Almanach 1987

Alman ach 87 S c h w a r z w a ld – B a a r – K r e is H e i m a t j a h r b u c h d e s S c h w a r z w a ld – B a a r – K r e is e s 11. F o l g e H e r a u s g e b e r : L an d ratsam t Schwarzwald-Baar-Kreis R edaktion: D r. R ainer G u tk n ech t, L andrat D r. L orenz H o n o ld , R edakteur H e lm u t H einrich, S chu lam tsd irek to r i. R. F ür den In h a lt d er Beiträge sin d die jeweiligen A u to ren v erantw ortlich Verlag, D ru ck u n d G estaltung: Todt-D ruck G m bH , Villingen-Schwenningen

Ehrenliste der Freunde und Förderer des Almanach 1987 Möbel-Amann KG, Vöhrenbach ANUBA-Beschläge X. Heine & Sohn GmbH, Vöhren­ bach Dr. Hanno Augstein, Hüfingen Baden-Württembergische Bank AG, Filiale Villingen­ Schwenningen Bank für Gemeinwirtschaft AG, Kronenstraße 38, Villingen-Schwenningen Alfred Bausch, Rosen-Apotheke, Blumberg Bezirkssparkasse Donaueschingen Binder Magnete GmbH, Mönchweilerstraße 1, Villingen-Schwenningen Ingenieurbüro Horst Budde, Pestalozzistraße 65, Villingen-Schwenningen Burger Industriewerk GmbH & Co. KG, Schonach Elektrizitätsgesellschaft Triberg GmbH, Triberg Claus Eller, Zahnarzt, Vöhrenbach Wilhelm Frank, Matthias-Grünewald-Straße 5, Freiburg Emil Frei GmbH & Co., Lackfabrik, Bräunlingen­ Döggingen Lars Frykman, Zahnarzt, Vor Weiden 25, Blumberg S. D. Joachim Fürst zu Fürstenberg, Donaueschingen Walter Glatz, Blumberg Dipl.-Ing. Theo Greiner, Donaueschingen Andreas Haller, Fabrik für Feinmechanik – Q!iarzuhren, Bahnhofstraße 15, St. Georgen HERl Herbert Rigoni, Niedereschach-Fischbach Dipl.-lng. Bernd Hezel, Ber. lng. VBl, lng.-Büro für Trag­ werksplanung, Villingen-Schwenningen Dr. med. E. Hochmann, Triberg Klimakur GmbH & Co. Klinik KG (Albert-Schweitzer­ Klinik), Parkstraße 10, Königsfeld Kraftwerk Laufenburg, Laufenburg Küpper-Weisser GmbH, Wintermaschinen, Bräunlingen Dr. Josef Kury, Zahnarzt, Seb.-Kneipp-Straße 114, Villingen-Schwenningen B. Lang, Kussenhofstraße 43, Furtwangen Lauffenmühle GmbH & Co., Lauchringen, Waldshut-Tiengen 2 Bräunlinger Löwenbrauerei H. Kalb KG, Bräunlingen MAI CO Elektroapparate-Fabrik GmbH, Burgstraße 65, Villingen-Schwenningen Dipl.-Ing. Viktor Mandolla, Öffentlich bestellter Ver­ messungsingenieur, Werner-von-Siemens-Straße 3, Villingen-Schwenningen Dipl.-Kfm. Harald Mattegit, Hauptstraße 75, Blumberg Leopold Messmer, Freier Architekt, Bühlhofstraße 8, Furtwangen Metallwerke Schwarzwald GmbH, Lantwattenstraße 11, Villingen-Schwenningen 2 Dr. med. Paul Obergfell, Leopoldstraße 21, Villingen­ Schwenningen Helmut Ochs, Freier Architekt, Hauptstraße 46, Blumberg Dr. Karl Opp, Taunusstraße 5, Schönwald Dr. Peter Pfaff, Villingen-Schwenningen Prof. Dr. med. Proß, VS-Pfaffenweiler Guido Rebholz, Freier Architekt, Zehntstraße 1, Bad Dürrheim Ricosta-Schuhfabriken, Donaueschingen Anne Rieple-Offensperger, Scheffel-Apotheke, Donaueschingen Dr. Ernst Roskothen, Finanzpräsident a. D., Bad Dürrheim Dipl.-lng. Eckart Rothweiler, Freier Architekt, Schulstraße 12, Donaueschingen Dr. med. H.-Ulrich Ruthig, Alte Stadtmühle, Hüfingen Dr. med. P. Samimi, Chefarzt der chir. Abt. des Städt. Krankenhauses Furtwangen Schmidt Feintechnik GmbH St. Georgen Schwarzwälder Metallwarenfabrik A. Haugg, Triberg Ingenieurbüro für Bauwesen Dipl.-lng. (FH) K. Schwei­ zer, Ber. Ing. BDB, Achdorfer Straße 29, Blumberg S. Siedle & Söhne, Telefon- und Telegrafenwerke GmbH, Bregstraße 1, Furtwangen Franz Singer, Inh. E. Ettwein, Papier- und Bürobedarf, Niedere Straße 17, Villingen-Schwenningen Sparkasse Villingen-Schwenningen mit Hauptanstalt in Villingen, Zweiganstalten in Schwenningen und Tri­ berg, Hauptzweigstellen in Bad Dürrheim, Königsfeld, Schonach und Vöhrenbach und weiteren 41 Geschäfts­ stellen Josef Straub Söhne GmbH, Wellpappenwerke, Bräunlingen Dr. Theo Striegel, Auf dem Bühl 8, Furtwangen TRW Thompson GmbH, Präzisionsventile für die Motoren- und Automobilindustrie, Blumberg E. Wehrle GmbH, Präzisionstechnik, Obertalstraße 8, Furtwangen Wehrle Uhrenfabrik GmbH, Schönwald Kurt Weisser, Mühlstraße 7, St. Georgen F. K. Wiebelt, Buchhandlung, Bickenstraße 6-8, Villingen-Schwenningen Michael Wiesenbacher, Rechtsanwalt, Marktstraße 28, Lambrecht Dr. Fritz Wilke, Villingen-Schwenningen Dr. med. Karl Zäbisch, Hermann-Fischer-Allee 20, Donaueschingen Udo Zier GmbH, Verpackungen, Furtwangen 9 weitere Freunde und Förderer des Almanach wünsch­ ten, nicht namentlich genannt zu werden.

Heimat und Arbeit Dem Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 1987 zum Geleit Zur Heimat gehört auch eine gute Entwicklung von Industrie, Handel und Gewerbe. Vor allem junge Menschen sind, um sich mit dem heimischen Raum iden­ tifizieren zu können, darauf angewiesen, Ausbildungs-und Arbeitsplätze hier zu fin­ den, damit sie nicht in industrielle Ballungsräume abwandern müssen. Was die Ausbildungsmöglichkeiten anbelangt, haben wir im Kreisgebiet in der Trägerschaft des Schwarzwald-Baar-Kreises und des Landes Baden-Württemberg gut ausgebaute berufliche Schulen. In den letzten Jahren wurde für moderne Schul­ räume und Geräte viel Geld ausgegeben. Ferner wurde in unseren Städten und Gemeinden mit großer Kraftanstrengung eine gute kommunale Infrastruktur geschaffen. Aber was nützt dies alles, wenn die Heimat unserer Jugend keinen Arbeitsplatz mehr bieten kann und sie deshalb die angestammte Heimat verläßt? Die Industrie ist in einer Phase der Umstellung auf neue Produkte und neue Ver­ fahren. Es wurden schon beachtliche Fortschritte erzielt, und unsere Unternehmen haben eine gute Chance, den Anschluß an den Weltmarkt zu finden beziehungs­ weise zu erhalten. Auch die Arbeitslosenzahlen geben Grund zur Hoffnung. Günstig sind die Zah­ len für die jugendlichen Arbeitslosen. Hier haben offensichtlich verschiedene Maß­ nahmen, über die auch im Almanach berichtet wurde, Erfolge gezeigt. Die Aufgabe der beruflichen Schulen wird es sein, noch mehr auf die Anforderungen im Beruf einzugehen und die Lerninhalte auf das spätere Berufsleben abzustellen. Schon in den bisherigen Ausgaben des Almanach wurden Berichte über die wirt­ schaftliche Entwicklung, einzelne Betriebe sowie die beruflichen Schulen veröffent­ licht. Ich sehe es als eine der Aufgaben des Almanach an, uns auch künftig die Hei­ mat in Beziehung zur Arbeit näherzubringen. Ein herzliches Dankeswort sage ich auch dieses Mal wieder unseren Freunden und Förderern sowie allen, die zum inneren und äußeren Gelingen des Heimatjahr­ buches beigetragen haben. Möge auch der Jahrgang ’87 seinen Weg zu allen Freunden unserer Heimat machen! }-JlA«._vA,,{ Dr. Rainer Gutknecht ‚_) Landrat 3

Aus dem Kreisgeschehen Kreispolitik 1986 Im Berichtsjahr wurde wiederum eine Reihe von kreispolitischen Schwerpunkten erörtert bzw. entschieden, von denen im fol­ genden die wichtigsten genannt werden sol­ len: Schulwesen Die Bemühungen um eine ordentliche Unterkunft der kreiseigenen berufli­ chen Schulen in Furtwangen sind bei Redaktionsschluß noch nicht zu einem guten Ende gekommen. Der Stand ist fol­ gender: Der Landkreis nimmt davon Abstand, die Staatliche Berufsfachschule in seine Träger­ schaft zu übernehmen und sieht seine Auf­ gabe lediglich darin, die räumlichen Verhält­ nisse seiner eigenen beruflichen Schulen zu verbessern. Ein Anbau an der Baumann­ straße 13, der einige Zeit überlegt wurde, kommt nicht mehr in Betracht. Diskutiert wird nunmehr, ob die fehlenden Räume in einem Anbau an der Baumannstraße 38 geschaffen werden (sog. kleine Lösung) oder ob zu annähernd gleichen Unkosten bei Ver­ äußerung des Gebäudes Baumannstraße 13 auf dem Gelände Baumannstraße 38 ein neues Schulgebäude für die kreiseigenen beruflichen Schulen errichtet werden kann. Die Verwaltung bemüht sich beim Land um die Klärung, ob die erforderliche Grund­ stücksfläche in dem einen oder anderen Fall im Wege des Erbbaurechts in Anspruch genommen werden kann. Eine Frage, die alle beruflichen Schulen des Landkreises betrifft, ist die Aus s tat­ t u n g mit Unterrichtscomputern. Das Vordringen der neuen Technologien, der elektronischen Informationsverarbei­ tung und der Mikroprozessortechnik in allen Bereichen des beruflichen und privaten Lebens erfordert, daß sich die beruflichen 4 Schulen auf diese Entwicklung einstellen. Im kaufmännischen Bereich wurden die erfor­ derlichen Mittel im Jahre 1986 bewilligt, für die hauswirtschaftlichen Schulen wurden bereits im Jahre 1985 entsprechende Geräte angeschafft, eine Konzeption für den ge­ werblichen Bereich muß noch ausgearbeitet werden. Als Schulträger für das berufliche Schul­ wesen muß der Landkreis auch an den hochaktuellen Fragen der Weiter b i 1 dun g interessiert sein. Die Weiterbildung erlangt immer größere Bedeutung, und dem Land­ kreis kann es nicht gleichgültig sein, ob er in dieser Frage nur als Vermieter seiner Räume und Gerätschaften an Weiterbildungsträger auftritt oder selbst auf die inhaltliche Gestal­ tung der beruflichen Fortbildung Einfluß nimmt. Wir legen Wert darauf, diese Fragen im Einvernehmen mit den Kammern zu klä­ ren. Sozialwesen Die Sozialausgaben nehmen jedes Jahr den größten Ausgabenposten in Anspruch, eine Leistung des Landkreises, die in der Öffentlichkeit viel zu wenig bekannt ist. Der Landkreis hat sich nunmehr entschlossen, außer den gesetzlichen Aufgaben in diesem Bereich freiwillig das Pro gram m “ M u t­ t er und Kind“ einzuführen. Die Auf­ nahme in das Programm setzt voraus, daß die Frau nach der Geburt ihres Kindes dieses allein betreut und erzieht, zeitweilig auf eine Berufstätigkeit oder Ausbildung verzichtet, sozialhilferechtlich bedürftig und bereit ist, sich sozialpädagogisch beraten zu lassen. Dem Beschluß im Kreistag gingen umfang­ reiche Beratungen im zuständigen Ausschuß voraus. Schon vor Jahren haben wir die Ein­ führung des Programms beraten, schließlich aber von einer positiven Beschlußfassung

Jedes Frühjahr findet in den Räumen der Firma Wink/er in der Turmgasse im Stadtbezirk Villingen ein „Tag der offenen Tür“ statt. Der Landkreis ist dort Träger verschiedener Lehrgänge. Mit finanzieller Hi!fe der Arbeitsverwaltung und der Firma Wink/er konnten moderne Geräte der Technologievermitt­ lung angescha.fft werden. Abfallbeseitigung abgesehen, weil die Wiedereingliederung der Mutter in das Berufsleben nach Beendigung des Programms nicht gesichert erschien. Diese Bedenken haben wir jetzt im Interesse der Einführung des Programms in allen Landkreisen zurückgestellt. Seit Jahren ist die Abfallbeseitigung ein Dauerthema. Im letzten Jahresbericht wurde u.a. über die „Grüne Tonne“ berichtet, die möglicherweise eingeführt werden sollte. Im Gegensatz zu unseren Nachbarkreisen Rott­ weil und Tuttlingen wird die „Grüne Tonne“ im Schwarzwald-Baar-Kreis nicht eingeführt. Maßgebend für diesen Beschluß des Kreista­ ges war die Tatsache, daß das Deponievolu­ men bei stark steigenden Kosten verhältnis- mäßig nur gering entlastet würde. Statt des­ sen sollen nun die örtlichen Wertstoff­ s am m 1 u n gen bzw. das schon jetzt örtlich praktizierte Co n t a in er s y s t e m verstärkt durchgeführt werden. Der vorliegende Abschlußbericht über das von den Stadtwerken Rottweil in die Wege geleitete Projekt Müllvergärung wird auch bei uns die Überlegungen über eine Realisierung des Projekts in den Vorder­ grund rücken. Der Erwähnung in diesem Rahmenbei­ trag bedarf die seit 1. 3.1986 eingerichtete Zentrale Zimmervermittlung (ZZ), die in dieser Ausgabe in eigenen Beiträgen vorgestellt wird. In einer erfreulich kurzen 5 Fremdenverkehr

Vorbereitungszeit ist es gelungen, die ZZ auf­ zubauen und unser Vorhaben, unseren Gästen eine zentrale Buchungsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen, zu verwirklichen. Die ersten Ergebnisse sprechen dafür, daß dieser neue Service für unsere Fremdenver­ kehrswirtschaft zur rechten Zeit angeboten wurde. Wettbewerb Neubau Landratsamt Last, but not least, soll festgehalten wer­ den, daß im Jahre 1986 die Vorbereitungen für den Wettbewerb Neubau Landratsamt getroffen werden, dessen Ergebnisse im Frühjahr 1987 vorliegen werden. Das Projekt ist nicht unumstritten. Nachdem der Kreis­ tag mehrheitlich die Mittel bewilligt hatte, kam der Beschluß im zuständigen Ausschuß über die Durchführung des Wettbewerbs problemlos zustande. Das weitere Vorgehen hängt nicht unwesentlich davon ab, welche Ergebnisse der Wettbewerb haben wird und besonders wie sich unsere finanzielle Lage entwickeln wird. Dr. Rainer Gutknecht :Partnerschaft ohne Grenzen Der Landkreis macht mit bei der Regionalpartnerschaft zwischen Südbaden und Albay / Philippinen Auf Initiative des Regierungspräsidenten von Freiburg, Dr. Norbert Nothhelfer, wurde Ende 1985 die Regionalpartnerschaft zwischen Südbaden und der philippinischen Provinz Albay im Südzipfel der Insel Luzon ins Leben gerufen. Zweck der Partnerschaft ist es, einen Beitrag zur Finanzierung dortiger Entwicklungsprojekte zu leisten. Den meist armen Kleinbauern, Handwerkern und Fischern der Provinz Albay soll durch einhei­ mische Fachkräfte geholfen werden, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Im konkreten Fall hat die „Deutsche Welthun­ gerhilfe“ gemeinsam mit einer philippini­ schen Partnerorganisation die fachliche Betreuung eines ländlichen Entwicklungs­ programms übernommen. Schwerpunkte des Programms liegen zum Beispiel in der Anleitung zu verbesserten Anbaumethoden in der Landwirtschaft und in der Einrichtung von Schulen und Ausbildungsstätten. Allen Maßnahmen ist gemeinsam, den Philippinos Vertrauen in die eigene Leistung zu vermit­ teln und sich auf das eigene Können zu ver­ lassen, also „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu geben. Der Schwarzwald-Baar-Kreis hat als erster unter den neun Landkreisen im Regierungs­ bezirk die Anregung des Regierungspräsi- 6 denten aufgegriffen. Mit einer Ausstellung, die die „Deutsche Welthungerhilfe“ zur Ver­ fügung gestellt hat, wurde die Provinz Albay vorgestellt. Regierungspräsident Dr. Noth­ helfer kam selber zur Eröffnung am 23. April 1986 in die Kundenhalle der Hauptanstalt der Sparkasse Villingen-Schwenningen. Direktor Klaus Haubner hieß die zahlreich erschienenen Gäste, unter denen auch die Vorsitzende der Deutschen Welthunger­ hilfe, Frau Dr. Helga Henselder-Barzel war, willkommen. In den Ansprachen von Regie­ rungspräsident Dr. Nothhelfer, Frau Dr. Henselder-Barzel und Landrat Dr. Gut­ knecht kam zum Ausdruck, daß wir als soge­ nanntes reiches Land die Verpflichtung haben, armen Menschen in der „Dritten Welt“ zu helfen. Es wird nicht einfach sein, den Gedanken der Regionalpartnerschaft mit der Provinz Albay der Bevölkerung im Kreisgebiet nahe­ zubringen. Kritische Einwände sind nicht zu überhören. Die Philippinen seien viel zu weit weg, um persönliche Beziehungen auf­ zubauen. Auch politische Einwände im Hin­ blick auf die noch nicht gefestigten politi­ schen Verhältnisse werden gelegentlich laut. Demgegenüber ist jedoch darauf hinzuwei-

Partnt:!rschaft ohne Grenzen Südbaijener hE:lfen Mensct auf den Philippinen Ausstellungserijffnung in der Schalterhalk der Hauptanstalt der Sparkasse Villingen-Schwenningen. Von links nach rechts: Landrat Dr. Rainer Gutknecht, die Vorsitzende der Deutschen Welthungerhiffe, Frau Dr. Helga Henselder-Barzel Regierungspräsident Dr. Norbert Nothheffer, Sparkassendirektor Klaus Haubner. sen, daß auch die Bevölkerung im Schwarz­ wald-Baar-Kreis trotz der eigenen großen und kleinen Sorgen über die Grenzen des Landkreises hinausblicken sollte, um die noch größeren Probleme in der Welt zu erkennen, selbst wenn keine so enge Bezie­ hung möglich ist, wie zum Beispiel innerhalb Europas. Besonders unsere Jugend ist erfreu­ licherweise den Sorgen unserer Welt auf­ geschlossen und bemüht sich, wie Beispiele anderenorts zeigen, durch gezielte Aktionen auch einen finanziellen Beitrag zu leisten. Mit der Ausstellung wurde der Startschuß im Schwarzwald-Baar-Kreis für die Regional­ partnerschaft zur Provinz Albay auf Land­ kreisebene gegeben. Er darf nicht ungehört verhallen. Deshalb ist eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der Jugend, Schulen, Wirt­ schaft und der Kirchen gebildet worden, die sich zur Aufgabe gemacht hat, nach prakti­ schen Wegen zu suchen, um die Bevölke­ rung im Kreisgebiet immer wieder mit den Problemen in der Provinz Albay bekanntzu­ machen und auch um finanzielle Hilfe zu bitten. Der Almanach möchte alle seine Leser bitten, ihre Herzen unseren Partnern auf den Philippinen zu öffnen! Landrat Dr. Rainer Gutknecht * 7

Der Kreis zeigt Flagge Der Kreistag hat am 14. Oktober 1985 beschlos­ sen, daß der Kreis eine eigene Flagge führen soll. Der Entwuif khnt sich an das Wappen des Schwarzwald-Baar-Kreises an: Weiß-Blau mit dem roten Zähringeradkr im Obereck. Inzwi­ schen sind drei Exemplare beschafft worden, die ausgeliehen werden, und die schon bei mehreren Veranstaltungen im Winde wehten. im Landkreis fröhlich Klaus Schnibbe ganz 85 000 Einwohner weist beispielsweise der Hohenlohe-Kreis (Künzelsau) als klein­ ster Landkreis auf, mehr als 452 000 Einwoh­ ner zählt dagegen der Landkreis Esslingen als größter Landkreis. Ein Vergleich mit den neun Stadtkreisen ist wenig sinnvoll, weil diese Verwaltungseinheiten als städtisch ver­ dichtete Räume ganz andere Strukturen auf­ weisen. Entwicklung der Gesamtbevölkerung Bis zur Mitte der 70er Jahre hat die Bevöl­ kerungszahl im Schwarzwald-Baar-Kreis kontinuierlich zugenommen, z. T. mit Zuwachsraten in Höhe von 4000 bis 5000 Einwohnern pro Jahr (s. Abb.1). Mit 202 367 Die Bevölkerungsentwicklung im Landkreis 1975-1985 Wie in den meisten ländlich strukturier­ ten Kreisen haben sich auch im Schwarz­ wald-Baar-Kreis die Bestimmungsgrößen für die Bevölkerungsentwicklung, nämlich die sog. natürliche Bevölkerungsentwicklung und die Wanderungsbewegung, etwa ab 1970 entscheidend verändert. Im zweiten Halb­ jahr 1974 hat die Einwohnerzahl erstmals nicht mehr zu-, sondern abgenommen. Es erscheint deshalb angebracht, die Bevölke­ rungsentwicklung der vergangenen 10 Jahre einmal genauer zu analysieren. Mit seinen rd. 194 000 Einwohnern zählt der Schwarzwald-Baar-Kreis unter den 33 Landkreisen, die es in Baden-Württemberg gibt, zu den Kreisen mittlerer Größe. Nicht 8

1961 1965 1970 1975 1980 1985 Bevölkerungsentwicklung im Schwarzwald-Baar-Kreis 1961-1985 Abb. l Einwohnern erreichte die Kreisbevölkerung am 30. 6.1974 ihren bislang höchsten Stand. Seither ist die Einwohnerzahl erheblich zurückgegangen. Am 31.12.1985 zählte der Schwarzwald-Baar-Kreis 194 211 Einwohner. Diese Abnahme in Höhe von 8156 Personen entspricht etwa der Summe der Einwoh­ nerzahlen von Königsfeld und Mönch­ weiler. Besonders groß war der Bevölkerungs­ rückgang in den Jahren 1975/76 und 1982/83 mit 2231 und 1623 bzw.1852 und 1743 Perso­ nen (s. Tab. 1). Diese Rückgänge lassen sich hauptsächlich mit der Abwanderung von Ausländern erklären, die ihrerseits durch Konjunktureinbrüche (erste und zweite Ölkrise) hervorgerufen wurden. 1983 haben vermutlich auch die Finanzhilfen für rück­ kehrwillige Ausländer eine Rolle gespielt. Der bemerkenswerte Bevölkerungszuwachs in den Jahren 1979 /80 und der anschließende Einbruch ist ebenfalls auf eine erhebliche Veränderung der Ausländerzahl zurückzu­ führen: Angesichts der bevorstehenden Zu­ zugssperre holten viele Ausländer (insbeson­ dere Türken) ihre Familienangehörigen in die Bundesrepublik. Beim Vergleich dieser Entwicklung mit der in den übrigen Landkreisen schneidet der Schwarzwald-Baar-Kreis leider nicht gut ab. Nur der Main-Tauber-Kreis und der Kreis Rottweil mußten im Zeitraum 1975-85 mit -4,2 % und -3,2 % einen größeren Bevölke­ rungsrückgang verbuchen als der Schwarz­ wald-Baar-Kreis (- 3,1 %). Die Nachbarkreise konnten bis auf den Ortenaukreis (-0,8 %) ihren Bevölkerungsstand halten bzw. verbes­ sern, der Landkreis Breisgau-Hochschwarz­ wald verzeichnete sogar ein Plus in Höhe von 11,0 %. Im Lancesdurchschnitt stieg die Bevölkerungszahl um 0,6 %. Die natürliche Bevölkerungsentwicklung (Geburten-/Sterbefälle-Bilanz) Über den gesamten beobachteten Zeit­ raum hinweg sind bei der deutschen Wohn­ bevölkerung mehr Menschen gestorben als Geburten zu verzeichnen waren. Pro Jahr lag das Geburtendefizit zumeist bei 200-300 Personen. Insgesamt betrug das Defizit von 1974 bis 1984 bei der deutschen Wohnbevöl- . kerung 2849 Personen. Die Ursachen für diese Entwicklung liegen einmal in der Altersstruktur (relativ stark besetzte Jahr- 9

v 00 v r–. °‘ -1 °‘ – °‘ – v 00 M 00 °‘ …… N 00 °‘ …… …… 00 °‘ …… 0 00 °‘ …… °‘ r–. °‘ …… 00 r–. °‘ …… r–. r–. °‘ …… °‘ – „‚ r–. °‘ – °‘ – l/‘) r–. v r–. gänge bei den mehr als 70jährigen) und einer nach wie vor rückläufigen Geburtenhäufigkeit. Bei den Ausländern hingegen ist ein deut­ licher Geburtenüberschuß in Höhe von 4206 Personen zu verzeichnen. Zusammen mit dem Geburtendefizit der deutschen Wohnbevölkerung verbleibt insgesamt noch ein Geburtenüberschuß in Höhe von 1357 Personen, der die Bevölkerungsentwicklung positiv beeinflußt. Wanderungsgewinne und -verluste Die Bevölkerungsentwicklung war insge­ samt gesehen – d. h. Deutsche und Auslän­ der zusammen betrachtet – fast ausschließ­ lich das Ergebnis einer stark ausgeprägten Wanderungsbewegung. Das Minus von rd. 7300 Personen im Zeitraum 1974-1984 resul­ tiert aus einer Abwanderung von rd. 8700 Personen und dem bereits erwähnten Gebur­ tenüberschuß in Höhe von rd. 1400 Perso­ nen. Die Wanderungsbilanz bei der deutschen Bevölkerung ist in den vergangenen 10 Jah­ ren insgesamt nahezu ausgeglichen (Wande­ rungsverlust 1974-1984 nur 188 Personen). Verborgen ist hierbei allerdings eine nicht unerhebliche Wanderungsbewegung in den einzelnen Altersgruppen. In der Alters­ gruppe der jüngeren Erwerbstätigen sind bei­ spielsweise erhebliche Abwanderungen zu verzeichnen, während bei den nicht mehr Erwerbstätigen Zuwanderungen stattgefun­ den haben. Wie bereits erwähnt, ist die Wanderungs­ bilanz bei den Ausländern für den gesamten beobachteten Zeitraum stark negativ. Beson­ ders hoch war die Abwanderung in den Jah­ ren 1975 und 1976, als insgesamt knapp 4000 Ausländer den Schwarzwald-Baar-Kreis ver­ ließen. 1982 und 1983 waren es insgesamt noch einmal knapp 2400 Personen. In den übrigen Jahren betrug das Wanderungsdefi­ zit bei den Ausländern zumeist mehrere hundert Personen. 1979 und 1980 war dage­ gen ein Plus in Höhe von 540 bzw. 623 Perso­ nen zu verzeichnen. Die Gründe hierfür wur­ den bereits eingangs genannt. 10 °‘ „‚ r–. v0ll‘) 00 NM Nv- 1 °‘ „‚ r–. –c v r–. -N 1 a- -N Mll“l- NN 1 vvo –cov ,…;““),…; 1 -vM v 00 V -MN 1 [‚-.(‚oll/‘) °‘ °‘ °‘ …… „“) …… 1 [‚-.(‚oll/‘) „‚ „‚ °‘ NM 1 …… „‚ l/‘) ll‘)v MM 1 1 (‚oll/‘)'“) M 00 lI“l MM 1 or–.r–. M °‘ –C MM 1 °‘ „‚ r–. N °‘ –cMV,-; 1 OMM MV- M –C M 1 Q : …… ….. u d::::: u .,,, t: ..:: ..0 -e -0 :::, u O u u- c., …. „‚ V)V) 1 1 1 1 1 1 1 1 00 00 –C r–. N °‘ 0000- MOM -l/‘)“‚ OMM 00 00 MV[‚-. 1 1 OMM °‘ r–. „‚ „‚ -l/‘) 0″‚ r–. 00 r–. -l/‘)“‚ 1 — v-ll‘) MOM NMlI“l –C 00 v ll)(‚l[‚o. r–. °‘ r–. …… 1 1 °’MN M 0-N lI“l –c N N ll‘) 00 l/‘) …… r–. r–. 00 l/‘) …… 1 NNv M 00,…; ll‘) v °‘ °‘ l/‘) l/‘) ll‘) v °‘ „‚ r–. ………… 1 1 1 1 00 M,…; …… l/‘) „‚ NNll‘) M,-;v M –C °‘ -o-………… 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 NON ll‘)(‚l[‚o. ll‘) v °‘ 00 0 00 M lI“l 00 °‘ °‘ r–. °‘ 00 V[‚o.M ‚“)II)[‚-. …… 00 r–. (‚l,-; ………… 1 1 …… 1 „‚ …… l/‘) v–CN –COM M -00 MO–C „‚ l/‘) 1 1 1 1 °‘ …… 0 0-V M 0000- M 00 N -l/‘)“‚ v,….. –c …… …… ………… 1 1 1 °‘ r–. 00 o– r–. r–. °‘ lI“l 00 M VM N 0-N NN -N 1 1 1 1 1 1 1 vvo „‚ -r–. MO[‚-. °‘ „‚ l/‘) …… 00 „‚ –M 1 Q : …… Q : …… 1 1 1 1 ‚ � d 2 u -0 N �j 1)1) d L :g :::, E– � ! u d c., u

Bevölkerungsentwicklung auf Gemeinde­ ebene Während die Bevölkerungszahl auf Kreis­ ebene von 1975 bis 1985 um 3,1 % abgenom­ men hat, verlief die Entwicklung in den Städ­ ten und Gemeinden des Schwarzwald-Baar­ Kreises sehr unterschiedlich (s. Abb. 2 und Tab. 2). Am größten war der Bevölkerungs­ rückgang in Triberg (-20,2 %), gefolgt von Gütenbach (-14,3 %), Furtwangen (-11,2 %) und Vöhrenbach (-10,8 %). Neben einer all­ gemeinen Strukturschwäche dieser Raum­ schaften wirken sich hier insbesondere topo­ graphische Probleme (z.B. bei der Verkehrs­ anbindung und der Erschließung neuer Bau­ gebiete) negativ aus. Beachtliche Zuwachsra­ ten weisen dagegen die kleineren Gemein­ den im unmittelbaren Umfeld des Oberzen- Abb. 2 Bevölkerungsentwicklung in den Städten und Gemeinden des Schwarzwaui-Baar-Kreises 1975-1985 Abnahme Hüfingen mehr als 10 % Obis 10 % Zunahme 1111111111 1 Obis 10 % 1 mehr als 10 % 12 8 umberg

trums Villingen-Schwenningen auf: Dau­ chingen (+ 25,8 %), Brigachtal (+ 23,6 %), Unterkirnach (+ 20,2 %) und Niedereschach (+ 20,2 %). Diese Gemeinden profitieren von der Nähe zentralörtlicher Einrichtungen in Villingen-Schwenningen und ihren im Ver­ gleich zum Oberzentrum günstigen Bau­ landpreisen. Die Zuwächse dieser „Kragen­ Gemeinden“ machen insgesamt allerdings nur etwa 2/3 des Bevölkerungsrückgangs im Oberzentrum aus. Betrachtet man die Tendenz der Bevölke­ rungsentwicklung, so stellt man fest, daß sich seit 1980 in 16 von 20 Städten und Gemein­ den des Schwarzwald-Baar-Kreises der Be­ völkerungsrückgang beschleunigt bzw. das Bevölkerungswachstum abgeschwächt hat. An Bevölkerungswachstum konnte lediglich die Stadt Donaueschingen zulegen, verbes­ sert hat sich die Situation immerhin auch in Gütenbach, Hüfingen und Triberg, wo der Bevölkerungsrückgang abgebremst werden konnte. Ausländer Wie gezeigt wurde, hat die Entwicklung der ausländischen Wohnbevölkerung erheb­ lichen Einfluß auf die Gesamtentwicklung der Einwohnerzahlen. Der Bevölkerungs­ rückgang in Höhe von rd. 7300 Personen im Zeitraum 1974-84 ist zu 60 % das Resultat abnehmender Ausländerzahlen und zu 40 % das Ergebnis der rückläufigen Zahl von Deutschen. Es ist deshalb angebracht, die Struktur der ausländischen Bevölkerung kurz zu beleuchten. Von den 19 402 Ausländern, die am 30. 9.1984 im Schwarzwald-Baar-Kreis leb­ ten, waren 6275 (32,3 %) Jugoslawen, 4553 (23,5 %) Türken, 4054 (20,9 %) Italiener, 932 ( 4,8 %) Spanier, 717 ( 3,7 %) Griechen, 597 ( 3,1 %) Franzosen und 2274 ( 1 1 ,7 %) sonstige Ausländer. Im Vergleich mit dem Landesdurch­ schnitt leben im Schwarzwald-Baar-Kreis relativ wenig Türken (Landesdurchschnitt 28,5 %), dafür aber deutlich mehr Jugoslawen (Landesdurchschnitt 20,4 %). Der über­ durchschnittlich hohe Anteil an Franzosen (Landesdurchschnitt 2,2 %) dürfte von den französischen Garnisonen in Villingen­ Schwenningen und Donaueschingen her­ rühren. Die Garnisonsangehörigen zählen zwar nicht zur Wohnbevölkerung, nach Beendigung ihrer Dienstzeit bleiben aber offensichtlich doch etliche Franzosen (z.B. wegen Heirat mit einer Deutschen) im Schwarzwald-Baar-Kreis wohnhaft. Interessant ist auch die räumliche Vertei­ lung der Ausländer (s. Tab. 3): Villingen­ Schwenningen weist mit 13,4 % die höchste Ausländerquote auf, gefolgt von St. Georgen (12,5 %), Unterkimach (12,1 %) und Vöhren­ bach (11,9 %). Relativ wenig Ausländer leben dagegen in Schönwald (1,6 %) und Güten­ bach (3,3 %). Die Ausländerquote des Schwarzwald-Baar-Kreises liegt mit 10,5 % geringfügig über dem Landesdurchschnitt von 9,4%. Im Zeitraum 1975-85 ist in allen Städten und Gemeinden des Schwarzwald-Baar­ Kreises – mit Ausnahme der Stadt Donau­ eschingen – die Zahl der Ausländer zurück­ gegangen, und zwar zwischen – 52,4 % in Schönwald und – 0,6 % in Blumberg. In Donaueschingen ist dagegen die Zahl der Ausländer infolge der Einrichtung eines Wohnheimes für Asylbewerber um fast ein Drittel angewachsen. Im Juni 1985 wurde die­ ses Wohnheim allerdings wieder aufgelöst, wodurch die Zahl der in Donaueschingen lebenden Ausländer um rd. 300 Personen abgenommen hat. Prognosen Bevölkerungsprognosen auf Kreisebene gibt es derzeit nicht, wohl aber für die Region Schwarzwald-Baar-Heuberg, zu der neben dem Schwarzwald-Baar-Kreis auch die Land­ kreise Rottweil und Tuttlingen gehören. Sowohl die Bevölkerungsvorausschätzun­ gen des Statistischen Landesamtes Baden­ Württemberg als auch die des Prognos-Insti- 13

Zahl der Ausländer absolut 10246 1808 296 477 1081 564 228 1867 600 849 229 439 343 612 256 187 114 219 47 39 20501 866 883 Tabelle 3: Die Ausländer in den Städten und Gemeinden des Schwarzwald-Baar-Kreises Ausländer- Entwicklung 1975-85 quote 1985 Städte und Gemeinden in% in% -10,4 13,4 Villingen-Schwenningen -19,4 12,5 St. Georgen 12,1 -3,9 Unterkimach 11,9 -15,3 Vöhrenbach 10,9 -0,6 Blumberg 10,5 -21,7 Bräunlingen 10,2 -14,6 Tuningen 10,2 +30,5 Donaueschingen 9,5 -1,8 Hüfingen 8,7 – 7,7 Furtwangen 7,7 -35,9 Mönchweiler 7,4 -35,8 Triberg -12,7 6,9 Brigachtal -21,6 6,0 Bad Dürrheim -40,0 5,5 Schonach 4,2 -37,0 Niedereschach 4,1 -19,7 Dauchingen 4,1 -30,5 Königsfeld -21,7 3,3 Gütenbach -52,4 1,6 Schönwald -11,3 10,5 Kreisdurchschnitt + 3,4 9,4 Landesdurchschnitt gut 1000 Personen pro Jahr angewachsen, sie tutes Basel sagen der Region eine weitere, hat vielmehr durchschnittlich pro Jahr um erhebliche Abnahme der Bevölkerung vor­ 800 Personen abgenommen. Im Landesver­ aus: Bis 1995 könnte die Einwohnerzahl der Region um 5000 bis 20 000 Personen abneh­ gleich ist dies eine besorgniserregende Ent­ men. Bis zum Jahr 2000 könnte die Einwoh­ wicklung. Ursachen für den Bevölkerungsrückgang nerzahl der Region nach Berechnungen des Statistischen Landesamtes sogar um 36 000 waren – ein Wanderungsverlust bei der ausländi­ Personen abnehmen. Auf den Schwarzwa)d-Baar-Kreis umge­ schen Bevölkerung in Höhe von 8500 Per­ sonen (die Wanderungsbilanz der Deut­ rechnet bedeuten diese Prognosen eine schen war so gut wie ausgeglichen) sowie Abnahme der Kreisbevölkerung bis zum ein Geburtenüberschuß in Höhe von rd. Jahr 2000 in der Größenordnung von etwa 15 000 Personen. 1400 Personen (entstanden aus einem Geburtenüberschuß in Höhe von rd. 4200 Personen bei den Ausländern und Zusammenfassung und Ausblick einem Geburtendefizit in Höhe von rd. Entgegen den Zielen der Landes-und 2800 Personen bei den deutschen). Regionalplanung ist die Bevölkerung im Bei einem durchschnittlichen Rückgang Schwarzwald-Baar-Kreis seit 1974 nicht um 14 Quelle: Statistisches Landesamt

recht der Bevölkerung auf Kreisebene in Höhe von -3,1 % verlief die Bevölkerungsentwick­ lung in den Städten und Gemeinden des Schwarzwald-Baar-Kreises unter­ schiedlich: – Die ungünstigste Entwicklung mußte mit -20,2 % die Stadt Triberg verzeichnen, – die Gemeinde Dauchingen konnte mit +25,8 % die höchste Zuwachsrate ver­ buchen. Den Bevölkerungsprognosen zufolge werden die Einwohnerzahlen im Schwarz­ wald-Baar-Kreis weiter zurückgehen, mögli­ cherweise sogar noch schneller als bisher. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die tat­ sächliche Entwicklung nicht ganz so negativ verläuft, wie es die Statistiker vorausberech- Mühle im Harz/och Zeichnung: Dr.Josef Asifäller net haben, steckt in diesen Zahlen doch einige Brisanz: – Anhaltende Abwanderungsbewegungen signalisieren Strukturschwächen (z. B. Mangel an Arbeitsplätzen, Mangel an Attraktivität insgesamt), – zurückgehende Bevölkerungszahlen ge­ fährden Infrastruktureinrichtungen, die ihre Minimalauslastung bereits erreicht haben (z.B. Krankenhäuser, Kindergärten usw.), – zurückgehende Bevölkerungszahlen be­ deuten letztendlich aber auch einen Ver­ lust an Wirtschaftskraft (z. B. weniger Kaufkraft, aber auch rückläufige Steuerein­ nahmen und somit weniger Spielraum für politisches Handeln). Rainer Kaufmann 15

Unsere Städte und Gemeinden Das wohl meisifotografierte Donaueschinger Motiv: die Türme der Stadtkirche St.Johann vor der Kulisse des Schlosses 16 Im Blick auf das 1100:Jahr:Jubiläum Die Wunden der „Reform“-Zeit sind in Donaueschingen nahezu vernarbt In einer -wie Max Rieple sie zu nennen pflegte -„Landschaft der weiten Horizonte“ liegt Donaueschingen, die noch immer bekannteste Stadt des Schwarzwald-Baar­ Kreises. Der Donau-Ursprung und das Schloß, die Musiktage und das Reitturnier, die Kaiserbesuche von einst und das Fürsten­ berg-Bier von heute lassen bundes-oder europaweit den Namen dieser Stadt den Menschen vertrauter erscheinen als jenen der zwar mehr als viermal so großen, aber immer ein wenig synthetisch anmutenden Doppel­ und neuen Kreishauptstadt Villingen­ Schwenningen. Dennoch hat sich das Mittelzentrum Donaueschingen nur mühsam von den Fol­ gen jener „Reform“-Zeit erholt, die zu Beginn der siebziger Jahre seine beiden nörd­ lichen Nachbarn sich zusammenschließen und stark werden sah, die aus 63 baden-würt­ tem bergischen Landkreisen 35 machte und die unter den 28 aufgelösten Kreisstädten dann auch Donaueschingen fand -als der neben Hechingen in ihrer Zentralität am stärksten getroffenen Stadt. Immerhin ist es in der Folgezeit an der Klagemauer dieses Verlustes auch gelungen, Sondermittel nach Donaueschingen zu holen, die der Fortent­ wicklung dieser Stadt wesentliche Impulse gegeben haben. Jetzt, da sich Donaueschingen auf seine 1100-Jahr-Feier 1989 vorbereitet, sind die Wunden von einst nahezu vernarbt. Die Stadt am Zusammenfluß von Brigach und Breg, 1908 von einem katastrophalen Brand zu einem Drittel verwüstet, ist gewiß älter als die elf Jahrhunderte, auf die die „Hauptstadt der Südbaar“ demnächst zurückblicken kann, doch die erste urkundliche Erwähnung findet sich halt erst aus dem Jahre 889. Ins bekanntere Licht der Geschichte freilich tritt Donaueschingen, als es 1488 zum Haus Für­ stenberg kommt und vor allem in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.1723 verlegen die Fürstenberger Sitz und Verwaltung an die damalige Donauquelle und lassen in rascher Folge ihr prächtiges Schloß und die in böh­ mischem Barock ausgeführte Stadtkirche St. Johann entstehen und in deren Umfeld eine Reihe eindrucksvoller Bauten, die noch heute die „Skyline“ der Kernstadt prägen

Jugendstil-Bau nach dem großen Stadtbrand von 1908: das Donaueschinger Rathaus und die zu den Attraktionen der auswärtigen Besucher gehören. Der „höfische“ Charakter dieser nach der Säkularisierung 1810 zur Stadt erhobenen zweitgrößten Gemeinde des Schwarzwald­ Baar-Kreises und ihre ausgeprägte Beamten­ struktur mögen dazu beigetragen haben, daß Donaueschingen heute ein duales wirt­ schaftliches Fundament hat: In den Ent­ scheidungen der Kommunalpolitiker gehört das Bemühen um Fremdenverkehr auf der 700 Meter hohen, einst als „Kornkammer Badens“ gepriesenen Baar gleichwertig neben die Anstrengung, umweltfreundliche Industrie zusätzliche Arbeitsplätze schaffen zu lassen. Denn trotz einer verkehrsgünstigen Lage im Schnitt der Straßenverbindungen Straß­ burg/Offenburg – Konstanz, Stuttgart – Schaffhausen/Zürich und Freiburg -Tutt­ lingen/Ulm ist Donaueschingen nie zu einer Industriestadt geworden. Nur wenige, eher mittelständisch dimensionierte Unterneh­ men -die F.F. Brauerei, drei feinmechanisch­ elektronisch ausgerichtete Betriebe, eine Kammgarnspinnerei – wählten Donau­ eschingen als Standort und bringen es im Verein mit Handel und Handwerk auf ein Gewerbesteueraufkommen von knapp zehn Millionen Mark. Doch das Fehlen einer aus­ gesprochenen Industriedichte ersparte der Stadt in den letzten Jahren der Wirtschafts­ krise auch jene Arbeitsplatz-und Beschäfti­ gungsprobleme, wie sie etwa für Villingen­ Schwenningen typisch geworden sind. Im Gegenteil: die Zahl der Beschäftigten in den Donaueschinger Betrieben ist im letzten Jahrzehnt nochmals um rund 500 gestiegen. 17

Zumindest gehalten hat sich -ebenfalls im Gegensatz zur Kreishauptstadt-die Zahl der Einwohner; sie liegt seit dem Abschluß der Eingemeindungen im Jahre 1975 bei rund 18 500, nachdem Donaueschingen im Zuge der Verwaltungsreform um sieben Nachbargemeinden als neue Stadtteile gewachsen war. Nicht ohne Kampf, denn fast alle von ihnen hatten auch „Hochzeits­ Angebote“ anderer Zentralgemeinden. Den­ noch entschieden sich die beiden „Schwarz­ wald-Stadtteile“ Wolterdingen (1270 Ein­ wohner) und Hubertshofen (320) ebenso für die Eingemeindung nach Donaueschingen wie Grüningen im Brigachtal (720), die bei­ den Ostbaar-Nachbarn Aasen (1000) und Heidenhofen (210) und die im Donauried gelegenen Pfohren (1230) und Neudingen (680). Schon im Dritten Reich waren Aufen und Allmendshofen Donaueschingen arron­ diert worden. Dennoch hat die Stadt in der Gemeinde­ reform ein wesentliches Ziel verfehlt: „Große Kreisstadt“ zu werden ungeachtet des Ver­ lustes seines Landratsamtes. 20 000 Einwoh­ ner waren dafür erforderlich -und die nun dazu unwiederbringlich fehlenden 1500 wären nach heutiger Einschätzung leicht zu erreichen gewesen, wenn sich der damalige Bürgermeister Schrempp so rechtzeitig auf „Eingemeindungs-Tour“ begeben hätte wie seine Nachbarkollegen. Tannheim und die gesamte Ostbaar, damals allesamt Gemein­ den des Landkreises Donaueschingen, hät­ ten sich wohl ebenso gerne für die Einge­ meindung nach Donaueschingen entschie­ den wie für Villingen-Schwenningen und Bad Dürrheim, wenn sie rechtzeitig Donau­ eschinger Interesse registriert und ein attrak­ tives Angebot erhalten hätten. Mistelbrunn, der vorgesehene achte Stadtteil, entschied sich nach einer allzu flapsigen Bemerkung Schrempps für den Weg nach Bräunlingen. Erfolglos bleiben mußten hingegen alle Bemühungen um eine „Annektierung“ der Nachbarn Hüfingen und Bräunlingen. Die Angebote der »Aktion Große Kreisstadt“ begriffen Bürgermeister und Gemeinderäte 18 dort mehr als Gefahr denn als Chance und lehnten sie rundweg ab. Konsequent war so auch ihre Klage vor dem baden-württember­ gischen Staatsgerichtshof gegen den von der Landesregierung verordneten „Gemeinde­ verwaltungsverband Donaueschingen“, in dessen Verbandsversammlung Hüfingen und Bräunlingen nach ihrer Niederlage vor Gericht 1976 nun aber mitarbeiten. Doch über den „Mindestkatalog“ Flächennut­ zungsplanung und Klärwerksbetrieb hinaus machen sie diesem Verband keinerlei Zu­ geständnisse, die Donaueschingen als Zu­ gewinn an neuer Zentralität interpretieren könnte. So umfaßt die Stadt heute eine Gemarkungsfläche von rund 100 Qyadrat­ kilometern; 2400 Hektar davon sind Wald. Zentralität gewonnen hat Donaueschin­ gen durch das „Abschiedsgeschenk“ des ein­ stigen Landkreises, das 1974 eingeweihte Kreiskrankenhaus, das sich bei seinen Patien­ ten eines vorzüglichen Rufes erfreut und eine überdurchschnittliche gute Belegung aufweist. Zentralität bezieht Donaueschin­ gen auch durch seine beiden übrigen Klini­ ken, durch seine Lehrerfortbildungsakade­ mie, durch seine Funktion als Schulstadt, durch seine Facharzt-Ausstattung, durch die ihm trotz der Reform verbliebenen Ämter (das für die gesamte Region der Landkreise Schwarzwald-Baar, Tuttlingen und Rottweil zuständige Straßenbauamt, das für den Kreis kompetente Landwirtschaftsamt mit Land­ wirtschaftsschule und die Finanzamts­ Außenstelle), durch den Sitz der Volkshoch­ schule Baar und die für das gesamte Städte­ dreieck wirksame Jugendmusikschule sowie durch den bedeutendsten Flugplatz der Region, auch wenn sich die vor eineinhalb Jahrzehnten entwickelten Pläne eines „Regionalflughafens“ mit 2000-Meter-Roll­ bahn nicht haben verwirklichen lassen. Zen­ tralität schließlich durch einen leistungsfähi­ gen Fachhandel und drei Großeinkaufsstät­ ten, zu deren Kunden auch viele Menschen aus dem nahen Hochschwarzwald zählen. Regiert worden ist die traditionell als libe­ ral geltende Stadt am Donau-Ursprung, von

deren 31 Stadträten heute zwölf die CDU/ JU, neun die FDP/FW, sechs die SPD und je zwei die Grünen und die Gemeinschaft Unabhängiger Bürger (GUB) stellen, nach dem Zweiten Weltkrieg von drei Bürgermei­ stern: von Leopold Meßmer (1945 bis 1953, SPD), Robert Schrempp (1953 bis 1973, par­ teilos) und von Dr. Bernhard Everke (seit 1973, CDU). Wesentlichen Anteil an der Gestaltung und am Bild dieser Stadt hat indes nach wie vor das Fürstenhaus. Schloß­ herr Joachim Fürst zu Fürstenberg (63) und seine Frau Paula Fürstin zu Fürstenberg (60) sind Mäzene für viele Einrichtungen, die sich die Stadt ohne ihr ideelles und vor allem finanzielles Zutun wohl kaum würde leisten können oder wollen. Des Fürsten Förderung der „Donau­ eschinger Musiktage“, denen für die zeitge- nössische Tonkunst eine führende Rolle in der Welt zugeschrieben wird, und des nach seinem tödlich verunglückten Bruder Kari benannten Donaueschinger Reitturnieres ist für das Image der Stadt am -touristisch noch immer völlig unerschlossenen – Donau­ Ursprung ebenso unverzichtbar wie die Für­ stenberg-Sammlungen, das F.F. Archiv und die benachbarte Hofbibliothek, der große Park als der „grünen Lunge“ von Donau­ eschingen und nicht zuletzt das Schloß auch als Stätte sprichwörtlicher „fürstlicher“ Gast­ freundschaft. Vor allem aber ist „Fürsten­ berg“ für die Stadt auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, auch wenn die von Gene­ ralbevollmächtigtem Dr. Dieter Eckart in den letzten Jahren eingeleitete Bereinigung der herkömmlichen Struktur des Firmen­ lmperiums bislang ausschließlich zum Ver- Einst Städtisches Krankenhaus: die Lehrerfortbildungsakademie Donaueschingen 19

kauf einheimischer F.F. Unternehmen ge­ führt und neues Kapitel-Engagement ledig­ lich auswärts gebracht hat. Nach drei Höhepunkten im Jahre 1986, die Donaueschingen einmal mehr wirkungs­ voll in den Medien plaziert haben -die Junioren-Weltmeisterschaft der Gewicht­ heber, die Edelstein-Ausstellung und der erste in Donaueschingen ausgerittene „Preis der Nationen“ anläßlich des Reitturnieres-, konzentriert sich die Stadt nunmehr auf ihr Jubiläumsjahr, in dem sich Höhepunkt an Höhepunkt reihen wird. Denn um die aus­ giebige Feier des llOOjährigen Bestehens sind im Terminkalender für 1989 auch die baden­ württembergischen Landeskunstwochen, die 25-Jahr-Feier der Deutsch-Französischen Gesellschaft mit dem J urnelage-J ubiläum der dann 25jährigen Partnerschaft mit der unter­ elsäßischen Rosenstadt Saverne, das 150jäh­ rige Bestehen der Bezirkssparkasse Donau­ eschingen als der Marktführerin unter den sechs Banken der Stadt, das 125jährige Beste­ hen des Turnvereins 1864 sowie als Abschluß und kommunalpolitischer Höhepunkt der Bürgermeisterwahlkampf zu plazieren. Doch alle „Highlights“ dieser Art machen nicht allein das Zusammenleben der Bürger aus -auch in Donaueschingen ist „Alltags­ kost“ die Regel: der Kampf der Stadträte um die -auch zwischen Kernstadt und Stadttei­ len -gerechte Verteilung des 60-Millionen­ Etats der Stadt, das Leben in den rund 150 Vereinen, deren erfolgreichster in den letzten Jahren die Gewichtheber gewesen sind, die zweimal die bundesdeutsche Mannschafts­ meisterschaft an die „Donauquelle“ holten, die Erhaltung der Umwelt in einer Stadt, die einst stark unter dem Durchgangsverkehr von gleich drei Bundesstraßen litt und im letzten Jahrzehnt von der Blechlawine Stück um Stück befreit worden ist, die Neugestal­ tung der Sanierungsbezirke um die Donau­ halle, am Rathausplatz oder etwa am einsti­ gen „Proviantamt“, auf dem im Frühjahr 1986 endlich die häßlichen Wehrmachts­ und Franzosenbauten gesprengt werden konnten. 20 Daß Donaueschingen gerade auf diesem Gebiet ein gesundes Kompromiß-Maß an ,,Flächen“-und an „Objektsanierung“ gefun­ den hat, zeigt neben diesem Abriß die Erhal­ tung des 400 Jahre alten „Schell’schen Hau­ ses“, das mit einem Aufwand von fast zwei Millionen Mark sorgsam restauriert und zum neuen Domizil für die Städtische Jugendmusikschule geworden ist. Es bildet im architektonischen Kontext des künftigen „Bürger-und Kulturzentrums“ mit einem ebenfalls von Grund auf sanierten, 200 Jahre alten Gebäude, der einstigen „Knaben­ schule“, als Verwaltungsgebäude, einer Reihe neuer oder sanierter Geschäftsbauten, Donaueschingens erster Tiefgarage, der künftigen Stadtbibliothek und mit dem in Bau befindlichen Max-Rieple-Platz das Kernstück eines urbanen Stadtbereiches, der Donaueschingen bislang gefehlt hat. Dieses ,,Schell’sche Haus“, das 1778 auch Donau­ eschingens erstes Gymnasium beherbergt hatte, stellt dieser „Almanach“ an anderer Stelle ausführlich vor. Gerhard Kiefer * Bauer sein ist hartes Sein, ist ein ewig schweres Ringen um des Bodens Fruchtbarkeit durch den Halm ins Brot zu zwingen. Bauer sein heißt Gott vertraun, heißt auf Erden Leben nähren, dafür wird ihm reicher Lohn aus dem Meere goldner Ähren. Bauer sein heißt Schnitter sein, heißt sein Ich der Arbeit weihn, heißt dem grimmigen Hunger wehren und den Herrn im Brot verehren. Andreas Haas Bauer sein

Das „Schell’sche Haus“ generalsaniert Über 400 Jahre alt und in einem derben Fasnetreim verewigt Mehrfach hat nur das Diktat der Außen­ stelle Freibung des Landesdenkmalamtes die Erhaltung alter Bausubstanz in Donau­ eschingen erzwungen; so hätte beispielsweise die Volksbank den einstigen „Adler“ am Rathausplatz Mitte der siebziger Jahre weit lieber abgerissen, als ihn für rund eine Mil­ lion Mark Mehrkosten zum modernen Bankgebäude umzubauen, wenn die Freibur­ ger „Denkmal-Päpste“ nicht entschieden nein gesagt und die Erhaltung von zumin­ dest drei Seiten des Jugendstil-Baues aus der Zeit nach dem verheerenden Stadtbrand von 1908 verfügt hätten. Unverzüglich abgeris­ sen worden wären auch die zusammenge­ bauten Häuser Josefstraße 6/8, wenn „Frei­ burg“ nicht erhaltenswerte Architektonik entdeckt und den Bagger gebremst hätte. Und auch für die Erhaltung des jetzigen Ver­ waltungsgebäudes Karlstraße 58 gab es lange im Gemeinderat keine Mehrheit. Erst das definitive Veto des Landesdenkmalamtes gegen die „Flächensanierung“ selbst bei Zu­ sage eines gleichartigen Neubaues stimmte die Ratsherren zur Sanierung um. Für ein Objekt im „Ensemble“ an der Unteren Karlstraße jedoch brauchte es dieses Diktat der Denkmalschützer nicht: Für das sogenannte „Schell’sche Haus“, das vor drei Jahren zum Domizil der Städtischen Jugend­ musikschule geworden ist Der dreigeschos­ sige Bau auf einem Geländeabsatz gegenüber der Stadtkirche St Johann ist mehr als 400 Jahre alt und eines der letzten Häuser der Mehr als 400 Jahre alt: Das als Domizil der Städtischen Jugendmusikschule von Grund auf sanierte „Schell’sche Haus“ in Donaueschingen 21

fast zwei Millionen Mark, die die Sanierung buchstäblich von Grund auf gekostet hatte – ein Preis, der bei der Einweihung als ange­ messen empfunden wurde. Immerhin hatte nach zehnjährigem „Nomadendasein“ und weiteren zehn Jahren in einem zu Abbruch bestimmten Haus die Jugendmusikschule endlich ein Domizil für Dauer erhalten. Schule indes war im „Schell’schen Haus“ schon zwei Jahrhunderte zuvor gehalten worden: Das erste Donaueschinger Gymna­ sium wurde 1778 dort untergebracht und blieb für mehr als 104 Jahre dort. Danach jedoch überwog die gewerbliche und die Wohn-Nutzung. Die Räume erwiesen sich nach ihrem Umbau als für die Jugendmusik­ schule sehr geeignet -das dicke Mauerwerk sorgt für Lärmschutz von (und nach) außen. Und in den Kellergewölben entstand nun sogar noch ein Raum, den es seiner Art nach in Donaueschingen noch gar nicht gegeben hatte: Eine Bühne der Kleinkunst aller Art. So originalgetreu dieses historische Haus auch saniert worden ist: einmal inszenierten Stadtbauamt und Handwerker mit Zustim­ mung des Denkmalschutzes einen Kunst­ griff: eines der Fenster an der Südwand zwi­ schen den hübschen Ornament-Malereien der zum Giebel aufsteigenden Hauskanten existiert gar nicht -es ist, um die sonst voll­ kommen erscheinende Symmetrie nicht zu zerstören, auf den frischen Putz exakt so auf­ gemalt worden wie die wirklichen Fenster darunter, daneben und darüber. Gerhard Kiefer * Innenstadt mit typischen Baaremer Staffel­ giebeln. Allein der Respekt vor seinem Alter, seiner Geschichte und seiner architektoni­ schen Schönheit ließen Stadtverwaltung und Gemeinderat von vornherein nicht an einen Abriß denken, zumal eine bautechnische Untersuchung rasch erwies, daß seine Sub­ stanz eine Erhaltung durchaus lohnte. Glück­ licherweise ging es nicht darum, einen bis in die Fundamente maroden Altbau mit hohem Aufwand allein seiner Historie wegen vor dem Einsturz zu bewahren. Seinen Namen bezog das „Schell’sche Haus“ vom Bäcker Schell, auf dessen wuch­ tige Gestalt sich die Donaueschinger im übri­ gen einen derben Fasnet-Reim machen. Er hatte noch zu Beginn dieses Jahrhunderts im Erdgeschoß seine Bäckerei betrieben, ehe das schöne Haus noch in den siebziger Jahren kommerziellen Zwecken diente und zuneh­ mend unter der Verwahrlosung seiner Nach­ barschaft litt. Immerhin ist die Generalsanie­ rung dieses Objekts dann auch zur Initial­ zündung zur Rettung just dieses einst wüsten Umfeldes geworden. Das Ende dieser „Auf­ räumarbeiten“ wird ein völlig erneuerter, urban gewordener Stadtbereich sein mit dem Max-Rieple-Platz als städtischem Zentrum, dem die Jugendmusikschule im einstigen „Schell’schen Haus“ ebenso Leben verleiht wie die neue Stadtbibliothek, das Verwal­ tungsgebäude, die erste Tiefgarage der Stadt und eine ganze Reihe neuer Geschäftsbauten im Umfeld zusätzlich sanierter Objekte. Für die Bauleute in der Regie des damali­ gen Donaueschinger Stadtbaumeisters Hans-Uwe Kuhn ist die Sanierung dieses Hauses zum Abenteuer geworden. Beim Freilegen der überraschend gut erhaltenen Balken kamen auch Fresken zum Vorschein, entdeckte man zugemauerte Fenster und historische Bretterböden; auch diese Details zählten zum erhaltenswerten Aufgabenbe­ reich, dem sich die Stadt nicht entziehen konnte und für den sie auch Mehrkosten in Kauf nehmen mußte, auch wenn denkmal­ schutz-spezifische Arbeiten bezuschußt wer­ den konnten. Am Ende waren es dennoch 22

Klaus Schnibbe: Das Wappen der Stadt Donaueschingen Wappen: Geteilt von Silber und Blau, darin ein sechsspeichiges Rad in verwechselten Farben. Verschiedene Formen des Donaueschinger Wappens: Nr. (1) 18.Jahrh. (2) nach 1810 (3) um 1825 Erst seit 1895 wird dieses Wappen (Nr. 6) geführt. -Zwar wurde die fürstlich fürsten­ bergische Residenz schon im Jahre 1810 von Großherzog Karl Friedrich von Baden in den Rang der Städte erhoben -gewissermaßen als Entschädigung für den Verlust der Lan­ deshoheit bei der Eingliederung des Fürsten­ tums in das von Napoleon 1806 neugeschaf­ fene Großherzogtum Baden. Das erklärt, warum Donaueschingen kein altes Wappen besitzt, wie unsere mittelalterlichen Städte Bräunlingen, Fürstenberg, Geisingen, Hüfin­ gen, Löffingen, Neustadt, Villingen oder Vöhrenbach. Doch hat die Stadt vor dem Radwappen eine ganze Reihe verschiedener Wappen geführt, die alle das alte Fleckenzeichen, den Sester, enthielten. – ,,Sester“ ist die Bezeich­ nung eines alten Getreidehohlmaßes; doch dürfte das Zeichen nur wegen seiner entfern­ ten Ähnlichkeit mit der Draufsicht auf ein solches Maß diesen Namen führen, also kei­ nen wirklichen Sester wiedergeben. -Solche Zeichen waren in Südwestdeutschland vie­ lerorts als Gemerke in Gebrauch (noch heute führt z.B. die Stadt Gaggenau einen „Sester“ im Wappen). In Donaueschingen war der Sester auf alten Marktsteinen eingehauen, und in der 2.Hälfte des 18. Jahrhunderts stand er im Wappen des SIG · D · M · FLEKEN · DONAVESCHINGEN (Sigi!! des Markt- (4) nach 1820 (5) um 1870 (6) 1938 flecken D.) -Welche Farben dieses Wappen (Nr. 1) hatte, ist leider unbekannt. Nach dem Übergang des Fürstentums Fürstenberg an Baden und nach der Stadter­ hebung ließ man ein neues SIGIL · DER· STADT · DONAUESCHINGEN stechen, das ein neues Wappen zeigt: In Gold der(rote) fürstenbergische Adler, der den Sester in den Fängen hält (Nr. 2). Dieses Siegel wurde bis 1892 benutzt. Doch kam in den Zwanziger­ jahren des vorigen Jahrhunderts ein weiteres Siegel in Gebrauch mit einem Wappen, das deutlich dem damaligen badischen Staats­ wappen nachempfunden ist: Schräglinksge­ gerlöwen“ der Sester (Nr. 3). Als Schildhalter fungierte ein gekrönter Greif! -Später wird die obere Schildhälfte dem 1830 geänderten teilt von Purpur und Rot, oben ein goldener Schrägbalken, unten statt des goldenen „Zährin­ Abb. 7: Wappen von heute 23

Herbst 1945 den Gemeinderat, dieses schöne Wappen abzulegen und wieder das Wappen von 1895 anzunehmen. Qu e l l e n u n d L i t e r a t u r: Generallandesar­ chiv Karlsruhe, Wappenakten Stadt Donau­ eschingen. -GLA Siegelkartei Schwarzwald-Baar­ Kreis. – Stadtarchiv Donaueschingen (alle Akten aus der Zeit vor 1908 beim Stadtbrand vernichtet). – X. S t i eh I e: Wappen und Siegel sämtlicher Städte des Großherzogtums Baden, nach amtl. Q!iellen, Baden 1840. – N . G a u t s c h i n : J. Sieb­ macher’s Großes Wappenbuch, Bd. 1. 4. Abth. Wappen der Städte und Märkte in Deutschland und den angrenzenden Ländern, Nürnberg 1885 ff. (Nachdruck, Bd. 6, Neustadt/ Aisch 1974). -J. Ki n d l e r v . Kno b l o c h: Oberbadisches Ge­ schlechterbuch, Bd. 1, Heidelberg 1898. – F. Fr a n k h a u s e r u. A. Kr i e g e r: Siegel der badi­ schen Städte, 3. Heft, Heidelberg 1909. – 0. H u p p: Deutsche Ortswappen, hrsg. Kaffee HAG, Bremen o.J. (ca. 1927). – 0. Fa h r n y: Die Wappenteppiche im Hause des Landes Baden­ Württemberg in Bonn, Stuttgart/Bonn 1956. – E. Key s e r: Badisches Städtebuch, Stuttgart 1959. – K. S t a d l e r: Deutsche Wappen, Bundesrepublik Deutschland, Bd. 8, Die Gemeindewappen des Bundeslandes Baden-Württemberg, Bremen 1971. – G . G o e rl i p p: Vom Sester zum sechsspeichi­ gen Rad, in: Amtsbl. d. Stadt Donaueschingen 10 (1979) Nr. 4. -K. S c h n i b b e: Gemeindewappen im ehemaligen Landkreis Donaueschingen, in: Schriften … der Baar, Donaueschingen, Bd. 33 (1980). * ein roter Schrägbalken, während die untere Hälfte mit dem Sester jetzt schräggeteiltvon Silber badischen Staatswappen angepaßt: In Gold und Blau ist (Nr. 4). Schildhalter ist diesmal ein gekrönter Adler, der das Wappen auf der Brust trägt. Die Farben sind in den Siegeln durch die üblichen heraldischen Schraffuren angedeu­ tet. Eine farbige Darstellung gibt X. Stiehle 1840 auf einer Wappentafel der badischen Städte. Es zeigt sich hier, daß der Sester, der auf den Siegeln immer ohne Farbandeutung geblieben war, wohl „natuifarben“ gedacht war: Er ist hellbraun wiedergegeben. Auch später wird er mal als „broncefarben“ mal als ,fleischfarben“ beschrieben -eine in der He­ raldik ganz unmögliche Färbung! -Um 1870 wird ein einfacheres Wappen eingeführt: es besteht aus einem von Silber und Blau geteilten Schild mit auferlegtem Sester (Nr. 5). Auch dies­ mal ist der Sester „broncefarben “. Überhöht wird der Schild von einer (hellbraunen) Mauerkrone, einem damals üblichen „Rang­ abzeichen“ für Städte. Als die badische historische Kommission im Jahre 1891 begann, die Wappen der badi­ schen Gemeinden zu erfassen und festzule­ gen, schlug das Generallandesarchiv vor, statt des etwas allgemeinen Sesterzeichens eine „Radscheibe“ins Wappen aufzunehmen. Diese soll die Erinnerung wachhalten an das schon im 15. Jahrhundert erloschene Orts­ adelsgeschlecht der Herren von Eschingen, die in Blau drei goldene Radscheiben im Wappen hatten. Die Stadt nahm den Vorschlag an und führte seitdem das eingangs beschrie­ bene Wappen (Nr. 6). Die silber-blaue Tei­ lungwurde einfach aus dem vorhergehenden Wappen Nr. 5 übernommen -vermutlich leiten sich diese Stadtfarben aus dem silber­ blauen Wolkenfeh-Schildrand desfarstenber­ gischen Wappens her. Vor dem letzten Kriege wurde das Wap­ pen auf Vorschlag des Generallandesarchivs vereinfacht: In Blau ein silbernes Rad (Nr. 7). – Da die Verleihungsurkunde jedoch 1938 vom damaligen Gauleiter unterschrieben war, veranlaßte Bürgermeister L. Meßmer im 24

Schulen und Bildungsstätten Berufsakademie Villingen-Schwenningen Seit über 10 Jahren: Staatliche Studienakademie im Schwarzwald-Baar-Kreis Vor gut 10 Jahren fiel die Entscheidung, die dritte Berufsakademie in Villingen­ Schwenningen zu errichten. Anders als die beiden im Vorjahr in Mannheim und Stutt­ gart gegründeten Akademien siedelte man sie bewußt nicht in einem industriellen Bal­ lungsraum, sondern im schwächer industria­ lisierten Schwarzwald-Baar-Kreis an. Die Berufsakademie Villingen-Schwen­ ningen war ein Experiment: sie sollte -im Verein mit den anderen Berufsakademien – einer von Jahr zu Jahr steigenden Zahl von Abiturienten einen neuen Weg zu attrakti­ ven Berufsqualifikationen außerhalb der Hochschulen weisen; sie sollte durch Praxis­ nähe die zunehmende Kluft zwischen Bil­ dungswesen und Arbeitswelt schließen hel­ fen und dazu beitragen, der beruflichen Bil­ dung und der Bewährung im praktischen Berufsleben wieder einen höheren Rang im Sozialprestige zu erkämpfen. Der Berufsakademie Villingen-Schwen­ ningen waren jedoch weitergehende Auf­ gaben im Rahmen des Modellversuchs zuge­ wiesen: sie sollte die „Bildungsreserven“ der Region mobilisieren; ihnen die Chance geben, an Ort und Stelle anspruchsvolle Aus­ bildungsgänge mit entsprechenden Karriere- VS-Schwenningen, Schramberger Straße, in diesem Gebäude sind der Ausbildungsbereich Wirtschaft, das Rechenzentrum und die Verwaltung der Akademie untergebracht. 25

letzteren chancen auf dem Arbeitsmarkt der Region zu durchlaufen. Und sie hatte den Nachweis zu erbringen, daß Berufsakademien auch außerhalb der Ballungszentren von mittel­ ständisch strukturierten Wirtschaftsräumen getragen werden. Heute, gut 10 Jahre nach Gründung der Akademie, läßt sich die Frage, ob das Experi­ ment geglückt ist, eindeutig positiv beant­ worten: ihre Entwicklung übertraf alle Erwartungen. Rund 700 Stupenten sind es inzwischen, die an der Berufsakademie Vil­ lingen-Schwenningen studieren; das sind 10 % aller an Berufsakademien eingeschriebe­ nen Studenten. Hinter diesen Studenten ste­ hen mehr als 100 Industriebetriebe, 70 Ban­ ken und 80 Steuerberater, die im Ausbil­ dungsbereich Wirtschaft die praktische Aus­ bildung tragen und rund 100 Sozialeinrich­ tungen, Partner in der Ausbildung von Diplom-Sozialpädagogen der Berufsakade­ mie. Unter ist zweifellos der Schwarzwald-Baar-Kreis mit seinen Sozial­ einrichtungen der am stärksten engagierte Berufsakademie-Partner: er hat bisher insge­ samt 75 Abiturienten aus der Region ein Stu­ dium der Sozialpädagogik an der Berufsaka­ demie Villingen-Schwenningen ermöglicht. Aber nicht nur die Entwicklung der Stu­ dienanfängerzahlen ist beeindruckend. Erfreulicher noch sind die guten beruflichen Chancen der Absolventen der Berufsakade­ mie. Eine Umfrage unter den BA-Absolven­ ten des Ausbildungsbereiches Wirtschaft der Studienjahre 1975-1982 ergab: – 75 % aller Absolventen wurden als Mit­ arbeiter in ihrem Ausbildungsbetrieb ein­ gestellt; – 80 % aller Absolventen sehen ihre Erwar­ tungen an die Qualität der von ihnen aus­ geübten beruflichen Tätigkeit als erfüllt oder gar übertroffen an. – 60 % der Absolventen der ersten vier Jahr­ gänge sind inzwischen in Management­ Positionen aufgestiegen. Selbst für die an der Berufsakademie aus­ gebildeten Sozialpädagogen gilt die Aussage, daß ihre beruflichen Aussichten relativ gut 26 und besser sind als die ihrer Kollegen aus anderen Studieneinrichtungen. Dabei waren die Anfänge der Berufsaka­ demie Villingen-Schwenningen eher be­ scheiden: mit ganzen 15 Studenten begann das erste Studienjahr 1975/76. Sieben Indu­ striebetriebe und vier Banken stellten die ersten Ausbildungsplätze. Die Staatliche Stu­ dienakademie bestand aus zwei hauptamtli­ chen Kräften, untergebracht war sie in zwei angemieteten Räumen. Aber schon in den nächsten Jahren begannen die Abiturienten auf die stark praxisorientierten Studiengänge der Berufsakademie anzusprechen, und mehr und mehr Wirtschaftsunternehmen entschieden sich für sie bei der Ausbildung qualifizierter Nachwuchskräfte. Mit dem im Jahre 1976 gegründeten Aus­ bildungsbereich Sozialwesen beteiligten sich erstmalig auch Sozialeinrichtungen an einer dual angelegten Berufsausbildung. Im Ausbildungsbereich Wirtschaft führ­ ten Anstöße der beruflichen Praxis zu neuen Studienangeboten, die der Berufsakademie Villingen-Schwenningen zu steigender At­ traktivität verhalfen: so die Fachrichtung Steuern, in der Steuerberater und Staatliche Studienakademie gemeinsam eine neue Aus­ bildungsqualität für den steuerberatenden Beruf schaffen; die Fachrichtung Datenver­ arbeitung, mit der sich die Berufsakademie Villingen-Schwenningen neuen Arbeitsfeld mit großer Zukunft zugewandt hat. Letztes Beispiel für die qualitative Weiter­ entwicklung der Berufsakademie Villingen­ Schwenningen ist das Studienangebot ,,Außenhandels-Marketing“, das die Berufs­ akademie Villingen-Schwenningen als Mo­ dell für alle Akademien erprobt. Es gilt der Ausbildung von Nachwuchskräften für die zunehmend exportorientierte Wirtschaft unseres Landes. Das bei ihrer Gründung gestellte Ausbau­ ziel von 400 Studenten hatte die Berufsaka­ demie Villingen-Schwenningen schon 1982 erreicht. Inzwischen war das Gebäude in der Schramberger Straße 26 im Stadtteil Schwen- einem

ningen der Akademie ganz zur Verfügung gestellt worden. Es wurde schon bald wieder zu klein. Im Herbst 1985, gerade rechtzeitig zum lOjährigen Jubiläum der Berufsakade­ mie Villingen-Schwenningen, ergab sich die schöne Gelegenheit, für den Ausbildungsbe­ reich Sozialwesen ein gut geeignetes zweites Gebäude auf der Frühlingshalde in Schwen­ ningen anzumieten. Die Akademie hofft-nach Jahren stürmi­ scher Expansion -jetzt in eine Phase der Konsolidierung einzutreten. Sie möchte nicht über 700 Studenten hinauswachsen, weil sie die Vorteile einer relativ kleinen, überschaubaren Einrichtung als Qialitäts­ merkmal schätzt: die individuelle Betreuung ihrer Studenten, das Arbeiten in kleinen Gruppen, die Pflege eines intensiven Kon­ taktes zur beruflichen Praxis. Der qualitative Ausbau der Berufsakade­ mie Villingen-Schwenningen hingegen muß weitergehen. Das Studienangebot ist anzu­ passen und weiterzuentwickeln, damit es auch in den nächsten Jahrzehnten für Abitu­ rienten und ihre zukünftigen Arbeitnehmer attraktiv bleibt -im Schwarzwald-Baar-Kreis wie auch jenseits der Grenzen unserer Rudolf Mann Region. Die Fachhochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen Im Almanach 80 (S. 80 ff) hat mein Amts­ vorgänger Aufgaben, Studienbetrieb und Organisation der Fachhochschule für Polizei vorgestellt. Die Ausbildung der Beamten des gehobenen Polizeivollzugsdienstes ist inzwi­ schen eingespielt. Bis Oktober 1985 sind in 5 Studiengängen 990 Beamtinnen und Be­ amte ausgebildet worden. Zwei weitere Jahr­ gänge mit zusammen 312 Studierenden befinden sich gegenwärtig in Ausbildung. Das herausragende Ereignis in der noch jun­ gen Geschichte der Fachhochschule aber ist die Fertigstellung des 1. Abschnitts des Neu­ baus am Westrand des Stadtteils Schwennin­ gen. Mit einem Architektenwettbewerb hatte die Oberfinanzdirektion Freiburg im Januar 1978 die Realisierung der bis ins Jahr 1977 zurückgehenden Planung eingeleitet. Im August 1978 empfahl ein Preisgericht, den von den Architekten Dipl.-Ing. Hoinkis und Stahl aus der Werkgemeinschaft Karls­ ruhe vorgelegten Entwurf zur Grundlage für das Bauvorhaben zu wählen. Nach ergänzen­ den planerischen Abstimmungen konnte am 5.April 1982 mit den ersten Erdarbeiten begonnen werden, am 9. August desselben Jahres wurden die Rohbauarbeiten für den das zentrale Hörsaalgebäude und den Sport­ und Mensabereich umfassenden 1. Bauab­ schnitt aufgenommen. Finanzminister Dr. Guntram Palm und der damalige Innenminister, Prof. Dr. Roman Herzog, konnten am 22. Oktober 1982 die Grundsteinlegung vornehmen. Nachdem am 18. Mai 1984 das Richtfest gefeiert wurde, konnten Ende August 1985 die im 1. Bauabschnitt errichteten Gebäude nach und nach bezogen werden und am 11. Oktober 1985 in einer Feierstunde durch Innenminister Dietmar Sehlee offiziell über­ nommen werden. Anläßlich eines Tages der offenen Tür hatte am 19. Oktober 1985 die Bevölkerung Gelegenheit zur Besichtigung. Mehr als 10 000 Besucher bewiesen, welch reges Inter­ esse die Fachhochschule für Polizei in der Region gefunden hat. Dies zeigt auch die 1983 erfolgte Gründung des „Vereins der Freunde und Förderer der Fachhochschule für Polizei e. V.“ unter dem Vorsitz von Oberbürgermeister Dr. Gebauer. Auch nach der Fertigstellung des 1. Ab­ schnittes gehen die Bauarbeiten auf dem Areal der Fachhochschule weiter. Die 27

Außenanlagen müssen noch Gestalt anneh­ men; im Frühjahr 1986 wurde in einem 2. Bauabschnitt mit den westlich und nördlich um den Zentralbau angeordneten Unter­ kunftsgebäuden begonnen. Zentralgebäude und Sportstätten jedoch werden ebenso wie die Kücheneinrichtun­ gen bereits genutzt. Der 4stöckige Zentral­ bau besteht aus einem Kerngebäude und einem umliegenden Kranz aus Verwaltungs­ räumen. Im Kerngebäude sind auf 3 Oberge­ schoßebenen alle Räume für den Unterricht angeordnet. Darunter liegt der talseitige Haupteingang mit einigen Verwaltungsräu­ men, Archiven und Nebenräumen. Auf glei­ cher Ebene sind Schutzräume in den Hang hineingebaut, da das Gelände im Bereich des Zentralgebäudes um eine Geschoßhöhe nach Norden ansteigt. Dadurch ergibt sich auch ein zweiter Zugang zum Zentralge­ bäude von Norden im l. Obergeschoß, der den künftigen 6 Wohngebäuden zugeordnet ist. Auf diesem Niveau liegt eine zweige- 28 schossige Halle mit einer umlaufenden Gale­ rie. Durch einen Höhensprung innerhalb der Fußbodenfläche bildet sich eine kleine Sitz­ arena. Von hier aus hat man Sichtkontakt über die verglaste Bibliothek in einen später begründeten Innenho( Da die Hörsäle ein größeres Raumvolumen benötigen und außerdem eine Tageslichtbeleuchtung er­ wünscht war, liegen sie auf der obersten Geschoßebene. Auf diese Weise wurden die Dachschrägen sinnvoll genutzt. Die sekto­ rale Form der Hörsäle fügt sich gut in die Rundform des Zentralgebäudes ein. Im westlichen Teil des Sport-und Mensa­ gebäudes ist als halbkreisförmiger, zweige­ schossiger Trakt der Mensa-und Cafeteria­ bereich untergebracht. Man erreicht den Haupteingang über eine Brücke, die in das Obergeschoß führt. Hier liegt das zentrale Treppenhaus mit den Zugängen für die Zuschauergalerie der Sporthalle sowie ver­ schiedene kleinere Sport-und Umkleide­ räume. Außerdem befinden sich hier die

Speiseausgabe und die Zugänge zu den Spei­ sesälen. Die Hauptküche liegt auf der glei­ chen Ebene. Im unteren Geschoß befindet sich die ebenerdig liegende Cafeteria mit den dazu gehörenden Versorgungsräumen. In die Hangsituation hineingebaut liegen verschie­ dene Vorrats- und Lagerräume für den Küchenbereich. Die 27 x 45 m große Sporthalle, die durch Trennwände untergliedert werden kann, ist auf der Ebene der Zuschauergalerie und im Untergeschoß mit dem Mensa-und Cafete­ riabereich verbunden. Sie wird außer für sportliche Aktivitäten für größere Veranstal­ tungen genutzt, daher ist auch eine beweg­ liche Bühne vorhanden. Alle Umkleide-und Duschräume liegen auf der oberen Galerie­ ebene, der darunter liegende Raum wurde für Sportgeräte und das Sportlehrerzimmer genutzt. Dahinter befinden sich, als Keller in den Hang eingebaut, eine Schießanlage und eine Kegelbahn. In einem weiteren östlichen Gebäudeteil liegt eingeschossig die Hei­ zungszentrale für das Gesamtprojekt mit allen notwendigen Energie-und Funktions­ räumen sowie der Garagen-und Werkstatt­ bereich. Auch die Kunst hat an der Fachhoch­ schule für Polizei ihren Platz gefunden. Im Treppenaufgang des Sport- und Mensa­ gebäudes hat der Ihringer Künstler Reinhard Klessinger die Lichtkuppel und die sie tra­ genden Betonflächen mit Objekten ver­ sehen, die unter Ausnutzung des im Tages­ ablauf wechselnden Lichteinfalls die Him­ melsrichtungen und die ihnen zugeordneten Tageszeiten Morgen, Mittag, Abend und Nacht gedanklich reflektieren. Die zweige­ schossige Halle des Zentralgebäudes ziert ein in lebhafter Farbstruktur gehaltenes, Wild­ wasser-Fahrer darstellendes Wandgemälde des Freiburger Künstlers Ralph Fleck. Dar­ über hinaus sind Bildwerke von Felix Schlen­ ker und Erich Villa aus Villingen-Schwen- Blick über die Dächer der Fachhochschule nach Schwenningen 29

Die Waldorf-Schulgemeinschaft baut Portrait der Rudolf-Steiner-Schule in Villingen-Schwenningen ningen, Jürgen Palmtag aus Hüfingen­ Sumpforen, Ernst Keller aus Karlsruhe und Hans Rath aus Freiburg vertreten. Für die Ausbildung des gehobenen Poli­ zeivollzugsdienstes des Landes Baden-Würt­ temberg konnte damit in Villingen-Schwen­ ningen eine moderne Bildungsstätte geschaf­ fen werden. Die räumlichen und technischen Voraussetzungen für die Gestaltung der Aus­ und später auch Fortbildung sind optimal. · Es mag für Nachbarn und Anlieger der Gemarkung „Roter Schneider“, am West­ rand Schwenningens ein ungewohnter Anblick gewesen sein: Wochen vor den Sommerferien 1985 eilten Scharen von Kin­ dern in eine Baustelle, bauten und halfen dort mit fröhlicher Umtriebigkeit oder lie­ ßen gar einen großflächigen Garten entste­ hen. Als dann noch an manchen Nachmitta­ gen, Abenden und an den Samstagen regel­ mäßig Erwachsene tätig wurden, war das Rät­ selraten noch größer. Wer steckte hinter die­ ser Gemeinschaftsarbeit? Allmählich, mit wachsendem Baufort­ schritt, sprach es sich herum, daß dort, am Rande eines dichten Wohngebietes, die neue Waldorfschule ihren Platz hat. Und auf der Baustelle, am Richtfest, spätestens jedoch am Tag der offenen Tür, konnte mancher Anlie­ ger und Interessent willkommenen Einblick nehmen. Mit Beginn der Sommerferien 1985 durf­ ten dann die Kinder der einzelnen Klassen ihren Umzug gestalten, ihre Möbel dem alten Gebäude entnehmen und der neuen Schule anvertrauen. So wuchsen die Kinder in ihr neues Gebäude, die Verbundenheit mit ,,ihrer“ neuen Schule war hergestellt. Das zwei-bis dreigeschossige Gebäude steht auf einem hinteren, höheren Gelände­ teil. Dem Geländeverlauf und der Grund- 30 Die Stadt Villingen-Schwenningen hat dar­ über hinaus einen weiteren interessanten städtebaulichen Akzent gefunden, dessen dem Gelände hervorragend angepaßte Strukturen mit der Vollendung der Unter­ kunftsgebäude und der Außenanlagen zur vollen Entfaltung kommen werden. Dr. Ralf Krüger Rektor und Professor stücksform folgend öffnet es sich zum vor­ gelagerten Eingangsbereich hin. Man er­ reicht es von den ausgelagerten Parkplätzen her über einen gut 100 m langen Fußweg und hat so die Möglichkeit, sich auf das Gesche­ hen in der Schule einzustimmen. Der asyme­ trische Baukörper paßt sich harmonisch dem leicht ansteigenden Gelände an. Trotz seines großen Ausmaßes wirkt er nicht wuchtig. Langweilige, langgezogene Außenwände sind ihm fremd. Die Fronten erfahren eine wohltuende, nicht übertriebene Auflocke­ rung durch leichte Verwinkelungen, die wie­ derum neugierig machen (wie mögen dann erst die Innenräume aussehen?). Das Auge erfaßt schnell die relativ große, über die Fassaden hinausgezogene Dachfläche, die formschön gekonnt, nach sechs Seiten abfal­ lend, das Gebäude nach oben hin abschließt. Die klare Linienführung, die sachlich gehal­ tenen Fenster, werden durch das künstlerisch gestaltete sandsteinerne Eingangsportal auf­ gelockert. Der Gesamtbau vermittelt eine gewisse Zeitlosigkeit, den Eindruck von Verwurze­ lung, Standfestigkeit und Gradlinigkeit. Mit seinem rosaroten Außenputz, der farblich wohltuend die Farben des angrenzenden Wäldchens und der benachbarten Wiesen ergänzt, macht das Gebäude, bei aller Trutzig­ keit, doch nur dezent auf sich aufmerksam.

