger Fläche. Die Informationstafel gibt an, dass in Glanzzeiten der Schwarz- waldbahn Zugpaare mit Kurswa- gen u.a. von Amsterdam und Ost- ende nach Konstanz fuhren. Richtung Kreisbach führt der Weg weiter, wo die Wanderer über die Bedeutung der Schwarzwald- bahn für die Volkswirtschaft in- formiert werden (Station 12). Was sonst an Gütern auf der Straße hät- te befördert werden müssen, nahm nach dem Bahnbau den Weg über die Schiene: genannt und teilwei- se auf historischen Fotos gezeigt werden Schotter, Langholz, Erdöl, Wein, Getreide, Gemüse – aber auch Obst … Die Stationen 13 und 14 liegen im Kreisbach nahe beieinander – sie sind Anfangs- oder Endpunkte

Die Station 9 beim Pfriemenhäusle zählt zu den Höhepunkten des Wanderweges. Hier gibt es kühle Getränke – sogar einen Schnaps – und vor allem liegt das Wanderbuch mit Einträgen von Wanderern aus der gesamten Welt aus. Auf der Doppelseite unten vereinen sich Mexiko, Furtwangen, Yburg und Belgien. 187

Verkehr und Technik Spuren des Strukturwandels: Beim Eingang zum Far- renhalde-Tunnel steht beim Nußbacher Bahnüber- gang noch die Schutzhütte des Bahnwärters bei den (inzwischen automatischen) Schranken. Nicht weit davon entfernt erinnert ein Transparent an den Nuß- bacher Bahnhof, an ein Stück Eisenbahngeschichte. des Erlebnispfades. Ebenso die Anbindung an den Wanderweg von St. Georgen her. Nostalgisch berühren die Angaben zum Le- ben der Bahnwärter in den Anfangsjahren der Schwarzwaldbahn. Die Bahnwärter kündigten einander die Durchfahrt der Züge durch Läute- zeichen an. Die Eisenbahner-Wohnhäuschen im Abstand von etwa einem Kilometer waren und sind Kleinodien. Im Garten wuchs Gemüse, der Rain gab gerade so viel Gras her, dass es für die „Eisenbahnerkuh“, eine Geiß, reichte. Hasen und Katzen, Hühner und bei Liebhabern auch Tauben waren weitere beliebte Haustiere. An die Erschütterungen und Geräusche der Züge gewöhnten sich auch die Bienen nahe an den Gleisen. Die Bienenzucht war bei Eisenbah- nern ein beliebtes Hobby. Da zu den wenigsten Bahnwärterhäuschen ein Fahrweg führte, muss- te die Versorgung mit Holz, Briketts, in heißen 188 188 Sommern auch mit Trinkwasser über die Schiene erfolgen. Wenige Meter vom Sträßchen durch das Kreisbachtal entfernt befindet sich der Kinder- spielplatz. Er ist groß genug, um eine Kinder- gartengruppe aufzunehmen und er ist genau an der richtigen Stelle. Die Kinder können sich auf verschiedene Spielfelder verteilen, eine schiefe Ebene mit Noppen und ein Seil ermöglicht ihnen das Klettern, auf hochgestellten Bohlen können sie ihren Gleichgewichtssinn testen. Ein Spiel- platz ohne Schaukel ist kaum vorstellbar. In der Mitte des Platzes darf natürlich die Feuerstelle, mit hohen Steinen eingegrenzt, nicht fehlen. Erinnerungen an den alten Bahnhof in Nußbach In die Arbeitswelt eines Bahnhofvorstehers führt die Station 15 in der Nähe des ehemaligen Nuß- bacher Bahnhofs ein. Zwei großflächige Bilder zeigen das stattliche Bahnhofsgebäude, das im Erdgeschoss Platz für Schalterräume und sogar für einen Wartesaal bot. Im Obergeschoss war die Wohnung des Bahnhofsvorstands. Seine Auf- gaben: An- und Abfahrt der Züge regeln, Signale und Weichen stellen, Fahrkarten verkaufen – den Postverkehr abwickeln. In noch autoloser, sprich autoarmer, Zeit hatte der Bahnhof für die Einheimischen große Der Kinderspiel- und Grillplatz befindet sich an der Station 14 und ist mit dem Pkw auch von der B 33 aus erreichbar.

Bedeutung. Der Pendelverkehr war sehr lebhaft. 1981 wurde die Haltestelle geschlossen, 1984 wurde das Gebäude abgebrochen. Die letzte Station (16) regt mit ihren Angaben aus der Zeit der Planung der Schwarzwaldbahn zum Schmunzeln an. Die Anwohner befürchte- ten, dass die Kartoffeln vom Rauch der Lokomo- tiven schwarz würden, dass das Vieh in Panik vor den Zügen flüchten könnte. Ein freilaufendes Pferd ließ sich auf den Glei- sen von einem heranfahrenden Zug allerdings nicht dazu bringen, diese zu verlassen. Die Neu- gier der Menschen konnte durch eine Führung eines Aufsehers auch durch Tunnels befriedigt werden. Dass Fußgänger und Briefträger frü- Schwarzwaldbahn-Erlebnispfad her die Gleise als Abkürzung benutzten, ist fast selbstverständlich. Wir sind nun im Gewann Kreisbach und da- mit am Ende der Tour angelangt. Fazit: Dieser Wanderweg ist ein Highlight im Schwarzwald- Baar-Kreis, er wird viele Freunde finden. Und was seine Macher besonders freuen dürfte: Er spricht auch junge Wanderer und Familien an. Weitere Infos zum Wanderpfad finden sich im Internet: www.schwarzwaldbahn-erlebnispfad.de Unten: Skizze der beiden Wanderwege, die jeweils ca. 6 Kilometer lang sind. 189

Soziales 6. Kapitel Soziales „Wieder aufleben“ Die familienorientierte Nachsorgeklinik Katharinenhöhe hilft krebs­ und herzkranken Kindern und Jugendlichen sowie ihrer Familie von Christa Hajek Fernab der großen Straßen, mitten im Wald, liegt auf dem Höhenrücken zwischen Furtwangen und Schönwald die familienorientierte Nachsorgeklinik Katharinenhö­ he. Der weitläufige Gebäudekomplex ist von großzügigen Spielplätzen und Sportan- lagen umgeben. Alles wirkt einladend und freundlich und erweckt auf den ersten Blick so gar nicht den Eindruck einer Klinik. Und doch erholen sich hier Menschen, die ein schweres Schicksal zu bewältigen haben: Kinder und Jugendliche, die an Krebs leiden oder schwer herzkrank sind. Sie absolvieren die vierwöchige Reha in der Regel zusammen mit ihrer Familie. Denn der Patient heißt Familie. 190

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Soziales Trotz schwerer Krebserkrankung wieder unbekümmert sein, wieder Freude am Leben finden, das ermöglicht die familienorientierte Nachsorge der Katharinenhöhe, hier die Ergotherapie. Neustart für Familien mit kranken Kindern „Wieder aufleben“ lautet das Motto der Reha- klinik, symbolisch dargestellt durch eine Vogel- familie im aufsteigenden Flug. Träger der Ein- richtung ist die Arbeiterwohlfahrt Baden, die das Konzept der familienorientierten Rehabilitation vor mehr als 25 Jahren zusammen mit Kliniken entwickelt hat und immer wieder neuen medizi- nischen und psychologischen Erkenntnissen an- passt. Auch Familien mit herzkranken Kindern finden auf der Katharinenhöhe Behandlung und Erholung, sie machen rund zehn Prozent der Pa- tienten aus. Die Diagnose „Krebs“ ist ein Schock, ganz be- sonders, wenn sie für ein Kind gestellt werden muss. Der medizinische Fortschritt rettet inzwi- schen vielen jungen Patienten das Leben. Doch der Preis ist hoch: Die Therapie, ob Operationen, Bestrahlungen oder Chemotherapien, sind sehr belastend. Viele Kinder und Jugendliche müssen ihr Leben lang mit einem Handicap zurechtkom- men. Die Krankheit greift tief ein in das Leben der ganzen Familie. Die Sorge der Eltern dreht sich verständlicherweise in erster Linie um das kranke 192 Kind, für die Anliegen und Nöte der gesunden Geschwister bleiben da kaum Kraft und Zeit. Und eigene Krankheiten werden von den Er- wachsenen erfahrungsgemäß komplett ver- drängt. Ein türkischer Vater brachte seine Situa- tion auf der Katharinenhöhe kurz und knapp auf den Punkt, indem er ausführte: „Kind gut, Eltern kaputt“. Die Katharinenhöhe hilft vielen Familien zu einem Neustart, erarbeitet mit ihnen gemein- sam Perspektiven für die Zukunft, vermittelt neuen Lebensmut. Platz für 32 Familien bieten die Appartements, das sind 32 kranke Kinder mit ihren Angehörigen. Stolz ist man darauf, dass im- merhin in 90 Prozent der Fälle die komplette Fa- milie zur Reha kommt. Rückläufig ist nach Aus- kunft von Geschäftsführer Stephan Maier die Zahl der Geschwisterkinder, von früher 1,2 auf 0,8 im Durchschnitt. In dieser Zahl spiegelt sich ein- fach der Trend zur kleineren Familie, es gibt in Deutschland immer weniger Kinder. Aber auch eine Familie mit zehn Personen erholte sich schon auf der Katharinenhöhe. Mit dem Patien- tenkind kamen die Eltern und sämtliche Ge- schwister – auch die erwachsenen.

Auf die Bedürfnisse heranwachsender Pa- tienten ist die Jugendreha zugeschnitten. Die Patienten sind zwischen 15 und 28 Jahre alt, 30 Plätze stehen zur Verfügung. Links: Die Diagnose „Knochenkrebs“ ist für die jungen Patienten der Katharinenhöhe oft mit der Amputa- tion von Gliedmaßen verbunden. Im Hallenbad der Klinik können sich die Kinder und Jugendlichen ohne Scheu ins Wasser wagen. „Unser Patient heißt Familie“ Um die Patienten kümmern sich rund 130 Mit- arbeiter. „Unser Patient heißt Familie“, hebt Ste- phan Maier im Gespräch hervor. Eltern und Ge- schwister werden genauso gründlich untersucht und individuell behandelt wie das erkrankte Kind. Wichtig ist die enge Zusammenarbeit der unterschiedlichen Disziplinen, denn es geht im- mer um den ganzen Menschen, seine persönliche Situation, seine Chancen für die Zukunft. Zu den Mitarbeitern zählen sechs Ärzte, Chef- arzt ist Dr. Siegfried Sauter. Ferner gibt es sieben Sozialpädagogen, fünf Psychologen, fünf Physio- therapeuten, Sporttherapeuten, Ergotherapeu- ten, Krankenschwestern und Erzieherinnen. Da- zu kommen die Teams aus Küche und Service sowie die Verwaltung. Alle Stellen sind besetzt, obwohl die Suche nach qualifiziertem Personal nicht immer einfach ist in der abgeschiedenen Lage der Katharinenhöhe. Wenig Personalwech- sel und langjährige, erfahrene Mitarbeiter spre- chen für das gute Arbeitsklima. Rechts: Die Leitung der Katharinenhöhe liegt in Händen von Geschäftsführer Stephan Maier, Verwaltungsleiter in Ilona Mahamoud und Chefarzt Dr. Siegfried Sauter. „Unser Patient heißt Familie“, lautet das Motto der familienorientierten Reha-Maßnah- men. Das heißt aber nicht, dass die Familie wäh- rend der Vier-Wochen-Reha immer beisammen ist. Das sorgt am Anfang gelegentlich für Irrita- tionen, wie bei der Familie Huber: Jakob, zehn Jahre alt, wegen eines Knochentumors beinam- putiert, wird im Rollstuhl von seinem 13-jährigen Bruder Florian geschoben. Dann werden die Ge- schwister nach pädagogischen und altersmäßi- gen Gesichtspunkten auf die Gruppen aufgeteilt: Florian kommt in den Club, Jakob in den Kinder- planet. „Die beiden müssen doch zusammenblei- ben“, forderten die Eltern anfangs. In einem aus- führlichen Gespräch wird das Konzept erläutert, und am Schluss sind die Eltern überzeugt. Denn Jakob entwickelte im Laufe der vier Wo- chen eine Menge Selbstständigkeit, lernte, mit 193

Soziales Mit Sport bauen die Patienten der Katharinenhöhe einen Schutzwall gegen ihre Krankheit auf. Die sportliche Be- tätigung macht wieder fit und stärkt das Leistungsvermögen. seiner Prothese zu laufen, sich ohne Rollstuhl zu bewegen und sogar wieder Sport zu treiben. Und Florian wurde von seiner Verantwortung für den jüngeren Bruder entlastet. Stephan Maier weiß viele solcher Familiengeschichten zu erzählen. Die Kinder sind tagsüber altersmäßig in vier Gruppen aufgeteilt: Die Krabbelkinder kommen in den Flohzirkus, die Kleinen im Kindergarten- alter in die Räuberhöhle, auf dem Kinderplanet treffen sich die Grundschulkinder und die älteren gehen in den Club. In diesen Gruppen sind jeweils Patienten und gesunde Geschwister gemischt. Freizeitaktivitäten und Erfahrungsaustausch ebenso wichtig wie medizinische Behandlung Für jede Familie, jeden einzelnen Gast wird nach dem Eingangsgespräch und der ersten Untersu- chung ein Therapieplan aufgestellt. Medizini- sche Behandlung, Gespräche in der Familie, ein- zeln oder paarweise, gehören dazu, ebenso Sport und Freizeitaktivitäten. Interdisziplinäre Zusam- menarbeit wird groß geschrieben, täglich gibt es eine Kurzbesprechung und die Therapiepläne können bei Bedarf umgehend angepasst werden. 194 Die abgeschiedene Lage der Katharinenhöhe empfinden die Gäste nicht als Nachteil. Hier kön- nen die Kinder ungefährdet im Freien spielen, die Infektionsgefahr durch Kontakte mit Fremden ist minimal. Für die Erwachsenen sehr wichtig sind die Kontakte der Menschen untereinander, der Erfahrungsaustausch, das Gespräch mit Eltern, die Ähnliches durchleiden. So manche dauerhaf- te Freundschaft ist hier schon entstanden, be- richtet Stephan Maier. In den Akutkliniken bleibt meist keine Zeit zum Gespräch mit anderen Eltern, umso positi- ver erfahren die Familien während der Reha die Gemeinsamkeiten. Für Ausflüge in die weitere Umgebung stehen drei Kleinbusse zur Verfü- gung. Überhaupt gibt es ein umfangreiches Frei- zeitangebot: vom Skilaufen im Winter bis zum Reiten, das beim nahe gelegenen Reinertonishof in Schönwald stattfindet. Jugendliche Patienten absolvieren ihre Reha-Behandlung lieber ohne die Familie Im Laufe der Jahre stellte sich heraus, dass Ju- gendliche und junge Erwachsene ihre Reha lieber

Ein besonderes Highlight ist der Hochseilgarten der Katharinenhöhe, auf dem die eigenen Fähigkeiten in luftiger Höhe erprobt werden können – freilich nur unter fachlicher Anleitung. ohne Eltern antreten. Das Familienmodell erwies sich für die 15- bis 28-Jährigen nicht mehr als praktikabel und so entwickelte die Katharinen- höhe spezielle Konzepte für diese Altersgruppen. Auch räumlich sind die Heranwachsenden von den Familien getrennt und bewohnen einen eigenen Gebäudetrakt. Hier finden bis zu 30 jun- ge Leute ihren Weg ins Leben nach dem Krebs. Ausgelotet werden in Gesprächen auch die Mög- lichkeiten für Ausbildung und berufliche Zu- kunft. Gerade für diese Altersgruppe spielt der Sport eine wichtige Rolle. Leukämie bildet einen Schwerpunkt bei den Krankheitsbildern Die kompetente medizinische Versorgung ist der Kern der Rehabilitation auf der Katharinenhöhe. Das eigene Team unter Leitung von Dr. Siegfried Sauter arbeitet eng zusammen mit den Akutkli- niken, aus denen die Patienten nach Operatio- nen, Strahlen- und Chemotherapie kommen. In den Klinken ist die Qualität der Katharinenhöhe bestens bekannt. Patienten kommen aus ganz Deutschland, aber auch aus Österreich und der Schweiz. Diese Länder haben keine eigenen ver- gleichbaren Reha-Einrichtungen. Einen Schwerpunkt der Krankheitsbilder bil- det die Leukämie. Besonders spezialisiert hat sich die Katharinenhöhe auf Patienten mit neurologi- schen und orthopädischen Ausfällen, Folgen von Hirntumoren oder Knochenkrebs. Gemeinsam ist allen das Ziel, den jungen Patienten wieder Mut zu machen, Kräfte zu mobilisieren und der ganzen Familie Wege zu zeigen, mit Handicaps zu leben. Zum Beispiel nach einer Beinamputa- tion wegen Knochenkrebs. Mit einer Prothese zu gehen, das muss praktisch geübt und psychisch verkraftet werden. Erfahrene Physiotherapeuten helfen dabei; das Haus ist mit modernen Trai- ningsgeräten ausgestattet. Im Außenbereich, überdacht und auch bei schlechtem Wetter nutz- bar, ist ein Gangparcours, der erst kürzlich in Be- trieb genommen wurde. Individuell gestalteter Unterricht von Klasse eins bis zum Abitur oder Berufsschule Die Zeiten in der Klinik reißen Lücken in das Schulwissen der Kinder und Jugendlichen. Damit 195

Zur Reha für krebs- oder herzkranke Jugendliche gehört auch das gemeinsame Musikmachen. Das Gemeinschafts- erlebnis ist für die Teilnehmer der Jugendreha eine wichtige Erfahrung. Sie lernen, dass sie nicht alleine sind. die Lücken während der Reha nicht weiter wach- sen, gibt es auf der Katharinenhöhe eine Klinik- schule mit individuell gestaltetem Unterricht. Die Schule ist Teil der Klinikschule des Schwarz- wald-Baar-Kreises. Der Landkreis sorgt auch für die Versorgung mit Lehrern. Da ist Flexibilität ge- fragt, weil die Anforderungen praktisch mit jeder der Vier-Wochen-Kuren wechseln. Unterrichtet wird von Klasse eins bis zum Abitur oder zur Be- rufsschule. Schon bevor die Patienten und ihre Geschwister zur Katharinenhöhe kommen, ver- sorgt die Heimatschule die Klinikschule mit allen notwendigen Informationen. Das Konzept der familienorientierten Nachsorge hat sich fest etabliert sen und Rentenversicherungen. Üblich war seit Langem, dass die Kassen die Kosten für das kran- ke Kind und eine Begleitperson übernahmen, meist kam die Mutter mit. Dass auch der Vater und die – scheinbar gesunden – Geschwister er- holungsbedürftig sind, dass die Familie wieder zusammenfinden muss, diese Idee brauchte viel Überzeugungsarbeit. Inzwischen haben die Kostenträger eingese- hen, dass sich die Reha für die ganze Familie aus- zahlt. Dennoch hat die Verwaltung der Kathari- nenhöhe immer wieder Diskussionen und Ge- spräche mit den Kostenträgern zu führen, hilft den Patientenfamilien, bürokratische und finan- zielle Hürden aus dem Weg zu räumen. „Am Geld scheitert kein Reha-Aufenthalt bei uns“, versi- chert Stephan Maier. Das Konzept der familienorientierten Rehabilita- tion macht Schule. Davon zeugen nicht zuletzt viele Besuche von Medizinern, Wissenschaftlern und Politikern, die sich vor Ort informieren, eben- so viele Einladungen zu Vorträgen. Durchgesetzt hat sich die Idee inzwischen auch bei den Kosten- trägern der Reha-Maßnahmen, den Krankenkas- Erweiterungen und Erneuerungen wären ohne Zuschüsse und Spenden nicht finanzierbar Die Patienten merken es nicht, dennoch: Das Geld ist knapp für die Rehabilitationsklinik. Auch wenn die Kassen die Pflegesätze für die ganze 196

Wer die Kletterwand bis nach oben schafft, hat sich selbst bewiesen, dass er Stärke und Ausdauer besitzt. Wie- der an sich glauben und Zuversicht schöpfen, sind zwei der Ziele der Reha auf der Katharinenhöhe. Familie überweisen, reichen diese Einnahmen nicht dazu aus, um die laufenden Kosten zu de- cken. Die Pflegesätze stiegen in den vergangenen Jahren weitaus langsamer als die Kosten. Und so fließen jährlich rund 400.000 Euro an Spenden- mitteln in den laufenden Haushalt, Geld, das eigentlich für Anschaffungen und besondere Ak- tionen gedacht ist. Die Katharinenhöhe ist fest in der Region ver- ankert, hat darüber hinaus Gönner und Unter- stützer in ganz Deutschland, in Österreich und in der Schweiz. Ein Förderverein unterstützt die Ein- richtung mit beträchtlichen Spenden. Vorsitzen- der ist Professor Dr. med Thomas Klingebiel, Lei- ter des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin im Klinikum der Goethe-Universität Frankfurt. Der Förderverein beschränkt sich nicht aufs Spendensammeln. Er sieht seine Aufgaben auch in der engen Zusammenarbeit mit Menschen, die sich um die wissenschaftliche und praktische Weiterentwicklung der Rehabilitationsklinik Ka- tharinenhöhe bemühen, ebenso in der Pflege persönlicher Kontakte zu ehemaligen Patienten und ihren Familien. Zu den Mitgliedern des För- dervereins zählen übrigens zahlreiche Ortsver- eine der Arbeiterwohlfahrt. Im Jahr 2010 wurde zudem die „Stiftung Katharinenhöhe für krebs- kranke und chronisch kranke Kinder“ gegründet, die die Erträge ihres Stiftungsvermögens zur Ver- fügung stellt. Die immer wieder notwendigen baulichen Er- weiterungen und Erneuerungen wären ohne Zu- schüsse und Spenden gar nicht finanzierbar, be- tont Stephan Maier. Die Außenanlagen wurden sprich werden komplett runderneuert, Spielplät- ze neu gestaltet, ein kleiner Sportplatz sowie ein Gangparcours angelegt. Ferner wurden neue Parkplätze gebaut. Das nächste Bauvorhaben wird bereits geplant: ein neuer Trakt für Fami- lien-Appartements. Es ist nicht beabsichtigt, die Kapazitäten der Einrichtung zu erweitern. Viel- mehr sollen für die einzelnen Familien geräumi- gere, zeitgemäße Wohnungen eingerichtet wer- den. Rund zwei Millionen Euro werden schät- zungsweise investiert. Die AWO-Rehaklinik im Internet: www.katharinenhoehe.de 197

7. Kapitel Bildungseinrichtung Erste Naturparkschule eröffnet Dom­Clemente­Schule startet mit viel Engagement ein Pilotprojekt des Naturparks Südschwarzwald von Hans-Jürgen Kommert Die Dom-Clemente-Schule in Schonach ist seit 2011 zertifizierte Naturparkschule und arbeitet dabei intensiv mit dem Naturpark Südschwarzwald und mit außerschu- lischen Partnern zusammen. Mittlerweile besitzt sie Vorbildcharakter für weitere Schulen, die sich ebenfalls zertifizieren lassen wollen, wie Ingrid Schyle als Projektlei- terin der Naturparkschulen im Naturpark Südschwarzwald über dieses Konzept weiß. 198

Mit der Einrichtung dieser Naturparkschule be- schritt der Naturpark Südschwarzwald neue We- ge in der Bildungsarbeit in Baden-Württemberg. „Als im Jahre 2010 der Naturpark Südschwarz- wald an mich herantrat, ob ich mir vorstellen könnte, die Projektleitung einer Naturparkschule zu übernehmen, war vieles Neuland. Ich fand es spannend, die Schülerinnen und Schüler für die Besonderheiten und Einzigartigkeiten der Region zu begeistern und die regionalen Themen mit den Lehrkräften und außerschulischen Partnern vor Ort umzusetzen“, so Naturparkführerin und Na- turpädagogin Ingrid Schyle. Sie habe sich recht schnell mit dem damaligen Leiter der Dom-Cle- mente-Schule in Verbindung gesetzt. Und Ulrich Gasche ließ sich von der Begeisterung anstecken, die Ingrid Schyle für ein solches Projekt empfand. Er konnte mit ihr gemeinsam seine gesamte Lehrerschaft überzeugen, dass es eine tolle Sa- che sei, Themen quasi vor der Klassenzimmertür nachhaltig im Unterricht zu verankern. Auch die Die Dom-Clemente-Schule in Schonach Gemeinde als Schulträger sowie das Schulamt standen von Anfang an hinter diesem Projekt. So konnte das Pilotprojekt Naturparkschule starten. Regionale Besonderheiten im Blickpunkt Zunächst galt es, gemeinsam Kriterien, Zielset- zungen und Aufgaben einer Naturparkschule zu definieren. Auf der Basis des Bildungsplans der Schulen werden dabei Themen aus den Be- reichen Natur und Kultur vermittelt und dabei besonders die regionalen Besonderheiten in das Blickfeld gerückt. Die Zielsetzungen mit Inhalten und Themen wurden in das Curriculum der Schu- le aufgenommen . Von besonderer Bedeutung sind die vielen außerschulischen Partner wie beispielsweise Handwerker, Vereine, Landwirte oder Privat- personen, die ihre Fachkompetenzen zur Verfü- gung stellen und über mehrere Jahre bereit sind, Projektübergabe an die Gemeinde, von links nach rechts: hinten: Ulrich Gasche, damaliger Rektor der Dom- Clemente-Schule; Roland Schöttle, Geschäftsführer Naturpark Südschwarzwald; Joachim Gwinner, erster Lan- desbeamter; Jörg Frey, Bürgermeister von Schonach; zweite Reihe von links: Katharina Hirt, Schulrätin staatl. Schulamt Donaueschingen; Hannelore Reinbold-Mench, stellvertretende Vorsitzende des Naturparks Süd- schwarzwald; Ingrid Schyle, Projektleitung Naturparkschule Schonach; Judith Kunze, Lehrerin/Lenkungsgruppe Naturparkschule Schonach; Johannes von Stemm, Forst Schwarzwald-Baar-Kreis/Lenkungsgruppe, unten von links: Tanja Grieshaber, Lehrerin/Lenkungsgruppe; Sabine Emde, Lehrerin/Lenkungsgruppe. 199

Bildungseinrichtung 200 In der „Gflechtstrichi“ wird das Stroh geglättet. an der Naturparkschule mitzuwirken. Dadurch konnten viele außerschulischen Lernorte ge- schaffen werden. Es besteht eine intensive Partnerschaft zwi- schen dem Naturpark Südschwarzwald, der Dom-Clemente-Schule sowie der Gemeinde Schonach. Sowohl für die Gemeinde als auch den Naturpark ist die Schule ein wesentlicher Be- standteil des Bildungsauftrags, darüber hinaus ist sie aber auch ein hervorragendes Instrument zur Identifikation der Eltern und Kinder mit dem Thema Naturpark. Auf die Bildung für nachhaltige Entwick- lung wird ein besonderes Augenmerk gelegt. Dieser Baustein erhält besonderen Stellen- wert im Schulalltag und ist fest im Leitbild der Dom-Clemente-Schule verankert. Die Kinder beschäftigen sich mit den regionalen Themen, lernen dabei aber auch über den Tellerrand hi- nauszuschauen und globale Entwicklungen zu erkennen. Das Selbstverständnis der Schule geht dahin, dass sie sich als kinderfreundlicher Lern- ort definiert. Die Kinder werden mit ihren per- sönlichen Merkmalen angenommen. Sie sollen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung unterstützt und in ihren jeweiligen Begabungen gefördert werden. Die Dom-Clemente-Schule wurde be- reits als „Bewegte Grundschule“ ausgezeichnet, nun strebte sie also die Zusatz-Qualifikation Na- turparkschule an. Dazu wurden Lernmodule erarbeitet, die sich in den Lehrplan der einzelnen Grundschulklassen integrieren lassen, die aber oft an außerschuli- schen Lernorten und in der Natur stattfinden. Diese außerschulischen Exkursionen sind immer eingebettet in den Unterricht mit Vor- und Nach- bereitung in der Schule und der Weiterführung des Themas im Unterricht. Die Module sind fer- tig ausgearbeitet, es gibt Lehrer-Informationen zu jedem einzelnen Thema, Arbeitshilfen und Arbeitsblätter wurden entwickelt. Durch die fes- Links: Die Vielfalt der Tiere und Pflanzen auf unge- düngter Wiese wird untersucht. Rechte Seite: Auf Besuch im Sägewerk.

te Einbindung der Module in die Unterrichtsein- heiten können auch Lehrer, die nicht aus der Re- gion stammen, die regionalen Themen rund um Natur und Kultur leichter aufgreifen. Neugier auf Natur wecken Zunächst werden die jeweiligen Grundschulklas- sen über den Naturpark und auch das Projekt in- formiert, bevor die einzelnen Module beginnen. Mit einem Quiz sowie der Broschüre „Naturpark- entdecker“ wird dabei ebenso gearbeitet wie mit praktischer Spurensuche im Naturpark und so genannten „Naturpark-Rallyes“. In der ersten Klasse werden die Kinder neugierig gemacht auf die Natur, dabei geht es mit Johannes von Stemm vom Forstamt Triberg hinaus auf den Na- turerlebnispfad in der Umgebung des Dorfes. Mit den sogenannten Entdeckerwesten, ausgestat- tet mit zahlreichen Exkursionsmaterialien wie Becherlupe, Exhaustor und Bestimmungshilfen, geht es in den Naturpark hinaus. Es wird geforscht, experimentiert – und die Ergebnisse werden festgehalten und dokumen- tiert. Die Jahreszeit dazu ist der frühe Frühling, sobald der Schnee weicht und die Natur zum Le- ben erwacht. In einem zweiten Modul der ersten Klasse geht es um den Lebensraum Wiese. Dazu Die Dom-Clemente-Schule in Schonach braucht es keinen weitläufigen Ausflug – denn die Schule selbst liegt im Ortskern und dennoch im Herzen der Natur. Für dieses Modul konnte als Kooperationspartner Monika Schwarz vom Bauerngarten- und Wildkräuterland Baden e. V. gewonnen werden. Die Vielfalt der Tiere und Pflanzen auf ungedüngter Wiese wird verglichen mit intensiv bewirtschafteten Flächen: Von den Kleintieren auf der Wiese bis zur Wiesenapothe- ke und den Kräutern, einschließlich ihrer Zube- reitung, kann alles erlebt werden. Erleben von Raum und Zeit Die zweite Klasse widmet sich gleich drei Mo- dulen. Bereits im Oktober, nur wenige Wochen nach Schuljahresbeginn, geht es um die geheim- nisumwitterten Hochmoore, um die sich Sagen und Legenden ranken. „Geschichten, Sagen und Bräuche“ stehen im Vordergrund – und eine Ex- kursion zum nahe gelegenen Blindensee, die in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Schwarz- waldverein durchgeführt wird. Zum Winteren- de wird die Tradition der Uhrenherstellung er- forscht. Raum und Zeit zu erleben steht dabei auch im Vordergrund des Bildungsplans. Dazu gibt es im Rahmen der Kooperationen gleich drei Exkursionen – nach Furtwangen ins Deutsche 201 201

Bildungseinrichtung Uhrenmuseum, zur Kuckucksuhrenherstellung bei der Schonacher Firma Kammerer – und ins Detail, ins Innere der Kuckucksuhr geht es bei der Familie Dold in der ersten weltgrößten Ku- ckucksuhr im Untertal der Gemeinde. Das letzte Modul dieser Stufe gehört der Landwirtschaft, die den Schwarzwald und natürlich auch das Ski- dorf Schonach prägt. „Wie verwandelt die Kuh das Gras in Milch“ heißt es dabei. Intensiv wird auf die besondere Kulturlandschaft des Schwarz- walds eingegangen. Die Kinder erfahren, was mit dieser einmaligen Landschaft ohne die Einwir- kung der Bauern passiert, was man besonders gut rings um den Ort erleben kann. Die Familie Petra Hettich und Ralf Spadinger bewirtschaften hoch über dem Ort den Sigmundenhof, der seit mehr als 180 Jahren im Besitz der Familie Hettich ist. Im Mai, wenn es besonders viele Kälber auf dem Hof gibt, sind die Kinder dort und stellen auch selbst Butter her. „Des isch jo viel Arbeit“, stellt ein Schüler dabei fest. Vom Erleben und Staunen zum Schützen und Erhalten Dort, wo vor 100 Jahren die Schonacher Kinder in die Gflechtschule gingen, wird das alte Hand- werk zusammen mit den Strohflechterinnen des Heimat- und Trachtenvereins wiedererlernt. Der Roggen dazu wird im Schulgarten selbst ange- baut und verarbeitet, vom Stroh bis zum Korn. Mit dem Förster und den Naturparkführern geht es in das Natura 2000 und LIFE-Gebiet am Rohrhardsberg, um die Einzigartigkeit dieser geschützten Lebensräume zu erforschen. Vom Erleben und Staunen zum Schützen und Erhal- ten, lautet das Ziel dieser Exkursion. Auch dieser Ansatz korreliert mit dem Bildungsplan, heißt es doch dort „heimatliche Spuren suchen, entde- cken und gestalten“. Im Bildungsplan der Klasse vier steht: „Men- schen, Tiere und Pflanzen – staunen, schützen, erhalten und darstellen – der Wald als naturna- her Lebensraum“. Auch dazu geht es wieder mit dem Förster in den Wald, wo unter anderem der wertvolle natürliche Rohstoff Holz vom Baum bis zum gesägten Balken behandelt wird. Dazu 202 wird auch das einheimische Sägewerk Rombach besucht. Vom einfachen Stück Holz bis hin zum fertigen Gebrauchsgegenstand führen Holzbild- hauer Herbert Schneider und Weidenpfeifen- macher Hermann Börsig die Schüler. So erhalten die Kinder Einblick in traditionelle Handwerks- berufe. Und zu guter Letzt erfahren sie dann noch etwas über eines der Hauptgesteine des Schwarzwalds, den Granit. Gerade in der Um- gebung des Ortes findet man Spuren der Kelten oder gar noch älterer Bewohner des Waldes in den Schalensteinen, die offensichtlich Kultzwe- cken und astronomischen Deutungen dienten. Gemeinsam mit den Schalensteinfreunden Scho- nachs wird der „Schalensteinpfad“ um das Dorf begangen und die Hobbyforscher zeigen, welche Spuren die Steine enthalten. Dass man mit Stein auch andere Dinge machen kann, erfahren sie beim ortsansässigen Steinmetz Donatus Kette- rer, wo sie die Steine auch bearbeiten dürfen. Seit dem Erhalt des Zertifikats im Mai 2011 sind die Schüler der Dom-Clemente-Grund- schule mit Feuereifer im Naturpark unterwegs – und sie machen Schule. Mittlerweile sind es über ein Dutzend Schulen im ganzen Naturpark Südschwarzwald, die derzeit eine Zertifizierung anstreben. Eine dicke Broschüre dient neuen Partnerschulen als „roter Faden“, wie eine sol- che Kooperation mit außerschulischen Projekt- partnern zu besten Ergebnissen führt – und stets steht auch Ingrid Schyle als Koordinatorin im Netzwerk Naturparkschulen im Naturpark Süd- schwarzwald mit Rat und Tat zur Seite. Für den Naturpark Südschwarzwald ist die Einrichtung von zertifizierten Naturparkschulen von zent- raler Bedeutung in der Bildungsarbeit. Dass es nachhaltig funktioniert, hat die Dom-Clemente- Schule in Schonach bewiesen. Oben: Beim Mikroskopieren die Welt der Zellen entdecken. Mitte: Wie entsteht eine Kuckucksuhr? Und: Hasen- fell des „Feldere-Karli“ bei der Sagentour. Unten: Erfahrene Strohflechterinnen geben ihr Hand- werk weiter. Rechts: Butterherstellung ist Handarbeit.