Gesamtansicht des Schulgebäudes, dessen Realisierung in drei Bauabschnitten erfolgen soll.1985/86 fertiggestellt (1. Bauabschnitt) ist der rechte Seitenflügel. Geht der Blick in die südliche Richtung, so wird dem Betrachter abrupt bewußt, daß lediglich ein Torso vor ihm steht. Ist doch der heutige Bau nur der erste Bauabschnitt eines Bauvorhabens, das aus finanzwirtschaftli­ chen Sachzwängen heraus auf voraussicht­ lich drei Bauphasen verteilt werden muß. Der bereits stehende Baukörper bildet dann lediglich den rechten Seitenflügel der Schule. Wie auf der Zeichnung ersichtlich ist, wird verbunden durch einen Mittelbau (Festsaal), ein linker Seitenflügel den Gesamtbau abrunden. Doch das ist wünschenswerte Zukunft. Bleiben wir beim bisher Sichtba­ ren. Für die Außenanlagen, die im Frühjahr 1986 begannen, bestehen von Lehrern, Eltern und Architekten gemeinschaftlich erstellte Pläne, die wiederum versprechen harmonisch zum Gesamtbild zu passen. So finden wir ausschließlich heimische Pflan­ zen, die den Bedürfnissen unterschiedlicher Schülertemperamente Rechnung tragen sol­ len. Es wird bis in die Außenanlagen hinein spürbar, daß es sich bei der Gesamtanlage um eine pädagogisch durchdrungene Schulland­ schaft handelt. Mit diesem ersten Bauabschnitt ist es gelungen, alle dreizehn Klassen und einen Teil der erforderlichen Fachräume unterzu­ bringen. Die freundlich und einladend zuge­ schnittenen Flure führen in die je nach Schü­ leralter unterschiedlich konzipierten Klas­ senräume. Allen Zimmern eigen ist, daß sie räumlich versetzt, sechseckig und die Dek­ ken mit abfallenden Seiten holzverschalt sind. Dadurch wird eine aufgelockerte, nach oben öffnende Raumwirkung erzielt. Die farbliche Ausgestaltung richtet sich nach menschenkundlichen Erkenntnissen der Waldorfpädagogik. So hat jeder Klassen­ raum einen seiner Altersstufe und dem See­ lenleben entsprechenden Farbton, vom zar­ ten Rosa zum starken Blau. Extra erwähnt gehören die von der Groß­ zügigkeit her räumlich herausgehobenen Musik-, Eurythmie- und Handarbeitsräume. 31

ein durch Tageslicht ausgeleuchtetes Keller­ geschoß. Zusammenfassend kann festge­ stellt werden, daß das Raumprogramm die pädagogische Forderung nach einem Gleich­ gewicht der Fächer klar widerspiegelt. Wilfried W egener An der Frühberatungsstelle der Heimson­ derschule werden entwicklungsverzögerte Kinder im Vorschulalter betreut und geför­ dert. Die Beratungsstelle ist für das Gebiet Triberg, Schonach, Schönwald, Gütenbach, Vöhrenbach und Furtwangen zuständig. Die Kinder werden von qualifizierten Mitarbeitern gefördert, die Eltern entspre­ chend beraten. Im Anschluß an die Frühförderung und vor dem Schuleintritt als Tagesschüler besteht die Möglichkeit zum Besuch des Auch das Turnen kommt nicht zu kurz Die Heimsonderschule Furtwangen In den relativ großen Räumen, ergänzend fallt Naturlicht durch zusätzliche Oberlich­ ter, wird den schöpferischen Fächern der ihnen notwendige Entwicklungs-, Freiraum und Stellenwert gewährt. Die Klassenräume verteilen sich auf zwei Hauptstockwerke und Die Heimsonderschule Furtwangen ist eine private Einrichtung. Träger ist die Ge­ meinnützige Fördergesellschaft für Behin­ derte in 7500 Karlsruhe, Stephanienstr. 20. Behinderte Kinder im Alter von 6 bis über 20 Jahren werden betreut und gefördert. Die Arbeit in der Schule erfolgt nach den allge­ meinen Bildungsplänen für Geistigbehinder­ tenschulen. Die Ziele gehen über die der anderen Schularten, wie Lesen, Rechnen und Schreiben hinaus und sind in ihrer Formulie­ rung sehr eng an dem individuellen Entwick­ lungsstand der Schüler orientiert. Oberstes Ziel aller Bemühungen ist die „Selbstver­ wirklichung und soziale Integration“ der Schüler. Derzeit werden 45 Schüler in 7 Klassen unterrichtet. Die Zugehörigkeit zu einer Klasse richtet sich nach dem Alter und dem Entwicklungsstand des Schülers. Die Mehr­ zahl der Klassen werden im Schulhaus in Furtwangen/Schönenbach, einige im Inter­ natshaus am Dilgerhofweg 13, unterrichtet. Die Schüler kommen aus ganz Baden-Würt­ temberg. Sie wohnen während der Woche im Internat am Dilgerhof, eine Gruppe in einer Wohnung in der Stadt. Eine Gruppe von Schülern wird auch an den Wochenenden und in den Ferien betreut. Um den Schülern einen Ausgleich dafür zu schaffen, daß sie nicht zu Hause leben können, wurde das In­ ternat in den Jahren 1980 und 1981 umgebaut und sehr schön ausgestattet. Dieser schöne äußere Rahmen wird durch die Arbeit der Internatsmitarbeiter vor und nach der Unter­ richtszeit mit Inhalten gefüllt. Schwerpunkt dieser Förderung sind freizeitpädagogische Maßnahmen und Selbständigkeitserziehung. 32

30. Internationale Musische Tagung Sonderschulkindergartens. In ihm werden in 3 Gruppen derzeit 16 Kinder betreut und gefördert. Die Förderung im Sonderschul­ kindergarten geschieht nach dem Prinzip der Ganzheitlichkeit, wobei einzelne Förder­ maßnahmen, je nach dem individuellen Ent­ wicklungsstand des Kindes, schwerpunkt­ mäßig angesetzt werden. Eine weitere Aufgabe ist die Individuelle Schwerstbehinderten Betreuung (ISB). Sie wird unter der Dienst-und Fachaufsicht des Leiters der Einrichtung durchgeführt. Zivil­ dienstleistende, die durch besondere Lehr­ gänge auf ihre Aufgaben vorbereitet werden, betreuen schwerstbehinderte Menschen in ihrer häuslichen Umgebung. Bei dieser Maß­ nahme handelt es sich um ein Modell, das als Alternative zur Heimunterbringung von Am 2J3.Juni 1986 in Villingen-Schwenningen Dies war eine schulische Veranstaltung, wie sie die Doppelstadt in dieser umfassen­ den Größenordnung noch nicht gesehen und gehört hatte. Die Innenstadt Villingens mit ihrer Fußgängerzone bot den richtigen Rahmen. Bei strahlendem Sonnenschein wurde gesungen, getanzt, im Freien Theater gespielt, musiziert und Sport getrieben. In den Schaufenstern zahlreicher Geschäfte, in der Karl-Brachat-Realschule und vor allem im Franziskaner, der auch Mittelpunkt der verschiedenen Festveranstaltungen war, konnten die beachtenswerten Arbeiten aus den Bereichen des Bildhaften Gestaltens und des musischen und textilen Werkens aller Schularten, einschließlich der Gymnasien, betrachtet werden. 1956 wurde durch die Initiative zweier Lehrer die „Internationale Musische Tagung Bodensee“ ins Leben gerufen. Ein Aufruf und persönliche Beziehungen zu den schu­ lisch verantwortlichen Stellen der Anrainer- behinderten Menschen derzeit bundesweit erprobt wird und in unserer Region von der Heimsonderschule Furtwangen als Aufgabe übernommen worden ist. Die über 60 Mitarbeiter haben, da die Anforderungen an die Betreuung und Förde­ rung, aber auch die Versorgung der Kinder, Schüler und der Erwachsenen so vielseitig sind, die verschiedensten Berufe. Neben den Lehrern, Sozialpädagogen und Erziehern arbeiten hier unter anderem auch eine Kin­ derkrankenschwester, eine Krankengym­ nastin und ein Psychologe. Alle Mitarbeiter betrachten ihre Aufgabe nicht nur als Beruf, sondern auch als Berufung. Nur mit dieser Einstellung kann es gelingen, den Aufgaben, die sich jeden Tag stellen, im Sinne der betreuten Behinderten gerecht zu werden. Wilhelm Frindt, Direktor Länder des Sees hatten Erfolg. Seit jener Zeit treffen sich alljährlich Lehrer aus der Schweiz, Österreich und Liechtenstein sowie aus den Schulen des deutschen Bodenseerau­ mes zu einem Musischen Tag. Auf Antrag des Ltd. Schulamtsdirektors des Staatlichen Schulamts Villingen-Schwenningen, Georg Bucher, der früher in Konstanz tätig war, wurde der Schwarzwald-Baar-Kreis in die IMTA aufgenommen und für 1986 mit der Durchführung der 30. Internationalen Musischen Tagung beauftragt. Intensive Pla­ nung, großer Fleiß und ein starkes Engage­ ment von Lehrer und Schülern des Schwarz­ wald-Baar-Kreises ließen dieses Musenfest zu einem einmaligen Erfolg werden. 2000 Lehrer aus dem In-und Ausland hat­ ten sich eingefunden, jeder fand seinen Platz, gut organisiert vom Schulamt, Personalrat und zahlreichen freiwilligen Helfern. Am Vorabend hatten sich bereits die Länderver­ treter, Schulinspektoren, Schulräte und Leh-33

Regierungsschuldirektor Adolf Heilbock, Bregenz, stattete seinen uneingeschränkten Dank ab für die ausgezeichnete Präsentation musischer Arbeit in unseren Schulen. Helmut Heinrich Straßensänger rer zu internen Fachgesprächen eingefunden. Sie nahmen teil an der Aufführung „Orpheus und Eurydike“, gestaltet von Chor und Orchester des Gymnasiums am Romäusring, VS-Villingen, und des Gymna­ siums Furtwangen. Im vollen Haus des Fran­ ziskaner gab es für diese musikalische Lei­ stung reichen Beifall. Der Dienstag, 3. Juni 1986, der eigentliche musische Tag, brachte ein überaus reiches Programm ausgezeichnet gestalteter Darbie­ tungen in den Schulen des Stadtbezirks Vil­ lingen, in den kirchlichen Gemeindezentren, der Tonhalle und im Freien. Die Grundschu­ len, die Haupt-, Real-und Sonderschulen und die Gymnasien der näheren Umgebung lieferten neben der Sichtsbarmachung der Breitenarbeit im unterrichtlich-musischen Bereich wertvolle Beiträge, so daß die anwe­ senden Lehrkräfte vielseitige Anregungen in ihre Schulstuben mitnehmen konnten. Die Eröffnung und die Schlußveranstal­ tung waren musikalisch festlich gestaltet. Ansprachen und Grußworte orientierten sich am Thema. Der IMTA-Vorsitzende, 34

Wirtschaft und Gewerbe Q!talifizierung – ein Beitrag zur Verminderung der Arbeitslosigkeit Von Dr. Rudolf Kubach, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg Die wirtschaftliche Entwicklung verläuft seit geraumer Zeit positiv; seit 1985 zeigen sich in unserem Wirtschaftsraum deutliche Zeichen einer nachhaltigen Aufwärtsent­ wicklung. Die Zahl der Beschäftigten stieg deutlich. Entsprechend stark sank auch die Arbeitslosenquote. Und dennoch ist die Zahl der Arbeitslosen mit um die 6 % im Schwarzwald-Baar-Kreis zu hoch. Das Ziel muß ein weiterer Abbau der Arbeitslosigkeit sein. Er müßte eigentlich Umschulung zum Informationselektroniker gelingen, denn die Wirtschaft sucht Arbeits­ kräfte. So ist es eine im Grunde paradoxe Situation, daß diese Arbeitslosigkeit bei gleichzeitig vorhandenem Arbeitskräfte­ mangel besteht. Die Kammer führte im August 1985 bei ihr zugehörigen Unternehmen eine Umfrage zur Ermittlung des Arbeitskräftebedarfs durch. Das Ergebnis zeigte eine erhebliche Nachfrage vor allem im gewerblich-techni­ schen Bereich. Etwa 53 % der Gesuchten waren Facharbeiter, knapp 24 % freie Stellen bestanden für Angestellte mit gehobener Tätigkeit und 23 % der gesuchten Arbeits- 35

kräfte waren Anlern-und Hilfskräfte. Bemer­ kenswert war, daß vor allem kleinere und mittlere Firmen einen verhältnismäßig höhe­ ren Arbeitskräftebedarf anmeldeten. Des weiteren wurde bei dieser Umfrage offen­ kundig, daß zahlreiche offene Stellen den Arbeitsämtern gar nicht bekannt sind. Daraus läßt sich zunächst die Erkenntnis ziehen, daß im Vermittlungsbereich noch mehr getan werden kann. Die Kammer rief deshalb die Wirtschaft auf, den Arbeitsäm­ tern alle offenen Stellen zu melden. Aller­ dings lassen sich wohl auch die Vermittlungs­ bemühungen noch intensivieren, wobei es vor allem um eine Motivation der Arbeit­ nehmer geht, die Arbeitsplätze, welche die Wirtschaft anbieten kann, flexibler zu akzep­ tieren. Die Arbeitnehmer müssen ihre Berufswünsche realistischer an den tatsäch­ lichen Berufschancen orientieren. Entscheidender für die Problemlösung, d. h. den weiteren Abbau der Arbeitslosig­ keit, ist jedoch die Notwendigkeit, Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt besser in Einklang zu bringen. Das bedeutet in erster Linie eine Qualifizierung der Arbeits­ losen. Nur dadurch kann die bestehende Dis­ krepanz abgebaut werden. Sie ist zu einem wesentlichen Teil darin begründet, daß sich die Wirtschaft dieses Raumes seit Jahren in einem erheblichen Strukturwandel befindet. Die Anpassung der Produkte an den tech­ nischen Fortschritt, die teilweise Verdrän­ gung der Mechanik durch die Elektronik bzw. die intelligente Verknüpfung beider sowie der Einsatz modernster Technologien in der Produktion veränderten die Arbeits­ plätze und damit auch die Anforderungen an die Arbeitnehmer. So wurden die Arbeits­ plätze einerseits qualifizierter und anderer­ seits entfielen zahlreiche einfache Arbeiten, z. B. im Bereich der Montage. Die Ferti­ gungstiefe ging zurück. Denken wir hierbei nur an die Veränderungen der Uhrenindu­ strie und auf dem Gebiet der Unterhaltungs­ elektronik. Viele einfache Arbeitsplätze, oft von Frauen und Ausländern besetzt, gibt es nicht mehr. Andere Arbeitsplätze haben sich 36 verändert, so daß die bisherige O!ialifikation nicht mehr ausreicht. Ganz neue, hochpro­ duktive Arbeitsplätze sind unter dem Kosten-und Wettbewerbsdruck entstanden, die eine wesentlich höhere O!ialifikation erfordern. Die Entwicklung in Richtung höherwer­ tige Arbeitsplätze ist unter dem Gesichts­ punkt der internationalen Wettbewerbsfä­ higkeit unserer Wirtschaft zu begrüßen. Sie darf deshalb unter Arbeitsmarktgesichts­ punkten nicht bewußt gehemmt werden. Faktische Beeinträchtigungen ergeben sich ohnehin bereits aus der mangelnden Zahl ausreichend O!ialifizierter. Die O!ialifizie­ rung liegt also sowohl im Interesse der Unter­ nehmen als auch im Eigeninteresse der Arbeitslosen. Von letzteren ist daher Lernbe­ reitschaft und Leistungswille zu fordern und von den Unternehmen ein nachhaltiges Engagement in der O!ialifizierung von Arbeitslosen durch entsprechende Bildungs­ maßnahmen. Im Zusammenhang damit muß aber die gleichermaßen wichtige Auf­ gabe der O!ialifizierung der Beschäftigten durch ständige Weiterbildung gesehen wer­ den, damit sie mit dem technischen Wandel Schritt halten und dadurch ihren Arbeits­ platz sicherer machen, um nicht ebenfalls arbeitslos zu werden. Die O!ialifizierung reicht heute von der Einarbeitung eines arbeitslosen Hilfsarbeiters bis zur Fortbil­ dung eines ausgebildeten Mitarbeiters in modernen Technologien. Wenn in der Diskussion um die Arbeitslo­ sigkeit immer wieder behauptet wird, die Wirtschaft sei an dem Mangel von Fachkräf­ ten selber schuld, weil sie nicht hinreichend ausgebildet habe, so trifft dies nicht zu. Gerade im gewerblichen Bereich, wo heute Fachkräfte fehlen, sind doch in all den Jahren grundsätzlich alle Ausbildungswilligen in eine Berufsausbildung übernommen wor­ den. In den 70er Jahren konnten nicht ein­ mal alle Ausbildungsstellen besetzt werden. Im Kammerbezirk befinden sich heute ca. 400 Arbeitslose in der Umschulung, d. h. in der O!ialifizierung für einen anderen, aner-

kannten Ausbildungsberuf. Eine weit höhere Zahl von Arbeitslosen steht in berufsvorbereitenden Maßnahmen, in der betrieblichen Einarbeitung, in Maßnahmen der Nachqualifikation, der Vermittlung und Vertiefung spezifischer Fertigkeiten. Die Q!ialifizierung erfolgt dabei sowohl in Betrieben als auch in außerbetrieblichen Bil­ dungsstätten. Beispiele für solche Q!ialifizie­ rungen neben der Umschulung sind die Maschinenbedienung, das Anlernen zu Teil­ qualifikationen eines Berufes, die Vermitt­ lung von EDV-Kenntnissen, die Vertiefung im Rechnungswesen, die Verkäuferschulung bis hin zu CNC-und CAD-Lehrgängen. Hier wird im Kammerbezirk bereits sehr viel getan. Dabei kommt gerade auch den Aktivitäten der hiesigen Arbeitsämter eine besondere Bedeutung zu. Sie motivieren die Arbeitslosen, stellen Gruppenmaßnahmen zusammen, finden geeignete Unternehmen und Ausbildungsstätten. Ihre Initiativen sind positiv hervonuheben. Zudem werden die Maßnahmen durch die Arbeitsverwal­ tung finanziert, eine Chance, die genutzt werden sollte. Will z. B. ein Unternehmen Q!ialifizierungsmaßnahmen durchführen, so können bei berufsvorbereitenden Maß­ nahmen oder bei der Fortbildung Arbeits­ loser den Betrieben die notwendigen Sach­ und Personalkosten, die Aufwendungen für Lern-und Lehrmittel, sogar für extern durch­ geführte Lehrgänge erstattet werden. In vie­ len Fällen brauchen sich die Betriebe um den Unterhalt und die soziale Sicherung arbeits­ loser Teilnehmer nicht zu kümmern. Unter­ nehmen, die arbeitslose Bewerber qualifizie­ ren wollen, sollten sich daher unbedingt über die verschiedenen Wege finanzieller Förde­ rung durch die Arbeitsämter informieren. Die Industrie-und Handelskammer sieht in der Q!lalifizierung eine wichtige Aufgabe der Wirtschaft selbst, die im Sinne des dualen Systems und wegen des Praxisbezugs in erster Linie im Betrieb stattfinden sollte. Dafür bieten sich sowohl Gruppen-wie auch Einzelmaßnahmen an, wobei letztere gerade bei den kleineren und mittleren Betrieben in Frage kommen könnten. Dabei sind ver­ schiedene arbeitsrechtliche Wege denkbar. Viele der Bildungsmaßnahmen können im Auftrag des Arbeitsamtes durchgeführt wer­ den; arbeitsvertragliche Beziehungen zwi­ schen Betrieb und Teilnehmer entstehen in der Regel nicht. Oder aber das Unternehmen kann einen befristeten Arbeitsvertrag mit einem arbeitslosen Bewerber schließen und ihm planmäßig berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln. Schließlich kann eine Firma einen Jung-Facharbeiter in Teil­ zeit beschäftigen und ihn gleichzeitig bei­ spielsweise in CNC-oder CAD-Technik qualifizieren. Um die Bereitschaft der Betriebe weiter zu wecken mit dem Ziel, möglichst viele Bil­ dungsmaßnahmen zu realisieren, hat die Kammer im Februar 1986 gemeinsam mit den Arbeitsämtern eine breit angelegte Q!ialifizierungsinitiative bei Unternehmen gestartet, die durch eine landesweite Aktion im Mai ergänzt wurde. Zusätzliche Q!ialifi­ zierungsmaßnahmen sind daraufhin im Kammerbezirk bereits erfolgt. Aber auch dieser Artikel soll ein Aufruf zu weiterem Engagement an Unternehmer und Arbeits­ lose sein. Wir sind sicher, daß mit diesen Aktivitäten ein relevanter Beitrag zur Min­ derung der Arbeitslosigkeit geleistet wird, der allerdings nicht genau zu quantifizieren ist. Die Struktur der Arbeitslosigkeit zeigt eben, daß diese nicht nur ein Q!ialifizie­ rungsproblem ist. Jeder Q!ialifizierte hat aber die echte Chance, ein Arbeitsloser weniger zu sein und hienu sollten alle gesellschaftli­ chen Kräfte mithelfen. * 37

Seit über 700 Jahren Fürstenberg-Bier Aber der Konsum stagniert -Die »Renner“ sind Alkoholfreies und Bohnenkaffee Wen es in einem Linienjet der Lufthansa in der Fürstlich Fürstenbergischen Brauerei nach einem der „besten Biere der Welt“ gelü­ KG zu Donaueschingen. Zweimal konnte stet, muß auf ein kühles Pils ebenso wenig bis bereits ein nach Jahrhunderten messendes zur Landung warten wie ein Fahrgast im Jubiläum gefeiert werden: 1954, als sich das Intercity der Bundesbahn mit demselben Unternehmen 250 Jahre alt wähnte, und 1970, als ein Urkunden-Fund eine bereits Durst-Faible bis zur Ankunft im nächsten 500jährige Brautradition nachwies und sich Großstadt-Bahnhof: Das renommierte Bier aus Donaueschingen, das seit langem mit die­ unter den Ehrengästen auch der damalige sem reichlich selbstbewußten Slogan zu wer­ Ministerpräsident Filbinger den Jubiläums­ ben pflegt, gehört auf den Schienen dieser trunk munden ließ. Auch das 700jährige Republik wie auch auf den Luft-Straßen die­ Bestehen noch zu feiern verzichtete man 1983; doch möglich wäre auch dieses dritte ser Welt zum Genuß-Standard, vor allem aber in den großen Hotels unseres Landes Jubiläum gewesen, denn im F.F. Archiv ruht und nicht zuletzt in zahllosen Lokalen der die Urkunde, mit der König Rudolf von Habsburg im Jahre 1283 dem Grafen Hein­ engeren Heimat. Die Tradition seiner Brau­ kunst und die Güte dieses Produktes ver­ rich I. von Fürstenberg die Landgrafschaft schaffen dem Premium-Pils seinen unbestrit­ Baar zu Lehen gab und damit auch das Brau­ tenen Rang. recht verband. Das 1982 eingeweihte hausei­ gene Brauerei-Museum zeugt von einer In kaum einer modernen Braustätte blickt außergewöhnlichen Firmengeschichte. man auf eine so lange Geschichte zurück wie 38

Rund 600 Menschen beschäftigt das größte Unternehmen innerhalb des in den letzten Jahren kräftig umstrukturierten Wirt­ schafts-Imperium des Fürsten Joachim zu Fürstenberg, der der Komplementär der Kommanditgesellschaft ist und seine Schwä­ gerin T eresa Prinzessin zu Fürstenberg und sein zweitältester Sohn Johannes Prinz und Landgraf zu Fürstenberg die Kommanditi­ sten. Es hat sich -mit allen Vor-und auch Nachteilen eines solchen Standortes -mit­ ten in Donaueschingen zur heutigen Größe entwickelt und ist mittlerweile zur drittgröß­ ten Braustätte Baden-Württembergs avan­ ciert. Dazu beigetragen hat im Zuge rascher Konzentration unter den bundesdeutschen Brauereien (nur vier Prozent aller Unterneh­ men besorgen mehr als die Hälfte des gesam­ ten Bierausstoßes) in den letzten Jahren auch der Zukauf von nicht weniger als sieben Regionalbrauereien in Deggenhausertal, Engen, Gottmadingen, Schwenningen, Spai­ chingen, Tailfingen und Warthausen. Alle diese Braustätten sind stillgelegt und ihre Verträge mit den Kunden aus Gastronomie und Handel von Donaueschingen aus erfüllt worden. Das Bemühen um ein größeres Segment an einem nicht mehr wachsenden und hart­ umkämpften Markt hat der Donaueschinger F.F. Brauerei KG in der Phase allgemeiner wirtschaftlicher Prosperität rasche Umsatz­ zuwächse gebracht, ist nun aber, da viele Konkurrenten nur noch ein „Nullwachs­ tum“ konstatieren, rückläufige Bilanzen hin­ nehmen müssen oder gar schon rote Zahlen schreiben, abgelöst worden vom Kampf ums Behaupten der errungenen Marktposition. Um so beachtlicher ist, daß das Donau­ eschinger Unternehmen 1985 zum ersten Mal einen Gesamtausstoß von mehr als einer Million Hektoliter erzielt hat Der Zuwachs allein beim Bier um 4,8 Prozent auf nunmehr 810 900 Hektoliter überragt das Plus von ganzen 0,8 Prozent aller bundesdeutschen Brauer um das Sechsfache und liegt mehr als vier Mal so hoch als das Ausstoß-Plus von 1,1 Prozent, das alle südbadischen Brauereien erzielt haben, während 1985 alle baden-würt­ tembergischen Braustätten gar einen Aus­ stoß-Rückgang um 0,9 Prozent hinnehmen mußten. Da hat sich „Fürstenberg“ -so das Branchenkürzel-respektabel gut behauptet, weil der bundesdeutsche Bier-Pro-Kopf-Ver­ brauch von 144,4 auf 144 Liter leicht sank und jener in Baden-Württemberg von 114,8 auf 115,4 nur unwesentlich stieg. Das „Flagg­ schiff“ Pilsener steigerte den Anteil am Gesamtbierausstoß noch einmal um 0,4 auf nunmehr 64,6 Prozent. Zum Gesamtumsatz von 145,1 (1984: 138,7) Millionen Mark trugen auch die 226 500 Hektoliter alkoholfreier Getränke bei, unter denen die nationalen Lizenzmar­ ken Pepsi, Mirinda und Schwipp-Schwapp die höchsten Zuwachsraten verbuchten. Abgefüllt werden alle alkoholfreien Ge­ tränke bei der Mineralbrunnen-GmbH in Bad Dürrheim, mit der sich die F.F. Brauerei KG 1982 mit einem Vertrag verband, auch wenn die zunächst angestrebte finanzielle Beteiligung nicht zustande kam. Das Bad Dürrheimer Partner-Unternehmen besorgt in technischer Kooperation nun Herstellung und Abfüllung von Mineralwässern, Limo­ naden und den in Konzession genommenen Produkten. Arrondiert wird das Fürstenberg­ Sortiment mit den bereits abgefüllt bezoge­ nen Marken Fachinger und Apollinaris. Als Flop erwies sich vor Jahren der Versuch, auch Wein ins Vertriebssystem aufzunehmen. Die Auslagerung der alkoholfreien Ge­ tränke aus dem Donaueschinger Stammhaus nach Bad Dürrheim verschaffte den Brauern am Zusammenfluß von Brigach und Breg die Ausweitung ihrer Kapazität. Sie können -nachdem in den letzten Jahren mit Millio­ nenaufwand zur Automatisierung und Q!ia­ litätssicherung die Technik auf den modern­ sten Stand gebracht worden ist -heute im Jahr bis zu 1,5 Millionen Hektoliter Bier brauen. Nicht ganz mithalten könnte da, wenn sich diese immense Menge an „Ger­ stensaft“ auf dem Markt plazieren ließe, aller­ dings die Abfüll-und Lagerkapazität, deren Wahrzeichen, der 24 Meter hohe Siloturm in39

schmucklosem Schalbeton, weit über die Stadt zu sehen ist. Auch auf den Export haben Heiner Jor­ dan, Bernd Treptau und Klaus Preukschat, das neue Führungstrio an der Spitze der F.F. Brauerei KG, sowie einige ihrer Vorgänger den Inlandserfolg zu übertragen versucht. In Italien, Frankreich, der Schweiz, in Öster­ reich, Spanien und Großbritannien trinkt man seit langem die Q!ialitätsbiere aus Donaueschingen, und in den letzten Jahren haben gesteigerte Verkaufsaktivitäten auch in den Vereinigten Staaten und in Kanada, ja sogar in Japan und in Singapur zum Erfolg geführt, auch wenn der Vertrieb über solche Distanzen kostenträchtig und die Verkaufs­ kalkulation gegen die jeweils einheimische Konkurrenz dann keineswegs ein devisen­ trächtiges Geschäft ist. Am Bierumsatz (alko­ holfreie Getränke werden nicht ausgeführt) macht der Export mittlerweile um die fünf Prozent aus. Dennoch steht die Erhaltung und Vertei­ digung des errungenen Marktanteils für absehbare Zeit im Vordergrund der nun­ mehr vor allem von Heiner Jordan formu­ lierten Unternehmens-Strategie und nicht mehr das frühere Denken in Zuwachsraten. Der Konkurrenzkampf der Brauereien un­ tereinander trägt auch angesichts rückläufi­ gen Bevölkerungs-»Wachstums“ seit langem unverkennbar die Züge rüden Verdrän­ gungswettbewerbes, der nicht nur mit der Qualität und dem Marktwert des Produkts und mit dessen Preis ausgefochten, sondern zuweilen auch mit dem überzeugendsten Angebot an der sehr kostenintensiven Aus- Baden-Württemberg bestätigt seinen Sta­ tus als wirtschaftlich gesündestes Land unse­ rer Republik-zweistellige Umsatzsteigerun­ gen in Industriebetrieben, die den Anschluß an den Technologie-Schub halten konnten, 40 stattung der Lokale entschieden wird. Als Konjunkturbremse erweist sich die Gesund­ heitskampagne „weg vom Alkohol“ ebenso wie die wachsende Angst vor dem Verlust des oft existenzsichernden Führerscheins. Gerade die Promille-Furcht läßt das Geschäft auch der Brauereien nicht mehr überschäumen. Der Bierverbrauch pro Kopf des Bundesbürgers stagniert seit Jahren bei knapp 145 Litern, während alkoholfreie Getränke von 94 Litern 1973 über 117 Liter 1978 auf nunmehr 150 Liter zulegten und das Bier ebenso überflügelten wie der Bohnen­ kaffee, von dem noch 1973 nur 123 Liter je Bundesdeutschem konsumiert wurden, 1978 schon 146 und 1984 nun sogar mehr als 170 Liter. Immerhin begegnen die bundesdeut­ schen Brauer dem Hinweis auf die mögliche Gesundheitsgefährdung durch Alkoholge­ nuß mit der konsequenten Einhaltung des seit 1516 geltenden „Reinheitsgebotes“, das in unserem Lande die Bierherstellung aus­ schließlich mit Hopfen, Gerste und Wasser erlaubt und andere -wenn auch natürliche – Zutaten wie Mais oder Reis oder gar die Che­ mie auch aus dem Donaueschinger Sudhaus entschieden verbannt. Dies soll -so haben in den letzten Jahren alle Geschäftsführer der F. F. Brauerei KG betont-auch dann so blei­ ben, wenn die EG-Gesetze dieses Reinheits­ gebot zu Fall bringen und die bundesdeut­ schen Brauer dann mit der unliebsamen Konkurrenz der dem Reinheitsgebot nicht verpflichteten und darum preisgünstiger anbietenden ausländischen Brauer rechnen Gerhard Kiefer müssen. sprechen für sich. Eine dieser Firmen, die sich durch eingerütteltMaßan Flexibilität, unterneh­ merischer Weitsicht und Fleiß der Mitarbeiter einen hervorragenden Namen gemacht hat, ist die Firma E. Wehrle GmbH in Furtwangen. Beispiel aus dem „Musterländle“ Die Firma E. Wehrle GmbH, Furtwangen

Wer die Produkte der Firma bislang nicht kennen sollte, kann sich recht schnell damit vertraut machen: Mit an Sicherheit grenzen­ der Wahrscheinlichkeit hat er etwas davon zuhause, entweder irgendwo offen, oder in einem Apparat versteckt. Von sich reden machte die Firma in breiter Öffentlichkeit im Jahr 1984, als offenbar wurde, daß sie sich in der Sowjetunion die Chance auf einen mil­ lionenschweren Auftrag erhandelt hatte. Was wollten die Sowjets? Wissen, wieviel Milch aus der Kolchose in staatliche Milchei­ mer fließt, und wieviel davon „abhanden“ kommt. Wehrle hat die Geräte dazu entwik­ kelt. Die GmbH mit rund 250 Beschäftigten hat ihren Sitz in Furtwangen sowie ein Werk­ zeugbau-Zweigwerk in Mönchweiler und eine kleine Montage in Vöhrenbach-Urach. Hergestellt wird in der Hauptsache eine ganze Palette von Meßgeräten für flüssige Medien; Wasserzähler zum Beispiel, doch das Spektrum der Liquide, die Wehrles Apparate zu messen vermögen, wird immer breiter. Milch zum Beispiel ist eines der neue­ ren Medien. 1983 hatte die Firma erstmals Kontakt mit den Sowjets, doch erst bei der dritten Begeg­ nung, als Wehrle seine Produkte in Moskau zur Schau stellte, kam der fruchtbare Kon­ takt zustande: Milchzähler wollte man in der UdSSR haben. Derlei Geräte hatte die Firma Wehrle zwar nicht parat, doch widmete man sich der Problemstellung und war schließlich imstande, zwei Prototypen zu liefern. Die Sowjets, so war zu hören, haben Gefallen an den Apparaten gefunden -jedoch, leider, bis Redaktionsschluß des „Almanach 87“ noch keine Entscheidung getroffen. Die bürokra­ tischen Mühlen in Gorbatschows Reich mahlen eben langsam … Dieser spektakuläre Kontakt zu Moskau ließ fast vergessen, welche Pfründe sich die Firma Wehrle sonst noch sichern konnte. Export spielt eine gewichtige Rolle für die Firma, werden doch etwa 35 Prozent der Geschäfte mit ausländischen Partnern abge­ wickelt -und der Exportanteil soll größer werden. Die Handelspartner finden sich vor­ wiegend in West-Europa, jedoch hat man den Sprung über die Grenzen zu den USA und sogar zu China schon geschafft. 41

Spritzgußteile ist einer der Produktionszweige der E. Wehrle GmbH – sie finden sich überall aef der Welt. In der Bundesrepublik ist Wehrle fast überall vertreten. Praktisch alle deutschen Wasserzähler haben ihr Innenleben oder zumindest Teile davon aus Furtwangen -oft stammt nur das Gehäuse von anderen Betrie­ ben. Der Fleiß trägt Früchte: 1983 und 1984 konnte das Unternehmen einen Umsatzzu­ wachs von rund 40 Prozent verbuchen. Doch dieser Zuwachs geht einher mit einem zusätzlichen Bedarf an Kapazität zur Ferti­ gung und Lagerung. Ein Neubau mußte in 42 Angriff genommen werden, der jetzt, 1987, im zweiten Bauabschnitt fertiggestellt wer­ den soll. Doch Firmenpolitik ist ja nicht alles -was wäre ein Betrieb ohne zuverlässige Mitarbei­ ter. Durch notwendige Rationalisierung (die Konkurrenz schläft schließlich nicht) fallen zwar „alte“ Arbeitsplätze weg, jedoch entste­ hen gleichzeitig auch neue. Die Mitarbeiter zeigen die Bereitschaft, sich umschulen zu lassen, so daß niemand entlassen werden

Wasseruhren sind die Umsatzriesen bei der E. Wehrle GmbH; sie werden in eigenen Labors von vereidigtem Prüfstellenpersonal beglaubigt – hier eine Uhr auf dem Einzelprüfstand am Impulsgerät. muß. Im Gegenteil, das Arbeitsplatzangebot hat sich vergrößert; im Bereich der Durch­ flußmeßgeräte, die etwa 75 Prozent der Produktion ausmachen, und im Bereich der Spritzgußwerkzeuge und Präzisionsteile aus Spritzguß, die die restlichen 25 Prozent aus­ machen. Die Firma Wehrle sieht der Zukunft opti­ mistisch entgegen. Ein Paradebeispiel aus dem „Musterländle“. Gegründet wurde die Firma 1842 von Franz Xaver Wehrle als mechanische Werk­ stätte und stellte bis 1923 vorwiegend elek­ trotechnische Artikel und Spezialuhren, ins­ besondere Trompeteruhren, her. Später erfolgte die Spezialisierung auf die Bearbei­ tung korrossionsbeständiger Materialien wie Reinnickel, Hartgummi und nichtrostende Stähle, und damit wurde die Firma Hauptlie­ ferant für die Wasserzählerindustrie. Ab den 50er Jahren leistete die Firma Pionierarbeit in der Kunststoffverarbeitung für Wasserzäh­ lerprodukte in allen Variationen, komplette Wohnungswasserzähler und anderes mehr. Heute ist Wehrle in über 15 Ländern mit eige­ nen Repräsentanten und Partnern vertreten. Fred ()hnewald Unternehmens, das mit Zähigkeit und Fleiß, mit kaufmännischem Geschick und techni­ schem Einfallsreichtum aufgebaut wurde. Die Geschichte begann in einer Wohnstu­ ben-Werkstatt, und aus dieser Idylle heraus wuchs ein Unternehmen, dessen Name in der Welt Klang und Farbe im wahrsten Sinne des Wortes hat. In jedem Familienunternehmen, und das war die Firma SABA mehr als hundert Jahre lang, ist das Geschick des Betriebes untrenn­ bar verbunden mit den Menschen, die ihn führen und die an den Werkbänken stehen. So ist diese Geschichte nur zu erzählen, indem sie zugleich zur Chronik der Familie 43 Von der „Sehellenmühle“ zur SABA-Weltfirma Aufstieg, Glanz und Ausklang eines Schwarzwälder Familienunternehmens Die Geschichte des Hauses SABA in Villingen ist keine Story nach amerikani­ schem Muster, dazu fehlen die großen Sprünge des Erfolges und wohl auch der grandiose, glückhafte Schluß. Sie ist aber auch keine französische „Histoire“, denn dazu wiederum wurzelt sie zu sehr in der Landschaft mit den Menschen und Traditio­ nen des Schwarzwalds. Dieser Ursprung drückte dem Unternehmen einen bleiben­ den Stempel auf, der auch durch den derzeiti­ gen Besitzer, den französischen Elektrokon­ zern Thomson-Brandt, vielleicht überdeckt, aber nicht gelöscht werden kann. Es ist die deutsche Chronik einer Familie und eines

Das ehemalige Hotel“ Waldmühle‘: auch „Sehellenmühle“ genannt, aus dem Jahr 1900, das später Standort der Firma SABA wurde Diese halfen mit, die kargen Erträge der Landwirtschaft aufzubessern. Dies ist das Umfeld und die überschau­ bare Welt, in der einerseits stets darauf gedrängt wurde, handwerkliche Geschick­ lichkeit einzusetzen, um den Lebensunter­ halt zu sichern, andererseits aber auch Fleiß und Geschicklichkeit zu bescheidenem Reichtum führten. Diese Umwelt hatte einen Menschenschlag geformt, der gelernt hatte, mit Geduld und Ausdauer seine Ziele zu verfolgen. Die mit hohen Tannen bedeck­ ten Berge, deren Lebensrhythmus nach Jahr­ zehnten und Jahrhunderten ablief, mögen hi�rfür Beispiel und Lehrmeister gewesen sem. Mit Benedikt Schwer, der 1803 geboren wurde, betritt ein Mann die Bühne des klei­ nen Schwarzwaldstädtchens Triberg, dem es gelingt, die Enge der häuslichen Werkstätten zu sprengen und der das Wagnis auf sich nimmt, den unbekannten Weg zum Indu­ striebetrieb einzuschlagen. Auch er begann in einer solchen häuslichen Werkstatt und Schwer wird. Dieser Name taucht erstmals um 1400 in den Annalen des Klosters St. Georgen auf, und zwar werden gleich fünf Namensträger als in Furtwangen wohnhafte Hausväter benannt. Immer wieder verzeichnen die Kirchen­ bücher in verschiedenen Gemeinden des Schwarzwalds diesen Namen. Mal als Besit­ zer einer Gastwirtschaft und Metzgerei in Schonach, dann in der Person von Daniel Schwer als Adlerwirt, Bürgermeister und spä­ ter Konsul und „Zoller von Tryberg“ in den Aufzeichnungen des damals aufblühenden Schwarzwaldstädtchens. Das war zu jener Zeit so etwas wie das Tor zur Welt für den Schwarzwald. Die angesehene Schwarz­ wälder Handelskompagnie, der „Pfälzer­ träger“, hatte hier ihre Residenz. Es wurden nicht nur die bekannten Schwarzwälder Uhren rheinabwärts transportiert und ver­ kauft, zurückgebracht wurden auch Ideen und Anregungen aus aller Welt, die dann in den Tüftlerwerkstätten der Schwarzwald­ täler in neue Erzeugnisse umgesetzt wurden. 44

Die Firma SABA aus heutiger Vogelperspektive erfand 1830 eine Zange zum Biegen der Anker für die Uhrwerke. Um die Uhr kreiste damals noch alles, was mit Fabrikation und Technik, mit Produktion und Fortschritt zu tun hatte. Ein Verzeichnis des Uhrmachergewerbes aus dem Jahre 1842 weist aus, daß Benedikt Schwer zwei Lehrjungen und zwei Gesellen beschäftigte und mit dreizehn Familienmit­ gliedern ungefähr tausend Jockeles-Uhren im Jahr herstellte. Diese wurden vorwiegend in Frankreich und in Norddeutschland ver­ kauft. Auch der Sohn August lernte das Handwerk des Vaters von grundauf. Er trat 1864 als Zwanzigjähriger mit neuen Ideen in die kleine Firma ein und weitete die Produk­ tion beträchtlich aus. Es wurden Präzisions­ uhren hergestellt und auch die als franzö­ sische Kaminuhren bekannten Jappy-Uhren. Doch was für das Unternehmen SABA hun- dertJahre später in der japanischen Konkur­ renz als Bedrohung erwuchs, entstand um 1880 in der Massenproduktion von Uhren durch amerikanische Firmen. Der damals notwendige Schritt, auf Massenfertigung umzustellen, konnte aus Mangel an Kapital im Schwarzwald nicht vollzogen werden. So wich die Schwarzwälder Firma dem Konkurrenzdruck aus und wurde 1884 zur Metallwarenfabrik. Produziert wurden unter anderem Briefwaagen und später Fahrrad-, Tür-und Sicherheitsglocken. Doch mittler­ weile hatte das Unternehmen mit Hermann Schwer eine Unternehmerpersönlichkeit an seiner Spitze, die mit Weitblick die Weichen in das nächste Jahrhundert stellte. Hermann Schwer sah deutlich die begrenzten Möglich­ keiten, die der Standort Triberg bot und regi­ strierte den Rückgang von Aufträgen und Belegschaft, die im Jahre 1918 noch ganze 45

neun Mitarbeiter zählte. Für Hermann Schwer gab es nur den Weg nach vorne. Der junge Unternehmer setzte alles auf eine Karte und kaufte die“ Waldmühle“, ein Anwesen an der Brigach, damals noch ober­ halb von Villingen. Dieses frühere Hotel wurde 1918 noch als Lazarett genutzt, und der Kaufpreis betrug rund 100 000 Mark. Die Mitarbeiterzahl wuchs auf 350, und es wurde alles an Metallwaren gefertigt, was sich ver­ kaufen ließ. Die Fahrradglocken waren um 1920 immer noch die Stütze des Unterneh­ mens, und aus der früheren „Waldmühle“ war im Volksmund längst die „Sehellen­ mühle“ geworden. Doch wieder mußte das Unternehmen sich dem veränderten Markt anpassen. Fahr­ radglocken ließen plötzlich die Firmenkasse nicht mehr klingeln, und als Ausweg bot sich der Einstieg in die Elektrotechnik in Form einer eigenen, noch recht bescheidenen Abteilung an. Der Zufall wollte es, daß Hermann Schwer auf einer Geschäftsreise in der Schweiz im Jahr 1922 eine Konzertüber­ tragung im Radio hörte, die vom Pariser Eiffelturm ausgestrahlt wurde. Der Villinger Unternehmer erkannte, daß auch in Deutschland wie schon in Amerika und Eng­ land dem Rundfunk eine stürmische Ent­ wicklung bevorstand. Er und sein Unterneh­ men wollten dabei sein. So wurde 1923, ganz bescheiden, mit der Produktion von Kopf­ hörern begonnen. Viele andere Bauteile für Rundfunkappa­ rate folgten in den nächsten Jahren, und die Erzeugnisse aus dem Schwarzwald waren ihrer Präzision und Qpalität wegen gefragt. Der Name SABA entstand als Abkürzung des Firmennamens „Schwarzwälder Appa­ rate Bau-Anstalt“. Das Unternehmen hatte seinen Weg gefunden. Es wurde erweitert, und es wurde geforscht. Produktion und die Zahl der Beschäftigten stiegen rasch an. Noch waren es vorwiegend die Radiobastler, die die Kundschaft bildeten, und ein Präzi­ sionsdrehkondensator zur Feineinstellung machte damals Rundfunkgeschichte. Im Jahre 1928 wird der erste komplette Kurz- 46 wellenapparat mit dem Schriftzug „SABA“ vorgestellt. Es war ein Auftakt, dem viele Geräte folgen sollten, die über Jahre hinweg technische Spitzenleistung verkörperten. Zu Beginn der dreißiger Jahre setzte die Stadt alles daran, die Firma SABA in Villin­ gen zu halten, denn damals bestanden Fusionspläne mit einem Berliner Unterneh­ men der gleichen Branche. Die SABA war zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor ge­ worden. Rund 500 Beschäftigte zählte das Unternehmen damals, und Villinger Bürger wurden bevorzugt eingestellt. Hermann Schwer kaufte in Meersburg ein Grundstück und errichtete darauf ein Erholungsheim für die Belegschaft. Er wird 1935 Ehrenbürger der Stadt Villingen, und im gleichen Jahr wurde ihm diese Ehre auch durch die Stadt Meersburg zuteil. Man feierte in jenem Jahr das hundertjährige Bestehen des Unter­ nehmens. Trotz immer wieder auftretender Mate­ rialschwierigkeiten während des national­ sozialistischen Regimes ging die Entwick­ lung weiter. In den SABA-Werkstätten wird 1937 das erste Radio mit Sendersuchlauf ent­ wickelt, und ein Jahr später verläßt das mil­ lionste Rundfunkgerät das Werk. Die Ferti­ gungskapazität liegt inzwischen bei tausend Radios pro Tag. Doch diese Erfolge erlebte Hermann Schwer nicht mehr. Er stirbt 1937 in Meersburg. Seine Frau Johanna Schwer wird Alleininhaberin und führt das Unter­ nehmen weiter, gestützt auf einen Stab treuer Mitarbeiter. Sie stiftet das Johanna-Schwer­ Kinderheim und wird ebenfalls Ehrenbürge­ rin der Stadt und zugleich die erste Frau, der diese Ehre in der Zähringerstadt zuteil wurde. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges bleibt von der Vielfalt der Produktionspa­ lette der Radios nur der Volksempfänger übrig. Das Werk wird Rüstungsbetrieb. Nach dem Tod von Johanna Schwer wird ihre Tochter Margarete Erbin des Unternehmens, das sie für ihre beiden Söhne Hans-Georg und Hermann Brunner-Schwer verwaltet. Mit einem Luftangriff im Jahr 1945, schwe­ ren Zerstörungen und dem Verbot, Rund-

Montage für Bildrohrplatte und PAL-Decoder, November 1982 funkgeräte zu -bauen, das die französische Besatzungsmacht erließ, endete dieses Kapi­ tel deutscher Geschichte für das heimische Unternehmen. Bis zum Jahre 1948 wird in den Werkshal­ len für die Post produziert. Dann durften wieder Rundfunkgeräte gebaut werden. Die Firma SABA ist dabei. Der Aufbau des Wer­ kes liegt nun in den Händen von Ernst Scherb, dem Ehemann der Besitzerin. Im Jahre 1949 werden Kühlschränke in das Ferti­ gungsprogramm mit aufgenommen. Diese Produktion wird nach St. Georgen verlagert, und bereits 1951 wird damit ein Umsatz von 3,5 Millionen erreicht. Doch in dieser Zeit hat sich längst eine neue Technik Platz in den Konstruktionsbüros des Werkes erobert. Das Fernsehen ist da, und im Jahre 1951 präsen­ tiert das Villinger Unternehmen auf der Deutschen Industrieausstellung in Berlin seine ersten Geräte. Für das Unternehmen beginnt eine neue beeindruckende Wachs­ tumsphase. Der Bau des Werkes II wird 1954 begon­ nen, und 1958 folgt noch einmal eine wesent­ liche Erweiterung. Produziert werden Fern­ sehapparate, Rundfunkgeräte und Kühl­ schränke. Die Belegschaft steigt in der zwei­ ten Hälfte der fünfziger Jahre auf rund 3000 Beschäftigte an. Zum Ende des Jahrzehnts allerdings wird die Kühlschrankproduktion aufgegeben, um die gesamte Kapazität auf Rundfunk-, Fernseh-und Tonbandgeräte zu konzentrieren. Der Fernsehmarkt ist gewal­ tig, und so wird in Friedrichshafen das Werk III gebaut. Die Zahl der Mitarbeiter ist 1960 auf knapp 4000 gewachsen. Aufsehenerregende Neuerungen und Erfindungen sorgen dafür, daß der Name SABA mehr und mehr zum Begriff für Q}ia-47

lität und ausgereifte Technik wird. Hier wäre der berühmte SABA „Freiburg“ als einziger vollautomatischer Rundfunkempfänger der Welt zu nennen, das erste drahtlos gesteuerte HiFi-Gerät trägt den Namen SABA ebenso wie das erste Tonbandgerät mit Kassette für das Auto. In den Versuchswerkstätten und Labors der Villinger Firma wird das zeilen­ freie Fernsehbild entwickelt und der erste ferngesteuerte Farbfernseher in Deutschland gebaut. Doch die technische Entwicklung läuft für das Familienunternehmen allzu stür­ misch. Es ist nicht genügend Kapital vorhan­ den, um ausreichend in die Forschung zu investieren und damit die Herausforderun­ gen eines hart umkämpften Marktes zu bestehen. So trennt sich der Weg des Unter­ nehmens von der Geschichte der Familie Brunner-Schwer. Ein Mehrheitspartner aus Amerika übernimmt 1968 85 % der Firmen­ anteile. Hermann Brunner-Schwer bleibt Geschäftsführender Gesellschafter. Das Unternehmen beschäftigt in seinen Werken in Deutschland, Belgien und in der Schweiz 5500 Mitarbeiter. Es hat von seiner Größe her längst den Rahmen seiner ursprüngli­ chen Größe gesprengt. 1976 übernimmt die amerikanische GTE-International das Unter­ nehmen völlig und verkauft es vier Jahre spä­ ter an den französischen Elektrokonzern Thomson-Brandt. Die Firma SABA wird eingegliedert in ein Gesamtkonzept dieses Konzerns, der eine Reihe anderer Werke in Deutschland und dem Ausland besitzt. Zwar werden Arbeitsplätze erhalten, aber die Eigenständigkeit geht verloren. Klaus-Peter Friese Kienzle-Uhren in Schwenningen Im Jahre 1983 hätte Kienzle-Uhren allen Grund gehabt zum Feiern. Seit drei Jahren in der Gewinnzone, zweistellige Umsatzzu­ wächse, Auslagerungs- und Expansions­ pläne. Vor allem aber genau 100 Jahre, seit der 24jährige Getreidehändlersohn und Kauf­ mann Jakob Kienzle geheiratet hatte. Als er seine Agathe über die Schwelle des Schwie­ gervaters trug, betrat mehr als ein frischge­ backenes Ehepaar das Haus des Uhrmachers Christian Schlenker. Damals schlug die Geburtsstunde der Uhrenfabrik Kienzle. Aber Chronometerhersteller schaffen sich ihre eigene Zeit, und so gehen die offi­ ziellen Kienzle-Uhren anders. Sie datieren die Anfänge zurück bis 1822. Ein Jahr zuvor war Napoleon gestorben, gegen den Johan­ nes Schlenker als Unteroffizier in den Befreiungskriegen noch gekämpft hatte. Doch nun machte sich der Schwenninger Uhrmachermeister selbständig und baute fortan holzgespindelte Uhren mit Schnur­ zug. Ein Handwerker mit solidem fachlichem Können, wie auch sein Sohn Christian, des­ sen Werkstatt um 1880 20 Schwenningern Brot und Arbeit gab. Jedes Jahr entstanden dort 2000 Pendel- und Wanduhren. Mini­ male Stückzahlen im Vergleich zur z.B. ame­ rikanischen Konkurrenz, die in Fabriken arbeitsteilig und viel billiger produzierte. Zum Techniker mußte sich der Kaufmann gesellen. Der heiratete 1883 in die Familie ein. Nach zwölf Monaten überstieg der Gewinn den Umsatz des vergangenen Jahres. Das zweite Jahr verging – und aus der Werkstatt war eine Fabrik geworden. Jakob Kienzle und sein Kompagnon (und Schwager) Curt Johannes Schlenker hatten Scheuer und Stall zu Arbeitsräumen umgebaut und beim Bahnhof weitere Gebäude aufgekauft. Vor allem jedoch hatten sie eine kleine Dampf­ maschine mit zehn PS zum Antrieb der Maschinen angeschafft. Zur Innovation kam, um im heutigen Jargon zu bleiben, die Exportorientierung. Als die Donaumonarchie 1887 ihre Einfuhr­ zölle erhöhte, baute Kienzle einfach eine 48

Ansicht des alten Fabrikationsgebäudes Mühle im böhmischen Komotau zum Zweigbetrieb aus. Er war ein Mann der Gründerjahre, einfallsreich und risikobereit. Zu Komotau kamen eigene Produktions­ stätten in London, Paris und Mailand. Wenn Jakob Kienzle zur Jahrhundertwende Bilanz zog, hatte er allen Grund zur Zufriedenheit: Aus 20 Arbeitern waren 600 geworden, aus 2000 Uhren pro Jahr eine halbe Million. Auch die Produktpalette zeugt von dem unaufhaltsamen Aufstieg des Namens Kienzle. Fast jedes Jahr etwas Neues; 1901: Tischuhren und Regulateure mit Westrnin­ sterschlagwerk; 1903: kleine Phantasiewek­ ker; 1904: Jahresuhren; 1905: billige Taschen­ uhren; 1906: Hausuhren; 1908: billige Arm­ banduhren; 1910: Autouhren; 1913: Meß­ werkzeuge. Am Vorabend des Ersten Welt­ kriegs erreichte die Jahreserzeugung den Rekordstand von 4,25 Millionen Stück; ein Ergebnis, das erst 25 Jahre später übertroffen werden sollte, am Vorabend von Weltkrieg zwo. In dem Vierteljahrhundert dazwischen hatte sich die Weltmarke konsolidiert. 1922 hatte Kienzle seine KG in eine Aktiengesell­ schaft umgewandelt, deren Aktionäre sämt­ lich der Familie Kienzle angehörten. 1929 ging die Schwenninger Uhrenfabrik Thomas Ernst Haller in Kienzle auf, zwei Jahre später die Deutsche Uhrenfabrik AG aus dem thü­ ringischen Mühlhausen. 1935 starb Jakob Kienzle, und fünf Jahre danach bemächtigten sich die Nationalsozia­ listen seines Lebenswerks: den Krieg über hatte Kienzle-Uhren Zünder für Bomben und Granaten herzustellen; anstelle der Fach-kamen Zwangsarbeiter und dienstver­ pflichtete Frauen. Mit der Stunde Null kamen die Franzosen und mit der Besatzungsmacht die Demonta­ gen. Was als das Ende erschien, erwies sich als neuer Anfang, eine radikale Zwangsmoder­ nisierung sozusagen. Neuste Produktions­ stätten, aber der alte Arbeiterstamm, das erworbene Know-how und vor allem ein Markenname, der immer noch einen guten 49

Klang besaß. Genau besehen, eigentlich doch keine so schlechten Chancen beim Neubeginn. 1956 brachte Kienzle die ersten elektromechanischen Batteriewerke und -uhren auf den Markt und errang auf diesem Sektor bald weltweit eine führende Stellung; Kienzle-Armbanduhren wurden zu den meistverkauften in Deutschland. Diese florierende Firma brachte die Fami­ lie Kreidler innerhalb von sechs Jahren unter ihre Kontrolle. Zuerst erwarb sie einen Anteil von 3,8 Millionen Mark von den Hauptge­ sellschaftern Heilmut Kienzle und Willi Hal­ ler, dann wandelte sie die AG in eine GmbH um, und schließlich erwarb 1965 die Firma die 3,4-Millionen-Anteile des Rüstungsun­ ternehmens Bührle. Damit besaß (und besitzt) Kreidler fast 99 Prozent des Kienzle­ Stammkapitals. Die neuen Besitzer wurden bald mit der schlimmsten Krise in der Geschichte des Unternehmens konfrontiert: so mit der elektronischen Revolution. Im Zeit­ alter der Mechanik hatte Kienzle so gut wie alle Teile seiner Uhren in den eigenen Werk­ stätten hergestellt. Nun mußten elektro­ nische Komponenten zugekauft werden, und das machte ganze Abteilungen arbeits­ los. Und zu alledem kündigte der größte Abnehmer von Kienzle-Autouhren Freund­ schaft und Vertrag. Kienzle entkam der tödli­ chen Krise, der dfe meisten anderen Tradi­ tionsfirmen in der einst weltgrößten Uhren­ stadt zum Opfer fielen – auch Mauthe, wo Jakob Kienzle ein Jahrhundert zuvor Uhren in Kisten verpackt hatte. Doch der Preis war hoch. Beschäftigte Kienzle 1970 im Stamm­ haus noch über 3000 Leute, waren es zehn Jahre darauf keine 700 mehr. In mehreren Wellen wurden über 1000 Mitarbeiter entlasseri, etwa gleichviel Plätze nicht mehr neu besetzt. Auch diese Freiset­ zungen hätten die Firma nicht gerettet, aber

da waren noch die Liegenschaften. Das Land kaufte das Hellmut-Kienzle-Museum, der Bauunternehmer Seemann das Werk II, und die Werkswohnungen wurden den Betriebs­ angehörigen angeboten. Einer der Großen der Branche hatte sich gesundgeschrumpft, um einer der Großen zu bleiben. Und begann bald wieder positive Schlagzei­ len zu machen: 1973 ging das erste Qyartz­ werk in Serie, 1976 wurde das millionste her­ gestellt. Im selben Jahr ging das zehnmil­ lionste Elektronikwerk vom Band. 1982 Vollautomatisierte Quartzwerke-Produktion wurde eine vollautomatische Qyartzwerk­ montage eingerichtet, im Jahr darauf verließ das 25millionste Qyartzwerk Schwennin­ gen. Armbanduhren, Autouhren, Heimuhren, Küchenuhren, Stiluhren, Qyartzwerke, Wanduhren, Wecker, Kurzzeitmesser und elektronische Zeitmesser -ein breites Sorti­ ment, in der Tat. Doch auf Zeitmesser allein wollte Kienzle seine Zukunft nicht mehr bauen. Diversifizierung hieß das Zauber­ wort, ein zweites Standbein. Die Firma wagte sich vor auf fremdes Terrain. Sie begann elek­ tronische Heizkostenverteiler zu produzie- 51

ren, Antriebsmotoren für Autoaußenspiegel und elektronische Geräte. Drei Firmen -die Konkurs gegangenen Wigo und Bürk, sowie Esge -wurden für 13 Millionen einverleibt und besiegelten die Abkehr von der Uhren­ Monokultur. 1985 machten Uhren in der Kienzle-Gruppe gerade noch 60 Prozent des Umsatzes aus; jeweils ein Fünftel entfiel auf technische Erzeugnisse und Haushaltsgeräte. In Schwenningen beschäftigt Kienzle nun wieder über 800 Mitarbeiter; seit 1982 wurde niemand mehr entlassen. Weltweit, die Töchter in Brasilien, Österreich und den USA eingeschlossen, sind es über 1300 Beschäftigte. Zweistellige Zuwachsraten waren in den letzten Jahren an der Tagesord­ nung; der Umsatz stieg von 100 Millionen (1981) auf 150 Millionen (1985). Stiluhren in alle Welt Im Jahr 1987 soll das nächste große Pro­ jekt Wirklichkeit werden. Eine große, zen­ trale Produktionsstätte anstelle von drei zer­ streuten: Für 40 Millionen will Kienzle Ende des Jahres auf das Gelände der ehemaligen Ziegelei beim Eisstadion umziehen. Eine der modernsten Großuhrenfabriken der Welt mit optimierten Fertigungsabläufen mit 22 000 �adratmetern Nutzfläche soll ent­ stehen, wo die Kienzle-Produkte weitestge­ hend von Halb-und Vollautomaten gefertigt werden. Seit Jakob Kienzle die ersten Maschinen zu den Menschen in seine Fabrik stellte, werden etwas über 100 Jahre vergan- gen sem. Hanns-Georg Rodek Die Firma Schmid-Schlenker in Bad Dürrheim 50 Jahre alt Sie ticken in den feinsten Geschäftslagen von New York, Paris, London, Tokio oder Zürich. Ihre Pendel schwingen aber auch beim Juwelier-Fachhandel nebenan. Die Stil­ uhren der Firma Schmid-Schlenker aus Bad Dürrheim sind das Resultat von heute 50 Jahren schwäbischer Regsamkeit Uhr ist nicht gleich Uhr in einer Welt von heute, in der man die Zeit schon vom Fern­ seher oder auch der Kaffeemaschine ablesen kann. ,,Gerade darum muß die Raum­ schmuckuhr etwas Besonderes sein“, das ist sozusagen die Philosophie beim einzigen Großuhrenhersteller im Kurort. Nach außen hin ein schlichter Fabrikbau, ist man drinnen auf Metallstiluhren spezialisiert, auf hoch­ wertige Stücke, ,,die auch morgen noch Erb­ stücke sind“. Denn zwischen Metallstiluhr und Metallstiluhr können Welten liegen. Jährlich verlassen die Firma an der Schwenninger Straße des Kurortes 100 000 Stiluhren und gehen in alle Welt, bis nach Japan und Australien, die allermeisten nach 52 England, in die Vereinigten Staaten von Amerika und in die Schweiz, unserem auf diesem Gebiet recht anspruchsvollen Nach­ barn. Paradestücke aus Messing machen einen Großteil der Produktion aus, aber auch die kleineren Messingstiluhren. Daneben spielt die eher verspielte Souvenirlinie eine Rolle, schon in preislicher Hinsicht als Geschenkartikel begehrt. Mitunter erinnert auf ihnen ein Schwarzwaldmotiv an den Landstrich, aus dem sie kommen. Dann aber wieder die großen, klassischen Pendulen, manchmal goldfarben, oft auch in dunkles Rot oder Grün getaucht, von Hand bemalt, massives Edelholz. Immer auch Emaille­ zifferblätter mit arabischen oder römischen Zahlen. Die Produktenpalette ist breit 20 bis 30 Modelle im Jahr. ,,Man muß sich immer etwas Neues einfallen lassen, sonst ist man weg vom Markt“, sagen übereinstimmend die beiden Chefs der Firma. Ein halbes Jahr­ hundert im Uhrensektor mit seiner heute

schier erdrückenden Konkurrenz, das hat hier geprägt. Die beiden heutigen Chefs der Firma, Bernd Schmid und Peter Schmid, als Cousins miteinander verwandt, sind ein ganz aufeinander abgestimmtes Team. Sie haben in den vergangenen Jahren Zeichen gesetzt, ein neues Konzept. „Der Markt wurde in den letzten Jahren durch fach­ fremde Anbieter überschwemmt“, bilanzie­ ren sie. Also hieß es, diesem oft von billigen, kunststoffeloxierten Uhren überschwemm­ ten Markt eine sichere Produktpolitik ent­ gegenzusetzen. Sie mündete darin: »O!Jalität und Präzision, nur für den Fachhandel mit seinen gehobeneren Ansprüchen“. Was darum aus der Firma kommt, ist hochwertig, dekorativ und soll Jahre überdauern. Ein Stück Uhrengeschichte ist es dazu. Blättern wir zurück, kommen wir zu Gali­ leo Galilei, zu Christian Huygens, zurück zu den ersten Schwarzwälder Tüftlern, die 1660 die erste Holzpendeluhr bauten. 1715 dann wurde die „ruhende Hemmung“, der Gra­ hamgang erfunden. Sieht man heute bei Schmid-Schlenker hin, entdeckt man den Geist der alten Erfinder wieder. Nur mit der modernen Technologie von heute umge­ setzt. Das faszinierende Spiel winzig kleiner Rädchen, wie sie hinter Kristallglas ineinan­ dergreifen, Pendel, die sich ruhig und präzise bewegen, feiner Glockenschlag. Bei vielen dieser Stiluhren kann man das Innenleben der Uhr betrachten, entdeckt man die Welt der Uhr ganz intensiv. Liebhaber sammeln darum längst Uhren dieser Firma. Damit das alles möglich ist und nicht nur ein seelenloses Q!iarzwerk den Zeitmesser antreibt, braucht es Voraussetzungen. Die Betriebsfläche von 2500 Q!iadratmetern, der Maschinenpark, die teuren Materialien, die eingekauft werden müssen, zeigen das. Und da stehen sie: Dreh- und Stanzautomaten, die Einrichtung fürs Polieren, die eigene Lackiererei. Die heute 55 Mitarbeiter sind nach langer Firmenzugehörigkeit zuverläs­ sige Leute, Uhrmacher, Feinmechaniker, Werkzeugmacher und Lackierer. In beiden, im Gehäusebau und im Bau von Uhrwerken 54 hat die Firma 50jährige Erfahrung. Die Gehäuse, oft auf stattlichen Messingsäulen ruhend, werden genauso in handwerklicher Arbeit hergestellt wie die mechanischen Uhr­ werke. Es gibt Uhren, die fast 400 Einzelteile haben. Eine Uhr in einer Wohnung sollte ein Schmuckstück sein. Klassische Vorbilder sind hier im Dürrheimer Gewerbegebiet die Devise. Dazu wird Uhrenliteratur gewälzt, wird in Museen Umschau gehalten. Wenn dann wieder eine Neuentwicklung wie das „Kuhschwanz“-Pendelwerk nach altem Vor­ bild das Ergebnis ist, sind alle stolz. Aber auch völlig neuen Trends (schon wegen des Preisproblems) hat man sich nicht verschlos­ sen. In bestimmte Serien wird das Q!iarz­ werk, das einzige Werk, das zugeliefert wird, eingebaut. Wie sehr die Bad Dürrheimer Großuhren in aller Welt geschätzt sind, zeigt eine Zahl: zwei Drittel der jährlich 100 000 Uhren legen als Export weite Reisen zurück. Für die Schweizer wurde die besonders anspruchs­ volle „Du Chäteau“-Linie entwickelt. Unter dieser Marke wird heute generell die hoch­ wertigste der Schmid-Metallstiluhren vertrie­ ben. Es muß also nicht „Schmid“ auf dem Zifferblatt stehen, und dennoch ist das Pro­ dukt aus diesem Haus. Die Firma wird heute – einstmals in Schwenningen von den Brüdern Albert, Felix und Walter Schmid in Schwenningen gegründet und 1952 aus Raumgründen nach Bad Dürrheim verlegt – von zwei jüngeren Männern geführt. Dipl.-Kaufmann Peter Schmid, 45, hat Betriebswirtschaft studiert, lenkt den kaufmännischen Teil, reist mit­ unter in alle Welt, um am Ball zu bleiben. Dipl.-Ing. Bernd Schmid, gleichaltrig, hat das Uhrmacherhandwerk von der Pike auf gelernt und steht dem technischen Bereich vor. Über 3000 Stunden, das nur eine Zahl, werden im Jahr in Forschung und Ent­ wicklung investiert. Team, das wird heraus­ gestellt, ist wichtig, um flexibel am Markt zu sem. Was kann man machen, wo ist Bedarf,

Mit Tüftlerfleiß zur eigenen Firma welche Designs kommen an? Immer stellt glauben“, das ist derzeit die Auskunft zur sich zu Beginn der Arbeit an einem neuen wirtschaftlichen Lage der Firma. Man ver­ Modell diese Frage. Man muß bei den gro­ nimmt es gern, wenn Fleiß und Ideenreich­ ßen Uhrenmessen, muß in der weiten Welt tum im Uhrensektor aus unseren Breiten in einen harten Wettbewerb bestehen. ,,Die der Welt noch einen Namen haben. Firma kann beruhigt an eine gute Zukunft Gerlinde Pfannkuchen 1925 gründete Andreas Haller das heute etablierte Unternehmen für Feinmechanik Der Maschinenschlosser und Tüftler Er fing an, wie viele nach dem Ersten Andreas Haller, geboren 1878, gründete im Weltkrieg: Im Keller des Wohnhauses in der Jahre 1925 seine kleine Firma als Zulieferbe­ St. Georgener Ackerstraße wurde im Jahre 1920 eine kleine Werkstatt eingerichtet. Mit­ trieb für die Elektroindustrie. Des weiteren arbeiter waren drei Söhne, die sich meist wurden auch Sondermaschinen für diese nach Feierabend mit den feinmechanischen Elektroteile gebaut. Bereits 1928 wurde die von der Fa. Fichter und Hackenjos in der Ideen des Vaters auseinanderzusetzen hat­ Bahnhofstraße erworbene Baulichkeit bezo­ ten. Heute ist die Firma Andreas Haller, Fabrik für Feinmechanik, ein etabliertes gen und das Produktionsprogramm auf Unternehmen mit internationaler Anerken­ Haus-, Wand-und Tischuhren erweitert. nung. Rund 20 Mitarbeiter fanden inzwischen Außenansicht der Firma Haller in der Bahnhofstraße in St. Georgen 55

Produktionsräume der Firma Andreas Haller, St. Georgen Diesem Schaffen machte das Schicksal ein rasches Ende. Der Firmengründer verstarb 1935 im Alter von 57 Jahren. Von den Söh­ nen Oskar, Siegfried und Andreas wurde die Firma weitergeführt. Das Kriegsende brachte auch dem Unternehmen einschneidende Veränderungen. Ein Großteil der Maschinen wurde demontiert und die Produktion teil­ weise stillgelegt. Ab 1950 wurde der Betrieb von Oskar Haller als Alleininhaber weitergeführt. Die Produktpalette umfaßte zwischenzeitlich bei Andreas Haller ihren Broterwerb. Das Ziel des Firmengründers, seine eigene Firma zu haben, war also erreicht. Daß Andreas Haller auf dem Lorbeer der eigenen Firma weiß Gott nicht ausgeruht hat, beweist die Beständigkeit des Unternehmens. So wur­ den -für die damalige Zeit -modernste Maschinen angeschafft und neue Produkte gefertigt. Für die Marktoffenheit der Firma spricht auch die Tatsache, daß in den 30er Jahren die Produkte bereits auf der Leipziger Messe ausgestellt wurden. 56

auch technische Laufwerke, die in der Auto­ mobilindustrie und auch in sonstigen Zeiter­ fassungsanlagen Verwendung fanden. Aus diesem Grunde erfolgten 1954 bis 1958 bau­ liche Vergrößerungen. Ebenso wurde der Maschinenpark erweitert und modernisiert. Der Mitarbeiterstand war zwischenzeitlich auf 120 Mitarbeiter angewachsen. Mitten im Aufschwung starb im Jahre 1958 Oskar Haller im Alter von 52 Jahren. Seine Frau Lydia, bis dahin nie in der Firma tätig, arbeitete sich in kurzer Zeit in die Mate­ rie ein und leitete den Betrieb. Tüchtige Mit­ arbeiter, die seit Jahren dem Betrieb angehör­ ten, unterstützten sie dabei. Nach und nach traten die Kinder Eckart und Doris in den Betrieb ein und übernahmen in den 70er Jah­ ren die technische und kaufmännische Lei­ tung. Diese Jahre brachten auch den gravie­ renden Umbruch, nämlich den Einstieg in In Brigach · Zeichnung: Dr.Josef Asifäller die Qiarztechnik. In den Jahren 1975 bis 1980 wurde die Produktionsfläche um rund 1000 m2 erweitert, und die Mitarbeiterzahl erhöhte sich auf150. Der Expansion waren in der Bahnhofstraße jedoch Grenzen gesetzt, deshalb wurde 1981 eine ehemalige Dual-Pro­ duktionsstätte in der Bühlstraße erworben. Zwischenzeitlich ist die Firma auf ca. 260 Mitarbeiter angewachsen, die neben ver­ schiedenen technischen Laufwerken, rund 40 000 Qiarzwerke pro Tag fertigen. Diese Qiarzwerke werden z. T. für die eigene Pro­ duktion von Uhren verwendet, aber auch als Modul an weiterverarbeitende Firmen ver­ kauft. Ein Großteil der Produkte wird in alle Länder der Welt exportiert. Vom Keller auf den internationalen Markt, so könnte man die Geschichte der Fa. Andreas Haller auf einen ganz kurzen Nenner bringen. Manfred Braig 57

Persönlichkeiten der Heimat Uta Baumann-Dold – eine Frau steht ihren Mann sehen Jugendbewegung an. Durchdrungen von der Absicht, unentwegt aus eigener Kraft eine wahrhaftige Lebensgestaltung zu fin­ den, die auf Wanderfahrten, Lagern, Heim­ abenden und in der Gruppenarbeit das Erlebnis der Einfachheit, der Naturverbun­ denheit und das der Gemeinschaft der Freunde sucht, wird sie für viele junge Men­ schen zur erwählten geistigen Führerin. Mit Anbruch des Dritten Reiches ziehen dunkle Wolken herauf. Im Jahre 1934, als sie ihr Abitur am heutigen Romäusgymnasium ablegte, erhielten nur ganz wenige politisch Unverdächtige überhaupt die Möglichkeit zu studieren. Aus überkommener Naturver­ bundenheit geht sie zunächst den Weg über eine Lehre als Gärtnerin und verbringt Gehil­ fenjahre in Offenburg und dem fernen Hol­ stein. Von 1939 bis 1943 absolviert sie an der Universität Berlin ein Studium als Garten­ und Landschaftsarchitektin, das sie mit dem akademischen Grad einer Diplom-Ingenieu­ rin abschließt. Hier lernt sie auch den Lands­ mann Richard Baumann aus Konstanz ken­ nen, nicht ahnend, daß auch ihr das Los vie­ ler hoffnungsvoller junger Frauen jener Zeit auferlegt werden würde: Ein Jahr nach der Hochzeit, 1944, fallt der 29jährige Offizier in Rußland, noch ehe er sein Studium beenden konnte. Der Traum von einer Zukunft gemeinsamer Arbeit und ehelichen Glücks ist zerronnen. So bleibt der frühen Witwe zunächst nur die Stelle einer wissenschaftli­ chen Mitarbeiterin beim Gartenamt in Straß­ burg. Das Jahr 1945 war zwar ein Jahr der inne­ ren und äußeren Befreiung für Uta Bau­ mann-Dold, es brachte aber auch eine lange Zeit materieller Entbehrungen. Über Jahre stand sie ohne Rente da und war auf die Unterstützung ihrer alten, inzwischen pfle- Daß sie ihren Mann würde stehen müs­ sen, war ihr nicht an der Wiege gesungen worden. -Spätestens seit dem Urgroßvater, der noch zu Goethes Zeiten die Spinnerei und Weberei als ältesten Bauteil des heutigen „Maria Tann“, an der Straße nach Unterkir­ nach, gründete, gehörten die Dolds zu den vornehmen und materiell „betuchten“ Bür­ gern der Stadt. -Als eines von sechs Kindern des Bankvorstands Otto Dold und seiner Frau Maria wurde sie im ersten Kriegsmonat, genau am 31. August 1914, in Villingen gebo­ ren, und zwar im selben stattlichen Jugend­ stil-Haus, Romäusring 5, in dem sie auch heute noch wohnt. So schien also alles zunächst auf ein sorgloses Leben hinauszu­ laufen. In der späten Phase jener freien päda­ gogischen, geistigen und kulturellen Erneue­ rung der 1920er und beginnenden 30er Jahre gehört die engagierte Christin der katholi- 58

gebedürftigen Eltern angewiesen. Mit der einsetzenden Baukonjunktur, ab 1950, wer­ den die bisherigen kleinen Nebenverdienste durch die Erträge eines eigenen Büros für Garten- und Landschaftsarchitektur abge­ löst. Mit großer Energie macht sie sich an die Arbeit. Die gesamte Region Schwarzwald­ Baar-Heuberg, ja bis zum Hochrhein hin­ unter, wird mit ihren kreativen Planungen versorgt. D3:1:1eben übernimmt sie auch die Bauleitung. Uber die eigene Stadt hinaus fin­ den sich ihre Arbeiten zum Beispiel im Kur­ garten in Königsfeld, der Fußgängerzone Müllheim a. d. Donau, in der Anlage des Gymnasiums Spaichingen, dem Rathaus­ platz in Weil am Rhein, im Villinger Park der Partnerstadt Friedrichsthal (Saarland) und in zahlreichen Friedhöfen der Landkreise Schwarzwald-Baar und Rottweil. Wo aber im Privaten ein Hauch von Frei­ zeit bleibt, wirkt die Zeit der Jugendbewe­ gung nach: Wanderungen, ob sommers oder winters, bleiben ihre große Leidenschaft. Noch ist die junge Republik erst ein paar Jahre alt, da öffnet sich Uta Baumann-Dold der Politik. 1956 wird sie Parteimitglied der CDU. Zur Kandidatur ermuntert, macht sie die Erfahrung vieler Erstkandidaten und fällt zunächst durch, Jetzt erst recht“, war einmal mehr ihr Wahlspruch. Seit 1959 ist sie dann ununterbrochen mit von der Partie, 25 Jahre lang, bis 1984, als sie siebzig wird. Zunächst im Sozialausschuß, wo sie zahlreiche Gedan­ ken aus der gewachsenen Erfahrung ein­ bringt, wechselt sie auf Dauer in den Techni­ schen Ausschuß, der von dem reichen Berufswissen profitiert. Es erinnert an John F. Kennedys Buch „Civilcourage“, das das persönliche, ja manchmal existenzielle Scheitern von Politi­ kern als Preis für ein als richtig verfolgtes politisches Ziel in das Bewußtsein rückt, wenn man das Leben Uta Baumann-Dolds auf den 1. 1. 1972 zurückdreht. Damals stritt sie gewissermaßen in vorderster Front um den Erhalt der selbständigen Stadt Villingen. Sie war eine prominente Gegnerin der Fusion mit Schwenningen und den Umland- gemeinden. Die Legitimation ihrer Entschei­ dung, die sie auch heute noch, ja umso mehr, für richtig hält, beanspruchte sie aus einer sachbezogenen Verantwortung. Sie befürch­ tete, wohl nicht zu Unrecht, eine überzogene Organisationsstruktur, die durch Rücksicht­ nahme auf bestehende Gemeindeinteressen zu ejner Ausweitung und damit auch einer erheblichen Verteuerung sowie zu einem immer anonymer werdenden bürokrati­ schen Apparat führen müßte. Sie redete des­ halb in erster Linie kommunalen Zweckver­ bänden das Wort, wie sie heute beispielhaft in den Abwässerverbänden tatsächlich beste­ hen und wie sie durch Verselbständigung des innerstädtischen Krankenhauswesens ein solcher Verband außerhalb der Stadtverwal­ tung von selbst entwickelt habe. Unbestreitbar war es auch der Herzschlag, der jedem Politiker, wenn er es aufrichtig meint, ein Maß sein sollte, mit dem sie für eine eigenständige Selbstverwaltung ihrer Heimatstadt Villingen eintrat, nicht zuletzt, weil sie in der Veränderung einer organischen Entwicklung des Gemeinwesens den Verlust kommunaler Identität dieser geschichts­ trächtigen Stadt befürchtete. Dennoch auch in der Niederlage den Schritt nach vorne getan zu haben und nach der Fusion im poli­ tischen Feld des Gemeinderats noch weitere 13 Jahre der Allgemeinheit loyal gedient zu haben, gehört zu ihren persönlichen großen Entscheidungen. Daß sie neben dem Amt als Kommunal­ politikerin lange Jahre in verschiedenen Ehrenämtern, wie dem Pfarrgemeinde- und Stiftungsrat Münster und dem Museumsbei­ rat tätig war sowie bis heute dem geschäfts­ führenden Vorstand des Geschichts- und Heimatvereins Villingen angehört, sei nur am Rande erwähnt. Im Oktober 1985 verlieh ihr der Bundes­ präsident das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Die Stadt selbst würdigte sie als erste Frau mit der Bürgermedaille für beson­ dere Verdienste und dem Großen Villinger Werner Huger Stadtsiegel von 1530. 59

Paul Riegger zu seinem 90. Geburtstag -ein Rückblick Wir stehen auf der großen Terrasse, oben am Altstadtsteig und blicken hinunter auf die Stadt, bis hinein in den Schwarzwald. Wir schauen auf die Straßen mit ihrem lebhaften Verkehr. Zeichen unserer Zeit! Paul Riegger, die bekannte und sehr geachtete Persönlichkeit, Stadtrat und Kreis­ tagsmitglied, spricht von seinen Bemühun­ gen um die Schaffung verkehrsberuhigter Zonen, von der notwendigen Reduzierung der Ampeln, von vernünftiger Straßenpla­ nung und dem die Menschen berücksichti­ genden Straßenbau. In dem Gespräch klin­ gen die persönlichen Erfahrungen des Ver­ kehrsfachmanns durch. Im Wohnzimmer mit seinen großen Fen­ stern, die einen freien Blick in die Landschaft 60 gewähren, erzählt der Neunzigjährige aus sei­ nem reichen Leben. Paul Riegger wurde am 23. Juni 1896 in Marbach geboren. Zu jener Zeit hatte seine Heimatgemeinde, mit der er sich heute noch stark verbunden fühlt, etwa 300 Einwohner; der Lehrer unterrichtete alle acht Jahrgänge in einer Klasse. Die Eltern beschlossen, den Sohn in der Villinger Volks­ schule anzumelden, da dort in Jahrgangsklas­ sen unterrichtet wurde. Es folgte der Besuch der Realschule/Oberrealschule. Doch er wollte unbedingt ein Handwerk erlernen. „So sollte ich bei der Firma Schneider in Schwenningen eine Mechanikerlehre machen“, sagt er, sich an jene Jahre erin­ nernd. „Und da fuhr mein Vater mit mir, mit dem Roß und der Chaise rüber ins Nachbar­ städtle Schwenningen. Und da hat das Roß ein bißchen Ruh‘ gebraucht, und der Fuhr­ mann hat’s auch nötig g’habt und da ist mein Vater in der Bärenbrauerei eingekehrt. Und wie es der Zufall will -mei‘ ganzes Leben ist Zufall -hat der Inhaber der Bärenbrauerei g’fragt, was wir in Schwenningen wollten. Wir haben es ihm gesagt, da hat dieser g’meint, gebt doch den Bub in unsere Fach­ schule. Der Stammtisch nebenan hörte unser Gespräch. Diese Schwenninger Geschäfts­ leute, meist Freie Demokraten, empfahlen den Besuch, den Eintritt in die ,Königlich­ Württembergische Fachschule für Feinme­ chanik und Uhrenrnacherei‘. Die Schwen­ ninger Geschäftsleut‘ hatten damals ein gewichtiges Wort mitzusprechen, auch in dieser Schule, und schon im Herbst konnte ich eintreten.“ Der Besuch dieser Fachschule hat das Leben des jungen Marbachers geprägt und die Voraussetzungen für seine erfolgreiche berufliche Laufbahn geschaffen. Nach Abschluß dieser Ausbildung arbeitete Paul Riegger noch ein Jahr beim Elektrobetrieb ISARIA, doch dann kaufte der Siemens­ Konzern München diese Kleinfirma auf,

einer und nach kurzer Zeit war das Ende da. Wie­ der hatte Paul Riegger Glück: Es kam ein Angebot von Siemens-Halske Berlin. All­ jährlich suchte dieses Berliner Unternehmen einige Schüler mit guten Abgangszeugnissen aus der Schwenninger Anstalt. Er wurde ein­ gestellt. Neuer Arbeitsplatz: Berlin. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs erfolgte seine Einberufung. Aufgrund seiner berufli­ chen Befähigung kam er zur ersten Versuchs­ Funkerstation, neuaufgestellten Nachrichteneinheit. 1915 war er im Lazarett in Bad Dürrheim. Nach seiner Gesundung bekam er den Marschbefehl an die Front. Doch wenige Tage später erhielt der junge Soldat die Weisung, sich schnellstmöglichst nach Berlin zu seiner Firma Siemens und Halske zu begeben. ,,Ich wurde freigestellt; doch ich ließ mir noch etwas Zeit! Natürlich nahm ich den Umweg über Villingen und da ich immer im falschen Zug saß, erreichte ich Berlin erst drei Wochen später,“ meinte er lächelnd. Neben der Tätigkeit in seinem Betrieb, die viel abverlangte, besuchte Paul Riegger auf dem Armenweg die bekannte Ingenieur­ schule Barth, die heute noch existiert, von täglich 19.30 Uhr bis 23.00 Uhrund samstags von 8.00 Uhr bis 11.00 Uhr. Beruf und Fort­ bildung verlangten eine ständige intensive Auseinandersetzung mit der technischen Fortentwicklung. Nach zweijährigem Besuch dieser Schule kam der junge Ingenieur in seine Heimat­ stadt. Und wieder hatte er Glück; er las in der Zeitung „Betriebsassistent gesucht“. Er hatte ja in Berlin viel gelernt, und so meldete er sich beim Leiter der Villinger Hollerith und nach einem eingehenden Gespräch wurde er, trotz seines jugendlichen Alters, eingestellt und war nach zwei Jahren aufgrund seiner Q!ialifikation Betriebsleiter. Doch wechsel­ voll ist oftmals das Geschick: Hollerith ver­ ließ die Zähringerstadt, weil diese kein Bau­ gelände für die Erweiterung dieses bedeuten­ den Entwicklungsbetriebes zur Verfügung stellen wollte. Das Unternehmen (heute IBM} siedelte sich in Böblingen an. ,,Ich habe mich sehr um den Verbleib der Firma und um die Bereitstellung von Bauland bemüht, doch leider ohne Erfolg,“ sagt er nachdenk­ lich. Der Villinger Unternehmer, Dr. Herbert Kienzle wußte, daß die deutsche Hollerith von ihren Betriebsangehörigen genaues Arbeiten, technisches Verständnis und Befä­ higung zur Fortentwicklung abverlangte. So holte er den 27jährigen Paul Riegger als Betriebs- und Konstruktionsleiter in die Kienzle-Apparatebau Villingen. ,,Wir fingen an mit 220 Leuten, und als ich aus dem Betrieb ausschied, das war jedoch noch nicht mit 65, hatten wir 5000 Mitarbeiter. Was ich auch hier feststellen konnte, war deren Zuverlässigkeit, deren Identifizierung mit der Firma“. Dr. Kienzle hatte für den Betriebsleiter stets ein offenes Ohr. Paul Riegger berichtet als Beispiel, daß er Ende der dreißiger Jahre – damals gab es noch keine Weihnachtsgratifi­ kation -dem Firmeninhaber vorschlug, den Unverheirateten eine Ente und den Verheira­ teten eine Gans als Weihnachtsgeschenk zu geben. Dieser war mit dem Vorschlag einver­ standen und beauftragte seinen Betriebslei­ ter, das notwendige Federvieh zu besorgen. In jenen Tagen wurde gerade ein Vertrag mit der ungarischen Staatsbahn wegen der Liefe­ rung von Tachografen abgeschlossen. Paul Riegger rief kurz entschlossen in Budapest an wegen der Lieferung ungarischer Enten und Gänse. Nach erfolgter Zusage fuhr am näch­ sten Tag ein Lastwagen der Firma mit Anhänger in die ungarische Hauptstadt und holte die Festtagsbraten ab. Als Paul Riegger in die Firma eintrat, wur­ den hauptsächlich Taxameter gefertigt. Von seiner Arbeit in der Hollerith amerikanische Arbeitsweisen gewohnt, entwickelte er zusammen mit Walter Schieber (Schwarz­ waldverein), wesentliche Verbesserungen und reduzierte die Zeit der Fertigung. Als in dieser Branche wohl leistungsfähig­ ster Betrieb lieferte Kienzle-Villingen diese ,,Schwarzwälder Wertarbeit“ in alle Welt, Erzeugnisse, die durch ihre Q!ialität, ihre Prä-61

zision einen Namen hatten. Er spricht von den Lieferungen nach Afrika, Australien, Indien, den europäischen Staaten und von den Abgrenzungen der Lieferungsbereiche in den Verhandlungen mit dem aufstreben­ den Japan. Als Verkehrsfachmann war Direktor Paul Riegger eine bekannte Persönlichkeit. In den betr. Ministerien in Berlin und Bonn war man für seinen Rat dankbar und bei der Anlage von Versuchsstrecken und Durch­ führung von Versuchsfahrten schätzte man seine Erfahrung. Wir kennen den Jubilar vor allem durch sein Wirken zum Wohle der Bürger. Seit 1959 ist er als Mitglied der Freien Wählerver­ einigung im Kreistag des Schwarzwald-Baar­ Kreises. Gemeinderat der Stadt Villingen­ Schwenningen war er von 1962 bis zum Sommer 1986. In beiden Gremien, jeweils den Technischen Ausschüssen angehörend, kämpfte er mit unverminderter Aktivität Am 11. April 1986 erfuhr es die Öffentlich­ keit: Karl Hoch, Bäckermeister aus Villingen, trat nach rund drei Jahrzehnten als Kreis­ handwerksmeister unseres Landkreises zu­ rück und übergab die Führung der Hand­ werksorganisation in jüngere Hände. Einige Tage nach Vollendung seines 70. Lebensjah­ res wurde Karl Hoch in einer würdigen Feier­ stunde mit Freunden, Partnern und berufs­ ständischen Wegbegleitern aus Politik, Wirt­ schaft und Verwaltung sowie in Anwesenheit seiner Familie die gebührende Ehrung zuteil. Die Wurzeln für seinen ehrenamtlichen Einsatz auf verschiedenen Ebenen liegen sicherlich in seinem Elternhaus begründet. Karl Hoch ist am 2. April 1916 in Villingen geboren. Seine Kindheit wurde durch die in den Nachkriegsjahren notwendige konse­ quente Sparsamkeit sowie die in einer mittel­ ständischen, christlichen Handwerkerfamilie herrschenden Sitten und Gebräuche geprägt. 62 noch als erfahrener Fachmann, der mit dem Auto umzugehen weiß, für Verkehrsberuhi­ gung, Erhalt der Anlagen, den Schutz des Waldes und als engagierter Bürger für die Hilfe der Sozialsehwachen, denen er vielfach beisteht. Paul Riegger ist seit 1967 Ehrenbürger sei­ ner Heimatgemeinde Marbach. Als Jäger und „Waldarbeiter“ (für seine Mitmenschen) ist er eng mit der Natur verbunden. Täglich fahrt er seine zehn Kilometer mit dem Fahr­ rad. Dieser Lebensweise und seiner körperli­ chen Betätigung verdankt er seine Gesund­ heit. Er ist Vater von sechs Kindern. Seine Ehe­ frau Hedwig begleitet behutsam mit Ver­ ständnis und Fürsorge den Tagesablauf ihres so vielseitig engagierten Mannes und hilft mit, das Licht, doch auch manchmal die Schatten des Lebens gemeinsam zu tragen. Helmut Heinrich Nach dem Erwerb der mittleren Reife erlernte er das Bäckerhandwerk im väterli­ chen Betrieb. 1942 legte er in Düsseldorf seine Meisterprüfung ab. Nach der Wehr­ dienstzeit, in der er es zum Offizier brachte, und der Gefangenschaft folgten Jahre der Fortbildung in auswärtigen Betrieben. Auch diese harte Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war formend für sein weiteres Leben. Im Jahr 1951 heiratete Karl Hoch seine Frau Anna, geb. Bach, die ihren Beruf als Lehrerin aufgab, um sich mit ganzer Kraft dem Aufbau einer gesicherten selbständigen Existenz widmen zu können. Aus der Ehe gingen drei Söhne und eine Tochter hervor. Zu Beginn des Jahres 1952 übernahm Karl Hoch die Bäckerei seiner Eltern in der Riet­ straße. Die Entwicklung des Betriebes seit dieser Zeit zeigt deutlich auf, welch profi­ lierte Unternehmerpersönlichkeit uns mit Karl Hoch gegenübertritt: Beachtlicher Karl Hoch: Ein Handwerksmeister zum Vorzeigen

seiner Berufskollegen bundesweit und in in­ ternationalen Gremien wahrzunehmen. Die engagierte Tätigkeit in der Bäcker­ Organisation verlangte die Übernahme wei­ terer ehrenamtlicher Verpflichtungen. Seit 1954 ist er als Aufsichtsrat beziehungsweise Vorstandsmitglied im Villinger Bäcker-Ein­ kauf tätig. Auch in der BÄKO-Zentrale Süd­ west, deren Zuständigkeitsbereich sich über Baden, Pfalz, Saarland und Hessen erstreckt, war er lange Zeit Aufsichtsratsvorsitzender. Einen weiteren Aufsichtsratsposten hat er ?ei der bundesweiten Bäckerpensionskasse mne. Die Handwerksmeister der anderen Berufe wurden bald auf den aktiven Bäcker­ meister aufmerksam. Ein Mann seines Stils, seiner Durchsetzungskraft und seines Wis­ sens schien ihnen auch zur Vertretung der Interessen des heimischen Gesamthand­ werks geeignet. So verwundert es nicht, daß Karl Hoch nach zwei Jahren Tätigkeit im Vorstand der Kreishandwerkerschaft 1956 stellvertretender Kreishandwerksmeister wurde.19 5 8 wählten ihn die Vertreter der ein­ zelnen Innungen als Nachfolger von Wagnermeister Karl Dörflinger zum neuen Kreishandwerksmeister. Die im Jahr 1954 neu ins Leben gerufene Kreishandwerker­ schaft mußte auf dem fmanziellen Null­ punkt beginnen. Es war das erste Ziel des neuen Kreishandwerksmeisters, den Kolle­ gen aller Berufe, aber auch der Bevölkerung und den öffentlichen Ämtern und Behörden eine Ansprechstelle zu schaffen, wo sie sich vor Ort Rat holen konnten. Dank solider Finanzpolitik, eines großen Idealismus und auch persönlicher Opfer des Kreishand­ werksmeisters ging es stetig aufwärts. Im Laufe der Zeit entwickelte sich unter der Lei­ tung von Karl Hoch ein funktionstüchtiges „Rathaus des Handwerks“, das sich auch räumlich immer wieder den gestiegenen Anforderungen anpassen konnte. Gerade die vielen Entscheidungen im Rahmen die­ ser Anpassungen gehen auf die Initiativen von Karl Hoch zurück. Die Krönung seines Schaffens erreichte er in der Errichtung des 63 geschäftlicher Erfolg, der nur durch harte Arbeit, großen Fleiß, Risikobereitschaft, per­ sönliche Opfer und unternehmerisches Den­ ken erreicht werden konnte. Doch Karl Hoch sah den Sinn seines Lebens nicht nur in der täglichen Arbeit innerhalb der eigenen vier Wände. Er ver­ stand sich immer auch als Vertreter und Kämpfer für seinen Handwerksstand und scheute keine Auseinandersetzung, die er im Dienste einer Sache oder aus Überzeugung für nötig erachtete. 1954 wählten ihn seine Kollegen zum Obermeister der Bäcker­ Innung. Dieses Amt gab er 1982 an einen jün­ geren Nachfolger ab. Die hervorragende Arbeit des Villinger Obermeisters sprach sich herum und fand durch seine Wahl zum badi­ schen Landesinnungsmeister im Jahr 1972 entsprechende Anerkennung. Nach fünf Jahren Tätigkeit im Gesamtvorstand ist er seit 1977 Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes des Zentralverbandes des deut­ schen Bäckerhandwerks. Durch diese Tätig­ keit ist es Karl Hoch möglich, die Interessen

neuen „Haus des Handwerks“ in der Seba­ stian-Kneipp-Straße, in dem neben der Kreis­ handwerkerschaft auch die lnnungskranken­ kasse und die Akademie des Handwerks untergebracht sind. Nicht vergessen werden darf auch Karl Hochs jahrzehntelange Arbeit im Vorstand der Handwerkskammer Kon­ stanz, wo er die Interessen unserer Handwer­ ker vertrat. Handwerkspolitik bedeutete für Karl Hoch immer auch gesellschaftspolitisches Handeln. Getragen vom Gedanken selbst­ verantwortlich gestalteter sozialer Fürsorge initiierte er die Errichtung einer eigenen Krankenkasse des Handwerks. Bereits im Jahr 1958 gründeten fünf Innungen die lnnungskrankenkasse Villingen. Durch die Ausdauer und Überzeugungskraft des Vor­ standsvorsitzenden Hoch sind inzwischen 15 Innungen Träger der lnnungskrankenkasse Schwarzwald-Baar, die einen Mitgliederbe­ stand von rund 10 000 Personen zu kosten­ günstigen Konditionen versorgt. Die Bürger der Stadt Villingen-Schwenningen kennen Karl Hoch als profilierten CDU-Stadtrat Seit seiner ersten Wahl im Jahr 1965 gilt er als Ein Stück Firmengeschichte der Fa. Siedle & Söhne GmbH in Furtwangen kommunalpolitisch engagierter Bürger, der die Interessen der Handwerkswirtschaft auch in diesem Plenum konsequent vertritt und durch seine politischen Kontakte viel bewe­ gen kann. Welche Wertschätzung er erfahrt, zeigt sich in seiner Wahl zum ehrenamtli­ chen Stellvertreter des Oberbürgermeisters. Bis vor einigen Jahren gehörte Karl Hoch auch dem Aufsichtsrat der Villinger Volks­ bank an. Auch durch dieses Amt, das er seit 1959 wahrnahm, konnte er sich spürbar für die Handwerksbetriebe einsetzen. Es zeichnet den Menschen Karl Hoch aus, daß er trotz seiner großen Erfolge im unter­ nehmerischen, handwerklichen und politi­ schen Bereich stets bescheiden geblieben ist. In Würdigung seiner Verdienste um das Handwerk wurde er zum Ehrenkreishand­ werksmeister ernannt. Sicherlich übergab er seinem Sohn Bernhard, der zu seinem Nach­ folger gewählt wurde, einen beachtlichen Teil seiner ehrenamtlichen Arbeit. Doch wer Karl Hoch kennt, weiß, daß er aufgrund sei­ ner vielen verbleibenden Ämter und geselli­ gen Verpflichtungen weiterhin aktiv ist und sich dabei wohl fühlt. Wolfgang Türsehmann Die Geschichte einer Firma hängt eng mit Mitarbeitern zusammen, die ihre Kenntnisse und ihren persönlichen Einsatz zur Ver­ fügung stellen. Ein solches Beispiel gab lange Jahre die Arnold Kienzler, der Geschicke der Firma Siedle & Söhne GmbH in Furtwangen als Betriebsratsvorsitzender mitbestimmte und der zu Ende des Jahres 1985 aus dem aktiven Berufsleben aus­ geschieden ist. Darüber hinaus ist Arnold Kienzler lange Jahre im kommunalpoliti­ schen Leben der Stadt Furtwangen tätig gewesen und gab so ein Beispiel dafür, daß auch in heutiger Zeit der persönliche Einsatz für das Gemeinwohl lohnend ist und sicht­ bare Erfolge zeigen kann. Arnold Kienzler Der geschäftsführende Gesellschafter Horst Siedle (links) überreicht Arnold Kienzler zum Abschied die Siedle-Medaille. 64

Arnold Kienzler trat am 15.10.1945 als gewerblicher Mitarbeiter in die Firma ein, nachdem er als junger Mann noch in den Krieg ziehen mußte und in Gefangenschaft geraten war. In der bekannten Staatlichen Uhrmacherschule in Furtwangen, die schon viele tüchtige Leute hervorgebracht hat, absolvierte er in den Jahren 1946-1947 eine Ausbildung als Elektrotechniker. Mit diesem beruflichen Rüstzeug ausgestattet, machte Kienzler bei der Firma Siedle schnell Kar­ riere. Am 25. 4.1951 wurde erin den Betriebs­ rat gewählt, zwei Jahre später zum stellvertre­ tenden Betriebsratsvorsitzenden und seit dem 6. 5.1957 war er 28 Jahre Betriebsrats­ vorsitzender und Sprecher der Belegschaft. Es ist ein einmaliges Ereignis in der Furt­ wanger Industriegeschichte, daß ein Mit­ arbeiter eines Industriebetriebes auf eine derart langjährige Betriebsratstätigkeit zurückblicken kann. Dies zeugt auch von den guten menschlichen Eigenschaften, die Arnold Kienzler auszeichnen. Dabei ist das Amt eines Betriebsratsvorsitzenden beileibe nicht immer einfach; er muß die Belange der Arbeitnehmer wahren und auch eine Brücke zur Geschäftsleitung suchen und finden, wenn er erfolgreich sein will. Kienzler hat es vortrefflich verstanden, sein Amt als Betriebsratsvorsitzender in der eben geschil­ derten Weise wirksam auszufüllen. Auf der einen Seite war er sich als Vertreter der Arbeitnehmer bewußt, wie stark der Be­ triebsrat im Gesetz verankert ist und wie die betriebliche Entwicklung oft entscheidend von der Mitwirkung des Betriebsrats abhän­ gig ist. Auf der anderen Seite war ihm auch die Verantwortung für die Mitarbeiter und den Betrieb bewußt. So kam eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsleitung zustande. Oftmals mußte über heikle Themen verhandelt wer­ den. Nie kam es zum offenen Streit. Beide Seiten respektierten sich auch bei gegensätz­ licher Meinung. In der Vertretung der jewei­ ligen Interessen hart, aber immer tolerant gegenüber dem anderen, war die Maxime der Zusammenarbeit. Wenn die Firma Siedle in Furtwangen über ein ausgezeichnetes Image verfügt und man auch auswärts hierauf oft neidvoll ange­ sprochen wird, dann ist dies mit ein Ver­ dienst von Arnold Kienzler. Er wurde als Partner akzeptiert, weil er sich als in betriebli­ chen Belangen kompetent und mit dem erforderlichen Sachverstand ausgestattet, während vieler Jahre als zuverlässiger und berechenbarer Gefährte erwiesen hat. Als Unternehmer ist man eher bereit, in moderne und menschenfreundliche Arbeits­ plätze zu investieren, Sozialeinrichtungen auf freiwilliger Basis zu schaffen, ein Arbeits­ platzsystem einzurichten, das die persön­ liche Disposition erhöht, eine Gewinnaus­ schüttung vorzunehmen und außerbetrieb­ liche Sozial-und Gemeineinrichtungen zu unterstützen, wenn man mit einem koopera­ tiven Betriebsrat zusammenarbeitet. Viele Einrichtungen der Firma tragen die Handschrift von Arnold Kienzler, so z. B. die Unterstützungskasse, der Sozialfond, die Betriebsordnung, die flexible Arbeitszeit, das Vorschlagswesen, die Prämienentlohnung, das Katastrophenhandbuch, die Arbeitszeit­ modelle. Außerdem war er 10 Jahre, bis zu seinem Ausscheiden, Sicherheitsfachkraft. Er organisierte die Ausflüge des Clubs der Jubilare, den Betriebssport, Fastnachtsveran­ staltungen, legte Hand an beim Weihnachts­ markt und vermittelte Politikerbesuche. Außerhalb des Unternehmens engagierte er sich ebenfalls vorbildlich und opferte seine ganze Freizeit für die Allgemeinheit. Zu diesen Tätigkeiten und Ämtern gehörten Aktivitäten wie Nebenstellenleiter der IG Metall Furtwangen, Mitglied der Ortsverwal­ tung IG-Metall, Kreisvorstandsmitglied des DGB, Mitglied des Verwaltungsausschusses beim Arbeitsamt Villingen, Vorstandsmit­ glied der Berufsgenossenschaft Feinmecha­ nik und Elektrotechnik und Mitglied im Ver­ waltungsausschuß der Bezirkssparkasse Furt­ wangen. 25 Jahre war er SPD-Stadtrat der Stadt Furtwangen, davon einige Jahre Frak­ tionssprecher und Bürgermeister-Stellvertre­ ter. Auch in seiner kommunalpolitischen 65

Funktion war er ein Kämpfer und setzte sich für seine Mitbürger jederzeit ein. Am 24.2.1978 wurde ihm in Anerkennung seiner vielfältigen Leistungen das Bundesverdienst­ kreuz am Bande verliehen. Arnold Kienzlerwarein Glücksfall für die Firma Siedle, wie überhaupt Mitglieder der Familie Kienzler schon knapp 100 Jahre für Siedle tätig sind: der Vater, Karl Kienzler, 50 Jahre, der Jubilar 40 Jahre und die Tochter bis zum Wegzug aus Furtwangen ebenfalls eine Reihe von Jahren. Nunmehr hat Arnold Kienzler, obwohl noch ein relativ „junger Mann“, seine Ämter niedergelegt. Sein Beispiel zeigt, daß beide, die Arbeitnehmer und die Geschäftsleitung Otto Stärk – ein Leben für die Mitbürger einer Firma, immer am besten miteinander fahren, wenn sie im Gespräch nach Korn pro­ missen suchen und nicht in Konfrontation verfallen. Als ehrlich empfundener Dank für seinen beispielhaften Einsatz wurde Arnold Kienzler als erster Mitarbeiter mit der Siedle­ Medaille ausgezeichnet, die die Mitarbeiter zum 25jährigen Arbeitsjubiläum des ge­ schäftsführenden Gesellschafters stifteten und die bisher nur drei verdienten Aus­ erwählten verliehen wurde. Der Unterzeichnende kann nur wün­ schen, daß sich die nachwachsende Genera­ tion an Arnold Kienzler ein Beispiel nimmt und eine gute Zusammenarbeit angestrebt wird. Horst Siedle kert worden, aber mit seinem Herzen ist er hier geblieben. Geboren wurde er im Jahre 1914 in Herd­ wangen im ehemaligen Kreis Überlingen, wo er bis zu seinem 18. Lebensjahr die Schule besuchte. Im Jahre 1933 trat er in die Reichs­ wehr beim Infanterieregiment 14 in Kon­ stanz ein. Er wurde später Offizier und war bis 1945 Berufssoldat. Im Zweiten Weltkrieg lernte er das Grauen der Kriegsschauplätze in Ost und West kennen. Nach kurzer Kriegs­ gefangenschaft zog er im August 1945 in Konstanz wieder eine Uniform an, diesmal die der Polizei. Er war mit dabei, als im Jahr 1951 in Bad Dürrheim die Badische Bereit­ schaftspolizei gegründet wurde. Noch heute erinnert er sich gerne an diese Aufbaujahre. Es galt damals, junge Mitbürger für die Poli­ zei zu begeistern, was nach dem verlorenen Krieg nicht einfach war. Jedoch erleichterte dem jungen Zugführer sein großes pädagogi­ sches Geschick den Zugang zu den jungen Menschen sehr. Als Lehrer an der Landes­ polizeischule Baden-Württemberg wirkte er in Freiburg in den Jahren von 1957 bis 1966 mit großem Erfolg. Seine große Lebensauf- Otto Stärk war jahrelang eine populäre Persönlichkeit in der Doppelstadt Villingen­ Schwenningen. Durch seinen Wegzug im Jahre 1985 nach Konstanz ist die Verbindung zu Villingen-Schwenningen und zum Schwarzwald-Baar-Kreis zwar etwas gelok- 66

gabe begann 1966 mit seiner Berufung als Leiter des damaligen Landespolizei-Kom­ missariats Villingen. Mit der Bildung der Polizeidirektion Villingen-Schwenningen im Jahre 1972 übernahm er bis zu seiner Pen­ sionierung im Jahr 197 5 auch deren Leitung. Otto Stärk war Polizeibeamter mit Leib und Seele. Dabei kamen ihm nicht nur seine ausgezeichneten Fachkenntnisse und prakti­ schen Erfahrungen zugute. Was ihn beson­ ders auszeichnete, waren sein Verständnis für die menschlichen Unzulänglichkeiten und seine Hilfsbereitschaft. Der Slogan „Polizei, dein Freund und Helfer“ paßte im wahrsten Sinne des Wortes auf ihn, denn bei aller Strenge, die ihm das Gesetz auferlegte, hat er im anderen auch den Menschen gesehen, der auf Hilfe und Unterstützung angewiesen ist. Dazu kam seine heitere Wesensart. Wer mit ihm in Berührung kam, wird sich gerne an sein herzhaftes Lachen erinnern. Otto Stärk war überall beliebt und ein gern gesehener Gesellschafter, in dessen Anwesenheit man sich wohlfühlte und der auch ein gutes Vier­ tele (selbstverständlich nicht während der Dienstzeit!) genoß. Die liebevolle Bezeich­ nung „Unser Otto“, wie ihn seine früheren Mitarbeiter heute noch nennen, bringt mehr zum Ausdruck als viele Worte auszuspre­ chen vermögen. ,,Bürger in Uniform“ – Otto Stärk hat ihn in vorbildlicher Weise vor­ gelebt. Das Vertrauen seiner Mitbürger übertrug ihm auch eine Reihe ehrenamtlicher Tätig­ keiten. So war er von 1972 Mitglied im Kreistag des ehemaligen Kreises Villingen­ Schwenningen und sodann im Kreistag des neugebildeten Schwarzwald-Baar-Kreises bis zum Jahre 1984. Von seiner politischen Auf- fassung her in der CDU verankert, war er jedoch aufgrund seiner um Objektivität bemühten und ausgleichenden Art auch beim politischen Gegner anerkannt und geschätzt. Besonders gerne arbeitete er auch in der Kreisverkehrswacht Villingen­ Schwenningen mit, der er sich wegen der ver­ kehrserzieherischen Aufgaben eng verbun­ den fühlte und deren 1. Vorsitzender er einige Jahre gewesen war. Heute noch ist er ihr als Ehrenvorsitzender verbunden. Seinen vielfältigen Aktivitäten blieb die Anerkennung nicht versagt. Neben hohen Tapferkeitsauszeichnungen im Zweiten · Weltkrieg wurde er im Jahre 1975 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande des Ver­ dienstordens der Bundesrepublik Deutsch­ land ausgezeichnet. Ferner erhielt er das Ehrenzeichen der Deutschen Verkehrswacht in Silber. Diese und noch weitere Auszeich­ nungen bringen zum Ausdruck, daß er viele Jahre für seine Mitbürger gelebt und gewirkt hat. Er hat zu einem guten Ansehen der Poli­ zei in der Öffentlichkeit viel beigetragen und dem Erscheinungsbild des Polizeibeamten menschliche Züge verliehen. Dies ist nicht wenig in einer Gesellschaft, die anscheinend oft nur auf nüchternes Erfolgsdenken setzt. Nunmehr ist Otto Stärk wieder nach Kon­ stanz zurückgekehrt, wo er mit seiner Frau und seinem Sohn ein älteres Haus nahe am See saniert hat. Die Anhänglichkeit zu Villin­ gen-Schwenningen, wo er fast zwanzig Jahre zu Hause war, läßt ihn des öfteren hierher kommen. Noch immer ist er der beliebte Mitbürger von einst, der an den großen und kleinen Sorgen herzlichen Anteil nimmt. Joachim Stein Kurt Kempf Mitten aus seiner politischen Arbeit herausgerissen Es gibt viele Erinnerungen an Kurt Kempf Mit die bleibendste mag jene vom 26. März 1984 sein. Obwohl ihn Rundfunk und Fernsehen bereits als Abgeordneten des Landtags von Baden-Württemberg vorge­ stellt hatten, saß der Politiker am Wahlabend eher still und zurückhaltend im Kreis von Freunden und Parteimitgliedern. Konnte 67

zählte er schon bald zu den führenden Köpfen dieses Gremiums. Und das Engagement für die Belange der Arbeiter beschränkte sich nicht nur auf die Heimatgemeinde Vöhrenbach. Kurt Kempf erhielt die Berufung in den Landesjugend­ ausschuß der IG Metall und die entsandte den 16-jährigen schon bald als Delegierten zu internationalen Jugendkonferenzen. In spä­ teren Jahren eröffnete die IG Metall ihm sogar die Möglichkeit, in ihren Reihen an vorderer Stelle tätig zu werden. Kurt Kempf verzichtete auf dieses Berufung, aus Liebe zur Familie und zu seiner Heimatstadt. Der engen Verbundenheit zu seiner Hei­ matstadt entsprang letztlich auch der Ent­ schluß, die politischen Aktivitäten auf den kommunalen Bereich auszudehnen. Kurt Kempf schloß sich den Sozialdemokraten an und engagierte sich vom Tage seines Eintritts für die Belange der Partei. 1968 wurde der Politiker erstmals als Beisitzer in die Vor­ standschaft des Vöhrenbacher Ortsvereines berufen. 1973 übernahm er das Amt des Vor­ sitzenden, das er bis zu seinem Tode inne hatte. Kurt Kempf prägte in diesen Jahren die politische Arbeit der Sozialdemokraten. Nicht nur im Ortsverein, sondern auch im Gemeinderat, dem er insgesamt 13 Jahre lang angehörte. Der Stadtrat übernahm bald den Fraktionsvorsitz, und seine Popularität spiegeln die Wahlergebnisse der Jahre 1980 und 1984 wieder, als er die meisten Stimmen aller Gemeinderatskandidaten erhielt. Kurt Kempf wurde zum Bürgermeisterstellvertre­ ter berufen und gehörte in diesen Jahren unter anderem auch dem Finanzausschuß des Gemeinderates an. Zurückzuführen ist der politische Erfolg auf den Menschen Kurt Kempf, sein Engage­ ment für die Mitbürger: Als die Einstellung der morgendlichen Busverbindung nach Vil­ lingen drohte, stellte er sich morgens um sechs an die Haltestellen, ermittelte den Bedarf, führte Gespräche mit den Betroffe­ nen, den Kollegen. Engagiert eingetreten ist der Politiker auch für die Belange ausländi­ scher Mitbürger. Zu einer Zeit, als die soziale noch nicht so recht glauben, daß es ihm tat­ sächlich gelungen war, als Arbeiter in den Landtag von Baden-Württemberg einzuzie­ hen. Und als wenig später die Anspannung des Wahltages und der zurückliegenden Wochen von ihm abfiel, meinte er zu den Umsitzenden, er wolle sich morgen keinen Ruhetag gönnen, sondern wie immer in die Firma gehen, pünktlich am Arbeitsplatz ste­ hen. So war es dann auch. Der SPD-Land­ tagsabgeordnete blieb auch an diesem Abend seinem Ideal treu, ein Arbeiterpolitiker sein zu wollen. Am 20. September 1941 in Vöhrenbach geboren, besuchte Kempf zunächst die Hauptschule. Mitgeprägt vom Denken und Schaffen des Gewerkschafters, Politikers und Schriftstellers Franz Josef Furtwängler, betei­ ligte er sich schon früh aktiv am politischen Leben. Und mit Eintritt ins Arbeitsleben, dem Beginn einer Automateneinrichter­ lehre, erwachte dieses politische Interesse verstärkt, vor allem an der Gewerkschaftsar­ beit. Kurt Kempf trat der IG Metall bei, wurde als Jugendvertreter in den Betriebsrat gewählt und obwohl gerade 16 Jahre alt, 68

Isolation dieser Menschen erst von wenigen als Problem empfunden wurde, organisierte der Gewerkschafter Weihnachtsfeiern, half bei der Suche nach Arbeit und Wohnung und kritisierte immer wieder aufs Neue die schlechten Wohnverhältnisse, mit denen sich die ausländischen Kollegen konfrontiert sahen. Was für den Kommunalpolitiker Kurt Kempf gilt, trifft auch auf den Landtagsab­ geordneten zu. Trotz der imensen Belastung durch Wahlkreis-und Fraktionsarbeit, stand er auf örtlicher Ebene nach wie vor mit Rat und Tat zur Seite, wenn es galt, einem arbeits­ losen Kollegen eine neue Beschäftigung zu verschaffen oder beispielsweise ältere Mit­ menschen in Rentenfragen zu beraten. Der Präsident des Landtags Erich Schneider über den Abgeordneten: „Sich informieren und hart arbeiten, lautete seine Devise. Er wid­ mete sich seiner Aufgabe mit Herz und Ver­ stand. Er wollte, daß Politik von Menschen für Menschen gemacht wird. Sein Mandat, auch das im Landtag, war ihm Ehre und Aus­ zeichnung zugleich, eine Verpflichtung gegenüber seinen Mitmenschen.“ Nur anderthalb Jahre lang war es dem SPD-Politiker vergönnt, sein Amt im Land­ tag wahrzunehmen. Dennoch gingen aus dieser Schaffensperiode zahlreiche parla­ mentarische Alternativen hervor. Im Innen­ ausschuß des Landtags kümmerte sich Kempf unter anderem um Feuerwehrpro­ bleme, Straßenbau und Denkmalpflege. Ein Anliegen war ihm auch die Linach-Talsperre auf Gemarkung Vöhrenbach. Er wollte sei­ ner Heimatstadt zu Landesmitteln verhelfen mit dem Ziel, eine Reaktivierung zu ermögli­ chen. Engagiert hat sich der SPD-Politiker zudem für den Erhalt des städtischen Luisen­ krankenhauses. Die Landtagstätigkeit war auch in anderer Hinsicht eine arbeitsreiche Zeit. Denn Kurt Kempf hatte nicht nur seine Landtagsarbeit zu erledigen, er wollte auch nach wie vor einen Tag in der Woche an seinem Arbeits­ platz stehen, gehörte weiter dem Vöhrenba­ cher Gemeinderat und dessen Ausschüssen an. Er leitete den SPD-Ortsverein, bekleidete zudem das Amt des SPD-Kreisvorsitzenden, wirkte in der AOK-Vertreterversammlung und zählte zum Vorstand des DGB-Ortskar­ tells Oberes Bregtal, um nur einige ehrenamt­ liche Ämter anzuführen. Und als wären diese Ämter nicht Bela­ stung genug gewesen: Er war auch mit großer Freude im Vöhrenbacher Vereinsleben aktiv. So gehörte der SPD-Politiker zu den Initiato­ ·ren des Vöhrenbacher Stadtfestes, um nur eine herausragende Aktivität auf diesem Gebiet zu nennen. Der plötzliche und unerwartete Tod von Kurt Kempf erfüllte viele mit Schmerz und Trauer. Er hat in der Tat eine Lücke hinterlas­ sen, denn es gibt deren nicht mehr viele, die mit dem Engagement des 44jährigen Politik für Arbeiter, die Kollegen im Betrieb, betrei­ ben, die offen sind für Sorgen und Nöte der Mitmenschen. Die Verbundenheit vieler, die Trauer um einen liebenswerten Menschen, Kollegen und guten Freund brachten die Bei­ setzungsfeierlichkeiten am letzten Tag des Jahres 1985 zum Ausdruck, als an die 1000 Menschen die sterblichen Überreste des Poli­ tikers zur letzten Ruhestätte auf dem Vöh­ renbacher Bergfriedhof begleiteten. Vier Tage lang hatte man zuvor um sein Leben gebangt, doch die Kunst der Ärzte ver­ mochte die Folgen einer Gehirnblutung nicht mehr zu heilen. Wilfried Dold * Rosen blühen und verwelken Wie die ander’n Blumen auch, Länger halten nur die Nelken, Doch nur kurz der Fliederstrauch. Laß, o Herr, sie immer blühen, Überall, wo Menschen sind, Und wir wollen uns bemühen Dir zu danken, -wie ein Kind. Johannes Hawner 69 Blumenpracht

,,Die eigenen Reihen schließen“ Herbert Obergfell: Im Uhrenverband Zeichen gesetzt gen“, meinte der Unternehmer in einem Interview im vergangenen Jahr. Außerdem dürfe das Amt des Präsidenten des Verban­ des der Deutschen Uhrenindustrie nicht »Erbpacht werden“. Und Herbert Obergfell möchte sich »langsam auch ein wenig zurückziehen“: Wandern, Tennis, Skilaufen. 1980 hat Obergfell, der in St. Georgen geboren wurde, das Amt des Uhrenpräsiden­ ten übernommen. Er war es damals längst gewohnt, in weiträumigen Zusammenhän­ gen und in sorgfältigster Zukunftsplanung zu denken. Dem Zufall überließ der Unter­ nehmer nichts. Nach dem Tode seines Vaters Reinhold Obergfell hat er 1961 die alleinige Unternehmensführung als persönlich haf­ tender Gesellschafter angetreten. Das Unter­ nehmen hat sich auf die Herstellung von Jahresuhren, Tisch-, Stil-und Wanduhren spezialisiert. Die unternehmerische Weitsicht des Fabrikanten Herbert Obergfell wurde sehr früh sichtbar, als er Anfang der 60er Jahre die Diversifikation der damals noch weitgehend feinmechanischen Produktion seines Unter­ nehmens vorantrieb. Kleinstmotore und medizinisch-technische Laufwerke wurden in das Fertigungsprogramm aufgenommen. Im Jahre 1979 gründete die Firma Kundo gemeinsam mit der Firma Staiger aus St. Georgen die UTS (Uhrentechnik Schwarzwald) zur Herstellung von Q!iarz­ werken, die in den Geräten der „Mutterfu­ men“ eingebaut werden. Seine Firma und der Uhrenverband sind es nicht allein: Seit Anfang der 70er Jahre ist er Handelsrichter beim Landgericht Kon­ stanz; auch ist Obergfell Beirat im Arbeit­ geberverband und er hat Sitz und Stimme in der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer. Nicht zuletzt ist er im Auf­ sichtsrat der Villinger Volksbank. Daß Her­ bert Obergfell bei so viel Engagement auch Gründungsmitglied des Deutschen Uhren- Herbert Ober/!}ell – Wirtschaftsminister Martin Herzog hat ihm am 29. August 1986 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse überreicht. „Wir dürfen nicht die Grenzen schließen -sondern die eigenen Reihen.“ Ein Satz, der eigentlich die ganze Einstellung des langjäh­ rigen Präsidenten des Deutschen Uhrenver­ bandes und Unternehmers Herbert Ober­ gfell aus St.Georgen verdeutlicht. Die Uhren­ industrie könne es sich einfach nicht leisten, gegeneinander zu arbeiten. Am 12. August 1987 ist Herbert Obergfell, geschäftsführender Gesellschafter der Kun­ do-Uhrenfabrik Kieninger & Obergfell, 65 Jahre alt. Mit aus diesem Grund hat er im ver­ gangenen Jahr für das Amt des Uhrenpräsi­ denten, das er über zwei Legislaturperioden mit unternehmerischen Ideen ausgefüllt hat, nicht mehr kandidiert. Jüngere sollen in die­ ses Amt neue Ideen und Gedanken einbrin- 70

verbandes war, versteht sich da fast von selbst. – Dem Verband gehören heute 250 Firmen mit rund 16 000 Beschäftigten an. Und wie sieht Herbert Obergfell die Zukunft der deutschen Uhrenindustrie? – ,, Wir werden uns mittel- bis langfristig um­ orientieren müssen.“ Ausweichen in andere Produktionszweige sei unumgänglich, neue Ideen seien in der Feinwerktechnik gefragt. Sicher werde man nach wie vor Uhren ferti­ gen: ,,Doch wird auf lange Sicht die Uhren­ herstellung nicht mehr dominieren“, sagt der Unternehmer voraus. Dazu komme, daß die Produktion künftig immer mehr in Billig­ lohnländer abwandern werde: ,,Ich muß hier auf die Gefahren in Deutschland hinweisen; auf die hohen Löhne und Sozialabgaben.“ Trotzdem sieht Herbert Obergfell (,,ich sage nur das, was ich auch verantworten kann“) die Zukunft nicht in schwarzen Far­ ben. Kooperation mit anderen Firmen, gemeinsame Entwicklung von Produkten, Forschungsprojekte mit staatlicher Unter­ stützung – so sieht der Unternehmer Chan­ cen, dem Konkurrenzdruck aus dem Aus­ land zu begegnen. Wichtig sei immer, daß „die Firmen miteinander sprechen und nicht gegeneinander arbeiten“, wie dies in der Ver­ gangenheit in Deutschland oft üblich gewe­ sen sei. Oder wie formulierte es Herbert Obergfell im Jahre 1985 in einer Rede: ,,Nur die konsequente und gradlinige Anwen- dung, die volle Aufgeschlossenheit für neue Technologien, sichert uns unsere Zukunft.“ Und er nannte auch ein Beispiel, nämlich die damals zusammen mit acht deutschen Groß­ uhren-Herstellern entwickelte Funkuhr. Doch: ,,Revolutionäre Entwicklungen sind – im Gegensatz zu anderen Industriebereichen – kurz- und mittelfristig vermutlich nicht zu erwarten“, glaubt Herbert Obergfell. Rückblickend betont der Unternehmer, daß die deutsche Uhrenindustrie wohl die Zeichen der Zeit richtig erkannt habe. Auch wenn viele gemeint hätten, daß die Entwick­ lung- im Vergleich mit dem Femen Osten – verschlafen worden sei. Bereits 1986 seien Gespräche mit dem größten Elektrokonzern in Deutschland geführt worden: Doch seien für diesen Giganten die Stückzahlen zu gering gewesen. Die Industrie sei nicht bereit gewesen, für die Uhrenhersteller „auch nur einen Federstrich“ zu tun. zu Hat Herbert Obergfell sein unternehmeri­ sches und verbandspolitisches Ziel, die deutsche Uhrenindustrie stärken, erreicht? – Diese Frage kann mit einem kla­ ren ,Ja“ beantwortet werden. Freie Markt­ wirtschaft als Grundsatz, Kooperation dort, wo die Notwendigkeit erkannt wird – kurz: ,,Nicht gegeneinander, sondern zusammen­ arbeiten“, lautet die einfache Unternehmer­ regel von Herbert Obergfell, der damit sicht­ bar Erfolg hat. Manfred Braig Abschied von Herbert Glökler Für ihn stand wohl immer fest: Ein Mann seiner Herkunft gehört zur Sozialdemokra­ tie. Aus dem Schrot und Korn jenes Landstri­ ches gemacht, in dem Tuningen liegt, stand Herbert Glökler zu seiner Überzeugung, auch wenn das nicht immer einfach und bequem in einem Orte war, in dem auch andere Überzeugungen galten. Er wirkte manchmal kantig, immer auf­ richtig und zuverlässig, drängte sich nicht in den Vordergrund. Der „rote Glökler“, wie ihn viele um der Feststellung willen nannten, daß es noch einen Namensvetter von der anderen politischen Seite gab, war bei allen Bürgern geschätzt. Als er Ende Mai vorigen Jahres nach einem Jahr Krankheit 57jährig starb, ging er aus einem engagierten Leben fort, aus seiner Arbeit als Dreher, in der er die Frage, wie wichtig die Gewerkschaft für sei­ nesgleichen ist, für alle Kollegen mit zu lösen versuchte. Er starb als Gemeinderat aus einer Gemeinde, die gerade Leute seines Schlages 71

1952 angehörte (zuletzt im CNC-Bereich), den Betriebsratsvorsitzenden zu ersetzen, der über zwei Jahrzehnte geschätzt und tätig war. Im Gemeinderat von Tuningen, wie in der SPD des Kreises, in beiden galt er als „Anwalt“ des Bürgers, speziell der sozial Schwächeren. 1957 schon war er zur SPD gestoßen. Er war die Generation, die im Kriege aufwach­ send, nach dem Kriege humane Konsequen­ zen zog. Und er zog als „Motor“ den kleinen Tuninger SPD-Ortsverein über ein Viertel­ jahrhundert. Seit 1962 gehörte er dem Tunin­ ger Gemeinderatsgremium an. Das waren unterm Strich 23 Jahre, die er im wahrsten Sinne dafür „geackert“ hat. In der Klinik schon, da ging er noch mit den Fraktionskol­ legen den Tuninger Haushalt durch. Er war einer der Wortführer im Gemeinderat gewe­ sen, nicht zu Schaufensterreden begabt, aber mit der Ernsthaftigkeit ausgestattet, die sach­ liche Entscheidungen verlangen. Tuningen, sein Heimatort (seine Ehe war kinderlos geblieben) erlebte ihn aber auch als einen, der unter die Leute ging. Zum Beispiel der Sportverein, dessen Vorsitzender er in den 60er Jahren einmal war. Wo immer sonst einer gebraucht wurde, der mit Verstand Auf­ gaben lösen konnte: Herbert Glökler ver­ schloß sich nie. Nicht um aufzufallen, son­ dern weil er glaubte, daß man für alle Auf­ gaben, die dem Bürger gelten, einfach da sein muß. ,,Herbert Glökler wird man nicht ver­ gessen“, hat kurz nach der Betroffenheit über seinen Tod jemand gesagt. Die Generation, die ihn kannte und erlebte, braucht für ihre Zukunft zumindest Erinnerungen an solche Leute. Denn sie haben Maßstäbe gesetzt. Gerlinde Pfannkuchen langjährige Vorsitzende der Arbeiterwohl­ fahrt in der Bergstadt mit dem Bundesver­ dienstkreuz am Bande ausgezeichnet wurde. Im gleichen Jahr war sie mit der Verdienstme­ daille der Arbeiterwohlfahrt anläßlich der Emma Heinzmann – ein Leben für die Mitmenschen nötig hatte. Er ging aus dem Leben, als die Sozialdemokratische Partei Deutschlands gerade Leute wie ihn, die so unverzüglich und mit Gerechtigkeitssinn die „Basis“ tra­ gen, eigentlich nicht vermissen konnte. Arbeitnehmer zu sein, darauf war er stolz, dem versuchte er in jeder Weise gerecht zu werden. Eine langjährige Freundschaft mit der ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordne­ ten Hedwig Meermann, die für ihn, aber eben auch er für sie, durchs Feuer gegangen wäre, hat das immer nur bestärkt. Wie viele Wahlkämpfe hat er für sie mit getragen. Herbert GlökJer posthum. Das heißt, ohne ihn auszukommen in der IG Metall, in deren Reihen er aktiv stand. Das heißt in der Firma Wörner in Schwenningen, der er seit Ein Leben in Einfachheit! Zugleich ein Leben für die Mitmenschen! Es sind die bei­ den wesentlichen Züge im Persönlichkeits­ bild der St.Georgenerin Emma Heinzmann, die 1983 in Würdigung ihrer Verdienste als 72

1930 die Hoffnung, im erlernten Beruf sich eine Existenz aufzubauen, zunichte. Es folgten Tätigkeiten als Kaffeeköchin im christlichen Hospiz in Freiburg und als Familienpflegerin in einem bürgerlichen Haushalt in Stuttgart. Nach dem frühen Tod der Mutter und der Wiederverheiratung ihres Vaters wirkte Emma Heinzmann als Hauspflegerin in Stuttgart; sie erlebte die schweren Luftangriffe, sah in den Luft­ schutzbunkern die Not, die Angst und die gegen Ende des Krieges wachsende Hoff­ nungslosigkeit der Mitmenschen. Nach der Stunde Null lernte sie Wilhelm Heinzmann kennen, der mit Gleichgesinn­ ten bereits 1946 in St. Georgen die Arbeiter­ wohlfahrt ins Leben rief. Mit der Heirat im Jahre 1951 wuchs Emma Heinzmann an der Seite ihres Mannes in ihr künftiges Arbeits­ gebiet hinein. Auf Tagungen und Konferen­ zen lernte sie Martha Schanzenbach, damals Bundestagsabgeordnete der SPD und „große Dame“ der Arbeiterwohlfahrt, kennen. In Wiesbaden begegnete sie bei einer Bundes­ konferenz der Arbeiterwohlfahrt Pfarrer Heiruich Albertz, dem nachmaligen Berliner Regierenden Bürgermeister. So war es für Emma Heinzmann Ehrensache, daß sie 1961, nach dem allzufrühen Tod ihres Mannes, dessen ehrenamtliche Position, den Vorsitz der Arbeiterwohlfahrt in St.Georgen über­ nahm. Die rege Aktivität, die sie als 1. Vorsit­ zende entfaltete, wirkte sich vor allem auf dem Gebiet der Kindererholungsmaßnah­ men aus. Unvergessen sind ebenso in der Bergstadt Frau Heinzmanns Besuche in aus­ wärtigen Alten-und Pflegeheimen, ehe die Stadt im Lorenzhaus ihr eigenes Altenheim erhielt. Emma Heinzmann war 1975 Mit­ begründerin des „Freundeskreis der Behin­ derten“ in St. Georgen. Dank ihres selbstlo­ sen Engagements ist seitdem vielen Behin­ derten ihr schweres Schicksal erleichtert wor­ den. Ob es der Einsatz im Müttergenesungs­ werk ist, die Mithilfe bei der Einrichtung des Übergangswohnheims für Vietnamflücht­ linge 1979/80, die Vorbereitung von Aus-73 Vollendung ihres 70. Lebensjahres geehrt worden. Als erstes Kind von Wilhelm Spathelf und Christine geborene Esslinger wurde sie am 12. Januar 1913 in Brigach, heute Stadtteil von St. Georgen, geboren. Die soziale Hal­ tung der Eltern prägte schon früh die Kinder. Im Sommer 1917 und 1918 besuchte die kleine Emma den Kindergarten in St. Geor­ gen. Der Vater tat Dienst im Ersten Welt­ krieg. Die Mutter arbeitete in der Fabrik, um den Lebensunterhalt der Familie zu sichern. Der Wunsch Emmas, eines Tages die Bür­ gerschule zu besuchen, blieb ein Jugend­ traum. Der Vater hielt einen solchen Schritt, im Hinblick auf seine sozialen Verhältnisse und seine einfache Position als Fabrikarbei­ ter, nicht für angemessen. Nach dem Schul­ abschluß sollte nach dem Plan der Eltern ihre älteste Tochter Diakonisse werden. Sie wider­ setzte sich und durfte schließlich den Beruf der Modistin erlernen. Nach drei Jahren Lehrzeit und einem Jahr der Gesellentä­ tigkeit machte die Arbeitslosigkeit im Jahre

von Emma Heinzmann m1t1rutuert und gefördert worden wäre. Bereits ihr Mann war Träger des Bundesverdienstkreuzes gewesen. Emma Heinzmann durfte die hohe Aus­ zeichnung im Oktober 1983 aus der Hand von Landrat Dr. Gutknecht entgegenneh- men. Heinz Armbruster Georg Scholz – Altbürgermeister von Königsfeld flugsfahrten für Senioren, die Organisation von Freizeiten in Erholungsheimen der Arbeiterwohlfahrt, ob die Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz, mit der Evangeli­ schen und Katholischen Gemeinde bei der Betreuung von Behinderten -es gibt in der Bergstadt kaum ein Vorhaben im sozialen Bereich, das in den letzten 25 Jahren nicht Die heute Über-Achtzigjährigen haben zumeist ein bewegtes, durch Höhen und Tie­ fen gezeichnetes Leben hinter sich, das vom Kaiserreich mit dem 1. Weltkrieg über die Weimarer Republik, dem sogenannten Drit­ ten Reich und dem 2. Weltkrieg, bis hin zu unserer heutigen Bundesrepublik Deutsch­ land reicht Eine solch weite ereignisreiche Spanne umfaßt auch das Leben von Georg Scholz, der 1905 in der preußischen Nieder­ lausitz geboren, jetzt als Alt-Bürgermeister seinen Lebensabend im schwarzwälderi­ schen Königsfeld verbringt Eine Lebensführung in den Schwarzwald hatte sich gewiß der junge Georg Scholz, nach Abitur und Studium der Rechte mit juristischer Staatsprüfung, nicht vorgestellt Führte doch auch sein Weg zunächst in die Geschäftsführung der Kreishandwerker­ schaft Frankfurt/Oder. Später als Syndikus in die dortige Handwerkskammer und anschließend in gleicher Funktion nach Magdeburg. Doch dann brach der Krieg aus und veränderte auch für Georg Scholz den eingeschlagenen Berufsweg. Es folgten 2 Jahre Dienstleistung als Referatsleiter im Auswärtigen Amt in Berlin und schließlich die Einberufung zum Heeresdienst, der mit der Kriegsgefangenschaft sein Ende fand. Die schweren Nachkriegsjahre sahen ihn und seine Familie im westfälischen Schwelm, wo er die Zulassung zur Anwaltschaft erhielt und bis zum Beginn seiner Amtszeit in Königsfeld als Rechtsanwalt tätig war. In Königsfeld war im November 1962 der 74 langjährige Bürgermeister Gustav Krauss verstorben, was eine Neuwahl dieses Amtes erforderlich machte. Unter den zahlreichen Bewerbern befand sich auch Georg Scholz, der seine juristische Vorbildung und Erfah­ rung und seine Kenntnis des Ortes aus der Kurgastperspektive in die Waagschale wer­ fen konnte. In zwei dramatischen Wahlgän­ gen entschieden sich die Königsfelder Bürger für ihn als neuen Bürgermeister. Am 1. 4.1963 trat Georg Scholz sein neues Amt an, was er

bis zum Ende seiner Amtszeit am 31. 3.1971 inne hatte. Wer befürchtet hatte, der Rechtsanwalt Georg Scholz würde Schwierigkeiten mit der eigenartigen, zugleich weltoffenen wie engen Mentalität der Königsfelder bekommen, sah sich getäuscht. Er wußte sich bald durch die ihm eigene Liebenswürdigkeit und Lauter­ keit, besonders aber durch seine Leistungen, Achtung und Respekt zu verschaffen. Dies gleichermaßen bei den Bürgern und dem Gemeinderat wie auch bei den übergeordne­ ten Ämtern und den benachbarten Berufs­ kollegen. Dabei kamen ihm gewiß auch seine preußischen Tugenden zustatten, wie u. a. Pflichtbewußtsein und ein besonders hohes Maß an Durchsetzungsvermögen. Rückblickend können die Bürger Königs­ felds feststellen, daß Georg Scholz die acht Jahre seines Wirkens als Bürgermeister zum Wohle ihrer Gemeinde genutzt hat. Vieles ist in dieser Zeit nicht zuletzt Dank seiner Initia­ tive geschehen, was das Erscheinungsbild des Ortes wesentlich und zu seinen Gunsten ver­ änderte und was die Voraussetzung für eine gedeihliche Weiterentwicklung schuf. Um nur einiges zu nennen: Ein modernes Frei­ schwimmbad entstand, der Kurpark wurde angelegt und darin das Haus des Gastes erbaut. Eine großzügige Tennis-und Mini­ aturgolfanlage wurde geschaffen. Wichtig für alle Bürger war die Verbesserung der im Argen liegenden Straßen-und Trinkwasser­ verhältnisse und die Neuregelung der Müll­ abfuhr. Alles Dinge, die für den heutigen Bürger und Kurgast eine gewohnte Selbst­ verständlichkeit darstellen. Königsfeld dankt Georg Scholz für seine erfolgreiche Wirksamkeit als Bürgermeister, der darin, wie er selbst sagt, den krönenden Abschluß seines wechselvollen Berufslebens gefunden hat. Königsfeld freut sich aber auch, daß es ihm und seiner Gattin nun schon so viele Jahre Heimat sein darf. Georg Scholz ist ein Königsfelder geworden, der auch weiterhin an der Entwicklung des Ortes regen Anteil nimmt und sich bei seinen tägli­ chen Spaziergängen gerne mit den Einheirni- Lied der Heimat sehen und den Kurgästen unterhält. Mögen ihm, dem Alt-Bürgermeister, noch recht viele gesunde Jahre in seinem Königsfeld beschieden sein. Heinz Burkhardt * Auf dem Berg ein kleines Fleckchen ist’s, wo ich geboren ward, wo ich kenne jedes Wegehen, jeden Winkel, jeden Pfad. Wo ich ging in jungen Jahren in den Wald und durch das Feld. Wo im Bächlein sich, im klaren spiegelt meine heile Welt. Wo die Vöglein lieblich singen, fliegen hoch auf Ast und Baum. Wo die Grillen fröhlich zirpen an der Wiese hellem Saum. Wo viel tausend Blumen blühen farbig bunt, ein Blütenmeer. Wo die Gräser sacht sich wiegen, da ist meine Heimat. -Sehr liebe ich das kleine Häuschen, wo die Mutter mich geherzt. Wo der Vater mich zu Zeiten erfreut mit manchem Spiel und Scherz. Wo der Wasserkessel summte für den abendlichen Tee, der dann in gewohnter Runde löschte Durst und manches Weh. Wurst und Speck wurde geschnitten am langen Tisch in kleiner Stub‘. Köstlich schmeckte ja das frische Brot, das stets die Mutter buk. Manchesmal denk‘ ich noch heute an die traute Abendstund‘, wenn kurz nach dem Gockenläuten man sich traf zu froher Rund‘. Bin längst nicht mehr dort zu Hause. Leb‘ schon lange in der Stadt. Doch noch oft zieht mich’s hinauf an den altgewohnten Platz. Fremde Menschen sind gezogen lang schon in mein Elternhaus. Margot Opp 75

Archäologie Im „Zick-Zack-Weg“ durch das Museum Frau Dr. Meyer-Orlac zu ihrem Darstellungskonzept für das erweiterte Magdalenenberg-Museum in Villingen Am 2. September 1985 konnte im Rah­ men der Heimattage Baden-Württemberg 1985 das um zwei neue Räume erweiterte Magdalenenberg-Museum in Villingen er­ öffnet werden. Mit der Erweiterung wurden verschiedene Ziele verfolgt. Inhaltlich sollte den einmaligen Funden des Nachbestat­ tungs-Friedhofes der Hallstattkultur im Magdalenenberg der kulturgeschichtliche Hintergrund gegeben werden. Organisato­ risch war es wünschenswert, vom neuen Zen­ traleingang des Franziskanermuseums auf die beiden schon bestehenden Räume hin­ zuleiten. Denn neben dem Magdalenenberg­ raum war von E. Hollstein in einem eigenen Raum erstmalig die noch junge Methode der Dendrochronologie am Beispiel der Holz­ funde aus dem Magdalenenberg dargestellt worden. Die Aufgabe war daher vorgegeben: Auf die beiden relativ isolierten Räume inhaltlich hinzuzuführen und ihre Bedeutung dadurch hervorzuheben. Der Raum mit den Funden vom Magdalenenberg wurde nur insoweit umgestaltet, als es die Ausstellung der von Dr. J. Fuchs restaurierten großen Grab­ kammer erforderte. Im Raum der Dendro- Abb. l: Raum /, Blick vom Eingang nach rechts. 76

Es konnte nicht einfach auf vorhandene Funde zurückgegriffen werden, da Altbe­ stände kaum vorhanden waren und das Museum in Villingen auch nicht den in der Nachbarschaft bestehenden Heimatmuseen Konkurrenz machen oder dort Gezeigtes wiederholen sollte. So blieb mir nur der Weg, eine Konzeption zu entwickeln, die im Grunde eine Umkehrung des Üblichen bedeutete; anstatt Fundgegenstände aus­ zustellen und an ihnen den kulturgeschicht­ lichen Zusammenhang zu erklären, mußte eine Form gefunden werden, die Kulturge­ schichte in Wort, Bild und Karten zu erläu­ tern und sie mit Leihgaben der Landesmu­ seen Karlsruhe und Stuttgart und mit Nach­ bildungen der Außenstelle Freiburg des Lan­ desdenkmalamtes, Abteilung Archäolo­ gische Denkmalpflege, zu „ vergegenständli­ chen“. Das Schwergewicht mußte also darauf lie­ gen, Texte zu entwerfen, die einerseits den Besucher nicht überfordern oder langweilen durften, andererseits genügend informativ sein mußten, um wirklich die Zusammen­ hänge erkennen zu lassen. Diese Texte muß­ ten graphisch interessant gestaltet werden, mußten mit blickfangenden Zeichnungen so aufgelockert werden, daß ein Anreiz zum Lesen gegeben war. Damit war wiederum eine didaktisch-organisatorische Aufgabe verbunden. Der Besucher mußte in einem Gang „durch die Zeit“ die Ur- und Frühge­ schichte Südwestdeutschlands durchwan­ dern, ohne zum Eingang zurückzukehren. Er sollte ein abgeschlossenes Bild der Kultur­ entwicklung mitbringen, wenn er den angrenzenden Raum III für die Dendrochro­ nologie betrat, wo ihm verdeutlicht wurde, wie der Archäologe zu seinen Zeitangaben gelangt. Das Darstellungskonzept mußte also derart umgesetzt werden, daß der Besu­ cher vom Eingang aus auf einem „ Zick-Zack­ Weg“ durch die ersten Räume geleitet wird. Daraus ergaben sich „Sachzwänge“ für die Verteilung von Texttafeln und Vitrinen bis hin zur Wahl der Farben für die einzelnen Darstellungseinheiten. 77 Abb. 2: Raum!, Vitrine zu Einheit 3: »Bauern-Hirten­ Kupfersucher’� chronologie konnte Frau I. Rapp, unterstützt durch Dr. B. Becker, Hohenheim, mit inter­ essantem Anschauungsmaterial den neue­ sten Stand der Methode darstellen. Mit ihrem Vater, Dr. J. Fuchs, zusammen illu­ strierte sie wichtige Etappen der durch die Jahrringfolge erfaßten Zeit mit Diapositiven hervorragender kulturgeschichtlicher Denk­ male. Meine Absicht, auch die Methoden und die sich wandelnden Zielsetzungen der Archäologie zu veranschaulichen, scheiterte an der Kürze der Zeit. Alle Kraft war notwen­ dig, um die Ur-und Frühgeschichte Südwest­ deutschlands umfassend und fundiert vor­ zuführen. Dafür waren mir häufige Diskus­ sionen mit Prof. Sangmeister, der an meinem Projekt lebhaft interessiert war, überaus wesentlich.