Die Dom-Clemente-Schule in Schonach 203

Geschichte und Uhrengeschichte 8. Kapitel Geschichte und Uhrengeschichte Kuckucksuhr begeistert weltweit Faszinierende Sonderausstellung im Deutschen Uhrenmuseum von Julia Scholz Auch wenn viele Menschen die Kuckucksuhr kitschig, spießig oder langweilig finden mögen, hat sie sich in den letzten Jahren zum wohl kul- tigsten Souvenir aus Deutschland gemausert. So präsentierte sich die Stadt Freiburg auf der Ex- po 2010 im chinesischen Schanghai unter dem Motto „Better City, Better Life“ – zu Deutsch „Eine bessere Stadt, ein besseres Leben“ – mit dem CooCooChoir. Dieser Chor, eine Installation von Thorsten Belscher mit acht verschiedenen Kuckucksuhren, spielte Lieder wie „Kuckuck, Ku- ckuck ruft’s aus dem Wald“. Dazu wurden die Uhren im Takt der Musik beleuchtet. Zusätzlich grüßte der Kuckuck synchron aus seinem Häus- chen. Diese Verbindung von Tradition und Mo- derne fand großen Anklang. Die Installation war ein absoluter Besuchermagnet und ein beliebtes Fotomotiv. Für das Deutsche Uhrenmuseum in Furtwan- gen ist die Kuckucksuhr ebenfalls von zentraler Bedeutung. Sie bildet nicht nur den Markenkern des Hauses, sondern das Museum beherbergt auch das „Bahnhäusle“, gewissermaßen die Ur- form der Souvenir-Kuckucksuhr nach einem Ent- wurf des Architekten Friedrich Eisenlohr. Schon 1988 widmete das Museum der Ku- ckucksuhr eine Monografie. Doch da dieses Buch nicht nur vergriffen, sondern inhaltlich auch überholt ist, war es an der Zeit, sich mit einer Sonderausstellung und Publikation erneut mit dem Thema Kuckucksuhr auseinanderzusetzen. Unter dem Titel „Kuckucksuhr, mon amour“ spürte das Deutschen Uhrenmuseum der Fas- zination Kuckucksuhr nach, der Frage, was die Kuckucksuhr schon seit mehr als 100 Jahren so interessant macht. 204

Faszination Kuckucksuhr Doch warum fasziniert die Kuckucks- uhr Menschen jeden Alters rund um den Erdball so sehr? Ist es die Mechanik, die die Leute verblüfft? Ist es die Putzigkeit des Häus- chens, die die Men- schen begeistert? Oder lässt man sich von dieser Uhr vielleicht auch gerne in die „gute alte Zeit“ entfüh- ren? Klar ist in jedem Fall, dass die Uhr mit Vogelruf für viele ausländische Touristen zum Symbol für Deutschland ge- worden ist, so wie der Eiffel- turm für Frankreich oder der ro- te Doppeldeckerbus für England. So urteilt Reinhard Herr, Ge- schäftsführer der Firma Hubert Herr Kuckucksuhren aus Triberg, in einem Inter- view mit dem Deutschen Uhrenmuseum folgendermaßen über die Kuckucksuhr: „Por- sche, Mercedes, Kuckucksuhr sind Begriffe, die im Ausland mit Deutschland in Verbin- dung gebracht werden. Technologisch ist die Kuckucksuhr vielleicht nicht mit Porsche und Mercedes zu vergleichen. Das ist auch über- haupt nicht der Sinn der Sache. Sondern, es geht einfach darum, was die Leute erwarten, wenn sie von Deutschland und von deutschen Produkten reden. Da ist die Kuckucksuhr bei einem auslän- dischen Publikum ganz vorne mit dabei. Wenn man die Kuckucksuhr also in den Kon- text stellt zu Porsche und Mercedes, dann heißt das einfach, dass die Leute die Qualität, die sie von diesen Autos kennen, auch bei der Kuckucks- uhr erwarten. Und das sollte man als Schwarz- wälder Hersteller auch berücksichtigen und den Leuten das anbieten, was sie möchten.“ Für die Menschen hier in der Region ist die Kuckucksuhr nicht selten ein Symbol für Heimat, ein Ausdruck regionaler Verbundenheit. Es ist al- so nicht verwunderlich, wenn auch die Hersteller ihr eine ganz besondere Liebe entgegenbringen. Schließlich waren sie es, die der Uhr mit Vogel- Geschichte und Uhrengeschichte Kuckucksuhr mit zusätzlichem Musik- werk, Schwarzwald um 1927, Höhe 155 cm. ruf ihren weltweiten Sieges- zug ermöglicht haben. Aus einem geografisch sehr kleinen Umkreis um Schonach und Triberg heraus haben sie die Kuckucksuhr weltweit bekannt gemacht. Weder die anderen Schwarzwald-Uh- ren wie die Lackschilduhr, noch weitere bekannte Produkte aus dem Schwarzwald wie der Bollenhut, die Kirschtorte oder der Schinken können mit der Kuckucksuhr mithalten. Und noch heute ist der idyllisch ge- legene Fremdenverkehrsort Scho- nach ge wisser maßen das Weltzent- rum der Kuckucksuhrenproduktion. Viele Hände sind beteiligt In Schonach sitzt unter anderem der Welt- marktführer für mechanische Kuckucks- uhrwerke, SBS-Feintechnik, der mehr als 90 Prozent aller Schwarzwälder Kuckucksuhren ausstattet. Auch wenn es heute möglich wäre, ein mechanisches Uhrwerk komplett aus Kunst- stoffteilen herzustellen, soll die traditionelle Technik nach dem Willen von Thomas Burger, geschäftsführender Gesellschafter der Firma, beibehalten werden, denn man möchte dieses ureigene Produkt nicht verfälschen. Daran solle sich auch in Zukunft nichts ändern, selbst wenn die Kuckucksuhrwerke beim Gesamtumsatz des erfolgreichen mittelständischen Unternehmens keine bedeutende Rolle mehr spielen. Doch nicht nur die Kuckuckswerke werden in Schonach gefertigt, sondern auch die Bewohner der Uhren. Bernd Ackermann von der Firma Joos KG gibt den Vögeln ihr buntes Gefieder. Die Stimme bekommt der Kuckuck bei Kienzler Holzwaren. Seit 80 Jahren werden dort Kuckucks- pfeifen produziert. 205

Geschichte und Uhrengeschichte Die charakteristischen gedrechselten Ziffer- blätter mit den römischen Zahlen und die Zeiger werden bei der Firma Erwin Pfaff hergestellt, etwa 50.000 bis 60.000 dieser Stücke sind es pro Jahr. Ihr trautes Heim erhalten viele Kuckucksvö- gel von der Holzwarenfabrik Paul Kienzler. In der modernen Großschreinerei entstehen viele der typischen Gehäuse. Schlüsselfertig oder im Roh- bau werden sie an die Kuckucksuhrenhersteller übergeben. Neues vom „Kuckucksuhrenmacher“ Am Ort wäre das etwa die Rombach & Haas Ku- ckucksuhrenmanufaktur. Hier werden seit 2005 etwas andere Kuckucksuhren geschaffen, wie Ingolf Haas erklärt: „Aus einem intuitiven Im- puls heraus haben wir im Jahre 2005 die dritte Generation der weltberühmten Kuckucksuhr geschaffen. Sie zeigt sich nun auch als schlicht gestaltetes Designobjekt, sie ist zeitgemäß und nach wie vor witzig. Unser Wunsch, den Beruf „Ku- ckucksuhrenmacher“ sowie die Berufung „Künst- ler“ zusammenzubringen, hat sich hierdurch er- füllt.“ Christophe Herr, Holzbildhauer und Geschäfts- führer der Firma Robert Herr, ebenfalls in Scho- nach ansässig, sieht sich in der Tradition quali- tätsvoller Handarbeit im Schwarzwald: „Ich liebe diese Uhr und versuche das, was unsere Vorväter erschaffen haben, am Leben zu erhalten.“ Im Nachbarort Triberg ist das „Haus der 1.000 Uh- ren“ angesiedelt, in dem wohl jeder Kuckucksuh- renliebhaber etwas fin- den kann. Denn die Uhr mit dem kleinen Vogel gibt es heute in unzähligen Va- rianten. Der Kunde hat die Qual der Wahl. Ganz grund- sätzlich muss er entschei- den, ob es eine „Original Schwarzwälder Kuckucks- uhr“ (zertifiziert durch den „Verein die Schwarzwald- uhr“) mit mechanischem 206 Von links oben nach rechts unten: Schreinermeister Kienzler vor der beeindruckenden Vielfalt an Ku- ckuckspfeifen, Thomas Burger, Geschäftsführender Gesellschafter SBS-Feintechnik, Endkontrolle der Uhr- werke und Ingolf Haas, Inhaber Rombach & Haas Schwarzwalduhren manufaktur. Werk oder eine batteriebetriebene Uhr mit Quarzwerk sein soll. Klar ist, bei der Verzierung des Häuschens gibt es heute nicht nur das klassi- sche Chalet, sondern auch moderne Bungalows, Leuchttürme, Rechtecke, Kreise und sogar Uhren in Form von einem Kuckucksei. Es ist für jeden etwas dabei: für die Liebhaber traditioneller Ku- ckucksuhren, für die Fans von moderner Kunst oder auch für diejenigen mit außergewöhnli- chem Geschmack. Und wer den Kuckuck nicht ständig rufen hören will, der kauft sich am bes- ten eine Uhr aus Schokolade, die lässt sich dann verspeisen. „Kuckucksuhr hat nachhaltigen Wert“ Neben dem „Haus der 1.000 Uhren“ ist in Tri- berg ein weiterer Hersteller von mechanischen Kuckucksuhrwerken ansässig, die Firma Hubert Herr Kuckucksuhren. Auch hier weiß man die Tradition der Kuckucksuhrenherstellung im Schwarzwald zu schätzen, wie Reinhard Herr er- klärt: „Wenn ich eine Kuckucksuhr kaufen möch- te und weiß, dass ich etwas bekomme, was im Schwarzwald hergestellt wurde, mit Leuten die dort ausgebildet wurden, die der Tradition ver- Um 1950 von der Firma Jos. Burger Söhne in Schonach produziertes Kuckucks uhrenwerk. Auf das Mehrtag-Pendelwerk mit leichtem Gewicht wurde am 11. April 1949 ein Patent angemeldet.

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Geschichte und Uhrengeschichte Schonacher Kuckucksuhr mit dem Bur- ger-Werk „Regula“, wohl 1960er-Jahre. Die Schnitzereien stammen von Otto Haas vom Rensberg. pflichtet sind, dann hat so ein Produkt einen nach- haltigen Wert.“ Zwar mag der Schwarz- wald heute eine Hochburg für die Kuckucksuhrenher- stellung sein, doch darf man sich auch die Erfin- dung der Uhr mit Vogelruf auf die Fahne schreiben? Immerhin steht in Schön- wald ein Gedenkstein für Franz Anton Ketterer, den vermeintlichen Erfinder der Kuckucksuhr. Doch so viel steht heute fest: Die Kuckucksuhr wurde nicht im Schwarzwald erfunden (siehe nachfolgenden Beitrag), aber dort schon sehr früh gefertigt. Doch eine solche Le- gende braucht es möglicherweise, um einen Longseller zu kreieren oder umgekehrt. Eine Sache kann man den Schwarzwäldern jedoch nicht absprechen, wie es uns Maria Schüly vom Augustinermuseum in Freiburg sagt: „Die Kuckucksuhr wurde nicht im Schwarzwald er- funden, aber die Schwarzwälder waren hervor- ragende Kopisten. Sie haben sich von anderen abgeschaut, was modern war und sich gut ver- kaufen ließ, nicht nur Uhren, auch Strohhüte, Zinnlöffel oder Hinterglasbilder.“ Die „weltgrößte“ Kuckucksuhr Was auch ganz sicher ist: Im Schwarzwald steht die, laut Guinness-Buch der Rekorde, „weltgrößte Kuckucksuhr“, und zwar in Triberg am Gebäude des Uhrenparks der Firma Eble. Seit 1997 darf die 15,30 Meter hohe Uhr offiziell diesen Titel füh- 208 ren, den man übrigens fast an die Harzer Uhrenfabrik in Gernrode verloren hätte. Denn diese hatte sich angeschickt, mit 14,50 Meter, damit vermeintlich ge- nau 50 Zentimeter höher als die Uhr in Triberg, die weltgrößte Kuckucksuhr zu bauen. Dies stieß im Schwarzwald natür- lich auf wenig Wohl- wollen. So maß man nach und fand heraus, dass die Schwarzwälder Uhr in Wahr- heit über 15 Meter hoch ist. So gibt es im Harz nun die „welt- größte Kuckucksuhr außer- halb des Schwarzwaldes“ zu sehen. Doch selbst wenn die Schwarzwälder damals diesen Guinness-Titel verloren hätten, dann hätten sie immer noch mit der „ersten weltgrößten Kuckucksuhr“ auf- warten können. Diese steht, wie sollte es auch anders sein, in Schonach und wurde 1980 von Josef Dold gebaut. Doch lassen Sie es sich gesagt sein, egal wo Sie eine Kuckucksuhr besichtigen, sei es nun im Schwarzwald, anderswo in Deutschland, oder so- gar in Nordamerika oder Argentinien (auch dort gibt es riesige Kuckucksuhren!): Den Kuckuck auf das Bild zu bekommen bleibt ein Kunststück… Von links oben nach rechts unten: Bernd Ackermann mit den Rohlingen, die als Kuckucksvögel bemalt werden, Christophe Herr, Holzbildhauer und Geschäftsführer der Fa. Robert Herr – Kuckucksuhren-Unikate, Johannes Kienzler mit gelaserten Fensterläden für die Fronten der Kuckucks- uhren, Konrad Weiss von Erwin Pfaff Holzwaren vor der Stanzmaschine, mit der Zeiger und Ziffern für die Kuckucksuhren hergestellt werden.

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Kurze Geschichte der Kuckucksuhr Wer hat’s erfunden? Früheste Nachricht stammt von 1629 Geschichte und Uhrengeschichte von Johannes Graf Wer im Schwarzwald unterwegs ist, begegnet ihr früher oder später: der Kuckucksuhr. Sie begrüßt die Gäste in fast jeder Gaststätte mit ihrem „Kuckuck“; in großer Zahl und Vielfalt bestimmt sie das Angebot in den Souvenirläden. Der Vogel mit dem charakteris- tischen Ruf ziert die Markenzeichen der Fremdenverkehrsverbände, sei es der „Hoch- schwarzwald Tourismus GmbH“ oder der „Ferienland im Schwarzwald GmbH“, dem Kerngebiet der Kuckucksuhrenherstellung zwischen Triberg und Furtwangen. Aber ist die Kuckucksuhr, das Aushänge- schild der Bergregion mit den dunklen Fichtenwäldern, auch dort erfunden worden? Nein, denn die Ku ckucks- uhr ist weit älter als die gesamte Uhrmacherei im Schwarzwald. Die früheste Nachricht über eine Kuckucksuhr stammt von 1629. Sie befand sich in der le- gendären Kunstkammer des Kur- fürsten August von Sachsen. Wie diese Uhr mit Schlagwerk und beweglichem Vogel, die zu jeder Viertelstunde Kuckuck gerufen haben soll, ausgesehen haben mag und wer sie gebaut hat, ist nicht bekannt. Und leider ist die Kuckucksuhr im Gegensatz zu an- deren Automatenuhren, die zu den bewunderten Höhepunkten des legendären Grünen Gewölbes ge- hören, heute nicht mehr Teil der Dresdner Sammlung. Diese Uhr kann kein Ein- zelstück gewesen sein, da der Links im Bild: Postkarte der Werbe- gemeinschaft der Kuckucksuhren- fabrikanten, um 1930. Mechanismus für den Kuckucksvogel im 17. Jahrhundert bereits zum gängigen Wissen der mechanischen Künste gehörte. So erklärt der Gelehrte Athanasius Kircher in seinem weit verbreiteten Handbuch zur Musik „Musurgia Universalis“ (1650) die Funktion mehrerer Figurenauto- maten. Neben einem Flötenspie- ler und einem krähenden Hahn wird dabei auch eine Kuckucks- figur gezeigt. Zum ersten Mal wird hier in Bild und Text detail- liert beschrieben, aus welchen Teilen ein mechanischer Kuckuck besteht.1 Erfunden hat Kircher den Kuckucksmechanismus aber wohl nicht. Von dieser Bauanleitung eines Musikautomaten mit Kuckuck zur Beschreibung einer Uhr mit Kuckucksruf war es nur ein klei- ner Schritt. Wenige Jahre nach Kircher schlug Domenico Mar- tinelli in seinem Buch über Ele- Eine der ältesten Schwarzwälder Kuckucksuhren, Johannes Wildi, Eisenbach um 1780-90. Höhe: 35 cm (Deutsches Uhrenmuseum, Inv. 2008-024). 211

Geschichte und Uhrengeschichte Links: Denkmal für Franz Ketterer, den angeblichen Erfinder der Kuckucksuhr, in Schönwald. Rechts: Athanasius Kircher zeigt 1650 eine mechanische Kuckucksfigur als Teil eines Musikautomaten (Archiv Deutsches Uhrenmuseum). mentaruhren „Horologi Elementari“ (1669) vor, den Kuckucksruf mit dem Stundenschlag eines Uhrwerks zu koppeln. An Stelle des Klangs einer Glocke könne man die Töne einer Trompete oder eines Hahns, eines Kuckucks oder anderer Vögel verwenden. Das sei mit geringem Aufwand zu bewerkstelligen.2 Spätestens ab diesem Zeitpunkt war der Me- chanismus für eine Kuckucksuhr allgemein be- kannt. Jeder Mechaniker oder Uhrmacher wusste nach der Lektüre von Kirchers oder Martinellis Handbuch, dass es leicht machbar ist, die Stunde durch einen Kuckuck ausrufen zu lassen. Frühes- tens 70 Jahre danach begann man im Schwarz- wald, Kuckucksuhren zu bauen – also um 1740. Der Erfinder der Kuckucksuhr ist bis heute nicht gefunden Die Frage des Ursprungs der Schwarzwälder Kuckucksuhr erhitzt die Gemüter der Heimat- forscher bis heute.3 Unversöhnlich stehen sich zwei Positionen gegenüber, und das schon seit 212 200 Jahren. Bereits die beiden ersten Geschichts- bücher zur Schwarzwälder Uhrmacherei wider- sprechen sich in diesem Punkt. Der Triberger Pfarrer Markus Fidelis Jäck verortet 1810 in sei- ner „Darstellung der Industrie und des Verkehrs auf dem Schwarzwald“ die Keimzelle der ersten im Schwarzwald gebauten Kuckucksuhren in Schönwald. Er schreibt: „Franz Anton Ketterer von Schönwald, verfertigte Anfangs der Jahre 1730 eine Uhr, die er mit einem sich bewegen- den Vogel zierte, welcher mit dem Gukuk-Ruf die Stunde ankündigte. Die Idee dazu gab ihm der Blasbalg einer Kirchenorgel.“ 4 Pater Franz Steyrer erzählte in seiner „Ge- schichte der Schwarzwälder Uhrenmacherkunst“ von 1796 eine vollständig andere Geschichte. Zwei Schwarzwälder hätten auf einer Handels- reise bei einem böhmischen Verkäufer Kuckucks- uhren erworben. Nach diesen Vorbildern bauten zwei Schwarzwälder Uhrmacher erste eigene Kuckucksuhren. 5 Obwohl seit dem Erscheinen der beiden Bücher von Steyrer und Jäck mittlerweile zwei Jahrhunderte ins Land gegangen sind, ist es der

Geschichtsforschung nicht gelungen, stichhal- tige Beweise für die Behauptungen der einen oder anderen Seite zu finden. Der detektivische Spürsinn ganzer Historikergenerationen hat le- diglich Zweifel an Jäcks Darstellung geschürt. Denn Franz Anton Ketterer kann gar nicht in den 1730er Jahren Kuckucksuhren gebaut haben. Er wäre ein echtes Wunderkind gewesen, denn schließlich erblickte er erst 1734 das Licht der Welt. Wenn überhaupt, so war es wohl sein Vater Franz Ketterer, der wegen seines Berufes als Dreher „Trey- erfranz“ genannt wurde, der als erster im Schwarzwald Kuckucksuhren gefertigt haben könnte. 6 Obwohl die Kuckucksuhr erwiesenermaßen nicht im Schwarzwald erfunden wurde, hat die Version von Jäck bis heute zahlreiche Fürsprecher. Vor allem in Schönwald lebt die Erinnerung an Franz Ketterer als angeblichen Er- finder der Kuckucksuhr fort. Die Bahnhäusleuhr – Ein Jahrhundertdesign aus Furtwangen Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war die Kuckucks- uhr ein Nischenprodukt, da sie noch recht teuer war. Nur eine von hundert Schwarzwalduhren scheint überhaupt mit einem Kuckuck ausge- stattet worden zu sein. Zum Verkaufsschlager wurde dieser Uhrentyp erst, als er in die „Bahn- häusle“-Uhr eingebaut wurde. 1850 hatte die Großherzoglich Badische Uh rmacherschule in Furtwangen einen Design- wettbewerb veranstaltet. Er sollte dazu beitra- gen, das Aussehen der Schwarzwälder Produkte zu verbessern und so das traditionelle Handwerk gegenüber der Konkurrenz erster Uhrenfabriken zu stärken. Aus den eingesandten Vorschlägen ragte ein Entwurf von Friedrich Eisenlohr (1804 – 1852) he- raus. Eisenlohr war als Architekt für viele Bauten entlang der ersten badischen Staatseisenbahn Kurze Geschichte der Kuckucksuhr Die erste Bahnhäusle-Uhr. Ausführung ohne Kuckuck durch Kreuzer, Glatz & Co., Furtwangen, um 1853/54, Höhe 51 cm verantwortlich gewesen. Er nahm die Fassade eines Bahnwärterhäuschens und versah sie mit einem Zifferblatt. Seine Uhr sollte zum Vorbild der heute noch als Souvenir beliebten Kuckucks- uhr werden. Eisenlohrs Bahnhäusleuhr wurde als ausgesprochen fortschrittli- ches Design begrüßt, denn sein Uhrengehäuse leitete Eisenlohr von den Bauten entlang der Eisenbahn ab, dem damaligen Motor der technischen und wirtschaftli- chen Entwicklung. Bereits in den 1850er Jahren setzte ein regelrechter Boom dieser Art Schwarzwalduhr ein. So boten zahlreiche Aus- steller auf der Gewerbeaus- stellung in Villingen 1858 Uhren im „Bahnhäuschenkasten“ oder „Bahnwartshaus“ an. Der Jahresbe- richt der Furtwanger Uhrmacherschu- le urteilt im gleichen Jahr über den Geniestreich Eisenlohrs: „Die Kuckucksuhr fand daher, sobald das für sie so sehr geeignete Bahnhäuschen als Uhrengehäuse verwendet wurde, wieder einen ganz besonderen Markt.“ 7 Um 1860 entfernte sich das Bahnhäusle zu- nehmend von seiner ursprünglich strengen grafischen Form. Das Gehäuse wurde nun mit plastischer Schnitzerei, vor allem mit Reb- und Eichenlaub sowie Tieren aus heimischen Wäl- dern, verziert. Noch heute zeichnet diese Kom- bination viele zünftige Kuckucksuhren aus. Nur zehn Jahre nach dem Originalentwurf durch Friedrich Eisenlohr waren alle Spielarten der Bahnhäusle-Uhr voll ausgebildet, vom strengen geometrischen Gehäuse mit flachen Verzierun- gen bis hin zum Jagdstück mit üppigen dreidi- mensionalen Pflanzen- und Tierschnitzereien. Dank des Bahnhäusles entwickelte sich die Ku- ckucksuhr innerhalb weniger Jahre zu einem der 213

Geschichte und Uhrengeschichte erfolgreichsten Schwarz- wälder Erzeugnisse. Die reich verzierten Kuckucks- uhren wurden nicht von einem Uhrmacher allein ge- fertigt. Vielmehr teilte man sich die Arbeit auf. Bei der Kuckucksuhr gab es zahl- reiche Spezialisten, die den eigentlichen Uhrmachern zuarbeiteten. 1873 war in einer Beschreibung der Schwarzwälder Uhrmache- rei über die Kuckucksuhr zu lesen: „Die Vögel werden meist von Frauen geschnitzt und bemalt. Die Pfeifen werden vom Pfeifenmacher ge- fertigt. Mit der Fabrikation von Kuckucksuhren befassen sich außer einer Anzahl von Meistern gegenwärtig auch einige große Geschäfte, selten fertigt sie der Kuckucksuhrenmacher selbst. Die- ser bezieht vielmehr die Uhrwerke, arbeitet sie genau nach, bringt die Bälge und Pfeifen an und setzt also das fertige Werk in den Kasten ein.“ 8 Diese Arbeitsteilung brachte es mit sich, dass verschiedene Uhrmacher bei den gleichen Zulieferern bezogen. Deshalb sind insbesondere Kleinteile wie Zeiger oder Zifferblätter bei vie- len Uhren identisch. Einige Produkte aus unter- schiedlichen Kuckucksuhrenwerkstätten sehen sogar von außen betrachtet genau gleich aus, da die Gehäuse von demselben Kastenschreiner be- zogen wurden. Schon zur Zeit der Wiener Weltausstellung wurden Kuckucksuhren nicht nur auf dem deut- schen Binnenmarkt, sondern in die meisten Re- gionen der Welt verkauft. Hauptexportländer für die Kuckucksuhr in Europa waren neben der Schweiz England, Russland und das türkische Reich. Um die Jahrhundertwende hatte die klassi- sche Bahnhäusle-Kuckucksuhr mit Imageproble- men zu kämpfen. Angesichts des sich wandelnden Zeitgeschmacks und neuer Uhrenformen wirkte die Kuckucksuhr altmodisch. Aber nicht nur das Produkt erwies sich als unzeitgemäß, sondern 214 Lackschilduhr mit Kuckuck für den französischen Markt, 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Höhe: 39 cm (Deutsches Uh- renmuseum, Inv. 10-0091). auch die Herstellungsweise. Gegenüber Großbetrieben wie Junghans, Kienzle und Mauthe gerieten die an ho- her handwerklicher Quali- tät von Werk und Gehäuse orientierten Uhrenfabriken der ersten Generation wie Gordian Hettich Sohn Furt- wangen, Fürderer, Jaegler & Co. und Winterhalder & Hofmeier (beide Neustadt) mehr und mehr ins Hintertreffen. Viele hatten mit Existenzproblemen zu kämpfen und muss- ten schließen. Auch die Beschäftigtenzahl bei einst so erfolgreichen hausgewerblichen Werk- stätten wie Johann Baptist Beha Söhne in Eisen- bach wurde soweit zurückgefahren, dass die Produktion hochwertiger Kuckucksuhren weit- gehend zum Erliegen kam. Die klassische Epo- che der Bahnhäusleuhr endete mit dem Ersten Weltkrieg. Die Kuckucksuhr als Souvenir In den späten 1920er Jahren galt die Uhr mit dem Vogelruf als Inbegriff schlechten Geschmacks. Die Dekorationslust des Historismus, der nicht nur die Kuckucksuhren üppig mit Ornamenten verziert hatte, war der „Neuen Sachlichkeit“ des Bauhauses mit ihrem Kult der glatten Oberfläche ein Graus. Die Zwanziger Jahre waren aber nicht nur eine Krisenzeit für die Kuckucksuhr. Es bahnte sich auch ein Comeback an. Damals wurde er- kannt, dass die Uhr aus dem Schwarzwald die Sehnsucht nach einem verloren gegangenen Zu- stand der Harmonie zwischen Mensch und Natur bediente. Sie richtete sich – wie es damals hieß – ans „Gemüt“. Als Erinnerung an eine bessere

Kurze Geschichte der Kuckucksuhr Welt war sie im wörtlichen Sinne „Souvenir“. Es verwundert deshalb nicht, dass die Schwarzwäl- der Wanduhren zu einem beliebten Andenken wurden. Denn der Tourismus im Schwarzwald warb damit, das positive Gegenbild zu der an- geblich unwirtlichen Lebenswelt der modernen Städte zu sein. Durch die Erschließung neuer und breiterer Bevölkerungskreise für das Reisen hatte sich das Souvenirgeschäft entscheidend gewandelt. Während die relativ geringe Zahl an wohlha- benden Reisenden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die aufwändig verzierten Gehäuse bevorzugt hatte, verlangten die weit weniger kaufkräftigen Massentouristen nun nach preis- günstigen Andenken. 1933 bildet die Deutsche Uhrmacher-Zeitung das gängige Sortiment an Uhren ab. Es gab sie immer noch: die „reich und kunstvoll geschnitzte Uhr mit Kuckuck- und Wachtelruf“ mit Preisen bis 400 RM. Sehr viel breiter aber war das Angebot an „billigen, beson- ders gangbaren Jockele-Uhren“ ab 2 RM, Minia- turuhren mit einfachsten Werken und bedruck- tem oder geschnitztem Uhrenschild. Der Preis Die Kuckucksuhr wurde immer bunter, die Schnitzerei- en gleichzeitig plakativer. Werbeblatt von Kuner, Tri- berg, 1950er Jahre (Archiv Deutsches Uhrenmuseum). war das ausschlaggebende Argument, nicht die Qualität von Werk und Schnitzerei. Dazu passt, dass die erfolgreichen Jockele-Uhren nur noch die Grundform der Bahnhäusle-Uhren nachahm- ten, in der Regel aber gar keinen Kuckucksruf mehr hatten. Triberg und Schonach sind bis heute das Zentrum der Kuckucksuhrenherstellung Die preisgünstigen Andenken wurden nicht mehr von den Firmen angeboten, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Markt dominiert hatten. Betriebe übernahmen die Marktführerschaft, die sich auf Souveniruhren spezialisiert hatten, vor allem in den Fremden- verkehrsorten Triberg und Schonach, bis heute das Zentrum der Kuckucksuhrenherstellung. Die 215

Geschichte und Uhrengeschichte Uhren wurden mehrheitlich nicht über Uhren- fachgeschäfte vertrieben, sondern über Anden- kenläden in den touristischen Zentren wie am Feldberg oder Titisee. Dieser Trend zu preisgünstigen Souvenirs hielt auch nach der Gründung der Bundesrepu- blik Deutschland an. 1953 wurden neben rund 400.000 Stück Kuckucksuhren fast eine halbe Million Jockele-Uhren verkauft. Baute vor dem Ersten Weltkrieg noch fast jeder Hersteller von Kuckucksuhren sein eigenes Uhrwerk, so ent- standen nun Werke nur noch in wenigen speziel- len Fabriken. Neben der Badischen Uhrenfabrik entwickelte sich SBS Feintechnik in Schonach mit der Marke „Regula“ zum führenden Anbieter von Kuckucksuhrwerken. Aber auch weiterhin pro- duzierten etwa die Triberger Betriebe August Schatz und Hubert Herr in geringeren Stückzah- len eigene Werke. Während die Zahl der Werkvarianten ab- nahm, stieg gleichzeitig die der Gehäusevari- anten. Kuckucksuhren gab es nun nicht nur in dunkel gebeizten Tönen, sondern gern auch in kräftigen Farben oder auf alt getrimmt. Zuneh- mend wurden die Kuckucksuhren nun auch mit weiteren Automaten ausgestattet und einem Musikwerk gekoppelt. „Schwarzwälder Kuckucksuhr“ ist eine geschützte regionale Qualitätsbezeichnung Mit dem Boom des Schwarzwaldtourismus in den 1950er bis 1980er Jahren hielten sich die hohen Produktionszahlen. Die wichtigste Stüt- ze des Kuckucksuhrmarktes war lange Zeit der nordamerikanische Markt. Doch durch die Dol- larschwäche und den Abzug der Alliierten nach der Wiedervereinigung gingen die Verkäufe drastisch zurück. Nach dem Terrorangriff auf das New Yorker Welthandelszentrum am 11. Septem- ber 2001 blieb schlagartig ein Großteil der ver- bliebenen Touristen aus den USA weg. Die Ab- satzzahlen gingen in den Keller. Heute wird nur noch ein Bruchteil dessen produziert, was bis vor einigen Jahrzehnten im Schwarzwald hergestellt wurde. SBS Feintechnik, deren Werke in fast allen Kuckucksuhren ein- 216 Kuckucksuhr über Kuckucksuhr – Impression aus dem „Haus der 1.000 Uhren“ in Triberg. Alle tragen sie das Qualitätssiegel „Schwarzwälder Kuckucksuhr“. gebaut sind, baut jährlich gerade noch 120.000 Stück, einschließlich anderer mechanischer Uhr- werke. Dennoch: Die Kuckucksuhr findet immer noch ihre Käufer. Es gibt sie sowohl für den kleinen Geldbeutel als auch für den Liebhaber, der be- reit ist, für ein aufwändig von Hand gearbeitetes Einzelstück einen vierstelligen Betrag auszuge- ben. Die „Schwarzwälder Kuckucksuhr“ ist in- zwischen eine durch die EU geschützte regionale Qualitätsbezeichnung wie Roquefortkäse oder Parmaschinken. Nur wenn der überwiegende Teil der Uhr aus dem Schwarzwald kommt, darf sie als „Schwarzwälder Kuckucksuhr“ bezeichnet werden. Und wieder einmal versuchen zudem ei- nige Hersteller, der Kuckucksuhr ein zeitgemä- ßes Gesicht zu geben. 1 Athanasius Kircher: Musurgia Universalis sive Ars ma- gna consoni & dissoni. 2 Bände. Rom 1650, hier Bd. 2, S. 343f. sowie Tafel XXI. 2 Domenico Martinelli: Horologi Elementari. Venezia 1669, S. 112. 3 Zur Diskussion über den Ursprung der Kuckucksuhr im Schwarzwald: Mühe, Richard / Kahlert, Helmut / Techen, Beatrice: Kuckucksuhren. München 1988, S. 7-14. 4 Markus Fidelis Jäck: Tryberg oder Darstellung der In- dustrie und des Verkehrs auf dem Schwarzwald [1810], Konstanz 1826, S. 28. 5 Steyrer, Franz: Geschichte der Schwarzwälder Uhren- macherkunst, Freiburg 1796, S. 18f. 6 Zusammenfassend: Gerd Bender: Die Uhrenmacher des hohen Schwarzwaldes, Bd. I, S. 266f. 7 Zitiert nach: Helmut Kahlert: Erinnerung an ein ge- niales Design. 150 Jahre Bahnhäusle-Uhren. In: Klassik- Uhren 2002, H. 4, S. 26-29. 8 Karl Schott: Die Schwarzwälder Uhrmacherei. Welt- ausstellung Wien 1873, Furtwangen o. J. (1873), S. 31.