Denn darin lag wohl eine Hauptschwierig­ keit: Wie sollte der Gang der kulturgeschicht­ lichen Entwicklung, die ja im Grunde ein ungebrochenes Kontinuum ist, so vor­ geführt werden, daß sowohl die Kontinuität deutlich blieb, zugleich aber auch in sich geschlossene verständliche Einheiten – etwa im Sinn von Epochen – erkennbar würden. Von daher verbot es sich, die konventionel­ len archäologischen Begriffe wie etwa Jung­ steinzeit“, „Bronzezeit“ u.ä. als primäre Ein­ teilung zu wählen, obwohl auf ihre Nennung nicht zu verzichten war, da sie schon zu sehr Bestandteil der Allgemeinbildung geworden sind. Es bot sich an, die Einheiten nach den gro­ ßen kulturgeschichtlichen Veränderungen zu wählen, wobei es sich fallweise um tech­ nische oder wirtschaftliche Neuerungen han­ deln konnte, die eine Umwälzung in allen Lebensbereichen verursachten, aber auch um rein geistige, etwa religiöse Schöpfungen, die die gleiche Wirkung ausübten. Die durch solche Neuerungen verdeutlichten Ein­ schnitte im Kontinuum der Entwicklung lie­ ßen sich dadurch wiederum abschwächen, daß hervorzuheben war, wie das jeweils Neue zunächst zum Alten hinzukommt, es nur in seiner Bedeutung für die Gesellschaft verändert, ehe es das Alte ganz ablöst. Nach diesen Gesichtspunkten wurden zehn Darstellungseinheiten gewählt, die nach den jeweils hervorstechendsten Kultur­ errungenschaften benannt wurden: „Jä g e r u n d S a m m l e r“ waren die Menschen durch Jahrhunderttausende, in Südwest­ deutschland nachgewiesen seit dem Jungpa­ läolithikum. Neben sie treten mit dem Früh­ neolithikum „d i e e r s t e n B a u e r n“ ab etwa 5000 v. Chr. Im Spätneolithikum leben wirtschaftlich und sozial sehr differenzierte Gruppen von “ B a u e r n-H i r t e n-K u p ­ f e r s u c h e r n“ ab etwa 3500 v.Chr. Sie bereiten den „A u f b r u c h i n s M e t a l l ­ z e i t a l t e r“ vor, das um 1800 v.Chr. be­ ginnt, indem die speziellen Bedingungen der Metallurgie die Gesellschaft beeinflussen und umgestalten, was sich darin nieder- 78 schlägt, daß „Zi n n h e r r e n u n d r e i c h e B a u e r n“ den Ton angeben. Mit derUrnen­ felderzeit scheint um 1200 v. Chr. „e i n e n e u e R e 1 i g i o n“ die kulturgeschichtliche Entwicklung zu bestimmen, während mit der Hallstattzeit ab 750 v. Chr. ein so durch­ organisiertes Sozialgefüge erkennbar wird, daß es nicht erstaunt, wenn diese Bevölke­ rung mit den Griechen Kontakt aufnahm. Diese nannten sie „K e l t e n“ . Die“Ke l t e n d e r g r o ß e n Wa n d e r u n g“ treten uns dann mit der Latenezeit gegen 450 v. Chr. entgegen, während die „s p ä t e n K e l t e n“ ab 150 v. Chr. uns als die Gallier Cäsars bekannt sind. Ab 15 v. Chr. wird Südwest­ deutschland Teil des römischen Reiches. Roms „L u x u s-M a c h t-f r e m d e-G ö t ­ t e r“ beeindrucken die einheimische Bevöl­ kerung. Nach dem Fall des Limes unter dem Ansturm der Alamannen nehmen diese Süd­ westdeutschland in Besitz. Ihr Schicksal wird durch die Auseinandersetzung „H e i d e n – C h r i s te n“ maßgeblich mitbestimmt. Ich habe versucht, mit wenigen Schlag­ lichtern den Gang durch die Entwicklung zu beleuchten. Dabei entstehen grellere Lichter und schärfere Schatten, als der Wirklichkeit entsprechen dürfte. Ich habe mich bemüht, das in der Textgestaltung wieder aufzufan­ gen. Mir scheint wichtig, daß der Besucher erfahrt, was an der Darstellung und Gewich­ tung sicher ist und wo der Archäologe auf Analogie angewiesen ist oder aufgrund sei­ nes Erfahrungsbereiches gar spekulieren muß. Darum sind alle Texttafeln in drei Spalten gegliedert. Die erste Spalte enthält faktische Erkenntnisse aus Ausgrabungen und Fun­ den zu den Bereichen der Technik, der Wirt­ schaft und der sozialen Organisation, die zweite solche über die Bereiche der Bestat­ tungssitte und des Kultes. Eine dritte Spalte ist „offenen Fragen“ vorbehalten. Hier soll der Besucher erfahren, was wir Archäologen gerne wissen möchten, was uns die Funde selbst nicht sagen, und wo wir noch auf wei­ tere, neuere Funde warten müssen. Da für Villingen nur relativ zufällig ange-

Abb.3: Raum L Vitrinen und Texttafeln der Einheiten 4 und 5. botene Fundstücke zur Verfügung standen, konnte in den Vitrinen nicht jede auf den Texttafeln angeschnittene Frage illustriert werden. Es ließ sich jedoch insofern eine gewisse Vollständigkeit erreichen, als Farbfo­ tos, auf die Vitrinenscheibe geklebt, Fund­ stücke durchaus ersetzen konnten. Der Wechsel von vollplastischen Dingen im Vor­ dergrund zu Bildern im Hintergrund kann sogar einen reizvollen Zusatzeffekt abgeben. In jeder Vitrine gibt eine Verbreitungskarte an, wie sich die wichtigsten Kulturerschei­ nungen der dargestellten „Einheit“ geogra­ phisch verteilen. Dabei kommt ein weiteres angestrebtes Moment zum Ausdruck: Für die Darstellung der Urgeschichte Südwest­ deutschlands ist es wichtig zu zeigen, in wel­ chen Zeiten der Südwesten Teileinesgröße­ ren Kulturgebietes war, und wann er ganz speziell südwestdeutsche Eigenart zeigt Um den Gang zu erleichtern, mußten einige didaktische Hilfen eingebaut werden. Eingangs links soll eine Einführungstafel auf die Grundsätze der Ausstellung verweisen und in den Texten verwendete Fachbegriffe erklären. Dann wird der Blick des Besuchers durch eine halbrund in den Raum vorsprin­ gende Wand gefangen, die ihn veranlassen soll, sich der ersten Einheit, der Zeit der Jäger und Sammler zuzuwenden. Sie wird mit einer Zeittafel eingeleitet, welche die unge­ heuren Zeitdimensionen veranschaulicht Bilder von Höhlengrundrissen und den darin jungpaläolithischen Kleinkunstwerken rahmen den Text zur rechten ein. Ich will hier nicht Einheit für Einheit vorführen, nur der Gang sei verdeut­ licht. Nachdem das Halbrund zuerst die Auf­ merksamkeit des Eintretenden auf sich gezo­ gen hat, leitet es den Besucher zur rechten Saalseite, wo ein Zeitdiagramm die Bedeu­ tung des Aufkommens von Ackerbau und Viehzucht, von beginnenden organisierten Großgesellschaften veranschaulicht. Für die 79 gefundenen

Abb. 4: Blick von Raum II nach Raum !. „ersten Bauern“ ist dann der Hintergrund der Texttafeln, der Boden der Vitrine und der Kartenhintergrund in einheitlicher Farbe gehalten. Diese Farbe wechselt von Einheit zu Einheit, so daß Zusammengehöriges leicht erkannt werden kann. Es wäre unmöglich gewesen, die histo­ risch so gut bekannte Zeit der Römerherr­ schaft erschöpfend vorzustellen. Auch war eher Roms Wirkung auf die »Barbaren“ zu demonstrieren. So bilden drei Vitrinen mit römischem Sachgut und römischer Ziegel­ schutt, stellvertretend für den Zerstörungs­ horizont der Alamanneneinfälle, die Über­ leitung zum zweiten Raum. Hier wird in ala­ mannischen Reiterscheiben gleichsam die kriegerische Seite der Landnahme symboli­ siert, auf der anderen Seite in Nachbildung und Farbfotos von Goldblattkreuzen auf Missionierung der Alamannen hingewiesen. Rückblickend bin ich gerade auf die Erfin­ dung einer »Problemspalte“ immer noch sehr stolz, selbst wenn sich nur wenige Besu­ cher hierauf „einlassen“. Für die Museen ist m. E. das gute“ Verkaufsergebnis“, das sich in Besucherzahlen ausdrückt, zu verführerisch. 80 Da bleibt der Wert der Information manch­ mal hinter dem Vermarktungswert zurück. So könnte die vermeintliche Volks-Bildungs­ arbeit leicht eher verdummend wirken, wenn die Besucher mit bequem abzuheftenden Scheinergebnissen zufriedengestellt werden. Wenn wir Fachleute so tun, als ob wir alle möglichen komplizierten Rituale ergründen können, dann mögen wir wissenschaftsgläu­ bigen Laien vielleicht einen Bibel-Ersatz lie­ fern, mit Wissenschaftlichkeit hat dies nichts zu tun. Auch hat eine Einstellung, welche die Menschen als zum Nachdenken befähigte Wesen versteht, sicher mehr Achtung vor ihnen als der bloße Verkäufer-Instinkt:“ Was kommt an?“ Einerseits also von den wenigen Funden und großen Räumen zu Phantasie und Ein­ fallsreichtum angespornt, andererseits von meinem eigenen Wissenschaftsverständnis zur Seriosität verpflichtet, zwischen diesen Polen mußte die Einrichtung der zwei Füh­ rungsräume entstehen. Darüber hinaus bedauere ich, daß meines Bleibeos in Villin­ gen nicht lange genug war, um die Alaman­ nenvitrine noch mit problemumsponnenen Grabbeigaben, als Nachbildung vom Lan­ desmuseum in Stuttgart, zu bereichern; sie blieb für meine Konzeption unvollendet.

Gerhard Fingerlin Das alamannische Reihengräberfeld von Schwenningen ,,Auf der Lehr“ Entdeckung und Ausgrabung Die Entdeckungsgeschichte des Reihen­ gräberfeldes von Schwenningen (Abb. 1) führt uns ins Jahr 1938 zurück. Damals wur­ den Erweiterungsbauten der Firma W. Maier an der Dauchinger Straße begonnen. Bei den selbstverständlich von Hand durchgeführ­ ten Ausschachtungen stießen die Arbeiter am 9. Juni hinter dem Haus Dauchinger Straße 9 auf ein alamannisches Grab, das eine Lanzenspitze und ein Schwert enthielt. 14 Tage später kamen drei weitere Gräber zum Vorschein, darunter ein Doppelgrab. Über den damaligen Ablauf der Dinge schreibt der württembergische Archäologe Walter Veeck in einem Bericht von 1939: „Die ersten drei Gräber wurden nicht fachmännisch aus­ gehoben, doch gelang es dem äußerst rühri­ gen Beauftragten des Landesamts für Denk­ malpflege, Fachschullehrer I. R. Rupp, noch eine Anzahl Beigaben zu bergen … Herrn Rupp ist es auch zu danken, daß das vierte Grab, ein überaus reich ausgestattetes Frauengrab, fast ganz gehoben werden konnte“ (Abb. 4). 82 Es war also ein ehrenamtlicher Mitarbeiter der Denkmalpflege, der als erster auf diese ortsgeschichtlich bedeutsamen Funde auf­ merksam wurde und der gleich die notwendi­ gen Schritte unternahm, Funde und Beob­ achtungen zu sichern und für die wissen­ schaftliche Auswertung bereitzustellen. Fabrikant W. Maier schließlich überließ die Funde dem württembergischen Landesmu­ seum, wo sie bis heute aufbewahrt werden. Engagement, Weitblick und Selbstlosigkeit Schwenninger Bürger waren es also, die hier die Voraussetzungen weiterer Grabungs-und Forschungstätigkeit schufen und denen wir einige der schönsten und wertvollsten Funde alamannischer Frühzeit in Südwestdeutsch­ land verdanken. Wenn jetzt auch bekannt war, daß sich unmittelbar am Rand des alten Ortskerns von Schwenningen (Abb. 2) ein frühge­ schichtlicher Bestattungsplatz befand, wußte man doch noch wenig über Größe und Aus­ dehnung. Auch waren wichtige siedlungsge­ schichtliche Fragen offengeblieben. So bei­ spielsweise, ob man es hier mit dem Friedhof

——-·—– ,- ,.�_…..-/ ‚ 1 1 …………. .,/ /‘ / \_ ‚ ‚1 1 1 0 5 10m Abb. 1 Schwenningen ,,Auf der Lehr’� Übersichtsplan des alamannischen Reihengräberfeld.es. Gerastert: adliges Frauengrab (Grab 4). 83

in der Ru u,oui:, 8ruhl Housenlhol Schwepningen o.N. um 1170 Abb. 2 Schwenningen. Stadtplan von ca.1770 (rekonstruiert) mit Eintragung der Fundstelle des Rei­ hengräbeifeldes. mehr als vier Jahrzehnte, bis die Erforschung dieser orts-wie land es geschichtlich bedeutsa­ men Fundstelle fortgesetzt werden konnte. Voraussetzung dafür waren grundlegende Abb. 3 Schwenningen, Steinkistengrab.1952 von Dr. Ströbel geborgen (rechts). des frühgeschichtlichen Dorfes Schwennin­ gen zu tun hatte oder nur mit dem kleinen Gräberfeld eines Adelshofes, wofür die rei­ chen Beigaben vor allem des Frauengrabes (Abb. 4) sprechen konnten. Auch einige von R. Ströbel untersuchte Bestattungen (Abb. 3) halfen hier nicht weiter, und es dauerte noch 84

Veränderungen in dem teilweise überbauten Bereich, die durch eine neue Straßenplanung geschaffen wurden. Eine Verbindung der Spittel-und Sturmbühlstraße durch einen Geländeeinschnitt bedeutete aber auch eine Zerstörung des hochgelegenen Friedhofs­ areals. Im Frühsommer 1984 begann deshalb das Landesdenkmalamt die gefährdete Fläche zu untersuchen. Dabei zeigte sich rasch, daß hier ein ausgedehnter Bestattungs­ platz lag, der während des 6. und 7. Jahr­ hunderts als Ortsfriedhof der dörflichen Ursiedlung von Schwenningen gedient hat. Eine wichtige Frage war damit beantwortet, doch bedeutete die Antwort gleichzeitig, daß archäologische Ausgrabungstätigkeit in gro­ ßem Umfang nötig wurde. Bis zu ihrem Abschluß ging denn auch noch der Sommer 1985 zu Ende, wobei Stadtverwaltung und auch Bauherren in gleichem Maße zu gutem Gelingen beitrugen. Ein Teil der benötigten Arbeitskräfte wurde im Rahmen einer AB­ Maßnahme über das Arbeitsamt Villingen­ Schwenningen zur Verfügung gestellt. Wenige Monate nach Abschluß der Gra­ bung läßt sich natürlich noch keine Auswer­ tung des Gesamtbefundes vorlegen. Dies wird erst möglich sein, wenn alle Fundstücke in der Werkstatt des Landesdenkmalamts in Freiburg restauriert sein werden, dadurch ihre Form wiedergewonnen haben und rich­ tig beurteilt werden können. Denn oft sind die vorwiegend aus Metall bestehenden Objekte, z.B. Waffen, Trachtbestandteile oder Schmuckstücke durch die lange Boden­ lagerung in schlechtem Zustand, Form und Ornamentik unter dicken Rostschichten nicht mehr erkennbar. Auch beigegebene Tongefäße oder Gläser sind meist zerdrückt und zerscherbt. Sie müssen gereinigt, zusam­ mengesetzt und ergänzt werden, bevor sie sich in ihrer alten Form zeigen und bevor wir Aussagen darüber machen können. Dabei ist es selbstverständlich, daß der Restaurator schonend und sorgfiiltig vorgehen, daß er jeden Gegenstand individuell behandeln muß, um ausstellbares Museumsstück wiederzugewinnen, auch letztlich ein 86 wenn dies nicht das erste Ziel und auch nicht in allen Fällen möglich ist. So vergehen Monate, bei größeren Fundkomplexen oft Jahre, bis der Restaurierungsprozeß abge­ schlossen, das archäologische Material aus­ wertbar und auch ausstellbar geworden ist. So muß sich alles, was über das Schwennin­ ger Gräberfeld gesagt werden kann, auf eine Auswahl von Funden stützen, bleibt dadurch in vielem vorläufig und unvollstän­ dig. Andererseits sind es gerade die besonders wichtigen, weil aussagekräftigen Schmuck­ funde, teilweise auch die Tongefäße, die jetzt schon zur Verfügung stehen. So läßt sich doch schon einiges über den zeitlichen Rah­ men, die innere Gliederung oder das kultu­ relle Umfeld des Schwenninger Gräberfeldes aussagen, wobei allerdings zu beachten ist, daß nicht der gesamte Friedhof ausgegraben wurde (Abb. l). Dies war auch gar nicht mög­ lich, da durch frühere Überbauung (Keller) zahlreiche Gräber unbeobachtet zerstört worden sind. Auch haben die Grabungen 1984 -1985 nicht überall die Grenzen des belegten Areals erreicht. Mit den schon frü­ her geborgenen Gräbern beläuft sich die Zahl der untersuchten Bestattungen auf etwa 150, die Gesamtgröße des Friedhofes dürfen wir mit mindestens 250, eher 300 Gräbern annehmen. Die Untersuchungen im Gräber­ feld von Schwenningen sind also noch nicht abgeschlossen. Es ist vor allem Aufgabe der Stadtverwaltung, die noch vorhandenen Restflächen zu überwachen und bei geplan­ ten Veränderungen rechtzeitig das Landes­ denkmalamt zuzuziehen, damit keine Beob­ achtungsmöglichkeiten und Funde, d. h. also wichtige Qpellen zur Frühgeschichte des Ortes verlorengehen. Schwenningen – ein typisches Reihengräberfeld Unter einem Reihengräberfeld verstehen wir den Bestattungsplatz eines frühge­ schichtlichen Dorfs oder Gehöfts, bei dem die Gräber in mehr oder weniger regelmäßi­ gen Reihen angeordnet worden sind. Die Sitte, solche Gräberfelder anzulegen, auf

denen die Verstorbenen in ihrer Tracht, mit Schmuck, Waffen und teilweise auch Speise und Trank beigesetzt worden sind, beginnt hierzulande im späteren 5. Jahrhundert und endet in der Zeit um 700 n.Chr. Es ist die Zeit, in der im Frankenreich, zu dem auch das alamannische Siedlungsgebiet gehörte, die Dynastie der Merowinger die Herrschaft innehatte. Wir sprechen deshalb auch von der Merowingerzeit. Weshalb die Alaman­ nen, die seit dem 3. Jahrhundert das Land bewohnten, im 5. Jahrhundert zu einem bis dahin nicht üblichen Bestattungsbrauch übergingen, wissen wir nicht. Eher schon läßt sich das Ende der Reihengräberfelder beur­ teilen. Offensichtlich war es die Kirche, die den eben doch sehr heidnischen Brauch der Totenbeigaben nicht mehr dulden wollte. Gegen Ende des 7. Jahrhundert war die Mis­ sionierung weitgehend abgeschlossen, und die Kirche befand sich in einer ausreichend starken Position, um die Verlegung der Fried­ höfe zu den überall entstandenen Gottes­ häusern durchzusetzen. Das „Reihengräber­ feld“ wurde durch den „Kirchhof“ abgelöst, die Beigabensitte erlosch. Kennzeichnend für die Gräber der Mero­ wingerzeit sind also die Beigaben, zu denen auch schon manches christliche Element gehört (z.B. Goldblechkreuze), die Orientie­ rung der Gräber in west-östlicher Richtung (Blick zur aufgehenden Sonne), innerhalb des Friedhofs Reihenanordnung aber auch die Bildung von Familiengruppen. Die Grä­ ber sind schachtartig in den Boden eingetieft, darin steht meist ein Sarg, der ein ausgehöhl­ ter Baumstamm, aber auch eine aus Brettern gefügte Kiste sein kann. Einfache Gräber ent­ halten oft nur ein Totenbrett oder überhaupt keine Holzeinbauten. Im 7. Jahrhundert kommt mit der Steinkiste aus Platten oder Trockenmauerwerk eine neue Grabform hinzu (Abb. 3), die ihre Vorbilder wohl in den Sarkophagen hat, wie sie damals im linksrheinischen, ehemals römischen Gebiet verwendet wurden. Eine Besonderheit sind große Holzkammern, regelrechte unter­ irdische Räume, in denen Angehörige vor- nehmer Familien bestattet wurden. Deutlich erkennbar stehen nämlich Größe und Tiefe der Gräber in Zusammenhang mit dem Bei­ gabenreichtum, also mit der Stellung und dem Besitz der Lebenden. Dabei darf aller­ dings nicht übersehen werden, daß eine schlichte Bestattung ohne Beigaben nicht allein auf einen armen oder vielleicht gar per­ sönlich unfreien Ortsbewohner deutet, son­ dern daß auch mancher christlich gewordene Alamanne sich schon früh vom herkömmli­ chen Totenbrauch abgewandt hat. So zeigt sich der zunehmende christliche Einfluß nicht nur in einem allmählichen Verschwin­ den von Speise und Trank in den Gräbern, sondern in einem allgemeinen Rückgang der Beigaben, lange vor dem Auflassen des ,,heidnischen“ Reihengräberfeldes. Trotzdem spiegelt die Ausstattung mit Beigaben im Gräberfeld weitgehend die Welt der Lebenden wider, auch die soziale Gliede­ rung und die Besitzverhältnisse, und wir können beispielsweise die Gräber der poli­ tisch und wirtschaftlich tonangebenden Schicht, des Adels also, deutlich von den Bestattungen der einfachen bäuerlichen Bevölkerung unterscheiden. Auch Schwenningen ist ein typischer Ver­ treter dieser „Reihengräberfelder“. Unter den Hunderten von Fundplätzen dieser Zeit gehört es zu den relativ gut untersuchten, wenn es auch leider nicht zu der immer noch geringen Zahl vollständig erfaßter Friedhöfe zählt. Es weist allerdings auch Besonderhei­ ten auf, die sofort ins Auge fallen und die zunächst besprochen werden sollen. Grab 73 – ein Sonderfall Nach den allgemeinen Regeln ist ein besonders großes und tiefes Grab auch ein reiches Grab, die Bestattung eines Angehöri­ gen der alamannischen Oberschicht. Mit großen Hoffnungen arbeiteten sich denn auch die Ausgräber bei Grab 73 in die Tiefe. Doch wurden in diesem Fall die hochge­ spannten Erwartungen nicht erfüllt. Statt eines besonders qualitätvollen Fundinven­ tars enthielt die Grabgrube lediglich die 87

Abb. 4 Schwenningen. Beigaben aus dem reichen Frauengrab 4. weislich auch noch in jüngerer Zeit. Sie kön­ nen sich gegen Fremde richten, werden aber auch nicht selten gegen Angehörige der eige­ nen Lebensgemeinschaft angewandt. Bei unserem Beispiel ist ein Zusammenhang mit einer schweren körperlichen Behinderung augenfällig. Krankheit, Ausschluß aus der Gesellschaft, vorzeitiger Tod – auch das gehört zum Lebensbild eines alamannischen Dorfes im frühen Mittelalter. sterblichen Reste eines Mannes mit krüppel­ haft verwachsenem rechten Bein (Abb. 5). Die extreme Tiefe, sonst ein Schutz reicher Totenausstattung, hatte hier offenbar einen anderen Grund: die abergläubischen Dorfbe­ wohner suchten sich vor der Wiederkehr des vielleicht schon zu Lebzeiten gefürchteten ,,Außenseiters“ zu schützen, vor einer mögli­ chen Rache des „gefährlichen“ Toten an den Lebenden. Beispiele für solche Schutzmaß­ nahmen gegen „ Wiedergänger“ gibt es nach- 88

Am Anfang steht ein Adelsgrab Schmuckausstattung Unter den vier Bestattungen, die 1939 geborgen wurden, fand sich das Grab einer Frau, die nach ihren Beigaben zu urteilen einer führenden Familie des Landes ange­ hört haben muß (Abb. 4). Bevor wir ihre kostbare näher betrachten, wollen wir uns kurz vor Augen führen, was dieses Adelsgrab am Beginn des großen Reihengräberfeldes bedeutet. Denn mit einer Datierung an den Anfang des 6. Jahrhunderts gehört diese Bestattung auch zu den ältesten, die in Schwenningen bisher gefunden worden sind. Zweifellos stellt dieser Befund eine Aus­ nahme dar, da sich bei den meisten bekann­ ten Reihengräberfeldern keine Spuren adli­ ger Familien am Ort nachweisen lassen. Ganz ohne Beispiel ist der Schwenninger Fall aber nicht. Neben reinen Adelsfriedhöfen gibt es nämlich eine ganze Anzahl von Grä­ bern der Oberschicht, die vereinzelt oder in kleinen Gruppen auf den Ortsfriedhöfen lie­ gen. Und oft gehören sie zur ersten Genera­ tion, die auf dem Gräberfeld bestattet hat. Es liegt daher nahe, diese Adligen mit der Grün­ dung des jeweiligen Ortes in Verbindung zu bringen. Wir müssen uns dabei vor Augen halten, daß die vornehmen Familien, vor allem die des Hochadels, in der damaligen Zeit nicht ortsgebunden waren. Als poli­ tische, militärische und administrative Be­ auftragte des fränkischen Königs waren sie als „Amtsträger“ für ein mehr oder weniger großes Gebiet zuständig, in dem sie unter Umständen mehrere Höfe als Stützpunkte besaßen. Auch von den fränkischen Köni­ gen wissen wir, daß sie sich an verschiedenen Orten bestatten ließen, je nach ihren persön­ lichen Verhältnissen und keineswegs immer am Ort ihrer Residenz. So ist es auch durch­ aus möglich, daß Mitglieder ein und dersel­ ben Familie an verschiedenen Plätzen wohn­ haft und tätig waren, immer wieder auch neue Orte und Kirchen gründeten und dort dann auch bestattet worden sind. Der Archäologe spricht in diesem Zusammen­ hang von Gründer- oder Stiftergräbern. Abb. 5 Schwenningen Grab 73. Die Skelettlage zeigt deutlich die schwere Behinderung des etwa 20-]0jährigen Verstorbenen durch ein (nach Unfall?) fast rechtwinklig verwachsenes und ver­ steiftes Knie. Daß wir in Schwenningen für diese Zeit nur ein Frauengrab dieses Ranges haben, kann auf verschiedene Ursachen zurückge­ hen. Zunächst einmal ist auch eine adlige Frau rechtlich selbständig und kann ihr per­ sönliches Vermögen für Gründungen und Stiftungen einsetzen, wie wir es vor allem aus dem Bereich früher Klostergründungen wis­ sen. Ein zugehöriger Mann kann allerdings auch an anderem Ort verstorben und begra­ ben sein, in der damaligen kriegerischen Zeit sicher keine Seltenheit. Schließlich wäre auch denkbar, daß ein entsprechendes Männer­ grab in Schwenningen schon früher zerstört oder bis heute noch nicht gefunden worden ist. Immerhin können wir aus einer wertvol­ len Silberschnalle mit verziertem Goldblech schließen (Abb. 6), daß auch gegen Ende des 89

6.Jahrhunderts ein Adelsgrab (Mann) vor­ handen gewesen, wenn auch leider zerstört worden ist. Die Ausstattung der adligen Frau lohnt genaueres Hinsehen. Sie stellt nach den Wor­ ten des bayerischen Archäologen R. Christ­ lein in seinem Buch „Die Alamannen“ ,,eine der reichsten Grabausstattungen dar, die aus der Völkerwanderungszeit bisher bekannt geworden sind“. Unter den mitgegebenen Kostbarkeiten befinden sich auch Einzelan­ fertigungen, die im Handel damals gar nicht erhältlich waren. Nur Personen von Rang konnten sich solchen Luxus erlauben, der ja voraussetzt, daß ein Goldschmied nach den individuellen Vorstellungen und Wünschen des Auftraggebers gearbeitet hat, also auf des­ sen Hof und wahrscheinlich auch mit Mate­ rial, das dieser Auftraggeber zur Verfügung stellte. Ein Vergleich mit Schmuckstücken aus einfachen Gräbern zeigt denn auch den großen Unterschied in der Herstellungsqua­ lität und im Materialwert. Dies gilt vor allem für die beiden Scheibenfibeln aus massivem Gold mit roten Edelsteineinlagen (Abb. 4). Eine davon ist sicher einheimischer Herstel­ lung, da sich eine technisch vergleichbare Arbeit auch im Gräberfeld von Gültlingen bei Nagold gefunden hat. Der Meister der Scheibenfibel mit dem gleicharmigen Mittel­ kreuz war also ein Alamanne, der auf Adels­ höfen in Südwestdeutschland gearbeitet hat. Bemerkenswert, daß dieses Stück eindeutig ein christliches Symbol aufweist und damit die Trägerin dieses Schmuckes wahrschein­ lich als Christin kennzeichnet. Auch die „sonnenförmige“ Brosche ist ein erlesenes Einzelstück. Aller­ dings stammt es nicht aus Alamannien, son­ dern aus einem Atelier des ostgotischen Donaugebietes oder Italiens und ist wahr­ scheinlich als Geschenk in die Hände seiner letzten Besitzerin gelangt. Auch solche Stücke, die wegen ihres hohen Wertes kaum verhandelt worden sind, gehören als kenn­ zeichnende Bestandteile zur Ausstattung adliger Personen, wofür es gerade in Südwest­ deutschland gute Beispiele gibt. zweite 90 Diese „Scheibenfibeln“ wurden übrigens an Hals und rechter Schulter getragen, woge­ gen die beiden silbernen, teilweise vergolde­ ten „Bügelfibeln“ etwa in Hüfthöhe vorne den Rock verschlossen (Abb. 4). Sie sind ein­ heimischer Herkunft und ebenfalls durch ihre �alität, nicht zuletzt auch durch die roten Steineinlagen, von durchschnittlichen Erzeugnissen klar unterschieden. An einer dieser Bügelfibeln hing an langem, silberbe­ schlagenem Band eine ebenfalls in Silber gefaßte Bergkristallkugel (Abb. 10, 6), ein kostbares Amulett, das wie das Kreuz auf der Goldbrosche dem Schutz seiner Trägerin vor allerlei Unheil dienen sollte. Mit vier Fibeln, einer Gürtelschließe, dazu silbernen Schnal­ len und Beschlägen von Strümpfen und Schuhen (Abb.4) entspricht die Tracht völlig der Mode, wie sie damals bei den Alamannen in Geltung war. Die adlige Schwenninger Frau kleidete sich also grundsätzlich nicht anders, nur sehr viel kostspieliger als ihre Zeitgenossinnen. Sicher gilt dies auch für die Kleidung, von der sich leider nur kleine Stoffreste mit einge­ webtem Rautenmustererhalten haben. Auch die Halskette schließlich läßt Reichtum und besonderen Geschmack erkennen. Neben einigen Perlen aus Goldblech, Glas und Bernstein fanden sich sechs kleine goldene Anhänger mit farbigen Einlagen (Abb. 4), wie sie aus dem ostgotischen Siedlungsgebiet an der mittleren Donau bekannt sind. Mögli­ cherweise kamen sie zusammen mit einer der beiden Scheibenfibeln als kleines Schmuck­ ensemble ins �ellgebiet des Neckars. Jedenfalls nicht mit ihrer Trägerin, denn trotz einiger „exotischer“ Stücke kam die Schwenninger Adlige nicht aus fernen Gegenden, sondern stammte nach ihrer Tracht aus einer alamannischen Familie Süd­ westdeutschlands. Unter dem jetzt schon restaurierten und damit aussagefähigen Fundmaterial befin­ den sich Stücke, die wir mit der letzten noch Fortgang und Ende der Belegung – das Fundmaterial

auf Reihengräberfeldern bestattenden Gene­ ration verbinden können. Es bestätigt sich damit auch in Schwenningen die vielfach gemachte Beobachtung, daß um das Jahr 700 n. Chr. eine grundsätzliche Veränderung in der Begräbnissitte und im Totenbrauchtum eintritt und daß auch hier der Friedhof zur Kirche verlegt worden ist, fraglos einem Vor­ gängerbau des heutigen Gotteshauses. Die Benützungszeit des Schwenninger Gräber­ feldes umfaßt also 200 Jahre, die wir auf ca. 6 Generationen aufteilen können. Wegen der großen Lücken im Plan, der unbekannten Zahl zerstörter oder noch nicht erfaßter Grä­ ber, lassen sich über den Fortgang der Bele­ gung allerdings nur ungefähre Angaben machen. Verteilen wir die jetzt schon vorlie­ genden datierbaren Funde auf dem Gräber­ feldplan, läßt sich während der 6 Generatio­ nen ein ständiges Anwachsen der Bevölke­ rungszahl und damit ein entsprechendes Wachstum der Siedlung erkennen. Darauf ist noch zurückzukommen. Eine weitere Einschränkung unserer Aus­ sagemöglichkeiten ergibt sich aus der im 7. Jahrhundert einsetzenden, oft ganz systema­ tischen Beraubung der Gräber durch die Zeitgenossen. Trotz schwerer Strafen, die auf Grabraub standen, sind in dieser Zeit sehr viele der oberirdisch kenntlichen Bestattun­ gen geplündert worden, vor allem diejenigen mit reichhaltiger Ausstattung. Ursache ist eine Metallverknappung, die nicht zuletzt auch durch die Beigabensitte verursacht wurde. Denn mit jeder abtretenden Genera­ tion wurden den Nachkommen unersetz­ liche Werte entzogen. Trotz der auch in Schwenningen starken Beraubung jüngerer Friedhofsteile lassen sich aber doch im unter­ schiedlichen Reichtum an Beigaben, bis hin zur Beigabenlosigkeit, Anhaltspunkte für den Aufbau, die innere Gliederung der dörf­ lichen Gemeinschaft gewinnen, die überwie­ gend aus Bauern und ihrem Gesinde bestand. Gräber spezialisierter Handwerker, etwa von Goldschmieden, sind selten und eigentlich nur für den Bereich der Metallver­ arbeitung nachzuweisen. In Schwenningen ist nichts entsprechendes bekannt geworden. So läßt sich die Existenz von Handwerkern (z.B. Waffenschmied, Bronzegießer, Töpfer) meist nur indirekt anhand ihrer Erzeugnisse nachweisen, die Existenz von Händlern mit Hilfe weither stammender Importstücke. Allerdings können wir auch die überwie­ gende bäuerliche Wirtschaftsform nicht aus den Grabfunden ablesen, da es bei den Ala­ mannen nicht üblich war, den Verstorbenen auch landwirtschaftliches Gerät mitzugeben. Dafür zeichnet sich in den Funden die Selbstversorgung auf manchen Gebieten ab, so etwa in der Beigabe von Spinnwirteln die häusliche Herstellung von Textilien. Aus der „Auswahl“ der für den Grab­ brauch in Frage kommenden Dinge können wir schließen, daß es nicht darum ging, den Verstorbenen mit allem auszustatten, was er in einer jenseitigen Fortsetzung seines irdi­ schen Lebens benötigte. Es waren vielmehr seine persönlichen Besitztümer, die ihm ins Grab folgten, auf die er auch einen recht­ lichen Anspruch hatte: Kleidung (Tracht), Schmuck, Waffen, bei größerem Reichtum auch Glas- oder Bronzegefäße, Pferdege­ schirr, gelegentlich sogar Möbelstücke, Brett­ spiele oder Musikinstrumente. Der Aspekt des Weiterlebens nach dem Tode, mit ganz materiellen Bedürfnissen, wird vor allem durch die Beigabe von Speise und Trank aus­ gedrückt (Tongefäße), ein heidnisches Ele­ ment, das vielfach früher aus dem Toten­ brauch verschwindet als die anderen, stärker rechtlich begründeten Beigaben. Im folgenden sollen einige wichtige Fund­ kategorien wie Waffen- und Waffengürtel bei den Männern, Trachtbestandteile und Schmuck bei den Frauen kurz behandelt werden. Männergräber Ein großer Teil der Schwenninger Män­ nergräber enthielt Waffen (Abb. 7), was aber keineswegs nur auf „Krieger“ schließen läßt. Jeder freie Mann der damaligen Zeit, wahr­ scheinlich auch der in halbfreien Verhältnis­ sen Lebende (Knecht, Gefolgsmann) führte 91

= = =- > 1 1 1, �. •, 0 :>- 0 (/ – 1 ü = 1 1 1 1 I I 1 I I I Abb. 7 Schwenningen. Waffen aus verschiedenen Gräbern. Spatha, einschneidige Saxe, Lanzenspitun, unten eiserner Schildbuckel mit Handgriff von einem hölzernen Rundschild. 92

Abb. 8 Schwenningen. Silbertauschierte Eisenschnallen und-beschläge (Riemenzungen) aus verschiede­ nen Gräbern und Zeithorizonten. Oben Beginn, unten Ende des 7. nachchristlichen Jahrhunderts. 93

Waffen, unabhängig davon, wie er seinen Lebensunterhalt bestritt. Die starken Unter­ schiede in der Bewaffnung haben dazu geführt, daß man anhand der Ausrüstung die soziale und rechtliche Stellung erkennen wollte. Sicher ist aber nur, daß ein Zusam­ menhang mit dem sonstigen Reichtum der Beigaben besteht. So führt ein „reicher“ Mann mehrere Waffen. Er besitzt ein zwei­ schneidiges (Spatha) und ein einschneidiges Schwert (Sax), Lanze, Schild, Pfeil und Bogen, manchmal auch eine Streitaxt. In ärmlichen Gräbern finden sich oft nur ein Sax, eine Speerspitze oder einige Pfeilspit­ zen. Helm und Panzer sind für Angehörige des Hochadels reserviert, sie kommen in Schwenningen nicht vor. Allerdings ist die Waffenbeigabe nicht nur vom Besitzstand abhängig. Im Lauf des 7. Jahrhunderts ver­ schwindet allmählich die Spatha aus den Gräbern, sie wird offenbar waffentechnisch vom Sax verdrängt, der in dieser Zeit länger und schwerer wird. Gegen Ende der Mero­ wingerzeit häufen sich dann die Funde von Sporen und anderen Teilen der Reitausrü­ stung, ein Hinweis auf die sich ändernde Kampfweise und Zusammensetzung des Heeresaufgebots. Da männliche Adelsgräber in Schwenningen fehlen, sind leider nur ein­ fache und keine kostbaren Waffen auf uns gekommen. Zu Spatha und Sax gehören metallbe­ schlagene Ledergürtel, die vor allem im 7. Jahrhundert oft reich verziert sind (Abb. 8). Die eisernen Schnallen, Beschläge und End­ stücke (Riemenzungen) werden mit Silber­ drähten eingelegt (tauschiert), die kompli­ zierte lineare Muster bilden. Zentrales Motiv ist häufig ein zopfartig ineinander verfloch­ tenes, punktgefülltes Band, gerahmt von schraffierten Flächen und Streifen. Bei jünge­ ren Formen sind die Oberflächen ganz mit Silber belegt, die Ornamente, jetzt meist typisch „germanisch“ ineinander verschlun­ gene Tierkörper, wirken wie ausgeschnitten und sind meist durch Verwendung von Mes­ singdraht auch in der Farbe abgesetzt. In der letzten Generation werden schließlich Gür- 94 Frauengräber tel getragen, deren zahlreiche Riemenzungen mit Silberblechstreifen belegt sind, die ein­ fache geometrische Muster bilden. Die hohen schrägen Ränder dieser Beschläge werden jetzt mit dichter Schraffur aus Silber­ und Messingstreifen gefüllt. So läßt sich gerade an den Männergürteln als Ausdruck eines jeweils typischen Zeitgeschmacks recht gut die Abfolge der Generationen im 7.Jahr­ hundert erkennen. Stärker noch als bei der Männerausstat­ tung macht sich der modische Wechsel bei den Frauen bemerkbar, auch wenn dieser Wechsel für unsere Begriffe ebenfalls in gro­ ßen Intervallen, nämlich in Generationenab­ stand, erfolgt. Leider macht sich hier die lük­ kenhafte Erhaltung und sicher auch der starke Grabraub im 7. Jahrhundert stark bemerkbar, doch soll an dieser Stelle auch keine ausführliche Trachtgeschichte der Merowingerzeit gegeben werden. Nur wenige Hauptlinien seien aufgezeigt. Bei der Behandlung des reichen Frauen­ grabes wurde schon die Tracht des 6. Jahr­ hunderts mit ihren 4 Fibeln charakterisiert. Sie blieb im Prinzip das ganze 6. Jahrhundert erhalten, doch kommen vor allem in der jün­ geren Zeit viele Frauen auch nur mit 2, oft sogar nur mit 1 kleinen Fibel aus, die Vogel­ oder $-Form haben kann (Abb. 9). Daneben werden in dieser Zeit auch runde Scheibenfi­ beln getragen, Vorformen der großen Einzel­ brosche, wie sie im 7. Jahrhundert üblich wurde und wie sie in Schwenningen wenig­ stens in einem schlichten Exemplar aus Bronzeblech vorliegt (Abb. 10, 3). Am Ende der Reihengräberzeit werden dann wieder kleine Scheibenfibeln getragen, jetzt nicht selten mit christlichen Symbolen, doch hat sich in Schwenningen kein Stück aus dieser Spätzeit erhalten. Ähnlich wie bei den Fibeln läßt sich auch bei anderen Trachtbestandteilen zu Beginn des 7. Jahrhunderts ein markanter Einschnitt feststellen. So wurden jetzt, in vielerlei Gestalt, Ohrringe üblich (Abb. 10, 1), dazu

Abb. 9 Schwenningen. Schmuck aus verschiedenen Gräbern. Die beiden oberen Reihen: Silber mit roten Halbedelsteinen, darunter Iferdchenschnalle aus Bronze,große Schnalle aus versilberter Bronze. 95

kommen Schnallen und auch Beschläge von Strumpfgarnituren und Schuhen (Abb. 10, 4 und Abb. 11), die sichtbar getragen wurden, während die Gürtelschnalle, die im 6. Jahr­ hundert noch recht auffällig geformt sein konnte (Abb. 10, 2), im 7. ,,unsichtbar“ wird und meist nur noch aus einem schlichten Eisenring besteht. Dementsprechend muß sich jetzt der Schnitt der Kleidung entschei­ dend geändert haben, doch geben uns Grab­ funde höchstens über das Material, nicht über das Aussehen der Kleidung Auskunft. Nur kleine Stoffreste haben sich, meist an metallischen Teilen der Tracht, erhalten. Sie erlauben es, verschiedene Fasern und Web­ techniken zu erkennen, lassen aber alle ande­ ren Fragen zum äußeren Erscheinungsbild offen. Immerhin können wir aus der Lage der Metallbeschläge einiges entnehmen. So wurden die Röcke offenbar meist knöchel­ lang getragen, zum Rock gehörte eine Art Umhang, der mit Fibeln geschlossen wurde. Die Tracht wurde ergänzt durch Haarna­ deln und Ketten aus Glas-und Bernstein per­ len (Abb. 10, 5), in die gelegentlich auch Per­ len aus Amethyst oder anderen damals selte­ nen Materialien eingefügt waren. Armringe aus Perlen, aber auch aus Bronze und Eisen kommen vor. Schließlich trug die alaman­ nische Hausfrau am Gürtel ein „Gehänge“, an dem eine Tasche mit durchbrochener Zierscheibe getragen wurde und an dem außerdem Messer, Kamm, Schlüssel und mancherlei Amulette hingen (Abb. 10, 6-7, 9-10). Von den spezifisch weiblichen Gerät­ schaften wurden schon die gläsernen und tönernen Spinnwirtel erwähnt (Abb. 10, 8), dazu kamen (in Schwenningen nicht vertre­ ten) eiserne Webgeräte. In Gräbern der rela­ tiv nahe gelegenen Orte Neudingen und Trossingen wurde sogar jeweils ein hölzerner Webstuhl als Grabbeigabe nachgewiesen. Ein besonderes Charakteristikum der Ala­ mannenfriedhöfe Südwestdeutschlands sind die Beziehungen nach Italien, die sich im Fundmaterial widerspiegeln. Wie schon bei Beziehungen nach Italien 96 der Besprechung des adligen Frauengrabes erwähnt, kamen von dort kostbare Schmuckstücke in den Besitz wohlhabender Alamannen, doch gibt es neben Luxusgegen­ ständen auch Dinge des täglichen Ge­ brauchs, die uns in Form oder Ornament ihre südliche Herkunft verraten. So sind auch in einfacher ausgestatteten Gräbern Schwen­ ningens Zeugnisse für diese Verbindungen über die Alpen zum Vorschein gekommen. Hinter diesen Funden steht nun allerdings nicht nur der damals schon recht bedeutende Fernhandel, der beispielsweise den Wein für die Gelage der Vornehmen oder seltene exo­ tische Gewürze (z.B. Nelken) lieferte. Viel­ mehr kommt hierin auch die politische Lage der damaligen Zeit zum Ausdruck, und wir müssen zum besseren Verständnis kurz unse­ ren Blick auf die geschichtlich überlieferten Verhältnisse richten. Dabei zeigen sich für den süddeutschen Raum sehr deutlich zwei ganz unterschiedliche, aufeinanderfolgende Phasen der Südbeziehungen, zunächst zum ostgotischen Italien. Um 490 hatte dieses ger­ manische Volk unter Führung seines Königs Theoderich Italien erobert, etwa 15 Jahre nach der Absetzung des letzten weströmi­ schen Kaisers Romulus Augustulus. Theode­ rich, der in der deutschen Sage als Dietrich von Bern (Verona) seinen Platz gefunden hat, regierte sein ostgotisch-römisches Reich bis zum Jahre 526 n. Chr. Das Reich selbst hatte nach ihm nur noch wenige Jahrzehnte Bestand und ging in den unvermeidlichen Auseinandersetzungen mit Ostrom (By­ zanz) zugrunde. Im ausgehenden 5. und beginnenden 6. Jahrhundert allerdings, in der Regierungszeit des Theoderich, war das ostgotische Italien zu einem Macht- und Ordnungsfaktor ersten Ranges im westlichen Europa gewor­ den. Verbindungen mit anderen germani- bern. 1-4 Bronze, 5 Glasperlen, 6 Bergkristall­ kugel in Si/herfassung (aus dem Atklsgrab 4), 7 Beinkamm, 8 Spinnwirtel aus Glas (oben) und Ton, 9-10 Eisen. Abb. 10 Schwenningen. Funde aus Frauengrä­

9 10 3 6 8 8

Abb.11 Schwenningen, Beinkamm und verzierte Riemenbeschläge aus Bronze. 98

Abb.12 Schwenningen. Ostgotische Silbennünu aus Italien.Auf der Vorderseite Kopf des oströmischen Kaisers, auf der Rückseite Monogramm des Ostgotenkönigs Theoderich (geprägt unter König Witigis oder Hildebad zwischen 536 und 541 nach Chr). 99

sehen Stämmen, darunter auch mit den Ala­ mannen, wurden geknüpft und ausgebaut mit dem Ziel eines größeren und besser gesi­ cherten Reichsverbandes. Diese Bemühun­ gen galten einmal der größeren Unabhängig­ keit von Byzanz, andererseits auch der Bil­ dung eines Gegengewichts gegen die fast stürmische Expansion der Franken unter den ersten Königen aus dem Haus der Mero­ winger. So war es nur konsequent, daß nach der alamannischen Niederlage gegen die Franken (496 n. Chr. bei Zülpich) König Theoderich eine Art Schutzherrschaft über das noch nicht fränkisch gewordene südliche Alamannien errichtete, wodurch das Vorrük­ ken der Franken um drei Jahrzehnte hinaus­ geschoben, letztlich allerdings nicht verhin­ dert werden konnte. 536 n. Chr. in der schwierigen Situation des beginnenden Krie­ ges mit Byzanz, trat der Ostgotenkönig Witi­ gis das Protektorat über die Alamannen an den fränkischen König ab. Genau in diese Zeit führt uns eine kleine Silbermünze aus Schwenningen (Abb. 12), die unter Witigis oder seinem Nachfolger Hildebad zwischen 536 und 541 n. Chr. in Oberitalien geprägt worden ist. Sie zeigt auf der Vorderseite das Brustbild des oströmisch­ byzantinischen Kaisers Justinian, auf der Rückseite das Monogramm des Theoderich. Im alamannisch-fränkischen Gebiet ist eine ganze Anzahl solcher Prägungen bekannt geworden, und wir müssen uns fragen, ob wir hier nicht schon einen archäologischen Nie­ derschlag des Kriegszuges vor uns haben, den 539 n. Chr. der fränkische König Theu­ debert nach Oberitalien geführt hat. Genau­ sowenig wie die kostbare Scheibenfibel ist nämlich die Schwenninger Münze als Zeug­ nis für den Handel zu werten, da es bei den Alamannen in dieser Zeit gar keine Geldwirt­ schaft gegeben hat. Allerdings können wir im allgemeinen nicht unterscheiden, was von diesen „ostgotischen Importstücken“ als Beutegut oder was auf anderen Wegen, etwa im Rahmen politischer und familiärer Bezie­ hungen über die Alpen kam. Jedenfalls sind in der „Ostgotenzeit“ die Beziehungen sehr 100 eng gewesen, was aber auch für die Genera­ tionen danach gelten kann. Inzwischen ist mit den Langobarden (ab 568 n. Chr.) ein neues germanisches Volk in Italien einge­ wandert und hat dort die byzantinische Herrschaft verdrängt und ersetzt. Auch zwi­ schen dem alamannisch-fränkischen und dem langobardischen Bereich entwickelten sich familiäre Beziehungen. Aber auch poli­ tische und kriegerische Anlässe führten Fran­ ken und Alamannen nach Italien, hin und wieder auch Langobarden in die Gebiete nördlich der Alpen. Im ausgehenden 6. und im 7. Jahrhundert gewinnt dann offenbar der Handel über die Paßstraßen an Bedeutung. Das langobardische Kunsthandwerk, seiner­ seits stark von der nachrömisch-byzantini­ schen Umwelt geprägt, wurde vielfach Vor­ bild und Anregung für den alamannischen Raum. Vereinzelt fanden auch echte „byzan­ tinische“ Stücke den Weg nach Norden, Schmucksachen und Gürtel beispielsweise, wie sie von der nichtgermanischen Bevölke­ rung Italiens und des südlichen Alpengebie­ tes getragen wurden. So fällt unter den Schwenninger Funden sofort eine kleine Schnalle auf, die von zwei fast lebensechten Pferdeköpfchen flankiert wird (Abb. 9). Wie tierstilverzierte Arbeiten des gleichen Fried­ hofs zeigen, hat der alamannische Kunst­ handwerker Tierköpfe ebenfalls gerne ver­ wendet, aber in stark stilisierter Weise darge­ stellt (Abb. 8 Mitte). Auch das blaßgrüne Stielglas aus Grab 93 (Abb. 13, 1) ist ein Produkt italischer Werk­ stätten, die in antiker Tradition weiterarbei­ teten. Vermittler zu den Alamannen waren auch in diesem Fall die Langobarden, was auch für andere Glasprodukte, beispielsweise mehrfarbige Perlen und auch für die in Ober­ italien gewonnenen Amethyste gilt. Schließlich ist noch auf einen ganz schlichten Gebrauchsgegenstand hinzuwei­ sen: ebenfalls ein Becher (Abb.13, 2), der aber eine ganz besondere Rarität darstellt. Er ist aus einem „Lavez“ genannten weichen Stein herausgedreht und stammt aus dem Tessin, wo sich seit römischer Zeit mehrere Manu-

fakturen auf die Herstellung dieser auf der Drehbank gefertigten Gefäße verlegt hatten. Das Schwenninger Exemplar gehört zu den wenigen Zeugnissen dieser Handwerkskunst aus der Merowingerzeit. Es beweist uns, daß diese Gefäßproduktion, die im Tessin bis ins 19. Jahrhundert nachzuweisen ist, auch in der unruhigen Zeit nach dem Untergang des weströmischen Reiches ohne Unterbre­ chung fortbestanden hat. Schmuckstücke, Gebrauchsgegenstände, Gläser und andere Trinkgefäße, Münzen und Perlen aus Glas oder Amethyst bezeu­ gen die engen Verbindungen der frühge­ schichtlichen Bevölkerung Schwenningens nach Italien, und es ist nicht ausgeschlossen, daß im Laufe mehrerer Generationen einige Bewohner dieser Ortschaft auch persönlich im Süden gewesen sind. Ergebnisse für die Siedlungs-und Sozial­ geschichte Vor dem Abschluß der Fundrestaurierung und vor einer systematischen Auswertung des Gräberfeldplanes sind Feststellungen zur Siedlungs- und Sozialgeschichte nicht unproblematisch. Trotzdem läßt sich auch nach dem vorläufigen Kenntnisstand schon einiges aussagen, so beispielsweise, daß das frühe Adelsgrab (Frauengrab) zum Orts­ friedhof gehört. Das bedeutet, daß ein Adels­ hof zum Ausgangspunkt der dörflichen Siedlung wurde, daß er unmittelbar neben anderen Gehöften lag und daß dementspre­ chend die adlige Familie wenigstens anfang­ lich „im Dorf‘ lebte. Zu Beginn gehörten vielleicht nur 2-3 weitere Höfe dazu, da nur relativ wenige Gräber der ersten Generation zuzuweisen sind. Entsprechend der Vermeh­ rung der Grabfunde in den folgenden Gene­ rationen können wir danach ein langsames Wachstum der Siedlung erschließen. Ob hier Zuzug von außen eine Rolle spielte, wissen wir nicht, können es jedenfalls aus dem Fundmaterial nicht entnehmen. Wahr­ scheinlicher kam es zur Neuanlage von Höfen, wenn mehr als 1 Erbe vorhanden war. Im Lauf der Zeit führte dann die völlige Aus- nutzung der wirtschaftlich brauchbaren Flä­ chen zur Rodung und Aussiedlung in weni­ ger dicht besetzte Gebiete. Unserer Deutung der siedlungsgeschichtlichen Vorgänge sind in Schwenningen vor allem deshalb Grenzen gezogen, weil sich auf dem Friedhof, bis jetzt wenigstens, keine den einzelnen Gehöften zugehörigen Gräbergruppen und damit Familienverbände feststellen lassen. Dazu sind wohl auch die Zerstörungen zu umfang­ reich. Aus den gleichen Gründen ist es auch schwierig, die Größe der Ortsbevölkerung anzugeben. Rechnen wir für einen mittleren Hofl0-12 Personen, dürfte es zu Beginn des 6. Jahrhunderts kaum mehr als 25-30 „Schwenninger“ gegeben haben. Diese Zahl stieg dann bis gegen Ende der Belegungszeit ( ca. 700 n. Chr.) auf vielleicht 100 gleichzeitig lebende Personen, wobei wir die letzte Gene­ ration vor dem Ende des Reihengräberfeldes schon nicht mehr vollständig erfassen können. Unter ähnlichen Vorbehalten stehen auch alle Aussagen zum Aufbau und der inneren Gliederung der Ortsbevölkerung. Wahr­ scheinlich hat der Adelshof weiterexistiert, wenn auch seine Bewohner nicht mehr den gleichen Rang besaßen wie in der Frühzeit. Daneben kam es im 6. Jahrhundert zur Gründung von Höfen, die mit Sicherheit von wohlhabenden Bauernfamilien bewirt­ schaftet wurden. Noch konnte man ja, was Grund und Boden betraf, ziemlich aus dem Vollen schöpfen. Daneben gab es allerdings, wie uns die überlieferten Gesetzestexte leh­ ren, auch halbfreie und unfreie Gruppen, die im wesentlichen das Gesinde der großen Höfe stellten. Darunter dürften sich übrigens auch Leute nichtalamannischer Herkunft, nämlich Nachfahren der römischen Bevöl­ kerung des Landes, befunden haben. Im Lauf des 7. Jahrhunderts hat sich dann die Größe der neu hinzukommenden Höfe allmählich vermindert, was sich auch auf die soziale Stellung ihrer Bewohner ausgewirkt haben muß. Teilweise waren es jetzt auch schlechtere, weniger ertragreiche Böden, die in Bewirtschaftung genommen wurden. So bilden jetzt persönlich zwar freie, aber min-101

1 2 … � ….. Abb. 13 Schwenningen. Trinkgefäße (1 Glas, 2 Lavezstein) und Keramik (3-4). 102

Schmuck aus Schwenningen, 6.jahrhundert nach Christus. 103

der wohlhabende Kleinbauern einen Teil der Bevölkerung, wodurch sich eine stärkere Gliederung der dörflichen Gemeinschaft ergibt, vielleicht auch schon eine Verschär­ fung der sozialen Gegensätze, wie sie dann für die folgenden Jahrhunderte kennzeich­ nend werden. Der Adel dieser Zeit, den wir im Schwenninger Raum weiterhin vorausset­ zen müssen, lebte schon längst nicht mehr „im Dorf“, sondern aufEinzelhöfen, die teil­ weise schon den Charakter früher Burgen aufweisen können. Selbstverständlich gehö­ ren ihm die besten Äcker und Weidefluren, in seiner Hand liegen Verwaltung, Rechtspre­ chung, Steuererhebung und Heeresorganisa­ tion. Demgegenüber gerät die nichtadlige Bevölkerung immer mehr in materielle und rechtliche Abhängigkeit. Wie anderswo ist aber auch in Schwenningen die weitere Ent­ wicklung zu den Verhältnissen des hohen Mittelalters wegen der um 700 n. Chr. auf­ hörenden Beigabensitte nicht mehr ablesbar. Literaturhinweise W. V e e c k: Ein alamannisches Frauengrab aus Schwenningen a. N. Germania 23, 1939, 40. R . Ch r i s t I e i n : Die Alamannen. Archäologie eines lebendigen Volkes (1978) 100.165 Taf. 48. G . F i n g e r l i n: Ein Reihengräberfeld der Mero­ wingerzeit aus Schwenningen, Stadt Villingen­ Schwenningen, Schwarzwald-Baar-Kreis. Archäo­ logische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1984, 177. Fotovorlagen: Abb. 3 Museum Schwenningen (Dr. Ströbel) Abb. 4 Theissverlag Stuttgart (K. Natter) Abb. 6 Württembergisches Landesmuseum Stutt­ gart Abb. 11 Museum Schwenningen (H. Schlenker) Alle anderen Vorlagen Landesdenkmalamt Baden-Württemberg * 104

Kulturdenkmal – einmalig in Süddeutschland Durch die Ausgrabungen der römischen Gebäude in Niedereschach-Fischbach dokumentarisch für die Nachwelt gerettet Gesamtansicht / ‚ / Die römische Siedlung von Fischbach ist schon seit langem bekannt, in Wander-und topographischen Karten ist sie als „röm. Gutshöfe“ eingetragen. Bereits Ende vorigen Jahrhunderts wurde das am südlichen Steil­ hang des „Bubenholzes“ gelegene Bad von Oberförster Roth aus Villingen ausgegraben, mit den damaligen Methoden vermessen und gezeichnet. Leider wurde die sehr gut erhaltene Ruine im Anschluß daran weder konserviert noch wieder zugeschüttet, son­ dern blieb schutzlos der Witterung und der Zerstörung durch Baumbewuchs ausgesetzt. Vergleicht man die alten Fotos von der Gra­ bung mit dem heutigen Bild, das die Stelle bietet, so kann man leicht erkennen, wie groß die Verluste sind. Die einst übermannshoch erhaltene hangseitige Stützmauer mit Heiz­ kanälen, die Hypokaustheizung, Schwellen, Fußböden, Wannenreste u. v. m. sind ver­ schwunden oder unwiederbringlich zerstört. Da bei diesem Bad eine Nachunter­ suchung mit modernen Methoden, die gewiß noch einige Fragen hätte klären kön­ nen, nicht mehr möglich war, entschloß man sich, 1985 die dazugehörige, bisher noch nicht erforschte Siedlung auf der Anhöhe des Bubenholzes zu untersuchen. Auch hier standen die Zeichen schon auf Sturm, denn durch die dauernde Überpflügung, heutzu­ tage besonders gravierend durch die tiefgän­ gigen Pflüge und schweren Maschinen, war ein Substanzverlust zu befürchten. Anzei­ chen dafür gab es genügend, denn während einer längeren Beobachtungsdauer kamen seit 1982 vermehrt Mauersteine mit Mörtel, Ziegel und Scherben zum Vorschein; für den Denkmalpfleger ein untrügliches Indiz, daß die im Boden steckenden Baureste nun end­ gültig ihrer schützenden Schutt-und humo­ sen Deckschicht beraubt sind. Das Landes­ denkmalamt, Außenstelle Freiburg, konnte sich recht kurzfristig zu einer Grabung ent­ schließen, da sich der örtliche ehrenamtliche Beauftragte, H. 0. Wagner, zur Leitung und Organisation bereiterklärte und Bürgermei- 105

ster Sieber vier Mitarbeiter im Rahmen der ABM-Maßnahmen zur Verfugung stellte. Außerdem lieferte der Bauhof der Gemeinde das benötigte Grabungsmaterial einschließ­ lich des Bauwagens, soweit es nicht von Frei­ burg bezogen werden konnte. Spontan nutzte auch die Hauptschule Niedereschach die Chance und gründete eine „Römer-AG“ im Rahmen des EBA (erweitertes Bildungs­ angebot), wobei Schüler regelmäßig bei der Grabung mithalfen. Der Landkreis beteiligte sich finanziell mit Zuschüssen zur Deckung weiterer Perso­ nalkosten sowie der Entschädigung des Grundbesitzers. Dadurch konnte eine Zeich­ nerin, die neben einem vom Landesdenk­ malamt finanzierten polnischen Dipl.­ Archäologen an der Grabung teilnahm, ein-­ gesetzt werden. Unter diesen guten Vorzeichen begannen am l. April 1985 die vorbereitenden Sondie-­ rungsgrabungen, die bis Mitte Mai dauerten. Um nicht „ins Blaue“ graben zu müssen, waren zuvor aus der Luft sichtbare Bauteile am Boden markiert und im Luftbild festge­ halten worden. So hatte man für den Beginn recht gute Anhaltspunkte, und die Arbeit ging erfolgreich und zügig voran, selbst das Wetter, anfangs noch wechselnd zwischen Schneeschauer und Sonnenbrand, beruhigte sich zusehends und bot schließlich ideale Voraussetzungen. Ziel der Sondierungen war, grob die Aus­ dehnung und den Erhaltungszustand der Gebäude festzulegen, denn danach sollte sich das weitere Vorgehen richten. Von den drei Gebäuden wurden dabei allerdings nur Gl und G2 (Hauptgebäude) angeschnitten. Das Ergebnis der Sondierungen war wie folgt: Das Gebäude 2 war bis auf die Grund­ mauern abgetragen; es gab keinerlei Zerstö­ rungs–und Brandschichten mehr; die römi­ schen Gehniveaus, Estriche, Fußböden und oberen Kulturschichten waren verschwun­ den oder durch die Pflugtätigkeit zerstört. Mehr noch als die intensive landwirtschaft­ liche Nutzung haben sicher Witterung und Hinterm Bubenholz 61 m � 61 , … _L “ “ •• + .. .; / …!… + + —:— Lageplan !:— J, 1: 106

Erosion sowie der Abtransport von Steinen zu diesem enormen Substanzverlust beige­ tragen.Nur an wenigen Stellen war über dem als Sickerung ausgebildeten Fundament auf­ gehendes Mauerwerk erhalten, höchstens bis drei Lagen, wobei auch dieses Mauerw.:rk in römischer Zeit durch die Auffüllung der Räume noch nicht sichtbar war. Bei Gebäude 1 war die nordwestliche Hälfte völlig verschwunden, vom Rest der Fundamente waren nur etwa 20 cm Tiefe übrig, und die Innenflächen bestanden nur anstehendem noch gewachsenen aus Muschelkalk (m o 1). Gebäude 1 kann somit bis auf den teilweisen Grundriß als Totalver­ lust gelten. Die Hauptgrabung, die am 1. Juli begann, widmete sich deshalb der Aufdeckung von Gebäude 2 und 3. Entsprechend vorher Profilschnitte wurden die angelegter Gebäude systematisch freigelegt, sofort ver­ messen, gezeichnet und fotografiert. Sie wur­ den, wenn nötig, steingerecht in einen Plan 1: 20 aufgenommen und dieser nach der Natur koloriert. Ebenso wurden alle Ober­ kanten und Flächen (Plana) entsprechend den internen 0-Punkten nivelliert, d. h. die Höhen, bezogen auf einen Fixpunkt in der Grabung, eingemessen. Es sei hier erwähnt, daß ohne die einfühlsame und verantwor­ tungsvolle Arbeitsweise der vier ABM-Leute eine Q!ialität der Ergebnisse, wie sie trotz dem schlechten Erhaltungszustand möglich war, nicht zustandegekommen wäre. Weniger gut spielte das Wetter mit, denn entgegen den Berichten aus dem übrigen Deutschland war es für die Grabung fast zu heiß. Damit ein Arbeiten mit Hacke, Schau­ fel, Spaten oder Schaber überhaupt noch möglich war, half die Freiwillige Feuerwehr Niedereschach mit vielen Tanks voll Wasser aus, manchmal mehrmals am Tag. Wegen Regen fielen insgesamt nur drei Arbeitstage aus. Mit der Trockenheit hatte auch die Zeichnerin zu kämpfen, denn Verfärbungen sind im feuchten Erdreich eben deutlicher zu erkennen. Insgesamt bestätigte sich der Eindruck über den Zustand der Gebäude aus der Son­ dierungsgrabung, lediglich im Gebäude 3 gab es in tiefergelegten Flächen im Schutz von Mauerwerk einige original ungestörte Schichten. Wenn auch die Auswertung der Funde und Befunde noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, kann man schon zum jetzigen Zeitpunkt ein paar ziemlich sichere Aus­ sagen machen: Die Gesamtanlage war syme­ trisch aufgebaut mit G 2 als etwas zurücklie­ gendem Zentralbau. Nach schrittweisen, zeitlich aber nicht allzuweit auseinanderlie­ genden Erweiterungen stellte dies ein statt­ liches Großgebäude mit 45 Meter Frontlänge dar. Der 0-W-gestreckte Kernbau von G 2 (AEF) war umgeben von westlichen und öst­ lichen Seitenflügeln (A-G), die an der Süd­ seite risalitartig eine die Vorderfront bil­ dende Portikus (H C) einfaßten. Der Kom­ plex wurde durch einen Längsflügel an der Nordseite (BU) (s. Plan) geschlossen. Über die Bauabfolge sowie die genaue Funktion der einzelnen Räume läßt sich vor Abschluß der Auswertungen und Analysen noch nichts sagen, wohl aber einiges über das Aus­ sehen des Gebäudes. Es besaß Steinfußbö­ den aus geschliffenen Kalksteinplatten, ver­ glaste Fenster und verputzte, bemalte Innen­ wände. Die Außenwände waren, zumindest im Sockelbereich, ebenfalls verputzt und zusätzlich mit einem Fugenstrich versehen. In einer späteren Bauphase wurden die Innenräume des Kernbaus (A,E,F) beträcht­ lich angehoben, indem sie mit Bauschutt, Steinen und Ziegeln aufgefüllt wurden. Da an keiner Stelle Schwellen oder deren Aus­ brüche gefunden wurden, mußten die römi­ schen Fußböden einiges über dem heutigen Niveau gelegen haben. Im Gegensatz zum Gebäude 2, dem Haupt-und Wohngebäude, handelt es sich bei G 3 um den Wirtschaftsteil. Man erkennt einen geschlossenen Hof mit innenliegen­ den Gebäuden an der Ost-und Südseite, deren Funktion noch nicht geklärt ist. Auch hier liegen mehrere Umbauphasen vor; so 107

einzelnen Analysen und Vergleiche klären. Über das Ende der gesamten Anlage wird keine Aussage mehr möglich sein, da alle oberen Schichten, damit auch der Zerstö­ rungshorizont, fehlen. Geschmolzenes Fen­ sterglas sowie hartgebrannte und verglaste Ziegelreste lassen auf Feuereinwirkung schließen, die aber nicht mit der endgültigen Zerstörung identisch sein muß. Die Grabung wurde Ende Oktober 1985 geschlossen. Ein Teil der Funde, der interessant und geeignet ist, wird in einem besonderen Raum der Fischbacher Heimatstube seinen festen Aus­ stellungsplatz erhalten. Daneben sollen auch Karten, Zeichnungen und Fotografien die Erinnerung wachhalten an eine glänzende Kulturepoche, die die Fischbacher Siedlung . in einem einzigen Reich von der Nordsee bis Afrika, von Asien bis an den Atlantik ein­ band, wo überall die gleiche Sprache gespro­ chen wurde, das gleiche Recht galt und durch Straßen, Verkehrsmittel und Post schon die damalige Welt etwas zusammenrückte. H.D. Wagner * wurde ein Ofen in der S-0-Ecke schon in römischer Zeit aufgelassen und teilweise überbaut. Der Ofen selbst bestand wiederum aus vorher anderweitig verwendetem Mate­ rial (Mahlstein). Im Raum in der Mitte an der Ostseite fand sich ein gut erhaltenes Praefur­ nium, das zu einer leider völlig zerstörten Heizung (Ofen?) gehört. Funde aus diesem Bereich können wichtige Aufschlüsse über die Datierung und die Bauphasen geben, da hier durch die grubenartige Vertiefung noch ungestörte Originalschichten vorlagen. Ent­ lang der Nord-und West-Innenseite zog sich ein nach außen geneigtes Dach, was an dem deutlichen Ziegelschutt an der Mauer sowie dem Traufsand an der Außenseite erkennbar ist. In diesem Bereich des G 3 entspricht die Arbeitstiefe des heutigen Pflugs etwa der untersten Kulturschicht, d. h. alle Kultur­ schichten sind im Humus aufgegangen. In diesem Gebäude 3 kamen weitaus mehr Funde ans Licht als im G 2, besonders zu erwähnen die schönen Stücke Terra Sigillata oder insgesamt drei guterhaltene Türschlüs­ sel. Auch viele verschiedene Bruchstücke von Rippenglas, zum Teil nur 0,5 mm dick und Broncebeschläge zeugen von dem Wohlstand der einstigen Bewohner. Von der Verwendung von Holz beim Bau zeugen die Unzahl von sehr gut erhaltenen Nägeln, die zum Teil als Ziernägel für Türen mit bronce­ nem Pilzkopf ausgeführt sind. Sicher auf­ grund von Funden von Pfeilerplatten sowie Wandheizröhren, sog. „Tubuli“, ist, daß ein Teil der Gebäude Fußboden-(Hypokaust-) Heizung besaß, und typische Mörtelreste las­ sen darauf schließen, daß sich in der Anlage auf der Höhe neben dem anfangs erwähnten Bad am Hang ein kleineres befand. Leider läßt sich die Lage nicht mehr lokalisieren, vermutlich wurde es schon in römischer Zeit stillgelegt bzw. entfernt. Auch das Gebäude 3 hat sich, wie Gebäude 2, schrittweise zu der endgültigen Größe entwickelt; es scheint aber insgesamt etwas später entstanden zu sein, da in Teilen eine ganz andere Mörtel-und Mauertechnik verwendet wurde. Näheres müssen noch die 108

Geschichte, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte Der Ursprung der Stadt Blumberg Wer heute das Wort „Blumberg“ hört, kann sich schon etwas darunter vorstellen. Bis zum Jahr 1937 war das nicht so. Da war es ein kleines, nicht einmal ganze 800 Einwoh­ ner zählendes Dorf der Südbaar, zwischen den beiden Bergzügen des 900 m hohen Eichbergs und des Buchbergs in 704 m über dem Meeresspiegel gelegen, nahe der Schwei­ zer Grenze. Erst als man im „Dritten Reich“, genauer gesagt 1937, daran ging, hier ein Bergwerk zu eröffnen, um die im Raum Blumberg befindlichen auf 384 Millionen Tonnen geschätzten Eisenerzvorkommen auszubeuten und Menschen aus vielen Her­ ren Länder hierher berufen und beordert wurden, war Blumberg kein ungenannter und unbekannter Ort mehr. Erst recht hat die Verwaltungsreform von 1972, durch die die 8 umliegenden Gemeinden (Achdorf, Fützen, Epfenhofen, Nordhalden, Kommin­ gen, Riedöschingen, Hondingen, Riedböh­ ringen) mit Blumberg vereinigt wurden, es zu einer Stadt mit über 10 000 Einwohnern werden lassen. Der Ursprung Blumbergs, nach dem wir hier und jetzt fragen, liegt nicht im Dunkel der Geschichte, sondern kann, historisch ein­ wandfrei bezeugt, beschrieben werden. Es waren die Herren (die Ritter) von Blumberg, die sich ursprünglich die Herren „ von der Blume“ nannten und 1260 erstmals urkund­ lich bezeugt sind. Sie kamen aus dem Hegau, wo sie in Watterdingen ihre Heimat und rei­ chen Güterbesitz hatten. Im 5. oder 6. Jahr­ zehnt des 13. Jahrhunderts bauten sie am westlichen Ausgang des Aitrachtales, unmit­ telbar vor einem Steilabfall zum Wutachtal – 165 m über Achdorf – auf einem verhältnis­ mäßig kleinen Hügel eine Burg. Von allem Anfang an erscheinen diese Ritter als Mini­ sterialen (Dienstmannen) der Grafen von Freiburg-Urach, die als (Mit-)Erben der Her­ zöge von Zähringen Mitte des 13. Jahrhun­ derts aus dem Breisgau auf die Baar gekom­ men waren. Es war Eginos V. Sohn Heinrich, der bei der um 1245 vollzogenen Gebietstei­ lung die Güter in der Baar erhielt, worauf er sich Fürstenberg als bevorzugten Wohnsitz erkor und sich bald nicht mehr Graf von Urach, sondern nach seinem Wohnsitz auf dem „vürdersten“ Berg des Höhenzugs Länge, ,,Graf von Fürstenberg“ nannte. Die Ritterburg in Blumberg war der Hauptsitz, die Heimatburg, der Stammsitz der „Herren von der Blume“, die sich künftig Ritter „von Blumberg“ nannten. Stammes­ eins mit ihnen waren auch die Herren „ von Blumen-egg“ und die „von Blumen-feld“. Blumberg hat seinen Namen also nicht, wie man zunächst annehmen könnte, von den vielen, schönen und seltenen Blumen, die – damals noch viel üppiger und reich­ haltiger wie heute – an diesem Berg blühen (Blumen-berg). Die Ritter fanden hier auch kein Dorf vor mit Namen „Blumberg“, nach dem sie sich hätten benennen können. An diesem Platz gab es, als sie mit ihrem Burgbau begannen, noch keine menschliche Ansiede­ lung, keinen Hof und kein Dorf. Bald waren „die Blumberger“ zu einer weitverzweigten, güter- und burgenreichen Ritterfamilie geworden, die vor den Fürsten­ bergern das mächtigste Rittergeschlecht der Südbaar war. Ende des 13. Jahrhunderts besa­ ßen sie außer ihrer Heimatburg, der „Alten Blumberg“, Burgen in Hüfingen, Donau­ eschingen, im Wutachtal, an der Gauchach und die Burg Hohenkarpfen in der Ostbaar. Mittelpunkt aller blumbergischen Besitzun­ gen war Hüfingen, wo die Blumberger anschließend an das dort schon länger beste­ hende Dorf eine starke Burg erbaut hatten, 109

Burg Blumberg (Ausschnitt aus dem Gemäkk des Hüfingers Martin Menrad vom Jahr 1688). aus deren Vorburg auf kleinstem Raum die „Stadt“ Hüfingen wurde. In der dortigen Pfarrkirche hatten sie auch ihre Grablege. Wie bei allen mittelalterlichen Burgen gehörte auch in Blumberg als selbstverständ­ liche wirtschaftliche Ergänzung dazu ein Bauhof, der der Burg in Friedens-und erst recht in Kriegszeiten die Ernährung sicherte und sich im wesentlichen aus bäuerlichen und handwerklichen Untertanen rekrutierte. Dieser, etwas tiefer und östlich der Burggele­ gene, auf engstem Raum zusammenge­ drängte Bauhof konnte seine Leute bald nicht mehr aufnehmen, und so entstand außerhalb des eigentlichen Burgbezirks das Dorf Blumberg. Blumberg ist also eine aus­ gesprochene Burgenstadt. Als Hüfingen durch die Heirat der Schwester Rudolfs, des letzten Blumberger Ritters, Guta von Blum­ berg, mit dem Ritter Bertold von Sehellen­ berg um 1381 in schellenbergischen Besitz kam, wurde Blumberg als Ersatz für das ver- 110 lorengegangene Hüfingen (um 1390) zur Stadt erhoben. Dorf Blumberg und Stadt Blumberg bestanden also nebeneinander, bildeten aber nie zwei verschiedene Gemein­ wesen, auch kirchlich nicht. Mit Ritter Rudolf von der „Alten Blum­ berg“, Herr zu Donaueschingen, und dort auch residierend, stirbt das einst so kinder­ reiche und mächtige Rittergeschlecht -man­ gels männlicher Erben -im Hauptstamm um 1451 aus. Sigmund von Stain, in l. Ehe verheiratet mit Ursula von Blumberg, kommt schon einige Jahre vorher (ca. 1446) durch Erbschaft in den Besitz von Stadt und Burg Blumberg. Danach, vom 5.Juli 1468 an, gehört Blumberg den Herren von Randegg. Am 20. Januar 1484 kauft ihnen Hans von Landau, Röm.-Kaiserlicher Majestät Rat und Reichsschatzmeister um 2475 fl. Rh (rhei­ nische Goldgulden) Schloß und Herrschaft Blumberg ab und baut mit großem Aufwand die ursprünglich enge Wohnburg zu einem

geräumigen stattlichen Schloß aus. Unter ihm entstehen auch die Weiheranlagen, die das Schloß und die Herrschaft vor den Schweizer Eidgenossen schützen. Tatsäch­ lich konnte dann auch das Schloß im Schwa­ benkrieg (1499) den angreifenden Eidgenos­ sen erfolgreichen Widerstand leisten. In Erkenntnis der strategischen Bedeu­ tung des Schlosses Blumberg kam Ende April 1507 König Maximilian (von Pfohren aus) höchstpersönlich- wie Hugs „Villinger Chronik“ berichtet – nach „Bluomberg“. ,,Do bautt man das schloß in seinem nam­ men und auch die statt starkh, des datte ainer von Landtaw“ (Landau). Einer der Söhne des Hans von Landau, Lutz von Landau, ver­ kauft die Herrschaft Blumberg am 27. November 1529 um 21 000 fl. Rh. an seinen Schwager Hansjörg von Bodman zu Bod­ man. Am 4. April 1537 erwirbt sie Graf Friedrich zu Fürstenberg zu einem Kaufpreis von 21 000 fl. Rh. Rund 100 Jahre später bringt die Kriegsfu­ rie der mit den Württembergem und Franzo­ sen verbündeten Schweden großes Unheil über das bisher verschont gebliebene Schloß Blumberg. Es war Mitte Februar 1638, als eine Heeresabteilung des Herzogs Bernhard von Weimar unter dem schwedischen Oberst Rosen auf dem Marsch zum Hohen­ twiel, aus dem Wutachtal kommend, plötz­ lich vor dem Schloß Blumberg stand und es zur Übergabe aufforderte. Als der Komman­ dant ablehnte, ließ Rosen seine Geschütze auffahren. Die geringe und unvorbereitete Zahl der Verteidiger war der Übermacht nicht gewachsen und mußte sich ergeben. Im Juli 1639, als die Kaiserlichen wieder die ganze Gegend besetzt hatten, wurde Blum­ berg wieder dem Schweden entrissen, und am 8. August 1640 verlegt der kaiserliche Colonel Leo sein Hauptquartier nach Blum­ berg. Graf Wratislaus von Fürstenberg, der zu dieser Zeit seine Wohnung in Neufra bei Riedlingen hatte und dann endgültig nach Meßkirch übersiedelte, protestierte dagegen. Da er eine schwedische Belagerung befürch­ tete, versorgte er das Schloß mit Munition und Proviant. Die Angst war vorerst unbe­ gründet. Doch als am 8. Dezember 1642 mangels Munition die Tuttlinger Garnison dem Feind in die Hände gefallen war, bestand ernste Gefahr für Blumberg. Vor­ sorglich wurden deshalb die Geschütze, um sie nicht dem Feind ausliefern zu müssen, am 17. Dezember gesprengt. Tatsächlich wird dann am 24. Januar 1643 das Schloß von dem französischen General Oysonville im Verein mit Konrad Wiederhold erneut eingenom­ men, der Burgbesatzung freier Abzug gewährt und der Kommandant als Gefange­ ner auf den Hohentwiel gebracht. Aber als am 23. und 24. November Feldmarschall Mercy mit dem bayerischen Hauptheer das französische Hauptquartier in Tuttlingen überfiel, die feindlichen Regimenter in die Flucht schlug und in einer erbitterten Schlacht im Blumberger Raum einen glän­ zenden Sieg über die Feinde errang, war zu Beginn des Jahres 1644 – außer der Stadt Überlingen und dem Hohentwiel – nur noch die Feste Blumberg in schwedisch-französi­ schem Besitz. Der Kommandant Ja Valette, der einsah, daß er bei einem kommenden Angriff sich nicht behaupten konnte, ließ das Schloß am 4. Mai 1644 verbrennen und in die Luft sprengen. Alles, was ihm dienlich war, hatte er zuvor herausgeschafft. Ein Bild von dem einst stolzen Schloß existiert nicht. Doch gewinnen wir aus dem Gemälde des Hüfinger Hofmalers Martin Menrad vom Jahre 1688, das uns die Ruinen des Schlosses nach der Zerstörung zeigt, eine Vorstellung von den einstigen Ausmaßen. Das Schloß wurde nicht wieder aufgebaut. Der letzte noch in Blumberg residierende fürstenber­ gische Graf, Wratislaus, hatte sich Meßkirch zu seinem neuen Wohnsitz erkoren. Um 1706 werden noch SO fl für die Spren­ gung des bis dahin noch stehenden Turmes in Rechnung gestellt. Aus dem Trümmerfeld holten sich die Blumberger Steine und Sand zum Bau von Mauem und Häusern. Auch Christof Gottlieb N eußer von Donaueschin­ gen, der am 22. Dezember 1750 die Kosten­ berechnung für den neuen Pfarrhof aufstellt:, 111

will „Steine und Sand, soweit das vom alten Pfarrhof nicht hinreicht, vom alten Schloß nehmen“. Heute ist jede Spur der alten Herr­ lichkeit verschwunden. Nur der Name des Platzes des ehemaligen Schlosses ist erhalten geblieben: ,,Der Schloßbuck“. Josef S pintzik 600 Jahre Schlacht von Sempach Herzog Leopold III. von Habsburg und die Stadt Villingen Am 9. Juli 1986 jährte sich zum 600. Male der Tag der Schlacht von Sempach. Im Jahre 1386 war diese Schlacht in der Nähe von Luzern der entscheidende Sieg der jungen Schweizer Eidgenossenschaft über die ehe­ maligen Herren des Landes, die Dynastie der Habsburger. Der glücklose Feldherr des österreichischen Ritterheeres war Leopold III., Herzog von Habsburg-Österreich. Er wurde im Kampf erschlagen und später im nahen Kloster Königsfelden im Aargau begraben, unweit der Stelle, wo 1308 sein Großvater, König Albrecht 1., ermordet wurde. Leopold III, 1351 als jüngster Sohn des Herzogs Albrecht II. geboren, hatte die Herr­ schaft über Österreich von seinem ältesten Bruder Rudolf IV. nach dessen frühem Tod im Jahre 1365 übernommen. Er regierte zunächst mit einem weiteren Bruder, Albrecht III., gemeinsam über ganz Öster­ reich. Da aber der energische, unruhige Leo­ pold mit seinem bedächtigen Bruder Albrecht selten einig war, bewegte er diesen zu einer Teilung der Herrschaft. Dabei fielen ihm die vorderösterreichischen Gebiete zu, ein weitverzweigter Streubesitz vom Arlberg bis an den Oberrhein, vom Zürichsee bis ins schwäbische Kernland. Im Gebiet des heutigen Schwarzwald­ Baar-Kreises gehörten seit Beginn des 14. Jahrhunderts die Städte Bräunlingen und Villingen zu Habsburg, seit 1355 die Herr­ schaft Triberg. Das zum Haus Fürstenberg gehörende Villingen hatte 1326 sein Schick­ sal selbst in die Hand genommen und sich freiwillig Habsburg unterstellt. Dabei hatte II. der Bürgerschaft Herzog Albrecht 112 urkundlich zugesichert, ihre erstrittenen Rechte nicht anzutasten. Die Ausdehnungspolitik Österreichs im südwestdeutschen Raum gipfelte in dem Erwerb Freiburgs im Jahre 1368. Der Ablauf dieser Transaktion zeigt eine bemerkens­ werte Ähnlichkeit mit dem Übergang Villin­ gens an Habsburg: Die Bürgerschaft gewann an Macht und fühlte sich stark genug, gegen die drückende Herrschaft der örtlichen Gra­ fen aufzubegehren. Nach einigen Streite­ reien boten sich die Habsburger als Vermitt­ ler an und arrangierten den Loskauf von der bisherigen Herrschaft, den sie auch mitfinan­ zierten. Durch Garantie der alten Rechte und Gewährung neuer Privilegien verstanden sie es, die Stadt auf ihre Seite zu ziehen. Eine bedeutende Neuerung beim Freibur­ ger Herrschaftswechsel war die Zusicherung Habsburgs, die Stadt nicht zu verpfänden. Der Handel mit Pfandschaften war in der damaligen Zeit weit verbreitet. Mancher Landesherr trat einen Teil seines Besitzes zeitweise an seinen Nachbarn ab, um wieder zu Bargeld zu kommen. Dieser versuchte dann, bis zur Auslösung des Pfandes mög­ lichst viel Profit daraus zu schlagen, etwa durch hohe Steuern. Das neue Recht, das Freiburg erreicht hatte, interessierte natürlich auch die Villin­ ger Ratsherren, und Leopold beeilte sich, das Versprechen der Nichtverpfändung auch ihnen zu geben. Die Urkunde von 1369 ist im Stadtarchiv erhalten. Dieser Sicherheitsbrief, der wohl nicht allein dem freien Willen Leo­ polds entsprang, dokumentiert die selbstbe­ wußte Stellung der Stadt Villingen unter den Herzögen von Österreich.

Schlachtkapelle Sempach Gefallene Ritter werden mit ihrem Wappen geehrt Mit der so erlangten Gewißheit, auf lange Sicht bei Österreich zu bleiben, erhielt Villin­ gen noch andere Befugnisse: Im gleichen Jahr datiert eine Urkunde Leopolds, die dem Rat die Schaffung und Aufhebung von eige- nen Gesetzen bewilligte, wenn diese nicht die Rechte der Habsburger beeinträchtigten. Die neue Freiheit, die dem Rat damit gegeben war, wurde in der Folgezeit genutzt: 1371 trat ein erneuertes Stadtrecht in Kraft, das erste vollständig überlieferte Stadtgrundgesetz Villingens. In ihm wurde neben der Abgrenzung der Pflichten und Kompetenzen der städtischen 113

gewählten Bürger unter Androhung schwe­ rer Strafe, sein Amt auch anzutreten, bei aus­ drücklichem Verbot der Annahme von Geschenken. Da städtische Ämter Ehrenäm­ ter waren, mußte die damalige Bürgerschaft offensichtlich mit Nachdruck daran erinnert werden, daß Stadtluft nicht nur frei macht, sondern auch manche Bürde bringt. Auch die zahlreichen militärischen Aktio­ nen Leopolds sorgten dafür, daß es den Vil­ lingern, die ja dienstverpflichtet waren, nicht zu wohl wurde. Das Jahrhundert, in dem das Haus Habsburg von der Königswürde aus­ geschlossen war, brachte ihm in dem Bemü­ hen, die eigene Hausmacht zu stärken, etliche Konflikte und schwere Rückschläge. Den größten Anteil daran hatte die Eidge­ nossenschaft, die in ihrer Frühzeit mustergül­ tig vorführte, wie aus Unrecht durch Gewalt Recht wird. Die drei ehedem österreichischen Wald­ stätte Uri, Schwyz und Unterwalden waren seit 1250 verbündet, seit 1291 verschworen und hatten sich immer wieder mit den Habs­ burger Vögten angelegt. Nach deren Vertrei­ bung und der Gewinnung der Reichsunmit­ telbarkeit 1309 war dieser Stein des Anstoßes beseitigt, was die Urschweizer nicht hinderte, das habsburgische Kloster Einsiedeln zu plündern. Eine österreichische Strafexpedi­ tion wurde 1315 am Morgarten geschlagen nach Hause geschickt. Daraufhin trat die nach wie vor österreichische Stadt Luzern den Eidgenossen bei und übernahm damit eine zwielichtige Rolle, die bis zur Schlacht von Sempach bestehen blieb. Ein ähnliches Verhalten zeigte Zürich, das in der Mitte des Jahrhunderts mit anderen Reichsstädten (Bern, Solothurn, Zug) die Eidgenossen­ schaft zum „Bund der 8 alten Orte“ erwei­ terte. In den Zürichkriegen versuchte Kaiser Karl IV., zusammen mit den Habsburgern, klare Verhältnisse zu schaffen, wieder ohne Erfolg. Der Bund gewann weiter an Einfluß. Leopolds Bestreben war es daher, sich in den Vorlanden eine Basis zu verschaffen, die ihm den nötigen Rückhalt gegen die aggres­ sive Politik der Eidgenossen gab. Seine natür- Herzog Leopold III. – bei Sempach im Kampf erschlagen Organe auch die Herrschaft der Zünfte fest­ geschrieben. Diese hatten seit dem Zunft­ brief von 1324 die Oberhand über die Patri­ zier gewonnen. Maßgeblich für die Mitglied­ schaft im Rat war also nicht mehr die Abstammung aus dem Stadtadel, sondern auch einfache Handwerker konnten als Zunftmeister in den Stadtrat gelangen. Damit entstand in Anlehnung an das Frei­ burger Stadtrecht eine demokratische Stadt­ verfassung. Im Vergleich mit der Patrizier­ herrschaft anderer Städte, z. B. der Reichs­ stadt Augsburg, war dies eine fortschrittliche Lösung. Dabei darf der Begriff „demokratisch“ aber nicht zu positiv eingeschätzt werden: Es gab in der Zunftverfassung zwar nicht mehr den Klassenunterschied zwischen Patriziern und Bürgern, dafür aber die Trennung zwischen Vollbürgern und den Kleinbür­ gern, d. h. Einwohnern ohne Grundbesitz, die neben anderen Nachteilen kein passives Wahlrecht hatten. Eine weitere Bestimmung im Villinger Stadtrecht von 1371 verpflichtete einen 114

liehen Verbündeten waren dabei die adligen Rittergesellschaften. Diese aber lagen in stän­ diger Fehde mit den freien Reichsstädten, die Leopold ebenfalls für sich gewinnen wollte. Er vermittelte in diesem Konflikt und ver­ stand es durch kluges Taktieren, zwischen den Städtebünden, den Rittergesellschaften und sich selbst ein Bündnis zustandezubrin­ gen, die Ehinger Einung (1382). Sie sollte die Städte davon abhalten, mit den Eidgenossen zu paktieren. Wegen zu starker Gegensätze zerfiel der ungewöhnliche Landfriedenspakt aber bald wieder. Nun wurde der Spieß umgekehrt: Die eid­ genössischen Städte, damit auch das österrei­ chische Luzern, verbündeten sich mit den süddeutschen Reichsstädten gegen Öster­ reich (1385). Leopold hatte sie mit seiner Pfandschaftspolitik gegen sich aufgebracht. In der Folge häuften sich die Übergriffe: Bewaffnete Haufen aus Luzern und Zürich überfielen die umliegenden österreichischen Dörfer und brannten sie nieder. Ohne Zwei­ fel waren dies gezielte Provokationen, die jedermann klarmachten, daß Luzern einen Städtekrieg gegen Österreich anzetteln wollte. Da dies den deutschen Reichsstädten zu weit ging, zogen sie sich aus dem Bündnis zurück, um sich nicht ins Unrecht zu setzen. Leopold aber sah sich gezwungen, gegen die Eidgenossen zu rüsten. Auf dem Zug nach Luzern traf das schwer bewaffnete österreichische Ritterheer uner­ wartet auf die im Wald liegenden Schweizer. Diese hatten Zeit und Ort gut gewählt. Es war der heißeste Tag des Jahres, und das Gelände ermöglichte einen Kampf nur zu Fuß. Unter diesen Voraussetzungen war die neue Kampfweise der Schweizer, leichtbe­ waffnet mit Hellebarden auf die unbewegli­ chen Ritter loszugehen, ein durchschlagen­ der Erfolg. Nach achtstündiger Schlacht war Leopolds Heer vernichtend geschlagen, er selbst mit fast allen Adligen getötet, nur vom Fußvolk konnten einige entkommen. Unter anderem gelang es, das Villinger Fähnlein zu retten. In den folgenden Jahren kam es zu weite- ren Erhebungen gegen Habsburg im Bereich der Eidgenossenschaft. Dabei ging 1388, in der Schlacht bei Näfels, das Villinger Fähn­ lein an die Glarner verloren. Erst 1394 fand der Friedensschluß statt, bei dem Leopolds Bruder Albrecht die habsburgischen Rechte an den Waldstätten endgültig aufgab. Trotz des Kriegsdienstes waren die Vorteile, die Vil­ lingen in diesen Zeiten als habsburgische Stadt gegenüber den freien Reichsstädten hatte, bedeutend: Man war in eine Herrschaft eingebunden, die stark genug war, die Stadt zu schützen, und die auch ein Interesse an ihrem Wohler­ gehen hatte, da sie Steuern zahlte und immer zu Diensten stand. Reichsstadt wurde nur, wer möglichst wenig Verpflichtungen haben wollte, dafür aber auch nur geringe Unter­ stützung erhielt und auch noch riskierte, vom König verpfändet zu werden. Die reichsfreien Städte mußten zu ihrem Schutz eine eigene Außenpolitik machen. – Das Zentrum der Macht saß in Wien zu weit weg, um unangenehm zu werden. Der oftmalige Aufenthalt Leopolds in den Vor­ landen war eine Ausnahme. Zudem hatte sich Habsburg als gutmütige Herrschaft erwiesen, die die Rechte und Freiheiten ihrer Untertanen nicht antastete. – Der Militärdienst für Österreich kostete zwar Bürgerblut, aber die Existenz der Stadt war selbst im Mittelalter nie bedroht. Man führte im allgemeinen das beschauliche Leben einer wohlgenährten Landstadt. Die Beständigkeit der guten Herrschaft auch in Krisenzeiten wurde durch die Treue der Untertanen belohnt: Nicht von ungefähr blieb Villingen bis zum Untergang des Alten Reiches 1806 bei Österreich. Klaus Minges * 115

Seit uralten Zeiten wurde der Bergbau im Eisenbach-Tal und seinen Nebentälern be­ trieben. Wenn man der Überlieferung Glau­ ben schenken kann, haben bereits die Römer hier nach Eisenerz geschürft. Sicher ist, daß schon im 13. Jahrhundert in dieser Gegend Bergbau betrieben wurde, denn mit Datum vom 14. Juli 1234 wurden dem Grafen Egino von Freiburg durch König Heinrich VII. die Bergrechte auch im Bregtal und seinen Sei­ tentälern verliehen. Bis etwa um 1500 war der Bergbau planlos, und von einer Produktionstechnik kann wohl kaum gesprochen werden. Der Boden wurde dort durchwühlt, wo man Erzadern vermutete, und diesen ging man so lange nach, bis eingebrochenes Wasser oder Stick­ luft ein weiteres Vordringen unmöglich machten. Nur selten wurden Versuche unter­ nommen, diesen beiden Hindernissen ent­ gegenzuwirken. Der minimale Erfolg, die geringe Ausbeute, stand in keinem Verhält­ nis zu der aufgewandten Mühe. Ebenso pri­ mitiv war damals auch das Schmelzen der gewonnenen Roherze und die Weiterverar­ beitung durch die Hammerwerke. Erst die Nutzbarmachung der Wasser­ kraft ermöglichte den Aufbau einer organi- Der Bergbau im Tal des Eisenbachs Eine zeitgenössische, laienhafte bunte Zeichnung eines Unbekannten vermittelt einen Eindruck, wie man sich die Werksanlage im engen Tal von Hammereisenbach vorstellen muß. Im Mittelpunkt die Schmiede mit den Schornsteinen, dahinter das langgestreckte helle Verwaltungsgebäude und rechts dane­ ben das große Wirtshaus »Zum Hammer“ (mit Walmdach) sind ebenso zu erkennen, wie am rechten Berghang die beiden neuen Kohlscheuem. Die westlich des Ortes gelegenen Berghänge müssen zum Zeit­ punkt der Fertigung dieser dokumentarisch interessanten Zeichnung kahlgeschlagen gewesen sein. 116

Das Bergwerk, nach alten Holzschnitten aus Sebastian Münsters „Cosmographei‘: in Basel erschienen um 1550. Die Darstellung zeigt, wie ein Bergmann als Wünschelrutengänger überlag nach neuem Erzvorkommen sucht, darunter im Schacht arbeiten zwei Haspelknechte eimerweise das Erz herauf, und ganz unten in den Gängen und Stollen sind Bergleute damit beschäftigt das Erz abzubauen, zu zerkleinern und mit einem kleinen Rollwagen das Gestein auf die Halde zu fahren. Die Schmelzhütte. Die Darstellung vermittelt einen Eindruck über das Leben und Treiben in einer Schmelzhütte aus der Zeit um 1550. Für den ,,Hochofen“ (im Hintergrund) treibt ein Wasser­ rad eine Welle an, durch die ein großer Blasebalg in Funktion gesetzt wird. Der Schmelzer und wei­ tere Hüttenarbeiter sind damit beschäftigt sack­ weise die Holzkohle nachzufüllen oder das geschmolzene Eisen dem Ofen zu entnehmen, damit es im erkalteten Zustand im Schubkarren abgefahrt werden kann. sierten Produktion. Die Poch-und Hammer­ werke konnten nunmehr vergrößert werden, wasserkraftbetriebene Blasebälge für die Frischluftzuführung in die Stollen und Schächte konnten gebaut und Pumpmaschi­ nen zur Entwässerung derselben aufgestellt werden. Ein Bergwerk mit Schmelz- und Hütten­ werk bestand in der Regel aus vier Abteilun­ gen, die z. T. ziemlich weit voneinander ent­ fernt liegen konnten. Dies waren: 1. Die Erz­ gräberei und Erzwäsche, 2. Die Holzmache­ rei und die damit verbundene Köhlerei, 3. Die Schmelze mit dem Hochofen und 4. Die Hütte mit dem Hammerwerksbetrieb. Bei einer Erbteilung der Herzöge von Zähringen, zu Beginn des 13. Jahrhunderts, erhielt Graf Heinrich von Urach – Freiburg die Besitzungen auf dem Schwarzwald und in der Baar, zog 1250 auf den Fürstenberg (den vürdersten Berg der Länge) und nannte sich danach „Graf von Fürstenberg“. Ihm gehörte die ganze Landgrafschaft Baar mit allen Rechten, darunter auch das Berg- und Schürfrecht. Diese Rechte waren, wie bereits schon erwähnt, mit dem Datum vom 14. Juli 1234 schon seinem Vater, dem Grafen Egen von Freiburg und Urach, durch König Hein­ rich VII. verliehen worden. Nach der Ur­ kunde – das Original wird im Badischen General-Landesarchiv in Karlsruhe verwahrt – belehnte König Heinrich mit Brief und Sie- 117

gel den Grafen Egen . . . mit den Flüssen Rench, Wiese, Brig, Kinzig bis Gengenbach, Mühlenbach, Elzach, Dreisam, Breg und Donau bis lmmendingen, mit allen Bächen, die in dieselben fließen, mit ihren Gründen und angrenzenden Bergen, samt den Erträg­ nissen an Gold aus den Flüssen und an Silber aus diesen Bergen.1 l In unserer Gegend war der erste Abbau von Erzvorkommen im ehemaligen fürsten­ bergischen Amt „Neufürstenberg“, also im BregtaJ und im Ta] von Eisenbach samt Um­ gebung. Eisenbach als Ortsname wird das erste Mal in einer Urkunde von 1523 er­ wähnt, nach welcher die Gebrüder Friedrich und Wilhelm, Grafen von Fürstenberg, Eisenbach und Fahlenbach (Ysenbach und Vallenbach)2l mit dem Bergwerk im Neufür­ stenberger Amt dem Philipp von Alms­ hofen, einem Angehörigen des Niederadels der Baar und Consorten, zu Lehen gaben. Den Grafen von Fürstenberg ging es vermut­ lich vor allem darum, die Holzvorräte der rie­ sigen urwaldartig wuchernden Waldungen am Ostabhang des Schwarzwaldes nutzbar zu machen. Außer dem Vorkommen von Erz waren vor allem auch Holz und Wasser die Voraussetzungen für den Bergbau. Auch der Ortsname „Hammereisenbach“ kommt in der Urkunde von 1523 zum ersten Mal vor. Vor Philipp von Almshofen hat bereits der am Kaiserlichen Hofgericht in Rottweil tätige und frühere fürstenbergische Landschreiber Konrad Mock zusammen mit dem Hüfinger Berchtold Has die Bergwerks­ gerechtigkeit für einige Jahre innegehabt.3l Ein genaues Gründungsjahr sowie die eigentlichen Gründer können nicht mehr ermittelt werden. Die oben erwähnte Urkunde kann nur einen gewissen Anhalts­ punkt geben, denn wenn im Jahre 1523 eine Verleihung des Berg- und Hüttenwerkes stattfand, muß dieses vorher bereits bestan­ den haben. Die Ortsnamen beinhalten das, was in der Gegend vorkommt, nämlich Eisen. Der Ort „Eisenbach“ heißt so, weil seine Häuser am Eisenbach liegen und des­ sen Wasser den Brauneisenstein umspülen 118 Das Eisenbachtal in seiner ganzen Länge zeigt dieser Ausschnitt einer handgezeichneten Karte aus dem Jahre 1620. Zahlreich sind die Höfe und die Bergarbeiterhäuschen eingezeichnet. Am unteren Ende der Häuserkette ist die rauchende Schmelze zu sehen, ein Schriftband mit der Ein­ tragung »Schmeltze“ weist darauf hin. Weiter unten zweigt der Weg ,,zu der schal“ (nach Schol­ lach) ab, bei den 3 Häusern mit Kapelle im unte­ ren Tal steht zu lesen „hanßen bernhartz hauß“ (jetzt Blessinghoj), dabei auch die Abzweigung des Weges nach „buabenbach � ,,ober Eisenbach“ ist eingetragen, links davon geht es Jm rotten grund hinab‘: darüber, in der oberen Bildmitte ist das ,fridenweiller Eck“ vermerkt, und am linken oberen Bildrand des Ausschnittes erkennt man aef einer Lichtung die Häuser mit der Bezeich­ nung „ober brenhauß“ (Oberbränd). – Ausschnitt nach dem Origi.nal im Fürstl Fürstenbergi.schen Archiv Donaueschingen, Signatur: Mappe B 108.

und der Ort „Hammereisenbach“, weil dort ein Hammer (Hammerwerk) am Eisenbach errichtet wurde, um das gewonnene Erz ver­ arbeiten zu können. Beide Orte scheinen ver­ hältnismäßig späte Gründungen zu sein, vor­ ausgesetzt, daß es nicht vorher schon solche an diesen Plätzen gab, deren Namen abge­ kommen oder nicht mehr bekannt sind. Im 16. Jahrhundert, als man den Berg­ werksbetrieb weiter ausbaute und nach da­ maligen Gesichtspunkten „modernisierte“, spielte der Bergbau mit der Verhüttung nicht nur für das Fürstenbergische Herrschaftsge­ biet eine beachtenswerte Rolle, sondern auch für die angrenzenden Gebiete, darunter hauptsächlich für die nordschweizerischen Gebiete. Die Ausbeute des Philipp von Almshofen scheint nicht groß gewesen zu sein, sonst hätte er nicht schon nach zwei Jahren alle seine Gerechtigkeit an dem Bergwerk im „Ysenbach und Vallenbach“ im Jahre 1525 an Jörg von Hornstein, genannt „Hertenstein zu Sunthausen“, verkauft. Auch Hornstein hatte nicht den gewünschten Erfolg und ver­ kaufte alle seine Rechte den Grafen von Für­ stenberg zurück, die nun den Betrieb wieder in eigener Regie aufnahmen. Im Jahre 1533 bestand das Werk Hammer­ eisenbach aus fünf räumlich und organisato­ risch getrennten Abteilungen, nämlich: 1. Die Holzabteilung mit einem Meister, etli­ chen Hackern, Spaltern, Schindelmachern und einem Zimmermann, 2. Die Köhlerei mit einem Kohlmeister und mehreren Kohl­ knechten, 3. Das Bergwerk mit Erzknappen und Erzwäschern, 4. Die Schmelzhütte mit einem Schmelzer, einem Aufsetzer und mehreren Ofenknechten und Schlackenpo­ chern und 5. Die Schmiede mit einem Läu­ termeister und einem Knecht sowie einem Schmiedemeister und einem Knecht. Die betriebliche Organisation erfuhr für die nächsten 200 Jahre keine wesentliche Ver­ änderung. Nach nur 14 Jahren in eigener Regie ver­ pachtete das Haus Fürstenberg das Werk abermals und zwar dieses Mal an den Augs- burger Kaufmann Zollmaier. Daß sich gerade ein Kauf-und Handelsmann der damals sehr reichen und aufstrebenden Fug­ gerstadt Augsburg dafür interessierte, mag auch ein Zeichen für die über die Landes­ grenzen hinausgehende Bedeutung des „Für­ sten bergischen Eisen-und Hammerwerks Hammereisenbach“ gewesen sein. Allem Anschein nach war das Gebiet um Eisenbach herum nicht „fündig“ genug oder die Q!}alität des Erzes war zu einseitig, denn die Erlaubnis, Erz zu graben, wurde auch auf die Gebiete zwischen Blumberg, Riedböh­ ringen und Hondingen erweitert. Schmelzen und verarbeiten allerdings war nur in Ham­ mereisenbach gestattet. Es heißt: … eysen­ ertz zu suchen, graben und wäschen und das­ selbig sovil si getrawen zu geniessen und nutz damit zu schaffen, in den gemelten Eysenbach füeren zu lassen.4> Schon im Jahre 1604 gab es wieder eine Änderung. Michael Schwerdt, der aus Schwenningen stammte, 1558 Bürger in Vil­ lingen geworden war und dort eine Eisen­ schmiede sowie einen Kupfer-, Zahn-und Sägeeisenhammer besaß, gelangte durch Ver­ trag vom 7. September 1604 in den pachtwei­ sen Besitz der gesamten Anlage. Er ließ noch seinen Bruder Johannes Schwerdt in das Geschäft mit einsteigen, und nach den prompten Bezahlungen des zehnten Teiles der Ausbeute zu schließen, dürften dieselben bis Mitte der 30er Jahre des 17. Jahrhunderts keinen geringen Gewinn aus dem Werk gezogen haben. Im Jahre 1640 übergab Schwerdt altershalber den Bergwerksbetrieb an seinen Freiburger Schwiegersohn Johann Maier, Michael Schwerdt verstarb zwei Jahre später. Die Folgen des 30jährigen Krieges aber waren schuld, daß Maier das Werk nicht hal­ ten konnte. Nun kamen Schweizer Handels­ leute aus Basel als Interessenten, die aber der fehlenden Beziehungen wegen, wie sie z.B. Schwerdt hatte, nach zwei Jahren ebenfalls wieder aufgegeben haben. Wieder stand das Werk für mehrere Jahre still, bis sich Fürstenberg im Jahre 1705 ent-119

Die Schmelze im Bachzimmerer Tal mit deren Bau im fahre 1707 begonnen wurde, ist auf einer hand­ gemalten Karte von 1778 eingezeichnet. Sie stellt im ehemaligen „Ober-Vogtei-Amt Möhringen“ das ,,Bachzimmerer Kamera/gut“ und das ,,lppinger Forstrevier“ dar. Auf dem hier gezeigten kleinen Aus­ schnitt sind über dem Schriftband mit der Eintragung „Die Schmeltze“ die Gebäude mit der Schmelz­ hütte zu erkennen, davor drei mächtige Schlackenhau.fen. Rechts davon, talaufwärts, ist auch der „ Was­ ser-Behälter‘: der heutige Bachzimmerer Weiher, zu erkennen. Westlich davon liegen „Die Kohl-Halde“ und der „Kohl-Berg‘: zwei Abteilungen in diesem großen Waldgebiet, in denen die Holzkohle für den Schmelzvorgang durch die Köhler gewonnen wurde. – Ausschnitt nach dem Original im Fürstlich Für­ stenbergischen Archiv Donaueschingen, Signatur: Mappe B 72. starke Erzvorkommen vorhanden seien, und gab ihm den Auftrag zu einer Reorganisa­ tion. Kraus war es, der vorschlug, eine weitere Schmelze in Bachzimmern, einem Seitental der oberen Donau auf der Höhe von Immen­ dingen, und im Kriegertal, nördlich von Engen im Hegau, zu bauen, weil er Erzvor­ kommen festgestellt habe und das nötige Holz in großen Mengen vorhanden sei. Fürst Anton Egon war schlecht beraten, es sollte der Anfang vom Ende sein, denn Kraus hatte nicht beachtet, daß der durch das Bachzim­ merer Tal fließende Weissenbach ein zu klei­ nes Einzugsgebiet hatte und somit bei zu hei- schloß, das Werk abermals in eigener Regie zu betreiben. Der damalige Fürst Anton Egon zu Fürstenberg, der als Statthalter des sächsischen Kurfürsten August des Starken in Dresden tätig war, hatte die Möglichkeit, erfahrene Bergleute aus Sachsen in seinem Lande anzusiedeln. Bedeutender als der Bergbau in unserem süddeutschen Raum war von jeher der in Sachsen, Österreich und Böhmen. Jedenfalls bekam das Werk wieder­ um Aufschwung. Fürst Anton Egon ließ auch durch den aus Sachsen stammenden Anton Kraus auskundschaften, ob nicht andernorts im Fürstentum Fürstenberg 120

ßer und zu kalter Jahreszeit überhaupt kein Wasser führte. Im Jahre 1707 wurde mit dem Bau des Schmelzofens in Bachzimmern begonnen, gleichzeitig verbesserte man auch die Anlage in Hammereisenbach, und nach rund 18 Monaten hatte man insgesamt 33 290 Gul­ den verbaut, für die damaligen Verhältnisse eine riesengroße Summe Geldes. Beide Anla­ gen arbeiteten dann je nach Vorhandensein von Erz und Wasser, und sie warfen auch zunächst einen größeren Gewinn ab als zuvor. Innerhalb von sechs Jahren waren etwa 60 Bergwerksarbeiter mit Familien aus dem Erz­ gebirge gekommen, es waren die „Laboran­ ten“, die für sie erbauten Unterkünfte waren die „Laborantenhäuser“, wie wir ein solches von Hammereisenbach kennen. Der ehemals sächsische Bergverwalter Carl Renner wurde ebenfalls eingestellt, und er berichtete sogleich, wie nachteilig sich die Trennung zwischen der neuerbauten Schmelze in Bachzimmern und dem Ham­ merwerk in Hammereisenbach auswirke. Ganze sieben Stunden mußte die rohe Eisen­ massel transportiert werden und zwar für teures Geld. Der Zentner mußte den Fuhr­ leuten mit 12 Kreuzern verlohnt werden, was allein schon jährlich eine beträchtliche Summe ausmachte. Außerdem bemängelte er, daß bei der Errichtung der Schmelze im Bachzimmerer Tal nicht darauf geachtet wor­ den sei, daß der Weissenbach nicht das ganze Das ehemalige Verwaltungsgebäude des Hammerwerkes in Hammereisenbach, das im Jahre 1726 errichtet wurde, ist das einzige Bauwerk dieser einst umfangreichen Werksanlage, das uns bis auf den heutigen Tagf ast unverändert erhalten geblieben ist. Heute dient es far einige Familien als Wohnhaus. Es liegt direkt an der Brücke, über welche die Straße von Hammereisenbach nach Eisenbach führt. 121

Jahr über genügend Wasser führe, wodurch die Schmelze jeweils bei Wassernot stillste­ hen müsse, was natürlich auch Schaden ver­ ursache. Das Holzvorkommen sei aber so groß, daß man es in 100 Jahren nicht verbrau­ chen könne. Von den etwa 130 Zentnern Rohmasse!, die wöchentlich angefallen sind, habe man 60 Zentner geschmiedetes und angezaintes Eisen, 40 Zentner Frischeisen und einiges Dünneisen gewonnen. Die Abnehmer außerhalb der Fürstenbergischen Lande seien in erster Linie Schweizer Kaufleute, daneben würde aber auch nach Stuttgart, Tübingen, Freiburg, Breisach, Straßburg und in die Bodenseegegend geliefert. Die Monopolstellung im Fürstenbergi­ schen Territorium wurde von der Obrigkeit nicht nur durch Einfuhrzoll auf fremdes Eisen gestärkt, sondern auch durch Fürst­ liche Verordnungen wesentlich unterstützt, nach denen alle Untertanen zum Kauf von Hammereisenbacher Eisen angehalten wur­ den. Immer wieder im Laufe der Jahre mußte erneuert und „modernisiert“ werden. Durch all diese Verbesserungen hatte das Hammer­ werk in Hammereisenbach und das inzwi­ schen stark vergrößerte Schmelz-und Guß­ werk Bachzimmern zunächst größere Gewinne. Erst vom Rechnungsjahr 1858/59 an arbeiteten die Werke anfänglich mit gerin­ gem, dann jedoch rasch anwachsendem Ver­ lust. Zwei umwälzende Neuerungen, nämlich die zunehmende Verwendung der wesent­ lich billigeren Steinkohle beim Schmelz-und Verarbeitungsprozeß, zum anderen aber auch der Bau der Eisenbahnen und die dadurch stark erweiterte und verbesserte Transportmöglichkeit hatten die rheinischen und nassauischen Eisenwerke in die Lage versetzt, auch den süddeutschen Raum und damit die Absatzgebiete der dortigen Eisen­ werke mit billigerem Eisen zu überschwem­ men. Dieser mächtigen Konkurrenz gegen­ über konnte die Produktion der fürstenber­ gischen Werke auf die Dauer nicht standhal- 122 Das schmiedeeiserne Wirtshausschild des Gasthauses ,,Zum Hammer“ in Hammereisen­ bach erinnert noch an die ehemalige Existenz eines Hammerwerkes in diesem Ort. Es zeigt in einem grünen Kranz einen Hammer, wie er bei wasserangetriebenen Hammerwerken zur Bear­ beitung des Roheisens verwendet wurde. ten, es kam zu rapidem Rückgang und darauffolgendem Verkauf der Fürstenbergi­ schen Eisenwerke. Mit der Einstellung des Betriebes in der „Amalienhütte“ in Bachzimmern wurde der Anfang gemacht. Ein Teil der Anlagen wurde an die knapp 30 Jahre zuvor unter für­ stenbergischer gegründete Beteiligung „Maschinenfabrik der Immendingen“, andere Teil an private Interessenten verkauft. Der Rest der Anlage wurde abgerissen. Die Auflösung der Hammereisenbacher Anla­ gen, auf denen erst noch vorhandene Vorräte aufgearbeitet werden mußten, erfolgten einige Jahre später, genau am 3. Mai 1867, mit

der Versteigerung der restlichen Vorräte und Einrichtungen. Nach einem über 350jährigen nachweisli­ chen Bestehen, dessen wechselvoller Verlauf hier nur in großen Zügen verfolgt werden konnte, erlosch somit ein fürstenbergischer Industriezweig, der weit über die ehemaligen fürstenbergischen Landesgrenzen hinaus von großer Bedeutung war. Die anfängliche Idee, den Eisenbedarf während der Souverä­ nitätszeit des Hauses Fürstenberg aus einer Produktionsstätte im eigenen Land zu dek­ ken, war jahrhundertelang gelungen, und der ursprüngliche Sinn und Zweck der Grün­ dung und des Betriebes war somit erfüllt. Die Bergwerke, Schmelzen und Hammer­ werke sind seit langem stillgelegt, nur noch Orts-und Gewann-Namen oder auch einige alte Gebäude erinnern an die vergangene Zeit. Im Walde können wir noch heute die Spuren der Holz-und Kohlknechte verfol­ gen. Manche Kohlplatte liegt, längst von neuem Wald überwachsen, aber trotzdem noch deutlich sichtbar, an unwirtlichen Steil- Um 1900 waren in Villingen 836 männ­ liche und 140 weibliche Arbeiter in 53 Betrie­ ben beschäftigt. In Villingen selbst wohnten 862 Arbeiter. Von diesen arbeiteten 21 aus­ wärts. 135 Arbeiter kamen jeden Tag von außerhalb zur Arbeit nach Villingen. Zu die­ sem Zeitpunkt hatte Villingen 7819 Einwoh­ ner. In den Uhrenfabriken arbeiteten etwa 500 bis 550 Personen, in der Eisenbahnbetriebs­ werkstätte etwa 100, in Ziegeleien, Sägereien, Steinbrüchen und Bauhöfen etwa 70 und in den Musikwerkfabriken etwa 30 Personen. Für diesen meist von auswärts zugewander­ ten Personenkreis mußte Wohnraum ge­ schaffen werden. ,,Villingen verfügt über einen Jahrhun­ derte alten Häuserbestand mit niederen tief- hängen und erinnert an die rauhe Arbeit der Köhler. Die Halden des Abraumes an den Stollenausgängen oder an den wilden Erz­ gruben des ungeordneten Tagebaues finden wir noch besonders zahlreich am linken Tal­ hang des Eisenbaches bis zur Einmündung des Urachbaches bei Hammereisenbach. Sie sind die letzten Zeugen eines früher wichti­ gen Industriezweiges, den das Haus Fürsten­ berg über Jahrhunderte betrieb. Georg Goerlipp Benutzte Literatur und Quellen: 1 l Fürstenbergisches Urkundenbuch Bd. 1, Nr. 379. 2J Krieger, Albert, Topographisches Wörter­ buch des Großherzogtums Baden: Fah­ lenbach = Fallenbach, ,,Bach mit Fallen= Stauungen, oder fallender Bach, Bach mit starkem Gefalle“. 3l Stadtarchiv Rottweil II. A. L. LXXIX, F. 7, Nr. 8. 4l Fürstl. Fürstenberg. Archiv, Bergwerksak­ ten b, Vol. I/1. gehenden und daher dunklen Zimmern und winkligen Küchen. Als die Stadt in den Jah­ ren nach 1850 aus ihrer halbbäuerlichen Ver­ gangenheit industrielle Daseinsphase eintrat, mußten für die zuwan­ dernde Arbeitschaft Wohnungen geschaffen werden. Man half sich, indem man die bäuer­ lichen Wirtschaftsräume in menschliche Wohnungen verwandelte, die noch heute ihre ehemalige Bestimmung nicht verleug­ nen können.“ (Heinrich Feurstein) Innerhalb der Schwarzwälder Uhrenindustrie waren die Arbeiterwohnungen in Villingen nach Meinung des katholischen Pfarrers Heinrich Feurstein in einem unrühmlich schlechten Zustand. Die alte befestigte Stadtanlage behinderte den Ausbau der Stadt, die Bau­ plätze innerhalb der Stadtmauern wurden 123 ihre heutige Wohnungselend und Arbeiterfrage Nach Wohnungsbeschreibungen in Villingen um 1900 in

Kaplaneiverweser Lang, Präses des katholischen Arbeitervereins Villingen. Ado!f Bamer, Pfarrverweser in Villingen. Nikolaus Aker, Uhrmacher und christlicher Gewerkschafter. 124 Benjamin Grüninger, Glockengiefser, Landtags­ abgeordneter und Gemeinderat.

immer dichter bebaut, die Ställe in den Erd­ geschossen zu Arbeiterwohnungen gemacht, die Häuser immer dichter belegt. Das Ergeb­ nis waren im allgemeinen schmale lichtlose und feuchte Wohnungen mit völlig unzurei­ chenden hygienischen Einrichtungen. Der relativ hohe Grundwasserspiegel verursachte oft feuchte Erdgeschoßwohnungen, Keller waren bei den meisten der alten Wohnungen unüblich. Wohnungsbeschreibungen aus der Zeit um 1900 ergeben ein trostloses Bild. So wohnte z. B. ein Uhrmacher (29 Jahre) mit seiner Frau (25 Jahre) und zwei Kindern im Alter von zwei und vier Jahren in einer Zwei­ Zimmer-Wohnung mit Küche, Keller und Holzplatz. Die „Küche“, die nur von der Wohnstube her durch zwei kleine Fenster Licht empfing, „ist so dunkel, daß sie auch untertags beleuchtet werden muß“. Die Wohnung wurde als „eng und düster“ beschrieben, die Türen waren „zum Ansto­ ßen niedrig“. Eine zweite Wohnung, in der ein 50jähri0 ger Arbeiter mit seiner Frau und seiner jüng­ sten siebenjährigen Tochter lebte, bestand aus „2 Zimmern und Alkoven, sowie Küche und Holzraum. Die Küche erhält nur mittel­ bares Licht und ist dunkel, von den Vorfen­ stern der Stube läßt sich nur eine schmale Oberklappe öffnen, daher ist eine ausrei­ chende Lüftung im Winter ausgeschlossen.“ Bei dieser Wohnung handelte es sich um eine Hofwohnung mit Dachvorkammer und einem dünnwandigen holzverkleideten Aus­ bau. In einer weiteren Arbeiterwohnung gab es ein einziges Schlafzimmer ohne Fenster! Das Licht kam über einen Gang und über das Wohnzimmer. In diesem Schlafzimmer schlief eine siebenköpfige Familie. Die Mut­ ter war durch die schlechten Wohnverhält­ nisse krank geworden. Viele Industriearbeiter waren ledig und mieteten sich wegen des geringen Einkom­ mens häufig nur eine Schlafstelle. Die Schlaf­ stelle durfte man im allgemeinen nur nachts aufsuchen, d. h. die überwiegend jungen Arbeiter trieben sich tagsüber in der spärli­ chen Freizeit häufig in Gasthäusern herum. Die beengten Schlafzimmer und das „Schlaf­ stellenunwesen“ brachten teilweise Verhält­ nisse hervor, die ein menschenwürdiges Leben und „ordentliche Familienverhält­ nisse“ unmöglich machten. So äußerte sich der katholische Pfarrer Scherer: „Im Interesse der Gesundheit und Sittlichkeit wäre es daher sehr zu wünschen, daß einmal eine genaue Untersuchung der Wohnungen vor­ genommen würde.“ Der evangelische Pfarrer Bamer berichtete über die Wohnungen in der Villinger Innenstadt: „In einer dieser kalten und lichtlosen Wohnungen hatten sich Eiszapfen am Strohsacke eines Bettes gebildet, indem ein Schwindsüchtiger dem Ende seiner Leiden entgegenharrte.“ Vor allem für die Lebenschancen der Kin­ der waren solche Wohnverhältnisse katastro­ phal. Rachitis war daher verbreitet. Etwa ab 1910 versuchte man über Volksaufklärung die Gesundheit der Kinder zu verbessern, die Säuglingssterblichkeit einzudämmen und die Rachitis zu bekämpfen. An werdende Mütter verteilte Flugblätter erhielten fol­ gende Informationen: Die Rachitis „ist eine chronische Kinderseuche, welche unser deut­ sches Volk verelendet, seine Tuberkulose-, Krüppel-, Idioten-, Siechen- und Armenhäu­ ser füllt.“ Den Arbeiterfrauen gab man gutge­ meinte Ratschläge. „Kleide dich zweckmäßig … Gehe täglich ins Freie! . .. Kannst du dein Kindlein einmal nicht ins Freie fahren, so lüfte die Wohnung umso gründlicher … Ver­ meide Kellerwohnungen!“ Der Ausbau der Industrie in den 80er und 90er Jahren und der damit verbundene Zustrom von Arbeitern führte zu einem empfindlichen Mangel an preiswerten Woh­ nungen, d. h. relativ schlechte Wohnungen konnten für immer mehr Geld vermietet werden. Die Mieteinnahmen aus Arbeiter­ wohnungen und Schlafstellen waren ein zusätzliches Einkommen für die hausbesit­ zende alteingesessene Bevölkerung der Innenstadt, deren wirtschaftliche Verhält­ nisse häufig auch nicht besonders günstig 125

waren. Viele „selbständige“ Handwerker gerieten mehr und mehr in die Abhängigkeit der Fabriken und konnten ihre Familien gerade so durchbringen. Die Mieteinnah­ men waren daher sehr willkommen. Die ersten Versuche, die Arbeiterwohn­ verhältnisse zu bessern, kamen von den Arbeitern selbst. Anfang 1893 richteten sie­ ben Arbeiter der Uhrenfabrik Braukmann ein Gesuch an das Villinger Bezirksamt. Sie wollten Arbeiterhäuser errichten, die auch eine kleine Landwirtschaft ermöglichen soll­ ten. Zu diesem Zweck baten die Arbeiter um günstige Kredite der Landesversicherungs­ anstalt. Gewünscht wurden Häuser „mit zwei bis drei Zimmern und eine Stallung, Platz für 2 bis 3 Stück Vieh, allerdings auch etwas Gar­ ten wenn möglich.“ Der Villinger Gemeinde­ rat war der Meinung, daß diese Leute zu wenig Garantie böten, und zeigte sich des­ wegen reserviert. Die nächste Initiative in Sachen Woh­ nungsfürsorge ging vom katholischen Arbei- 126 Haus 1 der Villinger Baugenossenschaft, bezugsfertig 1903. terverein Villingen aus. Der Präses des Ver­ eins, Kaplan Lang, ein Mitbegründer des 1899 in Villingen gegründeten christlichen Uhrenarbeiterverbands, kannte aus eigener Anschauung die trostlosen Verhältnisse. Zusammen mit dem christlichen Gewerk­ schafter Aker veranstaltete Pfarrer Lang Unterrichtskurse; besonders wirkungsvoll war dabei der Vortrag von Nikolaus Aker mit dem Thema: „Die Wohnungsnot und Mittel zu deren Abhilfe“. Bei einer Vortragsreihe sollte es aber nicht bleiben; der katholische Arbeiterverein Villin­ gen, der christliche Uhrenindustriearbeiterver­ band und der Verband der badischen Eisen­ bahnbediensteten richteten am 25. 4. 1901 ein Schreiben an den Villinger Gemeinderat. „In Folge des steten Anwachsens der Bevölkerung in hiesiger Stadt in dem letzten Jahrzehnt, ist hier selbst eine Wohnungsnot entstanden, die mit der Zeit zu ernsten Bedenken Anlaß gibt, wenn nicht rechtzeitig Abhilfe getroffen wird.

l.Es ist hier, wie an andern Orten, Mangel an kleinen Wohnungen mit zwei bis drei Zimmern. Wenn wirklich Wohnungen leer stehen, so sind es solche mit vier und noch mehr Zimmern und diese sind für minderbe­ mittelte Leute zu teuer. II.Durch die starke Nachfrage, sind die Wohnungspreise sehr in die Höhe gegangen und ist es deshalb dem Arbeiter oder niedern Beamten fast nicht möglich, mit seinem geringen Einkommen, die hohen Mietpreise zu bezahlen. III.Ferner läßt die Beschaffenheit vieler Wohnungen hier in gesundheitlicher und sonstiger Hinsicht, sehr viel zu wünschen übrig und steht dieselbe oft mit dem Preis in gar keinem Einklang.“ Weiterhin wurde der Gemeinderat gebeten, ,,zur Abhilfe und Beseitigung der ungesunden Wohnungsver­ hältnisse beizutragen“. Benjamin Grüninger, Ehrenmitglied des Katholischen Arbeitervereins und Landtags­ abgeordneter, erhielt auf Grund dieser Anfrage die Aufgabe, Villingens Wohnsitua­ tion zu untersuchen. Er kam in einer enga­ gierten Stellungnahme zu folgendem Ergeb­ nis: ,,Der Zuzug der Bevölkerung in den letz­ ten 5 Jahren ist aber ein viel stärkerer als frü­ her, so daß heute die Wohnungsnot (trotz vieler sehr mangelhafter Spekulationsbau­ ten) eine viel größere ist als früher.“ Grünin­ gers Wohnungsgutachten zählte in Villingen 1835 Wohnungen. Zum Zeitpunkt des Gutachtens standen davon nur acht Woh­ nungen leer. ,,Rechnet man hierzu noch 12 Wohnungen, welche im Laufe d.J. in den in Arbeit befindenden neuen Häuser fertig wer­ den, so ergibt sich die Zahl 20, gewiß eine sehr niedrige Zahl für eine Stadt mit nahezu 8000 Einwohner. Sollte es sich bewahrhei­ ten, daß bis Spätherbst noch 25-30 Lokomo­ tivführer und Heizer hierher versetzt wer­ den, so dürfte eine Calamität geschaffen sein, welche der Gemeindeverwaltung viel Unan­ nehmlichkeiten verursachen dürfte.“ Zur Lösung des Problems schlug Benja- Haus 2 der Villinger Baugenossenschaft, bezugsfertig 1904. 127

min Grüninger die Bildung einer „Arbeiter­ wohnungsbau-Genossenschaft“ vor. Über eine Baugenossenschaft sollten die Arbeiter zu Wohneigentum kommen, und außerdem würden dadurch die Nachteile städtischer Mietskasernen vermieden. Ziel war eine Verbesserung der Arbeitersituation, indem man dem 4.Stand einen Anschluß ans Kleinbürgertum ermöglichte; Hausbesitz, Gartenbau und Kleintierzucht machte die Arbeiter seßhaft, weniger radikal, integrierte sie ins Gemeinwesen. ,,Dem strebsamen, soliden Familienvater, der von der Hand in den Mund lebt, und wohl etwas ersparen könnte, wenn er als Mie­ ter nicht so teuer wohnen würde, wie er bei den heutigen Wohnungsverhältnissen wohnt, ihm muß geholfen werden“, so argu­ mentierte Grüninger. Er schlug eine Art Mietkaufsystem vor und schloß seine Aus­ führungen: „Ich bin überzeugt, daß wenn der Gemeinderath in irgendeiner Weise dazu beiträgt, die hiesige Wohnungsnoth zu besei­ tigen, dies vom Standpunkt der Hygiene, wie der Sittlichkeit nur begrüßt werden müßte und sie dürfen sich den Dank der Arbeiter des IV. Standes versichert halten.“ Um die Forderungen nach besseren Arbeiterwoh­ nungen zu unterstützen, begannen der katholische Arbeiterverein und die christ­ lichen Gewerkschaften außerdem mit einer Fragebogenaktion zur Villinger Wohnungs­ situation. Untersucht wurden im Frühjahr des Jah­ res 1902 66 Wohnungen, davon 32 Zweizim­ merwohnungen, 26 Einzimmerwohnungen und acht Dreizimmerwohnungen. Von die­ sen Wohnungen waren 31 zu klein, 39 zu feucht, 25 ohne Speicher und Keller, 16 Woh­ nungen hatten ungesunde Abortverhält­ nisse, 17 schlechte Öfen, 18 schlechte Fenster, 31 finstere Küchen, 20 Wohnungen wurden zu überhöhten Preisen vermietet. Viele Arbeiter wagten nicht, die Fragebögen aus­ zufüllen, obwohl ihnen Anonymität zugesi­ chert wurde. Auf einen Fragebogen ver­ merkte der Vertrauensmann Nikolaus Aker: 128 „wurde aus Angst nicht ausgefüllt“. Zu der Wohnsituation dieses Mieters schrieb Aker: „In dem Haus kommen zwei Wohnungen in Betracht, welche hinten nach dem Hof lie­ gen. Die Fenster sind gerade über dem Abort, es kann deshalb des Geruchs wegen fast kein Fenster geöffnet werden. 5 Haushaltungen haben nur einen Abort gemeinsam.“ Einige Wohnungen waren eigentlich in einem völlig unbewohnbaren Zustand. In „ Vermiethen von Schlafstellen“ – Auszug aus dem Villinger Adreßbuch von 1900 – 119- Utn11ld�en oon Sdjlaflttlltn. � 1. ‚tltr füll 11111 btNI ‚!ttrmlttbt11 ll0115d,lnfPtUttt ftM i>lc·Hnholtn, Wrbtll•· „tllllfC“11 1111b .l’t�rlhtßt bff11ht, blll ,111 tJud} 111 fllbrtn, In Rttld)tt !.}dwr, bfr I• brr .{wrbt’r1t 9111fnnb111t filtbtl, ri119tlrnnr11 1unbt11, mu�. i:lctt tl11� tml� tHtt,flltrn: J. tlor, mtb Rtt11a111t. :i.�i111nlb11t1. !J. !lltl}frlgn ,111f.•111�alttorl. :: i��dJGJ�ß:�l,�CI�““ ttttb fi. Tnn btt 1lm•ß••• btr l)rbtrn,. ‚.llal ‚ll•di IP AMf tltrl••R•• frbtrjtll b„ ‚1lol[jtlor9on,n, fo•i• btn 1caKflrnalrH btr OrttfraNftnfaffr vor1NJtlAtK, ‚J:ltr tinmlrll)fr ttl’III S�lafnrllrn lfl tH!rpPldJlrl, ltbt n11fo,non1m,11r ilnfo11 1111ltr ‚il11nnbc btt 1Jor, 1111b iJ1111n111t11t, 61nttbrt, �0�11or11 1111b btt lnn,o brr ‚A11f1lhfl bhumt i 7anr11 btr t’lrftt1oll1tlbrblirbt n11in111tlbtn Mnb INMtrt,olb 91t14tr IJrlP bltfn .. ,. 7•n• btr llbnlf• lhjtlA• 1• ••4’t•. ‚I’ltr �lnfnrlfrnt>C’n11iflbn f1nl fftr 7l11frrcf1tr11Gll11N11 btr Orbn11119 Nnb Slttr, fon1lr filr �rh1lld,fdl l• bt:H ESd;,lofrA,nnrn, tntbrfo.btN‘ fAr brrt11 1a9Hd>r i!flfht11R 111 forRrn. § •. 1111b brrftlbr11 ffnmllif tto11 tl11rr 1111b von ‚tlfnnlrll1rrn, totld}t 1111 ftltldJrn 6loftutrff lllOblltll, bflrftn �lafntltll HMr Oll �r(Ollfft fhltr(d „“‚““�lt 1>trn1lrlbtl n1rrbfa !HIIRt �r111, brlbrrltl Atf“ltd,11 11ntrr JA 3obrrn bilrf,11 Mlct,1 I• brw Rlridlo• 6dJl•fRllltM 1111 t, .. 4fmn ••tn9ri>ra41 .,,btn. �lnfbh’lrrinr tkur11 bllrf,n ur ooN rlnrr 1,frfon btlll.a •rbrw, 11r6&,rr NW wldlt 111r�r alt J•l �rfo•rn. ���t��:1. ‚1lnfo11011, ootl� IMII ••Prd,11bt11 l(ra11�tllt• bt�afltl 11111>, b8rftH •141 11ttrhrt1, f1111brrn ft11b nltllGlb‘ brr C“rltpolllfl6t6arbr 111r �HArl1tt § �- § 8. § •. § „· E51111nnllld,tN ‚i1oll1rfornn11,11, fo1ult brn i)lrbl1l11albrn111ttn tfl lrbtr,lflt p .:IHlrttt JII br11 iZcfJlnfra11111rn 111 ntl00brr11. § R. Utbtrtrrllntßtll bltfu ‚tor1dirlflr11 Fhfb nr11til� �� l:lfi, 4!f, fl6. l ,’etr.· C!l.,’11. Prafbar.

einer Einzimmerwohnung in der Niederen Straße entdeckte die Polizei mitten in der Wohnstube ein Senkloch, aus dem üble Dünste entstiegen. Da sich der Gemeinderat der Wohnungs­ frage nur sehr zögernd annahm -der groß­ herzogliche Landeskommissär in Konstanz sprach von einem „passiven Widerstand des Gemeinderaths“ -wurde über das Bezirks­ amt Villingen eine polizeiliche Unter­ suchung angeordnet. An dieser sich über mehrere Jahre hinziehenden Untersuchung beteiligte sich auch der Großherzogliche Fabrikinspektor Ritzmann, der sich in der Schwarzwaldstadt Villingen zur Kur auf­ hielt. In 56 Fällen wurden die Wohnungsbe­ sitzer aufgefordert, die angetroffene Situa­ tion sofort zu ändern. „Die Hofräume hinter und zwischen den Häusern wurden in der größten Anzahl der Fälle in recht verwahrlo­ stem Zustand vorgefunden. Man fand über­ laufende Jauche, Abtrittsflüssigkeit und Küchenwasser, Abfälle, faules Holz und Schmutz aller Art.“ Die zögernde Haltung des Villinger Gemeinderats führte in den Arbeiterkreisen, im katholischen Arbeiterverein und bei eini­ gen sozial verantwortungsbewußt denken­ den Bürgern zur Einrichtung eines provisori­ schen „Komites zur Errichtung einer Bauge­ nossenschaft“. Dieser Gruppe wurde in Vil­ lingen vorgeworfen, sie würde einseitig gegen die Hausbesitzer und zu Gunsten der Mieter vorgehen! Der Vorsitzende des „Komites“ war der Kaplan Lang. In einer Gründungsversammlung der Villinger Bau­ genossenschaft eGmbH wurde Kaplan Lang auch zum Vorsitzenden der Baugenossen­ schaft bestimmt. Die Landesversicherungs­ anstalt Baden stellte den Villinger Bauwilli­ gen zwar günstige Kredite zur Verfügung, trotzdem aber mußten immer noch gut 25 % der Gelder aus eigenen Mitteln aufgebracht werden. Werbung um möglichst viele Mit­ glieder war also wichtig, da die niedrigen Löhne der Arbeiter keine großen Ersparnisse ermöglichten. Bei der Mitgliederwerbung wandte man sich auch an die Arbeiterfrauen. Am 22. März 1902 erschien im Villinger Volksblatt, einem Zentrumsblatt, folgender Artikel: „An die Frauen der Uhrenarbeiter, Eisen­ bahner usw. Es sei nochmals erinnert, daß am Palmsonntag von 11-12 Uhr vorm. im Lilien­ nebenzimmer Gelegenheit geboten ist zur Einzeichnung in die Mitgliederliste. Nicht zuletzt haben auch die Frauen der Uhrenar­ beiter und Eisenbahner ein Interesse an dem Gedeihen und den Zielen der Genossen­ schaft. Eine rechte Hausfrau setzt ihren Stolz darein, eine behagliche, gemütliche und sau­ bere Wohnung zu haben. Trautes Heim – Glück allein! -und eine gesunde ist immer noch die billigste Wohnung. Wie kann man sich ein glückliches Familienleben vorstellen in einer ungesunden Wohnung? Wir meinen also, die bessere Hälfte des sog. kleinen Man­ nes möge möglichst bald und ohne Zaudern das nötige veranlassen zum Beitritt des Man­ nes und zur Unterzeichnung am Palmsonn­ tag. Zwei Mark Eintrittsgeld und mindestens zwei Mark monatliche Einzahlung auf einen Stammanteil von 200 Mark ist zwar keine Kleinigkeit -Alkohol und Nikotinkonsum können jedoch immer noch in manchen Familien eine Einschränkung erfahren zum besten der Gesundheit und des Familien­ lebens. Also am Palmsonntag in die Lilie.“ 90 Personen traten der Baugenossenschaft sofort bei. Die Mitglieder, vor allem Fabrik­ arbeiter und Bahnbeamte, kamen aus allen politischen und konfessionellen Richtun­ gen. Die ersten Wohnungen der Baugenos­ senschaft Villingen konnten im Juli 1903 bezogen werden. Die teilweise eher ablehnende Haltung der Villinger Gemeinderäte gegenüber dem Arbeiterwohnungsbau war einmal sicherlich durch wirtschaftliche Interessen bedingt. Man befürchtete eine Störung des Woh­ nungsmarktes und Schaden für die Hausbe­ sitzer. Bei einem städtischen Projekt, der Erstellung von 16 Einfamilienhäusern im Mai 1914, argumentierte die Stadtverwaltung daher: „Die Befürchtung, daß durch die Erstel-129

zeichnen und stört damit manchmal die In­ tentionen der Zeitgenossen, die in der Hei­ matgeschichte nur eine Fluchtmöglichkeit aus einer teilweise wenig befriedigenden Umwelt sehen. Das „Wohnungselend“ Vil­ linger Industriearbeiter zeigte leider auch den Einfluß kleinlicher Gruppeninteressen, die nur aus persönlichem wirtschaftlichem Vor­ teil heraus, sich einer Verbesserung der Woh­ nungssituation entgegenstellten. Auf der anderen Seite wird hier aber auch Solidarität über die sozialen und konfessionellen Schranken hinaus deutlich. Arbeiter unter­ schiedlicher politischer Richtungen, katho­ lische und evangelische Geistliche, Gewerk­ schafter und auch einige sozial engagierte Bürger – wie der Landtagsabgeordnete Grüninger und der Verleger des Villinger Volksblatts -stellten der Ablehnung des Gemeinderats eine aus teilweise eigener Kraft finanzierte Baugenossenschaft gegenü­ ber, was bei den bescheidenen Arbeitergro­ schen sicher eine große Leistung war. Der Zusammenschluß beweist auch, was ein gemeinsames Ziel vieler bewirken und ver­ ändern kann. Annemarie Conradt-Mach Qu e 11 en: Protokollbuch des Katholi­ schen Arbeitervereins Villingen (Mün­ sterpfarrei) Stadtarchiv Villingen, XX, 46- 55 und XX 35, Staatsarchiv Freiburg 317 / 7480, Heinrich Feurstein, Lohn und Haushalt der Uhrenfabrikarbeiter des badischen Schwarzwalds, Karlsruhe 1905, Baugenossenschaft Villingen e.G.m.b.H., 1902-1927, Jubiläums-Denkschrift 1927, P. F. Walli, Die Dezentralisation der Indu­ strie und der Arbeiterschaft im Großher­ zogtum Baden, Karlsruhe 1906. * Jung von nur 16 Einfamilienhäusern ftir Arbeiter eine empfindliche Störung des Wohnungsmarktes eintreten würde, ist bei dem steten Zuzug gerade von Angehörigen der arbeitenden Klasse hierher und bei dem von der Stadt geplanten vorsichtigen … Vor­ gehen … nicht gerechtfertigt. Als ein Un­ glück könnte es aber nicht angesehen wer­ den, wenn einige ganz schlechte Räume, die zum Bewohnen überhaupt nicht geeignet sind, wegen des Wohnungsmangels aber bis­ her dazu benutzt werden mußten, leer blie­ ben.“ Ein weiterer Grund war aber vielleicht auch, daß man im Hausbesitz ein Privileg des Mittelstandes sah, sich nicht damit abfinden wollte, daß Arbeiter zu Hausbesitzern avan­ cierten. In einer stark vom bürgerlich-ständi­ schen Denken geprägten Stadt wurde der Arbeiterstand als sozial deklassiert angese­ hen, eine Gruppe, vor der man sich vor allem durch den wenn auch bescheidenen Besitz immer noch positiv abheben konnte. Die Äußerungen einer Rednerin vor dem katho­ lischen Arbeiterverein in Villingen im April 1913 sprechen für sich: ,,Leider herrscht in den Kleinstädten sehr oft ein gewisser Kastengeist, der den Klassenhaß züchtet und unter dem das gesamte religiöse und wirt­ schaftliche Leben leidet. Das soll anders wer­ den; wir sind zufrieden wenn die Bürger­ frauen uns wohlwollend gegenüber stehen.“ 1904 veröffentlichte Heinrich Feurstein – der Almanach hat schon viel über ihn berich­ tet -seine Dissertation über „Lohn und Haushalt der badischen Uhrenfabrikarbei­ ter“. Die Beschreibung der Villinger Woh­ nungssituation stützt sich teilweise aufFeur­ steins Untersuchung. Pfarrer Feursteins Arbeit wurde damals von ihren Kritikern Einseitigkeit vorgeworfen. Seine Beschrei­ bung des Schwarzwälder Arbeiterlebens paßte nicht ins damalige positiv-fortschritt­ liche industrielle Weltbild. Wer heute über die Geschichte des Indu­ striearbeiters forscht, der kommt nicht darum herum, ein vergleichsweise düsteres Bild der sogenannten guten alten Zeit zu 130

.(I{,(-, ……….. ,-:���.· Original-Radierungen von Hans Georg Müller-Hanssen 131

Goethe und Alois Hirt aus Behla 132 Ein Sohn der Baar diente dem Olympier als Cicerone in Rom und Italien Reisen nach Italien, vor allem nach Rom, gehörten im 18. und 19.Jahrhundertzum Bil­ dungsprogramm des Adels und des wohlha­ benden Bürgertums. Die Besichtigungen der antiken Monumente und der Kunstschätze in der Stadt der Päpste standen dabei im Vor­ dergrund des Interesses. Den Romreisenden aus den Ländern der deutschen Sprache, aber auch aus Frankreich, stand an der Wende vom 18. zum 19.Jahrhundert als bester Ken­ ner Roms und der heiligen Stätten ein Sohn der Baar zur Verfügung: Alois Ludwig Hirt aus Behla. Sein 150. Todestag jährt sich am 29. Juni 1987. Hirt entstammte einer vermögenden Bauernfamilie, die im 18.Jahrhundert zum Dorfpatriziat in Behla zählte. Er war das 6. von 12 Kindern des aus Pfohren stammen­ den Franz Hirt, der sich 1751 mit der Witwe Elisabeth Höfler, geborene Häßler, in Behla verehelicht hatte. 15 Jahre war er Dorfvogt in Behla und ist dort 1797 verstorben. Alois Hirts Geburtshaus stand rechter Hand neben dem Gasthaus „zum Sternen“. Der schwäch­ liche, aber geistig rege Knabe besuchte die Dorfschule, nahm gleichzeitig Privatunter­ richt beim Pfarrer im nahen Hausen vor Wald. Vom 9. Lebensjahr an war er Schüler der Lateinschule der Benediktiner in Villin­ gen und danach des Gymnasiums in Rott­ weil. Die Schwester eines Schulkameraden, die aus einem Mädchenkloster in Frankreich zurückkehrte, machte Hirt mit der französi­ schen Sprache vertraut. Nach kurzem Auf­ enthalt in einem Kloster widmete sich der junge Mann an der Universität Nancy der französischen Literatur, darunter Voltaire und Rousseau, sowie philosophischen Stu­ dien. Ein Studium der Rechtslehre, das er im Sommer 1778 in Freiburg begann, wurde in den Jahren 1779 -1782 in Wien, wo Hirt rechts-und staatswissenschaftliche Vorlesun­ gen hörte, fortgesetzt. In der Donaustadt, in der 1782 die josephi- nischen Klosteraufhebungen begannen, ent­ deckte Hirt, von Jugend auf streng religiös erzogen, seine kunstwissenschaftlichen Nei­ gungen und die Sehnsucht nach Italien. Im Spätsommer 1782 wanderte er in zehn Tagen von Wien nach Triest und weiter nach Vene­ dig, deren Kunstschätze ihn gefangen neh­ men. Doch das Wunschziel ist Rom, das er über Bologna und Florenz gegen Ende 1782 erreicht. Für die Dauer von 14 Jahren ist der Sohn aus der Baar nun Bürger der Ewigen Stadt, obliegt mit Feuereifer dem Studium der alten Denkmäler, ergänzt in den Sommermona­ ten durch Kunstreisen nach Neapel, Sizilien, Malta, in die Lombardei, die Toskana und Venetien seine Kenntnisse und ist nach zwei Jahren der gefragteste Cicerone bei den deut­ schen Romreisen den, dazu ein sehr geschätz­ ter Mittler und Ratgeber beim Kauf von Kunstwerken und anspruchsvollen Reise­ souverurs. Goethe, der im Spätjahr 1786 nach Rom kommt, lernt schon bald nach der Ankunft Hirt kennen; bereits am 17. Novembernennt er ihn unter seinen „guten, trefflichen Beglei­ tern“ und empfiehlt ihn Wieland für dessen „Teutschen Merkur“ als Mitarbeiter im Kunstfach für Beiträge der verschiedensten Art. Wie einen »Staatsgefangenen schleppt Hirt, der ,neugebackene Antiquar‘, Goethe mit sich herum“ -so die neidische Glosse des bekannten Malers Müller über das dauernde Zusammensein des Weimarer Dichters mit Hirt, den Goethe wie folgt vorstellt: „Er ist im Werden, ein tüchtiger, treuer, fleißiger Deutscher, der schon recht schöne histo­ rische Kenntnisse von Rom und von der Kunst hat und seinen Geschmack im Umgange der Verständigen bildet“. Knapp ein Jahrzehnt später gehört auch ein Landsmann aus dem Badischen zu den Freunden des inzwischen zum Weimari­ schen „Hofrat“ avancierten Alois Hirt in

Der Archäowge Awis Hirt, gemalt 1785 in Rom von Fn’edrich Georg Weitsch. Original in den F. F. Sammlungen, Donaueschingen Rom: Friedrich Weinbrenner, der nachma­ lige Baumeister in Karlsruhe. „Was mich betrifft, so habe ich Herrn Hofrat Hirt sehr viel zu verdanken, indem er das antiqua­ rische Studium in Rom sehr lange getrieben und Kenntnisse besaß, die mir in mancher Hinsicht nützlich wurden“. Ein Lob freilich nicht ohne Vorbehalt; erfahren wir doch gleichzeitig auch von dem oft recht „heftigen Streit“ zwischen den beiden, „da Hirt in sei­ nen Ansichten sich auf ältere Schriftsteller und Gewährsmänner stützte, während ich (gemeint ist Weinbrenner) die römischen Bauten bloß mit den Augen des Architekten sah“. Als Alois Hirt 1796, angesichts der euro­ päischen Kriegswirren, aus Italien heim­ kehrte, ist er auch auf deutschem Boden kein Unbekannter mehr. Über Dresden, wo er im Hause Körners Gast war, kam er nach Berlin und entwickelte in einer Audienz dem Preu­ ßenkönig Friedrich Wilhelm II. den Plan zur Sammlung und Vereinigung aller Kunstalter­ tümer in den königlichen Schlössern in einem Museum in Berlin. Es war der Beginn zur akademischen Karriere des Bauernsoh­ nes aus Behla in Berlin. Zunächst Lehrer des Prinzen Heinrich von Preußen, wurde Hirt in rasch sich folgenden Etappen Mitglied der Akademie der Wissenschaften, dann der 133