Geschichte und Uhrengeschichte 217

9. Kapitel Museen Anfassen ausdrücklich erlaubt Das Kinder­ und Jugendmuseum Donaueschingen bietet auf 300 Quadratmetern Fläche viele spannende Exponate aus Wissenschaft und Technik von Franz Filipp Warum dampft der heiße Kakao in der Tasse, warum drehen sich die Uhrzeiger und wie kommt der Strom in den Fahrraddynamo hinein? Kinder sind von Natur aus neugierig und Phänomene aus den Bereichen Wissenschaft und Technik für sie stets ein Grund, den Erwachsenen im Alltag sprichwörtlich Löcher in den Bauch zu fragen. jungen Besuchern für Aktio- nen und Experimente benutzt werden können. Nicht zuletzt aber wäre diese geheimnisvolle Welt der Phänomene, die sich dort hin- ter schier endlosen Korridoren auf alten Dielenböden und in den zahllosen Exponaten ver- birgt, ohne das Engagement von Eveline und Felix Banthien aus Geisingen in der Alten Hofbibliothek gar nicht möglich gewe- sen. Nicht ohne Grund hat das Ehepaar deshalb den Denkmalschutzpreis 2012 Baden-Württem- berg erhalten, für den knapp 60 Bewerbungen ein gegangen waren. Dokumentiert wurde hierzu die Geschichte des Gebäudes und das Nutzungskonzept sowie Im Kinder- und Jugendmu- seum (KiJuMu) in Donau- eschingen können Kinder nun selbst auf eigene Faust durch Beobachten den Dingen auf den Grund gehen. Denn gera- de die eigenen Erkenntnisse aus den verschiedenen Erfah- rungswelten, die nicht auf den Erklärungen der Erwachsenen beruhen, sind nicht nur viel spannender als viele Worte, sie dienen auch zur prägenden Orientie- rung und zur Bildung von Basiskompetenzen für den späteren Lebensweg. „Bitte anfassen“ heißt es deshalb dort auch ausdrücklich. Und Harry Potter wäre sicher vom KiJuMu ebenso fasziniert, das gleich in zweifacher Wei- se einmalig ist: Mutet doch beim Betreten der Räume der ehemaligen Hofbibliothek des Hau- ses Fürstenberg in der Haldenstraße 5 bei dem Geruch von Bohnerwachs in der Luft knarrend die letzte Treppenstufe nicht gleichzeitig auch wie das Eintauchen in eine unbekannte Welt an. Etwa beim Anblick der historischen Bibliotheks- regale mit einer Vielzahl von Boxen, die von den Beate Reichert-Klaus, Kirstin Tschan und Initiator Konrad Hall vom Trägerverein des Kinder- und Jugend- museums zeigen den Raumzuschnitt im Modell. 218

Kinder- und Jugendmuseum Donaueschingen Auf ins Kindermuseum – am Eingang erhält jedes Kind einen Forscherkittel. die Beschreibung der Restaurierungsarbeiten mit Angaben zu Materialien, Techniken sowie neuen Gestaltungselementen dargelegt. Die Jury be- fand schließlich das beispielhafte Nebeneinander von historischer Ausstattung und neuer Mehr- fachnutzung als öffentlich zugänglicher Ort ohne Überbeanspruchung bisheriger Strukturen für preiswürdig. Denn trotz vollständiger Umnut- zung bleibt die angestammte Funktion als Biblio- thek erkennbar. Eine Anerkennung damit zu- gleich auch für die einfühlsame Arbeit der Archi- tekten Lukas Gäbele und Tanja Raufer. Initiator Konrad Hall findet in kurzer Zeit viele Mitstreiter Das Kinder- und Jugendmuseum hätte ohne den Verein „Mach mit! – Museum für Kinder und Ju- gendliche Donaueschingen“ mit seinem Vorsit- zenden Konrad Hall aus Donaueschingen an der Spitze im Mai 2011 nicht Gestalt annehmen kön- nen. Nur so konnte auf rund 300 Quadratmetern Ausstellungsfläche ein Reich für junge Forscher konzipiert werden. Initiator Konrad Hall hat in kurzer Zeit viele Mitstreiter gefunden, so den Donaueschinger Ehrenbürger Hansjürgen Bühler, der sich für das Museum stark gemacht hat. Hall, Bühler und alle anderen Mitstreiter möchten mit dem Haus für kleine Forscher einen Ort schaffen, an dem Kin- der lernen, was unter einem ökologischen Fuß- abdruck zu verstehen ist und wie sich dieser so gering wie möglich gestalten lässt. Rund 22 Mitarbeiter, unter ihnen insgesamt 10 bis 15 ehrenamtlich oder auf Honorarbasis tätige Personen, ermöglichen heute den Betrieb des Hauses. Zudem sollen in Kooperation mit Künstlern, Wissenschaftlern, Ingenieuren, Tech- nikern, Pädagogen und anderen Experten regel- mäßig Workshops für Kinder- und Jugendliche angeboten werden. 219

Museen Dies sei auch die Zielsetzung, so Konrad Hall, dass eine Vielzahl neuer Fragen auftaucht, die gemeinsam beantwortet werden können. Dazu dienen gerade Versuche, die vom Personal an den Experimentiertischen erklärt werden. Kein Tag also auch, an dem nicht Schulklassen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis das KiJuMu für eine Unterrichtsfahrt nutzen oder die Workshop- Bereiche bevölkern. Das pädagogische Konzept haben Studenten der Fachhochschule Furtwangen erarbeitet, die von der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, dem Fehling-Lab Schülerlabor und dem Lehrerfort- bildungszentrum der Universität Stuttgart und Hohenheim, der EPEA Internationale Umweltfor- schung GmbH Hamburg sowie durch die Visenso GmbH aus Stuttgart unterstützt wurden. Die Umsetzung übernahmen für die Agentur space4 aus Stuttgart Henning Meyer, Uta Hang und Sa- Klavierspieler: Wie werden Töne erzeugt? Rechts: Per Computer einen Roboter steuern und Teil- nahme an einem der vielen Workshops. brina Trösch. Die Landesstiftung Baden-Würt- temberg unterstützt die Idee ebenso, wie das Fehling-Lab der Universität Stuttgart und Ho- henheim als Kooperationspartner. Ohne die Unterstützung der Stadt wäre das Projekt nicht umsetzbar gewesen Das Kinder- und Jugendmuseum wäre aber auch ohne die Unterstützung der Stadt Donaueschin- gen nicht möglich geworden, die mit städtischen Zuschüssen das ehrgeizige Projekt angeschoben hat. Allein die jährlichen Betriebskosten werden auf 115.000 Euro geschätzt, weshalb die Verwal- tung zunächst für die Jahre 2013 bis 2015 jährli- che Zuschüsse in Höhe von 25.000 Euro für an- gemessen hielt. Seitens der Stadt sieht man in dem Projekt eine weitere Komponente der Kinder- und Fami- lienförderung und einen Beitrag zur Schärfung des kulturellen Profils. Der Gemeinderat verstän- digte sich einstimmig darauf, das beispielhafte bürgerschaftliche Engagement zu fördern. Das 220

Projekt mit Startkosten von 360.000 Euro ver- diene eine professionelle Betreuung und deshalb Unterstützung. Der Countdown für den mittlerweile 130 Mit- glieder zählenden Trägerverein des Kinder- und Jugendmuseums vor der Eröffnung am 16. De- zember 2012 begann indes bereits eineinhalb Jahre davor mit der Gründung eines Trägerver- eins, in dem neben Konrad Hall als Vorsitzender auch Gerhard Eberl (Stellvertreter) und Markus Knöpfle (Stellvertreter) an der Spitze die Idee aufs Gleis hoben. Unterstützt werden sie im erweiter- ten Vorstand von Beate Reichert-Klaus, Armin Bürk (Schatzmeister), Claudia Jarsumbek (Perso- nalwesen), Georg Riedmann (Kassenrevisor) und Rita Toussaint (Terminkoordination) sowie Ekke- hard Bächle (Kassenrevisor) und Kirstin Tschan (Beisitzerin). Festredner am Tag der Eröffnung war Mi- chael Braungart aus Hamburg, der Gründer und Leiter der EPEA Internationale Umweltforschung GmbH, der mit Witz, pointiert den Spiegel eines ökologischen Gewissens vorhielt. Der Gründer und Leiter des Hamburger Instituts für internationale Umweltforschung erläuterte die Grundzüge des Cradle to Cradle-Design-Konzepts (von der Wiege bis zur Wiege). So können Stoffkreisläufe und deren Umweltwirkungen ge- mäß der Theorie des amerika- nischen William McDonough in die einzelnen Bestandteile zerlegt und somit analysiert werden. Michael Braungart unter- strich hierbei die Bedeutung eines ökoeffektiven Lösungs- Wie funktionieren Zahnräder? Im Kinder- und Jugendmu- seum finden sich kindgerechte Exponate rund um das Thema Getriebetechnik. Kinder- und Jugendmuseum Donaueschingen ansatzes. Die vielfach strapazierte Begrifflichkeit einer Ökoeffizienz bezeichnete er als Versuch, den Rohstoffverbrauch durch die Umweltver- schmutzung zu verlangsamen, ohne sie zu stop- pen. Auch machte er deutlich, dass ein Mangel an naturwissenschaftlichen Forschern bestehe, weshalb gerade Einrichtungen wie das Kinder- und Jugendmuseums an Bedeutung gewinnen. Vor mehr als 200 Besuchern, darunter zahl- reiche aus Industrie, Politik und Wirtschaft, sprach Oberbürgermeister Thorsten Frei von einem beispielhaften bürgerschaftlichen Engage- ment, das Menschen unterschiedlichen Alters gleichermaßen begeistert. „Wir bauen an unserer eigenen Zukunft und bringen den Kindern ein Stück dieser Faszination näher.“ „Das Kinder- und Jugendmuseum bietet als innovatives Projekt an der Nahtstelle zwischen Baden und Württemberg dem Nachwuchs die einzigartige Chance, sich mit der naturwissenschaftlichen und technologischen Zukunft zu beschäftigen“, freute sich Frei, der da- rin eine einzigartige Möglichkeit für die nächste Generation sieht, Antworten auf die Zukunfts- 221 221

Museen probleme zu erhalten, da es zu neuen Ideen an- rege. Konrad Hall bezeichnete er als „Lokomotive eines gesamten Stabes an ehrenamtlichen Hel- fern, die mit größtmöglicher Effektivität ein qua- litativ hochwertiges Projekt in die lange Reihe der Donaueschinger Museumswelt eingliederten“. Initiator Konrad Hall sprach von „einem Haus der Forscher und Entdecker“, das dem Nach- wuchs Möglichkeiten aufzeige, wie es gelingen kann, einen ökologischen Fußabdruck zu hinter- lassen. Landtagspräsident Guido Wolf lobte die besondere Faszination des Museums, die landes- und sogar bundesweit die Aufmerksamkeit auf sich lenken werde. Die Statik der Gesellschaft beschrieb er mit den Säulen Natur und Technik, über denen der Mensch als oberste Instanz steht. Das neue Museum ist eine Plattform für eine Zu- kunftswerkstatt und als gelebte Gemeinschaft aus der Kommune heraus entstanden. Durch Fördergelder unterstützt Die Sparkasse Schwarzwald-Baar unterstützte das Projekt neben den Unternehmen Karl Storz und Aesculap als Premiumpartner mit beachtli- chen Fördergeldern. Zu den Stiftungspartnern der ersten Stunde gehört hierbei das Unternehmen IMS Gear, das mit seinen Zahnradkomponenten die Darstellung von Bewegung in unterschiedli- chen Relationen der Teile untereinander ermög- licht und dessen große Zahnradwand die Kinder 222 Wie funktioniert eine Laterna magica? Im Kinder- und Jugendmuseum findet sich die Antwort. zur Montage der unterschiedlichsten Variatio- nen der gezackten Rädchen einlädt oder selbst Erwachsene beim Drehen des Endlosgetriebes staunen lässt. Oder etwa das Donaueschinger Unternehmen Sick Stegmann GmbH, das ein Miniatur-Windrad übergab. Als wohl einmalig in der Region bezeich- nete Bernd Cordes, Geschäftsführer bei Sick Steg- man, das Museum, der zusammen mit Rolf Wag- ner und dem Mechatroniker Arthur Meier dessen Miniatur-Windrad als Prüfungsabschlussarbeit für den Ausbildungsabschluss übergab. Die Kin- der können an einem Knopf ein Gebläse in Gang setzen und so die Wirkung auf den kleinen Gene- rator verfolgen, der in den kleinen Modellhäusern die Lämpchen leuchten lässt. Das Häuschen steht mitten in einer Landschaftskulisse. Das Exponat von Sick Stegmann soll zugleich die Verbundenheit des Unternehmens mit der Einrichtung unterstreichen, so Cordes. Schließ- lich brauche man Fachkräfte vor allem aus der Region und wolle so die Technikbegeisterung be- reits im frühen Alter mithelfen zu fördern. Zu- gleich beweise das Unternehmen auch, wie sich Technik aus der Region in den Produkten vieler Firmen wiederfinde. Etwa die Encoder, die Um- drehungen und Stellung der Windradflügel mes- sen und einregeln wie in der Anlage auf dem Fürstenberg. Das lässt sich nun wunderbar an der Vitrine mit den Knöpfen und Reglern der Mini- Landschaft „nachspielen“. Vom Dögginger Farbenhersteller Freilacke stammen für die künftigen Forscher die Arbeits- kittel, die Firma Karl Storz Endoskope steuerte gleich mehrere Geräte bei, die Einblicke in den Mikrokosmus erlauben, und von dem Tuttlinger Weltunternehmen stammen weitere medizin- technische Ausstattungen für die experimentel- len Entdeckungsreisen, von der Firma EGS Auto- matisierungstechnik ein Robotergreifarm, den die jungen Besucher selbst steuern können. Ebenso erfreulich: 10.000 Euro kamen von der Volksbank eG Schwarzwald Baar Hegau und 5.000 Euro von der Donaueschinger Bürgerstif- tung als Spende.

Das Donaueschinger Unternehmen Sick Stegmann spendete ein funktionsfähiges Miniatur-Windrad. Auf jedes Kind wartet ein Forscherkittel Aber was erwartet die Kinder selbst in der neuen Einrichtung? Vom Treppenaufgang ins erste Obergeschoss geht es in den Empfangsbereich mit Garderobe, von wo aus die jungen Besucher zu einem Rundgang starten. Spannend wird es bereits dort, wenn über eine Art Kleideraufzug die weißen Forscherkittel herunterschweben. Durch den Korridor mit einer Permanentausstellung geht es über zum Bereich Natur zur Technik und schließlich in den Raum Mensch. Klare Trennun- gen zwischen den Bereichen zwar, doch sind die Übergänge offen gestaltet. In jedem Raum laden frei stehende Exponate die Kinder und Jugendlichen ein, selbst alles aus- zuprobieren und Neues, Spannendes, Aufregen- des und bislang Unvorstellbares zu entdecken. Zahlreiche Boxen sind dort aufgestellt, an denen die Schwerpunktthemen Wasser, Energieerzeu- gung und Energiespeicherung, Physik, Chemie und Biologie nachvollziehbar werden. Ebenso die Themenkreise Mechanik, Elektronik und Infor- matik sowie die Medizintechnik. Dass das KiJuMu keine angestaubte Materie bietet, beweisen auch die zahlreichen Workshops. Unter dem Motto „Kommst Du mit, die Zeit zu entdecken?“ gingen 2012 beispielsweise rund 40 Kinder aus dem Kindergarten St. Ruchtraud und der Erich-Kästner-Schule im Kinder- und Jugend- museum Donaueschingen dem eigenen Zeitemp- finden nach und betrachteten die Zeitmessung aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Initiiert hatte den Forschertag die IHK Schwarzwald-Baar-Heu- berg gemeinsam mit Kindertagesstätten und Grundschulen im Rahmen des Projektes „Haus der kleinen Forscher“. Das Kinder- und Jugendmuseum sei für einen solchen Forschertag geradezu prädestiniert, schickte Donaueschingens Bürgermeister Bern- hard Kaiser der Aktion voraus. Mit einfachen Ma- terialien bastelten die Kinder hierzu Messlatten, Sanduhren oder Stoppuhren, um sich ein Bild von Größendimensionen zu machen. So legten die Kinder- und Jugendmuseum Donaueschingen Kinder Messlatten an, um ihre Körpergröße fest- zustellen. „Die Bilanz nach zweieinhalb Öffnungsmona- ten mit 750 Besuchern fällt weitaus besser aus, als erwartet“, freut sich der Vorsitzende Konrad Hall dann im Frühjahr 2013. Allein im Februar kamen an die 500 junge Forscher und Nachwuchstüftler in die Donaueschinger Haldenstraße, um ihren Wissensdurst zu stillen; 1.400 Besucher waren es allein dann schon im Mai nach sieben Monaten Öffnungszeit. Für den Vorsitzenden Konrad Hall ein deutliches Zeichen, dass das Interesse an der Einrichtung stetig steigt. Der Nachwuchs soll, so Konrad Hall, nach dem Besuch des Museums noch mehr Fragen stellen als vorher. Dann werde es gelingen, die Kreativität als elementare Fähigkeit der Men- schen unserer Zeit zu fördern und zu entwickeln, um den kommenden Anforderungen gerecht zu werden. Geöffnet ist das KiJuMu täglich von 14.00 – 17.30 Uhr, am Samstag, Sonntag und an Feiertagen sowie in den Ferien jeweils von 10.00 bis 17.30 Uhr Montag ist Ruhetag www.kijumu-donaueschingen.de 223

10. Kapitel Kirche aktuell Pfarreien im Umbruch Im Gespräch mit dem katholischen Dekan Josef Fischer von Verena Wider Während in der Politik noch über Veränderungen diskutiert wird, die eine älter werdende Gesellschaft braucht, muss die katholische Kir- che wegen des Priestermangels handeln. Das Dekanat Schwarzwald Baar ist in seiner Ausdehnung nicht identisch mit dem Schwarzwald- Baar-Kreis und seinen 20 Städten und Gemeinden, weil der würt- tembergische Bereich mit Schwenningen, Dauchingen, Weigheim und Tuningen fehlt. Dennoch hatte das katholische Dekanat, das den gleichen Namen wie der Landkreis trägt, zu Beginn 20 Seelsorgeein- heiten. Im Jahr 2015 wird es nur noch elf geben. Weshalb das so ist und was sich sonst so rund ums Münster tut, wird im Gespräch mit Josef Fischer deutlich, dem Leiter der katholischen Seelsorgeeinheit Villingen. Münsterpfarrer Josef Fischer Herr Fischer, Sie sind im Kraichgau geboren, die erste Pfarrerstelle hatten Sie am Kaiserstuhl, Sie tragen auch im Sommer gerne Pullover – wie ha- ben Sie sich nach sechs Jahren im Schwarzwald und auf der Baar an das raue Klima gewöhnt? Ich lebe gern hier. Das Klima war allerdings vor allem dieses Jahr im Frühling sehr rau. An- sonsten fand ich es nicht so extrem. Es ist kühler und es gibt nicht die Traditionen am Abend bis in die Nacht draußen zu sitzen wie im Kraichgau oder am Kaiserstuhl. Die Menschen sind nicht so rau? Die Menschen sind sehr herzlich. Sie haben bei Ihrem ersten Gottesdienst verspro- chen, dafür Sorge zu tragen, dass der Glaube auch in unserer Zeit leben kann. Was ist aus Ihrer Sicht eine starke Bedrohung? Die Menschen vermissen nichts, wenn sie nicht regelmäßig in die Kirche gehen oder sich mit anderen Menschen treffen, um sich über Glauben auszutauschen. Für mich ist eine starke Bedrohung, dass für viele Menschen der Glaube 224 überflüssig wird. Man nimmt an, ihn nicht mehr zu brauchen, man lebt ganz gut und kommt zu- recht. Ob man jetzt glaubt oder nicht, ist Privat- sache. Was ist mit jenen, für die der Glaube nicht über- flüssig ist? Es gibt Aktive von den Kindern bis zu den Se- nioren, die in den Pfarrgemeinden mitarbeiten. Darüber hinaus treffe ich die „still Glaubenden“, die normalerweise nicht oder nur selten zu den Gottesdiensten kommen, die aber, wenn ich mit ihnen rede, durchaus sagen, sie seien glaubende Menschen. Den Mitarbeitern und mir begegnen diese Menschen, wenn es um Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen geht. Ihr Vorgänger Kurt Müller hat anlässlich seines Goldenen Priesterjubiläums gewünscht, die Leute sollten in die Kirche gehen und beten. Kommt das zu selten vor? Der Kirchenbesuch an den Sonntagen in Vil- lingen liegt auf einem niedrigen Niveau von zehn

Das Münster in Villingen Münster und gotischer Südturm (ca. 1275 ). 225

Katholische Seelsorgeeinheit Villingen bis 15 Prozent, Tendenz leicht abnehmend. Aber ich merke am Münster, dass viele Menschen zum Nägelinkreuz gehen und beten. Manchmal über- rascht es mich, dass jemand sagt: „Da gehe ich hin und spreche ein Gebet.“ Bei halb vollen Kirchen könnte man auf die Idee kommen, das eine oder andere Gotteshaus zu schließen und alles im Münster zu veranstalten. Das geht nicht, zumal die Kirchen, die im Laufe des 20. Jahrhunderts gebaut wurden, in- zwischen Kirchen eigenständiger Pfarreien sind. Es hat sich ein Pfarreileben entwickelt. Diese Pfarreien verlieren zwar staatsrechtlich gesehen 2015 ihre Eigenständigkeit, weil sie eine Kirchen- gemeinde Villingen mit einem Pfarrgemeinderat und einem Stiftungsrat bilden werden, der für alle zuständig ist. Innerhalb der Pfarrei werden dann Teams für das Leben in der Gemeinde verantwortlich sein. Das ist ein bisschen mit den städtischen Strukturen von Gemeinderat und Ortschaftsrat vergleichbar. Allerdings wird nur der Pfarrge- meinderat gewählt. Die Gemeindeteams werden berufen. Damit es mit der Rückkopplung klappt, sollen jeweils in der Regel mindestens zwei ge- wählte Mitglieder aus dem Pfarrgemeinderat den Gemeindeteams angehören. Gibt es bei der Mitgliederentwicklung in den Villin- ger Pfarreien unterschiedliche Trends? Villingen ist zwar keine Großstadt, aber groß genug, um Stadtteil-Charakteristika zu haben. Zu Bruder Klaus, der vor zehn Jahren noch 4.500 Katholiken zählenden Pfarrei, gehören die Neu- baugebiete der 60er bis 80er-Jahre, Haslach und Wöschhalde. Deren Bewohner werden immer äl- ter. Wir merken das an den rückläufigen Zahlen der Kommunionkinder. Dennoch ist die Pfarrei Bruder Klaus, zu der auch die Bereiche Golden- bühl und das Kurviertel zählen, mit 3.600 Gläu- bigen immer noch die größte Pfarrei. Fidelis mit der Filialgemeinde Rietheim hat 3.000 Katholi- ken. In der Pfarrei Heilig Kreuz (2.400 Mitglieder) ist ebenfalls ein Älterwerden zu beobachten. Das Gegenstück dazu haben wir in St. Konrad mit dem Neubaugebiet Welvert und dem zukünfti- gen Wohnbaugebiet beim Klinikum. Deshalb ist 226 « St. Konrad mit 2.800 Gläubigen ist die einzige Pfarrei, die wächst. Die Zahlen für die Münsterpfarrei stagnieren bei 3.400. Wenn es aber ums Münster geht, ist es zweitrangig, ob man in der Münstergemeinde wohnt oder in Bru­ der Klaus oder St. Fidelis. Der Bau hat eine besondere Wichtigkeit, bietet Identifikation. Das Münster ist unbe­ stritten die bedeutendste Kirche in der Stadt. » St. Konrad mit 2.800 Gläubigen die einzige Pfar- rei, die wächst. Die Zahlen für die Münsterpfarrei stagnieren bei 3.400. Welche Merkmale und Besonderheiten gelten für die Münsterpfarrei mit dem im zwölften Jahrhun- dert gebauten Gotteshaus und der im 19. Jahrhun- dert von der Stadt zurückgekauften Benediktiner- kirche, der heutigen Filialkirche? Im Einzugsgebiet Innenstadt mit einem lan- gen Schlauch hinauf bis zum Kirnacher Bahnhöf- le leben viele Menschen in Sozialwohnungen. Die Innenstadt gehört aber auch zu den bevorzugten Wohnadressen. Waren deshalb Spendenaktionen für die Benedik- tinerkirche, die Rekonstruktion der Silbermann-Or- gel und für das Glockenspiel im Münster so erfolg- reich? Wenn es ums Münster geht, ist es zweitran- gig, ob man in der Münstergemeinde wohnt oder in Bruder Klaus oder St. Fidelis. Für das Münster sind aus der Gesamtstadt Spenden gut möglich. Der Bau hat eine besondere Wichtigkeit, bietet Identifikation. Das Münster ist unbestritten die bedeutends- te Kirche in der Stadt: die historisch gewachsene und gewordene Bürgerkirche.

Das Münster in Villingen Oben: Villinger Mitte – Christmette 2012 im bis auf den letzten Platz besetzten Münster. Unten: Besonders verehrt wird das Nägelinkreuz im „finsteren Chörle“ (nördliche Turmkapelle). 227

Katholische Seelsorgeeinheit Villingen Im 2013 erschienenen Kunstführer über das Müns- ter Unserer Lieben Frau schreibt Kurt Müller, De- kan im Ruhestand, die erste Kirche an der Stelle des heutigen Münsters könne man zwischen 1080 und 1120 vermuten. Sie nannte sich demnach „Leutkir- che Johannes Baptista in der Stadt“. Ist Bürgerkir- che gleichzusetzen mit dem Ausdruck Leutkirche? Heute nimmt man den Ausdruck Leutkirche nicht mehr. Es ist ein geschichtlich gewordener Ausdruck. Er steht für die Kirche, in die die Leute hingehen. Oftmals wird Leutkirche auf den Dör- fern als Begriff verwendet, wenn es noch eine Kloster- oder eine Wallfahrtskirche gibt. Die heutige Altstadtkirche beim Friedhof war die ur- sprüngliche Leutkirche. Die Zähringer haben bei der Stadtgründung auf der westlichen Brigachseite den großen Platz ab- seits der vier Hauptstraßen für das Gotteshaus freigehalten. In wessen Besitz sind die Grundstü- cke, auf denen Wochenmärkte und Sonderver- anstaltungen wie Weihnachtsmarkt, Mittelalter- licher Markt oder Stadtfeste stattfinden? Der Münsterplatz ist im Besitz der Stadt. Die katholische Kirche zählt im deutschsprachigen Raum zu einem der größten Arbeitgeber. 650.000 Menschen arbeiten für sie, darunter 500.000 für die Caritas. Weitere 600.000 engagieren sich nach Schätzungen im Ehrenamt. Wie sehen die Zahlen für das Dekanat Schwarzwald Baar und die Seel- sorgeeinheit Villingen aus? Das kann ich nun wirklich nicht sagen. Jede Pfarrgemeinde ist ein eigener Arbeitgeber und die großen Verbände ebenso. Das Dekanat selbst hat streng genommen nur die beiden Sekretärinnen als Angestellte. Ich kann aber sagen, dass das Dekanat insgesamt 51 hauptberufliche Mitarbeiterinnen und Mit- arbeiter im pastoralen Dienst hat, einschließlich der Priester und Diakone. Dann wohnen noch 15 Pensionäre im Dekanat. Zwei Gemeinderefe- renten-Stellen und eine Pastoralreferenten-Stel- le sind derzeit leider mangels Bewerber/innen unbesetzt. Was für die Gemeinden eine sehr schwierige Situation ist. Was die Ehrenamtlichen betrifft, so scheint mir die Zahl etwas niedrig im Verhältnis zu den beruflich Angestellten. 150.000 228 Angestellte und 600.000 Ehrenamtliche, da ist bei uns das Verhältnis ein ganz anderes. Sie sind seit Oktober 2007 Pfarrer der Münsterge- meinde. Seit Januar 2008 Dekan für die damals zum Dekanat Schwarzwald Baar zusammen- geschlossenen Dekanate Villingen und Donau- eschingen. Seit wann gibt es die katholische Seel- sorgeeinheit Villingen in ihrer jetzigen Form? Offiziell gibt es sie seit dem 1. Advent 2012. Bereits 2008 kam aus Freiburg von der Erzdiöze- se die Maßgabe: Wir brauchen größere Einhei- ten, weil wir aufgrund des Priestermangels nicht mehr alle Seelsorgeeinheiten besetzen können. Das Dekanat Schwarzwald Baar mit Villingen und Donaueschingen hatte am Anfang 20 Seel- sorgeeinheiten und wird 2015, wenn der Prozess beendet ist, noch elf Seelsorgeeinheiten haben. Sind Sie Priester oder doch eher Manager? Eindeutig Priester. Können Sie die traditionellen Erwartungen und die neuen Anforderungen gut ausbalancieren? Nicht leicht. Die Erwartungen und Anforde- rungen ändern sich in der Tat. Aber Sie haben ge- fragt: Priester oder Manager. Dazu sage ich des- halb eindeutig Priester, weil die Liturgie für mich eine große Rolle spielt, also die Gottesdienste, auch Taufen und Beerdigungen, obwohl ich da- von viel wegen der anderen Aufgaben abgeben muss und wegen der Mitarbeiter auch abgeben kann. Die Liturgie spielt aber eine große Rolle für mein Selbstverständnis. Ich kommuniziere viel über die Gottesdienste, über die Predigten, über Feste mit den Leuten. Wie viele Gottesdienste halten Sie pro Woche? An Samstagen und Sonntagen in der Regel drei sowie Dienstag-, Donnerstag- und Freitag- abend. Dazu kommen noch Sondergottesdienste, zum Beispiel Schulabschlussfeiern in St. Ursula, weil die Schule innerhalb des Einzugsgebiets der Münstergemeinde liegt und in der Trägerschaft der Schulstiftung der Erzdiözese ist oder zum Bei- spiel ein Gottesdienst in Tannheim, wenn ich in meiner Aufgabe als Dekan zum 175-jährigen Be- stehen des Kirchenchores predige.

Das Münster in Villingen Das Hauptportal des Villinger Münsters, geschaffen von Klaus Ringwald, ist als Marienportal ausgestaltet. Sind das sechs Gottesdienste pro Woche, aber nur vier verschiedene Predigttexte, weil Sie am Wo- chenende in verschiedenen Pfarreien den Gottes- dienst halten? Bei den Predigten am Wochenende halten sich gleichlautende Texte und Variationen un- gefähr die Waage. Die Evangelien in der katho- lischen Kirche wiederholen sich, es gibt einen Drei-Jahres-Zyklus. Aber in der Regel habe ich irgendwo eine Idee her, es passiert irgendetwas, ich greife einen Zeitungsartikel oder ein Ereignis auf und entwickle dann daraus die Predigt, so- dass sie im Grunde schon verschieden sind. Sie haben noch das Glück mit den Seniorenpfar- ren Kurt Müller, Alfons Weißer, Günter Fackler und Bernhard Eichkorn… …und habe einen Kooperator und einen Vikar. Seniorenpfarrer sind auch in Donaueschingen mit Pfarrer Herbert Kraft und Pfarrer Manfred Die- wald tätig. Doch auf dem Land wird es bei den Seelsorgeeinheiten schon schwierig? Ja, was die Sonntagsgottesdienste anbelangt auf jeden Fall. Es kommt auf die Größe der Seel- sorgeeinheit an. In der großen Einheit Bräunlin- gen und Hüfingen oder in der zukünftigen Ein- heit Furtwangen und Vöhrenbach sind weiterhin zwei Priester im aktiven Dienst vorgesehen. Es wird einen leitenden Pfarrer geben und einen ihm zugeordneten Pfarrer. So gilt das auch für Neuhausen/Obereschach und Niedereschach. Dagegen wird die Seelsorgeeinheit Triberg und Schonach/Schönwald nur einen Pfarrer haben. Das bedeutet, dass die Pfarreien regelmäßig mit Wortgottesdiensten arbeiten müssen. Oder mit gegenseitigen Besuchen. Das war ja auch früher schon üblich. Nicht um- sonst gibt es einen Kirchweg, der von Unterbränd nach Hubertshofen führt. Genau. 229

Katholische Seelsorgeeinheit Villingen Sie haben von rückläufigen Zahlen bei den Gläu- bigen berichtet. 90.000 waren es 2008 im neu ge- bildeten Dekanat Schwarzwald Baar. Und heute…? …liegen wir bei 86.000. Es ist also beileibe nicht so, dass wir plötzlich als Kirche verschwin- den. Aber das Kleiner werden ist vor allem ein finanzielles Problem. Es geht eben immer ums Geld, leider Gottes. Für die Gemeinden ist es schwierig, die Pfarrzentren oder auch große Kir- chen zu halten. Beim Bau der Kirchen in Villin- gen in den 1970-er Jahren hat Energie überhaupt keine Rolle gespielt. St. Konrad ist eine wunder- schöne moderne Kirche, aber energiemäßig eine Katastrophe. Durch das schwebende Dach – eine ganz tolle Konstruktion – geht ständig Warmluft obenhinaus und kommt Kaltluft rein. Es entste- hen unglaublich hohe Energiekosten, um die Kir- che einigermaßen erträglich warmzuhalten. Kirchen aufzugeben, wird ja wohl der letzte Schritt sein… Ich hoffe, dass ich das nicht mehr machen muss. Ich will es auch nicht. Es befinden sich an- dere Immobilien im Besitz der Pfarreien, für die man einen Zehn-Jahresplan erstellen sollte. Das bezieht sich hauptsächlich auf die Pfarrhäuser und auf Gemeindezentren oder auch auf Wohn- häuser, die vermietet sind. Gibt es dafür schon konkrete Vorstellungen? Es gibt keine Pläne, aber das Bewusstsein ist vorhanden, dass man in dieser Frage etwas unternehmen muss. Wie hat sich seit Ihrer Ausbildung und Priester- weihe (1992) das Berufsbild des Priesters geändert. Schön, dass Sie auf die Frage „Priester oder Manager?“ noch einmal zurückkommen. Das Berufsbild hat sich geändert. Mir hat vorhin ein Stichwort gefehlt, nämlich Seelsorger. Das sind wir immer weniger. Der klassische Pfarrer war derjenige, der in einer überschaubaren Pfarrei von 1.500 bis 6.000 Katholiken gearbeitet hat, der die Menschen gekannt und begleitet hat: von der Taufe bis zur Hochzeit und manche bis zur Beerdigung. Der Pfarrer, der Ansprechpart- ner war, weil er zu Jubiläen kam. Ich übernehme nur noch zehn Prozent von allen Beerdigungen, 230 vielleicht 20 Prozent der Hochzeiten, nicht ganz ein Drittel der Taufen in der Seelsorgeeinheit. Die klassischen Aufgaben des Pfarrers, die sehr stark die Beziehung zum Pfarrer prägen, kann ich nur noch ausschnittsweise übernehmen. Ich habe sicherlich persönliche Beziehungen zu Menschen, die in der Pfarrei mitarbeiten. Aber für viele Menschen ist man als Pfarrer auch fer- ner geworden. Das Berufsbild vom klassischen Pfarrer tritt zurück hinter den Organisator oder auch Manager, wobei ich dieses Wort nicht so gern gebrauche. Gefordert sind organisatorische und kommunikative Fähigkeiten und in diesem Sinne auch Leitungsqualität. Was verstehen Sie unter Seelsorge? Das ist die Nähe und Betreuung von Men- schen, die in Not sind oder ein seelisches Bedürf- nis haben. Wenn ich krank bin, gehe ich zum Arzt oder zum Psychologen. Das sind die Fachleute. Wenn ich ein seelisches Bedürfnis habe, gehe ich oder ging ich früher zum Priester. Und heute gehe ich zum Psychiater? Ja, aber auch noch zum Pfarrer. Die Aufgaben übernehmen aber immer stärker die hauptbe- ruflichen Mitarbeiter, die zum Beispiel über den Kommunionunterricht in Kontakt mit Familien in Not kommen. Dann gibt es auch noch die Profis von der Ca- ritas. Die klassische Seelsorge ist ja ein Gespräch auf einer Beziehungsebene, die zur Hilfe führen kann, aber in der Regel keine kontinuierliche Unterstützung. Wurden durch die Seelsorgearbeit früher manche Dinge eher angesprochen und besser in die rich- tigen Bahnen gelenkt oder haben die Menschen heute mehr seelische Probleme? Früher hat man vieles innerhalb der Familie gelöst und besprochen oder eben auch nicht, weil man das nicht sagen durfte. Es wurde sehr viel unter der Decke gehalten. Da haben manche Menschen schwer an sich gelitten. Das beim Nägelinkreuz ausgelegte Buch ist ein Bei- spiel dafür, dass die Gläubigen Bitten vortragen. Was geschieht mit diesem Dokument?

Das Münster in Villingen Weihnachtsmarkt am Villinger Münster. Wenn das Buch vollgeschrieben ist, bringt es mir der Mesner, ich blättere es durch und dann legen wir es auf den Hochaltar, um deutlich zu machen, dass wir diese Bitten und die darin auch oft enthaltenen Dankesworte zu Jesus und zu Gott hintragen. Was sagen Sie dazu, dass das Münster auch eine Besichtigungskirche ist? Das macht mir persönlich keine Probleme, so- lange die Gottesdienste respektiert werden. Das ist der Fall. Das Münster ist da im Vergleich zum Freiburger oder Straßburger Münster eine ruhige Kirche. Was sich manchmal überkreuzt sind die Beichtzeiten samstags nachmittags. Und jede Stadtführung geht zum Münster… …doch nicht jede geht hinein. Oft werden die Portale von Klaus Ringwald und der Münster- brunnen erklärt. Es gibt immer mal Kleinigkeiten, die mir nicht so stark aufgefallen sind. Am letzten Sonntag im Juni sind mir beim Zurückgehen vom Zele- brationsaltar zum Hochaltar auf dem Weg in die Sakristei die Buntglasscheiben hinter dem Hochaltar aufgefallen. Die sieht man normaler- weise nicht, weil der Hochaltar sie verstellt. Die Scheiben haben an diesem sonnigen Tag durch die Ritzen und die Leerstellen durchgeleuchtet. Auch bei den neueren Fenstern, die bei der Renovation in den 80-er Jahren eingebaut wur- den, kann ich in den Seitenschiffen immer mal wieder Neues entdecken. Im Münster sind sehr viele Baustile versammelt, die nicht miteinander streiten und deshalb harmonisch wirken. Mein Vorgänger Dekan Müller hat einmal gesagt: Das Münster ist so etwas wie das Wohn- zimmer für die Katholiken in Villingen. Das trifft es. Dadurch, dass viele verschiedene Gegenstän- de und Zeitepochen das Münster geprägt haben, bekommt das Gotteshaus eine persönliche Note. Gibt es nach sechs Jahren in Villingen, wenn Sie durchs Münster gehen etwas zu entdecken, das sie bislang noch nicht so im Blick hatten? Herr Dekan Fischer, herzlichen Dank für unser Gespräch! 231

11. Kapitel Kunst und Künstler Martin Kippenberger Maler und Installationskünstler von Stefan Simon Kreativ und originell – besonders, wenn es dabei um die eigenen Bedürfnisse ging – zeigte sich der Künstler Martin Kippenberger, der für längere Zeit in St. Georgen gelebt hat, in seiner kurzen aber intensiven Künstlerkarriere immer. So auch bei seinem Auftritt Ende Februar 1982 im Rottweiler Forum Kunst. Zu seinem Befremden gab es beim Forum Kunst nur vor Weihnachten Getränke. So schuf er kurzerhand aus einigen Kisten Frei-Pils eine Installation. An deren „Verwertung“ wirkte er als produktiver Kunstkonsument dann selbstverständlich tatkräftig mit. Was hätte der nach einem exzessiven Leben mit nur 44 Jahren verstorbene Kippenberger wohl alles erst in Berlin aufgefahren? Das Sahara und das Antisahara- Programm. Aus- stellungsplakat von 1982. Die Nationalgalerie Hamburger Bahnhof, das Museum für Ge- genwart in Berlin, zeigte 2013 in einer Retrospektive zum 60. Geburtstag eine „Annäherung an den privaten und den öf- fentlichen Menschen“. Gleich im ersten Raum gab es eine Er- innerung an die Rottweiler Aus- stellung. Zu sehen war das damalige Ausstellungsplakat: selbstbewusst setzt sich der junge Kippenberger in einem Filz-Anzug aus der Kollektion Joseph Beuys auf einem ver- schneiten Edelstahlknoten von Erich Hauser in Szene. Eine klare Ansage, wer hier nun die Kunsthoheit in der Stadt übernommen hat. Und an dieser Stelle kommt auch St. Georgen ins Spiel, denn die Bergstadt nimmt in der Vita des renommierten Künstlers eine wesentliche Rolle ein. Das Foto auf der Hauser-Skulptur entstand damals vor dem Firmen- gebäude der St. Georgener Sammlerfamilie Grässlin, auf deren Initiative Mar- tin Kippenberger überhaupt erst in die Region kam. 232 „Jetzt geh ich in den Birkenwald, denn meine Pillen wirken bald“, Installation.

Martin Kippenberger 233

Kunst und Künstler „Berlin bei Nacht“, 3 Teile, Öl auf Lein- wand, 50 x 60 cm, 1981. Erholung in der Bergstadt Der rastlose Künstler, der nie lange an einem Ort geblieben war, lebte erstmals von 1980 bis 1981 in St. Georgen, um sich in der beschaulichen Provinz angeb- lich von den Suchtgefahren der Großstadt zu erholen. 1991 bis 1994 zog Kip- penberger erneut in die Bergstadt. Er schuf hier Schlüsselwerke, die heute den Grundstock der Sammlung Grässlin bilden. Die von Grässlins initiierte Aus- stellung im Forum Kunst trug den ironischen Titel „Das Sahara- und Anti-Sa- hara-Programm“. In St. Georgen strukturierte der Künstler seine Zeit nach dem Motto Sahara/Anti-Sahara, wobei Sahara eine Trockenperiode nach einer län- geren Alkoholphase, der Anti-Sahara, bezeichnete. Gezeigt wurden Arbeiten wie die Serie „Bekannt durch Film, Funk, Fernsehen und Notrufsäulen“, die von Grässlins angekauft wurde. Auch die Serien „Form und Farbe“, „Fünfzehn Bei- ne, trotzdem alleine“ und „Berlin bei Nacht“ blieben bei Grässlins. „Kippenberger fanden wir schon immer gut. Familie Grässlin“ Nach seinem frühen Tod wurde Kippenberger mehrfach in St. Georgen präsen- tiert, doch bereits zu seinem 40. Geburtstag hatte es eine von ihm kuratierte Jubiläumsausstellung gegeben. Kippenberger stellte seine eigenen Werke aus der Sammlung mit denen von Weggefährten in einen Dialog. Titel der Aus- stellung wie des aufwendig gestalteten Katalogs war: „Kippenberger fanden 234 Die Familie Grässlin mit Martin Kippen- berger (Zweiter von links).

Martin Kippenberger „Transportable Lüftungsschacht“, Eisen, Lack, zwei Ventilatoren, 250 x 400 x 700 cm, 1997. wir schon immer gut. Familie Grässlin“. Auch dieses Katalog-Exemplar war eines der Exponate in der Berliner Jubiläums-Ausstellung. Viele dort gezeigten Arbeiten beinhalten Themenkomplexe, die Kippenberger ein Leben lang ver- folgte, wie Portraits, der Frosch, der in Berlin gleich in mehrfacher gekreuzigter Ausführung hing, die geschwungene Laterne oder das Selbstbildnis, somit Motive, die auch in St. Georgen zu finden und dort teils auch entstanden sind. Kunst und Leben waren für Kippenberger nicht zu trennen. Auch wenn ihm St. Georgen als Operationsbasis und als Rückzugsort gegenüber den Versuchungen der Großstadt diente, zeigte er sich auch in dieser temporären Wahlheimat als Maler, Schauspieler, Schriftsteller, Musiker, Trinker, Tänzer, Reisender, Charmeur, Enfant terrible und Selbstinszenierer oder als „Exhibitionist“, wie er sich selbst nannte. Diese Durchdringung von Persönlichkeit und Werk sowie der ungeheure Facettenreichtum seiner künstlerischen Produktion sind in Arbeiten dokumen- tiert, die zum festen Bestandteil der umfangreichen Sammlung Grässlin ge- hören und, wie seit Jahrzehnten praktiziert, das Stadtbild St. Georgens beein- flussen. Transportabler Lüftungsschacht an verschiedenen Orten der Stadt Eine markante Intervention in den öffentlichen Raum ist zum Beispiel der „Transportable Lüftungsschacht“. Der U-Bahn-Schacht ist eine Skulptur eines 235

Kunst und Künstler von Martin Kippenberger geplanten weltweiten fiktiven U-Bahn-Netzes. An unterschiedlichen Orten überall auf der Welt sollten Attrappen von U-Bahn- Eingängen und Metroschächten aufgestellt werden, um so die Globalität zu symbolisieren. 1993 entstand auf einer griechischen Insel der erste Treppen- abgang, der St. Georgener Ableger 1997 kurz vor seinem Tod. Sein jetziger Standort, direkt neben dem Kunstraum Grässlin in der Bahnhofstraße, ist be- reits der fünfte in den vergangenen Jahren. Im Stadtgarten war der mobile Lüftungsschacht schon aufgebaut, vor dem Rathaus auch, zur Einweihung des Kunstraums 2006 wurde er auf dessen Vor- platz gestellt. Seit 2008 stand er in einer Grünanlage an der Bundesstraße. Jetzt ziert das sieben Meter lange, vier Meter breite und 2,50 Meter hohe Kunstwerk den Platz neben dem Kunstraum. Ob dies der endgültige Standort ist? Wer weiß, im Titel steckt ja schon „transportabel“ drin. Die Sammlung beherbergt zahlreiche Kunstwerke Kippenbergers, die immer mal wieder neu in der Stadt präsentiert werden. Posthum Weltruhm erlangt Ein einprägsames Motiv ist auch die 1994 entstandene Skulptur „Das Insel- buch“. Derzeit treibt der skurrile Lesende standesgemäß im Schwimmteich von Sabine Grässlin in der Winterbergstraße, einem der rund 20 von der Sammlung Grässlin bespielten externen Kunsträume im Stadtgebiet. Zuvor wurde er schon in der Sparkasse oder auf dem gemeinsamen Vorplatz des Kunstmuseums und des nach Kippenberger benannten Restaurants „Kippys“ gesichtet. Kippenberger hat posthum Weltruhm erlangt. Seine Arbeiten sind in allen wichtigen Häusern weltweit zu sehen. Die Leihgaben kommen dabei oft aus dem Schwarzwald. So ist es immer noch etwas ganz Besonderes, die bekann- ten Arbeiten des renommierten Künstlers an einem authentischen Ort, seinem früheren Lebens- und Arbeitsumfeld anzutreffen. Wie etwa die raumgreifende Installationen wie „Jetzt geh ich in den Birkenwald, denn meine Pillen wirken bald“ von 1990, die schon im zentralen Kunstraum oder in der Familienvilla in der Klosterbergstraße zu sehen war. Im Plenarsaal des Rathauses tagen die Ratsmitglieder unter der Malerei- Serie „Bekannt durch Film, Funk, Fernsehen und Notrufsäulen“ von 1981. Und in der Schalterhalle der Sparkasse kann man sein Geld neben der Arbeit „Capri bei Nacht“, einem mit Haferflocken bestückten Ford-Capri, ziehen. 236 Oben: „Fliegender Tanga“. Rechte Seite oben: „Bekannt durch Film, Funk, Fernsehen und Notrufsäulen“, 21 Tei- le, Öl auf Leinwand, 50 x 60 cm, 1981, An- sicht Plenarsaal des Rathaus St. Georgen. Rechte Seite unten: „Das Inselbuch“ – Weihnachtsmann als Frosch getarnt an Spiegelei mit Laterne (Insel) als Palme getarnt. Aluminiumguss lackiert, Auflage 3, 205 x 170 x 200 cm, 1994.

Martin Kippenberger 237

Kunst und Künstler „Das Leben war schon sehr bunt mit ihm.“ „Fünfzehn Beine, trotzdem alleine.“ Kunst und Leben ist eben auch ganz im Sinne Kippenbergers für die Sammler- familie nicht zu trennen. Und wie war das Zusammenleben mit dem Freund und temporären Familienmitglied? Bärbel Grässlin, die in Frankfurt eine Gale- rie betreibt und den „Leihbruder“ anfänglich „einfach nur schräg fand“, bringt es auf den Punkt: „Das Leben war schon sehr bunt mit ihm.“ Von Anna Grässlin, dem Familienoberhaupt, ließ er sich bemuttern und bekochen. Sie war der einzige Mensch, vor dem Kippenberger wirklich Respekt hatte. Anna Grässlin: „Er hat schockierend sein können für fremde Leute. Er hatte Manieren, er konnte sich benehmen, aber er hat es nicht immer prakti- ziert.“ Mit den Geschwistern Thomas, Bärbel, Sabine und Karola konnte er trin- ken, essen, feiern, zanken und „Mau-Mau“ spielen. Und er konnte sie vor allem begeistern für seine Projekte. Wenn er dann ausging in der Kleinstadt, brauch- te er Gesellschaft. Tagsüber war sein Stammlokal das Café Kammerer, wo er sich mit Karola traf, die dafür schon mal die Schule schwänzte. Mit Kippen- berger war es offensichtlich lustiger und lehrreicher. „Er hat mir die ganze Kunstszene nahegelegt, ich fand das super spannend, was der alles wusste“, verriet Karola Kraus, die mittlerweile das MUMOK in Wien leitet, Susanne Kippenberger bei ihren Recherchen für ihr Buch „Kippenberger. Der Künstler und seine Familien“. 238 In Freundschaft ver- bunden – Geburts- tagsfeier von Bärbel Grässlin mit Martin Kippenberger und Familie, 1993.

Martin Kippenberger Albert Oehlen, Martin Kippenberger, „Capri bei Nacht“, Ford Capri, Dispersion, Haferflocken, 130 x 160 x 430 cm, 1982. Ansicht in der Sparkasse St. Georgen. Früher Tod durch exzessiven Lebenswandel Sabine Grässlin, gelernte Köchin und heute Besitzerin des Restaurants „Kippys“, hat ihn oft begleitet, und einen Teil ihrer eigenen Kippenberger-Sammlung hat sie seiner gnadenlosen Überredungskunst und seiner Angst vorm Alleinsein zu verdanken. Denn immer, wenn sie nach Hause wollte, bot Kippenberger ihr ein viertel Bild für eine weitere Stunde ihrer Gesellschaft. Sabine Grässlin: „Manchmal war das etwas anstrengend, aber auch immer interessant. Die Gesprächsthemen gingen niemals aus.“ Und dann gibt es noch die Geschichte mit der Carrera-Bahn. Als Thomas Grässlin Weihnachten 1981 eine Carrera-Bahn bekam, war das neue Familienmitglied derjenige, der am meisten damit spielte. Zu seinem 40. Geburtstag, der ausgiebig im Unterkirnacher Stadthof ge- feiert wurde, hat er dann selbst eine bekommen. Zwei Jahre später hat er dann endgültig St. Georgen verlassen und ist ins Burgenland gezogen, wo er dann 1997 in Wien an den Folgen seines exzessiven Lebenswandels starb. In der Bergstadt erinnern die Werke aus der Sammlung Grässlin an diesen genialen Künstler, der zu Lebzeiten „der bestgehasste Künstler seiner Zeit war“, wie es sein Kollege Werner Büttner formulierte. Das mag für andere Orte wie Köln oder Berlin gelten. In der Idylle des Schwarzwalds, in der Obhut des geordneten Familienlebens, tickten die Uhren für Martin Kippenberger anders. Der Ort nahm ihn auf, auch wenn viele den Paradiesvogel und seine Kunst nicht verstanden. Und er belebte St. Georgen nachhaltig mit seinen Aktionen. 239

Kunst und Künstler Wolfgang Kleiser Das Material, der Inhalt, die Form: Über sechs Jahrzehnte ist der Ham­ mereisenbacher Bildhauer Wolfgang Kleiser ein Garant für künstleri­ sche Qualität und handwerkliche Solidität von Stefan Simon Das Hinweisschild in Hammereisenbach verfehlt seine Wirkung nicht. Zu „Bildhauer Wolfgang Kleiser“ geht es den Talblick hoch. Zweifels- ohne der Weg führt zur Wohn- und Arbeitsstätte eines Künstlers, eines Bildhauers: Den Besucher empfängt schon am Grundstücks- rand eine große Stele mit der Darstellung eines Mannes mit Trompe- te, der Skulptur „Opas Traum“, einer Figur, die auf Stelzen läuft, und eine Skulptur mit dem Titel „Fußball und das Geld, WM 06“. Aber sind wir hier tatsäch- lich richtig? Beim Bildhauer Wolfgang Kleiser, dessen Schaffensschwerpunkt im sakralen Bereich liegt und der für viele Kirchen Chorraum- gestaltungen und Kreuzwe- ge gestaltet hat. Durchaus, der Blick durch das Atelier- fenster lässt rasch und un- missverständlich auch diese bekannte Seite Kleisers er- kennen: Pieta, Kruzifix, Ecce Homo und weitere Beispiele aus dem reichhaltigen Bild- programm der christlichen Kunst sind in der Masse der Skulpturen auszumachen. Individuelles Menschenbild Inmitten dieses facettenreichen Figurenkabinetts ist der Bildhauer selbst zu erkennen, wie er mit Knüpfel und Eisen eine Pieta, die Darstellung Marias mit dem Leichnam des vom Kreuz abgenommenen Jesus Christus, bearbeitet. Die- se ersten Eindrücke, diese inhaltlich-thematische Vielfalt, die Selbstverständ- lichkeit des Bearbeitens und der Präsentation von Profanem neben Sakralem, das ist bei Wolfgang Kleiser alles kein Widerspruch. Wolfgang Kleiser hat in Links: „Fußball und das Geld, WM 06“ Eichenholz, 200 cm, Rechts: „Opas Traum“ Eichenholz, 265 cm, 2008/09 240

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Kunst und Künstler seiner jahrzehntelangen bildhauerischen Arbeit in zahlreichen Skulpturen eben sein ganz individuelles Menschenbild geformt. Es ist ein über die Jahre gewachsenes, unverwechselbares Geschlecht in der Schneise zwischen Naturwirklichkeit und formlogischer Ordnung. Wir er- kennen, auch wenn man zu Kunstwerken mit religiösen Inhalten eher eine distanzierte Haltung einnimmt, gerade in den christlichen Symbolwerten unsere Art in diesen Körpern wieder. Stets steht der Mensch im Mittelpunkt des Schaffens, auch wenn ab den späten 1980er-Jahren ungegenständliche Arbeiten das Repertoire bereichern. Kleiser sagt selbst: „Die Evangelien, von der Geburt bis zur Auferstehung Jesu, sind mir Stütze und begleiten mich.“ Aber die Ehrfurcht vor dem Leiden Christi, die Bot- schaft der Heilsgeschichte, vermischt sich in dem um- fangreichen Werk immer wieder mit dem realen Leben. Breites Spektrum Seine vielen Ausstellungen, aber auch die Präsentation im eigenen Haus, belegen das breite thematische Spek- trum und diese weltgewandte Seite Kleisers. Ein zwar auf den ersten Blick beliebiges, aber eines mit Symbol- charakter ist das Exponat „Viele Jahre liegen dazwi- schen“: Oben in der Nische prangt ein Tonrelief eines in inniger Zweisamkeit verharrenden Paares. Jahre später gehen sie in der Szenerie darunter getrennte Wege, als Holzfiguren drängen die einst so Verbundenen an den gegensätzlichen Seiten aus dem schützenden Hort der Gemeinsamkeit. Was für viele lang andauernden Paarbeziehungen zutreffen mag, gilt für Kleisers zwischenmensch liches Stimmungsbild nicht. Über sechs Jahrzehnte ist der Hammereisenba- cher Künstler ein Garant für künstlerische Qualität und handwerkliche Solidität. Ob er nun sakral oder profan, auftragsbezogen oder völlig frei, figürlich oder ab strakt arbeitet, Wolfgang Kleiser verleugnet seine eigenstän- dige Handschrift nie. Der Betrachter bekommt einen authentischen Eindruck von dem nicht minder authen- tischen Menschenbild des Künstlers. Die Bronzeskulptur „Familie mit Hund und Katze“ positioniert sich hervorragend neben der Tonarbeit „Herbergssuche“. Die „Pieta“ tritt mit der Arbeit „Der Abschied“ in Dialog. „Die heilige Familie“ befindet sich mit dem „Liebespaar“ auf Augenhöhe. Die Familie als Keimzelle der Gesellschaft, menschliche Ausdrucksstu- dien, künstlerische Fragen nach dem Sinn des Lebens korrespondieren mit den Bild gewordenen Geschichten des Alten und Neuen Testaments. Linke Seite: „Mutter mit Kind“ Eichenholz, 18 cm, 2012 Rechte Seite: „Liebespaar“ Ton-Acryl, 40 cm, 2011 242

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Kunst und Künstler Die biblischen Szenen entwickeln sich in dem Kleiser‘schen Panoptikum menschlicher Befindlichkeiten zu Individuen wie etwa zu „Pessimisten“, zu „Zweiflern“, zu „Glücklichen“ und zu „Träumern“, und zu mal anlehnungs- bedürftigen und mal auseinandergehenden Paaren oder zu Familiengruppen und somit zu Szenen zwischenmenschlicher Beziehungen mit hoher Allge- meingültigkeit. In der Ansammlung der Arbeiten aus unterschiedlichen Werks- phasen entstehen Reibungspunkte, aber auch leichte Störmomente. Linke Seite: „Endlich Feierabend“ Lindenholz, 102 cm, 2009 Ungegenständliche Skulpturen So könnten dies zum Beispiel die geschwungenen abstrakten Stelen neueren Datums sein. Aber auch diese für ein breites Publikum eher unbekannte, un- gegenständliche Seite im Werk des Bildhauers gehört zu seinem Gesamtwerk dazu. Auch in diesem Bereich setzt sich der Künstler wie gewohnt gekonnt mit dem Material, der Formentwicklung, der Oberflächenbehandlung – aber auch mit Inhaltlichem auseinander. Inspiriert von den Erscheinungsformen der Natur, dem Aufstreben von Bäumen, hat er sich intensiv mit den auch seinen figurativen Skulpturen im- manenten bildhauerischen Prinzipien Linie und Form beschäftigt. Als vorerst abstrakte Flammen- und Geist-Zeichen fungieren sie als Brücke zwischen den profanen und sakralen Werken. Sie stecken ein künstlerisches Spannungsfeld ab und eröffnen dem Be- trachter somit einen weiten Raum für seine Assoziationen. „Was wird aus diesem Prozess, der mich hier herführt, als Kranker, oder als Besucher eines Kranken? Finde ich jene Einheit wieder, die ich im Moment verloren habe?“ Das könnten beispiels- weise Gedanken sein, die die ungegenständliche Skulptur „Hoffnung“, die Kleiser als Preisträger im Jahr 2000 im Ein- gangsbereich des Krankenhauses Lichtenstein bei Sachsen platziert hat, auslösen. Motivation und Inspiration Wie kommt der Bildhauer nun zu diesem breit an- gelegten Themenrepertoire? Das christlich geprägte Elternhaus des im Urachtal aufgewachsenen Bildhauers bildete schon früh das Fundament, aus dem Wolfgang Kleiser seinen künstlerischen Antrieb schöpft, dies bedarf eigentlich keiner weiteren Erörterung. Aus welchen Quellen schöpft er aber für seine Alltagsszenen? Er schaut einfach genau hin und gibt das Beobachtete in seiner reduzierten Formensprache wieder. Rechte Seite: Ungegenständliche Skulpturen Oben links: Stele, Lindenholz, 80 cm, 2011 Oben rechts: Stele, Lindenholz, 95 cm, 2012 Unten links: Skulptur, Lindenholz, 43 x 33 cm, 2011 Bis auf wenige Ausnahmen sind das real erlebte Sze- nen. Die Männer, die „verschiedener Meinung“ sind, ste- hen Rücken an Rücken, die Menschen, die „sich nicht kennen“, eilen mit Blick nach unten gerichtet wortlos Unten rechts: Skulptur, Lindenholz, 37 cm Durchmesser, 2011 244

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Kunst und Künstler Mutter Maria Kleiser, Bronze, 1982 aneinander vorbei, der Trinker formiert sich mit Flasche und Hund zu „Sein ein und alles“. Im alltäglichen Leben begeg- net Kleiser diesen ausdrucksstarken Ty- pen. Ein Lieblingsort für die Dokumenta- tion dieser menschlichen Handlungswei- sen ist für ihn nach wie vor das Café. Bei seinen für den schöpferischen Prozess ungemein wichtigen Wanderungen und Radtouren holt er sich hier bei seinen Ras- ten die Inspirationen für seine pointierten Charakterstudien. Mit schnellem Strich und geübten Blick hält er auch scheinbar Belangloses in seinem Skizzenbuch fest und setzt die Erlebnisse nach einem Rei- fungsprozess im Atelier skulptural um. Und dann gibt es noch den ausdrucksstarken Porträtisten Kleiser. Auch in diesem Bereich setzt sich der Künstler ernsthaft und wie gewohnt gekonnt mit dem Material, zuerst im Tonmodell, das später in Bronze gegossen wird, der Formentwicklung, aber auch mit Inhaltlichem auseinander. Die Portraits der eigenen Eltern und der Eltern des ehemaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel gehören ebenso in diese Galerie wie der Kopf des früheren Bonner Bun- desministers Heinrich Krone oder die Abbildungen regional bekannter Persön- lichkeiten. Themenkreis Weihnachten In dieser Themenvielfalt nimmt das Motiv „Weihnachten“ einen ganz beson- deren Stellenwert ein, bei dem der Künstler aus dem Vollen schöpfen kann. Die Geburt des christlichen Kindes hat Kleiser immer wieder zum Arbeiten an- geregt, So entstanden auch stets neue auftragsungebundene Arbeiten in ver- schiedenen Materialien, vornehmlich in Holz, gelegentlich in Ton und Bronze. Die „Heilige Familie“, die „Flucht aus Ägypten“, die „Engel“ und „Madonnen“ aber auch „Vertreibung und Heimatlos“ und „Die Herbergssuche“ sind anzu­ treffen. Die Begeisterung für die Botschaft der Heilsgeschichte und der Verkündi­ gung spielen sich bei Kleiser nicht in himmlischen, unfassbaren Sphären ab, die begreifbaren in Material geformten Szenen erzählen auch vom realen Le­ ben im Hier und Jetzt. Aus einer christlichen Überzeugung entstanden, haben Kleisers Werke zum Weihnachtsthema eine überreligiöse Ausstrahlung, die zutiefst menschlich ist und vor allem das Wunder der Geburt, aber auch die begleitenden Schwierigkeiten und Probleme spiegelt. Die Kunst zeigt sich hier also ohne große Worte ebenbürtig zur Predigt. Die biblischen Szenen entwickeln sich in den Arbeiten zu Individuen aus Fleisch und Blut, zu Liebespaaren, zu Familiengruppen und somit zu Szenen zwischenmenschlicher Beziehungen mit hoher Allgemeingültigkeit und ge­ 246 Aus dem Themenkreis Weihnachten: „Heilige Familie“ Eichenbalken, 80 cm, 2004/2011

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Kunst und Künstler Links: Kreuzwegdarstellun- gen. Von oben nach unten: Station I. – Jesus wird zum Tode verurteilt. Station IV. – Jesus begegnet seiner Mutter. Station V. – Simon von Zyrene hilft Jesus das Kreuz tragen. Eichenholz 50 x 42 cm, 1978 sellschaftspolitischer Brisanz. Klei- ser hat die Weihnachtsgeschich- te ohne Augenwischerei in der Gegenwart angesiedelt. Vor dem Hintergrund, dass in unserer Gesellschaft zu wenig Kin- der geboren werden, gewinnt das 2000 Jahre alte Thema je nach Les- art eine ganz besondere Aktualität. Kleiser thematisiert die Probleme bei der Herbergssuche, die Här- te des Abgewiesenwerdens, aber auch die Entschlossenheit eines Paares, das ausschreitet, für sich und das erwartete Kind in unwirt- lichen Zeiten einen Hort des Glücks zu finden. Dem heutigen Allein- erziehungsmodell antwortet der Künstler mit einem „Josef“, der in seiner Vaterrolle aufgeht und sich den Herausforderungen und Auf- gaben der Elternschaft stellt. Form, Material und Inhalt ergeben eine Einheit Auch unter formalen Aspekten überzeugt der Bildhauer Wolfgang Kleiser. Die gegenständliche Gestal- tung eines bekannten Themas wird in freier, souveräner Art erreicht. Selbst das ausgewählte Material wird in den Dialog mit einbezogen. Bei den alten Eichenbalken, die der Bildhauer unter den vielen verwen- deten Hölzern besonders schätzt, gibt es ein Wechselspiel zwischen den Jahresringen, den unkaschier- ten Hinweisen auf die ehemaligen Nutzung und der künstlerischen Ge- staltung. Bei der Skulptur „Geborgen im Stamm“, gehen die Eltern mit dem Kind eine Verbindung mit den Strukturen des Holzes ein. Das waren nur einige wenige Werkbeispiele, die die unverwechselbare bildhauerische Handschrift skizzie- ren. Wolfgang Kleiser beschreitet stilsicher einen künstlerischen Weg, dessen Kennzeichen der untrennbare Dreiklang von Material, behandeltem Thema und charakteristischer Form ist. „Pieta“ Eichenholz, 120 cm 2004 248

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Wasserwirtschaft 12. Kapitel Wasserwirtschaft Gewässer im Wandel – Wertvolle Lebens- und Erholungsräume Immer mehr Flüsse und Bäche erhalten einen naturnahen Lauf zurück von Michael Koch 250 250

Gewässer im Wandel Naturnahe Gewässer mit klarem, sauberem Wasser wie hier die Kirnach in Oberkirnach, sind nicht nur für die Tierwelt von großem Wert, sondern auch für die Menschen wertvolle Erho- lungsräume. Und sei es, weil man wie dieser holländische Junge, vergebens nach „Stock fischen“ Ausschau hält. Unsere Gewässer sind wertvolle Lebensräume. Sie sind wichtige Elemente der Biotop- vernetzung, des Landschaftsbildes und Erholungsräume für uns Menschen. Der Schwarzwald-Baar-Kreis als wasserreiche Region wird durch Bäche und Flüsse mit einer Gesamtlänge von über 1.000 km Länge, den Quellen und Seen geprägt. Gewässer sind die Lebensadern der Landschaft, Lebensadern für den Naturhaushalt, aber auch wichti- ge Siedlungsgebiete für den Menschen. Zu nennen sei das Wasser zur Trinkwasserge- winnung, zur Bewässerung, die Nutzung der Wasserkraft, die Fische als Nahrungsquelle und nicht zuletzt die fruchtbaren Böden in der Aue zur landwirtschaftlichen Nutzung. Mit den Siedlungs aktivitäten wurde und wird jedoch in die Gewässer eingegriffen. 251