Schönen Künste, schließlich preußischer Hofrat und 1810 ordentlicher Professor der Archäologie an der Universität Berlin. Hirts eigentliche Verdienste für die Kunst­ wissenschaft liegen auf dem Gebiet der Bau­ kunst, die er als „eine der Plastik ebenbürtige Wissenschaft in das System der klassischen Archäologie einführte“ (Rommel). Keine Lorbeeren holte sich der Cicerone aus Rom mit seiner Abhandlung „Laokoon und das Kunstschöne“ in Schillers Zeitschrift „Horen“. Im Gegensatz zu Winkelmann und Lessing sieht Hirt nicht die Schönheit, son­ dern die Charakteristik als höchstes Ziel und Wert der Kunst an. Bei dem entfachten Kunststreit hatte Hirt seinen erbittertsten Gegner in Johann Gottfried Herd er, Dichter­ Philosoph und Konsistorialrat in Weimar, der mit Injurien wie „Kohlstrunk“, „leerer Topf und klingende Schelle“ gegen den „ge­ lehrten Pedanten“ aus Rom nicht sparte. Goethe, dem besonders Hirts abschätzi­ ges Urteil über Michelangelo gegen die Ner­ ven ging, distanzierte sich von seinem in Rom so hoch geschätzten Cicerone mit der Feststellung: Hirts „Empirie als Beobachter ist nicht frei von Vorurteilen und Eigennutz, und seine gelehrte Bildung nicht gründlich genug, so daß es zu Irrtümern kommt, an denen er eigensinnig festhält“. ,,Ideal, Anmut und Schönheit“ -so der Olympier in der Zeitschrift „Propyläen“ – „sind die von einem Kunstwerk zu fordernde Hauptbedin­ gung“. Hirt, dem auch seine Gegner die guten Manieren im gesellschaftlichem Umgang nie absprechen konnten, revan­ chierte sich seinen Widersachern gegenüber mit dem vergleichsweise moderaten Sam­ melbegriff „Die Schönbeitier in Weimar“ und ließ in dem Brief vom 27.Julil799 sei­ nen Freund Böttiger wissen: ,,Ich werde wie Sie Goethe immer ehren, und auch seine guten moralischen Seiten nie verkennen, doch nicht auf Kosten dessen, was ich aus besserer Überzeugung als wahr annehmen muß“. Um das Kapitel Goethe -Hirt abzuschlie­ ßen: Nahezu 42 Jahre standen der Dichter 134 und der Kunsthistoriker -sei es persönlich, sei es brieflich -in wechselseitigem Kontakt, wobei Hirt der eifrigere Briefeschreiber war. Das beiderseitige Verhältnis darf man, trotz zeitweiliger Trübungen, interpretieren als eine -vom Dichter her gesehen -verbind­ liche, wenn auch distanzierte Freundschaft. Daß Alois Hirt nach seiner Rückkehr aus Rom auch zu seiner angestammten Heimat, darunter zu Donaueschingen und zu dem Germanisten Freiherr Joseph von Lassberg, Beziehungen unterhielt, wissen wir aus der Studie „Hirt und Lassberg“ des aus Behla stammenden Gymnasialprofessors Alfred Hall (Schriften der Baar, Heft XXV (1960). Alois Hirt war unverheiratet. In Berlin lebte er in der befreundeten Familie des Justizrats W. Mila. Ebenda starb er im Alter von 78 Jahren. In Behla hält seit 1961 eine im Gasthaus „Sternen“ eingerichtete Heimatstube mit Reproduktionen von Portraits und Texten zur Biographie Hirts die Erinnerung an den großen Sohn des kleinen Dorfes wach. An der Stätte des einstigen Geburtshauses liest man auf einer Broncetafel: ,,Geburtshaus des Archäologen und Kunsthistorikers Alois Hirt, Führer Goethes in Rom, Universitäts­ professor in Berlin. 1759 bis 1837.“ Das Geschlecht der Hirt in Behla ist früh verarmt und bald erloschen. Von elf Geschwistern Alois Hirts erlagen alle bis auf zwei als Säuglinge dem Kindbettfieber, das im 18.Jahrhundert besonders hohe Opfer forderte. Lorenz Honold Quellen: Goethe-Jahrbuch 15 (1984): 7 Briefe Hirts an Goethe. -Goethe „Italien“ (November 1787). -Briefwechsel Goethes mit Zelter, Badische Heimat 1951, Heft 1. Literatur: G. Rommel, AloisLudwig Hirt, in Bad. Heimat, 33. Jahrgang, 1953, 19-23. -F. Weinbrenner, Denkwür­ digkeiten aus meinem Leben, hrg. von Kurt Karl Eberlein, 1920, G. Kiepenheuer Verlag, Potsdam. -A. Hall, Hirt und Lassberg, in Schriften des Vereins f. Gesch.

u. Naturgesch. der Baar, 25. Heft (1960). – Neue D e u t s c h e B i o g r a p h i e 9. Bd., 1972, 234 f. – T h i e m e -B e c k e r (Künst­ ler-Lexikon), 17. Bd., 1924. – Julius V o ­ g e l , Aus Goethes römischen Tagen, 1905. – L. H o n o l d , Alois-Hirt-Feier in Behla (Eröffnung der A.-Hirt-Ecke im Gasthaus „Sternen“ an Pfingsten 1961), in Badische Zeitung (Donaueschingen) vom 24. 5. 1961. Jagdfrevel im Jahre 1740 Jäger aus Niedereschach als Wilddieb ertappt Am 6. November 1740 berichtet der für­ stenbergische Jäger zu Sunthausen, Antonj Jaudt, an sein Forstamt, daß „tags zuvor in der fruhe des Baron Beroldingers von Nider­ Eschach sein Jäger durch hiesigen forst gegangen und mitten im Thoninger Esch eine starke kütt (= Schar) feldhüner angetrof­ fen, wovon Er 8 Stuck in einem Schuß geschossen habe, welche Er in Eül (= Eile) zu sich gesteckt, durch Sunthausen passirt (= hindurchgegangen) und zu seinem brueder dem Jäger zu leipfferdingen . . . gegangen seye“. Der beroldingische Jäger sei „ein der wildemus (= des Wildems) verdächtiger mann“, alle aus dem fürstenbergischen Forst verjagten Wilddiebe fanden bei ihm in Nie­ dereschach Unterschlupf, so z.B. ,,der famose Walliser Martin und andere mehr“. Man könne ihn, wenn er von Leipferdingen wieder nach Hause wolle, leicht abfangen. in Niedereschacher Berüchtigte Wilderer Wirtschaft? So wird’s dann auch gemacht; man bringt den Verdächtigen auf die Donaueschinger Schloßwache und führt ihn am 28. Novem­ ber 1740 dem fürstenbergischen Forstrichter vor. Der Übeltäter ist kein anderer als Joseph Roll, Jäger bei Baron Marquard Joseph von Beroldingen und Wirt zugleich; er betreibt in Niedereschach die Wirtschaft, die später ,,zum Raben“ genannt wird. Nur ein einziges Feldhuhn habe er geschossen, versichert Roll, und das habe er für 15 Kreuzer einem Offizier zu Unterbal­ dingen verkauft. Dem Gericht indessen ist besonders die Frage wichtig, ob er als Wirt „nicht auch wilderer beherberget, welche in diesseitigem (d. h. fürstenbergischem) forst gefrevlet“. Nein, entgegnet Roll, bei ihm komme so etwas nicht vor, aber im Haus des Martin Algeüer zu Niedereschach seien „dergleichen bursch geweßen, worunter auch der sogenannte Walleßer Martin sich offters eingefunden“. Algeüer habe zwar sein Haus inzwischen verkauft, halte sich aber noch in Niedereschach auf. Drei Rebhühner gegen eine Flinte Angesichts des unbefriedigenden Ergeb­ nisses der Befragung läßt der Richter nach dem Sunthauser Jäger schicken, um ihn dem Joseph Roll gegenüberzustellen. Als der dann darauf besteht, Roll habe die Rebhüh­ ner nicht per Zufall gesehen, sondern richtig beschlichen und mehrere geschossen, was auch der Müller zu Tuningen bestätigen könne, gesteht der Angeklagte schließlich, drei Feldhühner erlegt und zwei davon „der frauen Schleiß zu Deißlingen zurück geschickt“ zu haben – wodurch erhellt, daß die Wilderei bei Deißlingen geschehen ist. Zur Strafe für seinen Frevel muß Joseph Roll seine Flinte abgeben, dem Jäger zu Pfoh­ ren für seine Auslagen einen, dem Jäger zu Sunthausen einen halben Gulden zahlen und ihnen die in Donaueschingen „im och­ ßen auffgewandten Zöhrungskösten“ erstat­ Manfred Reinartz ten. (Que l l e: F ü r s t l . F ü r s t e n b e r g. A r c h i v D o n a u e s c h i n g e n , J u r i s d i c ­ t i o n a l i a S: v o l . X, f a se. 1 ) . 135

Dr. Emil Braunagel – Vordenker der Städtefusion Am 12. 11. 1921 erschien im „Schwarzwäl­ der“ unter der Überschrift „Zur Bürger­ moaschter-Wahl“ folgender Dialog: „Nazi: Ha, Du Doni, wa hört mer denn au vu der Bürgermoaschterwahl? Doni: Ich mon überhaupt mer hont en Dolke g’machet, daß mer d’Braunagel nit b’halte hont. Er hät jo au sini Fehler ‚i het, aber en Schaffer ischt er gsi, seil muß em jeder nosage. Nazi: Du, ich bi letzthin e mol z’Schwen­ ninge gsi und hau nu miese gucke, wie die Stadt sich in dene par Johr gmachet hät, sit d’r Braunagel Schultis ischt … Wenn friher ebbis baut wore ischt, d’eno het d’r Braunagel äwel nogucket … D’r Braunagel hät au e Herz g’het für d’Bür­ gerschaft und für de Mittelschtand … Bedenk au blos emol, wo isere Fremdein­ duschtrie na kumme ischt! Jo, glaubscht denn Du, d’r Braunagel het d’Waldmühle so verschandle lau … Und wie word jetzt au z’mol d’Waldschtroß, die schönst Schtroß vu Villinge mit Suschtäll und sunscht no ebbis vertapezieret! Glaubscht au, d’r Braunagel het nie do derzue Jo und Amen gsait … Doni: Seil word woll wohr si.“ Der hier von Villinger Bürgern so hochge- lobte Schwenninger Oberbürgermeister Dr. Emil Braunagel war der erste „gesamtstäd­ tische“ Bürgermeister der heutigen Doppel­ stadt – zwar nicht gleichzeitig, aber nach­ einander: von 1903 bis 1912 in der badischen Bezirksamtsstadt Villingen, von 1912 bis 1925 in der württembergischen Industrie­ stadt Schwenningen. Privates ist nur sehr wenig über ihn überliefert, gerade eine Straße in einer Neubausiedlung der 20er Jahre erin­ nert noch an ihn. Obwohl er sich in Villingen und in Schwenningen vor allem darum bemühte, industrielle Arbeitsplätze zu schaf­ fen, eine moderne Infrastruktur aufzubauen und er dies alles in möglichst engem Kontakt zu den betroffenen Bürgern zu erreichen suchte, wurden seine Initiativen vor allem in 136 Dr. Emil Braunagel – »Einst Bürgermeister beider Städte“ (Stadtchronik Schwenningen) Villingen teilweise stark angegriffen. Die Vil­ linger „Mißerfolge“ allerdings verhalfen ihm 1912 zu einem überwältigenden Wahlsieg in Schwenningen. Alteingesessene Villinger verbinden mit dem Namen Braunagel eine eher peinliche Affäre für Villingen, für die Schwenninger war er der Kriegsbürgermeister des 1. Welt­ kriegs und der schlimmen Nachkriegszeit. Grund genug, um den Mann aus dem Bewußtsein der Bevölkerung zu verdrängen? Nach der Bürgerausschußwahl 1903 hat­ ten sich die politischen Gewichte in Villin­ gen zu Ungunsten des Zentrums, der stärk­ sten Gruppierung im Villinger Gemeindele­ ben, verschoben. Schon im Oktober wollte eine neue Mehrheit unter Führung vor allem der Nationalliberalen Partei ihren Einfluß bei der Bürgermeisterwahl durchsetzen. Der

„Badische Beobachter“ kommentierte am 30. Oktober 1903: „Aufgrund der Bürgerausschußwahlen im Frühjahr war die Zentrumsmajorität im Vil­ linger Bürgerausschuß durch eine liberal­ demokratisch-sozialdemokratische Mehr­ heit ersetzt worden … Das Streben der libera­ len Beamtenschaft (im Bezirksamt und im Amtsgericht) ging dahin, in die zu sieben Achtel katholische Stadt einen protestanti­ schen Bürgermeister zu bringen.“ Unter der Villinger Bevölkerung riß der Wahlkampf tiefe Gräben auf. Geführt wurde er vor allem durch den nationalliberalen Vil­ linger „Schwarzwälder“ und dem katholi­ schen“ Volksblatt“, und er nahm nahezu die Ausmaße eines Glaubenskrieges an. Unüber­ brückbar schienen die Gegensätze. In dieser Situation bot sich der Bewerber Dr. Emil Braunagel als Kompromißkandidat an. Mit der beachtlichen Mehrheit von 81 der 83 wahlberechtigten Bürgerausschußmitglieder wurde er am 16. Oktober 1903 gewählt. Erst 30 Jahre war er damals alt. Später, bei seiner Vorstellung in Schwenningen 1912 gab er fol­ gende Auskünfte über sich selbst: „1895 und 1898 machte ich das L bzw 2. Staatsexamen. Ich bin Dr. der Rechte und der Staatswissen­ schaft. Meine Frau und mein Sohn gehören der protestantischen Konfession an, wäh­ rend ich katholisch bin.“ Vor seiner Bewer­ bung um das Amt des Villinger Bürgermei­ sters war er in Mannheim Gerichtsrat und Vorsitzender des Gewerbegerichts gewesen. „Mannheim mit 200 000 Einwohnern hat eine rege Industrie, und da hatte ich Gelegen­ heit, mich speziell mit den Arbeitsverhältnis­ sen zu beschäftigen.“ Allgemein erwartete man in Villingen von dem neuen Bürgermei­ ster eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation, der industriellen Infrastruktur der Stadt. In den neun Jahren seiner Villinger Tätigkeit legte er entscheidende Weichen für den Ausbau des Wirtschaftslebens, des Bil­ dungsangebots und der Lebensqualität. Er sorgte für den Umbau der Kleinkinder­ schule, richtete eine Kleinkinderkrippe für Arbeiterinnen ein. Die Eröffnung des Real- gymnasiums, des Lehrerseminars und der Bau eines Krankenhauses fielen in seine Amtszeit. Ein Volksbad wurde eingerichtet, der Straßenbau vorangetrieben, d. h. die Gehwege wurden asphaltiert und gaben Vil­ lingen ein städtischeres Gepräge. „Nie waren die Straßen und Gehwege in Villingen in bes­ serem und reinlicherem Zustande als zu Herrn Dr. Braunagels Zeiten“, s�hwärmte der „Schwarzwälder“ noch 1925. Eine Wasserleitung zum „Waldhotel“ wurde gelegt. Die Stadt kaufte das bis dahin in privater Regie betriebene Gaswerk auf. Braunagel ließ ein städtisches Elektrizitäts­ werk, ein Schotterwerk und ein neues Schlachthaus errichten. Neubauten in der Südstadt entstanden. Auch wenn man den Erfolg eines Bürgermeisters allein an der Bautätigkeit nicht messen sollte, war er für Villingen ein erfolgreicher Bürgermeister. Der Fremdenverkehr wurde gefördert, und er bemühte sich um neue Industrieansied­ lungen in der strukturschwachen Stadt. 1910 gelang es ihm, ein Messingwerk und eine Sei­ denweberei nach Villingen zu ziehen. Der „Schwarzwälder“ in seiner Würdi­ gung 1925: „Sehr viel von dem, was Villingen heute ist, und was den guten RufVillingens weit über Baden hinaus begründet hat, ist ihm und seiner Tatkraft, seinem Arbeitswil­ len und seiner weitsichtigen Politik zu ver­ danken.“ Zum Mittelpunkt der Schwarzwälder Industrie wurde Villingen im Spätsommer 1907 während der großen Industrieausstel­ lung. Dieses Projekt war wie viele der Zukunft dienenden Vorhaben mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden. Die Industrieförderung wurde keineswegs bei allen Villingern mit Begeisterung auf­ genommen. Die Ausstellung hatte zwar die Auftragslage der heimischen Industrie ver­ bessert und der Stadt den Stadtpark gebracht, auf der anderen Seite wurde die Stadtkasse aber durch die Ausstellung mit einem Defizit von 68 000 Mark belastet. Die selbständige bzw. allzuselbständige Arbeit des Bürgermei­ sters brachte ihm dann auch von Zentrums-137

seite herbe Kritik ein. Eine selbsternannte sogenannte „Siebenerkommission“ aus dem Kreis um das katholische „ Volksblatt“ sam­ melte Material, mit dem sie dem Bürgermei­ ster „eigenmächtiges Handeln und Mangel an Zuverlässigkeit in seiner Dienstführung“ nachweisen wollte. Die Ergebnisse dieser ,,vertraulich“ arbeitenden Kommission wur­ den gedruckt und der Villinger Bevölkerung unterbreitet. Obwohl sich die Vorwürfe als nahezu vollständig gegenstandslos erwiesen, war für Emil Braunagel eine Fortführung des Amtes in Villingen nicht mehr möglich. In seiner Gegendarstellung zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen schrieb er:,, Wodurch ich mir diese Abneigung gegen mich zugezo­ gen habe, ist mir heute noch unerfindlich. Ich habe mich stets bemüht, jedem, auch dem Geringsten, anständig und liebenswür­ dig zu begegnen und seine Interessen zu för­ dern. Ich kann es nur … dem zuschreiben, daß ich nicht Mitglied einer gewissen Partei war, gegen die ich mich aber stets objektiv ver­ hielt.“ Gegenüber dem Bürgerausschuß äußerte er, ,,es ist besser, wenn ich von dieser Stadt fortgehe. Damals habe ich bemerkt, daß ich mich nach einer anderen Stelle umse­ hen werde.“ Als 1912 das Amt des Schwenninger Stadt­ schultheißen frei wurde, bewarb sich Dr. Braunagel in der Nachbarstadt. ,,Eine eigenartige Ironie des Schicksals! Der Mann, der Villingen aus einem 20jährigen Dorn­ röschenschlaf emporgerüttelt … greift zum Wanderstabe! … Die intelligenten Schwen­ ninger sollen starke Neigung haben, den hier Vielgeschmähten in ihre offenen Arme auf­ zunehmen. Und es ist von ihrem Stand­ punkt gewiß kein unschlauer Schachzug, den Mann, der ihren Konkurrenzplatz so rasch und mächtig zum Aufblühen gebracht, dessen Fähigkeit sie seit Jahren aus nächster Nähe kennenzulernen und zu bewundern Gelegenheit hatten, den Villingem wegzuka­ pem.“ (Schwarzwälder) Mit diesen Worten waren die Schwennin­ ger Überlegungen wohl sehr korrekt wieder­ gegeben. Braunagels Bewerbung stieß auf 138 Probeheimstätte für Wohnstufe II (Entwurf) RusfQ�nang. ……. ,,11111,,, i““ Probeheimstätte für Wohnstufe II argumentierte der breite Zustimmung. Mit schwäbischer Spar­ samkeit Fabrikant Mauthe: ,,Benützen sollten wir die Gelegen­ heit, das Lehrgeld zu sparen, das jeder andere auf Kosten der Stadt zahlen muß, um sich in solche Verhältnisse einzuarbeiten.“ Außer­ dem lobte er Braunagels Förderung des kul­ turellen und gesellschaftlichen Lebens in Vil-

lingen. Schwenningens Sozialdemokraten priesen vor allem sein industrielles Engage­ ment und seine Tätigkeit als Vorsitzender des Gewerbegerichts in Mannheim und in Villingen. Im Februar wandte sich Dr. Brau­ nagel direkt an die Schwenninger Bürger: „Nun ist ein Hauptvorwurf, der gegen mich vorgebracht wird, daß ich Badener sei. Meine Herren! … Sollten Sie mich als Ortsvorstand hierher berufen, so werde ich ein ebensogu­ ter Württemberger wie Sie alle! … Sie dürfen nicht fürchten, daß ich aus Schwenningen einen Luftkurort machen wollte. Nein, Schwenningen ist eine ausgesprochene Indu­ striestadt. Mannheim mit 200 000 Einwoh­ nern hat eine rege Industrie, und da hatte ich Gelegenheit, mich speziell mit den Arbeiter­ verhältnissen zu beschäftigen.“ Die Schwen­ ninger ließen sich nicht davon beirren, daß Dr. Braunagel Badener war, noch daß er der katholischen Konfession angehörte. Zualler­ letzt verwirrte sie der auch in Schwenningen verbreitete Bericht der „Siebener-Kommis­ sion“. Mit 1240 von 2111 gültigen Stimmen wurde er Nachfolger des scheidenden Schult­ heiß David Würth. Das Ereignis seiner Wahl am 4. März 1912 bewegte begreiflicherweise auch die Villin­ ger: „Zwischen 8 und 9 Uhr am Samstag ver­ sammelten sich weit über 100 Personen vor unserem Redaktionslokal, um sich über das Ergebnis der Schwenninger Wahl zu erkun­ digen … Aus vielen Wirtschaften wurde das Ergebnis telefonisch von uns erbeten und auf den Straßen bemerkte man größere und kleinere Gruppen, die das Wahlergebnis und all das, was damit verknüpft ist, lebhaft besprachen. Als ein Schwenninger Auto vor der Villa des Herrn Braunagel eintraf, um ihn abzuholen, hatten sich viele Einwohner dort angesammelt; einige riefen hoch! Gestern gab’s nur ein Thema: die Schwenninger Wahl. In allen Wirtschaften traf man Schwenninger, die sich über das Wahlergeb­ nis mit den hiesigen Bürgern unterhielten.“ (Volksblatt v. S. 3. 1912) Bis zu seinem Tod am 27. Mai 1925, Dr. Braunagel war gerade 52 Jahre alt, blieb er Schwenninger Bürger- meister, nur kurzfristig unterbrochen durch eine Einberufung als Hauptmann an die Westfront Der Weltkrieg und· die Nach­ kriegszeit verlangten in Schwenningen ganz neue Aktivitäten. Die städtische Verwaltung war nun über­ wiegend damit beschäftigt, die Versorgungs­ lage der Bevölkerung zu verbessern und übernahm die „Geschäfte eines Großkauf­ manns“. ,,Schon wenige Tage nach Ausbruch des Krieges mußte die Stadt an das Ministe­ rium telefonieren, daß das Mehl ausgegan­ gen sei … und in der Folge blieb die Mehl­ und Brotversorgung in den Händen der Stadt.“ (Neckarquelle, März 1922) Der Bür­ germeister selbst „reiste damals nach Berlin, um bei den zuständigen Behörden vorstellig trtrablatt ,,miUiuger moltltl4tt“ au ,,!triberger 1Jott4′. btl l!tlta11na. 16. „“-•“ 1903, ….., t/sf, …. … �. ljtrr itri((ptsrat Dr. 8rau1111agd mutbe In �utlga von 5 611 51/1 �r flattg�bta „1lrger,­ mdflmua!J! mit 81 Stbnmtn aum 8lrgtr11d,a ’11″9« StaM 9� �nt Stimmt 11>ar ungUtig, unb 1 9Rttgllcb 11>ar &atlf unb ft!Jltt. � tlmnlitlg afolgte llla�!, blt burdj !!lnllaf� unb OJ!odmgt!dutt fo�m lJfflilnbet IDirb, $t fo11>0�! bell QJaod�!tm IDit blt !m�!tr unb rufm IDir � !!lraunnagt! fdjon � ein �eq!tdj !m l !!fommtn unb blt bejhn OJ ! lieh, ill f 4 e mtgtgtn. !IROlC 111t tl)m elnftljrm ba 11>4l)re a!tt !!l ilr g et• frltb� 1IP m6ge a !llllllngm lmma � auf bem !mtge lltl tBIJ�lfanbd, btl Znft�I unb btl t!Wlcftl. Unb fo 1,ringm rolr tl)m bmn namml unfaa 2efa unb ba Qlcfamlbilrgaf�� unftr vollflt1 !BtriTaum mt, gegen unb rollnf�, OJotttl Stgen lllfige audj fantr iber unfem �mal �m. !!btr audj btl langj�rlgm -t�m � !!lllrga, meiflert t,nkf ftl �tUtt an bltftt Stelle tlnf!IDtl!ea gtbadjt unb UJm ba §eql � filr ble vielen O,ftr unb !!lmul�ungen 11ulgtf� 9116gt a eilt ml,!!lßr9tr111eifla nodj redjt ‚Olt!e otfunbe unb g[11cf[ldjt 341Jrt �la tub’ringtn. � !!btub f11bet tn btr „’lJarabtdM�11lle eine fleine ijidn fllllt, 11>oau a11dj ber �!tt batltt afdjeinm foll. !lBte 11>ir �6rm, flt�t berft!1,e tm 36. 1!ebenll*t. 139

zu werden, damit noch einige Kartoffeln aus Hessen kamen … Fleisch hat die Stadt wäh­ rend des Krieges in großen Mengen her­ beigeschafft.“ Die Stadt regelte die Milchver­ sorgung, die Versorgung mit Textilien, mit Lederwaren, mit Brennstoffen. Kein einfa­ ches Problem, wenn man bedenkt, daß die Schwenninger Bevölkerung während des Krieges im wesentlichen nicht zurückging und anschließend sprunghaft zunahm. Die Fabriken expandierten in der Inflationszeit, Arbeiter zogen zu, die Versorgung wurde immer schwieriger. Schwenningen zählte bis 1925 zu den Städten mit den meisten Woh­ nungssuchenden in Württemberg und war auf Grund der großen Nachfrage nach Lebensmitteln oft Spitzenreiter, was die Höhe der Lebenshaltungskosten anging. Die Tätigkeit Braunagels in der Inflationszeit bestand überwiegend darin, die schlimmsten Auswüchse der Not zu lindern. Die Stadt ließ zum ersten Mal in ihrer Geschichte Arbeiterwohnungen bauen und trat damit an die Stelle der Unternehmer. 1920/21 ent­ standen Wohnhäuser in der Reute, die Sied­ lung Salinenfeld zusammen mit der Firma Kienzle, Hammerstatt und Sauerwasen wurden geplant. Große Probleme bereitete die Gesundheit der Bevölkerung, viele Schul­ kinder hatten Tuberkulose und waren unter­ ernährt. Die Tuberkulosevorsorge mußte verbessert werden, die bedürftigen Schul­ kinder bekamen ein Schulfrühstück. Ca. 100 Kinder wurden jedes Jahr auf städtische Kosten zur Besserung ihres Gesundheits­ zustandes auf den Heuberg zur Erholung geschickt. Neben all diesen Schwierigkeiten, die sicherlich die Gesundheit des Schwenninger Stadtvorstandes angriffen, gelang es Brauna­ gel aber auch, die industrielle Entwicklung Schwenningens günstig zu beeinflussen. Das Straßennetz mußte ausgebaut, Gehwege mußten errichtet werden. Neugebaut wurde der Schlachthof, Schulen und das Rathaus wurden erweitert, Elektrizitäts-und Wasser­ werk ständig vergrößert und dem wachsen­ den Bedarf angepaßt. 140 „Sein letztes großes Werk war die Sicher­ stellung der Gasversorgung Schwenningens durch das Gaswerk in Villingen.“ Die Ein­ weihung zur „Gaswerk-Eröffnung“ Schwen­ ningens am 7. Juli 1926 erlebte er leider nicht mehr. Bei seiner Wiederwahl in Schwenningen im März 1922 hatte er einen Traum verraten: „Schon infolge der hiesigen Wirtschaftsver­ hältnisse sind wir auch Anhänger der Ver­ einigung von Baden und Württemberg. Zur Zeit ruhen diese Bestrebungen, werden wohl aber wieder aufgenommen werden.“ Der Schwenninger Oberbürgermeister war ein entschiedener Vertreter der Vereinigung Badens mit Württemberg. Bei einer Konfe­ renz in Donaueschingen im Sommer 1921 bemerkte er: „Schwenningen z.B. ist auf drei Seiten von badischem Gebiet umgeben und steht noch nicht einmal mit seinem eigenen Oberamt in direkter Verbindung. Wir haben deshalb ein Interesse daran, daß die Grenzen … verschwinden … Badische und württember­ gische Industrie würden sich, in einem Kon­ zept vereinigt, glücklich ergänzen.“ (Volks­ stimme v. 21. 6.1921) Annemarie Conradt-Mach * Geh‘ ich auf den Wochenmarkt, Schau‘ den Leuten in’s Gesicht, Um ein Auto, das da parkt, Hör‘ ich auch, was mancher spricht. Nicht nur von soviel Waren, Die es hier zu kaufen gibt, Nein, auch vom großen Sparen, Auf das fast jeder tippt. Und wenn ich alles habe An Obst, Gemüse, Pflanzen, Bleibt mir als meine Habe Ein Zehner von dem Ganzen. Johannes Hawner Teurer Wochenmarkt

Kirchengeschichte, Wallfahrtswesen Das Mesnerhäusle in Triberg verdankte das siebenjährige Mädchen Bar­ bara Franz (geboren 1637) die Heilung einer Augenkrankheit, Friedrich Schwab kurze Zeit später (1645) die Heilung von Aussatz und Siechtum, nachdem er sich mit dem Wasser der Q!ielle dort gewaschen hatte. Aus Dankbarkeit ließ er von einem uns nicht bekannten Künstler aus Lindenholz eine Statuette „Maria mit dem Kind“ schnitzen und in der Tanne anbringen: das Gnadenbild im Hochaltar der Wallfahrtskirche. Ob er ahnte, daß er, wofür es eine Tradition gab, einem Baumheiligtum, das den Jahrhunder­ ten standhielt, den Grund legte? Ein einset­ zender Wallfahrerstrom aus der Umgebung versiegte bald wieder, Bild und Schutzdach gerieten bei den meisten in Vergessenheit, bis 1645 Mainrad Ketterer und seine beiden Brü­ der vor dem Marienbild von ihrem „sehr schmertzhaften augenweh“ erlöst wurden. Das Bild in der Tanne fand erneut Pflege und Verehrung, doch war auch jetzt die Wallfahrt noch nicht von Dauer. Erst als österreichische Soldaten des Regi­ ments Nadliani, unter ihnen Gabriel Maurer, im Pfälzischen Krieg 1692 einen „himmli­ schen Lobgesang“ aus der Richtung der Tanne hörten, offenbar war es die Seltsam­ keit einer harfenden Tanne, nahm das Ver­ trauen zu dem wundertätigen Bild wieder zu. Maurer fand 1694 selbst Heilung von sei­ nen 22 Wochen währenden Gliederschmer­ zen. Vom Hof des Jakob Hettich im Weißen­ bach wagte der fast Erblindete den schwieri­ gen Weg zur Gnadentanne. Das Wunder sei­ ner Heilung ereignete sich auf dem Rückweg in der Nähe des Bergsees. Während eines Erschöpfungsschlafs hörte er ein Krachen in seinen Gelenken, er wachte als Gesunder wie­ der auf. Für diesen Fall hatte er den Eintritt in den Kapuzinerorden gelobt. Das Bekannt­ werden einer erneuten, Maurers, Wunderhei- 141 Das malerische Mesnerhäusle, dieses Juwel in Triberg, steht in unzertrennlichem Zusammenhang mit Ursprung und Leben der „Wallfahrt zu Maria in der Tanne“, es beherbergte bereits Menschen, als für die Wallfahrtskirche erst die Fundamente gelegt wurden. In unübertrefflicher Anschaulich­ keit stellen uns die Zeugen die Ereignisse und Zustände im Jahrhundert des 30jährigen Krieges, aber auch das Vertrauen einer bedrängten Bevölkerung auf die Hilfe Got­ tes durch die Fürbitte Mariens in jeglicher Not vor Augen, was hier nur in geraffter Form wiedergegeben werden kann. Aus bescheidensten Anfangen war die Wallfahrt in dieser Waldwildnis entstanden, für die die Mundart der Heimat das Wort „Unort“ bereithält. Der Jungfrau Maria auf einem Pergamentbildchen an einer Tanne

lung und der Brand Triberg 1694 ließen die Menschen in größerer Zahl ein weiteres Mal ihre Hoffnung bei der Tanne suchen. Eine Umfassung mit einem Schutzdach wurde 1695 gebaut, 1696 wurde daraus eine Holzkapelle, diese, weil zu klein, wich einer steinernen. Den Grundstein legte Haupt­ mann Kageneck. Der Bau der Kapelle 1697, der der Wallfahrtskirche unmittelbar voraus­ ging (Baubeginn: 1699), machte auch ein Wohnhaus für die Betreuung der Pilger not­ wendig, und gerade jetzt konnte Gabriel Maurer seinen Dienst quittieren. Welch glückliches Zusammentreffen der Um­ stände! 1697 wurde auch das Erbauungsjahr des Mesnerhäusles. Die Baukosten für Kapelle und Haus beliefen sich auf1202 Gul­ den, 9 Batzen und 2 Pfennig. Der erste Bewohner, „Wallfahrtsbruder“ Gabriel Mau­ rer, inzwischen Mitglied des „Dritten Ordens“ des heiligen Franziskus, erhielt aus den Spenden der Pilger eine Kutte, Schuhe und Strümpfe. Als das Haus vollständig bezugsfertig war, bot es noch fünf Geistli­ chen Obdach, bis 1711, dem Jahre der Vollen­ dung des großen Priesterhauses, überhaupt allen Wallfahrtsgeistlichen. Im Besitz der Kirche, von friedlichen Mes­ nern oder Wallfahrtsbetreuern bewohnt, hatte das Häuschen eine beschauliche Zu­ kunft zu erwarten, in seiner Abgelegenheit war es ohnehin dafür prädestiniert, möchte man meinen. Doch die Chronik der Stadt Triberg weiß es anders. Allein die häufige Umbenennung ist ein Hinweis dafür: Bru­ derhaus, ,,des Bruders Haus“, Kaplaneihaus, Priesterhaus, Mesnerhäusle. Die Not er­ zwang 1834 seine Versteigerung. Der neue Besitzer JosefBirkle aus Triberg (er hatte die 850 Gulden des Johann Fehrenbach aus Schonach um 100 überboten) mußte eine merkwürdige Bedingung eingehen: Türm­ chen mit Glocke -gegossen 1753 von Mein­ rad Anton Grieninger in Villingen -gehör­ ten weiterhin dem Wallfahrtsfond, zum Läu­ ten hatte er jederzeit Zutritt zu gewähren. Nachgerade sonderbar die rechtliche Festle­ gung: Grund und Boden blieb im Eigentum 142 • • • • • • • • • • • • • • • • r : •• • • • •• , •••••• , •• • • • • • • ·.-.····:: ! ::· .. :: ::, .. :: : • : : =··:: :: :::::·=.: :::•.::n :u::�:: ··: ··:. ::: ::··· :: . . ,…… . :: • • • •• • :··. • • ••••••••• …••….••••.•. , .. • • ··: l .. . . . :…. : • .:. • > •• •• ., Die nahezu unbekannte Nageltüre im Mesner­ häusle stellt eine Seltenheit höchsten Ranges dar. Es ist möglicherweise das einzige Denkmal dieser Art in der Bundesrepublik. Die Türe zu einem Zimmer im Mesnerhäusle bei der Wallfahrts­ kirche in Triberg lag 1915 auf zwei steinernen Sok­ keln im unteren Eingang des Rathauses. Die Pas­ santen hatten Gelegenheit, eine Spende für den glücklichen Ausgang des Ersten Weltkrieges zu machen. Jeder Nagel (für 50 Pf) sollte auch ein Symbol der Hi!fsbereitschaft und der Vaterlands­ liebe sein. Der Text ist der verkürzte und ver­ änderte letzte Satz aus dem Aufruf Kaiser Wil­ helms II. bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Der Satz. des Kaisers hieß: ,, Vorwärts mit Gott, der mit uns sein wird, wie er mit den Vätern warf“

der Stadt Triberg. Birkle starb ohne Nach­ kommen zu hinterlassen, Erbe wurde sein Verwandter Benedikt Schaffner. Dieser ver­ kaufte es 1913 an die Stadt Triberg. Doch das Haus barg ein Geheimnis! Um die Jahrhundertwende wollte das Gerücht nicht verstummen: In diesem Häuschen oder in seiner unmittelbaren Umgebung liege ein Schatz begraben. Ein Trompeter (vorübergehend Bewohner des Hauses?), möglicherweise Teilnehmer des preußisch­ österreichischen Krieges von 1866, als Baden aufösterreichischer Seite stand, habe ihn ver­ borgen und dies erst auf dem Sterbebett preisgegeben. Das Gerücht enthielt die Wahrheit. Renovierungsarbeiten förderten 1915 unter der Türschwelle einen irdenen Krug zutage -randvoll mit nahezu 600 Sil­ bermünzen: herrliche Exemplare von Kro­ nentalern und Doppelgulden. Franz Göttler, der als Junge Zeuge des Vorgangs war, erin­ nert sich an alle Einzelheiten: „Etwa im Herbst 1915 mußte im Mesnerhäuschen der hintere Gang dringend repariert werden. Als Aufseher war mein Großvater (Uhrmacher­ meister Josef Eschle) dabei und half auch mit, die alten, verfaulten und vermoderten Dielen bis auf den unter dem Hause befindli­ chen Felsen herauszureißen. Nur an einer Stelle schien der Naturfelsen noch eine Ver­ tiefung zu haben, und als mein Großvater mit dem Pickel in den vermutlichen Morast schlug, traf er abermals vermodertes Holz. Man grub weiter und stieß auf einen Holz­ decke!, unter dem ein großer irdener Topf mit dem so lange gesuchten Schatz verbor­ gen war.“ Zunächst machte man nicht viel Aufhebens von dem Fund, weil man fürch­ tete, die Münzen für die Kriegskasse ablie­ fern zu müssen. Krug und ein repräsentativer Qierschnitt von 42 Stücken sind im Schwarzwaldmuseum Triberg, Raum 1, aus­ gestellt. Es sind Geldstücke von fast einem Jahrhundert: 1755-1862. In städtischem Besitz sollte das Gebäude nach dem Willen Bürgermeister de Pellegri­ nis ein Heimatmuseum beherbergen. Mag es die Abgelegenheit des Ortes, mag es auch das verständliche Desinteresse der Menschen jener bösen Jahre an musischen Dingen gewesen sein: trotz geschmackvoller Einrich­ tung war es nicht vom Glück begünstigt und wurde 1931 wieder aufgegeben. Die freige­ wordenen Räume dienten jetzt als Heim des Katholischen Gesellenvereins. Seit dem Ersten Weltkrieg bewahrt das Mesnerhäusle eine Seltenheit ersten Ranges auf: ein Nageldenkmal. (Siehe Bild und Text!) Der Vertrag zwischen der Stadt Triberg und dem Gesellenverein (für die Dauer von 10 Jahren) bewahrte das Mesnerhäusle davor, der Hitlerjugend zur Verfügung gestellt wer­ den zu müssen. Da der Gesellenverein die Pacht kaum noch aufzubringen vermochte, gab es die Stadt 1940 an den Wallfahrtspfarr­ fonds zurück. Pensionierte Geistliche sollten darin wohnen können. Der einzige, der von dieser Möglichkeit Gebrauch machte, war der ehemalige Pfarrer von Nußbach, Adolf Hiß (1940-1944), ein „Original“ von hohen Graden. In dieser Zeit war ein Zimmer zur Hauskapelle umgestaltet. Den Zweiten Weltkrieg überstand das Mesnerhäusle, freilich mit (1960 behobenen) Beschädigungen im Mauerwerk, verursacht durch Sprengungen an der Straße. Das Glöckchen, 1932 von Benjamin Grüninger in Villingen neu gegossen, läutete die Nichte von Pfarrer Hiß, seine Haushälterin. Es rief zum Gottesdienst, erinnerte auch ·dreimal täglich an den „Engel des Herrn“. Einsam läutete es durch die bitteren Kriegsjahre weiter, bis es 1985 verstummte. Das Mesnerhäuschen hat mit seinen festem Mauern, dem Fachwerk, den zierli­ chen Fenstern und dem malerischen Dachreiter seinen ursprünglichen Charakter bewahrt. Anheimelnd sind die Räume im Innern: die kleinen Zimmer, die braunen Täferwände, das sichtbar gelassene Balken­ werk mit geheimnisvollen Zeichen, die engen, steilen Treppen, das kunstvolle, hand­ geschmiedete Türbeschläg sind Zeugen der Vergangenheit, die diese wieder lebendig Karl Volk werden lassen. 143

Zur Weihe der Jakobusglocke Eine „Glockenpredigt“ aus dem Villinger Münster von Dekan Kurt Müller Wir sind zur Feier des Pfingstfestes ver­ sammelt. Eben hörten wir die Worte des Johannesevangeliums: Jesus trat in die Mitte seiner Jünger und sprach zu Ihnen: Friede sei mit Euch!“ Und „Nach diesen Worten hauchte er sie an und sprach: Emp­ fanget den HI. Geist!“ Also haben Friede und der Heilige Geist etwas miteinander zu tun. Wir haben heute Glockenweihe. Hat eine neue Glocke auch etwas mit Friede und Hei­ ligem Geist zu tun? Gerade sind es 40 Jahre her, daß endlich das Dröhnen der Kanonenrohre aufgehört hat. Viele dieser todbringenden Rohre hat man leider hergestellt aus den von Kirchtür­ men geraubten Glocken. Wenn heute Hand­ werker und Künstler zusammenarbeiten, um aus Bronze eine Glocke und eben kein Kano­ nenrohr zu gießen, dann darf das als Signal verstanden werden, daß Friede herrscht oder werden und bleiben soll. Nicht umsonst beendet Friedrich Schiller sein Gedicht über die Glocke mit dem Appell: ,,Friede sei ihr erst Geläute!“ Friede breitet sich aus, wo Menschen sich in der Kraft des Heiligen Gei­ stes verstehen und versöhnen. Drum haben wir einen guten Termin gewählt, wenn wir am Pfingstsonntag Glockenweihe halten. Glockenweihe ist ein seltenes Fest für eine Gemeinde. Das rechtfertigt heute eine Pre­ digt über Glocken. Was sind Glocken eigentlich? Sie sind zunächst Musikinstrumente und zwar von komplizierter Art. Sie klingen mit dem Schlagton, dem Grundton und vielen Ober­ tönen. Es liegt am eigenartigen Aufbau des Glockenklangs, daß er uns so unverwechsel­ bar ins Bewußtsein, ins Gemüt und ins Herz dringt. Seit über tausend Jahren klingen die Glocken auf den Türmen der Städte, Klöster und Dörfer Europas. Am Morgen, am Mit­ tag und am Abend hören wir Glocken. Und die wichtigsten Abschnitte unseres Lebens werden begleitet von der Sprache der Glok- 144 ken. Uns läutet die Taufglocke und die Totenglocke. Wir lieben die Hochzeits­ glocken, die Weihnachtsglocken, die Oster­ glocken. Wir wissen auch noch von Sturm­ glocken. Also begleitet dieser metallene Sang, der von den Türmen schallt, den Rhythmus unseres Lebens, und er wächst dadurch den Menschen ans Herz. Dazu tritt nun die Wertschätzung, die der Glockenklang von der Kirche her bekommt. In der Sprache der Theologie und der Litur­ gie ist alles, was geweiht wird, zu den Sakra­ mentalien zu zählen. Das heißt zu den Din­ gen, die den Menschen Heil vermitteln sol­ len. Glocken werden geweiht. Sie treten damit in ein Dienstverhältnis zur Kirche und zur Gemeinde. Oben auf dem Turm hängen daher aus Bronze gegossene Rufer und Ver-

künder, die die Gemeinde sammeln sollen. Mit lauter, unüberhörbarer Sprache sagen sie die heiligen Stunden des Tages an und den Rhythmus des Kirchenjahres. Glocken sind pünktliche Diener der Gemeinde, die gele­ gen oder ungelegen laut werden lassen, welche Stunde des Heiles geschlagen hat. Nun gibt es natürlich den Einwand: Was brauchen wir auf dem Münsterturm noch eine Glocke, da hängen ja schon acht? Dazu ist zu sagen: Glocken sind in der Regel in der Mehrzahl beieinander und bilden ein Geläute. Das Geläut empfangt seinen Wohl­ klang nicht einfach von der Anzahl der Glok­ ken, sondern von ihrer harmonischen Abstimmung. Beim bisherigen Münsterge­ läut ist aber in der Baßlage ein Loch, da fehlt ein Ton. Den Mangel empfinden feine Ohren. Das ist das musikalische Argument, das zur Anschaffung dieser Ergänzungs­ glocke mit dem Ton B geführt hat. Aber es gibt viele in der Stadt, die haben sich nicht durch musikalische Argumenta­ tion zu einer Spende ermuntern lassen, son­ dern durch ihre Liebe zur Tradition. Glok­ kenklang hat in unserer Stadt schon immer einen besonderen Stellenwert. Auf dem Münsterturm hingen immer Glocken, und die große Münsterglocke wird schon 1294 in der Auszugsordnung der Stadt erwähnt. Vom Benediktinerturm klangen bis 1806 neun Glocken, sieben davon bildeten ein Glockenspiel. Aus der Stadt sind große Glok­ kengießer hervorgegangen. Die Familie Reble im 16. und 17. Jahrhundert und viele aus der Familie Grüninger, die weit über 2000 schönste Glocken für viele Türme Europas und in Übersee gegossen haben. Vor diesem Hintergrund haben viele Vil­ linger Bürger gesagt: Glocken gehören zu unserer Stadt; also muß unser Münstergeläut wieder einen guten Klang bekommen. Auf die Initiative von Hubert Waldkircher hin haben sie in jahrelanger, stiller Sammelarbeit das Geld für die neue Glocke, ca. 95 000 DM, zusammengespart. Heute empfangt das Münster dieses große Geschenk. Der Mün­ sterpfarrer dankt allen Beteiligten. Ein weiterer Einwand wäre möglich. Draußen auf dem Münsterplatz bewunder­ ten die Passanten vor allem die kostbare Glockenzier. Da könnte einer sagen: Die anderen acht Glocken auf dem Turm, die sind viel einfacher und viel billiger gestaltet und klingen doch auch gut. Den teuren Schmuck der Glocke sieht man ja gar nicht mehr da oben. Die Antwort darauf muß hei­ ßen: 300 Jahre lang war der Stolz der Villin­ ger ihre große Glocke, die 1601 von Hans Reble gegossen war, und die der damals hochgeschätzte Künstler der Stadt, Hans Amann mit ornamentalem und figürlichem Schmuck wertvoll gestaltet hatte. Leider ist sie 1909 aus verschiedenen Gründen eingeschmolzen worden. Aber sie gehörte 300 Jahre lang, viel schöner als die anderen Glocken, zum Schatz des Münsters. Der Stif­ tungsrat war nun der Meinung, die Jakobus­ glocke soll nicht nur von guten Gießern gegossen werden, sie soll auch von Künstler­ hand eine würdige äußere Gestalt bekom­ men. Den um unser Münster hochverdien­ ten Bildhauer Klaus Ringwald haben wir beauftragt, mit seiner Handschrift die Glok­ kenzier anzubringen. Und wenn Sie die Glocke ganz genau betrachten, werden sie an der Schulter und am unteren Rand Elemente aus den Bronze-Portalen wiedererkennen. Also klingen die Portale und die Jakobus­ glocke nun künstlerisch zusammen. Ein notwendiges Wort noch, warum wir auf den Namen Jakobusglocke gekommen sind. Begründungen aus der Ortsgeschichte will ich zunächst nennen: Draußen vor der Stadt in der Nähe von Nordstetten stand im Mittelalter eine Kapelle, die dem heiligen Jakobus geweiht war. In Urkunden des Pfründarchivs der Münsterpfarrei findet man interessante Berichte über dieses kleine Gotteshaus. In einem päpstlichen Ablaß­ schreiben aus dem Jahre 1342 steht, daß denen, welche beim Läuten der Abend­ glocke mit gebogenen Knien 3 Ave beten oder der Kapelle etwas an Gold, Silber oder Gewändern zukommen lassen, ein Ablaß von 40 Tagen bewilligt wird. Daraus kann 145

man ersehen, daß sich die Villinger um besondere Privilegien für ihre Jakobus­ kapelle bemüht haben. Klar ausgesagt wird aber auch, daß dort schon eine Glocke klang, wenn der Abend kam. Die Kapelle ist leider im 30jährigen Krieg zerstört worden. Das geht aus folgendem Aktenvermerk aus dem Jahr 1658 hervor: „Die Feldkapelle von St. Jakob, eine viertel Stunde von Villingen an der Straße nach Rottweil, in einem feinen Wiesentäle mit gut fließendem Brunnenwasser gelegen, ist jetzo wegen des Krieges verbrannt, indem 1633 der Feind sie umschanzet und viel Böses zuge­ fügt hat. Ein Fundationsbrief ist nicht vor­ handen, das Vermögen der Kapelle beträgt 2400 Gulden. Der Rat ist nun auf den Gedan­ ken gekommen, keine neue Kapelle auf den Platz zu bauen, sondern den Gottesdienst in das Münster zu verlegen, wo er ohne Ärger­ nus, wie oft außer der Stadt, fürgangen zele­ briert werden könnte, und das Vermögen dem sehr bedürftigen Münsterfond zukom­ men zu lassen.“ Also hat der sehr bedürftige Münsterfond das Vermögen der Jakobuskapelle sich ein­ verleibt. Der inzwischen etwas reicher gewor­ dene Münsterfond steht damit in einer Dan­ kesschuld gegenüber der Jakobuskapelle. Wir weihen unsere neue Glocke auf den Namen Jakobus und halten damit die Erin­ nerung wach an die vergessene Feldkapelle St. Jakob. Nicht nur das Vermögen der Jakobuska­ pelle ist ins Münster gewandert. Viel bewun­ dert ist im Mittelschiff an einem Pfeiler die Steinplastik „St. Jakobus krönt zwei Pilger“. Dieses interessante Kunstwerk (Anfang 14. Jahrhundert) stammt aus der Kapelle und bezeugt in unserem Münster, daß im Mit­ telalter die Pilger der großen, entbehrungsrei­ chen Wallfahrt nach Santiago de Compo­ stela auch hier vorbeigezogen sind. Sie haben es sicher bemerkt: Eine Kopie dieser Plastik ist der Hauptschmuck der neuen Glocke. Das war die Rechtfertigung für den Glok­ kennamen aus der Ortsgeschichte. Die Inschrift der Glocke führt uns zu einer zeit- 146 gemäßen Begründung. Sie lautet: Heiliger Jakobus, Schutzherr der Straßen und Pilger, führe die Völker Europas zur Einheit in Frei­ heit. Santiago de Compostela, das Heiligtum des Apostels Jakobus, war und ist wieder neu für die Menschen Europas ein zentraler Wallfahrtsort. Jahrhundertelang war San­ tiago de Compostela ein Kraftquell für die geistige und geistliche Einheit Europas gewe­ sen. Jetzt gerade ist Europa dabei, durch den Beitritt Spaniens und Portugals zur Europä­ ischen Gemeinschaft einen weiteren wichti­ gen Schritt zur Einheit hinzu tun.Jetzt müß­ ten eigentlich die Christen aller europäischen Länder mitsorgen, daß Europa nicht nur zu einem Finanzgeschäft wird und darin nur Subventionen verteilt werden, sondern daß in diesem wachsenden und sich einiger wer­ denden Europa auch die geistliche Substanz des Christentums als Kraftfaktor wirksam wird. Deshalb haben wir dieser Glocke auch den Namen Jakobus gegeben. Das Zusam­ menkommen der Völker Europas am Grab des heiligen Jakobus hat Jahrhunderte lang ihre Einheit im kulturellen und religiösen Leben gefördert. Das bleibt ein dringliches Anliegen der Gegenwart. Das Läuten mit unserer Jakobusglocke wird die geistliche Erneuerung Europas allein nicht zustande bringen, da muß der Pfingstgeist, der Heilige Geist, mit seiner Kraft mithelfen, daß Europa sein vom Glauben geprägtes Gesicht behält und ein christliches Europa bleibt oder werden kann. Zum Schluß noch eine letzte Reminis­ zenz: Die alte große Münsterglocke ist gegos­ sen worden zur Erinnerung an die schreck­ liche Pest von 1592, bei der 2000 Villinger Bürger gestorben waren. Der Rat der Stadt hatte nach Überwindung der Pest die Glocke gestiftet mit der Bitte an Gott, solches Unheil von der Stadt in Zukunft fernzuhalten. Die jetzige große Glocke auf dem Turm ist 1954 von der Stadt Villingen gestiftet worden zur Erinnerung an die Opfer der Kriege, und sie läutet jeden Freitag um 11 Uhr mit der Bitte um Frieden. Unsere neue Glocke nun soll in die Zukunft läuten.

Vergangenheit und Gegenwart in der Osthaar Zeuge der Geschichte in Schutt und Asche Der Hänslehof -über 400 Jahre alt -war eng mit der Johanniter-Kommende verwoben Wehmut war und ist immer noch ange­ Funktion eines Restaurants bekommen bracht. Denn er war einer der ältesten noch hatte – Hochzeiten, Taufen, Geburtstage erhaltenen Baaremer Bauernhöfe; er war oder auch nur so gefeiert haben, dürften das wohl neben der Zehntscheuer das markan­ ebenfalls empfunden haben. teste Wahneichen Bad Dürrheims über­ Es beginnt mit den Johannitern, die über haupt. Und er war ein unersetzliches Stück 600 Jahre von Villingen her auch in Dürr­ Geschichte dazu. Als der Hänslehof am 12. heim residierten. 1225 hatte Graf Heinrich Dezember 1985 in Schutt und Asche sank, von Fürstenberg den Ort als Lehen an diesen ging ein mächtiges Kleinod, ging ein Orden vergeben. Der Hänslehof war Amts­ geschichtlicher Zeuge für immer dahin. ,,Ich und Vogtshof der Johanniter gewesen, ver­ habe seit Amtsantritt keine schlimmere mutlich zwischen 1550 und 1580 von der Nachricht gehabt“, sagte Bürgermeister Hag­ Johanniter-Kommende Villingen erbaut. mann. Viele, die einst unter diesem wuchti­ Über Jahrhunderte war das Dorf Dürr­ gen Dach -nachdem der Hänslehof die heim mit den Geschicken der Johanniter ver­ woben. Der Komtur der Villinger Kom­ mende war Herr über den Ort, über Jahrhun- Der Hänslehof vor dem Brand 147

Der Johanniter-Saal in der nachmaligen „Pferdekoppel Hänslehof‘ derte im Besitz des Zwinges, Bannes, des Zehnten und auch der niederen Gerichtsbar­ keit. Die Untertanen hatten Frondienste zu leisten, auch Abgabe.JJ.. Als unterste gericht­ liche Instanz waltete das Dorfgericht, das aus dem vom Volke gewählten Vogt und sieben bis zwölf Richtern bestand. Alle 14 Tage „auf Montag“ hatte der Vogt einen Rechtstag zu halten, bei dem die Bevölkerung Anliegen vorbringen konnte. Das Vogtsamt haben in den vergangenen Jahrhunderten viele Dürr­ heimer Geschlechter ausgeübt, darunter die Grießhaber, die Schrenck und die Reich. Ein Grießhaber ist der letzte Johannitervogt gewesen. Im 19. Jahrhundert kam der Ort zum Großherzogtum Baden. 1715 hat in Bad Dürrheim eine verhee­ rende Feuersbrunst gewütet, der auch der Hänslehof zum Opfer fiel. Vermutlich weil der Zinnengiebel als einziger den Brand überstand, baute der damalige Johanniter­ Komptur Franz von Schönau das Gehöft an 148 exponierter Stelle wieder auf. Und so hatten dann hier seit 1715 auch Vögte des Dorfes ihren Amtssitz. Fruchtsäcke aus dem Jahre 1725, zehn Jahre nach dem Aufbau des Hofes, zeigen das Wappen der Johanniter, das Malteserkreuz mit den gekreuzten Vogts­ stäben. Zu jener Zeit war Josef Buckh vom Hänslehof der Vogt gewesen. Aus dem Jahr 1786 verdeutlicht ein Fruchtsack, daß das Geschlecht der Buckh dann jahrzehntelang auf dem Hofewar.1785 heiratete ein Mathias Reich vom Diesenhof, in der Nähe gelegen und später abgebrannt, die Vogtstochter Anastasia Buckh. Am 7.Januar 1787 wurde deren erster Sohn Luzian geboren. Er wurde der Stammvater der später in Hüfingen ansässigen, weit verzweigten Künstlerdyna­ stie. Die letzte Namensträgerin des Vogtsge­ schlechts Buckh vom Hänslehof war die Hänsli-Gotte Katharina Buckh, die 1944 hochbetagt starb. Sie hatte die Geschicke des

Der Brand vom 12. Dezember 1985 149

Hofes über die beiden Weltkriege in den Händen gehalten. Nach ihrem Tode war das Haus zunächst verwaist, bis es Verwandte, die Weinmanns, übernahmen und dafür sorgten, daß es nicht verkam. 1961 ist es gewesen, da verliebte sich eine junge, energiegeladene Frau in den Hof, eine bekannte Turnierreiterin. Herta Schlotter­ beck (heute Weiling) galt und gilt als dieje­ nige, die nach dem Kauf des Hofes das aus ihm machte, was er bis zuletzt war: Denkmal bäuerlicher Geschichte. Sie steckte Zunei­ gung und Geld, körperliche Kraft, auch Wis­ sen um die Historie hinein. Der unter Denk­ malschutz stehende Hof wurde restauriert, wurde zur Pferdepension für die Besitzerin und die Freunde. Aus einem „Reiterstühle“ wurde ein kleines Restaurant. Oben blieb der Wohnteil Privatbereich. Der große Ausbau 1965 machte schließlich aus dem früheren Stallteil ein großes Restaurant. Der Häns­ lehof mit dem wuchtigen Staffelgiebel, dem großen, alles abschirmenden Schindeldach (nicht lange her, wurde es umgedeckt), hat sich in die Ostbaarlandschaft eingepaßt. Die Johanniter hatten sich beim Wiederaufbau 1715 ganz an die in der Baar übliche Bauweise gehalten. Der mächtige lange Giebelteil barg die Zweiteilung in Wohnteil und Stall. Der Wohnteil des Hauses war in Firstrichtung in Das Haus mit dem sehr schönen und aus­ geprägten Fachwerk an der Vorderseite ist das Wohn- und Ökonomiegebäude der „Säge“ -wie man im Volksmund sagt-, etwa einen Kilometer unterhalb Tuningens im Köthenbachtal gelegen (Köthenbach, ab Sunthausen Köthach genannt). Amtlich heißt das Gehöft „Obere Mühle“ bei Tunin­ gen und hat eine besondere Geschichte. Wie die Ortschronik zu berichten weiß, konnten die Fürstenberger fast nicht über­ winden, daß neun Ortschaften „Ihrer Land­ grafschaft Baar“ -darunter Tuningen -1444 150 zwei ungleich große Teile unterteilt. Im südli­ chen kleineren Teil lag im Erdgeschoß die Stube mit dem »Herrgottswinkel“, die früher das Herzstück des Hauses gewesen sein mag. Zwei Kammern, ein Gang mit Stiege, auch eine Küche waren da. Früher waren in der Stube die meisten Möbel fest eingebaut, lediglich Stühle, Schemel und Tische beweg­ lich. Die niederen Fenster wiesen daraufhin, wie haushälterisch man in früheren Zeiten in der Osthaar wegen der harten Winter war. Im Obergeschoß des Wohnteiles, bis zuletzt von Herta Schlotterbeck-Weiling pri­ vat genutzt, war die Einteilung der Räume ähnlich. Eine große getäferte Stube und zwei Kammern. Vermutet wird, daß sich hier die Amtsstube des Vogtes befand. Unter dem großen Dach waren die Fruchtschütte und die Rauchkammer. Verbrannt ist, als der Hänslehof1985 (ver­ mutlich wegen eines elektrischen Defektes) in Flammen aufging, unersetzliches Mobiliar aus dem 18. Jahrhundert. Verbrannt auch alte Schriften, in denen die Geschichte der letz­ ten 250 Jahre aufgeschrieben war. Die Brüder Seemann aus Villingen, die den Hof 1977 von Herta Schlotterbeck-Weiling erworben hatten, sind dabei, das Gebäude nach alten Vorlagen aufzubauen. Gerlinde Pfannkuchen zu Württemberg kamen. Es gab jahrzehnte­ lange Streitigkeiten um Hoheitsrechte. An­ läßlich der Erbauung der Oberen Mühle bei Tuningen, wozu Württemberg die Konzes­ sion erteilte, erhob das Haus Fürstenberg dagegen Einspruch und drohte mit dem Nie­ derreißen der Mühle. Daraufhin ordneten die Württemberger am 25. Juli 1666 an, daß bewaffnete Bürger aller umliegenden Ort­ schaften zur Bewachung des Gebäudes auf­ gestellt wurden. Nach einer anderen Überlieferung sollen die Fürstenberger Mitte des 17.Jahrhunderts Über 300 Jahre Obere Mühle in Tuningen

im „ Württembergischen“ bei Tuningen ein Stück Land an der „Köthach“ gekauft haben, um darauf eine Mühle zu bauen. Wie dem auch sei, die Obere Mühle war also mehr als 300 Jahre, wohl auch wegen der Wasserrechte des Baches, ein begehrtes und umstrittenes Objekt und höchstwahrscheinlich herr­ schaftlichen Ursprungs. Darauf deutet nicht nur das kunstvolle Fachwerk hin, sondern auch der gediegene Innenausbau des Haupt­ gebäudes. (Ein ähnliches Fachwerk befindet sich an der früheren Zehntscheuer in Unter­ baldingen, die früher zum Kloster Amten­ hausen gehörte. Bei beiden Häusern sollen einst Hamburger Schiffszimmerleute tätig gewesen sein.) Nachdem schließlich Fürst Anton Egon von Fürstenberg durch Ge­ bietsaustausch 1708/09 mit den Württem­ bergern eine Einigung erzielte, wurde es ruhi­ ger um die „Obere Mühle“. Unter mehreren Besitzern diente sie, wie auch die etwa 500 Meter weiter talabwärts gelegene „Untere Mühle“, dem Zweck, den Bauern Tuningens und der Umgebung ihr Getreide zu mahlen. Energiequelle war ein sogenanntes oberschlächtiges Wasserrad, angetrieben mittels eines Seitenkanals durch Wasser des Köthenbaches. Da infolge der Höhenlage der Mühle (725 Meter) nicht immer ausreichend Wasser vorhanden war, mußte sie oft stillstehen. Eine Landwirt­ schaft diente als Ausgleich zum Lebensun­ terhalt der Bewohner. Zweimal machte die Obere Mühle in der Folgezeit noch von sich reden: Anläßlich eines schweren Gewitters, das in der Nacht vom 20. auf 21. August 1823 niederging, wur­ den durch einen kalten Blitzschlag zwei Menschen in der Wohnung getötet Das Haus wurde dabei nicht beschädigt, da der Blitz nicht zündete. Unglück brachte auch eine Ende des 18.Jahrhunderts in der Mühle grassierende Typhusepedemie, die ganze Familien wegraffte. Später wurde festgestellt, daß eine mit den damals üblichen Holzdei­ cheln verlegte 600 Meter lange Wasserlei-151

tungschuld daran hatte. Das Trinkwasser war verseucht, weil ebenfalls wegen der Höhen­ lage die Deiche! öfters trocken lagen und dadurch zu faulen begannen. Im Jahre 1878 brannte das Mühlengebäude vollständig ab, das Wohn-und Ökonomiegebäude blieb ste­ hen. Das war das Ende der „Oberen Mühle“ als Mahlmühle. Die Königlich-Württembergische Regie­ rung des Schwarzwaldkreises in Reutlingen genehmigte am 7. September1877 dem Rot­ gerbermeister Christian Irion zu Thuningen die Aufstellung einer Dampfmaschine zum Antreiben einer Sägemühle im Anbau seines Hauses in Dengen (heute Dengenstraße 23). Der nunmehrige Sägewerksbesitzer nahm bald darauf die günstige Gelegenheit wahr und kaufte die Brandreste der Oberen Mühle samt stehengebliebener Scheuer. Durch Anbau vergrößerte er den Wohnteil an der Scheuer. Auf dem Gelände der abgebrann­ ten Mühle gegenüber errichtete er seine Säge. Um die Dampfkraft zu sparen, wurde auch das Wasserwerk mit Wasserrad von „Sechs­ Pferdestärken“ neu errichtet. Die Säge war damals eine sehr willkom­ mene Erleichterung für mühevolle Handar­ beit, besonders bei den Zimmerleuten. Schon 1886 wurde der Betrieb an den Sohn Martin Irion übergeben. Ein zweiter Sohn – Christian Irion -machte später von sich reden, indem er als Mechaniker Mitbegrün­ der der Firma Irion u. Vosseler, Zählerfabrik, in Schwenningen wurde. Mit seiner Heimat­ gemeinde Tuningen und mit der „Säge“ blieb er stets eng verbunden und stiftete zur Ver­ vollständigung des Geläutes der Kirche Mitte der 50er Jahre eine vierte Glocke. Wei­ tere Stiftungen für die Schule und für Ver­ eine veranlaßten den Gemeinderat, durch Beschluß vom 21. März 1958 Christian Irion zum Ehrenbürger Tuningens zu ernennen. Er ist bis heute der erste und einzige Ehren­ bürger der Gemeinde geblieben und starb am 22.März 1962. Sein Bruder Martin übergab die Säge im Jahre 1921 an den Sohn Christian. Fort­ schrittlich, wie alle Angehörigen der Irionfa- 152 milie, nützte auch Christian Irion in der drit­ ten Generation die neue Zeit und ließ, gemeinsam mit dem Besitzer der Unteren Mühle, im Jahre 1925 trotz hoher Investi­ tionskosten eine elektrische Leitung legen, um dadurch Strom als neue Energiequelle für Säge und Hof zu bekommen. Bald darauf wurde die alte sogenannte „Hochgangsäge“ mit nur einem Sägeblatt durch einen moder- · nen Vollgatter ersetzt und elektrisch betrie­ ben; die Wasserkraft nebenher aber beibehal­ ten. Nun konnte mit stark gesteigerter Lei­ stung das ganze Jahr über gearbeitet werden, und das war auch notwendig, denn der Bedarf der Kundschaft stieg ebenfalls entsprechend. Damals und auch noch bis kurz nach dem letzten Krieg wurde bei Neubauten noch sehr viel Holz verwendet und meistens die Häuser vom Fundament aus mittels Riegel­ fachwerk hochgezogen. Stammholz, das von der Gemeinde verbilligt erworben wurde oder aus dem eigenen Waldbesitz, wurde zur Säge gefahren, wo es dann anhand der vom Zimmermann nach den Bauplänen gefertig­ ten Holzliste in allen Teilen zurecht gesägt wurde. Dabei entstanden Träger, Dachspar­ ren, Balken für Riegelfach und Trennwände, Bretter für Zwischenböden, Dachlatten usw. fast fix und fertig zugesägt. Wiederum ein Christian Irion, nun in der vierten Generation, übernahm die Säge 1956 von seinem Vater. Er hält seitdem den Betrieb immer auf dem neuesten techni­ schen Stand. Auch unternahm er 1948 noch­ mals den Versuch, durch Einbau eines neuen Wasserrades die Wasserkraft besser zu nut­ zen. Doch die schnelle wirtschaftliche Ent­ wicklung der letzten vierzig Jahre machte auch bei der Säge nicht halt, das Mühlrad ver­ schwand wieder, der Zuflußkanal samt Sehwellfalle wurden eingeebnet und der Sägewerksbetrieb eingeschränkt. Sägewerks­ meister Christian Irion (57 Jahre) betreibt die Säge nur noch nebenher, denn er ist in sei­ nem Fach anderweitig beruflich tätig gewor­ den. Auch die Landwirtschaft wurde zwi­ schenzeitlich aufgegeben.Ernst Braunschweiger

Feriendorf Öfingen „Zurück zur Natur“ heißt das Zauberwort der Gegenwart, und im Feriendorf Öfingen gelingt dieser Rückzug zu einfacher Lebens­ weise und in herrliche Landschaften auf sehr angenehme Weise. Weit reicht der Blick über die Osthaar, es gibt bei klarem Wetter ein fabelhaftes Panorama vom Dorf unterm Himmel(berg) zu sehen, manchmal sogar bis hin zum Feldberg oder gar zu den Alpen. Das bildet praktisch die theaterreife Kulisse für die Ferienanlage der Hein GmbH & Co. KG, die sich an die Gemeinde Öfingen an­ schließt. Das Feriendorf bedeutet aber nicht nur deswegen ein Paradies für Familien mit Kindern. Vielmehr kommt einem erholsa­ men Urlaub auch der gehobene Standard in den niedlichen Holzhäuschen entgegen und der fast alle Wünsche erfüllende Service, den Joachim Büdeker und Traudl Kummer lei­ ten. Geschlossene Fensterläden gibt es prak­ tisch nie im Feriendorf zu sehen. Die Vermie­ tung der einzelnen Holzhäuschen läuft Sommer wie Winter, nur während der Re­ genperioden im November gibt es eventuell „Saure-Gurken-Zeit“. So stellt das Feriendorf Öfingen ein lebendiges, kleines Dorf in der Gemeinde Öfingen dar, freilich mit immer wechselnden Gesichtern. Und die kommen dann vor allem aus dem Norddeutschen, zur Hälfte aus dem Großraum Nordrhein-West­ falen. Die anderen Feriendorf-Urlauber Auf einer Linie mit der Wellenbewegung in der Ostbaar-Landschaft liegen die Holzhäuschen des Feriendorfes Öfingen. Damit bezweckte die Firma Hein auch ein Stück Lebensqualität: Ferien möglichst im Einklang mit der Natur. 153

Ponyreiten ist einer der Programmpunkte, mit denen die Feriendoifverwaltung die Urlauber und vor allem die Kinder auf Trab hält kommen aus dem ganzen Bundesgebiet, ver­ stärkt seit kurzer Zeit auch aus Holland. Das hängt damit zusammen, daß die Verwaltung des Feriendorfes nun mit Reiseveranstaltern zusammenarbeitet. Das Prinzip des Feriendorfes besteht darin, zunächst einmal Hauskäufer für das Feriendorf zu finden. Von geplanten 135 Häusern sind bereits 100 verkauft. Der „typische“ Häuslebauer kommt aus dem Großraum Stuttgart, ist zwischen 40 und 45 Jahre alt und hat eine Familie mit zwei Kindern. Insgesamt 93 Holzhäuser stehen bereits in Öfingen, die Auslastung beträgt über 90 Prozent. Denn die „Häuslebauer“ verpflichten sich per Unterschrift, ihr Heim zu vermieten. Selbst können sie ihr Ferien­ domizil vier Wochen in Anspruch nehmen, allerdings außerhalb der Hauptsaison. Der große Vorteil besteht darin, daß sich diese Kapitalanlage, ,,amortisiert“ durch den 154 Mietpreis, außerdem noch steuerlich ren­ tiert. Und für die Urlauber bedeutet solch ein Ferienhäuschen ein Rückzug von Alltags­ streß, Straßenlärm und Luftverschmutzung. Und damit das „Zurück zur Natur“ mög­ lichst angenehm ist, dafür sorgt der geho­ bene Standard in den Häuschen, der fast schon mit „luxuriös“ zu bezeichnen ist. Denn Gemütlichkeit wird groß geschrieben in Öfingen. Das Baumaterial besteht haupt­ sächlich aus Holz -umweltfreundlich präpa­ riert versteht sich. Die Feriendorf-Verwal­ tung zeigt sich auch sonst mit viel Liebe zur Umwelt und Natur. Ganz gewollt verzich­ tete sie bei der Planung auf ein starres Bepfla­ stern der Ostbaar-Hänge mit Holzhäusern. Vielmehr fügen sich die Häuschen jetzt in die natürlichen Wellenlinien der Ostbaar ein und vermitteln das Bild, als ob sich das Dörf­ chen wie natürlich „zusammengewürfelt“ hätte -auch ein Stück von Lebensqualität,

einmal auf den „Himmel“, den Hausberg der Öfinger, gibt es für die Kinder Ponyreiten, Lagerfeuer mit den Bad Dürrheimer Pfadfin­ dern, Grillabende, Frühsport und vieles andere mehr. Bis zum Frühjahr 1987 profitie­ ren dann auch Öfinger Bürger von dem Bau­ vorhaben vor ihrer „Haustüre“. Da entsteht im Feriendorf ein,kleines Hallenbad und ein süßes Restaurant. Und nicht nur darin sind Bürger der Ostbaar herzlich willkommen, sondern auch zu allen anderen Aktivitäten im Feriendorf. Sabine Przewolka Sunthausen – Idylle mit Schicksal das manche Großstädtler zu schätzen wissen. Deshalb erhielt das Feriendorf Öfingen im letzten Jahr auch den Umweltschutzpreis der Stadt Bad Dürrheim. Denn ein beispielhaftes Biotop findet sich auf dem Areal ebenso, wie ,,kuschelige“ Wege, ein Bewuchs aus heimi­ schen Pflanzen wie Heckenrose und Brom­ beeren, Stützmauern aus natürlichen Boden­ steinen, und anderes mehr. Von Natürlich­ keit hält die Verwaltung sehr viel, und so stellte Joachim Büdeker ein entsprechendes Programm für die Feriengäste auf. Da geht es Zwei Großbrände bestimmten das Bild vom früher „geteilten Dorf“ Nie hat eine kleine Reise durch Sunthau­ sen etwas Hektisches. Eher still und ver­ träumt wirkt das Ostbaardorf in der breiten Talmulde der oberen Kötach. Die breite Durchgangsstraße gesäumt von blitzsaube­ ren Häusern und nicht nur sie. In der Orts­ mitte liegt er, der idyllische und weite Dorf­ platz mit der erhöhten Kirche, dem sechs­ eckigen Brunnen, umgrenzt von gepflegten Anlagen vor der alten Schule und dem Pfarr­ haus. Diese Ortsmitte wirkt großzügiger als die vieler anderer, vergleichbarer Dörfer. Wieviele wissen schon, daß ausgerechnet diese Ortsmitte, welche alte Bausubstanz so gut erhalten zu präsentieren scheint, eigent­ lich aus dem Schutt und der Asche zweier Großbrände entstanden ist? Alles noch gar nicht lange zurückliegend. Daß nach diesen Bränden Kirche, Schulhaus, Pfarrhaus, Rathaus und Gasthäuser wieder aufgebaut worden sind, ihr heutiges Gesicht erhielten. Also ist um den Dorfbrunnen herum, heute 110 Jahre alt und einst von der Gießerei lmmendingen gefertigt, viel geschehen. Als einziger hat er -neben dem bei den Brän­ den fast immer unversehrt gebliebenen Kirchturm -alles heil überstanden. Ein Sunthauser hängt an seiner Heimat, sagt O�svorsteher Waldel!lar Zürcher. Man gehört heute zur Kurstadt Bad Dürrheim. Doch die Historie beweist, daß nicht immer alles so friedfertig war. Es gab da auch noch das besondere Schicksal: Früher einmal als Ort genau in zwei Konfessionen geteilt zu sein, die katholischen und evangelischen Sunthauser. Was vieles in der Vergangenheit beeinflußt hat, worüber die neue Zeit aber längst ihr Mäntelchen legte. ,,Nein, das spielt absolut keine Rolle mehr“, lacht der Ortsvor­ steher. Zwei schicksalhafte Brände, dann noch ein Kriegsende mit Folgen für den Ort: Kom­ men wir darauf zurück. Der erste Großbrand wurde am 5. Mai 1908 genau um Mitter­ nacht, vermutlich durch Blitzschlag, aus­ gelöst. Die Kirche und 17 Gebäude in der Ortsmitte in hellen Flammen. Die betroffe­ nen Häuser, Richtung Tuningen, standen eng beieinander. Einige der betroffenen Bür­ ger bauten nicht mehr in der Ortsmitte auf, sondern siedelten am Ortsrand. Auch die Kirche war total abgebrannt, nur ein Stück vom Turm erhalten. Es währte genau 13 Jahre, dann wütete, am 4.April 1921 um die Mittagszeit, wieder ein verheerendes Feuer, von einem zündelnden Buben ausgelöst. Es war Montag nach einem Weißen Sonntag. Brandruine neben Brand-155

ruine: 29 Gebäude standen nicht mehr. Von der jetzigen Tuninger Straße bis hinunter zur Zehntscheuer reichte die Feuerwand, die ganze Ledergasse, auch den „Hirschen“ ver­ nichtet. Die Schindeldächer, die Fachwerk­ häuser, brannten wie Zunder. Während die einen dem anderen beim Löschen helfen wollten, brannte derweil das eigene Haus. Da konnte auch die Sunthauser Feuerwehr, schon 1873 durch 60 wehrhafte Männer gegründet, nichts ausrichten. Nichts die zu Hilfe eilenden Nachbarfeuerwehren. In der Ortsmitte, die schon immer einen großzügi­ gen Dorfplatz hatte, wurde im Herbst dieses Jahres der Rathausgrundstein neu gelegt, es im Baaremer Stil mit Zinnengiebel (den es vorher nicht hatte) aufgebaut. Schule und Pfarrhaus, auch sie waren 1921 Brandruinen. Der „Hirschen“ ebenfalls. Man packte wieder zu. Fünf Jahre später sollte die „Krone“ auch noch abbrennen. Sie steht heute wieder dort, wo sie auch früher war. Ein Unglück übrigens auch, was am 25. April 1945 in Sunthausen geschah, genau um 10.30 Uhr. Vier Flugzeuge der Franzosen über dem Ort, Spreng- und Splitterbomben verteilend. Zuletzt waren fünf Gebäude total vernichtet, andere schwer beschädigt, der rückwärtige Teil des Rathauses weggerissen. Auch viele persönliche Schicksale hatte der Krieg entschieden. Zahlreiche Sunthauser Landwirtssöhne waren gefallen. Die neu anbrechende Zeit tat das übrige. Heute gibt es im Ort, wo früher fast jeder eine Landwirt­ schaft betrieb, noch ganze sieben Voll­ erwerbslandwirte. Man pendelt zur Arbeit in die Stadt. In neue Wohngebiete kommt seit den sechziger Jahren Zuzug von außerhalb. Er kommt auf einen geschichtsträchtigen Fleck. Die ältesten Zeugnisse einer Besiedlung Sunthausens stammen aus der Römerzeit, die endgültige Besiedlung der Gegend erfolgte nach dem 4.Jahrhundert. Die Baar war zentrales Herrschaftsgebiet der Aleman­ nen, den eigentlichen Vorfahren. Frühere Schreibweisen Sundhusa, Sumpthusan, Sunthusin, Sundthussen. des Ortes: 156