Bis vor wenigen Jahrzehnten waren Gewässer- ausbauten durch Begradigung und Eintiefungen der Gewässer, massive Ufersicherung durch Pflasterung, Steinschüttungen oder auch voll- ständiger Ausbau in Betonhalbschalen die Regel der Wasserbautechnik. Hintergrund waren oft Hochwasserschutzmaßnahmen zur schnellen Wasserableitung, verbesserte landwirtschaftli- che Nutzung oder Erschließung von neuen Sied- lungsgebieten. In den Ortslagen verschwanden die Dorfbäche teilweise komplett. Aus den Au- gen aus dem Sinn, denn u.a. aufgrund schlechter Wasserqualität infolge von Abwassereinleitun- gen war es besser, die Gewässer in den Unter- grund zu verbannen. In unserer landwirtschaftlich geprägten Re- gion wurden die Gewässer oft als Vorfluter zur Entwässerung landwirtschaftlich genutzter Flä- chen ausgebaut und die landwirtschaftliche Nut- zung bis an den Rand der Gewässer verlegt. Wertvolle Uferstrukturen und Lebensräume im und am Gewässer sind verschwunden. Der Was- serhaushalt veränderte sich und nicht zuletzt wurde die Hochwasserproblematik verstärkt, da der Wasserrückhalt in der Fläche nur noch ein- geschränkt möglich ist. Wichtig an dieser Stelle ist aber zu erwähnen, dass all die Maßnahmen 252 Im Gegensatz zum Donauursprung, hat die Donau bei Pfohren größtenteils ihr natürliches Bett behalten. Allerdings reicht auch hier die landwirtschaftliche Nutzung bis an den Rand des Flusses. Wertvolle Ufer- strukturen sind so verschwunden. unter anderen gesellschaftlichen Randbedingun- gen und anderem Erkenntnisstand im Bereich Wasserbau und Wasserwirtschaft verfolgt wur- den. Unsere Vorgänger hatten unter den damali- gen Zielen des Landgewinns, der Nutzbarma- chung von landwirtschaftlichen Flächen zur Nah- rungsmittelproduktion, ein anderes Verständnis für die Belange der Umwelt und auch beim Hoch- wasserschutz andere Leitbilder. Wichtigkeit naturnaher Gewässer erkannt Bereits Ende der achtziger Jahre des vergange- nen Jahrhunderts fand jedoch ein Umdenken in der Wissenschaft und der Wasserwirtschaftsver- waltung des Landes in Bezug auf den Ausbau, die Gestaltung und Unterhaltung von Fließgewäs- sern statt. Die wichtige Bedeutung naturnaher Fließgewässer im Naturhaushalt, aber auch die

wichtige Rückhaltefunktion von naturnahen Fließ- und Auelandschaften für den Hochwasser- schutz wurde erkannt. Der bis dahin eher am Straßenbau orientierte Flussbau, mit Flussbegra- digungen, Gewässereintiefungen und Eindei- chungen, massiven Uferbefestigungen und na- turfernen Ufer- und Auestrukturen, wurde auf den Prüfstand gestellt. Eine erste Bestandsaufnahme der Naturnähe der Fließgewässer in Baden-Württemberg An- fang der neunziger Jahre des vergangenen Jahr- hunderts ergab ein erschreckendes Bild. Mithilfe einer Strukturgütekartierung wurde die Natur- nähe landesweit aufgenommen. Ähnlich wie in den anderen Landesteilen zeigte sich auch im Schwarzwald-Baar-Kreis, dass ca. 50 % der Ge- wässer in einem naturfernen Zustand sind. Seither ist viel passiert, das Verhältnis zu unseren Gewässern hat sich grundlegend geän- dert. Gewässerentwicklung, naturnahe Gewäs- serunterhaltung, Schutz und Entwicklung des Gewässerrandstreifens und der Gewässeraue, Förderung des Wasserrückhaltes in der Fläche stehen auf der Tagesordnung. Einen weiteren Schub für diese Entwicklung hat die im Jahre 2000 in Kraft getretene Wasser- rahmenrichtlinie (WRRL) der EU, die seit 2003 im Wasserhaushaltsgesetz des Bundes und im Was- sergesetz des Landes umgesetzt ist, gegeben. Ziel ist der gute ökologische Zustand unserer Gewäs- ser. Naturferne Gewässer sind danach in ange- messenen Zeiträumen naturnah zu entwickeln. Die Arbeitspläne zur Umsetzung der Wasserrah- menrichtlinie und die vorhandenen Gewässer- entwicklungspläne an ca. 300 km Gewässerkilo- metern innerhalb des Kreises zeigen den Hand- lungsbedarf in diesem Bereich auf. Handlungs- felder in diesem Zusammenhang sind die Ent- wicklung naturnaher Gewässerrandstreifen, na- turnaher Ufer- und Sohlstrukturen und die Her- stellung der Durchgängigkeit für Fische und Kleinlebewesen. Grundsätze der Wasserrahmenrichtlinie Ein wichtiger Grundsatz der Wasserrahmenricht- linie ist, dass die Gewässer in ihren Einzugsgebie- Gewässer im Wandel ten zu betrachten und zu bewirtschaften sind. Es bedarf einer Gesamtschau und enger Zusam- menarbeit auch über Verwaltungsgrenzen hin- weg. Der Schwarzwald-Baar-Kreis mit seinen Quellen hat auch hier eine Besonderheit. Von den sechs großen Flussbearbeitungsgebieten in Baden-Württemberg (Hochrhein, Oberrhein, Do- nau, Neckar, Alpenrhein/Bodensee, Main) hat der Schwarzwald-Baar-Kreis allein Anteil an vier Bearbeitungsgebieten: Hochrhein, Oberrhein, Donau und Neckar. Über die zu weiten Teilen des Jahres stattfindende Versickerung der Donau be- steht auch indirekt Anteil am Bearbeitungsge- biet Alpenrhein/Bodensee. Die Umsetzung der Maßnahmen und Be- wertung der Erfolge erfolgt in kleineren Einhei- ten, den Wasserkörpern, die sich wiederum an Gewässereinzugsgebieten orientieren. Der Schwarzwald-Baar-Kreis hat Anteil an zehn Was- serkörpern. Auf Basis der Bestandserhebung wurden in den Wasserkörpern prioritäre Maßnahmen bzw. Strecken (Vorrangstrecken) ermittelt. Es wird da- von ausgegangen, dass die Umsetzung dieser Maßnahmen zum „guten ökologischen Zustand“ im jeweiligen Wasserkörper führt. Zeitziel für die Erreichung des „guten ökologischen Zustands“ ist das Jahr 2015. In begründeten Ausnahmefäl- len kann die Frist für die Erreichung des guten „ökologischen Zustandes“ auch um zweimal sechs Jahre verlängert werden. Ziele / Maßnahmen im Schwarzwald-Baar-Kreis Guter ökologischer Zustand – was bedeutet das? Das Vorkommen einer artenreichen und gewäs- sertypischen Lebensgemeinschaft von Fischen und Kleintieren ist das entscheidende Maß, ob ein „guter ökologischer Zustand“ erreicht ist. Auch die in den Gewässern lebenden Pflanzen spielen eine Rolle für die Einschätzung des öko- logischen Zustands. Tier- und Pflanzenwelt der Gewässer sollen hierbei weitgehend denen von natürlichen und unbelasteten Gewässern entsprechen. Findet man diese Tier- und Pflanzenwelt, so kann man davon ausgehen, dass innerhalb des Wasserkör- 253

Wasserwirtschaft pers sowohl die Wasserqualität als auch entspre- chende naturnahe Lebensräume vorhanden sind. Typische Vertreter für intakte Gewässerle- bensräume in unserer Region sind z. B. die Grop- pe, das Bachneunauge, die Steinfliegenlarve oder der Steinkrebs. Bestand und bestehende Defizite Mit der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie fängt der Gewässerschutz in Baden-Württem- berg natürlich nicht bei Null an, sondern kann auf einem hohen Niveau aufbauen. Die engagierte und mit großem finanziellen Aufwand durchge- führte Gewässerschutzpolitik der letzten Jahr- zehnte spiegelt sich auch in unserem Landkreis in einer überwiegend guten Wasserqualität der Ge- wässern wider. Die Güte des Wassers alleine macht es jedoch nicht aus, dass sich ein guter ökologischer Zustand in einem Gewässer ein- stellt. In Bezug auf die Naturnähe eines Gewäs- sers (Ufer, Sohle, Uferbewuchs) – in der Fachwelt auch als Gewässerstruktur bezeichnet – und der Durchgängigkeit der Gewässer, d. h. der Möglich- keit für Fische und Kleinlebewesen, sich entlang des Gewässerverlaufes zu bewegen, Laich- und Lebensräume zu erreichen und so die Gewässer miteinander zu vernetzen, bestehen noch deut- liche Defizite in unseren Gewässern. Vereinzelt muss auch in Bezug auf die Wassergüte nachge- arbeitet werden. Im Schwarzwald-Baar-Kreis haben sich im Hinblick auf die Entwicklung naturnaher Gewäs- ser folgende Schwerpunkte herausgebildet: • Herstellung der Durchgängigkeit für Fische und Kleinlebewesen • Verbesserung der Gewässerstruktur (Ufer, Sohle, Uferbewuchs) Ca. 60 Querbauwerke (Wehre, Sohlbauwerke, Schwellen), davon 30 Wasserkraftanlagen (von insgesamt 54 Wasserkraftanlagen im Kreis) müs- sen zunächst innerhalb der prioritären Vorrang- strecken für die Fische und Kleinlebewesen durchgängig gestaltet werden. In diesem Zusam- 254 menhang müssen die Besitzer bzw. Unterhal- tungspflichtigen der Bauwerke die Anlagen in Form von technischen Fischpässen oder natur- nahen Rampen umbauen, sodass die Durchgän- gigkeit für Fische und Kleinlebewesen gegeben ist. In Einzelfällen besteht auch die Möglichkeit einer kompletten Beseitigung. Hinzu kommt bei Wasserkraftanlagen die Abgabe einer Mindestwassermenge in die Aus- leitungsstrecken der Gewässer, um hier einen intakten Fließgewässerlebensraum zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Überschlägig besteht für die Umsetzung dieser Maßnahmen in Bezug auf die Durchgängigkeit ein Finanzbedarf von ca. 2,8 Mio. Euro. Je nach Größe des Querbauwerkes ist für die Umgestaltung eine Investition von 10.000 bis 100.000 Euro notwendig. Durchgängige Gewässer das große Ziel Speziell die Umgestaltung der Wasserkraftanla- gen und die nachfolgende Überwachung der ökologischen Auflagen ist oft ein arbeitsintensi- ver, langwieriger und zum Teil konfliktreicher Prozess. Zudem bedarf es eines fachlich fundier- ten Ausgleichs zwischen dem Ziel des Ausbaues regenerativer Energie und dem Erhalt und der Verbesserung des gewässerökologischen Zustan- des. Dennoch wird das Ziel durchgängiger Ge- wässer im Landkreis Schritt für Schritt erreicht. Im September 2013 konnte mit dem Wehr am Schwedendamm in Villingen das letzte große Wanderungshindernis in der Brigach umgebaut werden. Die Brigach ist bis auf eine kleine Maß- nahme am Pegel in Donaueschingen wieder von der Mündung bis nach St. Georgen für Fische durchwanderbar. Erste Rückmeldungen der An- gelvereine zeigen auch schon Erfolge der Maß- nahmen auf. Am Oberlauf der Brigach wurden so Fische erfasst, die dort seit Jahrzehnten nicht mehr vorgekommen waren. Aber auch an der Breg wurden bereits ver- schiedene Maßnahmen zur Herstellung der Durchgängigkeit umgesetzt. Zu nennen ist das Straubwehr in Bräunlingen, das Landeswehr in Wolterdingen, die Maßnahmen am Pegel in Hammereisenbach und verschiedene Maßnah-

men an den Wasserkraftanlagen in der Breg. Weitere Umgestaltungen an der Donau, Neckar und Wutach, aber auch im gesamten Gebiet des Kreises, sind bereits realisiert bzw. aktuell in Pla- nung und Umsetzung. Die Finanzierung der anstehenden Maßnah- men erfolgt über verschiedene Bausteine. Die Betreiber von Wasserkraftanlagen erhalten nach Von oben links: Renaturierung des Donauursprungs in Donaueschingen, Fischaufstieg an der Stockburger Mühle in St. Georgen und naturnahe Umgestaltung des Brändbachs in Bräunlingen. Unten: 2013 wurde mit dem Umbau des Wehrs am Villinger Schwedendamm das letzte große Wande- rungshindernis für die Fische in der Brigach beseitigt. 255

Wasserwirtschaft entsprechendem Umbau und Bestätigung der wesentlichen ökologischen Verbesserung durch das Landratsamt eine Erhöhung der Einspeise- vergütung von bis zu vier Cent pro Kilowattstun- de nach dem Gesetz zur Förderung der erneuer- baren Energien (EEG). Ergänzend gibt es seit dem Jahr 2013 ein Förderprogramm „Kleine Wasser- kraft“ durch das Land, bei dem auch Maßnahmen zur Herstellung der Durchgängigkeit gefördert werden können. Wehre und Abstürze im kom- munalen Besitz können eine Förderung über die Wasserwirtschaftsverwaltung des Landes erhal- ten. Aktive Renaturierung Der zweite Schwerpunkt, die Verbesserung der Gewässerstruktur, wird durch eine aktive Rena- turierung der Gewässer oder aber durch geän- derte Unterhaltung der Gewässer erreicht. Im Blick steht hier die Entwicklung eines naturna- hen Gewässerrandstreifens, die Entfernung von Ufer- und Sohlbefestigung, eine geänderte Li- nienführung, naturnahe Uferstrukturen und ein artenreicher Gehölz- und Pflanzensaum entlang der Gewässer. Die konkrete Umsetzung liegt in der Verpflichtung der Gewässerunterhaltungs- pflichtigen, d. h. der Gemeinden und Städte und bei den Unterläufen von Brigach, Breg und bei der Donau beim Land Baden-Württemberg. Oft stoßen solche Renaturierungsmaßnah- men zunächst bei Grundstücksbesitzern, Bewirt- schaftern von landwirtschaftlichen Flächen, den politischen Gremien und auch der Bevölkerung auf Vorbehalte. Nach Fertigstellung der Maßnah- men erfolgt jedoch überwiegend eine positive Rückmeldung. Die Anziehung naturnaher Fließ- gewässer und erlebbarer Gewässer werden als Bereicherung auch für den Menschen erlebt. Eine wesentliche Schwierigkeit liegt in der notwendigen Flächenverfügbarkeit entlang der Gewässer, um eine naturnahe Entwicklung um- setzen zu können. Oft würden fünf bis zehn Me- ter breite Gewässerrandstreifen entlang der Ge- wässer genügen. Die Verkaufsbereitschaft stellt sich aber oft sehr schwierig dar, so dass eine Um- setzung der notwendigen Maßnahmen nur zum 256 Teil möglich ist. Aber auch hier geht es Schritt für Schritt voran. Gewässerentwicklung braucht langen Atem Gewässerentwicklung braucht einen langen Atem und ist eine Generationenaufgabe. Den- noch hat sich in den letzten Jahren im Schwarz- wald-Baar-Kreis viel getan. Erste Renaturierungs- maßnahmen an der Kötach von Sunthausen bis Unterbaldigen sind umgesetzt. Die Kötach als Markenzeichen der Ostbaar wird wieder zum Le- ben erweckt. Entfernung von massiven Uferbe- festigungen, Uferaufweitungen, Beseitigung von Wanderungshindernissen und die Entwicklung eines naturnahen Gehölzsaumes sind Bausteine, um die Kötach als wichtigen Lebens- und Erleb- nisraum wieder zu entwickeln. Eine weitere bekannte Maßnahme ist die Of- fenlegung des Neckars in Schwenningen. Ein Fluss hat wieder das Licht der Welt erblickt. Heu- te ist der Neckar mitten in der Stadt naturnaher Lebensraum, aber auch ein wichtiges Element innerstädtischer Stadtentwicklung. Der Sieblegraben in Tuningen: eingemauert und teilweise verrohrt fristete er sein Dasein als Entwässerungsrinne durch Tuningen. Auch hier wurde eine naturnahe Entwicklung angestoßen, die im September 2013 mit Maßnahmen bis zur Gemarkungsgrenze Bad Dürrheim fertiggestellt wurden. Kurz nach der Fertigstellung der Renaturie- rung des Entenbachs in Pfohren konnte man ganze Schwärme von Jungfischen im Entenbach entdecken, die ihr neues Domizil eroberten. Noch bei der Planung war in der Bevölkerung Unver- ständnis zu spüren, dass man die Betonsohlscha- len, die man erst vor wenigen Jahrzehnten in den Entenbach eingebracht hatte, wieder heraus- nimmt. Ein Anwohner fragte noch, „was soll denn das hier, Fische hat es hier noch nie gege- ben“ – was zu beweisen war. Erste Maßnahmen am Marbengraben auf der Gemarkung Pfohren und der Stillen Musel in Do- naueschingen sind umgesetzt und sollen im Jahr 2014/15 weiter fortgeführt werden. Der Bränd- bach in Bräunlingen wurde naturnah umgestal-

Oben: Die renaturierte Kötach in Sunthausen. Unten: Mit großem Erfolg konnte auch die Renaturierung des Entengrabens in Pfohren abgeschlossen werden. 257

Wasserwirtschaft tet und der Weiherbach in Wolterdingen in den letzten fünf Jahren Schritt für Schritt wieder zu einem naturnahen Gewässer entwickelt. Begon- nen haben auch die Gewässerentwicklungsmaß- nahmen im Glasbachtal in Königsfeld. Das davor schon naturschutzfachlich sehr wertvolle Glas- bachtal hat eine weitere nachhaltige Aufwer- tung erfahren und macht der Naturkommune Königsfeld alle Ehre. Ein neues, wildes Gesicht für die Breg Große flussbauliche Maßnahmen wurden als Ausgleichsmaßnahmen für das Hochwasser- rückhaltebecken an der Breg umgesetzt. Die Wildflusszone Bregfeld und die Flussverzwei- gung in der Enge zwischen Wolterdingen und Bruggen haben der Breg ein neues, wildes Ge- sicht geben. Durch die Gestaltung eines breiten Entwicklungsraumes kann sich die Breg in diesen Bereichen frei entwickeln und durch eigendyna- mische Entwicklung strukturreiche Lebensräu- me schaffen. Flussregenpfeifer und Storch füh- len sich bereits wohl und der Eisvogel wird an den vielen neuen Steilufern sicher nicht lange auf sich warten lassen. Es macht Spaß an diesen neuen Flussabschnitten, der „Camargue der Baar“ wie man bereits sagt, zu verweilen. Attraktiver Donauursprung Brigach und Breg bringen die Donau zu Weg – so begann der große europäische Fluss Donau am Zusammenfluss von Brigach und Breg bisher eher trostlos und in einem naturfern ausgebau- ten und massiv befestigen Doppeltrapezprofil. Die Umgestaltung des Donauursprungs im Herbst 2013 kann zwar die alten Donaumäander im Be- reich des heutigen Aldi-Zentrallagers und der Firma Wintermantel nicht wiederherstellen, dem Fluss an seinem Ursprung aber wieder zum Teil einen naturnahen Entwicklungsraum zu- rückgeben und die Attraktivität des Donaube- ginns deutlich steigern. Durch den Abtrag von Gewässervorland, das Einbringen von Störbuh- nen und eine leichte Laufverlegung wird die Do- 258 nau hier eine interessante Entwicklung nehmen. Es lohnt sich also, einen kurzen Blick auf die Do- nau zu werfen, wenn man auf der Bundesstraße direkt am Donauursprung vorbeifährt. Die alte Donauschleife Tauwasser bei Neu- dingen konnte ebenfalls im Herbst 2013 wieder an die Donau angeschlossen werden. Der gerade auch für die bedeutende Wasservogelwelt auf der Baar wichtige Abschnitt konnte so eine not- wendige Aufwertung erfahren und es bleibt spannend, was sich dort in den nächsten Jahren durch die Gewässerdynamik der Donau alles ent- wickeln wird. All diese Maßnahmen werden durch unter- schiedliche Instrumente finanziert. Für die kom- munalen Aufgaben im Bereich der Gewässeröko- logie besteht die Möglichkeit einer Förderung über die Förderrichtlinie Wasserwirtschaft mit einem Fördersatz von 70 %. Seit 2009 konnten ca. 1 Mio. Euro an Fördermitteln für Maßnahmen nach der Wasserrahmenrichtlinie im Kreis bewil- ligt werden. Es zeigt sich also: Unsere Gewässer im Kreis erfahren einen Wandel – die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie befindet sich im Schwarz- wald-Baar-Kreis in vollem Gange und die Gewäs- ser sind auf einem guten Weg, hin zu einem gu- ten ökologischen Zustand. Jedoch nicht nur die Verbesserungen im Naturhaushalt für Flora und Fauna sollen dabei betrachtet werden. Die posi- tiven Veränderungen im Landschaftsbild, aber auch die neuen Erholungs- und Erlebnisräume gerade auch bei innerörtlichen Gewässerent- wicklungsmaßnahmen stellen einen Mehr wert für uns Menschen dar. Es bleibt eine spannende Aufgabe an noch zahlreichen Gewässerabschnitten im Landkreis. Doch bei einem guten Zusammenspiel aller Ak- teure kann es gelingen, die Ziele naturnaher Ge- wässerentwicklung zu verwirklichen. Gewässer im Wandel – lassen wir uns darauf ein! Oben: Ein neues, wildes Bett hat die Breg bei Wolter dingen erhalten. Unten: Bei Bruggen, nahe bei Wolterdingen gelegen, zeigt sich die Breg wieder ursprünglich, ist sie ein Garant für strukturreiche Lebensräume.

Gewässer im Wandel 259

Umwelt und Natur 13. Kapitel Umwelt und Natur Adebar auf der Baar Eine Erfolgsgeschichte von Helmut Gehring und Wolf Hockenjos mit Fotografien von Helmut Gehring 260 260

Adebar auf der Baar Adebar auf der Baar Ornithologische Erfolgsmel dungen sind in Zeiten weltweiten Arten­ schwundes bekanntlich dünn gesät. Zumal in Offenlandgebieten wie der Baar, wo sich die Inten­ sivierung der Landwirtschaft bei der Vogelwelt zumeist in drama­ tischen Verlusten an Zahl und Artenvielfalt niederschlägt. Da ist es umso erfreulicher, dass der Weißstorch wieder ein häufiger Bewohner der Baar geworden ist. Im Jahr 1990 hatte hier nur noch ein einziges Storchenpaar gebrütet: dasjenige in Pfohren. Inzwischen sind es wieder 14 Brut­ paare, die auf Dächern, Kirchtür­ men, Strommasten und Schorn­ steinen nisten. Störche auf dem Kirchturm von Sumpfohren – wie in Pfohren und Tuningen sind in diesem Ort nahe der jungen Donau gleich zwei Storchenpaare heimisch geworden. 261

Umwelt und Natur 14 Brutpaare im Jahr 2013 auf der Baar, das be- deutet: Mehr dieser so populären Vögel wur- den vor knapp drei Jahrzehnten in ganz Ba- den-Württemberg nicht mehr gezählt. Und die Bestandsentwicklung scheint weiterhin positiv zu verlaufen, auch wenn das verregnete und kalte Frühjahr 2013 den Bruterfolg stark beein- trächtigt hat. Fritz Widmann, „Storchenvater“ aus Neudingen, der im Auftrag der Vogelwarte Radolfzell die Baarstörche beringt und betreut, schätzt 2013 den witterungsbedingten Ausfall an Jungstörchen auf bis zu 80 Prozent. Die guten Erfolge in den Vorjahren stimmen ihn dennoch optimistisch: Die Storchenpopulation befindet sich allem Anschein nach im Aufwind. Dass es allenthalben wieder klappert über den Dächern der Dörfer, darf als hoffnungsvolles Signal ge- wertet werden: Wo sie zurückkehren, so die Bot- schaft der Störche, kann es um die Umwelt gar so schlimm nicht bestellt sein! Jedes Dorf hatte seinen Storch: 1937 wurden auf der Baar 23 Brutpaare gezählt Dass der Weißstorch im Quellenlandkreis (nebst dem Milan) bei anhaltendem Aufwärtstrend nächstens wieder zum „Charaktervogel“ avan- cieren könnte, wird zusehends wahrschein- licher. Ausgebucht ist die Region noch längst nicht: So hatte schon 1937 der Donaueschinger Naturkundler Karl Wacker (veröffentlicht in den „Schriften der Baar“, dem Organ des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar) all die Orte aufgelistet, in denen um 1900 Störche brüteten. Er kam auf 23 Brutpaare, denn damals hatte nahezu jedes Dorf sein Storchenpaar, in Pfohren waren es sogar deren vier. Doch dann waren es vor allem die zunehmen- den Entwässerungsmaßnahmen in den land- wirtschaftlich genutzten Flächen, die die Lebens- bedingungen für Meister Adebar immer weiter verschlechterten. Es verschwanden Feuchtwie- sen, Wiesentümpel und Überschwemmungsbe- reiche an Bächen und Flüssen – und mit ihnen die Störche. Die Feuchtbiotope sind mittlerwei- le zwar nicht wieder viel zahlreicher geworden, sieht man von den Tümpeln ab, die neuerdings 262 Störche sind auf der Baar keine Seltenheit mehr. Oben werden Jungstörche in ihrem Nest in Allmendshofen beringt. Mitte und unten: Weißstorch über Neudin- gen und Störche bei der Futtersuche bei Neudingen. von Naturschützern des NABU und des BUND künstlich wieder angelegt worden sind. Doch Störche sind keine Nahrungsspezialisten, und Frösche stellen längst nicht mehr ihre Haupt- nahrung dar; umso mehr stehen Mäuse, Insekten und Regenwürmer auf ihrem Speiseplan. Auch wird vermutet, dass ihnen dabei die zunehmen- de Silagebewirtschaftung des Dauergrünlandes zugutekommt, von Ökologen wegen der hohen Verluste an Wiesenbewohnern ansonsten eher kritisch bewertet. Der Vogelfreund pflegt jedenfalls zu stau- nen, wie rasch sich unter den Störchen (wie auch unter den Milanen) herumzusprechen scheint, wenn irgendwo der Kreiselmäher brummt und Feingehäckseltes verspricht. In Verbindung mit der hochsommerlichen Heuwiesennutzung er- gibt sich so während der Jungenaufzucht offen- bar eine günstige Nahrungssituation. Eine wichtige Voraussetzung sind geeignete Brutplätze auf Kirchtürmen oder Dächern Die Bestandsentwicklung einer Zugvogelart hängt von vielerlei Faktoren ab, nicht zuletzt von der Si- tuation in den Überwinterungsgebieten. Berühmt wurde einst jener (in der Vogelwarte Radolfzell gezeigte) Storch, der mit einem Pfeil im Hals aus Afrika zurückgekehrt war. Wichtigste Vorausset- zung im Brutgebiet sind – neben dem Nahrungs- angebot – nicht zuletzt geeignete Brutplätze. Für Horstunterlagen auf Kirchtürmen und Dächern sorgt insbesondere die rührige Gruppe des Na- turschutzbundes (NABU) Schwarzwald-Baar, und auch Bürgerinitiativen (so in Ober- und Unterbal- dingen) haben erfreulicherweise künstliche Nist- hilfen geschaffen, die mittlerweile nahezu alle von den Störchen angenommen worden sind. Erstaunlicherweise werden in jüngster Zeit zunehmend auch Strommasten als Brutplatz angenommen. So kam es 2012 in Biesingen und

Adebar auf der Baar 263

Umwelt und Natur Sunthausen zu Neuansiedlungen auf Masten des- selben Typs, wobei das zuständige Elektrizitäts- werk entgegenkommenderweise eine aufwendi- ge Isolierung zum Schutz der Vögel vorgenommen hat. In Biesingen freilich hatte sich unlängst der Ortschaftsrat mit den Neubürgern zu befassen, weil sich Anwohner über die weißen Kotspritzer beklagten und sich aus hygienischen Gründen für eine Umsiedlung aussprachen. Es gibt auch „Junggesellenstörche“ Zu den brütenden Störchen gesellen sich seit ei- nigen Jahren regelmäßig auch Trupps von „Jung- gesellenstörchen“, die sich in einem Gebiet auf- halten, aber noch nicht brüten. In den Jahren 2009 und 2010 waren auf den Wiesen der Riedbaar bis zu 24 Exemplare zu beobachten, die im Park der fürstlichen Gruftkirche in Neudingen zu nächtigen pflegten. Diese „Junggesellen“ sind die potenziel- len Brutstörche für die Zukunft. Ob sie ähnlich er- folgreich brüten werden wie die Storcheneltern in den Jahren 2010 bis 2012 – Fritz Widmann konnte in diesem Zeitraum jeweils bis zu 38 Jungstörche beringen – bleibt abzuwarten. Anhand der Ringe der Brutstörche lässt sich ablesen, woher sie stammen, bisweilen auch, wo sie zu überwintern pflegen. Im Jahr 2010 waren von 20 Brutstörchen 11 beringt. Sie stammten aus 264 Strommasten werden als Platz für Storchennester immer beliebter – hier in Sunthausen. dem Elsass, der Nordschweiz, dem nördlichen Bo- denseegebiet und der Baar. Anders als Störche aus Aufzuchtstationen, wie sie ausgangs des vorigen Jahrhunderts aus Sorge um den Niedergang der mitteleuropäischen Storchenpopulation man- chenorts eingerichtet worden waren, zeigten sie auch ein normales Zugverhalten, wobei freilich nicht mehr so sehr die westafrikanische Sahelzo- ne als vermehrt spanische Reisanbaugebiete an- geflogen werden. Die deutlich verbesserten heimischen Bruter- folge und vergleichsweise günstige Bedingungen in den Überwinterungsgebieten scheinen nicht nur auf der Baar, sondern auch landesweit zu einer erfreulichen Erholung der Weißstorchbestände zu führen. Dass der Klapperstorch entgegen dem Kin- derglauben nicht dazu taugt, den Bevölkerungs- schwund zu stoppen, gar die Probleme einer über- alternden Gesellschaft zu lösen, darüber wurden wir längst aufgeklärt. Als gefiederter Sympathie- träger und unübersehbarer Ausweis ländlicher Lebensqualität mag Adebar am Ende dennoch ein bisschen dazu beizutragen, dass wir uns in dieser Landschaft wohlfühlen und allfällige Abwande- rungspläne erst gar nicht aufkommen wollen. Sor- gen wir dafür, dass sich auch die Störche weiterhin wohlfühlen auf der Baar.

Adebar auf der Baar Oben: Die Pfohrener Störche haben ihr Nest auf einem Wohnhaus und auf der Kirche bezogen. Mitte: Vier Jung- störche im Nest auf dem Strommasten bei den Gummiwerken in Neudingen und Storch mit Jungstorch in Biesin- gen. Unten: Storchentreffen bei einem Hochwasser an der jungen Donau, wo sich nun reichlich Nahrung findet. 265

Umwelt und Natur Die Kiefern Aus dem Waldbild des Schwarzwald-Baar-Kreises kaum wegzudenken – Baumserie (Teil 8) von Wolf Hockenjos 266

In einer Serie über besonders betagte, außergewöhnlich starke und bizarre Baumorigi- nale ist die gemeine Waldkiefer, Föhre oder Forle (Pinus sylvestris L.), so mag es zunächst jedenfalls erscheinen, fehl am Platz. Wirklich staunenswerte Prachtexemplare sind von dieser Baumart nun einmal nicht zu erwarten. Dabei ist sie bei uns so verbrei- tet, dass sie aus dem Waldbild kaum wegzudenken ist. Die Kiefern Den rauhborkigen Stamm mit der hellen, gelbroten Spiegelrinde und der kurzen Krone erkennt jedes Kind. Im natürlichen Wald von einst, zu Zeiten als der Mensch noch keinen Ein- fluss genommen hat, war das noch anders: Da beschränk- te sich die Kiefer auf wenige Extremstandorte, auf flachgründigste sonnseitige Steilhänge, auf Felsrippen, auf trockene Mergelstandorte oder Moorränder. Ansonsten trat sie im Wald allen- falls als „Pionier“ bei der Erstbesiedlung von Sturm- oder Brandflächen in Erscheinung. Immerhin vermag sie ein natürliches Alter von bis zu einem halben Jahrtausend zu errei- chen. Im ehemaligen Klosterwald von Frieden- weiler haben Dendrochronologen unlängst den Stamm eines Baum-Methusalems untersucht und 466 Jahrringe ausgezählt. Die Kiefer hatte das Glück, auf einem der Auerwildbalzplätze herangewachsen zu sein; der Baumbalz der Häh- ne zuliebe hat man sie dort bis heute stehen las- sen. Die Auerhühner genießen mittlerweile ganzjährige Schonzeit; die wünscht man sich auch den letzten Uraltkiefern, sodass sie dort vielleicht sogar noch ein paar weitere Jahrhun- derte überdauern werden. Gemessen am Alter der nordamerikanischen Verwandten unserer Kiefer wäre das freilich ein Pappenstiel: Die unter den ariden klimatischen Bedingungen der Halbwüsten Arizonas gedei- Linke Seite: Über 280 Jahre alte Kiefer im Unterhölzer Wald. Oben: Kiefernzapfen Rechts: Die Kiefer ist auch auf Extremstandorten zu finden, hier auf den Granitschroffen bei Triberg. henden Grannenkiefern wer- den bis zu 5.000 Jahre alt und gehören damit zu den langle- bigsten Baumgewächsen der Welt. Die ältesten Exem- plare hierzulande mögen auf den Mooren des Baar- schwarzwalds zu finden sein. Die stärksten sind sie damit noch nicht. Die wachsen, zumeist windschief und grobastig, auf dem nährstoffrei- chen Opalinuston im Unterhölzer Wald unweit der einstigen Fürstlich Fürstenbergischen Wald- arbeiterkolonie Drei Lärchen. Das Alter der Lär- chen wie auch das der Kiefern wird auf annä- hernd 280 Jahre geschätzt. Während die stärks- ten Lärchen dort immerhin Umfänge in Brust- höhe von über 300 cm erreichen, bleiben die Kiefern deutlich darunter. 267

Umwelt und Natur Typische Pionierbaumart Die heutige Verbreitung der Kiefer vom kristal- linen Urgestein des Schwarzwalds über die ge- samte Schichtstufenlandschaft hinweg bis auf die Alb ist die Folge einstiger Waldverwüstung und nachfolgender Wiederaufforstungsbemühun- gen. Denn als typische „Pionierbaumart“ ist sie für Saat und Pflanzung besonders gut geeignet. Sie ist sehr anspruchslos, frosthart und verbiss- und dürreresistent. Überdies wird ihr leichter, geflügelter Samen mit dem Wind über weite Ent- fernungen hinweg transportiert. Wo immer der Wald großflächig abgeräumt wurde, sei es durch die Glashütten, zur Erzverhüttung oder auch durch Stürme, pflegte sie sich als erste Nadel- baumart wieder auf den Kahlflächen einzustel- len, zumeist im Gefolge der Birken, Aspen, Eber- eschen und Salweiden. Das so entstehende Waldbild gewinnt dann für eine Weile einen ausgeprägt nordischen („bo- realen“) Charakter; im bodensauren Milieu des Buntsandsteins entsteht daraus eine Waldge- Auf den Hochmooren wie hier am Blindensee bei Schönwald/Schonach gedeiht eine zweite heimische Kiefernart: die Spirke. sellschaft, in der sich die Waldhühner besonders wohl zu fühlen pflegen, weil sie sich im Winter vorzugsweise von Kiefernadeln ernähren. Von der sauren Nadelstreu der Kiefer profitieren wie- derum die Beersträucher, die die bevorzugte Sommeräsung des Auerwilds liefern. Außerhalb der Waldmoore wird die von der Kiefer dominierte Waldgesellschaft freilich als- bald wieder abgelöst von den sog. „Klimaxbaum- arten“, wenn sich unterm Kiefernschirm die frostempfindlichen und Schatten ertragenden Tannen und Buchen einfinden, von denen die Pioniere schließlich großteils verdrängt werden. Diesen natürlichen Vorgang der „Sukzession“ ahmte die frühe Forstwirtschaft nach, wo und wann immer es Kahlflächen aufzuforsten galt. „Breitwürfig“ oder in „Riefen“ hinterm Pflug her wurde Kiefernsamen ausgebracht, eine vor allem im frühen 19. Jahrhundert weit verbreitete und durchaus erfolgreiche Praxis, die sich besonders auf der spätfrostgefährdeten Baar bewährt hat: In großem Stil wurde sie etwa nach Gründung der Dürrheimer Saline im Jahr 1823 praktiziert, als sich das Großherzogtum dazu gezwungen sah, deren immensen Siedeholzbedarf nachhal- tig zu sichern. Zu diesem Zweck erwarb das Land, wo immer möglich, nicht mehr benötigte, oft 268

stark herunter gewirtschaftete, „devastierte“ Weideflächen, die von der Landwirtschaft auf- gegeben worden waren, weil man zur Stallfütte- rung übergegangen war. Großherzogliche Aufforstungswelle Zwei Drittel des Staatswaldes im ehemaligen staatlichen Forstbezirk Villingen verdanken ihre Entstehung der großherzoglichen Aufforstungs- welle. Noch stehen viele der – mittlerweile ernte- reifen – Zeugen jener Erstaufforstung im heuti- gen Wald, inzwischen knapp zwei Jahrhunderte alt und zumeist dennoch nicht mit Respekt ein- flößenden Stammdimensionen. Nicht selten frei- lich wurden die Kiefern jener ersten Waldgenera- tion bereits im Stangenholzalter vom Schnee- bruch zerzaust und zerbrochen, sodass man sich alsbald genötigt sah, Tannen- und Fichtensamen unter dem verlückten Kiefernschirm auszusäen oder diese in ihrer Wuchsleistung der Kiefer überlegenen Baumarten im Wege des sog. „Vor- baus“ anzupflanzen. So wurde denn manche frühe „Schneebruch- katastrophe“ zur Geburtsstunde eines zunächst zweigeschossigen, sodann zunehmend leistungs- starken und durchaus naturnahen Wirtschafts- waldes, in welchem die anfänglichen Wuchssto- ckungen längst ausgeheilt sind, wie sie die Bo- Kiefernreicher („borealer“) Nadelwald bei Volkertsweiler. denverdichtung durch den Viehtritt der einstigen Beweidung zu verursachen pflegte. Gesundes, möglichst astfreies Kiefernholz ist im Möbel- und Fensterbau auch heute noch sehr begehrt, eine Geldquelle für den Forstwirt vor allem in Zeiten, in denen die Preise für Stamm- holz des „Brotbaums“ Fichte gerade wieder ein- mal wegen eines Orkanereignisses kontinent- weit in den Keller gesackt sind. Doch noch be- gehrter war die Kiefer einst wegen ihres Harzes, eines außerordentlich vielfältig benötigten Grundstoffs, von der Karrenschmiere über die Schuhwichse und Druckerschwärze bis hin zum Pech für den Schiffsbau. Als im Ersten Weltkrieg die Engländer den Seeweg und damit den Harz- import aus Übersee blockierten, lebte die Harzer- tradition kurzzeitig noch einmal auf. Noch heute sind Harzkiefern zu finden Sehr vereinzelt lassen sich auch im Wald von heute noch Harzkiefern finden, Kronzeugen ei- ner einstmals höchst bedeutsamen, den Bäumen allerdings abträglichen Rohstoffgewinnung. Die Verwundungen der Stämme, die sog. „Risser- lachten“, an welchen das Harz entnommen wur- de, sind von den Bäumen zwischenzeitlich fast 269

Umwelt und Natur Hermann Blum zeigt eine Harzkiefer, die noch sein Großvater bewirtschaftete. Unten: Einlaufblech, mit dem das herabtropfende Harz aufgefangen wurde. vollends überwallt. Längst eingewachsen (im Holz aber zumeist noch vorhanden) sind auch die Einlaufbleche, mit denen das herabtropfende Harz aufgefangen und in Sammelbehälter gelei- tet wurde. Auf dem Siehdichfür bei Buchenberg an der nordwestlichen Landkreisgrenze erinnert sich Hermann Blum, Haumeister im Ruhestand, noch lebhaft an das Harzerhandwerk seines Großvaters; auch einige von dessen Harzkiefern kann er noch vorzeigen. Klimawandels Hitze und Wasserstress weit bes- ser auszuhalten verspricht als die Fichte. Wegen ihrer kurzen Krone übersteht sie Stürme besser als jene. Naturnahe Waldwirtschaft strebt heut- zutage den kleinstrukturierten Dauerwald mit leistungsstarken Schatten ertragenden Baumar- ten an und vermeidet tunlichst Kahlflächen und Räumungen. Weshalb der Flächenanteil der eins- tigen „Devastationsbaumart“ Kiefer mittel- bis langfristig fraglos schrumpfen wird – zum Leid- wesen der Ornithologen, die sich nicht nur für das Überleben des Auerhuhns, sondern auch für das der Kiefern einsetzen. Immerhin wächst mit dem Klimawandel auch die Wahrscheinlichkeit von flächigen Sturm- schäden, wo sie wieder durchstarten wird, und auch auf den Waldmooren verbleibt ihr eine Ni- sche, soweit diese nicht entwässert wurden. Be- drohlich wird ihr allemal die wachsende Konkur- renz durch die nordamerikanische Douglasie, die der Kiefer zumal auf trockeneren Sommerhän- gen, den klassischen Kiefernstandorten von einst, an Wuchsleistung haushoch überlegen ist. Was ihr verbleibt, sind also vornehmlich Ex- tremstandorte, auf denen eine normale Bewirt- schaftung unterbleibt: etwa auf den sonnseiti- gen Steilhängen der Baaralb mit ihren „Relikt- föhrenwäldern“ samt den dort anzutreffenden Orchideen- und den noch selteneren Reckhölder- le-Vorkommen, mithin auf mageren Wacholder- heiden vormaliger Schafweiden. Zum andern auf blankem Fels, wo die Kiefern mitunter sogar zu bizarren Baumoriginalen heranwachsen. So et- wa auf den Granitschroffen rund um Triberg und Althornberg, aber auch auf den Muschelkalk-Tür- men der Wutachflühen. Hier zeigt uns die Kiefer, welch zäher Überlebenswillen selbst bei beschei- denstem Wasserhaushalt in ihr steckt, wenn ihre Wurzeln erst einmal Fuß gefasst haben. Zwei Exoten: korsische Schwarzkiefer und die amerikanische Weymouth-Kiefer Zukunftschancen nicht die besten Um die Zukunftschancen der Licht- und Pionier- baumart Kiefer im Wirtschaftswald steht es nicht zum Allerbesten, obwohl sie im Zeichen des Die Allgegenwart der Waldkiefer im heutigen Wirtschaftswald lässt uns leicht übersehen, dass wir es da und dort auch noch mit anderen Kie- fernarten zu tun haben. Da sind zum einen 270

fremdländische „Exoten“, die aus forstlichen Versuchsanbauten stammen. Denn schon immer wieder mal versprach man sich von der Verbrei- terung der heimischen Baumartenpalette künfti- gen Mehrertrag: So experimentierte man mit der kalkliebenden korsischen Schwarzkiefer (Pinus nigra), erkennbar an der schwärzlichen Rinde und am Fehlen der rötlichen Spiegelrinde unserer heimischen Kiefer. Sie wurde vor allem für die Aufforstung besonders trockener, weidegestör- ter Sommerhänge empfohlen. Eine Steigerung des Holzertrags hatte sich um die vorletzte Jahrhundertwende etwa der Fischbacher Gemeinderat erhofft, als er gegen den Rat des Forstamtes beschloss, einen aufge- lassenen, mit Wacholderbüschen bewachsenen Weidberg, den Sinkinger Fahrenberg, zu Teilen mit Schwarzkiefern aufzuforsten. Doch auch sie konnten nicht verhindern, dass der Fischbacher Gemeindewald noch bis zur Eingemeindung nach Niedereschach als der mit Abstand ertrags- schwächste ganz Badens galt. Immerhin wuch- sen die Schwarzkiefern erkennbar rascher als die heimischen Kiefern, doch die Holzqualität der Korsin lässt nach wie vor sehr zu wünschen übrig. Einen noch größeren Misserfolg erlebte die Forstwirtschaft mit der Propagierung der aus den USA stammenden Weymouth-Kiefer (Pinus stro- bus), von deren Einbürgerung man sich zu Beginn des vorigen Jahrhunderts sogar noch mehr ver- sprochen hatte als vom „Wunderbaum“ Dougla- sie: Die Stroben wurden nahezu komplett durch Die Kiefern eine Pilzerkrankung, den Rinden-Blasenrost, da- hingerafft. So bleibt nur noch die heimische Bergkiefer (Pinus mugo) zu erwähnen, die im Schwarzwald erstaunlicherweise in zweierlei Varietäten vor- kommt: im Südschwarzwald überwiegend in ihrer aufrechten Form als Spirke, auf den Grinden des Nordschwarzwalds in ihrer kriechenden und krummwüchsigen Form als Latsche. Spirken sind Moorspezialisten, die im Schwarzwald-Baar-Kreis lediglich am Blindensee bei Schonach, vereinzelt auch noch im Plattenmoos bei Tannheim natür- lich vorkommen. In seltenen Fällen wurden sie auf den ertrags- armen „Missen“, den Waldmooren, auch künst- lich eingebracht; so geschehen im Villinger Stadtwald unweit der Friedrichshöhe. Pech nur, dass der Samenhandel diesmal offenbar nicht in der Lage gewesen war, zwischen Spirken und Lat- schen zu unterscheiden, und so findet sich dort noch heute eine Gruppe von ca. 160-jährigem Latschen-Krummholz. Holzertrag liefern beide Varietäten nicht: Die nährstoffarmen Hochmoo- re erlauben schon der gemeinen Waldkiefer kei- ne stärkeren Stammdimensionen, noch weitaus schmächtiger fallen die Spirken aus mit ihren kurzen Nadeln und der dunkelschuppigen Rinde, kaum dass die Stämmchen einmal Bierkrugstär- ke erreichen. Kiefernmonster auf einem Granitfelsen bei Grem- melsbach, einst vom Schnee umgedrückt. 271

Umwelt und Natur Umwelt und Natur Der Furtwanger Aussichtsberg Brend Ausblicke – Einblicke: Aussichtspunkte im Schwarzwald­Baar­Kreis – Der Brend ist der zweithöchste Berg im Quellenland von Wolf Hockenjos mit Fotografien von Wilfried Dold Der Furtwanger Hausberg ist mit exakt 1149,3 m Höhe nur dem Rohrhardsberg (1163 m) knapp unterlegen. Es sei denn, man besteigt den 17 Meter hohen Aussichtsturm. Von ihm aus bietet sich an klaren Tagen nicht nur ein grandioser Blick auf Hochfirst, Feld- berg, Belchen und Kandel, sondern auch auf die Schweizer Alpenkette vom Säntis bis zu den Berner Oberländer Riesen Eiger; Mönch und Jungfrau. Eher futuristisch erscheint der Ausblick auf die wachsende Zahl von Windrädern: starke Symbole der Energiewen- de oder Bildstörung? 272 272

Aussichtsberg Brend „Das Brend“, meint anno 1908 Schnars Neuester Schwarzwaldführer, „bietet eine der herrlichsten Aussichten des Schwarzwalds.“ Zu genießen war diese ursprünglich von der „aussichtsreichen Juliushütte“ aus, wie Ludwig Neumann, der Schwarzwaldvereinspräsident, noch 1897 in sei- nem Prachtband „Der Schwarzwald in Wort und Bild“ schreibt. Julius Wetzel, der Furtwanger Oberförster, hatte sie im Jahr 1877 vornehmlich als Wetter- schutz für Viehhirten errichten lassen. Der Berg- gipfel war damals noch unbewaldet, ein Weid- berg mit allenfalls lockerer Weidfeldbestockung. Da und dort scheint seine Aufforstung aber be- reits im Gange oder doch immerhin schon ge- plant gewesen zu sein, und so dürfte die Hütte auch als Unterschlupf für Kulturfrauen und Tännlepflanzerinnen errichtet worden sein. Umso überraschter liest man in einem Be- richt in den Monatsblättern des Badischen Schwarzwaldvereins vom September 1905, dass vor der Hütte bereits ein Turm den noch kahlen Brendgipfel gekrönt hatte: „Als einer der prächtigsten Aussichtspunkte des badischen Schwarzwaldes gilt allgemein das Brend. Weilt man auf seinem höchsten Punkt, so befindet man sich 1150 m über dem Meere. Wie alle unsere bedeutendsten Berge im Schwarz- wald, so trug auch das Brend früher einmal einen Turm. Er war aus Holz und wohl etwas zu schwach gebaut; denn eines Tages fegte ihn der Sturm um. Später wurde droben eine Hütte er- baut, die Juliushütte. Aber auch sie musste der Macht heftiger Schwarzwaldstürme weichen. Als man einsah, dass die Wiederherstellung eines Holzturmes und einer Holzhütte zwecklos wäre, so entschloss man sich zur Errichtung eines Stein- turmes. Der Kundige weiß, mit welchen Schwie- rigkeiten die Erbauung von Steintürmen auf hohen Bergen verbunden ist. In diesem Falle 273

Umwelt und Natur Alpenblick in Richtung Finsterahorn, Schreckhorn, Mönch, Aletschhorn und Jungfrau. Ein kostenlos nutzbares Fernrohr bietet detailreiche Blicke. Rechte Seite: Der Brend im Luftbild. Neben dem 17 Meter hohen Turm befindet sich das Gasthaus „Zum Brend“, links davon ist der Brendbauer auszumachen. U. l.: Der Brendturm bei der Einweihung 1905. U. r.: Brendturm 1976 im Schneesturm. Foto: Hockenjos machte die Erwerbung eines geeigneten Platzes die meisten Schwierigkeiten.“ Doch nicht nur die Schwarzwaldstürme, auch die Aussicht auf eine nicht minder stürmische Aufwärtsentwicklung des Fremdenverkehrs hat- ten den Wagemut der Furtwanger Wanderfreun- de angefacht. Auch der Grundeigentümer, Dol- denbauer Kirner, hatte sich von der aufkommen- den Euphorie anstecken lassen. Er schenkte der Sektion Furtwangen des Schwarzwaldvereins den Bauplatz für einen Steinturm auf dem höchs- ten Punkt des Bergs, sodass alsbald mit dem Bau begonnen werden konnte. Zur Einweihung am 6. August 1905 gab es ein regenreiches Volksfest Die Einweihung war als Volksfest für den Sonn- tag, den 6. August 1905 geplant, doch leider habe der Regen, heißt es in einem Bericht in der Ver- einszeitschrift, viele abgehalten. Dennoch war der Auftrieb enorm: „Es sprachen Herr Pfarrer Schulz und Herr Bürgermeister Herth; es sangen die Gesangvereine Arion, der Liederkranz und der Arbeiterfortbildungsverein. Herr Krieg trat des öfteren als Baritonist auf. Die Feuerwehrmusik spielte fleißig.“ Vom Regenwetter ließen sich auch die Festredner nicht beeindrucken: Der neue Turm 274 werde feststehen, versprach vollmundig Stadt- pfarrer Schulz, nicht wie vordem der hölzerne Brendturm und die Juliushütte, sondern wie jene Recken, die auf diesen Höhen seit Jahrhunderten in ihren Heidenschlössern wohnten …“ In der Runde erblicke man die Zentren der Schwarzwälder Industrie, das Werk jener, die dem Schwarzwald guten Klang verschafft hät- ten. Von hier aus seien sie hinausgezogen in alle Welt und hätten für die Heimat gearbeitet. Hei- matliebe sei ihnen auch in der Fremde geblieben, die Scholle habe sie zurückgerufen und Jahrhun- derte hindurch zierte den Schwarzwälder treuer Heimatsinn. Auch der Turm diene der Heimatliebe. Anschließend zog man zum Frühschoppen ins Gasthaus Raben, nachmittags dann zum Festessen in die Sonne, wo es weitere Gelegen- heit gab zu vaterländischen Reden. Selbst der Spender des Grundstücks, der sonst wohl eher wortkarge Doldenbauer, ließ sich zu einer An- sprache hinreißen, berichtet das Organ des Badi- schen Schwarzwaldvereins: „Er wolle nicht ge- ehrt werden, denn er betrachte es als seine Pflicht, von dem Grund und Boden, den seine Familie seit 300 Jahren besäße, der Heimat abzu- geben. Wie er den Brend kenne und liebe, so soll- ten ihn andere auch kennenlernen. Wie er als Knabe schon an der Hand des Vaters vom Brend aus die Lande geschaut, die damals noch franzö-

sisch, österreichisch und württembergisch wa- ren, so möchte er mit dem, was er gegeben, vie- len ermöglichen, einen Blick hinauszuwerfen. Jetzt nicht mehr auf welsche Berge, sondern auf ein einiges Deutsches Reich.“ Begeistert von den „echt deutschen Worten“ habe man die erste Strophe des Deutschlands- lieds gesungen, ehe man gegen Abend noch in den Ochsen zog, wo das Fest mit weiteren Reden, bei Musik, Gesang, Spiel und Tanz seinen Ab- schluss fand. Seit der Jahrhundertwende führt der Westweg über den Brend So und nicht anders haben wir uns die wilhelmi- nische Gründerzeit vorzustellen: Was für eine Aufbruchstimmung anfangs des 20. Jahrhun- derts! An der Ankurbelung des Fremdenverkehrs und der Ausstattung mit touristischer Infrastruk- tur in jenen Jahren hat es gewiss nicht gelegen, wenn die Blütenträume nicht so ganz in Erfül- lung gehen wollten. Denn seit der Jahrhundert- 275

Umwelt und Natur Umwelt und Natur Ein besonderes Erlebnis ist auf dem Brend der Son- nenuntergang. Der Brendbauer nutzt das letzte Ta- geslicht zum Einbringen der Heuernte. wende führt der Westweg des Schwarzwaldver- eins über den Berg, gefolgt von markierten Ski- wanderwegen. Seit 1927 laden beim Turm ein Berggasthaus zu Rast und Übernachtung ein, nebenan das Naturfreundehaus, ein öffentliches Zufahrtssträßchen und ein Skilift kamen hinzu. Und weil der Wald in die Höhe wuchs, traf es sich gut, dass 1983 der Turm auf 17 Meter Höhe auf- gestockt und mit einer telekommunikativen Sen- deanlage versehen wurde – der Zukunftsopti- mismus im Sommer- wie im Wintergeschäft hat sich seitdem dennoch merklich abgekühlt. 276 Was gewiss nicht heißen soll, dass der (oder, ganz wie man will auch das) Brend nicht ein loh- nendes Ausflugsziel wäre: Nicht zuletzt im Win- ter, wenn die Skilangläufer vom nahen Langlauf- zentrum an der Martinskapelle und die rucksack- tragenden Skiwanderer auf dem 100 Kilometer langen Fernskiwanderweg von Schonach zum Belchen hier oben verschnaufen, Ausschau hal- ten und vespern. Denn gemessen an der Groß- spurigkeit und Prospektehrlichkeit heutiger Tou- ristikwerbung, belassen wir es gerne bei der Win- terwerbung aus dem Furtwanger Führer, heraus- gegeben vom Verkehrsverein anno 1908, der die skiläuferischen Möglichkeiten wie folgt geprie- sen hat: „Um diesen Sport mit wirklichem Genuss betreiben zu können, sind zwei Voraussetzungen unerlässlich: genügend Schnee und günstiges

Adebar auf der Baar Aussichtsberg Brend Gelände. Und beides ist hier oben in reichem Ma- ße vorhanden. Wir haben ein Skigelände, das neben dem Feldberggebiet unstreitig als das beste im gan- zen Schwarzwald bezeichnet werden darf.“ Wald im Osten und Norden Der Ausblick vom Brendturm reicht mittlerweile nicht mehr ganz ringsum, denn gegen Osten und Norden hat der angrenzende Wald auch die Höhe der neuen Aussichtsplattform überwachsen. Da- für entschädigt nach wie vor der Blick zum Feld- berg hinüber und an klaren Tagen zu den Alpen, westwärts zum Kandel. Wer freilich den Ausblick hinüber zu den Vogesen (auf des Doldenbauern welsche Berge) genießen will oder hinab in den Spalt des Simonswäldertals, in das tiefsteinge- schnittene Tal des Schwarzwalds, der muss sich hundert Meter in Richtung Brendbauer beque- men. Dass auf dem Brend nicht alle touristischen Wunschträume in Erfüllung gegangen sind, we- der die Zukunftsvision des Doldenbauern von anno 1905 noch neuerdings die Pläne zur Erwei- terung des Gasthauses zum noblen Hotelkom- plex, wird jedenfalls nicht der Fichtenauffors- tung anzulasten sein. Die immerhin ließe sich beseitigen. Unübersehbar sind indessen die Sym- bolträger der neuen Zeit: Nirgends im Schwarz- wald wirbeln die Rotoren der Windenergieanla- gen derzeit zahlreicher als beim Blick vom Turm – es sei denn, es herrscht gerade mal wieder alt- weibersommerliche Flaute. 277

Umwelt und Natur Umwelt und Natur 278 278

Adebar auf der Baar Aussichtsberg Brend Winter auf dem Brend – zweistellige Minusgrade verzaubern die Landschaft. Jetzt sind die Skilangläu- fer und Schneeschuhfreunde auf dem Furtwanger Hausberg unterwegs. 279

Freizeit 14. Kapitel Freizeit 280 280

Ein erfrischendes Relikt aus der Klosterzeit Einst diente er den Mönchen für ihre Fischzucht und als Antrieb für die klösterliche Mühle und das klösterliche Sägewerk. Heute ist der Klosterweiher in St. Georgen eine beliebte und erfrischende Freizeiteinrichtung. Text und Fotografie von Roland Sprich 281

Freizeit Er ist das einzige übrig gebliebene Relikt aus der Zeit, als es in St. Georgen ein Kloster gab, das heute noch „in Betrieb“ ist. Der Klosterweiher in St. Georgen ist eines der beliebtesten Naherho- lungsziele für Einheimische, Auswärtige und Fe- riengäste gleichermaßen. Fast schon eine magi- sche Anziehungskraft strahlt der Naturweiher aus, der direkt neben der Bundesstraße 33 liegt. Dazu tragen nicht zuletzt die zahlreichen Was- serspielgeräte bei. Am meisten fällt der fünf Me- ter hohe „Eisberg“ auf, von dem sich besonders wagemutige Wasserratten in das erfrischende Nass stürzen, nachdem sie ihn zuvor erklommen haben. „Erfrischend“ ist dabei die treffende Be- zeichnung. Selten klettert die Wassertemperatur über 22 Grad. Echte Klosterweiherfans lassen sich aber durch die Wassertemperaturen nicht abschrecken und stürzen sich, wenn die Bade- saison jährlich an Pfingsten eröffnet wird, auch schon mal bei 14 Grad in die Fluten. Gespeist wird der Weiher von der Brigach, die nur ungefähr zwei Kilometer Luftlinie im Keller eines Bauernhofs entspringt und den Weiher auf ihrem Weg nach Donaueschingen, wo sie sich mit der Breg zur Donau vereint, quasi ständig mit frischem Wasser versorgt. 282 Der Klosterweiher nach einer von J. Weber am 9. Sep- tember 1885 angefertigten Zeichnung. Wer heute im Klosterweiher schwimmt und sich erfrischt, denkt kaum daran, dass der Weiher eine rund 900 Jahre alte Geschichte hat. Ange- legt wurde der „Große Weiher“, wie er in alten Aufzeichnungen bezeichnet wird, wohl von den Benediktinermönchen, die das Kloster St. Geor- gen im Jahr 1084 gründeten. Den Mönchen dien- te der Weiher Jahrhunderte lang vor allem für ihre Fischzucht. Außerdem war der Weiher das Wasserreservoir für den Antrieb der Klostermüh- le und der Klostersägerei. Die Trockenlegung verweigert Als im Jahr 1633 große Teile des Klosters durch einen Brand zerstört und nicht wieder aufgebaut wurden, erlosch auch der wirtschaftliche Nutzen des Teichs. 1798 wurde von der württembergi- schen Regierung deshalb eine Verfügung erlas- sen, dass der Klosterweiher trocken gelegt wer-

den und die Fläche stückweise verkauft werden solle. Nur der Umsicht und Taktik eines damaligen Oberamtmannes ist es zu verdanken, dass der Klosterweiher heute noch existiert. Der machte den württembergischen Behörden klar, dass das Wasser zum Betrieb der Klostermühle benötigt würde und mahnte an, dass „für den Fall einer außerordentlichen Dürre das Wasser irgendwo gesammelt werden müsse.“ Zudem erklärte sich kein St. Georgener Bürger bereit, die Maßnahme des Trockenlegens durchzuführen. Schon damals zeigte sich demnach, dass die St. Georgener Bür- ger am Klosterweiher hängen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die St. Georgener lieben „ihren“ Klosterweiher und ziehen gerne ihre Bahnen in dem naturtrüben Wasser. In früheren Jahren wurde hier auch das Seenachtsfest, direkt am Ufer des Badeweihers gefeiert. Bürger bringen Klosterweiher auf Vordermann Als vor einigen Jahren so genannte Spaß- und Erlebnisbäder wie Pilze aus dem Boden schossen und mit Erlebnisbadelandschaften und wilden Rutschen die Freibadbesucher anlockten, ließ das Interesse am Klosterweiher etwas nach. Da- zu kam, dass die um 1970 zuletzt moderni- sierte Infrastruktur mit Umkleidekabinen und Toiletten inzwi- schen marode und un- ansehnlich geworden war. Zudem fehlten Attraktionen. Durch eine Initiative der Der Klosterweiher in den 1930er-Jahren. Im Hintergrund die im Juli 1967 abgebrochenen Umkleidekabinen. Klosterweiher St. Georgen „Klosterweiherfreunde“, die in einem Bürgerpro- jekt die Anlage auf Vordermann brachten, einem Gastronom, der das Potenzial erkannte und das marode Kioskgebäude in ein schmuckes Restau- rant verwandelte und mit Unterstützung der Stadt, die die sanitären Anlagen und Umkleiden sanierte, ist der Klosterweiher heute wieder ein Schmuckstück, eingebettet in eine idyllische Landschaft. Eine weitläufige Oase Umsäumt von hohen Bäumen, die Schatten spenden und am Nordufer von dichtbewachse- nen Büschen, die den Verkehrslärm der vorbei- führenden Bundesstraße fast vollständig ver- schlucken, liegt der Weiher am Fuße der Berg- stadt. Die Grünfläche ist weitläufig, die zahlrei- chen Wasserspielgeräte wurden mit Unterstüt- zung und Spendenaktionen der örtlichen Freien Wähler und der Ortsgruppe der DLRG beschafft. Seinen im wahrsten Sinne großen Vorteil gegen- über Freibädern spielt der Klosterweiher vor al- lem an besucherstarken Tagen aus. Wenn in den Freibädern ringsum die Liegeplätze bereits knapp werden und es mit der Bewegungsfreiheit in den Schwimmbecken nicht mehr weit her ist, gibt es am Klosterweiher immer noch genügend freie 283

Klosterweiher St. Georgen Der St. Georgener Klosterweiher ist eine Idylle am Rand der Bergstadt. Flächen. Und zwar sowohl zu Lande als auch im Wasser. 30 000 Quadratmeter Wasserfläche bie- ten jedem Besucher ausreichend Platz zum Schwimmen. Zwei große Floße laden zum Sonnenbaden direkt auf dem Wasser ein. Wer seinem Bewe- gungsdrang auf andere Art freien Lauf lassen möchte, kann sich vom Drei-Meter-Sprungturm in den Weiher stürzen oder auf dem Wasser- trampolin hüpfen. Für Kinder gibt es zudem im Nichtschwimmerbereich etliche Wasserspielge- räte. Für die kleinsten Badegäste wurde erst im vergangenen Jahr zudem ein neuer, toller Klein- kindbereich angelegt. Außerdem lässt sich der Weiher mit einem Ruder- oder Tretboot umrun- den. Und das bei mehr als moderaten Eintritts- 284 preisen. Für 1,80 Euro pro Erwachsenen und 1,20 Euro pro Kind ab sechs Jahren ist ein Freibadtag am Klosterweiher ein preiswertes Vergnügen für die ganze Familie. Hiervon machten in diesem Jahr die Besucher regen Gebrauch. Bereits Ende Juli konnte der 20.000. Badegast der Saison be- grüßt werden. Rundweg wird angelegt Noch in diesem Herbst fällt zudem der Start- schuss für eine weitere Aufwertung des gesam- ten Areals. Eine neunköpfige, ehrenamtliche Arbeitsgruppe plant, den Weiher in eine Gesamt- konzeption mit insgesamt drei Rundwegen ein- zubinden. Jeweils ausgehend direkt vom Seeufer sollen Rundwege mit einer Dauer von zwischen 45 Minuten und vier Stunden durch die idyllische Schwarzwaldlandschaft führen. Dazu wird auch eine Brücke über den Bachzulauf, so dass der kür- zeste Rundweg quasi direkt durch die Grünanla- ge des Weihers führt. Zudem soll die Uferbö- schung mit Sonnenterrassen und einem Schilf- gürtel optisch aufgewertet werden. Weitere Projektideen der Arbeitsgruppe, die aus Architek- ten, Landschaftsgärtnern und Interessierten be- steht, denen die Attraktivität des Klosterweihers am Herzen liegt, besteht, soll eine bessere ver- kehrstechnische Anbindung an die Innenstadt sein. Von der Rundwege-Konzeption hat sich auch der Naturpark Südschwarzwald überzeugen las- sen und steuert zu den veranschlagten Baukos- ten von rund 170.000 Euro einen ansehnlichen Zuschuss bei. Wenn Ende September die Badesaison am Klosterweiher endet, die Wasserspielgeräte ab- gebaut und eingemottet werden, und auch keine Pärchen mehr verliebt über den Weiher rudern, verliert der Klosterweiher ebenfalls nichts von seinem Reiz. Dann genießen Spaziergänger die Stille und den Anblick der spiegelglatten Wasser- oberfläche, die durch die dichten Herbstnebel- schwaden schimmert. Historische Quelle: St. Georgener Heimatbuch, Wolfdieter Gramlich

Ob Eisberg, schwimmende Stege zum Sonnenbaden oder Wasserinsel, der Klosterweiher in St. Georgen hat für Wasserfreunde jeden Alters eine große Zahl an Attraktionen zu bieten. Auch Boote kann man sich ausleihen – ein Service, der gerne genutzt wird. 285

15. Kapitel Sport Motorsportclub Bräunlingen – Vom Grasbahnrennen zum Bregring-X-Rodeo Der MSC hat sich im sportlichen, geselligen und sozialen Leben der Zähringerstadt als unver­ zichtbare Säule etabliert – Jugendarbeit vorbildlich von Christina Nack 286 286

Motocross Bräunlingen Über Autoreifen, Steinfelder und Baumstäm­ me hinweg – der Outdoor­Endurocross­Kurs mit 20 Hindernissen auf 900 m Strecken­ länge rund um das Otto­Würth­Stadion sorgt beim Bregring­X­Rodeo des MSC Bräunlingen für spektakuläre Rennen. Dabei machen Baumstämme, Autoreifen, Sandberge, Erd­ hügel, Kies­ und Sandkurven, Sprünge sowie eine spektakuläre Wasserdurchfahrt den Fah­ rern das Leben nicht einfach. Im Vordergrund steht der Spaß der Teilnehmer, deshalb ist die Strecke zwar anspruchsvoll, aber gut fahrbar gebaut. Zumindest für die Profis, denn wer sein Bike nicht perfekt beherrscht, der ist in Bräunlingen fehl am Platz. 287