Glück und Gnade Es gab im Ort früher einmal eine Wasser­ burg, die zeitweise sogar ein gefürchtetes Raubritternest war, vor dem nach Schaffhau­ sen reisende Kaufleute zittern mußten. Die ,,Schaffhauser“ haben sie schließlich zerstört. Um 1400 ist das Dorf fast vollständig in fürstembergischem Besitz. 1572 erfolgte die Spaltung, eine schwere Hypothek. Graf Heinrich zu Fürstenberg schenkte seiner Frau ,Gräfin Sophie von Zollern‘ das halbe Dorf mit Zubehör und Rechten. In der Folge kam dieser Teil an den Herzog von Würt­ temberg und wurde evangelisch, während die fürstenbergische Hälfte katholisch blieb. Die Grenze verlief hinter der Kirche Auch das ist bittere Geschichte: Unter drückender Not wanderten später, 1742 und 1781, tausende Baaremer nach Ungarn aus, neues Glück suchend. Es waren Sunthauser darunter. Die Revolution von 1848 soll übri­ gens im gespaltenen Dorf glühende Anhän­ ger gefunden haben. Hat man bis Ende 1840 noch getrennte Bürgermeister gehabt, 1876 endlich wurden auch die konfessionellen Schulen abgeschafft. Die Teilung des Ortes, die durchaus im Privatbereich der Menschen früher eine Rolle spielte, begann sich zu ver­ wischen. Sunthausen heute: Gemarkungsfläche 7 53 Hektar, viele Neuerungen, rege Bautätig­ keit, sogar einen Freizeitsee. Die handfeste und fleißige Mentalität, das Miteinander trägt Früchte. Unterkriegen lassen sich die Sunthauser nicht. Das haben auch schon die Vorväter bewiesen. Gerlinde Pfannkuchen * Wenn sich die Erde erwärmt fruchtbarer Hauch uns umstreicht, das erste Summen umschwärmt, scheint uns das Leben so leicht. Gern überläßt sich der Sinn dem so verlockenden Trug, glücklicher Tropfen Beginn flösse aus endlosem Krug, bis er gelernt, es ist Seines, aus den Sekunden zu zehren, ahnend am Wege ein kleines Licht zum Geleitstern vermehren. Glück ist ein süßes Getränk zwischen den Wartezeiten, Gnade das Seelengeschenk der sich eröffnenden Weiten. Gisela Mather * Wenn du dich regst in einsamer Zeit zum Geben bereit nach dem Einen, daß du dich bindest, such ihn, ob du ihn findest! Und wenn du ihn trafst, erfüllt du und satt, wie vom Kelche das Blatt löst sich dein Wort. In beglückender Hast prüfst du, ob er dich faßt. Geduldige Schätze: das Leid ohne Hülle, der Freude die Fülle, die du gewannst, -nicht denken! – verschenken, tu es, wenn du es kannst! Das Unmögliche Gisela Mather 157

Bibliothekswesen Die neue Stadtbibliothek in St. Georgen/Schwarzwald Von Bürgermeister Günter Lauffer Das öffentliche Bibliothekswesen in St. Georgen im Schwarzwald hat noch keine all­ zulange Geschichte. Nach dem 1. Weltkrieg wurde auf privater Basis eine „Lesegesell­ schaft“ gegründet, die im Laufe der Jahre zur Ausleihe an ihre Mitglieder ca. 1.500 Bücher anschaffte. Mit der Auflösung des Vereins und der Übergabe des vorhandenen Bücher­ bestandes an die Stadt im Jahre 1935 min immer wieder. Erst im Februar 193 9, also beschloß der Gemeinderat die Einrichtung einer“ Volksbücherei“. Die scharfen Zensur­ bestimmungen der nationalsozialistischen Machthaber verzögerten den Eröffnungster­ etwa ein halbes Jahr vor Ausbruch des 2. Weltkrieges, konnte die erste öffentliche Bibliothek der Stadt St. Georgen den Bür­ gern zur Verfügung gestellt werden. Es ist allerdings beklemmend, in den Akten nach­ zulesen, welches Schriftgut auf Anweisung der Reichsleitung der NSDAP aus dem der Stadt übergebenen Bestand ausgeschieden werden und wie nachfolgend jede einzelne Neubeschaffung zur Genehmigung vor­ gelegt werden mußte. Diese erste öffentliche matmuseum der ehemaligen Gewerbehalle untergebracht. Der große Aufschwung mit einer erhebli­ chen Ausweitung des Buchbestandes insbe­ sondere im Jugend- und Sachbuchbereich trat mit der Eröffnung der Bibliothek im Bibliothek war bis 1971 im damaligen Hei­ neuen Rathaus im Juni 1972 ein. Hier konnte im neuen zum erstenmal in ansprechenden Räumlich­ keiten ein Medienbestand von ca. 8.000 Ein­ heiten der Bevölkerung angeboten werden. Obwohl diese Einrichtung Rathaus nun erst 14 Jahre Bestand hatte, waren es verschiedene Gründe, die zur Ein­ richtung der jetzigen neuen Bibliothek und 158 den damit verbundenen erneut nicht uner­ heblichen Investitionen führten. Es hat sich nämlich gezeigt, daß ein gutes Buchangebot in einem ansprechenden Ambiente auch in einer Kleinstadt in besonderem Maße von den Bürgern angenommen wird. Hinzu kommt, daß die Stadt St. Georgen nicht nur wegen ihrer traditionsreichen Geschichte einen besonderen Auftrag zum Ausbau des kulturellen Bereiches hat. Die heutige Zeit des übermäßigen Angebotes und Konsums von Passivmedien verlangt von einer verant­ wortungsbewußten Kommunalpolitik ein bewußtes Gegensteuern. Dazu gehört vor­ rangig, daß gerade auch für die junge Genera­ tion attraktive Literatur angeboten wird. Da die Stadt wegen des starken Ausbaus des Fremdenverkehrs dringend für Feriengäste einen Aufenthalts- und Leseraum benötigte, bot sich an, die zu klein gewordenen Räum­ Rathaus für diesen Zweck umzuwidmen und andererseits in freigewordene Räume der zentral in der Stadtmitte, gegenüber dem Rathaus liegenden Gerwigschule, die neue Bibliothek einzurichten. lichkeiten der bisherigen Bibliothek im tungsarbeiten wurden im Februar 1986 abge­ schlossen. Seither steht diese neue Einrich­ tung mit zunehmendem Erfolg der gesam­ ten Bürgerschaft zur Verfügung. Sie bietet, nach modernen Gesichtspunkten gestaltet, in attraktiven Räumen Platz für ca. 18.000 Medieneinheiten. Arbeitsplätze, Leseecken und eine mit besonderer Liebe gestaltete Kinderecke bieten eine besonders ange­ nehme Atmosphäre. Der derzeitige Bestand von ca. 11.000 Büchern setzt sich wie folgt zusammen: Die umfangreichen Umbau- und Einrich­ Sachbücher 4.000 Bände, Kinder- und

Jugendliteratur 3.600 Bände, schöne Litera­ tur 3.400 Bände. Hinzu kommen Musik­ und Hörspielcassetten für Kinder und 15 Zeitschriften und Periodika. Es ist vorgese­ hen, die Bibliothek in kürzester Zeit auf ins­ gesamt 18 000 Medieneinheiten zu vervoll­ ständigen. Nicht unerwähnt bleiben soll, daß die St Georgener Stadtbibliothek sehr engen Kon­ takt und einen ständig zunehmenden Leih­ verkehr mit der Kreisergänzungsbücherei unterhält. 159

Ankunft Schickt er schon Boten voraus? Läuft schon sein Hauch übern Schnee? Spielt schon sein Strahl auf dem Eis? Oder ist alles nur Wahn? Sehnsucht ist vorschnell und kühn, nimmt schon den Wunsch für das Ziel. Erst wenn der Wald sich jäh schwärzt, abwarf den farblosen Reif, in seine Formen sich wölbt, biegsam von Wärme und Tau, wenn -ungehört sonst -der Wind alle Register durchläuft dieses lebendigen Turms: DANN IST ER DA. Gisela Mather Am Strand Blubb, blubb es rieselt Sand schäum, schäum Wellen schlagen ans Land pfeif, pfeif der Wind singt sein Lied rausch, rausch ein weißes Schiff vorüberzieht horch, horch ein Möwenschrei lausch, lausch ein Fischlein schwimmt vorbei gluck, gluck das Wasser verrinnt schrei, schrei jetzt weint ein Kind. Petra Presley 160 Der Schwarzwald-Baar­ Kreis in Farben 1)Kirschblüte auf dem Hohnen (Triberg) (Norbert Kessler, Triberg) 2)Blick vom Buchberg auf Achdorf und Aselfingen Oörg Michaelis, Blumberg) 3)Die junge Donau bei Pfohren Oörg Michaelis, Blumberg) 4)Motto: Alles neu macht der Mai (Lorenz Honold, Donaueschingen) 5)Motiv aus Triberg (Hans Bock, Furtwangen) 6)Das Kirchlein in Mistelbrunn im Blütenzauber (Lorenz Honold, Donaueschingen) 7)Motiv in Hammereisenbach mit Ruine Neufürstenberg (Lorenz Honold, Donaueschingen) 8)Skilanglaufloipe bei der Martinskapelle (Norbert Kessler, Triberg)

Kunst und Künstler Dr. Ema Huber: Jugendstil in Donaueschingen Jugendstil, heute wesentlich mehr ge­ schätzt als noch vor 40 Jahren, hinterließ trotz Kriegszerstörung und Ablehnung doch noch eine beachtliche Anzahl von Bauwer­ ken, besonders in den kleineren Städten. Meistens handelt es sich um einzelne Villen am Stadtrand wie in Freiburg, Villingen oder Schwenningen. Selten jedoch ist ein ganzes Stadtzentrum einheitlich in dieser Stilart errichtet worden. Donaueschingen bietet dafür eines der ganz wenigen Beispiele. Warum aber kam es gerade hier zu einer Anhäufung von Jugendstilbauten oder wenigstens von Dekor? Am 5. August 1908 brach am frühen Nachmittag in der unteren Käferstraße Feuer aus. Man muß bedenken, daß dieser überwiegend von Handwerkern, Kleinbauern und Gewerbetreibenden besie­ delte Stadtteil (Donaueschingen war 1810 zur Stadt erhoben worden) durchwegs mit Schindeln gedeckten Anwesen bebaut war und daß ein heftiger Wind an diesem Tag herrschte. Das ganze Gebiet zwischen Käfer­ straße, Wasserstraße, Rosengasse und der heutigen Zeppelinstraße bis hinauf zur Stra­ ßenkreuzung am Rathaus brannte. Durch .Iki ßr1n,l,tn/,r,r/rdpht‘ /// /J1H1U11r.tr>l1n,,rv, om J. AL'(!U.tl ff!QJ‘. Plun n,it .llo1•ki;ru11!7 t/,r UID’b/rnn tlenuu.ue. Ilm PO{lt’D/’1T11n/ f. Öll.rlt’hUllf!SPI’/. ,e .VMIMl’l’M‘.J.f111�� 4.t‘-!f…’Z’J-AIR/.,J71’1i’RI-.AÖltrl’Nlf‘. .f. Ri1111l11111f n,i!l,t ITO{ft’M!IRnt: Lageplan iil>l’r d1..•n Yom Feuer ,-ernit’hlclcn Stadlll’il. 161

Jugendstil-Türe in der Zeppelinstraße Portal am Amtsgericht Funkenflug fingen auch die beiden Eckhäu­ ser an der unteren Werderstraße Feuer. Insge­ samt brannten 125 Wohnhäuser und 168 Nebengebäude ab. Das Feuer machte erst Halt vor den Steinhäusern in der Halden­ straße. Das ganze Gebiet der Fürstenbergi­ schen Residenz blieb verschont. Da Hunderte von Familien obdachlos wurden, war ein rasches Handeln dringend. Geldmittel wurden im ganzen Reich für den Wiederaufbau gesammelt. Zum Einholen verschiedener Pläne blieb keine Zeit. Der Vordringlichkeit wegen errichtete man zuerst die Wohnhäuser und gewerbliche Betriebe in den oben genannten Straßen. Der Fürstenbergische Bau-Inspektor und nachmalige Karlsruher Professor Josef Graf berichtet in einem ausführlichen Aufsatz‘ l über „Donaueschingen nach dem Brande von 1908. Ein Beispiel modernen Kleinstadt­ baues“. Er nennt keine Namen von entwer­ fenden oder ausführenden Baumeistern. Es ist jedoch anzunehmen, daß er selbst an der Neugestaltung der Wohnviertel maßgebend beteiligt war, sicher zusammen mit der Bau­ firma Anton Mall. Graf schreibt u.a.: „Woran sollte man bezüglich der Stilformen der neuen Gebäude anknüpfen?“. Er lehnt eine Angleichung an die Fürstenbergischen Neu­ bauten nach 1724 ab und stellt die notwendi­ gen Verbesserungen der Bausubstanz in den Vordergrund: Dachdeckung mit Ziegelplat­ ten statt mit Schindeln, Mansardendächer zum Zweck der Raumnutzung, Verlegung der Eingangstreppen bei Eckgebäuden an die Ecken. Graf spricht von entstandenen „male­ rischen Lösungen, die an die besten Bilder mittelalterlicher Städte erinnern“. Noch heute sind viele der damals gebauten Häuser erhalten. Ihre Ausschmückung blieb offen­ bar dem Geschmack oder der Wohlhaben­ heit des Besitzers überlassen. So finden sich ausgesprochene Jugendstilornamente neben gotisierendem Stabwerk oder Laubgehänge, wie sie im Zopfstil (um 1800) verwendet wurden. Man kann bei diesen Bauten aus der 162

Jugendstilzeit nicht von Neo-Gotik oder Neo-Barock sprechen, da diese Bezeichnun­ gen für eine andere Epoche (zwischen 1840- 1880) zutreffen. Es handelt sich höchstens um einen Rückgriff auf Vergangenes. Weitere Anhaltspunkte betreffend die Neubauten nach dem Brand sind auch aus der Festschrift: „75 Jahre A. Mall, Bauunter­ nehmen in Donaueschingen“ von 1932 zu entnehmen. Hier heißt es: »Die letzten grö­ ßeren Bauten unseres Vaters in Donau­ eschingen waren das Haus Guggenheim Uetzt Kaufhaus Schuler -heute neu auf­ gebaut) und das Haus „Rieple“. Letzteres muß schon vor dem Brand wenigstens im Rohbau gestanden haben. „Nach dem Brand wurden durch die Firma Mal12l ausgeführt: Das Gasthaus Auerhahn, die Häuser Thedy­ Stocker, das Hotel Adler, das Geschäftshaus Heinemann Uetzt Drogerie Rasina), ver­ schiedene Häuser in der Zeppelinstraße und das evangelische Pfarrhaus in der heutigen Hermann-Fischer-Allee.“ Am Ende dieser flüchtigen Aufstellung berichtet MalJ3l: „Mein Haus, Karlstraße 4 wurde erst im Herbst 1910 fertig“. Die Firma Mall hat aber anscheinend nur die Ausfüh­ rung der betreffenden Gebäude übernom­ men, die Planung lag gelegentlich in anderen Händen. Gerade die letztgenannten Häuser führen auf das Stadtzentrum hin, dessen Gestaltung das Hauptanliegen nach dem Brand bildete. Dieses Zentrum hatte bisher lediglich in einer Kreuzung von fünf Stra­ ßenzügen bestanden, deren Mitte ein Brun­ nen mit einer Büste Kaiser Wilhelms 1. auf hohem Sockel rotem Sandstein schmückte. Bei der Neugestaltung eines Stadtzen­ trums blieb es ausschließlich den Stadtvätern überlassen, nach Ausschreibung und Wett­ bewerb die diesbezüglichen Aufträge zu ver­ geben. Die Hauptaufmerksamkeit galt begreiflicherweise dem Rathaus-Neubau. Nachdem durch verschiedene Sammelaktio­ nen (Fürstenhaus, Kaiser Wilhelm 11. und viele andere) die nötigen Mittel aufgebracht waren, konnte am 10. Mai 1910 der Grund- aus Der Sitzungssaal im Donaueschinger Rathaus stein gelegt werden. Über dieses Ereignis berichtet das Donaueschinger Tagblatt: »· .. wurde die endgültige Planfertigung und Bauleitung dem Prof. Eugen Beck und dem Architekten Wilhelm Vittali übertragen.“3l Unter dem 4. Dezember1911, nach der Ein­ weihung des Rathauses, ist ein Brief von Eugen Beck abgedruckt, in dem er richtig­ stellt, „daß nur die Pläne zur Sparkasse von Herrn Kollegen Vittali herrühren, diejenigen vom Rathaus-Neubau aber ausschließlich von mir entworfen und auf meinem Büro gezeichnet worden sind. Herr Vittali hatte beim Rathaus-Neubau lediglich die örtliche Bauleitung.“ Zunächst wurden einige Anderungen an der Lage des Gebäudes vorgenommen. Das nunmehr kleiner als sein Vorgänger geplante Rathaus sollte den Haupteingang an der dem Brunnen zugewandten Seite erhalten. Es würde kürzer sein, eher quadratisch im Grundriß. Das Gelände erweiterte man nach der Mühlenstraße hin durch eine kleine, mit 163 ..

Das Haus Mall Bäumen bepflanzte und umfriedete Anlage. Der Baukörper selbst ist schlicht, vom Zweck her gestaltet, mit hohem Walmdach und Dachreiter mit Uhr. Jugendstil verrät die Front mit einem rundbogig vorstoßenden Erker und einem betonten Portal, zu dem eine doppelläufige Treppe hinaufführt. Das Portal ist mit einer Umrahmung aus gelblichem Sandstein her­ vorgehoben und trägt in einer bekrönenden Kartusche die Inschrift „Durch Aller Hilfe“. Ein Nebeneingang befindet sich an der Nordseite. Er hat reichen J ugendstilschm uck in demselben Steinmaterial gehauen: Füll­ horn und Girlande. Der entwerfende oder ausführende Steinmetz war leider, wie auch bei allen anderen Dekorarbeiten an Gebäu­ den dieser Jahre nicht zu ermitteln. Glanzstück der Innenausstattung ist der noch heute ursprünglich belassene Sitzungs­ saal im ersten Obergeschoß. Drei hohe Tore, ganz in Braun gehalten, führen in den ovalen 164 Erker am Haus Thedy Raum, der den rundbogigen Erker ein­ schließt. Das Mobiliar ist zwar erneuert, aber im Erker ist die ursprüngliche Kunstvergla­ sung erhalten. Sie lieferte die Firma Glatz in Karlsruhe. Dargestellt sind oben die allegori­ schen Figuren von Weisheit und Gerechtig­ keit in Ovalfenstern, ferner die Wappen des Reiches, von Baden sowie von Fürstenberg, und in kleineren Glasbildern: das alte Rathaus, die katholische Stadtkirche, das Sparkassengebäude während des Brandes und das neue Rathaus. Den unteren Teil die­ ser hohen Scheiben im Erker füllt neutralfar­ bige Verglasung. Dem späten Jugendstil ist der prächtige, raumfüllende Lüster zugehö­ rig. Die Kunstschlosserwerkstatt Friedrich Lang in Karlsruhe schuf dieses, aus einzelnen kubischen Kristallkörpern gestaltete Ge­ bilde. Im übrigen ist das Haus einheitlich mit graublau gestrichenen Holzmöbeln sowie Türumrandungen und Vertäferungen mit unauffälligen Mustern in Weiß ausgestattet.

Pfauenfigur am Haus Moltkestraße 10 Der Sparkassen-Neubau wurde leider durch mehrere Umbauten sowohl äußerlich wie im Inneren total verändert. Ursprünglich soll die Schalterhalle mit prächtigen Mar­ morverkleidungen und Ornamenten aus­ gestattet gewesen sein. Vom äußeren Bild des Gebäudes gibt noch eine farbige Postkarte Auskunft. Sie zeigt neben der Rathausfront noch die Hälfte des stattlichen Baues. Er war demnach dreistöckig mit Walmdach und einem umlaufenden Balkon im ersten Ober­ geschoß. Er besaß hohe Fenster mit grünen Läden. Das Erdgeschoß zeigte ein gelblich umrahmtes Portal mit nicht genau wieder­ gegebenen Ornamenten. Das Tor steht inmitten hoher, rundbogiger Fenster. Ein mit Büschen bepflanzter Vorgarten schmückte die Front. Hingegen hat das einst Großherzoglich Badische Amtsgerichtsgebäude in der Müh­ lenstraße sein einstiges Aussehen voll bewahrt. Das Donaueschinger Tagblatt vom 24. Oktober 1910 berichtet über die Ein­ weihung des Gebäudes. Es war der letzte der offiziellen Bauten im Stadtzentrum, denn man hatte mit Rücksicht auf die starke Inan­ spruchnahme der Bauleute mit der Fertigstel­ lung gewartet. Auch wurde der Bau aus Spar­ samkeitsgründen nicht nach den ursprüngli­ chen Plänen des Architekten Edelmaier aus­ geführt. Das entstandene Gebäude ist im Winkel angelegt, dreigeschossig, mit gelbli­ chem Anstrich, paarweise geordneten Fen­ stern mit betonten Umrandungen aus dunk­ lerem Stein und kleinteiliger Scheibenanord­ nung. Der Schmuck des sonst schlichten Gebäudes konzentriert sich auf die Portale. An der Seite zur Mühlenstraße ist das Haupt­ portal asymetrisch eingesetzt und mit einer wuchtigen Umrandung in Muschelkalk her­ vorgehoben. Es trägt das badische Wappen und die Jahreszahl 1909 /1910. lm rechtwinke­ lig dazu stehenden Anbau befindet sich ein Doppeleingang. Ein drittes reliefgeschmück- 165

Jugendstil-Glasfenster am Haus Mall Kränze, tes, zum „Schöffensaal“ führendes Tor steht auf der Seite zur Sparkasse. Die Schmuckfor­ men aller Portale sind durchaus neuartig und eigenwillig: Blütengewinde, Gehänge. Der Name des entwerfenden Bild­ hauers ist nirgendwo genannt und auch nicht zu ermitteln. Es gibt jedoch eine Vermutung. Donau­ eschingen besaß nämlich schon vor dem Brand ein Jugendstil-Monument, den 1906/ 1907 errichteten Diana-Brunnen vor dem sog. „Neubau“. Am Sockel der Diana-Figur 166 und an den Vasengebilden in der Umgren­ zung finden sich ähnliche Schmuck-Motive. Der Brunnen ist ein Werk des Karlsruher Bildhauers Wilhelm Sauer (1865-1920). Man darf wohl vermuten, daß sich auch wohlha­ bendere Bürger Don,ueschingens nach dem Brand an den Meister des Diana-Brunnens erinnerten und der Künstler nochmal Auf­ träge erhielt. Der auffallende zweigeschos­ sige Erker am Geschäftshaus Thedy in der Karlstraße trägt ziemlich sicher die Hand­ schrift des Bildhauers vom Diana-Brunnen.

Hotel ,,Adler“ vor dem Umbau zur Volksbank Erst kürzlich restauriert, zeigt der Erker ähn­ liche Blüten- und Girlanderunotive wie am Brunnen, wenn auch weniger plastisch aus­ geführt. Ob die Vergoldung einzelner Par­ tien ursprünglich bestand, ist fraglich. Das gleich gilt vom Wohnhaus der Bau­ meisterfamilie Mall auf der schräg gegen­ überliegenden Seite. Der auffallende Bau mit hohen Treppengiebeln und vergoldetem Gitterwerk am Balkon und Eckerker wurde 1910 fertig g;stellt. Das Treppenhaus birgt mehrere von Anton Mall d.J. entworfene Glasfenster im Jugendstil. Der Sockel des ori­ ginellen Brünnleins vor dem Haus trägt den Namen W. Sauer. Wir entnehmen aus der genannten Mall­ Festschrift, daß auch das etwas bescheidenere Haus Rasina von Mall errichtet wurde. Den imposanten Bau des Hotels „Zum Adler“ nennt Georg Mall ebenfalls ein Werk seiner , Familie. Eine Ausschreibung im Donaueschinger Tagblatt vom Dezember 1908, die Vergabe von Aufträgen an verschie­ dene Handwerker betreffend, nennt jedoch den F. F. Bauinspektor Josef Graf als Archi­ tekten. Der „Adler“ besaß vor dem Umbau durch die Volksbank zwei kuppelgekrönte, eigenwillig geformte Ecktürmchen über Erkern, eine Eigenart, die sehr deutlich für Graf als Planenden spricht. Von der Ausfüh­ rung der Stuckarbeiten ist auch hier nichts erwähnt. Heute ist nur noch eines der Kup­ pel-Türmchen erhalten, ebenso das vor­ nehme Portal. Der massiven Gegnerschaft zum Jugend­ stil ist es zu verdanken, daß schon in den 40er Jahren die meisten von den der Rathausfront gegenüberliegenden Häuser verändert wur­ den, vor allem das heutige Fotohaus Grill und das folgende ehemalige Gasthaus „Zur Krone“. Es trug einen Aufbau in flachem Bogen. Vom Omamentschmuck an der Front ist noch weniges vorhanden. Hingegen wurde das Gebäude der Metzgerei Kanstin- 167

ger (einst Kronen-Metzig) total von allem Jugendstil befreit, ebenso das anschließende ehemalige Wirtshaus „Zum Auerhahn“ (jetzt Spielwaren-Abteilung des Hauses Thedy). Außerhalb des Stadtzentrums ist der Jugenstil jedoch unversehrt erhalten geblie­ ben, nämlich in den Neubauten zwischen 1909 und 1910 in der äußeren Moltkestraße. Hier findet man Stuckverzierungen, Kartu­ schen, bunte Glasfenster und manches andere Detail. Besonders auffällig ist eine Pfauenfigur am Haus Nr. 10 an der rechten Straßenseite. In Weiß, ohne jede Farbe oder Vergoldung_Aach auf die Fläche des Verput- zes gesetzt, ist sie damit ein hervorragendes Beispiel für die Aoreale Richtung des Jugend­ stils: Es gibt keine geraden Linien, alles ist fließend, lebend, geschwungen, flächig. Jugendstil in Donaueschingen! Leider nurmehr teilweise erhalten, legt uns und der nachfolgenden Generation die Verpflich­ tung auf, mit allen Mitteln für den Erhalt der Gebäude und ihrer Ausstattung wachsam Sorge zu tragen. Anmerkung: II In .Mein Heimatland 1914 S. 33-48″. 21 Georg Mall war Schüler von Wilhelm Vittali. 31 Wilhelm Vittali war Sohn des Gastwirts zur Burg in Donaueschingen. Hans Thoma und „Schnitzersepp“ KarlJosefFortwängler Nach über zwanzigJahren unsteten Irrens in der Fremde und qualvollen Ringens um seinen eigenen Stil in der Holzschnitzkunst war Karl JosefFortwängler etwa 1913 in seine Vaterstadt Triberg1 > zurückgekehrt, in den Techniken der plastischen Kunst ausgebil­ det, aber voll Abneigung gegen alles Akade­ mische und gegen die Kunstrichtungen sei­ ner Zeit. In seinen hinterlassenen Schriften beschränkt er sich auf allgemeine Bemerkun­ gen, seine Ausbildung sei „eine verkehrte“ gewesen, er habe „mühselig um’s Brot geschafft“. Der einzige Zeitgenosse, dessen Kunst er wegen ihrer Volkstümlichkeit aus ehrlichem Herzen bewunderte, war Hans Thoma. Mit dem großen Menschenfreund aus Bernau, dem „Schwarzwaldmaler sch1echthin“2>, ver­ band ihn der Schwarzwald als gemeinsame Heimat, das Ringen um Anerkennung, die Besinnung auf das Deutschtum (was deutsch sei, beschäftigte in jenen Jahren viele), der Wunsch, eine Heimatkunst und damit die deutsche Kunst zu kreieren, schließlich das Vorhaben, die Schnitzkunst einiger weniger zur Volkskunstindustrie zu erweitern – nahezu ein Widerspruch in sich-, um damit 168 den Wohlstand der „Heimatleute“ zu heben, aber nicht nur dies: mit einer Kunst, die jeder verstehen und jeder Begabte herzustellen vermochte, wollten sie den Menschen Freude, Fröhlichkeit und Gemütlichkeit schenken. ,,Helfende Künstler“3> wollten sie in jeder Hinsicht sein.

Während der betagte Thoma „leise, lieb, väterlich“ dem heißspornigen jungen „Schnitzersepp“ jedes Wohlwollen angedei­ hen ließ und im stillen wie publizistisch das ihm Mögliche tat, um ihn und sein Werk zu fördern, dankte Fortwängler dem Maler in hymnischen Worten, pries „die schönen Far­ ben seiner Bilder, ihre Reinheit und ihr Leuchten … die natürliche, verständige Mal­ weise . . . die poetische Auffassung“ und meinte, damit immer noch nicht das Wesen der Malerei Thomas adäquat in Worte geklei­ det zu haben. Den väterlichen Freund besuchte Fort­ wängler mehrmals in Karlsruhe und Marx­ zell. Rasch entwickelte sich für kurze Zeit ein sehr enges Verhältnis der beiden Künstler zueinander. Das Vertrauen des »Exzellenz­ Schwarzwälders“, das Fortwängler mit seinen Ideen schon beim ersten Besuch erwerben konnte, erklärt er sich auf seine eigene – mystische -Weise: „weil’s ihm sein Herz auch sagt, weil er ja in Wahrheit zu uns gehört mit Fleisch und Bein und von Geburt“, ja Fortwängler erweckt den Ein­ druck völliger Abhängigkeit von Thoma: Ohne sein Eintreten bei der badischen Regie­ rung für seine Meisterwerkstatt in Triberg hätte er diese nie in Angriff nehmen können. Auf den ersten Besuch in Karlsruhe, wäh­ rend dessen er Thoma für seine Pläne interes­ sierte, folgte bald ein zweiter, bei dem er den Meister mit seinen Kleinplastiken, dem „Gewalttätigen“, dem „Streithammel“, dem „Knackwurstsepple“, der Figurengruppe „Bruchenere kein Knecht“ usw. von seiner Auffassung Schwarzwälder Schnitzkunst überzeugte. „Und was ist der Erfolg der Ausstellung auf dem Tisch? – Lachen! Lachen! Der Herr Professor Thoma lacht über die Holzbäuerle. Der Durchbruch ist geschehen, ein Schwarzwälder hat Schwarzwälder dargestellt, nicht der Tracht, sondern der Seele nach“ . . . »Der alte berühmte Maler ergeht sich also nicht in unnötigen Lobreden, sondern ist nur tief befriedigt, weil die Arbeiten knorrig sind und in einfacher Volksweise ausgeführt. Er sagt: künftiger „So, lieber Schnitzersepp, das freut mich, was ich da sehe. Derlei Dinge habe ich immer im Schwarzwald herbeigesehnt“ . . . »Mit ein paar Züg hingeschnitzt, die Fremden werden derlei Dinge gerne kaufen.“ Fortwängler nahm an, Thoma sei der Überzeugung, daß auch andere Schwarzwälder könnten, was er. „Das macht ihn uns zum großen Vater.“ Von einem dritten Besuch bei Thoma einige Wochen später in Marxzell, wo er mit seiner Schwester Agathe zeitweise ein Forst­ häuschen bewohnte, erzählt Fortwängler am ausführlichsten. Agathe Thoma bewirtete den Gast mit Bier, Brot, Butter und Käse, während die Themen der Männer nicht die hohe Kunst betrafen, sondern in aller Ge­ löstheit die Schönheit des blauen Himmels, eine Wiese und den nahen Buchenwald. Diesmal konnte der Schnitzer dem Maler sechs geschnitzte, ungeheizte, hölzerne Stuhllehnen zeigen. Thomas Urteil: „Aus­ gezeichnet. Da alles lustig ist und derb geschnitzt, ist es für den Schwarzwald schon das richtige . . . Das Leben verlangt nach Fröhlichem, Heiterem, wie es schon von sel­ ber dafür sorgt, daß es den Menschen nicht zu wohl wird“ … Sepp fuchtelt in der Luft herum. S’ist seine Art. Nachher bringt ihn der alte Schwarzwälder auf die Bahn, gibt ihm traut die Hand und meint: „Es ist recht so, Sepp, immer weiter so“. Die Zuneigung Thomas riß den Schnit­ zersepp zu schwärmerischen Zukunftsträu­ men fort. In den Häusern glücklicher Schnit­ zerfamilien des Schwarzwaldes werden in 50 Jahren die Bilder beider Künstler hängen. Fortwänglers Büchlein werden das Wesen der Volkskunst erklären und den „Geist, den wir nicht verlieren dürfen.“ Welch großes Vertrauen der Ältere in den Jüngeren setzte, obwohl ihm seine „etwas ungeduldige Natur“ nicht entgangen war, ist einem Brief Thomas an seinen Freund Wil­ helm Steinhausen4> zu entnehmen. Er hielt ihn „für fähig, die Schwarzwälder Holz­ schnitzerei zu volkstümlichem Leben zu erwecken; die Schnitzereien von Uhrschild­ motiven, von Schwarzwälder Bauernfiguren 169

sind vortrefflich, und es wär Sünd‘ und Schand‘, wenn seine Kraft für den Schwarz­ wald und seine Industrie nicht ausgenutzt würde.“ Thoma bemühte sich, ihm eine ein­ flußreiche Stellung zu verschaffen, doch schien dies durch die Tarifordnung Badens unmöglich zu sein. Was er aber für Fortwängler tun konnte, setzte er ins Werk. Unerwartete Hilfe fand der Schnitzer aufThomas Anregung hin von Direktor Rollmar aus Pforzheim, der ihm die Kosten für Holz und andere Dinge abnahm. Eines Tages erschien in Schnitzersepps Werkstatt in Triberg ein hoher Beamter der badischen Regierung und stellte im Lauf des Gesprächs über die Zukunft der Schnitz­ kunst die entscheidende Frage: „Täuschen Sie sich nicht doch in den Schwarzwäldern?“ Fortwängler fühlte die Schwere der Verant­ wortung und rang sich dennoch zu einem klaren: , ,Nein … ich täusch‘ mich nicht“ durch. Die Meisterwerkstatt konnte mit der Unterstützung der badischen Regierung beginnen. (Durch die Ungunst der Verhäl�- nisse, wohl auch durch den unsteten Charak­ ter des Künstlers war ihr aber nur ein kurzes Leben beschieden.) Zu Beginn des Ersten Weltkrieges mußte die Verbindung zwischen Thoma und Fort­ wängler durch Briefe aufrechterhalten wer­ den. Unter Fortwänglers Aufzeichnungen fand sich ein Fragment (ohne Datum), das Thoma in der ganzen erschreckenden Befan­ genheit eines zeitgeschichtlichen Betrachters erkennen läßt: „Eigentlich kann man nur verstummen vor der gewaltig großartigen Zeit, die wie ein Gottesgericht über Deutschland, über der Welt schwebt. Besonders still wird ein 7Sjähriger, der da weiß, daß er nicht mehr mittun kann, der seine ganze Hilflosigkeit empfindet. -Aber das muß nun ertragen sein. -solang Gott will -. Möge das Schreckliche doch zur Gesundung, zur Besinnung des deutschen Wesens beitragen -Wir sehen nun erst, vor welchem Abgrund wir ,Tango‘ getanzt haben, und wie ein Apachentum Pariser Werke des „Schnitzer-Sepp“ im Rathaussaal Triberg 1926 170

Art unsere Kunst zerfressen hat-daneben das schwächliche Pflänzlein deutscher Museums- und Kunstprofessorenkunst: was konnte das helfen. Nur das Militärwesen in Deutschland war noch ganz gesund, und dies allein kann uns jetzt retten. Möge Gott uns die Kraft erhalten! – Dann wird auch die Halbheit und die Geschwätzigkeit in Politik, Kunst und Religion wieder der wahren Volksfröm­ migkeit, der Einsamkeit der Tat Platz machen. Es scheint mir, als ob im allgemeinen die Hoffnung besteht, daß die schreck­ liche Operation zur Gesundheit führen muß: dann ist sie nicht umsonst. Wenn sie nicht zur Gesundheit des Geistes führt, dann wäre auch unser Siegen nur ein Dahinsiechen. Aber wir alle hoffen, denn ein Halt ist gefunden. Jetzt dürfen wir wieder wissen und bekennen, daß wir deutsch sind. Es ist noch gar nicht lange her, so wurde man, besonders in der Kunst, ausgelacht wegen seiner Deutschheit, seiner Ungeschick­ lichkeit. Der Hochmut wollte als Übermensch den Menschen überspringen. Wir wissen es jetzt, daß wir ein Volk sind und keine zusammengelaufene Herde -wir ahnen wieder was deutsch ist, und was sich als deutsch in der Kunst bewähren wird. Ich werde ja bald Abschied nehmen müssen, aber ich glaube, daß man doch aus meiner Arbeit einen Hinzeig nehmen kann, was deutsche Kunst werden kann. Der einzelne verschwindet ja jetzt mit seinen Sorgen, doch ist es gut, daß die, welche in irgend einer Weise zusammen gehören, sich von Zeit zu Zeit Nachricht zuschicken; denn es ist halt doch die Zeit, wo jeder noch wirken muß und wirken kann zur Auferstehung eines gereinigten Deutschlands. Daß es gereinigt ist, hat es schon bewiesen. Gott schütze Deutschland! Mit treuem deutschem Gruß an Sie 172 und Ihre Frau von mir und meiner Schwe­ ster Ihr Hans Thoma.“ Als die badische Regierung 1916 -wohl in Erwartung des erhofften nahen Kriegsendes -eine Ausstellung von Fortwänglers Werken in der Kunstgewerbehalle in Karlsruhe anregte, um mit Schnitzereien für das heim­ kehrende Heer Arbeit zu schaffen, über­ nahm Thoma die öffentliche Kommentie­ rung. Der Zeitungsartikel liegt in einer Abschrift Fortwänglers ohne Angabe des Blattes und des Erscheinungsdatums vor. (Er wurde in leicht veränderter und verkürzter Form als Einführung in den Katalog »Er­ zeugnisse Schwarzwälder Meister der Holz­ und Bildkunst nach Entwürfen des ,Schnit­ zersepp‘ -Unter kaufmännischer Leitung der Uhrenfabrik vorm. L. Furtwängler Söhne Akt.-Ges. [Baden]“ aufgenommen.) Mit sei­ ner Autorität wollte Thoma um Vertrauen für das Werk des Tribergers werben, wobei er es vorsichtigerweise vermied, von »Kunst“ oder“ Volkskunst“ zu sprechen, um die Kriti­ ker nicht auf den Plan zu rufen. Statt dessen wählte er den Ausdruck »Erzeugnisse charak­ tervoller Schwarzwaldarbeit“. Die Begeiste­ rung für eine heraufzuführende nationale Kunst klingt in seinen Worten mehrfach durch. Was Fortwängler schuf, sollte ein Bei­ trag zur Klärung dessen, ,,Was unter deutsch zu verstehen ist“, dem Fremdländischen ent­ gegengestellt werden. Er sieht eine hohe erzieherische Wirkung von der Schnitzerei ausgehen, die Begabten würden beschäftigt, Talente herangebildet, sie würden sich ver­ selbständigen, Fröhlichkeit, Lachlust und Familienglück wären das Ergebnis dieser ,,Handwerkerkunst (!)“ und würde sich da­ durch gut in eine höhere Staatsordnung einfü­ gen.“ … ,,Etwas Kernhaftes“, wie die meist aus Tannenholz hergestellten Figuren und die ,,Esstübchen-, Wohn-, Sonnen-und Hochzeits­ stübchen“, würde von den Besuchern des Schwarzwaldes gern angenommen werden, Thoma hofft auch auf eine Renaissance der in Verruf geratenen Bauemmalerei, kurz: der wirt­ schaftliche Erfolg würde sich einstellen.

Es überrascht kaum, daß bei Eröffnung der Ausstellung Thoma der erste Besucher war. Als er sie verließ, faßte er seine Ein­ drücke in den lapidaren Satz: „Schnitzer­ sepp, hast nicht zu viel versprochen.“ Man darf annehmen, daß Fortwängler der Meinung war, für die Uhrenschildmalerei5l keinen besseren Meister als Thoma finden zu können, doch mußte ihn dieser enttäuschen. Nach dem (unveröffentlichten) Brief, der in der Abschrift Fortwänglers im Wortlaut wie­ dergegeben wird, scheinen die Verbindungen zwischen ihnen abgebrochen zu sein. Karlsruhe, im August 1916 Lieber Herr Fortwängler! Sie meinen, daß ich Ihnen einige Mit­ teilungen machen könnte von meinem Wissen um die ältere bodenständige schwarz­ wälder Uhrenschildmalerei, von der Sie mir so schöne Muster noch lebendigen Daseins gezeigt haben, die wohl den Wunsch hervor­ rufen, dies echt volkstümliche Handwerk dem Schwarzwald zu erhalten, weil so ein weißlackierter Schild mit seiner aus der Handfertigkeit hervor gewachsenen stylisier­ ten Blumenfarbigkeit etwas anheimelnd gemütliches hat, wie etwa eine alte Volks­ tracht. Nun ist aber mein Wissen um diese eigentliche Schwarzwälder Uhrenschildma­ lerei nicht groß. Es ist schon an die sechzig Jahre her, daß ich bei einem Uhrenschildma­ ler in Furtwangen kurze Zeit in der Lehre war, wo aber der ursprüngliche weißlackierte Holzschild nicht gemacht wurde, sondern mit Bernsteinlack und Bleiweiß grundierte Zinkbleche genommen wurden, welche wir dann mit Bildchen aus dem Volksleben mit Ölfarbe bemalten; so machten wir auch Augendreher, Kuckucksschilder, ich ko­ pierte solche Schilder nach Mustern des Mei­ sters; äußere Umstände verhinderten die Fortsetzung der Lehrzeit – weil nach der Pro­ bezeit meine Mutter nicht in der Lage war, die Bedingungen, die der Meister stellte, zu erfüllen. Ich kann deshalb keine sachlichen Mitteilungen machen über die von der Ölmalerei so ganz verschiedene eigenartige Handwerkstechnik der Arbeiten, die Sie mir gezeigt haben, die so sehr den durchsichtig leuchtenden Karakter, die farbige Reinheit an sich tragen, wodurch sie sich so sehr von der undurchsichtig trüben Ölmalerei unter­ scheiden. Darüber könnte nur ein Ausüben­ der Auskunft geben. Daß in des Volkes Kunst und Handwerks­ leben noch Werke entstehen, die nicht der Rede wert erscheinen, die sozusagen unter der Kritik sind, ist eigentlich erfreulich – denn das Unerwartete kann hier noch Ereig­ nis werden. Ich habe in letzter Zeit gar schöne Spuren von echt deutschem Schaffen gesehen, die in kraftvoller Bescheidenheit nur der Sache wegen gemacht sind, wo der Flug der Phantasie ungehindert durch kri­ tisch eingelernte Bedenklichkeiten freien Lauf nahm, in denen sich bestimmt, ich möchte sagen absichtslos das Walten des deutschen Wesens zeigt, auf welchen unsere Kunst zu allen Zeiten sich aufbauen wird, und wie wir hoffen, ein besonderer Segen sein wird, wenn einmal der Friede hergestellt sein wird zwischen den ebenso kriegswüti­ gen wie kriegsmüden Völkern – ein Frieden höherer Ordnung von dem die Menschheit von jeher träumt, nach dem sie sich im tief­ sten Grund ihrer Seele unablässig sehnt. – Ich will den Traum nicht abweisen, daß vielleicht die Kunst in ihrem höchsten, rein­ sten und schönsten Sinn dazu berufen sein könnte, dem Friedenswerk zwischen den Völkern mehr Bestand zu geben als es manchmal die Staatsmänner vermögen – durch die Kunst nur erkennen sich auch die Feinde als Menschenbrüder. Doch das ist ein gar weiter Abweg von der Uhrenschildmalerei, die der Grund sein soll, weshalb Sie mich zum Briefschreiben ver­ anlaßten – denn ich habe einmal den Fehler, daß ich, wenn ich den Brief anfange, noch gar nicht weiß, wo ich hingerate und wie ich ihn ende – ich habe eben meine Gedanken nicht am Schnürle, und wenn sie auseinander flat­ tern, habe ich genug Mühe sie wieder ein­ zufangen. Die Uhrenschildmalerei ist ein Zweig der 173

einst blühenden Bauernmalerei, ganz wie diese auf der Möglichkeit des Handwerkvor­ ganges aufgebaut; daraus ist ihr Stil hervorge­ gangen, wie er bei allen Unternehmungen des Menschen, die naturgesetzmäßig entste­ hen, sich einstellt; die immer mehr die Will­ kür ausschließen, so daß schließlich die Pro­ dukte der Hand als Erzeugnisse von Men­ schenart wie ein Naturprodukt gesetzmäßig sich gestalten; sie haben dann den geheimen Reiz, der nicht im Gegenständlichen enthal­ ten ist, so daß man annehmen darf, daß der Zweck, die Absicht dieser Bauernmalerei ein­ zig darin besteht, daß sie schmücken und zieren will -es ist eine Schmuckkunst! Da ich das Wort „Schmuckkunst“ nun ausgesprochen habe, spinne ich den Gedan­ ken weiter und meine, daß man zu den sich so stark befehlenden Lehrmeinungen über Sinn und Wesen der Malerei, wie sie sowohl bei Kennern und Ausübenden im Schwunge sind, auch einmal die Malerei als Schmuck­ kunst betrachten könnte, daß man behaup­ ten könnte, die Malerei sei aus der Freude ursprünglicher Menschen aus einem einge­ brochenen Sinn für die Farbenschönheit der Natur entstanden, die er durch stoffliche Mittel dauernd seinem Auge festhalten wollte, als ihm schön scheinenden Schmuck vielleicht zuerst durch farbige Steine, Feldern und andere Naturprodukte, die dem Auge entgegen glänzten, an seinem eigenen Kör­ per, dann auch an seinen ihm öde und leer vorkommenden Wohnstätten, an seinen Gebrauchsgegenständen anbrachte. So dürf­ te man annehmen, daß unsere Volksmalerei der nicht zu vertilgende Ausdruck der dem Menschen uneingeborenen Schmuckfreude sei, auch unsere Uhrenschildmalerei ist ein kleiner aber deutlicher Zweig davon. Als friedliebender Mensch möchte ich weiter denken, daß man als Ziel, Absicht, Zweck der Malerei, als Urgrund derselben einmal den Schmuck betrachten würde, damit ein gewisser Boden geschaffen wäre, auf dem sich die auseinandergehenden, oft so gehässig sich feindlichen Lehrmeinungs­ grundsätze einigen könnten; denn wohl kein 174 Künstler würde es krumm nehmen, wenn man ihm sagt, daß sein Werk ein „Schmuck­ stück“ sei, abgesehen von seinem eigenen gegenständlichen Wollen und Bestreben. Der Idealismus, der Naturalismus, der Klassizismus, der Impressionismus, der Kubismus, der Futurismus, kurzum alle Ism usse, die gar oft sich nicht verstehen, weil sie aus fremden Ländern stammen, könnten sich hier verständigen, könnten sagen: Ja das wollten wir ja alle, daß unser Werk dem Auge als wohlgefälliger Schmuck erscheine -daß es aus dem Schaffen unserer Hand als ein Werk der Schönheit hervorgeht. In dieser Neutralität „Schönheit“ derer Reichskanzler Geheimrat „Schmuck“ heißen würde, könnten sich die feindlichen Brüder wohl einander nähern und einander verste­ hen lernen; da könnten sie sagen: das wollen wir alle mit unserem Malen erreichen, „Schmuck“ ein edles Gebilde, wie es die lebendige Natur in Stein, Pflanzen und Tier und Mensch jederzeit auch erschafft, wie es im Wandel des Himmels, im Wechsel von Licht und Finsternis sich uns zeigt. Ganz hausbacken möchte die Natur dem Maler sagen: hier hast du deine Stoffe hell und dunkel und Farben in materieller Beschaffenheit -nun bilde aus diesen Stof­ fen mit der dir innewohnenden Lebenskraft, mit deiner schaffenden Hand ein Werk, das ein Abglanz ist von der großen Naturharmo­ nie, in welche das Wesen„Mensch“ hineinge­ stellt ist. Es war mir eine Freude, daß Sie die alte Uhrenschildmalerei-Handhabung noch in ihrer echten Art am Leben entdeckten, dies entspricht Ihrem Entdeckertalent, welches Sie, aus der Fremde zurückgekehrt, in der alten Heimat betätigen; so wenn ich auch nichts Sachliches sagen kann, schicke ich doch durch Ihre Vermittlung der gemütli­ chen alten Schildmalerei in alter Erinnerung freundlichen Gruß. Zungentechnische Gedankenerörterun­ gen, ob sie nun auf Wahrheit oder Lüge sich aufbauen, haben, wie der tobende Krieg uns zeigt, nicht sehr viel Wert, nur die harte Tat

spricht, das gilt im Großen, im Gewaltigen, im Kleinen und Geringen, aber doch auch, und so sind auch die Sprüche, die ich für die alte Schildmalerei habe, nichts anderes als eine freundliche Erinnerung an sie, nützen kann auch hier nur Jemand, der sich am Handwerk betätigt und sich darum, daß er es versteht, sich beteiligen kann. Wenn Sie für die Holzschnitzerei nicht mit beiden Händen, bedauernd, daß Sie nicht mehr Schaffhände haben, bemüht sich fleißige Hände dienstbar zu machen, wenn Sie nicht mit Ihrem ganzen Talent ins „Holz“ gegangen wären mit der Idee, die Schnitzerei für den Schwarzwald als Heimarbeit nutz­ bringend zu machen, so hätten alle lehrhaf­ ten Auseinandersetzungen, wie man es machen müsse, nicht viel genützt, und Sie wären halt nicht der Schnitzersepp. Für mich war Ihr Handwerk überzeugend, dessen Zusammenhang mit der Art des Schwarzwaldvolkes ich vielleicht als gebore­ ner Schwarzwälder lebhafter empfinden konnte als mancher andere. Da es sich aber hier nicht um Sie und Ihr Talent handelt, sondern weil der Grund Ihrer anspornenden Tätigkeit der ist, dem Schwarzwald eine nutzbringende Hausindu­ strie zu ermöglichen, dazu braucht es aller­ dings des belehrenden Wortes, und da freut es uns, daß der Schnitzersepp auch sagen und schreiben kann. Daß er als Vorbild, als Vor­ schnitzer dem geschickten Arbeiter Anre­ gung zum eigenen Tun, Mut und Sicherheit geben kann, das hat er schon bewiesen, und so ist zu hoffen, daß wenn unsere Männer vom Kampfe zur friedlichen Arbeit zurück­ kehren, der Boden bereitet ist zu einer fried­ lich, fröhlichen Haus-und Heimarbeit. Die Schildmalerei kann nur im Anschluß an die Uhrenindustrie Bestand haben und da ist sie gewissermaßen von der Mode, von der Nachfrage abhängig. Ihr Gedanke geht, wenn ich Sie recht verstehe dahin, daß man in der schönen Technik der alten Schildmale­ rei ebenso hergestellte Bretter als leuchtender Schmuck für billig Geld gewerbsmäßig in Umlauf bringen könnte, so daß sie wie die jedermann begehrens­ Holzschnitzereien wert und erschwinglich sein würden, so daß sie als Heimarbeit betrachtet, Beachtung fin­ den könnten, sich von mechanisch her­ gestellten Druckbildern unterscheidend. Aber das ist ein Rechnungsexempel, das ich nicht beurteilen kann. -Da könnte nur ein handwerkskundiger Vormaler belebend wir­ ken, sodaß zu dem Schnitzersepp sich eine Malerhand gesellte. Versuche in der Art sind auch schon gemacht worden mit der Farben­ verzierung von schwarzwälder Holzwaren und Schachteln, mit welchem Erfolg weiß ich nicht. -Jedenfalls aber fehlte die vollen­ dete Technik, wie sie die Uhrenschildmalerei erreicht hat in der Handhabung des Grundie­ rens und Lackierens. Es gibt ja gar viele junge Maler, die voll Talent und Findigkeit sind – ob nicht einmal einer sein Können in den Dienst dieser handwerklich so schönen Arbeitsart stellen wird? der mithelfen würde zur Herstellung billigen Wohnungsschrnuk­ kes? Solcher Maler könnte, wenn er seinen Ehrgeiz befriedigen will, sich den vielen schon vorhandenen Ismussen unter dem Namen „Schrnuckist“ angliedern. Er braucht auch nicht gerade Hans zu heißen; meinet­ wegen „Gregorius“. Wenn ich aber etwas schreiben soll, so kann ich dies, da ich kein Schriftsteller bin, nicht nach der Schnur in die Allgemeinheit hinein tun, ich muß mir eine Persönlichkeit vorstellen, der ich das sage was ich will, und so wähle ich am liebsten die Briefform, in die ich meine Gedanken fasse, in der ich mich gehen lassen und mir sogar ein Späßlein erlauben darf. So müssen Sie statt einer ordentlichen Abhandlung unpersönlicher Art, die Sie vielleicht erwartet haben, schon mit diesem Brief vorlieb nehmen. Wenn Sie ihn jemand vorlesen wollen, so sagen Sie, daß der Brief an Sie gerichtet sei. Ein „Grüß Gott“ und ein „Behüt Gott“! von ihrem Schwarzwälder Landsmann Hans Thoma. (Anmerkung: Grundlage dieses Beitrages sind Schriftstücke, die der einzige Schüler 175

Karl Josef Fortwänglers, Karl Rieber in Furt­ wangen, von diesem erhalten und auf­ bewahrt hat. Er stellte sie dem Verfasser zur Auswertung für den Festvortrag aus Anlaß des 60jährigen Bestehens des Rathaussaales in Triberg, eines Werkes von Fortwängler, zur Verfügung und gab auch die Erlaubnis, sie für das Archiv des Schwarzwaldmuseums zu kopieren. Die zitierten Stellen sind den beiden (nicht paginierten) Faszikeln „Der Schnitzersepp an seine Heimatleut. Rede über Hans Thoma“ und „Ein Hans-Thoma­ brief an den Schnitzersepp“ entnommen. Der Verfasser dankt Karl Rieber und Ernst Bausch, dem Archivar des Schwarzwaldmu­ seums Triberg, für die freundliche Überlas­ sung der Schriftstücke.) Karl Volk Qu e l l e n- u n d L i t e r a t u r h i n w e i s e: 1) Das Einwohnermeldeamt Triberg ver­ zeichnet die Anmeldung Karl Josef Fort- wänglers am 18. Mai 1914. Da jedoch der Brief Thomas an Wilhelm Steinhausen das Datum vom l.Juli 1913 trägt, und man aus Fortwänglers Schriftstücken den Ein­ druck gewinnt, er habe Thoma von Tri­ berg aus besucht, ist die Rückkehr in seine Heimat wohl früher anzusetzen. 2) Ingeborg Schroth: Schwarzwaldmaler im 19. Jahrhundert, Lindau, Konstanz o.J. S. XXVII. 3) Ausdruck in Anlehnung an Wilhelm Hausenstein: „helfenden Roman“ in LICHT UNTER DEM HORIZONT – Tagebücher 1942-1946, München 1967, s. 141. 4) Hans Thoma: Aus achtzig Lebensjahren­ Ein Lebensbild aus Briefen und Tagebü­ chern gestaltet von Jos. Aug. Beringer, Leipzig 1929, S. 302. 5) Vgl. Begleiter durch die Schätze des Schwarzwaldmuseums Triberg 1982, S. 60. Die neue Taufe in der Lorenzkirche in St. Georgen Die alte Lorenzkirche, zum ersten Mal in einer Steuerliste 1275 erwähnt, war nach ver­ schiedenen Veränderungen 1865 beim gro­ ßen Brand des Ortes St. Georgen so in Mitlei­ denschaft gezogen, daß ein neuer Kirchen­ bau notwendig wurde. Er konnte bereits zwei Jahre später, am 27.10.1867, eingeweiht werden, in einer Zeit, in der die Kirchen meist in den Formen vergangener Stile gebaut wurden. So weist auch die Lorenz­ kirche neogotische Formen auf. Die Taufe hat seit frühchristlicher Zeit einen großen Wandel durchgemacht, von der Erwachsenentaufe in lebendigem Gewäs­ ser bis zur Kindertaufe durch Übergießen des Kopfes; von der alleinigen Taufberechtigung des Bischofs bis zur Taufe durch den Pfarrer, von dem großen Becken, der piscina, in das der Täufling hineintaucht, bis zum Tauf­ stein, der zuweilen auch aus Bronze, Holz oder Keramik besteht, von dem eigens 176

geschaffenen Gebäude, dem Baptisterium, bis zur Taufschale auf dem Altar. Auch in der alten Lorenzkirche gab es wohl einen Taufstein, auf den ein Becken und eine Kanne zur Taufhandlung gestellt wurden, denn 17 46 werden solche Geräte aus Zinn von der Löwenwirtin Katharina Traut­ wein gestiftet. Neben Altar und Kanzel wird im Bereich der evangelischen Kirche, früher als in der katholischen, im Altarraum der Taufe ein dritter Platz zugeordnet. So wird sie in das Zentrum des gottesdienstlichen Geschehens einbezogen. Unter den Augen der Gemeinde wird der Ungetaufte durch die Taufe in die Gemeinschaft Christi und seiner Gemeinde aufgenommen. Darum sollte der Taufstein deutlich im Kirchenraum in Erscheinung treten. Da in der Lorenzkirche die gesamte Archi­ tektur, auch der vorhandene Taufstein, von der Neogotik geprägt ist, wurde e i n Modell 177

für den Bronzedeckel diesem Stil angelehnt, ein anderes war mehr den Ausdrucksmitteln unserer Zeit verpflichtet. Die Kirchenge­ meinderäte beider Pfarreien haben sich für den „neogotischen“ Vorschlag entschieden. Dabei entstanden runde Felder, in die nach dem Vorschlag des Verfassers dieses Beitrags Darstellungen biblischer Szenen eingefügt werden sollten. Die von einem Ausschuß der Kirchengemeinde vorgegebene Thematik 178 befaßt sich mit je vier Berichten aus dem Alten und dem Neuen Testament, die Bezie­ hung zur Taufe haben. Aus dem Alten Testament sind dies: 1. Noah mit der Arche;2.Jacob ringt am Bache Pniel mit dem Engel; 3. Durchzug durchs Rote Meer; 4. Der Walfisch, aus dessen Maul Jona entsteigt. Aus dem Neuen Testament: 1. Der sin­ kende Petrus, von Jesus festgehalten; 2.

Nikodemus im Gespräch mit Jesus (geboren aus Wasser und Geist); 3. Die Fußwaschung; 4.Lydia läßt sich in Philippi mit ihrem gan­ zen Hause taufen. Eine längere Diskussion, ob eine Darstel­ lung mit Symbolen möglich wäre, war vor­ ausgegangen, letztlich aber wurde zugunsten der verständlicheren bildhaften Gestaltung Der Maler Johann Baptist Laule entschieden. Der erste Entwurf hatte als Griff eine Gruppe mit Christi Taufe im Jor­ dan. Sie war optisch zu schwer und thema­ tisch zu viel. Daher wurde er durch einen ein­ fachen, formal besseren Knauf ersetzt. In die eigentliche Taufschale ist ein Fisch eingra­ viert, eines der ältesten Christussymbole. Emil Jo Homolka Einer ursprünglich in Schwärzenbach bei Neustadt beheimateten, alten Schwarzwäl­ der Sippe entstammend, wurde Job. Bapt. Laule am 20. 9.1817 als Sohn des nach der Schweiz umgesiedelten Landwirts Bernhard Laule in Sargans (Kanton St. Gallen) gebo­ ren. Über seine Jugend-und Ausbildungs­ jahre ist nichts mehr bekannt. Ende der vier­ ziger Jahre kam er, vermutlich dem Rat sei­ nes bei Martin Blessing, dem legendären Orchestrion-Erfinder, tätigen Bruders Josef folgend, nach Furtwangen. Nur wenige Daten aus seiner Laufbahn sind heute noch mit Sicherheit anzugeben. Man weiß, daß Laule 1850 den Hochaltar der Gütenbacher Kirche erneuerte und ferner, daß ihm die Uhrmacherschule im Jahre 1853 für „vorzüg­ liche Leistungen auf dem Gebiet der Ölmale­ rei für die Schwarzwälder Uhrenindustrie“ den Preis von 50 Gulden zuerkannte. Spär­ lich sind auch die seine Person betreffenden Berichte: er lebte zurückgezogen, ein kulti­ vierter Junggeselle, liebte die Musik und das gute Gedicht und pflegte, als Freund alles von der Natur Geschaffenen, eine Blume im Knopfloch zu tragen; er war menschen­ freundlich und stets bereit, anderen mit Rat und Tat beizustehen. Seine Handschrift ver­ rät Biederkeit und Reinheit des Empfindens. Sein Bild (1866) zeigt ihn als großgewachse­ nen Mann. Diesen wenigen Angaben gegen­ über spricht seine künstlerische Hinterlas­ senschaft eine um so beredtere Sprache. Laules Schaffen umfaßt eine Vielzahl von Portraits, Landschaften und Genredarstel-179 Auf dem Furtwanger Friedhof erinnert ein schlichter Grabstein, eingelassen in die Außenwand der Kapelle, an den Maler Johann Laule. Er hält das Andenken wach an jenen Mann, dem das Städtchen im Bregtal zur Wahlheimat wurde und der hier, nach nahezu einem halben Jahrhundert künstleri­ schen Wirkens, die letzte Ruhe fand. Laules Werk, das die hohe malerische Tradition der beiden Kimer-Brüder fortführte und der Uhrenschildmalerei im besonderen wesent­ liche Impulse gab, ist mit dem kulturellen und wirtschaftlichen Leben der damals rasch aufblühenden Stadt Furtwangen eng ver­ bunden.

Jungen nebst Kopien aller Art. Seine Arbei­ ten tragen zwar nicht die Handschrift eines großen Meisters, doch legen sie Zeugnis ab von seinem soliden handwerklichen Kön­ nen und von der Fähigkeit liebevoller Durchdringung des Gegenstandes. Man darf sagen, daß er das künstlerische Erbe der bei­ den bedeutendsten Furtwanger Maler, Johann Baptist und Lukas Kirner, die er noch persönlich kennenlernte, würdig verwaltet hat. Besonders die herausragende Persönlich­ keit von Lukas scheint es ihm angetan zu haben; eine Reihe von dessen Bildnissen sind heute nur noch in den von Laule geschaffe­ nen Kopien erhalten. Der heimliche Lyriker, der in ihm steckte, konnte es sich manchmal nicht versagen, die in strenger Monumentali­ tät vor dunklem Hintergrund stehenden Kir­ ner’schen Gestalten in eine beziehungs­ reiche, schmückende Umgebung zu setzen, ihnen damit statt der leisen Feierlichkeit und gesammelten Würde ein liebenswürdiges, volksliedhaftes Genre verleihend. Daß er es mit bemerkenswertem Takt und mit Spar­ samkeit tat, beweist sein Einfühlungsvermö­ gen. Was die Kraft der Charakterisierung anbelangt, so sind leider nicht alle von Laules Kopien als voll gelungen zu bezeichnen; indes geben sie, tüchtig gemalt, immerhin eine ausreichende Vorstellung des Originals. Laules eigene, zumeist kleinformatigen Bild­ nisse von Furtwanger und Schönenbacher Bauersleuten bezeugen, daß er sehr wohl ver­ stand, selbst nach Modell zu portraitieren. Was sich an Landschaftlichem oder an Gen­ rebildern von Laules Hand noch vorfindet, einiges davon auf Blech gemalt, weist ihn als verspäteten Romantiker aus. Ein besonderes Verdienst erwarb sich). B. Laule um die künstlerische Förderung der in und um Furtwangen tätigen Uhrenschild­ maler. Noch bemühten sich die Abkömm­ linge jenes Cajetan Kreuzer, der um 1790 die Technik des Malens mit Lackfarben aufKrei­ degrund erfunden hatte, und die anderen Uhrenschildmaler um die äußere Ausgestal­ tung der Uhr, des wichtigsten Schwarzwälder Industrieproduktes; längst war die Entwick- 180 lung von der einfachen Waaguhr zur Pendel­ uhr und Spieluhr fortgeschritten. Robert Gerwig, Direktor der Uhrmacherschule, der das Gesamtbild der Uhr durch eine neue Form zu heben bestrebt war, veranlaßte neben einigen anderen namhaften Künstlern des Schwarzwaldes und der Baar (Reich, Heinemann, Frank) auch den mittlerweile als Einheimischen geltenden Johann Baptist Laule, Entwürfe für die Schilder der soge­ nannten Rahmenuhren zu liefern und selbst solche Blecheinlagen für den Gehäuserah­ men mit ansprechenden Genre-Szenen zu bemalen. Im Staatlichen Uhrenmuseum zu Furtwangen sind heute noch eine Anzahl von Uhren mit guten Laule-Schildern auf­ bewahrt. Seine Schulung hat die zeitgenössi­ schen Uhrenschildmaler maßgeblich beein­ flußt. Die Nachwelt hat Laule, dieser Ver­ dienste wegen, weitgehend in die Zunft der Schildmaler eingereiht, was im Hinblick auf sein sonstiges Werk nicht ganz berechtigt ist. Aus einem weiteren Grund verdient der Bauernmaler Laule in diesem Zusammen­ hang gebührende Erwähnung: Kein geringe­ rer als Hans Thoma, stärkster künstlerischer Exponent des Schwarzwaldes überhaupt, verbrachte bei Laule eine kurze Lehrzeit. Thoma berichtet darüber in seinem Erinne­ rungsbuch „Im Winter des Lebens“: ,,End­ lich kam ich zum Uhrenschildmaler Laule nach Furtwangen. An einem schönen Tag ging ich mit der Mutter über die Schwarz­ waldhöhen nach Furtwangen. Ich blieb einst­ weilen zur Probe dort, und es gefiel mir. Da der Meister an einer Staffelei saß und eine Palette in der Hand hatte, so erklärte ich der Mutter, daß das ein richtiger Maler sei. Vier Wochen war ich dort, es ging alles gut. Ich durfte malen, und ich glaube, der Meister konnte mich recht gut gebrauchen. Als Johann Baptist Laule am 1. Juni 1895 die Augen schloß, verlor das karge Land der schwarzen Wälder einen seiner guten Gei­ ster. Christian Baumann

Bilder zum Nachdenken Leben und Werk von Hermann Simon der Schöpfung und andererseits Aufschrei der geschundenen Kreatur. In diesen Tiefen­ schichten sammeln sich die Erlebnisse und Eindrücke der Kindheit, der Jugend und der Gegenwart. Sie bestimmen bewußt, aber auch unbewußt, das Thema und die Art der Gestaltung, besonders dann, wenn gewalt­ same Eingriffe in die menschliche Existenz mit all ihren negativen Auswirkungen zu ver­ kraften sind. Die Arbeiten von Hermann Simon sind das Ergebnis eines expressiven Ausdrucks­ verlangens, sie sind nicht mit ästhetischen Maßstäben zu messen, wenn gleich in man­ chen Werken auch ein Hauch von Romantik mitschwingt. Hermann Simon wurde am 29. Septem­ ber 1920 in Marbach-heute Ortsteil von Vil­ lingen-Schwenningen -geboren. Die Eltern betrieben eine Landwirtschaft. Die Arbeit auf dem elterlichen Hof schuf eine enge Ver­ bindung zur Natur. 1940 wurde der Jung- Paar im Winter „Wenn Du über Kunst, Künstler und Kunstwerk nachdenkst, dann bleibe nahe an der Sache, behalte das Kunstwerk im Auge. Von Kunst spricht man nur gut vor Bildern.“ Dieses Wort des Impressionisten Paul Cezanne steht am Anfang unserer Betrach­ tung über das Leben und Werk von Her­ mann Simon. Sein künstlerischer Schwer­ punkt ist die Grafik, Bilder zum Hinein­ schauen, zum Nachdenken. Der gestaltende Mensch trifft in der Natur um sich herum, in seinem Innern, im Rück­ blick und Ausblick auf eine Fülle von Ein­ drücken. Sie erregen ihn, er erkennt die Gesetzmäßigkeit und vollzieht im schöpferi­ schen Prozeß die Umsetzung zum Bild. Seine Kundgabe kommt aus einem erschüt­ terten Menschen -sie ist einerseits Lobpreis (,/ -��, .� . ·’�· ::. ·�’·r’· . ,·I . . . , • h1 ,· .. ‚. 181

bauer Soldat. Harte Jahre folgten. Zwei Ver­ wundungen waren vorausgegangen; die dritte, 1943 bei Orel in der UdSSR, sollte sein Leben grundlegend verändern: Q!ierschnitt­ gelähmt lag er in sowjetischen und deutschen Lazaretten. Lange war er ans Bett gefesselt. Und in jener Zeit wuchs in dem Versehrten der Wunsch zu künstlerischem Tun. Die Überwindung des körperlichen Ge­ brechens mit Hilfe der bildenden Kunst wies ihm neue Wege. Zwar hatte er als Kind und jugendlicher schon gezeichnet und gemalt, später Kriegskameraden und Landschaften skizziert, doch nun drängte es ihn -aus der Klinik entlassen – zum Studium. „Wenn man nicht aufgeben will, muß man sich einer Aufgabe stellen“, sagte er. Nach seiner Heirat 1950 trat er ein Jahr später in die Grafikklasse der Stuttgarter Akademie der bildenden Künste ein. Seine Frau half ihm dabei, die Schwierigkeiten des schwerkriegsversehrten Rollstuhlfahrers zu Kleinbauern mindern. Vier Jahre lernte und arbeitete er in den Klassen Zeichnen, Grafik und Illustra­ tion. Die Professoren Rössing, Gollwitzer und Meid waren seine Lehrmeister. Sein künstlerischer Schwerpunkt war die Beherr­ schung des Holzschnitts. Schon als Junge erwarb er sich auf dem Bauernhof enge Beziehungen zum Material Holz, das er damals jedoch noch mehr mit dem Taschen­ messer bearbeitete. Nach Abschluß der Studien in Stuttgart war Hermann Simon in Obermarchtal und später in Bräunlingen tätig. Seit 1966 wohnt er in seinem Heimatort, ein neues Haus ent­ stand in Marbach. Hier kam es dann bald zu freundschaftli­ chen Beziehungen zu anderen Kunstschaf­ fenden der Region. In freien Maigruppen wurden Erfahrungen ausgetauscht und Tech­ niken inhaltlich erarbeitet. Diese Begegnun­ gen waren fruchtbar und motivierten ihn zu kreativem Tun. 182

Siesta Männerchor 183

liebes an, man spürt noch die gestaltende Hand. Meist sind es einander zugeordnete Figurengruppen. Sie verstärken die gesell­ schaftskritischen Aussagen der Holzschnitte durch die räumliche Komponente: Sänger, Sportler, Kartoffelleser, Christopherus … Es ist das Dreidimensionale, das die Möglich­ keit schafft zum Begreifen -sichtbar und spürbar. Die Aquarelle, meist Blumenmotive, Naß in Naß auf Japanpapier gemalt, sind ein Spiel mit den bildnerischen Mitteln -Formen und Farben fließen ineinander über, die strenge Kontur verwischt. Sie zeigen in anderer Form die Sensibilität des Künstlers. Das Werk Hermann Simons ist in keine Stilrichtung einzuordnen -es ist von keinem Zeitgeist beeinflußt. Das gibt den Arbeiten Substanz und Dauer. Zahlreiche Ausstellungen im heimatli­ chen Raume, am Bodensee, in Stuttgart, aber auch in Wien, Paris und London brachten ein gutes Echo und internationale Anerken­ nung. Sechs bedeutende Preise, u. a. der Bun­ deskulturpreis für Behinderte 1978 und ein vom ZDF gedrehter Film sind Beweise der starken Beachtung seiner künstlerischen Lei­ stung. Es ist erfreulich, daß nicht Pessimismus seine Aussagen begleitet, sondern daß das „Dennoch“ ihm Kraft verleiht, Belastungen zu überwinden, und daß sein Kunstschaffen letztlich in Form und Inhalt einen selbständi­ gen Beitrag leistet zur Orientierung in unse­ rer unruhigen Welt. Helmut Heinrich * Der Samariter Der Holzschnitt gibt Hermann Simon die Möglichkeit, seine Bildthemen komposito­ risch so zu überhöhen, daß die Bildaussage zwingend den Beschauer in seinen Bann zieht. Daß die Inhalte in vielen Fällen sozial­ kritisch sind, überzeugt und ist aus der Situa­ tion des Künstlers verständlich. Seine Arbei­ ten haben eine fordernde Aussage. Während der Kunstschaffende in frühe­ ren Ausstellungen „nur“ mit seinen gekonn­ ten Holzschnitten vertreten war, ist sein heu­ tiges kreatives Tun vielfältiger und thema­ tisch gelöster geworden -auch im Holz­ schnitt. Neben den zahlreichen Darstellungen des Menschen in der Gruppe, in seiner Umwelt sehen wir Blätter -alles Handabzüge -mit Tieren und Landschaften -z. B. Abendfrie­ den liegt über dem Hügel, ein vor dem Haus sitzendes Bauernpaar, zu Füßen der Hund, und vor ihnen die äsenden Schafe und Zie­ gen, das Hühnervolk im Vordergrund – Geborgenheit oder Schicksalhaftigkeit? Zahlreiche Skulpturen und Gefäße stehen in seinem Haus. Sie sind aus Ton von ihm gestaltet. Es haftet ihnen etwas Ursprüng- 184