Sport Ein Motorsportclub im friedlichen Bräunlingen, das mit seinem Slogan „Natürlich auf der Höhe“ für Kleinstadt- und Naturidylle wirbt? Das scheint nicht recht zueinander zu passen. Doch als sich die Motorsportenthusiasten erstmals öffentlich zeigten und beim Umzug zum Sängerfest mit ihren geschmückten „Maschinen“ einen pracht- vollen Korso bildeten, wich die Skepsis in der Be- völkerung schnell staunendem Respekt. Das war vor 60 Jahren. Seither hat sich der MSC Bräun- lingen als unverzichtbare Säule im sportlichen, geselligen und sozialen Leben der Zähringerstadt etabliert. Seine Jugendarbeit gilt als vorbildlich und bei sportlichen Ereignissen daheim und außerhalb macht er den guten Namen der Stadt in ganz Deutschland bekannt. 288 Ein Bilderbogen aus der Vereinsgeschichte: Die Sieger des Grasbahnrennens von 1963 bei ihrer Ehrenrunde, rechts das Gespann H. Staller / R. Fritsch vom MSC Bräunlingen. Unten links: Der Vorsitzende Erwin Schmid bei der Siegerehrung 1963, der Glückwunsch geht an die Lokalmatadore Staller/Fritsch. Unten rechts die Clubmeister von 1964: Siegfried Wernet, Günter Spingies, Vorsitzender Erwin Schmid, Willi Lehmann, Otto Neukum sowie Erwin Kaltenbrunner. Eine Gruppe von Bräunlingern war es, die 1952 ein paar Motorradverrückte um sich scharte und mit der Idee einer Vereinsgründung begeistert hatten. Im Januar 1953 wurde der Motorsport-

club (MSC) Bräunlingen aus der Taufe gehoben, Erster Vorsitzender wurde Helmut Agsten. „Es war im Nachhinein ein Glücksfall, dass im selben Jahr ein großes Sängerfest gefeiert wurde und der MSC gleich Gelegenheit hatte, Vorurteile aus der Welt zu räumen“, sagt Frank Staller, der Vorsitzende und Rennleiter von heute. „Die Men- schen erlebten, dass der Club nicht aus einer Hor- de Krachmacher bestand, sondern eine tolle Be- reicherung des gemeinschaftlichen Lebens war.“ An dieser Wahrnehmung sollte sich bis heute nichts ändern, da der Verein aus rund 200 Mit- gliedern besteht, die sich vielschichtig in der Kommune engagieren. Fahrdienst für Senioren Der Vorsitzende nennt Beispiele. Im Frühjahr, beim Tag der Begegnung in der Bräunlinger Fest- halle, übernehmen MSC-Mitglieder den Fahr- dienst für alle Senioren, die nicht mehr gut zu Fuß sind. Als Dank an die Bevölkerung für ihre treue Unterstützung der traditionellen Grasbahnren- nen lädt der MSC seit mehr als 40 Jahren zur ge- mütlichen Maifahrt ein. Stets am ersten Mai kut- schieren die Motorsportler um die 40 Senioren in den Frühling und laden sie zu Kaffee und Kuchen ein. Auch dieses Engagement wird überaus posi- tiv wahrgenommen. Motorsportclub Bräunlingen 1960 startet das erste Grasbahnrennen Pläne für die damals in Deutschland noch pio- nierhaften Grasbahnrennen hatte Erwin Schmid bereits Mitte der 1950er Jahre geschmiedet. Doch vorerst musste sich der junge Verein mit jährli- chen Geländefahrten an der Alten Steige begnü- gen. 1960 endlich konnte im Gewann „Vor Bu- chen“ eines der ersten Grasbahnrennen der Re- gion über die holprige Bühne gehen. Die Freude am Traumareal währte nicht lange: 1964 musste das Gelände für den Bau des Sportstadions ge- opfert werden. 1967 wurde in Regie des neuen Vorsitzenden Alberth Barth endlich wieder ein Grasbahnrennen organisiert; Tausende Zuschau- er feierten die Premiere auf dem Galgenberg. Seither entwickelten sich die spektakulären Ren- nen zum Publikumsmagneten und lockten Mo- torsportler aus ganz Deutschland und den euro- päischen Nachbarländern an. Intensive Nachwuchsförderung Nebst sportlichen Ambitionen prägten von An- fang an auch pädagogische Aktivitäten und Nach- wuchsförderung das Vereinsprofil. In Zusam- Packende Zweikämpfe waren in Bräunlingen bei den insgesamt über 50 Grasbahnrennen zu sehen. 289

Sport menarbeit mit der „Gendarmerie“ wurden öf- fentliche Kurse in Motor- und Fahrtechnik für Erwachsene und Kurse in Verkehrserziehung für Kinder und Jugendliche initiiert. In den ersten Jahrzehnten konzentrierte sich die Jugendarbeit auf derlei Basisunterricht zur Teilnahme am öf- fentlichen Straßenverkehr. Das Jahr 2004 bedeu- tete eine Zäsur in der Vereinsgeschichte, denn da begann die sportliche Nachwuchsförderung. Die erste eigene Kinder- und Jugendgruppe mündete in regelmäßigem Trainingsbetrieb im Bereich Enduro-Cross. Bereits Sechsjährige (das ist freilich das Mindestalter) unternehmen auf dem vereinseigenen Gelände erste Schnupper- fahrten – womit eine zentrale Vision der Grün- dungsväter des MSC Bräunlingen Wirklichkeit wurde. Aktuell trainieren stets rund 25 Kinder und Jugendliche Fahrtechnik, Geschicklichkeit, Reaktions- und Konzentrationsvermögen, wer- den von ihren Eltern unterstützt und von der ge- samten Familie lautstark bei den Rennen ange- feuert. Die Grundausstattung für die werdenden Rennsportler stellt der Verein zur Verfügung. Ein Talent sollte nicht an fehlender finanzieller Situ- iertheit seiner Eltern scheitern, so das Credo des Vereinsvorstands. „Es ist ein Vergnügen, Väter zu beobachten, wie sie mit leuchtenden Augen Ben- zingespräche mit ihren Söhnen und Töchtern führen“, beschreibt Frank Staller den Generatio- nen verbindenden „Nebeneffekt“ gezielter Ju- gendarbeit. 290 Das Bregring-X-Rodeo startet Unterdessen wurde nach rund 50 Grasbahnren- nen trotz internationalen Teilnehmerfeldes eine gewisse Müdigkeit beim Publikum registriert. Der innovationsbewährte Verein beschritt er- neut Neuland und startete 2012 das erste Breg- ring-X-Rodeo auf dem geschichtsträchtigen Bregring. Hundert Enduro-Cross-Fahrer aus dem süddeutschen Raum und aus den Nachbarstaa- ten jagten einander über 18 abenteuerliche Hin- dernisse wie Autos, Container, gar Baumstäm- me, Felsbrocken und ein Wasserloch. Das Event war ein Volltreffer auch beim Publikum, das in Scharen strömte und von dieser neuen Variante des Rennsports fasziniert war. Sie ist lizenzfrei, offen für den Breitensport und stößt auf enthu- siastischen Anklang. Im Jubiläumsjahr 2013 wurde dem Verein für sein langjähriges Engagement im Tourensport eine besondere Ehre zuteil. Die FIM (Fédération Internationale de Motorcyclisme), Weltverband des Motorradsports mit Sitz in Genf, übertrug den Bräunlingern die Ausrichtung des FIM-Meri- tums 2013, bei dem fast 150 „verdiente“ Motor- radsportler aus 15 Nationen für vier Tage zu Gast in der Baar-Gemeinde waren. Die Teilnehmenden waren von den Ausfahr- ten in die grandiose Landschaft des südlichen Schwarzwalds, vom kulturellen Rahmenpro- gramm und von der Gastlichkeit des Geburts- tagsclubs begeistert. Stellvertretend für das viel- köpfige Team wurde Frank Staller von der FIM- Jury für die gelungene Organisation mit einem Ehrenpreis ausgezeichnet. Auch vor dem Hinter- grund dieser Erfahrung ist er sich sicher: „Um die Zukunft des MSC Bräunlingen braucht uns nicht bange zu sein. Wir bieten Motorsport für alle und sind fest im gesellschaftlichen Leben verankert.“ Intensiv betreibt der MSC Bräunlingen die Nach- wuchsförderung. Die jungen Fahrerinnen und Fahrer nehmen mit eigenen Maschinen auch bereits erfolg- reich an Wettkämpfen teil. Rechts: Impressionen vom 2. Bregring-X-Rodeo im Jahr 2013.

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Sport 11. Internationale Drachentage 292 292

Motocross Bräunlingen Die Internationalen Donaueschinger Drachen­ tage finden seit 1993 statt und gehören zum größten Spektakel ihrer Disziplin in Baden­ Württemberg. Und sie locken bei gutem Wetter viele tausend Zuschauer auf das ausgedehnte Flugplatzareal in Donaueschingen. Einmal mehr wurden 2013 nicht nur für Donaueschingen und die Region die bereits 11. Drachentage zum Event: Die Autokennzeichen aus Frankreich, Österreich, den Beneluxländern und natürlich aus der Schweiz ließen auf das internationale Renommee der Drachenflugschau auf der Baar schließen. Einer der vielen Höhepunkte am 11. und 12. Mai 2013 war der Drachen von Claude Bova aus Frankreich: Er ließ ein Cassagne­Rad in den Farben und mit dem Wappen der Stadt Donaueschingen aufsteigen (Foto). Foto: Wilfried Dold 293

Sport Die Wild Wings wieder erstklassig! Die Stimmung ist riesig – die Heliosarena zu den Heimspielen ausverkauft oder hervor- ragend besucht. „Wir sind wieder da“, steht stolz auf der Internetseite der Wild Wings zu lesen. Als der Schwenninger ERC im Frühjahr 2003 finanziell am Boden lag und von der Deutschen Eishockey- Liga die Lizenz entzogen bekam, war eine ganze Region im Schockzustand. Schließlich gehörte der 294 Traditionsverein aus dem Schwarzwald 1994 zu den Gründungsmitgliedern der Deutschen Eishockeyliga und hatte zuvor 22 Jahre lang ununterbrochen in der Eishockey-Bundesliga gespielt. Im Jahr 2006 dann die nächste Hiobsbotschaft: Die DEL schaffte Auf- und Abstieg ab und erklärte sich zur geschlossenen Gesellschaft. Wer künftig aufsteigen wollte, musste auf die Insolvenz eines DEL-Teams hoffen und für die kostspielige Lizenz das nötige Geld beisammen haben.

Motocross Bräunlingen Im Sommer 2013 ergriffen die Wild Wings die Chance und kauften die Lizenz der Hannover Scor- pions, die sich freiwillig aus der Liga zurückzogen. Der SERC geht mit einem Etat von 4,2 Millionen Euro in die Saison. „Was das Sponsoring und den Dauerkartenverkauf angeht, sind wir sehr zufrie- den“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Thomas Burger. Absteigen kann der SERC aus der Bundesliga ja aus den bekannten Gründen nicht, aber dennoch hoffen die Mannschaft und ihre Fans darauf, dass am Schluss der Saison ein erfreuliches Ergebnis präsentiert werden kann. So wie gegen die Augsburger Panther (Foto) wird es jedenfalls eher selten ausgehen: Die Schwenninger siegten zur Freu- de von Trainer Stefan Mair und ihren Fans mit 8:0. Foto: Michael Kienzler 295 295

Sport Funpark Schonach – Akrobatik pur Tolle Skiakrobatik bieten jugendliche Freaks im Funpark Schonach. Der Funpark besteht aus sechs Hindernissen: In der Kids­Line (Bereich für ganz junge Skifahrer) befindet sich eine Butter­ Box zum Auf­ und Abspringen sowie eine Rain­ bow­Wellenbahn zum Darüberfahren. In der Main­Line (Bereich für alle Altersgruppen mit höheren Ansprüchen) gibt es eine Tube, eine Double Rail, eine Butter­Box­Pro (rechts oben) und für höchste Ansprüche die Industry­Flat (rechts unten). Alle Geräte können mit Skiern oder Snowboard befahren werden. Sprünge wie der auf dem großen Bild werden über die große Schanze, den Kicker, gesprungen (Bild rechts Mitte). Fotos: Wilfried Dold 296 296

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Sport 298 298

Motocross Bräunlingen Segelfliegen in Blumberg – Die Stadt am Eichberg bietet einzigartige Panoramen Luftsportverein 1957 gegründet – Standort des Fördervereins Segelkunstflug Ein Segelflieger gleitet unten links auf der Suche nach Aufwind am herbstlich eingefärbten Buchberg entlang. Links oben ist Achdorf zu sehen, in der Ferne dahinter Aselfingen. Oben rechts ein kleiner, west- licher Zipfel von Blumberg. Foto: Wilfried Dold 299

Sport Vom Panorama über Blumberg schwärmt Segelflieger Albert Heerwagen jedes Mal aufs Neue. Im Norden reicht die Sicht bis zur Hornisgrinde, dem höchsten Berg im Nord- schwarzwald, im Osten bis zum 70 Kilometer entfernten Bussen, dem bekannten Wallfahrtsberg in Oberschwaben, und im Westen bis zu den Vogesen. Im Süden sieht er fast die gesamten deutschen und schweizerischen Alpen, von der Zugspitze bis zu den Eisriesen Eiger, Mönch und Jungfrau im Berner Oberland. Und in der Mitte über dem Bodensee erhebt sich majestätisch der Säntis mit den sieben Churfirsten. „Man hat eine unheimliche Fernsicht, gerade im Herbst und im Frühjahr“, schildert Heerwagen. Ihm, der im Januar 2014 seinen 75. Geburtstag feiert, ist maßgeblich zu verdanken, dass in Blumberg Segelflieger ein Domizil haben, das auch Luftsportfreunde aus ganz Deutschland und aus benachbarten Ländern schätzen. Albert Heerwagen zählt zu den Gründungsmitgliedern des 1957 ins Leben gerufenen Luftsportvereins Blumberg, mit rund 40 Mitgliedern ein kleiner aber rühriger Verein. von Bernhard Lutz Es war fast schon ein Zufall, dass er zum Segel- fliegen kam, macht der Gesprächspartner deut- lich. „Ich war Modellflieger“, seine Modelle ließ er im Eichbergdobel fliegen, das war der damals noch unbewaldete Bereich unterhalb des Eich- bergstutzes, wo heute die Drachenflieger ihre Abflugrampe haben. Eines Tages blieb ein Modell von Albert Heerwagen oben in einem Baum hän- gen. Da kam ein Spaziergänger vorbei, es ent- stand ein Gespräch. Der Mann war Walter Keller- meier, „der sagte, hier wäre eine tolle Gegend für Segelflug“, weiß Albert Heerwagen heute noch, als wäre es erst gestern gewesen. Sie suchten nach Gleichgesinnten, und es fanden sich eine kleine Anzahl junger flugbegeisteter Blumberger sowie einige ältere Flieger, die am 17. März 1957 im Hotel „Krone“ in Blumberg den Luftsportver- 300 Großes Interesse herrscht stets am Schnuppertag der Blumberger Segelflieger (links). Rechts: Früh übt sich, zur Zeit hat der Verein drei Flugschüler. ein Blumberg aus der Taufe hoben. Zum ersten Vereinsvorsitzenden wählten die Anwesenden den Flugkapitän Karlheinz B. Kin dermann. Wal- ter Kellermeier „war unser erster Fluglehrer“, be- richtet Albert Heerwagen. Die Anfänge waren mühsam. In Blumberg fehlte es an allem, um den Flugsport ausüben zu können, heißt es in der Chronik zum 50-jährigen Vereinsjubiläum, einer der Quellen für den Be- richt. „Um eine finanzielle Grundlage zu schaf- fen, wurden unter großem persönlichen Einsatz unter anderem Altmaterialsammlungen durch- geführt“, so die Chronik. Mit den Einnahmen konnte bereits 1957 das erste Segelflugzeug an-

geschafft werden: ein Doppelrab V. Zum Fliegen fuhren die Segelflugfreunde nach Donaueschin- gen, auf den Bohlhof oder auf das Klippeneck bei Spaichingen: „Meistens fuhren wir mit dem Fahr- rad“, schmunzelt Albert Heerwagen. 1960 den Flughafen in Betrieb genommen Parallel dazu bemühten sich die Flugbegeister- ten um ein eigenes Fluggelände, das man im Zoll- hausried fand. „Nachdem 1958 durch Adolf Böh- me die ersten Probestarts und Landungen durch- geführt wurden, gelang es nicht zuletzt durch große und nachhaltige Unterstützung des dama- ligen Bürgermeisters Karl-Wilhelm Schmidt, einen Pachtvertrag abzuschließen“, berichtet die Chro- nik. Gleichzeitig bemühte man sich, die Geneh- Anflug auf den Flughafen Blumberg, auf dem am 10. Juli 1960 der erste offizielle Start eines Segelflug- zeuges stattfand. migung als Segelfluggelände zu bekommen. Die- se wurde noch im selben Jahr durch das Regie- rungspräsidium Freiburg erteilt, und am 10. Juli 1960 wurde der erste offizielle Segelflugstart durchgeführt. 1960 /61 wurde mit der Planung und dem Bau einer Flugzeughalle begonnen. Noch 1961 wurde die Halle fertiggestellt. Stefan Scherer war 1964 in den Luftsportver- ein eingetreten, als der Verein gerade in einer Krise steckte. Er gehörte neben Männern wie Al- bert Heerwagen, Leonhard Treinen, Flugkapitän Kindermann und Walter Kellermeier zu den Mo- toren für den Aufwind des Clubs. Bereits im April 301

Sport Der Ehrenvorsitzende Stefan Scherer (links) und Grün- dungsmitglied Albert Heerwagen vor dem Motorsegler. 1964 wurde der erste Flugtag durchgeführt. Es war der Auftakt einer Reihe von Veranstaltun- gen, die dank guter Kontakte und rühriger Ver- einsmitgliedern überregionales Aufsehen er- langten. Mit dem Reinerlös konnte ein zweites Schulungsflugzeug, die KA II, in Freiburg gekauft werden. 1965/66 fand ein internationales Fallschirm- springen statt. 1967/68 folgte der Bau des Club- heims mit Werkstatt und Büro der Flugleitung. Das Projekt konnte dank großer Unterstützung des Gemeinderates, allen voran der damalige Bürgermeister Werner Gerber, verwirklicht wer- den. Wochenlang waren die Aktiven nach Feier- abend oder samstags auf dem Eichberg, um das Windbruchholz nach dem schweren Sturm von 1967 herauszuschleifen und als Bauholz verarbei- ten zu lassen. Allein für die Wasser- und Strom- versorgung mussten Leitungen von über 1.000 m Länge verlegt werden. 1968 wird eine KA 7 als weiterer Schulungs- doppelsitzer erworben. 1969 folgt die Ausrich- tung der zweiten Baden-Württembergischen Meis- terschaften im Fallschirmspringen. Mit dem Kauf des ersten Leistungs-Einsitzers KA 6 und der neuen Winde, reichte der Platz in der alten Halle nicht mehr und es wurde in den 302 Jahren 1970 bis 1973 der Bau einer neuen großen Halle geplant. Beim Bau der neuen Halle mit 35 auf 15 m wurden wieder fast alle Arbeiten von den Mitgliedern selbst ausgeführt. Auch der Ge- meinderat setzte sich sehr stark für die Belange des Luftsportvereines ein. Die Stadt Blumberg erwirbt das Gelände Von größter Bedeutung war, dass die Stadt Blum- berg das gesamte Segelfluggelände 1973 von den Fürsten zu Fürstenberg erwerben konnte. Der Verein hatte damit eine feste Bleibe gefunden, es konnte für die Zukunft geplant werden. Ein weiterer wichtiger Schritt war 1977 die Umwandlung des Segelfluggeländes zum „Son- derlandeplatz Blumberg“. 1981 folgte der Bau einer neuen Halle. Höhepunkte waren die Blumberger Flugtage 1985 und 1987, die bis zu 30.000 Zuschauer an- zogen. Die Besucher erlebten die ganze Band- breite an Flugzeugen, von Oldtimern wie dem Fieseler Storch oder der Ju 52 bis hin zur briti- schen Jet-Staffel Red Arrows. „Die Blumberger Flugtage waren die wichtigste luftsportliche Ver- anstaltung im süddeutschen Raum“, sagt Stefan Scherer stolz. Das Erfolgsgeheimnis der Flugtage war, dass drei Tage lang Leben herrschte. Die Piloten reis-

ten schon am Freitag an, flogen bereits erste Run den, und blieben bis Sonntag. Um das Ganze finanziell stemmen zu können, schuf Stefan Scherer das Handwerkervesper am Freitagnach- mittag. „Mit dem Erlös des Handwerkervespers konnte man einen Teil der Unkosten decken.“ Das Handwerkervesper war das erste seiner Art in der Region, versichern Scherer und Heerwa- gen. Heute ist dies bei vielen Vereinsjubiläen ein fester Bestandteil, meist am Montag zum Ab- schluss. Mit diesem Mannschaftsgeist und ihrer Liebe zum Fliegen bauten die Mitglieder auch ihr eige- Oldtimer-Fluglager am Flugplatz in Blumberg – Blick ins Cockpit Montage der Flügel. Ein Segelflugzeug ist immer auch eine Art „Bausatz“, das macht es mobil, erfordert aber auch viel Sorgfalt. nes, schmuckes Vereinsheim und einen eigenen Tower. Segelflieger aus ganz Deutschland kommen Die Aktivitäten des Vereins wirken anziehend. Nach dem letzten großen Flugtag 1997 kam der damals 17-jährige Alexander Geisser aus dem Nachbarort Aulfingen dazu. Schon beim Flugtag half er ehrenamtlich mit, dabei bekam er Lust, selbst einmal in die Luft zu steigen und am Steuer eines Segelflugzeugs zu sitzen. Die ganze prakti- sche und theoretische Ausbildung bekam er beim Luftsportverein. Das gute Miteinander im Verein bewog ihn, sich noch mehr zu engagieren, er übernahm Verantwortung. Inzwischen ist er seit acht Jahren 2. Vorsitzender, das Amt mache ihm immer noch Spaß. Das schöne Gelände im Aitrachtal zieht Se- gelflugfreunde aus ganz Deutschland und be- nachbarten Ländern wie der Schweiz oder den Niederlanden an. Sie schlagen in Blumberg ihre Fluglager auf. „Manche Freunde kommen schon seit 20 Jahren“, berichtet der 2. Vorsitzende Ale- xander Geisser, der für die Organisation zustän- 303

Sport Start mit Hilfe der Seilwinde. dig ist. Längst entstanden daraus natürlich auch Freundschaften zwischen den Vereinen und zwi- schen den Mitgliedern. Die Fluglagergäste über- nachten entweder in eigenen Wohnmobilen auf dem Flugplatz, auf einem Wohnmobilplatz in Blumberg oder in Pensionen und Hotels. Großen Zuspruch erhalten stets auch die Oldtimer-Tref- fen. An der Stadt am Eichberg, so versichert Alex- ander Geisser, schätzen die Gäste, dass sie auch bei schlechtem Wetter, wenn Segelflugstarts un- möglich sind, gute Angebote in und um Blum- berg herum haben. Speziell den jugendlichen Gästen gefalle das idyllisch gelegene Panorama- bad, das sie dank Kurtaxe günstig nutzen kön- nen. Eine Verlockung für die ganze Familie ist natürlich die Sauschwänzlebahn. Förderverein Segelkunstflug Wegen seiner guten Lage und der guten Infra- struktur ist der Sonderlandeplatz Blumberg bei Segel- und bei Motorflugfreunden beliebt. So ist Blumberg der Standort des Fördervereins Segel- 304 kunstflug. Der dem baden-württembergischen Luftfahrtverband angeschlossene Förderverein habe über 1.000 Mitglieder in ganz Europa, schil- dert Albert Heerwagen. In Blumberg ist jedes Jahr Ende September ein einwöchiger Lehrgang. Blumberg ist auch Standort des Vereins zur För- derung von Historischem Fluggerät (Quax) mit Hauptsitz Paderborn, sagt Eberhard Kölzer stolz. Wichtig ist dem Blumberger Luftsportverein die Nachwuchswerbung. Jedes Jahr werden Schnupperwochenenden angeboten. Die Teil- nehmer können in einem Bettenlager, das die Vereinsmitglieder extra für solche Anlässe ge- schaffen haben, übernachten. Zurzeit hat der Verein drei Flugschüler, zwei Jungen und ein Mädchen. Der Vorsitzende Detlef Greitmann ist seit 1980 Mitglied im Luftsportverein Blumberg. Mit 14 Jahren begann er mit dem Fliegen, inspiriert von einem Onkel in Bayern, der Segelflieger war. Detlef Greitmann flog auch einige internationale Wettbewerbe wie am Klippeneck. „Schön waren die Wandersegelflüge zu dritt“: Zwei Kameraden flogen im Doppelsitzer, ein dritter fuhr mit dem Auto samt Anhänger hinterher. Dabei zog es das Team stets „dorthin, wo das Wetter gut war.“ Was wünscht sich der Vorsitzende jetzt: „Ich würde gerne wieder einmal einen Wettbewerb fliegen.“

16. Kapitel Gastlichkeit Bodenständigkeit, die schmeckt! Michael Widlowski­Küfer setzt im Villinger „Restaurant am Pulvertürmle“ mit großem Erfolg auf Qualität, Tradition und ehrliches Handwerk von Philipp Jauch Wenn Michael Widlowski- Küfer zum Essen geht, dann am liebsten in einen Land- gasthof. Er mag das Boden- ständige, die ehrliche, „handwerkliche“ Küche, bei der Geschmack im Vorder- grund steht, nicht Präsenta- tion. Dieses Konzept verfolgt der 41-Jährige auch im Res- taurant „Am Pulvertürmle“, der Villinger Traditionsgast- stätte, die er seit Februar 2009 betreibt. Betritt man das Lokal in der Gerberstraße inmitten der historischen Altstadt, kom- men leicht nostalgische Ge- fühle auf. Die Fenster aus Bleiglas, geziert von Wappen aus der Geschichte Villin- gens, stammen aus den 1950er-Jahren, als das „Pul- vertürmle“ noch Germania hieß; die braune Holzvertä- felung im Gastraum wurde in den 1980er-Jahren ange- bracht; die handgemachten Stühle stehen schon Jahr- zehnte hier. Sie hat der Wirt teuer aufpolstern lassen, an- statt neue, günstigere Sitz- gelegenheiten zu kaufen. „Ich bin ein Freund von Tradi- tionshäusern“, sagt Widlowski-Küfer. „Das Alte muss man doch nicht alles verdrängen.“ Diese Grundhaltung spürt man im „Pulver- türmle“. Der Gastronom, der schon mit Promi- Koch Ralf Zacherl am Herd stand, kennt die Trends der Branche und lässt sich den- noch nicht von ihnen leiten. Anstatt angesagte, moderne Einrichtungskonzepte um- zusetzen, möchte er den ur- sprünglichen Charakter der Wirtschaft erhalten. „Als ich vor mehr als vier Jahren hier angefangen habe, sah es eigentlich schon genauso aus wie heute. Nur der The- kenbereich ist neu. Wir ha- ben eine Lounge geschaffen, in der die Gäste gemütlich sitzen und etwas trinken können.“ Widlowski-Küfer möch- te, dass sich die Menschen bei ihm wohlfühlen – und er will mitten unter ihnen sein. „Wann immer ich Zeit habe, geh’ ich raus aus der Küche und suche den Kontakt zu den Gästen. Schließlich wol- len sie wissen, wer hinter dem Essen steht. Und ich freue mich über das direkte Feedback, ob sie mit dem Service zufrieden sind oder etwas vielleicht auch einmal nicht so gut geklappt hat. Da möchte ich schon die Wahr- heit hören.“ Im „Restaurant am Pulvertürmle“, in der Villinger Altstadt gelegen, wird durch Michael Widlowski-Küfer exzellent boden- ständig und ideenreich gekocht. Beschwerden sind selten. Der Chef trifft den Geschmack der Kundschaft, die längst schon aus dem weiteren Umkreis nach Villingen kommt, um die gutbürgerliche Küche zu genießen. „Gut- 305

rostbraten und das Wiener Schnitzel. „Wenn du diese bo- denständige Arbeit ordentlich und sauber durchführst, dann ist das ein ewiger Trend.“ Als Koch schnell erfolgreich Gut zu kochen ist das eine, er- folgreich ein Restaurant zu füh- ren etwas anderes. Diese Erfah- rung hat auch Michael Widlow- ski-Küfer gemacht. Schon ein- mal hatte er den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt, da- mals im Alter von 24 Jahren. Vol- ler Tatendrang, mit einer großen Begabung fürs Kochen, aber oh- ne betriebswirtschaftliche Er- fahrung musste er seine Gast- stätte in Vöhringen nach sechs Jahren schließen. Gerade einmal Anfang 30, drehte er die Uhren zu- rück auf Null: Er stand im Planet Sports in Schwen- ningen hinter der Theke, machte „Front Cooking“ im Szenario in Donaueschingen, kochte in Villin- gen im renommierten Kapuziner Hof ebenso wie im Gasthaus Ott. Als Koch machte er sich einen Namen. Schnell sprach sich herum, dass er etwas von seinem Handwerk versteht. Das blieb auch Ingeborg Schrade, der Besitzerin des „Restaurants am Michael Widlowski-Küfer Gastlichkeit bürgerlich, das war für mich früher fast schon ein Schimpf- wort“, sagt Widlowski-Küfer, „aber mittlerweile ist das Bo- denständige zum Markenpro- dukt geworden.“ Wohl auch deshalb, weil im „Pulvertürm- le“ auf frische Erzeugnisse aus der Region viel Wert gelegt wird. Frische, regionale Küche – das ist für Michael Widlow- ski-Küfer kein Werbespruch, sondern Überzeugung. Das Ge- müse kauft er in einem Villin- ger Betrieb; zum Fleischgroß- händler pflegt er seit langem persönlichen Kontakt. Nur so könne er sicher sein, dass die Qualität der Ware stimme. „Das Bild, das man im Fernse- hen gezeigt bekommt, ist gut für die Geschichte, entspricht aber nicht der Realität“, sagt Widlow- ski-Küfer. „Wie Tim Mälzer jeden Morgen auf den Markt zu gehen und die Zutaten für den Tag zu kaufen, dazu bleibt doch gar keine Zeit. Deshalb ist es so wichtig, dass ich mich auf meine Liefe- ranten verlassen kann – gerade, weil ich mit dem Slogan ‚regional’ etwas verbinden will.“ Hochwertige Lebensmittel sind allerdings nur die Grundlage dessen, was Michael Widlow- ski-Küfer und seine drei Köche im „Pulvertürm- le“ darreichen. Entscheidend ist, was man daraus macht. Hierbei gilt im Schwarzwald- Baar-Kreis eine einfache For- mel: „Man muss ausreichend Ware auf dem Teller haben, selbstverständlich gut produ- ziert – und das Ganze zu einem vernünftigen Preis.“ Bei der Zusammenstellung der Spei- sekarte hat er ganz bewusst auf allzu große Experimente verzichtet. Die Menschen, die zu ihm kommen, suchen nicht das Ausgefallene, sie schätzen das Bewährte – den Zwiebel- 306 Das „Pulvertürmle“ bietet ein traditionell-festliches Ambiente.

Pulvertürmle Villingen vorhanden sein. Im Gast- raum des „Pulvertürmle“ finden 40 Personen Platz, im Kaminzimmer noch ein- mal 60. Hinzu kommt die schön gestaltete Außenter- rasse für 40 Gäste. „Diese Aufteilung ist sehr wichtig. Sie ermöglicht es, zusätzlich zum normalen Restaurant- betrieb Feste wie Hochzei- ten, Geburtstage, Konfir- mationen und Weihnachtsfeiern auszurichten, und die Gäste bei schönem Wetter im Freien zu bewirten.“ Dabei setzt Widlowski-Küfer auf Zurückhal- tung und Bescheidenheit. Er möchte mit Qualität überzeugen, nicht mit Show. „Selbstverständlich öffne ich dem Gast gerne die Weinflasche und schenke nach. Zwei Kellner an einem Vierertisch, die den Wein dreimal dekantieren, sucht man bei mir allerdings vergebens.“ Diese zurückhaltende, höfliche Art kommt an. Viele Villinger sind längst Stammgäste im „Pulvertürmle“, ganze Büroge- meinschaften treffen sich hier regelmäßig zum Mittagessen. Michael Widlowski-Küfer will noch lange bleiben. Gerade erst hat er eine neue Küche ein- bauen lassen – und dabei mehr auf Bewährtes, denn auf Innovation gesetzt: Es gibt einen Back- ofen, eine Fritteuse und einen sechs-flammigen Gasherd statt Induktionsfeld. Damit, sagt er, gehe das Kochgefühl verloren. „Und ich bin ein Gefühlsmensch – ein Gefühlskoch durch und durch.“ Frisch aus der Küche: Garnelen à la Michael Widlowski-Küfer. Pulvertürmle“ nicht verbor- gen. Als ihr Lokal leer stand, bot sie es Widlowski-Küfer zur Pacht an. „Da ich sehr heimatverbunden bin und mir ein Lokal innerhalb der Stadtmauern von Villingen gut vorstellen konnte, ging alles ganz schnell. 14 Ta- ge später war der Vertrag unterschrieben.“ Rückblickend hat viel- leicht gerade das frühere Scheitern dazu geführt, dass das „Pulvertürmle“ nicht nur kulinarisch eine hervorragende Adresse ist, sondern ein so- lide geführtes Haus, dessen 143 Jahre alte Tra- dition der gebürtige Villinger nun in verantwor- tungsvoller Weise fortsetzt. Geschäftsmann mit feinem Gaumen Aus dem Koch von damals ist ein Gastronom ge- worden; ein Geschäftsmann mit feinem Gaumen und dem nötigen Geschick, das Wünschenswerte mit dem Machbaren zu verbinden. „Es genügt nicht, Lust aufs Kochen zu haben“, sagt Widlow- ski-Küfer, „man muss das Ganze auch wirtschaft- lich umsetzen können.“ „Das beginnt schon mit der Pacht. Die darf maximal zehn Prozent des Gesamtumsatzes be- tragen, sonst ist der Betrieb bei ständig steigen- den Lebensmittelpreisen, hohen Energiekosten und einem personalintensiven Geschäft nicht langfristig möglich.“ Hier habe er mit Verpäch- terin Schrade großes Glück, sagt Widlowski-Küfer. „Sie sieht, dass ich ein anständi- ger Wirt bin, und ist bereit, vieles zu tun. Wir arbeiten wirklich Hand in Hand. Die- ses gute Verhältnis ist nicht selbstverständlich.“ Um am Markt zu be- stehen, genügt es jedoch nicht, die Kosten im Blick zu behalten, auch die Um- satzmöglichkeiten müssen An warmen Tagen begehrt sind die Sitzplätze „an der Stadtmauer“. 307

Gastlichkeit Mediterrane Weinerlebnisse Wo der Großvater eine Landwirtschaft betrieb, eröffnet Enkel Thomas Liebert am Sennhof­ platz in der Hüfinger Altstadt eine Enoteca von Christina Nack Wo früher der Großvater eine Landwirtschaft be- trieb, um seine Familie zu ernähren, werden heu- te Gäste nach allen Regeln der Baaremer Gast- lichkeit verwöhnt – die hier eine unvergleichliche Symbiose mit mediterraner Lebenskultur ein- geht. In dem markanten Gebäude mitten in Hü- fingens Altstadt hat Thomas Liebert einen lang gehegten Traum verwirklicht: Er hat den ehema- ligen Hof in eine Enoteca verwandelt, wie die Kombination aus Weinhandel, Feinkostgeschäft und Gastronomie in südlichen Gefilden genannt wird. Ausgedehnte Reisen in die warmen Wein- Regionen rund ums Mittelmeer haben den Wein- kenner dazu inspiriert, seinem Elternhaus zu neuer Sinngebung zu verhelfen. Während der letztjährigen Hüfinger Keramikwochen wurde die Enoteca & Tapasbar Bel Nini eröffnet und eta- blierte sich schnell als charmante Stätte für Le- bens- und Kulturgenuss mit allen Sinnen. Mediterranes Flair in historischem Gemäuer Mitten in der Hüfinger Altstadt eröffnete Thomas Lie- bert eine „Enoteca“. Engagierte Wirtin ist Wera Roßhart. Mit ihrem sonnigen Terracotta-Rot versprüht schon die Fassade mediterranes Flair und diese warme Ausstrahlung setzt sich innen fort. Der Gastronomiebereich dehnt sich auf drei Ebenen in der ehemaligen Scheune aus, die ihren ur- sprünglichen Charakter vor allem in einem nach oben offenen Trakt preisgibt. Beeindruckende neun Meter beträgt die Raumhöhe. Beim Blick nach oben ins alte Dachgebälk stellen sich un- willkürlich Assoziationen von duftendem Heu und muhenden Kühen ein. „Bel Nini“ klingt wie eine temperamentvolle Liebkosung und ist es auch in mehrfacher Hin- sicht. Tochter Alina inspirierte zur Namensge- bung für ein historisches Gemäuer, an dem das Herz der gesamten Familie hängt. „Ich bin hier 308 groß geworden und kenne jeden Winkel“, lässt Thomas Liebert die innige Beziehung erahnen, die ihn mit der mehrfach umgebauten Gebäude- persönlichkeit verbindet. Die ältesten Teile sind um das Jahr 1630 her- um datiert und wurden bei der umfassenden Sa- nierung mit besonderer Andacht behandelt. Das Anwesen ist denkmalgeschützt, Renovierung und Modernisierung mussten also den strengen Anforderungen an Authentizität genügen. Das war eine große Herausforderung, doch genau da- rin sah der Bauherr den besonderen Reiz. Die Räume wurden mit viel Feingefühl und Respekt vor der Vergangenheit saniert; Baumaterialien

Enoteca Hüfingen Blick zur „Enoteca“, die am idyllischen Hüfinger Senn- hofplatz liegt. und Mobiliar mit viel Gespür für die Vereinbar- keit von zeitgemäßem Komfort mit geschichtli- cher Reminiszenz ausgewählt. Das Ergebnis begeistert schon von außen – die Enoteca & Tapasbar Bel Nini ist ein architek- tonisches Kleinod und zweifellos eine städtebau- liche Aufwertung des idyllischen Sennhofplat- Im Erdgeschoss laden stilvolle Sitzgruppen zum Ver- weilen und Verkosten edler Weine ein. zes. Die alte Toreinfahrt wurde als einladendes Eingangsportal gestaltet, durch das die Gäste in eine eigene Welt gelangen. Im Erdgeschoss laden stilvolle Sitzgruppen zum Verweilen und zum Verkosten eines edlen Tropfens ein – das imposante Weinregal enthält Weine aus allen Anbaugebieten der Welt. Im ers- ten Obergeschoss erlaubt ein Fensterplatz an der trutzigen Steinmauer einen großartigen Panora- mablick auf die Hüfinger Altstadt. Das wortge- treue Highlight im zweiten Obergeschoss ist die Whisky- und Zigarren-Lounge mit überdachtem Sommerfreisitz. 309

Gastlichkeit Das Ambiente der Enoteca ist geradezu prädestiniert für Ausstellungen oder private Feste – edel gemütlich! Um sich mit seiner neuen Rolle als Gastgeber nicht nur zu identifizieren, sondern sie auch qua- lifiziert ausfüllen zu können, bildete sich Thomas Liebert gastronomisch fort. In Wera Roßhart fand der hauptberufliche Ingenieur eine ideale Ge- schäftsführerin und Wirtin, die mit ihrer Kreativi- tät und Tatkraft in der Küche und am Tresen einen großen Anteil am Erfolg der Enoteca & Ta- pasbar Bel Nini hat. Wenn Thomas Liebert auf Reisen geht, sind kleine, feine Weingüter in Südeuropa seine Lieb- lingsziele. Dort probiert er die Weine, von denen sich manche einen Platz auf der Karte in Hü- fingen erobern. Die Gäste ha- ben reiche Auswahl aus 150 Weinen aus der ganzen Welt, die auch für den Privatgenuss daheim gekauft werden kön- nen. Wer sich nicht entscheiden kann, lässt sich gern vom lei- denschaftlichen Weinliebhaber beraten. Zu ei nem Glas Wein in der Enoteca Bel Nini werden gern hausgemachte Tapas ge- reicht, kleine, schmackhafte Zwischengerichte, die originär 310 aus Spanien kommen und das Urlaubsgefühl unterstreichen. Wera Roßhart und ihr Team be- reiten Tapas in rund 50 Varianten, die wöchent- lich wechseln. Das kulinarische Angebot wird durch deftige Spareribs und leckere Fisch- und Fleischgerichte der mediterranen Küche ergänzt. Das Ambiente der Enoteca Bel Nini ist prädes- tiniert für Kunstausstellungen, Degustationen und private Feste. Ausstellungen mit regional und überregional bekannten Künstlern erfreuen sich großer Beliebtheit; das gilt auch für Semina- re, bei denen erfahrene Sommeliers und Winzer Wissenswertes rund um Weine und Whiskys ver- mitteln. Und wer ein Fest feiern will und dafür einen exquisiten Rahmen sucht, der ist mit der Enoteca Bel Nini bes- tens beraten: Für Festivitäten jeder Art können das gesamte Restau- rant oder auch Teilbereiche gemie- tet werden. Ein Gast: „Die Eröff- nung der Enoteca ist das Beste, was Hüfingen passieren konnte. Das Essen, die Weine, das sympathi- sche Personal – alles ist hier per- fekt.“ Tapas in 50 Variationen, Spareribs und leckere Fisch- und Fleischgerichte gibt es in der Enoteca.

17. Kapitel Musik Rolf Langenbach Musiker und Komponist Rolf Langenbach Vom Cello zur Gitarre, von Hendrix zum Musical – Der Furtwanger Musiker Rolf Langenbach ist ein Ausnahmetalent von Matthias Winter Er ist zweifellos ein musikalisches Ausnahmeta- lent: Rolf Langenbach aus Furtwangen. Gitarrist, Mitglied der Formation Bluesquamperfect (BQP) und Musicalkomponist in einem. Und das nicht einmal im Hauptberuf – denn Rolf Langenbach ist Realschullehrer am Furtwanger Otto-Hahn- Gymnasium mit Realschulzug. Übrigens nicht für Musik, wie man denken könnte, sondern für Sport und Englisch. Falsch liegt auch, wer annimmt, Rolf Langenbach (er ist Jahrgang 1960) sei gleichsam mit der Gitar- re zur Welt gekommen. Tatsächlich wollten die Eltern dem Kind eine musikalische Ausbildung zukommen lassen. Doch dann entschied sich Rolf Langenbach für Cello-Unterricht. „Ich habe ge- dacht, ein Cello ist doch ganz schön, aber es war nicht mein Ding.“ Der Unterricht wurde wieder aufgegeben. Und somit schien es mit der Musik fast schon gelaufen zu sein. Dem Vater war das nicht unrecht, denn er hoffte, dass Rolf in seinem Einzelhandelsgeschäft mithelfen und es viel- leicht auch einmal übernehmen würde. Die rich- tige Intuition hatte allerdings Patentante Edel- traud Stadelhofer aus Schönwald: Sie schenkte dem Jungen eine Gitarre. Doch die stand erst einmal längere Zeit in der Ecke. Nach dem Besuch der Friedrichschule (Grundschule) wechselte Rolf Langenbach auf das Otto-Hahn-Gymnasium, das war damals noch am Ilben untergebracht, wo sich heute Werkreal- und Anne-Frank-Grundschule befin- den. In der 5. oder 6. Klasse formierte sich eine Klassenband, „All“ genannt, für die sich auch Langenbach interessierte. Walter Herrmann aus Vöhrenbach, ein Klas- senkamerad, zeigte ihm die ersten Griffe auf der Gitarre, die sich nun als nützliches Geschenk er- wies. Und Rolf lernte schnell. Gespielt wurde, Rolf Langenbach was damals in den Charts war, und Rolf Langen- bach kaufte sich jene kleinen Heftchen, die es damals gab, mit fünf oder sechs Hits und den entsprechenden Griffen. Die Beatles standen an oder Rock ‚n‘ Roll. Aber auch bei der KJG, der Katholischen jungen Gemeinde, war Rolf Lan- genbach engagiert. Hier wurde viel gesungen, vor allem auf Ausflügen, vorwiegend nach der „Mund orgel“, Gitarrenbegleitung war stets will- kommen. 311

Musik Über den Blues zu Hendrix und Clapton Zum Blues kam Langenbach über Norbert Klaus- mann, der sehr gut singen und begleiten konnte, und ihm die speziellen Effekte auf der E-Gitarre zeigte. Eine tolle Erfahrung, nun konnte es an Jimi Hendrix, Eric Clapton oder Johnny Winter gehen. Es wurde viel gemeinsam musiziert und daraus entwickelt sich die Formation „Labvo“ (Langenbach, Bausch, Volk). Es gab verschiedene Projekte, gelegentlich wurde zur Disco gespielt – und manchmal sang Andrea Klausmann mit, später die Lebenspartnerin Langenbachs und selbst begeisterte Sängerin und Musikerin. Mitte der 1970-er Jahre gab es auch die „Sun-Ground- Combo“, in der Langenbach mitspielte. Bald stieß auch Eugen Przybulla zu den Mu- sikern hinzu, er brachte den Funk nach Furtwan- gen. Und die Band Abakus wurde gegründet, „Funk und Blues mit Abakus“, hieß der Werbe- spruch damals. Auch Matthias Schuler engagier- te sich in der Band, später stießen Norbert Klaus- mann und Uli Aydt aus Villingen hinzu. Parallel entstand ein viel gefragtes Duo, näm- lich „Rolf Royce und Jolly Rolly“. Das waren Rolf Langenbach und Roland Klausmann, die im ge- samten Schwarzwald-Baar-Kreis und auch darü- ber hinaus auftraten und sehr erfolgreich waren. Bis Roland Klausmann sich 1988 Richtung Mün- chen verabschiedete, wo er eine Profikarriere als Musiker begann. Das führte auch bei Abakus zu einem Wech- sel, dafür stieß Jörg Bielefeldt aus Villingen hinzu und Frank Meyer mit dem Keyboard. „Das ging dann eher ins Jazzige“, erinnert sich Rolf Langen- bach. Später löste sich Abakus auf und Rolf Lan- genbach, nun mit Andrea Klausmann liiert, enga- gierte sich bei „Bluesquamperfect“, einer Forma- tion, die nach wie vor erfolgreich ist. Langenbach war hier schon zuvor als Tonmischer tätig. So bedauerlich der Abschied von Roland Klausmann war, hatte er für Rolf Langenbach auch ein Gutes, denn er konnte dessen Job als Gitarrenlehrer bei der Jugendmusikschule über- nehmen. Hier konnte er seine Leidenschaft für die Musik und den Beruf in idealer Weise verbin- den. „Das war für mich ein wichtiges finanzielles Standbein“, erzählt er, denn in beruflicher Hin- 312 sicht hakte es lange Zeit. Und es ist bis heute ein wichtiges Standbein geblieben, denn im Septem- ber 2013 konnte Rolf Langenbach sein 25-jähriges Dienstjubiläum als Lehrer an der Musikschule feiern. „Man kann mehrere Dinge nebeneinander tun“ Nach dem erfolgreichen Abschluss des Wirt- schaftsgymnasiums und nach der Bundeswehr hatte Langenbach ein Studium an der Pädagogi­ schen Hochschule Freiburg aufgenommen. Zwi­ schendurch war er ein Jahr in den USA. „Dort ha­ be ich gelernt, dass es auch möglich ist, mehrere Dinge nebeneinander zu tun.“ Das setzte er nun um, denn parallel zum Studium absolvierte er eine Einzelhandelslehre im elterlichen Geschäft in der Wilhelmstraße, einem Kaufhaus (später wurde der Betrieb verkauft und wechselte als „Kaufhaus Rola“ auf die gegenüberliegende Stra­ ßenseite). Heute befindet sich Schuh­ und Sport Klausmann in den Räumen des einstigen Kauf­ hauses Langenbach. Nach Abschluss des Staatsexamens kam Lan­ genbach als Referendar nach Löffingen. Doch danach ging es nicht weiter. Es war eine Zeit, in der kaum neue Lehrer eingestellt wurden. Neun ganze Jahre stand Rolf Langenbach auf der War­ teliste und war in dieser Zeit für den Verein für Jugendhilfe in Villingen­Schwenningen tätig, aber auch als Nebenlehrer. Natürlich blieb Raum für die Musik. Dann endlich erhielt er eine Stel­ le in Triberg und später konnte er an den Real­ schulzug des Otto­Hahn­Gymnasiums wechseln, wo er bis heute Sport und Englisch unterrichtet, allerdings mit Blick auf sein Musikschul­Engage­ ment nicht mit einem vollen Deputat. Musical „Cats“ eröffnet neue Wege Dass vor einigen Jahren ein ganz neues musika­ lisches Kapitel aufgeschlagen wurde, das hängt mit der Schule zusammen. Am Otto­Hahn­Gym­ nasium war mit Erfolg das Musical „Cats“ auf­ geführt worden. „Danach stellte sich die Frage, was können oder sollen wir noch machen“, er­

Rolf Langenbach Mit Bluesquamperfect auf der Bühne – Rolf Langen- bach mit Lebensgefährtin Andrea Klausmann. innert sich Rolf Langenbach. Etwa acht Lehrer trieb diese Frage um, die Organisation hatte Sportlehrer Martin Schartel übernommen. Doch die zündende Idee fehlte noch. „Da haben wir gesagt, wir können das doch selbst machen“. Es war die Zeit, als die Furtwanger Hochschule ein ferngesteuertes Schiff baute, das auf den Weltmeeren kreuzen sollte. Am Ende scheiterte das Projekt übrigens an seerechtlichen Bestim- mungen. Er solle doch mal einen Song darüber schreiben, hatte BQP-Mitglied Klaus Rimbrecht zu Langenbach gesagt. Nachdem der Song fer- tig war, dachte Langenbach: „Das könnte auch ein Thema für das Musical sein“. Die Idee für das Musical „RelationShip“ war geboren. Die Thematik wurde freilich globalisiert, es ging am Ende nicht mehr nur um das Schiff der Hochschule, sondern auch um Beziehungen von Menschen und ein wenig Fantasy kam hinzu. Und Rolf Langenbach schrieb nicht nur Musik und Songs, sondern auch die Song-Texte. Das RelationShip war ein Riesenerfolg. Das lag aber auch daran, dass die gesamte Schule mitmachte. „Es war eine Teamleistung – und das war auch das Tolle daran“, meint Rolf Langenbach. Ganz Furtwangen erlebte und bejubelt im Mai 2000 die Aufführungen des Musicals, die Vorstellun- gen waren ausverkauft. Und auch seine Eltern waren von der Aufführung begeistert. Einige Zeit danach machte Zeitungsredakteur Peter Bruker, einstiger Klassenkamerad Langen- bachs, mit diesem ein Interview zum Thema Bluesquamperfect. „Wie wäre es, wenn wir ein Musical machen“, schlug er vor. Es sollte auf je- den Fall einen Bezug zur Region haben. Und da schien die Figur von Robert Gerwig, der Erbauer der Schwarzwaldbahn und der erste Leiter der Furtwanger Uhrmacherschule, gerade geeignet. Bruker schrieb den Text, Langenbach sorgte für die Musik. Der Erfolg war enorm, wohl auch, weil das Thema einen Bezug zur gesamten Region hat- te. Das war in den Jahren 2009/2010. Ein Musical über den badischen Revolutionär Friedrich Hecker folgte, dann das Musical „Rose, Mond und Sterne“. Derzeit steht kein konkretes Musicalprojekt an. „Aber ich bin dauernd am Experimentieren und Stückeschreiben“, meint Rolf Langenbach. Und wenn ihn jemand bittet, etwas zu vertonen, sagt er selten nein. Auch bei vielen Veranstaltun- gen, nicht nur mit BQP, wirkt er immer wieder mit, etwa auch bei der Furtwanger Kulturwoche. „Für mich ist das aber kein Stress, sondern Spaß“, meint er. Und auch für etwas Größeres hat er schon wie- der Ideen im Hinterkopf. Das vor über zehn Jah- ren so erfolgreiche Musical RelationShip geht Rolf Langenbach nämlich nicht aus dem Kopf. „Wenn man das professionell angehen würde, hätte es ein riesiges Potenzial“, ist er überzeugt. 313

Magazin Al ma nach-Ma ga zin Schwerer Verlust: No ti zen aus dem Land kreis Bundeskanzlerin Angela Merkel überreicht dem russischen Staats- oberhaupt Wladimir Putin eine Kuckucksuhr der Schonacher Fir- ma Rombach & Haas. Eine Uhr aus Schonach für Staatsoberhaupt Putin Schon bei der Expo 2010 in Schanghai zeigten sich der da- malige Bundespräsident Horst Köhler und andere hohe Politi- ker beeindruckt von der Neu- erscheinung des bekanntesten Zeitmessers der Welt – der Ku- ckucksuhr. Diesen Sommer hat nun Bundeskanzlerin Angela Merkel dem russischen Präsi- dent Wladimir Putin eine Ku- ckucksuhr der Schonacher Fir- ma Rombach & Haas über- reicht. Auch Umweltminister Ale- xander Bonde hat in Beglei- tung von Landrat Sven Hinter- seh, des früheren CDU-Bundes- tagsabgeordneten Siegfried Kauder und Landtagsabgeord- 314 Französische Garnison verlässt Donaueschingen – die Stadt verliert rund 1.800 Einwohner Kurz vor Drucklegung des Alma- nachs wurde bekannt, dass das zur Deutsch-Französischen Bri- gade (DFB) gehörende 110. In- fanterieregiment der französi- schen Armee in Donaueschin- gen aufgelöst wird. Die Entscheidung werde im kommenden Jahr umgesetzt, teilte das Verteidigungsminis- terium in Paris mit. Hintergrund seien die geplanten Einsparun- gen im Verteidigungshaushalt. Betroffen sind nach Angaben einer Sprecherin 827 Soldaten und 150 Zivilangestellte. Insge- samt gehören knapp 4.800 Sol- daten zur Deutsch-Französi- schen Brigade. Bundesverteidigungsminis- ter Thomas de Maizière (CDU) äußerte sich enttäuscht. „Ich bedauere die französische Ent- scheidung“, sagte de Maizière in Berlin. Durch den Beschluss des französischen Verteidi- gungsministeriums zum 110. In- fanterieregiment, das zur Deutsch-Französischen Brigade gehört, werde „der letzte in Deutschland stationierte rein französische Verband aufge- löst“. Das Regiment war seit 1964 in Donaueschingen stationiert und seit 1989 der Deutsch-Fran- zösischen Brigade unterstellt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist zuversichtlich, dass Donaueschingen trotz des Abzugs Garnisonsstadt bleibt. „Da geht viel Kaufkraft ver- loren“, sagt Bürgermeister Kai- ser. Das gelte auch für Villingen- Schwenningen. Dort haben vie- le Soldaten ihre Wohnungen. Außerdem verlieren Ärzte etli- che Patienten und Vereine Mit- glieder – die Stadt ihr französi- sches Flair, betont Kaiser. Szenen wie diese gehören in Donaueschingen der Vergangenheit an: Abschiedsappell zum Abzug der Deutsch-Französischen Brigade in den Kosovo 2007 vor dem Rathaus Donaueschingen im Beisein von Thors- ten Frei, damals Oberbürgermeister der Stadt, jetzt Mitglied des Deut- schen Bundestages.

neten Karl Rombach (CDU) die Schonacher Traditionsfirma be- sucht. „Die Kuckucksuhr ist das Symbol des Schwarzwaldes schlechthin, wie das entstaubt werden konnte“, wollte der Landesminister vor Ort sehen. Daniela Martin schafft einen neuen Weltrekord Begeistert zählten die Zuschau- er am 4. September 2013 wäh- rend des Weltrekordversuches von Daniela Martin in Konstanz mit: Die 20-jährige Auszubilden- de aus Tuningen schraubte mit ihrem Gleitschirm die bisherige Bestmarke von 27 sogenannter Infinity Tumblings (Vorwärts- loopings) auf 50 hoch. „Waaaahnsinn“ lautete für Minuten der einzige Kommen- tar der jungen Pilotin. Infinity Tumblings gelten als die Königs- disziplin im Acro-Fliegen, denn sie erfordern allerhöchstes flie- gerisches Können. Willy Todt verstorben Sein Vater hat den Almanach, das Jahrbuch des Schwarz- wald-Baar-Kreises, mit aufge- baut – Willy Todt, früherer In- haber der gleichnamigen Dru- ckerei in VS-Villingen, hat diese Tradition fortgeführt und auch engagiert in der Redaktion des Jahrbuches mitgear beitet. 2012 wurde Willy Todt aus der Almanach-Redaktion ver- abschiedet, nun ist er erst 72-jährig im Oktober 2013 ver- storben. Anhang Tausende Zuschauer säumten beim Festzug zum 52. Kreiserntedank- fest in Bräunlingen die Straßen, an dem sich 28 Landjugend-Gruppen beteiligten. Die Landjugend setzte sich kritisch mit dem Thema „Der Traum vom ewigen Wachstum“ auseinander. Das Foto zeigt die Landjugend Dauchingen, die mit ihrem Themenwagen „Unser Schiff auf Wachstumskurs“ den ersten Platz belegte. Anton Knapp und Robert Strum berger im Amt bestätigt Mit einem überzeugenden Vo- tum wählten die Hüfinger An- ton Knapp am 9. Dezember 2012 in die vierte Amtsperiode. Mit 94,97 Prozent holte der 64-jäh- rige Amtsinhaber ein her vor ra- gendes Wahlergebnis. Anton Knapp kann bis zum 68. Lebens- jahr im Amt bleiben. Souverän siegte auch Robert Strumberger in Vöhrenbach. Er wurde am 22. September 2013 mit 87,9 Prozent der Stimmen zum dritten Mal zum Bürger- meister von Vöhrenbach ge- wählt. Andreas Braun gewählt Andreas Braun heißt der neue Bürgermeister von Unterkir- nach. Mit 81,7 Prozent der Stim- men erreichte er am 13. 10. 2013 im ersten Wahlgang ein Traum- ergebnis. Die Wahlbeteiligung lag bei 59,5 Prozent. Thorsten Frei in den Bundestag eingezogen Der frühere Oberbürgermeister von Donaueschingen, Thorsten Frei, ist knapp ein Jahr nach sei- ner Wiederwahl in den Deut- schen Bundestag gewählt worden. Der frühere Oberbür- germeister der Großen Kreis- stadt und Vize-Chef der Lan- des-CDU erreichte mit 56,7 Prozent der Erststimmen ein hervorragendes Ergebnis. Als Oberbürgermeister war Thorsten Frei neun Jahre im Amt. Seit dem 10. Oktober 2013 ist Bürgermeister Bern- hard Kaiser an die Rathaus- spitze vorgerückt. Er führt die Amtsgeschäfte bis der Nach- folger gewählt ist. 315

Magazin Wahlergebnisse der Bundestagswahl vom 22. September 2013 Ergebnisse der Bundestagswahl vom 22. September 2013 im Wahlkreis 286 – Schwarzwald-Baar (Amtliches Endergebnis) Wahlberechtigte: 166.191 Wähler: 119.181 (71,7 %) Erststimmen (Direktmandat: Thorsten Frei, CDU) Zweitstimmen absolut in % absolut in % Ungültige Erststimmen 1.815 1,5 % Ungültige Zweitstimmen 1.836 1,5 % Gültige Erststimmen 117.366 98,5 % Gültige Zweitstimmen 117.345 98,5 % Davon für Thorsten Frei, CDU Jens Löw, SPD Dr. Marcel Klinge, FDP 66.505 22.211 2.946 Cornelia Kunkis-Becker, GRÜNE 8.984 Gotthilf Lorch, DIE LINKE Dirk Caroli, AfD Siegfried Kauder, parteilos Sonstige 4.144 4.603 3.579 4.394 56,7 % 18,9 % 2,5 % 7,7 % 3,5 % 3,9 % 3,0 % 3,8 % Davon für CDU SPD FDP GRÜNE DIE LINKE Piraten AfD Sonstige 57.912 22.414 6.933 10.613 4.860 2.260 6.697 5.656 49,4 % 19,1 % 5,9 % 9,0 % 4,1 % 1,9 % 5,7 % 4,8 % Ar beits lo sig keit in Pro zent zah len Stichtag 30.6.2013 30.6.2012 30.6.2011 Schwarzwald-Baar-Kreis Baden-Württemberg Bundesrepublik Deutsch- land 3,9 % 3,4 % 3,5 % 3,9 % 3,7 % 3,9 % 6,6 % 6,6 % 6,9 % Beschäftigte insgesamt: 78.457, davon 34.066 im Produzierenden Gewerbe (43,4 %), 14.625 in Handel, Gastgewerbe und Verkehr (18,6 %) sowie 29.766 im Bereich „Sonstiges“ (38 %). (Stand: Juni 2012 – Quelle: Statistisches Landesamt Baden- Württemberg) Orden und Ehrenzeichen Mit der Landesehrennadel des Landes Baden-Württemberg wurden 2013 ausgezeichnet: Gerhard Lettmann (Villingen-Schwenningen), Walter Vogel (Villingen-Schwenningen), Karl-Heinz Kamp (Villingen-Schwenningen), Fred Meckes (Villingen-Schwenningen) Mit der Staufermedaille wurde 2013 ausgezeichnet: Uta Homolka, Königsfeld Das Bundesverdienstkreuz hat 2013 erhalten: Renate Gravenstein, Villingen-Schwenningen 316

Be völ ke rungs ent wick lung im Schwarz wald-Baar-Kreis Ge mein de Anhang Stand der Wohn be völ ke rung 31.12.2011 80.990 21.066 13.039 12.971 10.045 9.250 7.656 5.963 5.928 5.886 5.110 4.771 3.845 3.779 3.677 3.043 2.920 2.735 2.353 1.187 31.12.2012 81.643 21.066 13.069 12.984 10.061 9.276 7.646 5.970 5.919 5.834 5.106 4.770 3.794 3.765 3.673 3.021 2.895 2.758 2.374 1.188 Ver än de run gen in Zah len 653 0 30 13 16 26 -10 7 -9 -52 -4 -1 -51 -14 -4 -22 -25 23 21 1 in Pro zent 0,80 0 0,23 0,10 0,16 0,28 -0,13 0,12 -0,15 -0,89 -0,08 -0,02 -1,34 -0,37 -0,10 -0,73 -0,86 0,83 0,88 0,08 Villingen-Schwenningen Donaueschingen Bad Dürrheim St. Georgen Blumberg Furtwangen Hüfingen Königsfeld Niedereschach Bräunlingen Brigachtal Triberg Schonach Vöhrenbach Dauchingen Mönchweiler Tuningen Unterkirnach Schönwald Gütenbach Kreisbevölkerung insgesamt 206.812 206.214 598 0,29 Schonach 3.794 Schönwald 2.374 Triberg 4.770 Königsfeld 5.970 St. Georgen 12.984 Mönchweiler 3.021 Unter- kirnach 2.758 Niedereschach 5.919 Dauchingen 3.373 Gütenbach 1.188 Furtwangen 9.273 Villingen-Schwenningen 81.343 Vöhrenbach 3.735 Brigachtal 5.103 Tuningen 2.895 Bad Dürrheim 13.039 Bräunlingen 5.834 Donaueschingen 21.033 Das Oberzentrum Villingen-Schwen ningen und die Große Kreisstadt Do naueschingen sind die Zentren im Landkreis. Hier leben mit ca. 81. 643 und 21. 066 Menschen nahezu die Hälfte der 206.812 Einwohner des Schwarzwald-Baar- Kreises. Hüfingen 7.343 Blumberg 10.031 317

Magazin Bildnachweis Almanach 2014 – Matthias Winter, Furtwangen: 154, 311 – Frank D. Paßlick, Triberg: 163 u. li, 163 u. re., 167 u., 169 u., 170, 172 o., 173 – Ingrid Schyle, Schonach: 198, 200 u., 201, 203 o., 203 Mi., 203 u. re. – Deut- sches Uhrenmuseum Furtwangen: 204/205, 207 o. re, 207 o. li, 207 u. li, 209-211, 212 o. re., 213-215 – Verena Wider, VS-Villingen: 224 – Ste- fan Simon, Brigachtal: 240-247, 249 – Helmut Gehring, VS-Villingen: 260-265 – istockphoto. com: 267 o. – Michael Kienzler, Brigachtal: 289/290, 294/295 – Mathias Fleig, Königsfeld: 300 re., – Bernhard Lutz, Hüfingen: 302, 303 u. – Dr. Alois Kapfer, Tuttlingen: 259 – Fritz Kuh- nert, Gundelfingen: 107 – Archiv Stadtverwal- tung St. Georgen: 282 – Naturpark Südschwarz- wald: 199, 202 u. li. – Judith Kunze, Schonach: 200 o. Motiv Titelseite: Schwarzwald-Baar Klinikum, Wilfried Dold, Vöhrenbach. Motiv Rückseite: Beim Blumberger Street-Art-Festival 2013. Fotografiert von Wilfried Dold, Vöhrenbach. Bildnachweis für den Inhalt: Soweit die Foto- gra fen nicht namentlich angeführt werden, stammen die Aufnahmen jeweils vom Verfas- ser des betref fenden Beitrages oder sind die Bild autoren oder Bildleihgeber über ihn erfrag- bar. Mit Fotos sind ferner im Almanach vertreten (die Zahlen nach der Namensnennung bezie- hen sich auf die jeweilige Seite): Wilfried Dold, Vöhrenbach: 3, 9, 10, 13, 15, 17, 19, 21, 22, 24, 26, 30/33, 34/35, 36-58, 60-63, 66-77, 86-97, 98/99, 100 o., 101, 107 o., 108/109, 111/112, 115, 116 o. li., 117, 155, 157-159, 160-162, 163 o. li. 163 o. re, 164-166, 167 o., 169 o. li, 169 o. li, 169 o. mi., 171, 172 u.li., 172 u. re., 174/175, 176-189, 190/191, 206, 207 u. re, 208. 212 o. li, 217, 223, 225-231, 248, 250-252, 269, 272-274, 275 o.,275 u. li., 276- 279, 286/287, 291-293, 296/297, 298/299, 313- 315 – Landratsamt-Schwarzwald-Baar-Kreis: 11, 27-29, 138, 255, 257 – dold.verlag, Archiv: 275 u. li. – Stefanie Wetzig, Niedereschach: 124, 125 o – Roland Sprich, St. Georgen: 280-282, 284/285 – Maria Kienzler, Triberg: 113, 116 o. re. – Man- fred Beathalter, Donaueschingen: 100 m.li., 100 m. re, 103, 105, 143 u. – Roland Sigwart, Hüfin- gen: – 220 u. li. o., 220 u. li. u., 221 – Franz Filipp, Überlingen: 218/219, 220 li., 222 – Wolf Hocken- jos, Donaueschingen: 266, 267 u. re, 268, 270/271, 275 u. re. – Schwarzwald-Baar-Klini- kum: 9, 64/65, 78, 80-83, – Christina Nack, Kö- nigsfeld: 84/85, 119 – Sammy Minkoff, Mün- chen: 114 – Jochen Hahne, VS-Villingen: 119 – Erich Marek, VS-Schwenningen: 125 u., 126 – 133 318

Die Autoren und Fotografen unserer Beiträge Anhang Beathalter, Manfred, Wiesenstraße 29, 78166 Donaueschingen-Pfohren Dold, Wilfried, Unteranger 3, 78147 Vöhrenbach Filipp, Franz, Krummebergstraße 42, 88662 Überlingen Gehring, Helmut, Königsberger Straße 30, 78052 Villingen-Schwenningen Graf, Johannes, Robert-Gerwig-Platz 1, 78120 Furtwangen Hajek, Christa, Am Straßberg 9, 78120 Furtwangen Hahne, Jochen, Hafnergasse 6, 78050 Villingen-Schwenningen Hinterseh, Sven, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Hockenjos, Wolf, Alemannenstraße 30, 78166 Donaueschingen Kienzler, Maria, Faulbergweg 11, 78098 Triberg Kienzler, Michael, Gartenstraße 15, 78086 Brigachtal Koch, Michael, Am Hoptbühl 5, 78048 Villingen-Schwenningen Kollmeier, Barbara, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Kommert, Hans-Jürgen, Am Schwanen 1, 78112 St. Georgen Janzing, Bernward, Wilhelmstr. 24a, 79098 Freiburg Jauch, Philipp, Feilitzschstraße 11, 80802 München Lutz, Bernhard, Seemühle 14c, 78183 Hüfingen Marek, Erich, Hans-Sachs-Strasse 12, 78054 Villingen-Schwenningen Minkoff, Sammy, Langäcker Straße 12, 82279 Eching Nack, Christina, Obereschacher-Straße 7, 78126 Königsfeld Schneider, Daniela, Bert-Brecht-Straße 15-19, 78054 Villingen-Schwenningen Scholz, Julia, Robert-Gerwig-Platz 1, 78120 Furtwangen Schubert, Marga, Hafnergasse 6, 78050 Villingen-Schwenningen Sigwart, Roland, Hauptstr. 16, 78183 Hüfingen Simon, Stefan, Haselweg 17, 78052 Villingen-Schwenningen Sprich, Roland, Weidenbächlestraße 6, 78112 St. Georgen Volk, Karl, Untertal 19, 78098 Triberg-Gremmelsbach Wetzig, Stephanie, Niedereschacher Straße 31, 78078 Niedereschach Wider, Verena, St.-Nepomukstraße, 78048 Villingen-Schwenningen Winter, Matthias, Kohlheppstraße 12, 78120 Furtwangen 319

Ehrenliste der Freunde und Förderer des Almanach 2014 S Sparkasse Schwarzwald-Baar Leopold Messmer, Furtwangen Acht weitere Freunde und Förderer des Almanachs wünschen nicht namentlich genannt zu werden.

Beim Blumberger Street­Art­Festival 2013 Fotografiert von Wilfried Dold