Der Maler Klaus Burk in St. Georgen Bilder aus dem Schwarzwald – nicht nur zum Wiedererkennen Wer kennt sie nicht, die Ansichtskarten aus dem Schwarzwald mit dem ewig blauen Himmel, den markanten Punkten und den Sehenswürdigkeiten? Wer kennt sie nicht, die Ölbilder in den Souvenirgeschäften und Kaufhäusern? Gemalt in den seltensten Fäl­ len vor Ort, zumeist ersetzte ein Foto oder eben die Ansichtskarte die direkte Konfron­ tation mit der Landschaft. All diese Bilder in Millionenauflage erfüllen ihren Zweck, sind brauchbar als Erinnerungsstütze, Urlaubs­ orte zum Wiedererkennen, wenn der Urlaub selbst nur noch sehnsuchtsvolle Erinnerung ist. Schön hat die Erinnerung zu sein, freund­ lich, und so sind auch die Bilder höchstens dekorativ. Darüber kann man lächeln, tut es insgeheim wohl auch. „In Blei gegossene Landschaft“, sagt spöttisch Klaus Burk. Und dabei weiß er natürlich, daß die Betrachter seiner Bilder ihn häufig messen an eben die­ sen Ansichtskartenidyllen. Schließlich lebt er in St. Georgen, mitten im Schwarzwald, hier findet er schließlich tagtäglich seine Motive, hier erwartet man, daß man zumindest wie­ dererkennt, was da mit Pinsel und Ölfarbe auf der Leinwand festgehalten wurde. Leben von der Kunst? Das kann er natür­ lich nicht. Dann müßte er all diese „Gräus­ lichkeiten machen, die sich verkaufen las­ sen“. Also ist er bürgerlich Beamter im Villin­ ger Landratsamt. „Sozialminister“ -zur Zeit, aber er hat schon viele andere Ressorts im Amt beackert. Als „Spätberufener“ ist er Beamter geworden, als „weißhaariger Greis“ 185

stand er erst vor seinen Examinatoren, um sein Referendariat abzuschließen. Selbstiro­ nie und Selbstkritik machen nicht einmal Halt vor seiner Kriegsversehrung. Mit 17 Jah­ ren in den Krieg, russische Gefangenschaft, TB, und zu Ende war der Traum vom Musi- 186 Selbstbildnis kerleben. Das Jurastudium war für den ge­ bürtigen Weinheimer zugleich auch der Ver­ zicht auf diese alten Jugendträume. Was frü­ her die Musik war, ist heute das Malen. Zeit

dafür bleibt nur am Abend, nachts, an den Wochenenden und in den Ferien. Ein „Sonn­ tagsmaler“ im wahrsten Sinne des Wortes? Wahrscheinlich würde Klaus Burk diesem „ Verdammungsurteil“ sogar zustimmen. Die Selbstkritik macht’s möglich. Aber eben diese Selbstkritik bewahrt ihn auch davor, ,,Sonntagsmaler“ zu sein! ,,Drei Viertel von dem, was ich mache, ge­ hört in den Ofen.“ Aber Selbstkritik ohne Selbstbewußtsein ist unmöglich, und deswe­ gen setzt er gleich hinzu: „Das gilt für die meisten Künstler.“ Seine Frau unterzieht sich der „bösen Pflicht“ als Kritikerin. ,,Malübun­ gen“ würden es zumeist werden, die da ent­ stehen, keine Bilder. Was einigen wenigen mit einem Schuß Genialität gelingt, dahinter steckt bei Klaus Burk unendliche Arbeit. Er sieht die Fehler selbst, die er in seinen Bildern macht, versucht zu verbessern. Und er be­ wundert all diejenigen, denen man die Mühe und Arbeit beim Malen nicht ansieht. ,,Nicht wie lange du dich bemüht hast, ist wichtig, sondern das Ergebnis.“ Der eine, perfekt hin­ geworfene Strich, damit beginnt die Kunst. „Die vielen Striche, um vielleicht zu einem ähnlichen Ergebnis zu kommen, das ist Arbeit.“ Das Bild auf der Staffelei ist eigent­ lich „fertig“, aber er selbst ist noch nicht „fer­ tig“ mit diesem Motiv! Der Weg über die Brücke, die Häuser, aber wie magisch wird das Auge von dem weißen Haus am rechten Rand angezogen. Der Blick wird geführt, wohin er nicht geführt werden soll. Nicht die verschachtelte, verstellte Tiefe des Raumes im Vordergrund, sondern dieser steht 187

„dumme“ weiße Fleck. Abschneiden, das wäre eine Lösung, aber damit würde der Auf­ bau des Bildes verändert. Also sucht er weiter nach Lösungen. Kunst als Arbeit. „Man müßte herumlaufen, da sitzen die Leute, und die sollte man zeichnen, ständig.“ Dazu fehlt die Zeit. Aber gegen diese feh­ lende Zeit des Übens kämpft er an. Bilder entstehen während der Spaziergänge, „Spa­ ziergangsbilder“, so nennt er sie selbt. Knappe Ölskizzen, die reduziert sind auf die wesentlichen Eindrücke von Farbe und For­ men. „Was ich behalten habe, das male ich.“ Der sinnliche Eindruck vor Ort wird in der Erinnerung ästhetisch neu geordnet. Nicht die photographische Wirklichkeit wird ab­ gebildet, sondern das Bild im Kopf. Weil er in der Landschaft lebt, sie liebt, wird er davor bewahrt, gegen sie zu malen. Weil er die Kunst liebt, die ästhetische Form, wird er davor bewahrt, nur einen Abklatsch dieser Landschaft zu liefern. Er zählt nicht die Fen­ ster der Häuser ab, die Blätter am Baum, sein Eindruck von der Landschaft entsteht auf der Leinwand. Wenn die Leute ihre eigenen Häuser nicht wiedererkennen, lacht er nur. Das Wundern hat er sich abgewöhnt. Und die skeptischen Betrachter haben ja recht! Es ist ja nicht mehr „ihr Haus“, das sie im Bild wiederzufinden suchen. Auf der Leinwand ist es ganz das Haus des Klaus Burk gewor­ den. Wiedererkennbar ist nicht der be­ stimmte Punkt, ein bestimmtes Gebäude. Aber wiedererkennbar ist die Region. Das Schwarzwälder Haus, dick mit Schnee bedeckt, wobei das tief heruntergezogene Dach ein Teil der Landschaft wird. Die eng aneinanderliegenden, bunten und geometri­ schen Häuser in Südfrankreich, grell von der Sonne beschienen, sich gegenseitig schüt- 188

zend vor der Hitze. Vielleicht sagen diese Bil­ der doch mehr aus über die Landschaft als es die „naturgetreue“ Ansichtskarte jemals könnte und wollte. Autodidakt ist er im Grunde, auch wenn er von seinen eher zufälligen Lehrern erzählt. Von ihrer Warnung vor den parallelen Linien. Das habe ihm eingeleuchtet, denn das kannte er von der Musik her, ,, weil dann keine Spannungen mehr auftreten“. Nach der Spannung in Farbe und Form sucht er bis heute und bewundert die Künstler, bei denen er diese Spannung wiederfindet. Bei Utrillo etwa: ,,Wie schafft er das, daß man genau da hinschaut, wohin der den Blick haben will. Wie der die Himmel macht mit nichts schein­ bar. Erst wenn man das nachmacht, merkt man, wie gut das ist.“ Und „wie schwer“ könnte man hinzufügen. ,,Nicht mit dem Verstand ist das gemalt, sondern mit dem Gefühl“, mit dem intuitiven Wissen, wie diese Farben zusammengehören. Aber Klaus Burk weiß auch, daß das „Gefühl“ alleine nicht genügt, daß die Technik dazugehört, das Wissen von den physikalischen und psy­ chologischen Wirkungsweisen der Farben und Formen. Also schaut er sich nicht nur die Bilder in den Museen und Ausstellungen an, sondern lernt auch aus den klassischen Theo­ rien: die Farbenlehre des Johannes Itten, ohne seine „Farbsymbolik“, die Material­ kunde von Wehlte. Und da er ein Mann der Praxis und nicht der Theorie ist, muß er das malerisch umsetzen, was er gelesen hat. Da schwingt ein wenig die Bauhausschule mit, der Weg vom Handwerklichen zum Künstle­ rischen. Und so ist es fast selbstverständlich, daß Gespräche mit ihm auch immer wieder zum Bauhaus führen. Das Handwerkliche vom Bauhaus, die Umsetzung von den Klas-189

sen, seine Vorlieben gefunden, ,,und deswe­ gen war ich ein schlechter Schüler“. Klaus Burk hat für sich etwas gelernt, etwas, was mehr geworden ist als nur ein Hobby. Zum ,,Schwarzwaldmaler“ wird er nie werden, Postkartenbilder wird er nie malen. Und er wird immer mit dem skeptischen Kopfschüt­ teln derjenigen zu rechnen haben, die von einem Landschaftsmaler, der zudem noch im Schwarzwald lebt, so etwas erwarten. Zu sehr setzt er sich mit seiner Neigung zu groß­ flächigen Formen und der farblich gebroche­ nen Bestimmung von Licht und Atmo­ sphäre davon ab. Gauguin hat einmal einem Schüler und Bewunderer geschrieben: ,,Ein guter Rat: Arbeiten sie nicht zu sehr nach der Natur. Kunst ist Abstraktion; holen sie diese aus der Natur, indem sie von ihr träumen. Und denken sie mehr an die Schöpfung, die entstehen soll, als an das Vorbild.“ Dieser ,,Rat“ scheint fast sinnbildlich über den Bil­ dern von Klaus Burk zu stehen. Uwe Conradt sikern der Modeme: Paula Moderson­ Becker, Beckmann zum Beispiel. ,,Man darf den Raum nicht leugnen und ihn trotzdem auf die Fläche bringen“. Daß die heimliche Liebe Pablo Picasso gilt, verleugnet er nicht. Aber die Zeit des Kopierens ist längst vorbei. Die Vorbilder sind erahnbar, aber er wett­ eifert nicht mit ihnen, wahrscheinlich auch, weil er seine eigenen Grenzen kennt. Grenzen auch in der Technik. So macht er keine Grafik, weil ihm das Handwerkliche fremd ist. Das Aquarellieren hat er aufgege­ ben, das schönste Papier und die teuersten Farben -das Ergebnis blieb unbefriedigend, um es vorsichtig auszudrücken. Weil er im Herzen ein Perfektionist ist, ein Perfektionist des Auges, hat er das Experimentieren gelassen. Wie kommt jemand, der seine entschei­ denden Jugendjahre im Dritten Reich ver­ bracht hat, zu solchen Vorbildern? Zu Hause standen alte Jahrgänge der „Leipziger Illu­ strierten“, eine Kulturzeitschrift aus der Wei­ marer Zeit noch. Die stand „in der zweiten Reihe des Bücherschranks“, die hat er geie- Der Donaueschinger Maler und Grafiker Hans Lang wurde 70 Jahre Immer noch ist er für Überraschungen gut: Hans Lang, der Donaueschinger Maler und Grafiker, der am 25. Februar 1985 das 70. Lebensjahr vollendete. Wenn es um das Erproben und Entwickeln grafischer und malerischer Techniken geht, mit denen noch bessere künstlerische Ausdrucksformen und Wirkungen erzielt werden können, dann erweist er sich nach wie vor als ein unruhiger Geist, als ein kreativ Schaffender, der ständig auf der Suche ist. Zwei Beispiele! Vor sieben Jahren stellte er in seinem Garten-Atelier an der Wasserstraße 1 in Donaueschingen z�ei neuartige Varian­ ten seiner Ölmalerei vor. Bei der ersten dieser Varianten dient ein Karton als Malfläche. Dabei wird die glatte Fläche aufgerauht, so 190 Auf der Suche nach neuen Techniken daß sie die Faserstruktur von grobem Aqua­ rellpapier annimmt. Ein Isoliermittel sorgt dafür, daß der Farbauftrag nicht zu stark in das zuvor noch geglättete Rauhfasergewebe eindringt. Ein Sprühfirnis gibt abschließend dem Bild Leuchtkraft und seidenmatten Glanz. Aquarellierte Ölmaltechnik – so könnte man dieses von Hans Lang entwik­ kelte Maiverfahren der Variante 1 bezeich­ nen. Bei der Variante 2 handelt es sich um eine transparentartige Ölmaltechnik mit fres­ koartiger Wirkung. Der Bildträger ist hier eine Spanplatte, die mit weißem Malgrund vorgewalzt wird. Beim Aufbringen des Motivs benützt der Künstler einen scharfen Spachtel, der einen Teil des Malgrundes in

Reifens ab. Schritt um Schritt versuchte der Autodidakt die Eindrücke der Außenwelt bei der Umsetzung in die Welt der Farben und Formen zu vereinfachen. Auf Studien­ reisen in den Süden und Westen entdeckte er die unterschiedlichen Wukungen des Lichts in den einzelnen Landschaften. Nicht weniger als viermal kehrte der Donaueschinger Maler allein in den sechzi­ ger Jahren nach Frankreich zurück, dem wichtigsten „Studienobjekt“ seiner künfti­ gen Landschaften. Er sah die Normandie, die Bretagne, skizzierte die Hafenplätze an der atlantischen Küste und verliebte sich in das strahlende Licht der Provence, der Heimat eines Cezanne, mit dessen Kunst der Donaueschinger Maler sich immer wieder neu auseinandersetzte. So gelangen ihm schließlich in den siebziger Jahre� jene Pro­ vence-Aquarelle und Bilder in 01, deren Farbskala meist nur durch wenige, aber sehr sensible Grün-, Blau-, Rot-und Ockertöne bestimmt wird. Während der Maler uns in seiner Garten­ Galerie die neuesten Arbeiten aus dem Früh­ jahr 1985 zeigt, schildert er dem Besucher die bei diesen Bildern angewandte Maitechnik in Öl. Der Farbstoff besteht aus Trocken-Pig­ menten. Als Bindemittel dient reines Leinen­ öl, das mit synthetischem Terpentin ver­ mischt ist. Der Tatsache, daß der Trocken­ Pigment-Farbe keine Fremdstoffe beige­ mischt sind, schreibt Hans Lang die beson­ dere Leuchtkraft seiner Ölbilder aus dem Jahr 1985 – darunter ,Junges Paar mit Lebensbaum“, ,,Provence-Landschaft“ -zu. Bei diesem Anlaß formuliert der Donau­ eschinger Maler sein Verhältnis zu dem gro­ ßen französischen Impressionisten aus der Provence wie folgt: ,,Cezanne ist mir inso­ fern Vorbild, als er mich die Landschaft sei­ ner Heimat verstehen und begreifen lehrte. Er hat mich zu immer neuen Auseinander­ setzungen mit der Provence, ihrem Licht, ihren Strukturen, ihren Menschen, den Dorf­ und Kleinstadtmotiven inspiriert. In dieser Landschaft gilt es, gerade auch auf die klei­ nen, unscheinbaren Dinge zu achten und sie 191 Selbstporträt, Kohlezeichnung 1985 Form von winzigen weißen Fleckchen wie­ der bloßlegt. Die farbige Darstellung erhält bei diesem Verfahren eine erhöhte Trans­ parenz der weichen Lasurtöne. Sein Vater war Kirchen-und Dekorations­ maler in Bruchsal. ,,Inmitten von Farbtöpfen und Pinseln, von Skizzen und Entwürfen aufgewachsen“, wurde Hans Lang techni­ scher Zeichner. Offizier im Zweiten Welt­ krieg, verbrachte er eine nahezu dreijährige Kriegsgefangenschaft in Offizierslagern unter anderem in Dijon, Vaucouleur und bei Luneville -in Frankreich. ,,In jenen Jahren“ – so Hans Lang -,,entdeckte ich das Medium Malerei“. Mitgefangene, im Zivilberuf aka­ demische Lehrer, eröffneten ihm den Weg zur Kunst. In Donaueschingen, das ihm nach der Entlassung endgültige Heimat wurde, begann er 1948 als Gebrauchsgrafiker und freier Maler. Bei der Rückschau zeichnet sich, aus­ gehend vom Naturalismus bis zum heutigen Standort zwischen Realismus und Impres­ sionismus, ein langer Weg des künstlerischen

Landschaft in der Provence, Ölbild 1985 junges Paar mit Lebensbaum, Ölbild 1985 192

mit raschem Stift festzuhalten: Gegenstände und Begegnungen im Freien, dann wieder im Cafe oder an der Bar, die nicht zuletzt den Zeichner fordern“. Kein Zweifel-die in der Provence gewon­ nenen Eindrücke und Erfahrungen – sie haben in den achtziger Jahren auch Hans Langs Bilder und Motive aus der engeren Heimat künstlerisch beeinflußt, bereichert und vertieft. So etwa seine Blätter mit dem Titel „Hinterhof-Romantik“, deren Entste­ hen der Künstler einmal wie folgt schilderte: „Ob es sich wohl rentiert, mit Fahrrad, Papier und Zeichenstift durch die offenen Hinter­ höfe zu fahren? Man glaubt es kaum, da gibt es reizvolle Eindrücke noch und noch. Ich war fasziniert von dem, was scheinbar nur so hingestellt, wie Requisiten für eine zeitgenös­ sische Theatervorstellung, manches unwich­ tig, ausgebraucht, nicht mehr verwendbar, und doch hat alles seinen Platz, aufgehoben, als ob all diese Dinge noch einmal im Leben gebraucht würden“. Ein Kapitel für sich die Anregungen, die Antikes Paar, Tusche – Filzstift, 1974 die Kunst Hans Langs aus der Welt des Zir­ kus, des Theaters, der Donaueschinger Musiktage, dann wieder des Balletts erfuhr. Da gibt es die abstrakten Kompositionen des Künstlers, die bald als „atmosphärische Schwingungen“, dann wieder als „Spiele von Wolken und Wellen“ angesprochen werden können. Doch auch in den abstrakten Schöpfungen bleibt Hans Lang der Natur, der Landschaft, den Blumen und Pflanzen nahe. Immer wieder erkennt man in seinen abstrakten Gebilden, bei der freien Gestal­ tung, beim Spiel mit Formen, Farben und Linien, Blatt-und Pflanzenformen. Ähnliche Beobachtungen kann man bei seinen figür­ lichen Themen, besonders bei den Akten, machen. Nicht zu vergessen die zeichnerischen „Schnappschüsse“ von Charakterköpfen und Typen aus dem Volk, denen der Künst­ ler bei Studienreisen „unterwegs“ begegnete, in Lokalen, Gaststätten, auf sommerlichen Campingplätzen. Die Frage beim Abschied in der Donau- .. • Clown, Tusche Pinsel 1960 ‚ 193

Ungarischer Kettenhund, Kohlezeichnung 1976 eschinger Wasserstraße von dem Siebzigjäh­ rigen: „Wie geht es weiter?“ -„Mit Fleiß und Energie“, so der Künstler, ,,doch alles Wei­ tere hängt von den Umständen, von den Am Anfang stand die Idee von Bürger­ meister Lauffer, dem neu entstandenen Stadtzentrum von St. Georgen einen Mittel­ punkt in Form eines Glockenspiels zu geben. In Süddeutschland ist dies die Ausnahme. Markt-oder Stadtbrunnen sind dort eher verbreitet Urbanes Leben sollte darin seinen Ausdruck finden und gefördert werden. Die 900-Jahr-Feier der Stadt St. Georgen hat das geschichtliche Bewußtsein geweckt, das lange geschlummert hatte und nur von wenigen gepflegt worden war. Fast alles Sichtbare und Erlebbare aus der großen künftigen Begegnungen mit Natur und Menschen ab“. So das künstlerische Credo von Hans Lang: „Der Maler kann auf die stete Beobachtung der Natur und den Kon­ takt mit den Menschen nicht verzichten. Lorenz Honold Geschichte des Klosters, und damit des Ursprungs der Stadt, war aus ihren Mauem verschwunden. Das Kloster war nach einer wechselvollen Geschichte abgegangen, der Ort zum letzten Mal 1865 von einem Groß­ brand heimgesucht. Besonders wertvolle Kunstwerke waren nach Karlsruhe, Rottweil und in andere Orte gelangt, die Klosterbi­ bliothek im wesentlichen zwischen Karls­ ruhe und Freiburg aufgeteilt worden. So ent­ stand ein natürliches Bedürfnis, dieser einst bedeutenden Stätte klösterlichen Lebens mit einer weiten Ausstrahlung und der daraus Das Glockenspiel in St. Georgen 194

Das Glockenspiel Abt Theoger, bedeutendster Abt in der Gründer­ zeit Kaiser Maximilian!., der Verleiher des Markt­ rechts Großherzog Leopol.d von Baden, der St. Georgen zur Stadt erhob 195

erwachsenen Stadt ein sichtbares Zeichen zu setzen. Zwei Standorte boten sich an: einer in Nähe des Rathauses, der zweite, bessere, dort, wo das Glockenspiel heute steht. Nur ragten an dieser Stelle vier große Oberlichtklötze aus dem Boden für die darunter liegende Tiefgarage der Bundespost. Diese gaben dem ganzen östlichen Platzbereich einen starken Akzent, der in jedem FaJI störte. So mußte für eine gute Lösung gefordert werden, daß diese Oberlichtklötze erst zu entfernen seien. Maße, Material und Farbe müssen stimmen, wenn ein Raum, ob innen oder außen, gestal­ tet wird. Gemeinderat und Bürgermeister schlossen sich einhellig dieser Auffassung an. Besonders glücklich konnte sich die Stadt schätzen, daß die Sparkasse St. Georgen die Finanzierung der Arbeit weitgehend über­ nahm. Sie hat, vertreten durch ihren Direk­ tor Christen, den Fortgang der Arbeit groß­ zügig und verständnisvoll begleitet. Die Arbeit konnte beginnen. Vier Mo­ delle im Maßstab 1:10 wurden geschaffen und dem Gemeinderat vorgelegt, der sich rasch und einstimmig für den nun ausgeführ­ ten Entwurf entschloß. Wesentliche Unter­ schiede der Entwürfe bestanden darin, daß drei Entwürfe wie e i n Körper wirkten, zwei aus vier einzelnen Elementen, einer ganz geschlossen gebildet waren. Die Gliederung wurde durch die Glocken erzielt. Zwei Ent­ würfe haben weitgehend runde, zwei vier­ eckige Grundformen. Die geschichtlichen Themen sollten bei einem Entwurf als breites Reliefband rings um die „Glockentürme“ laufen, bei zwei wei­ teren als Medaillons daran angebracht sein. Die Reliefs hätten die Möglichkeit geboten, geschichtliche Ereignisse gut ablesbar zu gestalten. Das ausgewählte Modell zeigt vier unterschiedlich hohe „Glockentürme“, die deutlich voneinander getrennt sind, an denen je eine Person, die die Geschichte der Stadt wesentlich beeinflußt hat, auf einer Konsole steht. Der Unterzeichnete hatte vorgeschlagen, einen hl. Georg um zwölf Uhr mittags den 196 Drachen mit seinem Spieß erstechen zu las­ sen. Leider konnte er dafür kein Interesse wecken. Diese Lösung hätte einen Hinweis auf die Stadt und ihr Wappen, zugleich aber auf die mechanisch-technischen Fähigkeiten der St. Georgener Bürger gegeben. Mein Vor­ schlag, einen Betrachter als Figur aus Bronze vor das Glockenspiel zu stellen und damit eine Beziehung zwischen ihm und den Zuschauern und Zuhörern zu schaffen, steht noch im Raum. Keine Schwierigkeiten bereitete das Fin­ den von drei der vier Figuren: Abt Theoger als bedeutendster Abt der Gründungszeit, Kaiser Maximilian I., als Verleiher des Markt­ rechts, und Großherzog Leopold als derje­ nige, der den Ort zur Stadt erhob, boten sich an. Für die vierte Figur gab es keine gleich bedeutende, einzelne Persönlichkeit. So wurde der St. Georger schlechthin auf die vierte Konsole gestellt. Er hält einen Gockel unter dem rechten Arm und ein Zahnrad in der linken Hand. Dies deutet auf das Her­ kommen und die Hauptbeschäftigung der Bürger dieser Stadt. Die Ausbildung der Konsolen unterstreicht dies noch einmal. Die Texte auf den Scheiben unter den Figu­ ren berichten über sie und ihre Bedeutung für die Stadt. Der Gesamtentwurf stammt vom Verfas­ ser. Die vier Figuren wurden von ihm in Ori­ ginalgröße aus vier bis fünf Millimeter dicken Wachsplatten modelliert, um so direkt in Bronze gegossen werden zu können. Die „Glockentürme“ wurden von der Kunstschmiede Klaus Walz in Villingen in vorbildlicher Weise hergestellt. Sie tragen innen ein Skelett aus Stahlrohren, um die Stabilität zu gewährleisten und sind mit 2 mm starkem Tombak-Blech ummantelt, da es kein Bronzeblech im Handel gibt. Ein Turm wiegt cirka eine Tonne. Die Glocken und ihre Mechanik hat die Firma Gebrüder Schneider, Turmuhren und Läutemechanik in Schonach, geliefert. Sie mußte sich den vom Entwurf vorgegebenen Maßen einordnen, was nicht immer leicht zu sein schien. Emil Jo Homolka

Chormusik Johann Nepomuk Schelble Ein Hüfinger als Gründer des Frankfurter Cäcilienvereins und Wiederentdecker Bachs Kunstleben geschafft, wäre beispielsweise den Brüdern Lucian und Franz Xaver Reich der Weg nach Frankfurt, wo sie ihr künstleri­ sches Rüstzeug erhielten, nicht geebnet wor­ den. Dies war Johann Nepomuk Schelble, ein Onkel der Brüder Reich. Er begründete und leitete einen der damals besten Chöre Deutschlands, den Frankfurter Cäcilienver­ em. Johann Nepomuk Schelble entstammte einem alten Hüfinger Geschlecht. Er wurde am 16. Mai 1789 als Sohn des Korrektions­ hausverwalters Franz Josef Schelble und des­ sen Ehefrau Katharina geborene Götz in Hüfmgen geboren. Klavierunterricht erhielt er schon früh von seinem Vater. Die Haus­ musik muß ohnehin im Hause Schelble einen hohen Stellenwert besessen haben, denn auch die Mutter hatte eine sehr schöne Stimme. Am Fürstenbergischen Hof in Donau­ eschingen, wo in jener Zeit Musik und Thea­ ter besonders gepflegt wurden, wirkte der jugendliche Schelble schon bald als Schau­ spieler und Sänger mit. Ihm wurde auch eine Stelle im Hauptarchiv übertragen, die er aber schon mit 18 Jahren aufgab, um zur weiteren musikalischen Ausbildung nach Stuttgart zu gehen. Über den in Hüfmgen aufgewachse­ nen Galeriedirektor Johann Baptist von Seele wurde das junge Talent mit]. B. Krebs bekannt. Dieser war ein angesehener Kom­ ponist, Regisseur und Sänger. Ihm verdankt es der junge Schelble, dem württembergi­ schen König vorsingen zu dürfen, worauf er eine Stelle als königlicher Hof-und Opern­ sänger erhielt. Im Jahre 1814 allerdings zog es Schelble nach Wien. Am dortigen Hoftheater hatte er anfangs 197 Im 19. Jahrhundert machte sich das alte Landstädtchen Hüfingen einen Namen als „Künstlerstadt der Baar“. Diese Bezeichnung war ganz und gar nicht übertrieben, denn heute noch bekannte Maler, Bildhauer, Schriftsteller und Musiker sind hier geboren und aufgewachsen. Um den Kunstmaler und Schriftsteller Lucian Reich scharte sich eine Gruppe von meist miteinander verwandten oder verschwägerten, hochbegabten Künst­ lern, die unter dem Namen „Hüfinger Künst­ lerkreis“ bekannt wurde. Ohne Förderung von außen hätten sich diese vielseitigen Talente jedoch niemals entwickeln können; dazu war die Provinz doch zu tief und die Zentren der Kultur zu weit entfernt. Hätte nicht bereits einer den Sprung aus dem kunstsinnigen Bauern- und Handwerker­ städtchen an der Breg ins großstädtische

nicht den erhofften Erfolg, da die „Stuttgar­ ter Schule“ in Wien nicht beliebt war. Er blieb nur zwei Jahre in der Donaustadt. Über mehrere Stationen, wie Preßburg, Prag und Berlin, kam er schließlich nach Frankfurt am Main und wurde im Februar1817 fest am dor­ tigen Theater angestellt. Er sang überwie­ gend größere Opernrollen. Seine Stimme wurde von den Kritikern oft überschweng­ lich gelobt, und er stieg zu einem der besten Tenöre Frankfurts auf. Doch schon nach drei Jahren mußte er aus gesundheitlichen Grün­ den seine Arbeit am Theater aufgeben. Zu diesem Zeitpunkt hatte Johann Nepomuk Schelble jedoch schon den Cäcilienverein gegründet. Mit diesem Chor schuf sich der Musiker aus der Baar einen unvergänglichen Platz in der Musikgeschichte Frankfurts. Doch die Arbeit des Cäcilienvereins wirkte sich nicht nur auf die Mainmetropole aus. Zusammen mit Felix Mendelssohn-Bar­ tholdy, mit dem ihn ein freundschaftliches Verhältnis verband, gilt Johann Nepomuk Schelble als Wiederentdecker Bachs. Wäh­ rend bis 1829 in erster Linie Werke von Hän­ del gesungen wurden, gelang von da an der Durchbruch der Bach’schen Musik. Am 2. Mai 1829 wurde unter Schelbles Leitung in Frankfurt erstmals die »Matthäus-Passion“ aufgeführt, nur wenige Wochen, nachdem Mendelssohn sie in Berlin dirigierte. Die Kri­ tiken dieser Aufführung des Cäcilienvereins waren hervorragend, obwohl man in Frank­ furt der schwierigen Polyphonie Bachs zunächst mit Unverständnis entgegentrat. Der glänzende Erfolg der Aufführung brachte jedoch viele Kritiker zum Schwei­ gen. Obwohl Johann Nepomuk Schelble zunächst als Sänger und dann als Dirigent und Chorleiter seine größten Erfolge feiern konnte, war er auch ein begabter Lehrer und Komponist. Er praktizierte eine zu jener Zeit recht unorthodoxe Lehrmethode für den Gesangsunterricht. Da Schelble jedoch keine vollständigen schriftlichen Aufzeichnungen über seine Lehrweise machte, wurde sie nicht aufgegriffen, und es fand sich auch nach sei- 198 nem frühen Tode kein Nachfolger für seine musikpädagogischen Erkenntnisse. Heute weiß man, daß die systematische Weiterent­ wicklung der „Schelble’schen Methode“ für die Musikerziehung ein Meilenstein gewor­ den wäre, denn Schelble hatte bereits damals Ansichten, deren Richtigkeit erst viele Jahr­ zehnte später erkannt wurde. Am wenigsten trat Schelble wohl als Komponist in Erscheinung. Das heißt je­ doch nicht, daß er auf diesem Gebiet weniger begabt gewesen wäre. Das musikalische Schaffen war für ihn eher ein Mittel zum Zweck. Es diente ihm zur Bildung seines eigenen musikalischen Ern pfindens. Aus die­ sem Grunde findet sich unter Schelbles Wer­ ken viel Unfertiges. Die meisten Komposi­ tionen gelten heute als verschollen. So war es auch mit der „Deutschen Messe“, die Schelble einzig für die Kirche seiner Heimat­ stadt Hüfingen schrieb. Es bedurfte langjäh­ riger Nachforschungen, ehe die Partitur des Werkes aufgefunden wurde. 1975 befaßte sich ein Gemeinderatsaus­ schuß mit der Organisation der Lucian­ Reich-Ausstellung anläßlich dessen 75. Todestages. Dabei stieß der damalige Stadt­ rat Kuno Fritschi in einer Doktorarbeit von Oskar Barmann auf den Hinweis, es existiere eine Messe, die Schelble für die Hüfinger Kirche komponiert habe. Wo sich diese aber befand, war unbekannt. Nachfragen bei Musikverlagen in Stuttgart, Bonn, Wien, und Frankfurt blieben erfolglos, jedoch kam man in den Besitz anderer Kompositionen des Hüfinger Musikers. Die „Deutsche Messe“ blieb bis zuletzt verschollen. Erst die Anfrage bei einer Frankfurter Bibliothek brachte den nicht mehr erwarte­ ten Erfolg. Dort wurde eine handschriftliche Partitur des gesamten Werkes gefunden. Die­ ses Notenmaterial eignete sich allerdings nicht, um die Messe aufführen zu können. Sie mußte neu geschrieben und daraus Ein­ zelstimmen herausgezogen werden. Da zur Gedächtnisausstellung die Zeit zu knapp war, mußte auf eine Aufführung verzichtet werden.

Der Jubiläumsgottesdienst zur 900-Jahr­ Feier der Stadt Hüfingen und des gleichzeitig begangenen 800jährigen Bestehens der katholischen Pfarrgemeinde St. Verena im Jahre 1984 war hingegen der geeignete Anlaß, die Messe in ihrer Gesamtheit aufzuführen. Der zeitaufwendigen Arbeit des Umschrei­ bens nahm sich engagiert der katholische Kirchenchor mit seinem Dirigenten Hein­ rich Kling an. Am Sonntag, den 15. Juli 1984, erklang dann die „Deutsche Messe“ unter Mitwirkung eines Bläserensembles in der überfüllten Stadtkirche. Johann Nepomuk Schelble starb bereits mit 48 Jahren. Am 6. August 1837 erlitt er während eines Erholungsaufenthaltes in Hüfingen einen Blutsturz. Der Cäcilienver­ ein hielt am 26. August 1837 im Frankfurter Dom eine würdige Totenfeier. Zeit seines Lebens war der Musiker kränklich, was sein musikalisches Wirken besonders in seinen letzten Lebensjahren stark beeinträchtigte. Dies mag ein Grund dafür gewesen sein, daß sein ganz großer Durchbruch nicht gelingen konnte. Vielleicht war es zudem seine unauf­ fällige und bescheidene Art. Dennoch ist der Schelble-Forscher Bormann davon über­ zeugt, daß sich sein Name unauslöschlich in die Tafeln der Musikgeschichte eingegraben hat. In seiner Dissertation über Schelble schildert er ihn als bedeutenden Sänger, berühmten Pädagogen und stellt ihn als Pia­ nisten neben Mendelssohn und Liszt. Als schwerste und schönste Aufgabe zugleich aber bezeichnet er die Wiederentdeckung Bachs durch den Musiker aus der Baar. Bor­ mann resümiert: ,,Die Erfüllung dieser Auf­ gabe, gemeinsam mit seinem jungen Freunde Felix Mendelssohn-Bartholdy, ist sein schön­ stes Geschenk an die Nachwelt.“ Auch seine Heimatstadt ist sich dieses Erbes bewußt. So nennt sich nicht nur eine Straße nach dem großen Sohn der Stadt. Eine Gruppe begabter junger Hüfinger Blechbläser hat sich den Namen Johann- Anfang der Partitur der „Deutschen Messe“ von Johann Nepomuk Schelble ,..,.., ,- — • � �..t-. ,. ‚ . … , l-t=i ·1 . .. ., J. .,… . . „“—‚ � . lf:-1.7.,� . .. . � ,.. �- – ��:! �!! ‚ an …… . . Rhi. – · ….., “ .;7 – C/ ‚fi’mbat’o,a“ 1 . , ,. • • •• -• – � .. 1 ,. ,·Er�.i. tti. t I! • � � , •• l , j 199

N epom uk-Schelble-Blechbläser-Quintett“ gegeben. Unter diesem Namen geben sie Konzerte klassischer wie auch zeitgenössi­ scher Musik und halten das Gedenken an den großen Musiker aufrecht. Die Wieder- kehr des 150. Todestages Schelbles in diesem Jahr wird dem Städtchen Anlaß sein, das künstlerische Werk dieses begabten Hüfin­ gers in besonderer Weise zu würdigen. Hans-Josef Fritschi Otto Daube: Ein Leben für die Musik sam zu musizieren. Beim ersten Wiederse­ hen, im Herbst 1984, verblüffte Otto Daube seine Gäste als nach wie vor vitaler Chorleiter und Pädagoge. Die Ehemaligen ihrerseits überraschten den „Maestro“ mit einem nächtlichen Fackelzug durch Königsfeld und, beim zweiten Treffen im September 1985, mit der Präsentation zahlreicher Lied­ und Instrumentalkompositionen ihres „Mei­ sters“. Daß eine so große Gruppe ehemaliger Daube-Schüler, früher „Däubchen“ genannt, sich in Königfeld einfand, war nicht zuletzt dem hohen Geburtstag zuzuschreiben. Aber auch ohne besonderen Anlaß hat Otto Daube in den gut 20 Jahren seines Schwarz­ wälder Ruhestandes zahlreiche Besucher aus verschiedenen Gegenden Deutschlands und Europas empfangen und dabei ein vielfälti­ ges Echo auf sein ungemein wirksames Schaffen erfahren. Wie lassen sich Leben und Persönlichkeit eines Menschen, der solche Ausstrahlung und Anziehungskraft besitzt, in Worte fas­ sen, die auch Unbeteiligten ein anschauliches Bild vermitteln? Es sei begonnen mit einer Skizzierung des Lebensweges. 1900 als Sohn eines Zollbeamten in Halle/Saale geboren, besuchte Otto Daube 1909-1918 das huma­ nistische Gymnasium in Magdeburg, parallel dazu das Musikkonservatorium. Nach einer Ausbildung am Landeslehrerseminar Alten­ berg unterrichtete er in verschiedenen Schul­ formen und studierte dann in Jena bzw. Leip­ zig Musik, Germanistik und Geschichte. Gleichzeitig trat er mit Klavierkonzerten, Vorträgen und ersten musikpädagogischen Publikationen an die Öffentlichkeit. Seit 1964 lebt der bekannte Musikpäda­ goge Otto Daube mit seiner Gattin in Königsfeld, wo er im Herbst 1985 anläßlich seines 85. Geburtstages von einer Gruppe früherer Schülerinnen und Schüler aus Hat­ tingen/Ruhr besucht wurde. Über diese Begegnung und über das vielfaltige Schaffen des im In- und Ausland anerkannten Musik­ experten berichtet der folgende Beitrag einer ehemaligen Schülerin. Es ist wohl kein alltägliches Ereignis, wenn 40 Frauen und Männer recht unter­ schiedlichen Alters aus dem Ruhrgebiet und anderen Gegenden Deutschlands eine gemeinsame Busfahrt in den Schwarzwald unternehmen, um dort zum zweiten Mal ihren ehemaligen Musiklehrer zu besuchen und mit dem inzwischen 85jährigen gemein- 200

1925 gründete er nach Kontakten mit Bay­ reuth und der Wagner-Familie den „Bayreu­ ther Bund der Deutschen Jugend“, 1926 führte er in Weimar Wagner-Festspielwo­ chen durch. Von 1929 bis 1934 wirkte 0. Daube in Bulgarien als Musiklehrer an der Deutschen Schule Sofia sowie als Mitarbeiter am Nationaltheater. 1934-1948 arbeitete er in Detmold, zunächst als Musikstudienrat, nach Kriegsende als Dozent am Privatmusik­ lehrer-Seminar. Bis 1944 führte er dort Richard-Wagner-Festwochen durch, die er musikalisch und pädagogisch mit einem eigenen Konzept versah. Den längsten zusammenhängenden Be­ rufsabschnitt erlebte 0. Daube in Hattin­ gen/Ruhr, wo er von 1948 bis 1964 als Musik­ studienrat am Gymnasium tätig war, zahl­ reiche Schriften zur Schulmusik veröffent­ lichte und Lehrerfortbildung betrieb. Wäh­ rend dieser Zeit wurde er auch stellvertreten­ der Vorsitzender der deutschen Sektion der ,Jeunesses Musicales“ und Ehrenvorsitzen­ der des von ihm mitbegründeten Arbeits­ kreises für Schulmusik. Aus Gesundheitsgründen übersiedelte er danach in den Schwarzwald. Trotz des Ruhe­ standes folgten weitere Aktivitäten, von denen nur einige herausgegriffen werden: 1965-1969 Dozent am Hochschulinstitut für Musik in Trossingen, 1965-1971 Autor von Sendereihen im SWF-Schulfunk, 1970-1978 Gastlehrer am Frauenberuflichen Gymna­ sium bzw. an der Sozialpädagogischen Berufsfachschule Königsfeld. Ferner setzte 0.Daube seine publizistische Tätigkeit fort, u. a. mit einer Schulmusikdidaktik (1973), einer Pfitzner-Biographie (1979) und einem Buch über J. S. Bach (1984). Daß Otto Daube seinen „tätigen Ruhe­ stand“, wie er sein Schaffen in Königsfeld bezeichnet, mit einem Buch über Wagner und Bayreuth abschließen will, ist bezeich­ nend für seinen Lebensweg. Schon als 15jäh­ riger spielte er sämtliche Wagner-Werke auf dem Klavier. Mit Begeisterung und Sach­ kenntnis stellte sich der 24jährige in Bay­ reuth für die Einrichtung einer Wagner- Gedenkstätte zur Verfügung. Dabei bekam er mit Siegfried Wagner Kontakt, empfing neue Anregungen und wurde so ein Freund des Hauses Wahnfried. Die Verbindung zur Musik Richard Wagners schlug sich in zahlreichen Vorträ­ gen und Veröffentlichungen nieder, führte aber auch zum Engagement bei den Bayreu­ ther Festspieltreffen der internationalen „Musikalischen Jugend“, zu denen 0. Daube in den 50er Jahren mehrere Schülergruppen mitnahm. Bei den jüngsten Begegnungen der ehemaligen Schüler mit ihrem Musikleh­ rer in Königsfeld wurde die nachhaltige Wir­ kung von dessen m usikpädagogischer Arbeit deutlich. Musikpädagogische Theorie und Praxis bilden, parallel zur Musikforschung und zum aktiven Musizieren, den zentralen Bereich von Otto Daubes Schaffen. Schon als Jugendlicher beobachtete er, daß nur wenige Menschen bei musikalischen Darbie­ tungen wirklich zuhören und folgen kön­ nen. Zu seinen ursprünglichen Berufswün­ schen -Kapellmeister, Pianist, Opernsänger, Schauspieler -gesellte sich das Anliegen, möglichst viele Menschen zu verständnis­ vollen und fruchtbaren Begegnungen mit der Musik hinzuführen. Will man Otto Daube als Mensch und Musiker einigermaßen gerecht werden, so muß man das ganze Spektrum seiner Interes­ sen, Fähigkeiten und Aktivitäten betrachten. Zwar hat er sich vom aktiven Musikleben als Pianist, Chorleiter und Schulmusiker inzwi­ schen zurückgezogen. Aber nach wie vor ist seine Schaffenskraft bemerkenswert und von Vielfalt, Schwung und Fleiß geprägt. Im Vordergrund steht seit der offiziellen Pensio­ nierung die Musikforschung, der er sich von Jugend auf gewidmet hat. Welch eine facet­ tenreiche und faszinierende Persönlichkeit! Das mag auch der Königsfelder Bürgermei­ ster gedacht haben, als er in seiner Ansprache für die Hattinger Gäste zu Otto Daube sagte: „Es ist eine Ehre für Königsfeld, daß wir Sie als Mitbürger haben.“ Gisela Knaup 201

Heimat, Volkskunst, Brauchtum Heimattage 1985 und die ,Jugend“ Heimat – das Wort ist wieder in aller Munde. Jahrzehntelang war der Begriff nach dem Krieg vom Mißbrauch während der Naziherrschaft überschattet, fristete auch der „Tag der Heimat“, den die Ver­ triebenen-Verbände organisierten, ein Mauerblümchendasein. Erst in jüngster Zeit blühte die „Heimat“ wieder auf: Folge einer stärkeren Hinwendung zur Her­ kunft, einer Abkehr vom Zugriff der Ver­ waltungs-Zentralen, auch: ,,Regionalisie­ rung“ hieß das Schlagwort. Damit hat freilich der Heimatgedanke im traditionellen Verständnis wenig zu tun. Den in Verbänden zusammengeschlosse­ nenen Pflegern des Brauchtums geht es darum, lebendig zu erhalten, was nur mehr in der Erinnerung Bestand hat. Denen, die fern von ihrer Heimat sind, lebt sie fort nur noch in Symbolen und Ritualen: Trachten, Tänzen und Erzäh­ lungen. Wer Heimat kennt, kann anders mit ihr umgehen, kann Wirklichkeit und Anspruch gegeneinanderstellen, kann in den Prozeß, der Heimat ist, eingreifen. So kann er sie sich schaffen. Aus diesem Verständnis heraus hatten die Beteiligten der „Heimattage Baden-Würt­ temberg“ im Jahr 1985 in Villingen-Schwen­ ningen vielleicht das Programm der Woche gestaltet. Zum ersten Mal erschienen Hei­ mattage mit einem Profil, das nicht nur har­ monische Rundungen von Volksmusik und Ringelreihen zeigte, sondern auch die Ecken und Kanten von Unmut, Spott und Wider­ spruch. Denn nicht wenige fühlen sich unbe­ haust, wo sie zu Hause sind. So gab es schon im Vorfeld Streit. Der Entschluß der Organisatoren, auch der Jugend einen Teil der Heimattage zu öffnen, führte zu Unstimmigkeiten. Denn mit 202 ,Jugend“ konnten nicht nur jene gemeint sein, die sich im Trachtenjankerl bei Volks­ tanzgruppen und in den Vertriebenen-Grup­ pen beteiligen. Die anderen aber wollten ihre Lebenswirklichkeit, ihre Formen der Unter­ haltung, auch gewahrt sehen. Prompt wehrte sich der ebenso konservative wie traditions­ bewußte „ Trachtengau Schwarzwald“. Er fand Volksmusik auf der einen und Jazz, Blues und Rock auf der anderen Seite unver­ einbar. Das böse Wort von der „artfremden Musik“ fiel. Doch schließlich wurde nichts so heiß gegessen, wie man es zuvor hatte köcheln las-

Jung und alt bei den Heimattagen 1985: einmal bei Jazz, Blues und Rock, dann wieder mit den Symbo­ len des überkommenen Brauchtums sen. Die Organisatoren des Jugend-Musik­ Programms, Hans-Jörg Malonek und Friede­ mann Schulz, sorgten dafür, daß nur einhei­ mische Bands auftraten und die Konzerte zu Beispielen moderner Musikkultur der Region wurden. Schließlich stand auch eine Diskussion zwischen Vertretern der verschie­ denen Gruppen auf dem Programm. Doch die Debatte um das Verständnis von Heimat fiel aus -mangels Zuspruchs. Oberbürger­ meister Gerhard Gebauer wußte das dahin­ gehend zu deuten, daß die Unterschiede zwischen Trachtengruppen undJeansträgern so groß eben nicht seien. Acht Tage lang stand die Stadt Villingen­ Schwenningen unter dem Zeichen der wehenden Bänder am Kranz mit dem Lan­ deswappen darunter -Symbol der Heimat-203

tage. Mehr als genug war geboten, um die Bevölkerung mit den verschiedensten Seiten des Brauchtums bekannt zu machen. Nicht zufällig hatten die Stadt und Staatssekretär Norbert Schneider als Organisatoren eine Museums-Eröffnung an den Beginn der Festwoche gesetzt. Hier sollte das kulturelle Signal gegeben werden, das zunächst auf die Geschichte der Region verwies. Heimat, so Stadtoberhaupt Gebauer, habe stets auch eine historische Dimension. Diese wurde vor allem in Ausstellungen erfahrbar. Die Schau „Maß, Zahl und Gewicht“ verdichtete die Entwicklung des Arbeitslebens hierzulande anhand der Darstellung des zentralen Erwerbszweiges: der Feinmechanik. Recht­ zeitig dazu erschien das Buch der Schwen­ ninger Historikerin Annemarie Conradt­ Mach über „Feinwerktechnik, Arbeitsrecht und Arbeitskultur“. Konkretes aus der Indu­ striewelt vermittelte die Präsentation der Werksgeschichte der Schwenninger Zähler­ fabrik Irion und Vosseler als „Schaufenster der heimischen Wirtschaft“. Damit war der Bogen gespannt von der ersten Rechenma­ schine des Tübingers Schickard bis zu den elektronischen Zählwerken unserer Tage. Die Gegenwart kam während dieser Woche so fast ein wenig zu kurz. Der Blick in die Geschichte war vorherrschend, bei der Vorführung alten Handwerks oder bei den Themen der Fachtagungen, etwa „Archäolo­ gie im Heimatmuseum“, ,,Trachtenfor­ schung, -pflege und -erneuerung“ oder beim Tag der Landesgeschichte in der Schule. Füh­ rungen und Exkursionen durch Städte und Museen wollten vor allem die Herkunft des­ sen, was ist, ins Bewußtsein rufen. Doch neben all diesen Veranstaltungen, die den Heimattagen wissenschaftliches Flair verliehen, war Unterhaltung Trumpf. Da wurde gespielt, gesungen und getanzt, daß es eine Art war. Die Stadtzentren waren stets vorn Klang irgendeiner Kapelle erfüllt in die­ sen Tagen. Die Musikanten hinter Trompete, Tuba und Trommel gaben den Ton an, und sie waren es auch, die mit dem Großen Zap­ fenstreich den Anfang und beim Landesfest 204 den volltönenden Schlußpunkt des Ge­ schehens setzten. Wer sich abends ins Vergnügen stürzen wollte, hatte die Qpal der Wahl zwischen Volkstanz, Mundarttheater, Pop und Blues und Heimatfilmen, die das Guckloch-Kino zeigte. In der Tat wurde des öfteren während dieser Marnrnutschau des Brauchtums die Überfi.ille des Angebots beklagt. Doch so war dafür gesorgt, daß jeder mitnehmen konnte, was er wollte: Ein Spaß, der insgesamt rund 350 000 Mark verschlang, an denen sich der Kreis mit 10 000 und die Stadt Villingen­ Schwenningen mit 70 000 Mark beteiligten. Am Ende waren dann doch wohl alle zufrieden. Organisator Norbert Schneider bescheinigte den Heimattagen ein noch nie dagewesenes Echo, Oberbürgermeister Gebauer wählte die Beschreibung einer „her­ vorragenden Demonstration“ für die fest­ liche Woche, und die 15 000 Zuschauer, die die Straßen der Villinger Innenstadt beim großen Umzug am Sonntag säumten, gaben ihrer Zufriedenheit mit dem Spektakel durch reichen Beifall Ausdruck. Leider fand Mini­ ster Gerhard Weiser, der Landesvater Späth zu vertreten hatte, in seiner als Fest­ Ansprache gedachten Rede wohl nicht die rechten Worte. Jene, die seinen Heimatbe­ griff nicht teilten, wurden als „heimatlose Gesellen“ abgetan. Auch über die „Umwelt­ schützer“ zog er her. Dabei hatten gerade Mitarbeiter von Umweltschutz-Organisatio­ nen ihren Teil zum Gelingen der Heimattage beigetragen, wie etwa der Naturschutzwart des BUND, Felix Zinke, mit seiner viel­ beachteten naturkundlichen Führung. Hocherfreut zeigte sich jedenfalls die Stadtjugendpflege, die mit fünfeinhalbtau­ send Besuchern im Jugendzelt ihre Erwar­ tungen weit übertroffen sah, und Norbert Schneider konnte denn am Ende auch fest­ stellen, daß die Jugend für diese Tage in einem Maße zu gewinnen war wie nie zuvor. Diese Erfahrung, so der Staatssekretär, werde in die Gestaltung kommender Heimatfeste eingehen. Daland Segler

Lorenz Honold: Stadthansel, Urhexe und Jugendstil Beispielhaftes Unternehmen der Bräunlinger „Eintracht“ im ausgedienten E-Werk Zum Fastnachts-Museum mit Zunfistube umfunktioniert: Das Bräunlinger E-Werk-Gebäude aus dem Jahr 1905 an der Blaumeerstraße 12 Bräunlingen, Blaumeerstraße 12. Ein Bau aus der Zeit des Jugendstils, mit Anklängen an die massiven Bürgerbauten im Geist der Renaissance des 16. Jahrhunderts, als die Stadt Vorderösterreichs auf der Baar ihre wirtschaftliche Blütezeit hatte. Ein Werk von Max Meckel, um die Jahrhundertwende Erz­ bischöflicher Baudirektor in Freiburg, der als vielseitiger Architekt und Restaurator nach 1900 in Bräunlingen auch dem Mühletor seine heutige Gestalt gab. An seinem Bau in der Blaumeerstraße gliedern vertikal gebün­ delte Gruppenfenster die Außenfront der Obergeschosse. Der vertraute Baaremer Treppengiebel, eine kräftig entwickelte Brandmauer, wie sie vielfach an den Bräun­ linger Bürgerhäusern auch heute noch sich findet, krönt das dreigeschossige Gebäude. 1905 als E-Werk erstellt, diente es bis vor etwas über einem Jahrzehnt seinem ur­ sprünglichen Zweck. Dann, als die Stadt die Selbstversorgung mit Strom eingestellt hatte, zog ins 1. Obergeschoß die „Gemäldegalerie des Heimatmuseums“ ein. Auch im Geschoß darüber begann man seit dem Jahr 1982 zu werken. Die Räume wurden entrümpelt, alte 205

Lagerregale ausgebaut und die unschönen Gipsplattenecken entfernt. Eine Toilettenan­ lage entstand, die auch den Besuchern der Gemäldegalerie zugänglich ist. Einzelne Räume erhielten einen neuen Bodenbelag. Es war eine zähe Wochenendarbeit, die volle drei Jahre in Anspruch nahm, ehrenamtlich geleistet von Laien: den Narrenräten, Funk­ tionären und Mitgliedern der Narrenzunft ,,Eintracht“ sowie von Freunden der Bräun­ linger Fastnacht. Ein beispielhaftes Unter­ nehmen, bei dem im Lauf der Jahre über 3500 Stunden an Eigenleistung erbracht wurden. Im gleichen Zeitraum investierte die ,,Eintracht“ über 100 000 Mark in das respek­ table Vorhaben. Nach Abschluß der Um- und Ausarbeiten ging es an die Einrichtung. Hunderte von Fotoaufnahmen und Fastnacht-Exponaten, darunter kostbare Leihgaben ehemaliger Narrenräte und Freunde des Fastnacht­ brauchtums, füllten die sanierten Räume. „Bis auf wenige Arbeiten wurde alles in Eigenarbeit gebaut, gestaltet und eingerich­ tet. Lediglich die Elektroarbeiten, der Einbau der Holzdecke in der Zunftstube, die Wand­ verkleidung und der große Sitzungstisch wurden von einheimischen Handwerkern ausgeführt“. So Narrenrat Joachim Schwei­ tzer, als am 2. Juni 1985 beim „Tag der offe­ nen Tür“ die „Eintracht“ die repräsentative Zunftstube und die Ausstellung der örtli­ chen Fastnacht der Öffentlichkeit vorstellte. Bereits im Treppenhaus empfangen Urhe­ xen und Stadthanse! – auf Großfotos – den Besucher. Reproduktionen von alten Urkun­ den (und Farbfotos) informieren über Tradi­ tion und den Ablauf der Bräunlinger Fast­ nacht in den Tagen von Mariae Lichtrneß bis Aschermittwoch. In den einzelnen Ausstel­ lungsräumen wird der Gesamtüberblick ver­ tieft. Da treten in Lebensgröße die Tradi­ tionsfiguren auf: Urhexe und Stadthanse!, dem in der Rechten die Hanselwehr beigege- Historische Figuren in originalgetreuen Kostümen im Ausstellungsraum der Schauspie!fastnacht 206

s gabt degege – das Motto an der Holzdecke über der Zunftstube Stadthanse/ – neben der Urhexe die Haupifigur der Bräunlinger Fastnacht Der Hexensprung – eine Batikmalerei der Donaueschingerin Annelis Lauber 207

ben ist-vermutlich ein Überbleibsel aus mit­ telalterlichen Schwerttänzen. Mit elf Rollen (Bronceglocken) ist in Bräunlingen das Gschell bestückt Die Elf entspricht der Zahl der Narrenräte bei den schwäbisch-aleman­ nischen Zünften. In zwei Vitrinen alte Mas­ ken und Ofenkacheln mit Motiven der Han­ selfigur, ferner eine Miniaturdarstellung des Hexenrads mit dem Stier; schließlich der Hexensprung auf einer Batikmalerei der Donaueschingerin Annelis Lauber. Der nächste Ausstellungsraum ist dem Stadtbock mit der Stadtwehr vorbehalten, einer bedeutsamen Bräunlinger Variante des Fastnachtsbrauchtums im alemannischen Raum. In einem größeren Raum kommt der Bräunlinger Fasnet-Mentig zu seinem Recht Eine Vielfalt von Themen sowie historischen Kostümen, die die seit über 100 Jahren gepflegte Schauspielfastnacht der freiheitlich gesinnten Narrenstadt belegen. Das beginnt mit patriotischen Titeln wie: „Wallensteins Lager“, „Wilhelm Tell“, „Die Badener in Russland“, „Andreas Hofer“, „Die Jungfrau von Orleans“ und 1914: „Königin Louise“ – gerade noch rechtzeitig, ehe der verlorene Krieg die Monarchie „abservierte“. In den „goldenen zwanziger“ Jahren wurde „Dr. Eisenbart“ der Fasnet-Mentig­ Schlager. In der Zeit der „braunen“ Ära behalf man sich mit Stoffen aus der Lokalhi­ storie: „Der Wehrmeister von Bräunlingen“, „Des Brülinger Narrenvaters Ehrentag“, „Kampf um den Brülinger Stadtwald“. Erst 1953 -um die Zeit des Wirtschaftswunders – knüpften die Bräunlinger Narren mit „Gott Bacchus“, dem Sauf-und Freßkumpan der Römer, mit dem Lügenbaron „Münchhau­ sen“, mit „Napoleon“ und mit dem „Bulgen­ bach“ aus dem süddeutschen Bauernkrieg wieder an die stolze Tradition des Fasnet­ Mentig um die Jahrhundertwende an. Dann, im nächsten Ausstellungsraum, Schnappschüsse und Exponate von Fast­ nachtsgruppen und Fastnachtsoriginalen, darunter eine Erinnerung an den „Pfeifen­ club“, der in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts das Comite für die hohen Tage 208 stellte. Einmal aber gab es Streit -„Knatsch“ nennt es Joachim Schweitzer, mein Gewährs­ mann. Darauf übernahmen sieben ehrsame, friedliche Bürger das närrische Zepter -im damaligen Obrigkeitsstaat die „Allgemeine Ordnung“ genannt -und legten in den Sta­ tuten vom 16. März 1890 fest: Ein Mitglied, das kurz vor der Fastnacht austritt, zahlt 10 gute deutsche Mark, und weiter: „Wer bei einer Versammlung oder angesagter Probe gar nicht, nicht pünktlich oder betrunken erscheint, hat die Strafe von 50 Pfennig zu entrichten“; auch darf bei einem Masken­ zuge „nicht aus der Kasse gezehrt werden“. Bei so strengen Sitten und Bräuchen standen in Donaueschingen selbst die Herren vom Großherzoglich Badischen Bezirksamt stramm und ließen die Narren über dem Sehellenberg mit Datum vom 19. Mai 1890 – bei einer Gebühr von 60 Pfennig -wissen, daß gegen die vorgelegten Statuten nichts einzuwenden ist Das Prunkstück im sanierten Oberge­ schoß des E-Werks ist die neugeschaffene Zunftstube. Ein Saal in der Größe von 14,30 x 4,35 Meter, dem an den Schmalseiten die vertikal gebündelten Fenstergruppen Licht und die heimelige Note geben. Der Gestaltung des Raumes liegt ein Entwurf des Architekten Alexander Graf, Bad Dürrheim, zugrunde. Aus dem ehemaligen Bräunlinger Ratszimmer stammen die am Sitzungstisch aufgereihten 15 hohen mit Leder bezogenen Stühle, die die Zunft neu herrichten ließ. Über dem Sitzungstisch und an den Wänden kunstvoll schmiedeeiserne gearbeitete, Leuchter, die Schmiedemeister Adolf Blenkle fertigte. Die gediegene Note des Inventars unterstreicht ein schmucker Kachelofen aus der Werkstatt des Ofen­ setzermeisters Karl Brugger. Auf einer Tafel in Holz liest man die Namen sämtlicher Zunftmeister. Öl-und Freskomalereien des Bräunlingers Carl Hornung und der Donau­ eschinger Karl Merz und Hans Lang vervoll­ ständigen den künstlerischen Schmuck der festlichen Stube. Stadt und „Eintracht“ -so Ratschreiber

und Narrenrat Schweitzer – verstehen die Gemeinschaftsaktion der Narrenzunft im Hause Blaumeerstraße 12 als Teil des Gesamtkonzepts „Heimatmuseum der Stadt Bräunlingen“. Ein Vorhaben, das frühestens in 2 bis 3 Jahren voll zum Tragen kommt. Schräg gegenüber dem E-Werk liegt der ehe­ mals reichenauische Kelnhof, in den nach grundlegender Sanierung das Heimatmu­ seum samt „Gemäldegalerie“ einziehen wird. Dann soll auch das 1. Obergeschoß im einsti­ gen E-Werk für die Narrenzunft zur Ver­ fügung sein und Ateliers aufnehmen, in denen unter anderem die heimische Tradi­ tion der Maskenschnitzer und Häsmaler zur Darstellung kommt. Hinterglasmalerei im Schwarzwald Hinterglasmalerei gibt es in der Kunst seit rund 2000 Jahren. Das italienische Hochmit­ telalter entdeckte sie neu; ihre Blüte erlebte sie allerdings erst als Volkskunst vom 17. Jh. bis ins 19. Jh. Die Schwarzwälder Hinterglas­ malerei gehört als eigenständiger Bereich zur Glasherstellung und war eine arbeitsteilige Hausindustrie, mit der die Glashüttenarbei­ ter und Schwarzwaldbauern ihre spärlichen immer wiederkehrende Erträge aufbesserten. Als typisch für die Hausindustrie gilt, daß sich die Themen auf wenige, Inhalte beschränken, auch formal nicht sehr von­ einander abweichen, ferner, daß diese Bilder in Massenproduktion auch für den Export und außerhalb Europas hergestellt wurden. Zentren waren außerhalb des Schwarzwal­ des und Lothringens: Bayern, Österreich, 209

Böhmen, Schlesien und weitere europäische Länder. Bis nach Asien wurde diese Volks­ kunst gepflegt. Der Vertrieb der Schwarzwälder Hinter­ glasbilder wurde abgewickelt auf Jahrmärk­ ten, in Wallfahrtsorten und mit der Kraxe von Haus zu Haus. Das Ende der Hinterglas­ malerei war der Niedergang der alten Glas­ hütten und das Aufkommen der billigen Lithografien und Öldrucke seit der Mitte des 19.Jhs.Um 1900 sorgte der frühe Expressionis­ mus für eine kurze Wiederbelebung der Hin­ terglastechnik, die bei uns als Volkskunst nicht mehr gepflegt wird. Die seit einigen Jahren wieder als Freizeitbeschäftigung Mode gewordene Technik kann nicht zur Volkskunst gezählt werden. Die Entstehung und Entwicklung der Schwarzwälder Hinterglasmalerei ist bis heute nicht geklärt. Man nimmt an, daß sich im Schwarzwald bereits im 17. und 18. Jh. eine „verwurzelte Volkskunst“ gebildet hatte, die in der Begegnung mit böhmischen und bay­ rischen Wandergesellen zu neuen Stilbildun­ gen geführt hat. Die im Schwarzwald geübte Uhrenschilder-Malerei ermöglichte den Anschluß an die neue Tafelmalerei, die von Osten kam. ,,Zentrum der Hausindustrie war das Dorf Röthenbach bei Neustadt. Oft waren die Bilder des Schwarzwaldes Zwi­ schenstation für den Frankreichhandel. Sie stehen aber ebenso der oberbayrischen Mal­ kunst nahe, so daß eine Unterscheidung meist schwerfällt. Das Schwarzwälder Bild bevorzugt glatte Kirschholzrahmung neben dem Rippleistenrahmen. Pflanzendekor und gemalte Draperien bestimmen seine Eigen­ art. Zwischen Schwarzwälder und Elsässer Art besteht weitgehende Identität. Der Uhrenschildmaler Lorenz Winterhalder ließ sich 1786 in Röthenbach nieder. Durch einen 20jährigen Aufenthalt in Colmar ergaben sich weitgehende Übereinstimmungen der Werkstätten im Schwarzwald und im Elsaß. „ Was man heute noch in Sammlungen in Frankreich, in Belgien, in Luxemburg an Hinterglasbildern sieht, ist zu guten Teilen 210 im Schwarzwald entstanden. Oder es handelt sich um Schöpfungen von Zweigstellen der Schwarzwälder Hinterglasmalerei, die im Elsaß wie in Lothringen eingerichtet wurden, eine Art von Gegenleistung zu der starken Ausfuhr von kolorierten Lithographien aus Weißenburg im Elsaß nach Deutschland. Die Familie Winterhalder hat in Sebastians Sohn Benedikt einen gewissen Höhepunkt erlebt. Er und seine Werkstatt fertigten bis etwa 1890 nicht nur kunstvolle Hinterglasbil­ der für den anspruchsvollen Markt, sie mal­ ten auch billigere Serienware in kräftigen Far­ ben, oft mit dem wirksamen schwarzen Grund. Der Export in alle Welt trieb die Winterhalder auch zur Herstellung von Por­ träts in Hinterglas: Selbst George Washing­ ton wurde für ihre amerikanischen Kunden gemalt“ -so Professor Leopold Schmidt, Wien, ein Experte für Volkskünste. Die Technik der Hinterglasmalerei Farbe: Leinölfarbe mit Sikkativ, ölreiche Temperafarbe, ölreiche Wasserfarbe. Technik: Entscheidend ist die umgekehrte Reihenfolge der verschiedenen Malschich­ ten; Bestreichen der Scheibe mit einer Gum­ milösung; Anlegen der Feinheiten, wie Schrift, Konturen, Ornamente, Licht, Schat­ ten, kurz, alles, was bei einem normalen Bild zu 1 et z t gemalt wird. Schicht für Schicht wird das eigentliche Motiv gestaltet. Zuletzt wird der Hintergrund gemalt. Abwandlungen der Technik: Lasur -ter­ pentingebundene, durchscheinende Farbe, mehr im Kunsthandwerk angewendet; ein­ fache Hintermalung mit starken Lokalfar­ ben; partielle Vergoldung oder Versilberung; Hinterlegen mit Folie, dabei kann man zusammen mit der Lasur überraschende Wirkungen erzielen, bis zu optischen Täu­ schungen; Spiegelmalerei -hier werden die unbemalten Flächen mit Stanniol hinterlegt; Abdecken des Grundes mit Kienruß; Ein­ ritzen feiner Zeichnungen in Gold-und Josef Fuchs Silbergrund.

,,Komm‘ mir auf die Kilbig!“ Fürst Joseph Wilhelm Ernst zu Fürstenberg – der erste Landesherr, der der „Freß- und Saufkirbe“ ein Ende setzte ist Die Ernte des Jahres ist unter Dach. Stadt und Land rüsten auf die „Kilbig“ am dritten Oktobersonntag. Kirchweih, das bäuerliche Erntedankfest, im südwestdeutschen Raum immer noch ein Volksfest im besten Sinn. Der Brauch, die Festfreude des Sonn­ tags auf den Montag zu übertragen, findet sich vor allem in ländlichen Gemeinden auch heute noch. Meist ist es das junge Volk, die Landjugend, die den alten Brauch nach 1945 wieder aufleben ließ und durch festliche Erntewagen und Erntekronen, die bisweilen noch in der Kirche geweiht werden, mit neuem, zeitgemäßem Inhalt füllte. Erst am Kirchweihdienstag wird die bäuerliche Arbeit wieder aufgenommen. Nur selten mißgönnt der Hofbauer seinen Dienstboten und dem bäuerlichen Nach­ wuchs den arbeitsfreien Kirchweihmontag. Freilich ist diese Sitte nur noch ein kümmer- Fürst Joseph Wilhelm Ernst zu Fürstenberg (1699-17 62), der 17 55 in seinen landen die Kirchweih auf den 3. Sonntag im Oktober festlegte. 211

licher Rest einstiger Kirchweihfeierlichkei­ ten und -bräuche. Wie es einstmals da zuging, erfährt man aus dem ehedem fürstenbergischen Flecken Immendingen an der Donau in einer Urkunde vom Jahr 1465. Da war zu Kirch­ weih an Peter und Paul viel Volk aus der Umgebung zusammengekommen. Unter anderem vergnügte sich die männliche Jugend mit Springen. Als ein Jungmann aus der fürstenbergischen Stadt Geisingen stürzte, rief ein Gast aus Tuttlingen: „Hie gut Wirtenberg alle Tag, da Fürstenberg im Drecke Lag“. Es kam zu einer schweren Prüge­ lei. Dem Störenfried aus Tuttlingen drohte die Festnahme durch die fürstenbergischen Marktaufseher. Da schlug sich die Jung­ mannschaft aus dem fürsten bergischen Dorf Biesingen in der Ostbaar unerwartet auf die Seite der Tuttlinger und ermöglichte ihnen die Flucht. Erst nach langwierigen Schrift­ wechseln zwischen den Häusern Fürstenberg und Württemberg wurde die leidige Angele­ genheit auf oberster Ebene diplomatisch aus der Welt geschafft. Seit dem späten Mittelalter bilden sich zwei Kirmessen heraus. Das örtliche Patrozi­ nium, die eigentliche Kirchweihe, wurde von dem weltlichen Fest abgetrennt; es fand am Namenstag des Kirchenpatrons nun in kirch­ licher Würde und verhältnismäßiger Stille statt. Anders die weltliche Kirchweih, oft auch Ernte-oder Herbstfest genannt. In ihm wirken Überlieferungen eines germanischen Herbst-und Sippenfestes nach -die Reste eines Erntebrauchs aus vorchristlicher Zeit, der mit Stammesversammlungen und kulti­ schen Feiern begangen wurde. Daran erin­ nern heute noch Wettkämpfe und Spiele, vor allem Hahnen- und Hammeltanz bezie­ hungsweise die Hammelverlosung, aber auch Zusammenkünfte von Sippen und Namensvettern. „Komm‘ mir auf die Kilbig“ lautet ein alter Bauernspruch. Er besagt: Komm‘ zu mir, wenn ich Zeit und die Ernte im Haus habe – an Kilbig. Da wurden Verwandte, Bekannte, Geschäftsfreunde von vermögenden Dorf- 212 bewohnern zu Speise, Trank und allerlei Kurzweil geladen. Was dabei ein „Bauern­ fürst“ im Hochschwarzwald alles auftischte, läßt dem Leser heute noch das Wasser im Munde zusammenlaufen: „Zuerst sind komme Knöpfle in Specksuppe, Leberwurst und zwei Dudelsack (= Blutwürste), d’rauf grüner Speck, Schulterplättle und Rippen­ stückle, nachdem g’räuchter Speck und Brat­ würst, und auf das erst noch vier Hamme­ stotze (= Schinken) und e Sauerkräutle dazu, so schön wie en Goldfaden; aber z’allerletzt sind noch auftrage worde zwei „Guckinofen“ (Gugelhopf) und Torten und Pasteten mit Mandeln un Zibeebe“. So nachzulesen in den“ Wanderblühten aus dem Gedenkbuche eines Malers“, das der Hüfinger Lucian Reich d.J. im Jahr 1855 veröffentlicht hat. In der festfrohen Zeit des Barocks sah jeder angesehene Bauer im sogenannten „Dorfpatriziat“ seine Ehre darin, die Kon­ kurrenz an der Kilbig auszustechen. Und da die einzelnen Orte die weltliche Kirchweih an verschiedenen Sonntagen im Herbstfeier­ ten, war wochenlang auch in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg wie in den angrenzenden katholischen Gebieten eitel Kirchweihfreude und -begeisterung, bis schließlich die Aufklärung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts der bäuerlichen „Freß-und Saufkirbe“ ein Ende setzte. Den Anfang -soweit wir sehen -machte in südwestdeutschen Landen Fürst Joseph Wilhelm Ernst zu Fürstenberg, der seit dem Jahre 1744 die gesamten schwäbischen Gebiete des Hauses Fürstenberg wieder in einer Hand vereinigte. In seiner mit dem Fürstbischof in Konstanz abgestimmten „Kirchweihordnung“ 1755 bestimmt er, daß im ganzen Fürstentum Für­ stenberg die Kirchweihtermine auf einen Tag, den 3. Sonntag im Oktober, gelegt wer­ den, und daß die Kirchweih nur noch zwei Tage, Sonntag und Montag, dauern dürfe. Die Verordnung hält darauf, daß am Kirch­ weihsonntag sowohl Vormittags-wie Nach­ mittagsgottesdienste besucht werden. Ver­ boten sind die tage-und wochenlangen Lust- vom Jahr

barkeiten, in denen die Regierung „eine Gefahr für die sittliche Wohlfahrt des einzel­ nen wie für die wirtschaftliche Hebung des Landes“ sieht. Daß der aufgeklärte Landesherr aus dem Hause Fürstenberg durchaus Verständnis für überkommenes Brauchtum hatte, ist folgen­ dem Passus der Verordnung zu entnehmen: „Nach dem von alten Zeiten eingeführten Brauch wollen wir gnädigst gestatten, daß hinführo gleichwohlen am Sonntag einem oder mehreren guten Freunden, Bekannten und Verwandten ein ziehmlich Essen gereicht und eine ehrbare Ergötzlichkeit gemacht, auch an dem Montag mit Maß In Brigach · Zeichnung: Dr.Josef Astfäller genossen werden möge, daß hingegen das übermäßige Spielen und die überschweng­ liche Trunksucht beständig verbotten blei­ Lorenz Honold ben“. Literatur: Eduard )ohne, Fürst Joseph Wilhelm Ernst zu Fürstenberg, in „Badische Heimat“, 1938, S. 291-304. -L. Ho n o I d, Die Kirchweih auf der Baar, in Badische Zeitung (Donaueschingen), 16./ 17.10. 1982. -Karl Wacker, Der Land­ kreis Donaueschingen, Bd. 26 der Schrif­ ten des Landkreises Donaueschingen (1966), S. 208 f. 213

Gesundheit und Soziales Erste Blindenschule auf badischem Boden 1826 in Neudingen: Hofrat Franz Müller, ein -heute vergessener -Pionier der Blindenfürsorge in Baden Das Biedermeier hat in unserem Jahrhun­ Gründungsdatum der 29. April 1826. dert keinen guten Ruf. Es gilt als die „gute lgnaz Freiherr von Wesenberg, Bistums­ alte Zeit“, von der wir heute wissen, daß sie so verweser der Diözese Konstanz seit 1802, hatte die Anregung im Sommer 1822 in der gut nicht gewesen sein kann. Als die Epoche ersten Kammer der Landstände in Karlsruhe eines behäbig-geruhsamen Bürgertums, das gegeben. Darauf bewirbt sich am 22. Septem­ in den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahr­ hunderts angesichts der zu lösenden wirt­ ber desselben Jahres Franz Müller, Hofmei­ ster in Donaueschingen, beim Ministerium schaftlichen und sozialen Fragen versagte. um die Stelle eines Blindenlehrers an dem Doch auch das Biedermeier hat seine Aus­ geplanten Institut. Zuletzt Erzieher der Kin­ nahmen. Beispiel: Die erste Blindenanstalt der des Franz Graf von Enzenberg, der von im Lande Baden. Sie war ein Privatinstitut 1817 bis 1830 an der Spitze der Fürstlich und entstand auf der Baar in Neudingen. Ehemalige Klosteranlage Mariahof in Neudingen: Im Hauptkomplex mit dem Tunn war das 1826 erö.ffizete Blindeninstitut unter der Leitung von Hefrat Franz Müller untergebracht. 214

Fürstenbergischen Verwaltung in Donau­ eschingen stand, gibt Franz Müller seinen sicheren Posten am Hof in Donaueschingen auf. In Wien, wo es bereits eine Kaiserlich Königliche Blindenanstalt gab, bereitet er sich auf seinen künftigen Beruf vor. Die Reise finanzierten Fürst Karl Egon II zu Fürstenberg (1796-1854), sein vormaliger Dienstherr, und Freiherr von Wesenberg. Die Empfehlung aus Wien über Franz Mül­ ler (in den Akten im Archiv zu Donau­ eschingen) lautet: „Trotz nur vier Monate Ausbildung ist Franz Müller einem zweiten Bewerber vorzuziehen, der bereits seit vier Jahren Lehrer im Wiener Institut ist. ,,Selten ist mir“ -so Hofrat Klein, Leiter des Instituts in Wien -„ein Mann vorgekommen, der ein ergriffenes Fach mit größerer Liebe umfaßt“. In der Heimat wie in der Fremde habe Franz Müller keine Gelegenheit versäumt, sich in seinem Fache auszubilden. Kein anderes Sin­ nen und Trachten kenne er, ,,als der leiden­ den Menschheit nach allen seinen Kräften nützlich zu werden“. Mit zunächst drei Zöglingen nimmt Franz Müller im Gebäude des ehemaligen Frauen­ klosters Mariahof in Neudingen die Arbeit als Institutsleiter auf. Aus knapp 1500 Gul­ den besteht das Anfangskapital. Es ist von Fürst Karl Egon und Fürstin Amalie, einer Prinzessin von Baden, sowie aus der Theater­ kasse am Donaueschinger Hof gestiftet wor­ den. Die Kosten des ersten Schülers trägt Freiherr von Wessenberg, die des zweiten, der im Juli 1826 aufgenommen wird, der Fürst zu Fürstenberg. Mit Namen und Her­ kunft sind die drei ersten Zöglinge bekannt: Karl Ludescher aus Konstanz, Waise, blind seit dem 2. Lebensjahr (Gicht), katholisch; Martin Heinzelmann, Steinhilben/Papen­ burg, blind geboren, katholisch; Karl Jakob Goren, Friedrichstal, evangelisch, Lehrer­ sohn, blind seit dem 9. Lebensjahr (durch Krankheit), 1829 in das Institut aufgenom­ men. Unterricht und Erziehung in Neudingen erstrecken sich auf Religion, Lesen, Schrei­ ben, Rechnen, Geographie, Geschichte und Der Mäzen des Neudinger Blindeninstituts: Karl Egon II zu Fürstenberg (1796-1854). Musik. Das Ausüben der Musik und des Gesanges soll später den Blinden als Erwerbs­ quelle dienen. Auch zu Handarbeiten wer­ den die Zöglinge angeleitet. So zum Flechten von farbigen Strohteppichen als Tischbelag und für Türvorlagen. „Das Bedürfnis des Umgangs mit anderen Menschen ist auch dem Blinden angeboren“ schreibt der Gründer des Instituts in N eudin­ gen an Fürst Karl Egon, seinen Gönner. Des­ halb bestehe eine wesentliche Aufgabe des Unterrichts darin, ,,den Blinden zum Men­ schen zu erziehen“. ,,Die Geistesbildung“ – heißt es ein andermal -,,ist ebenso notwen­ dig zur Verbesserung des Schicksals des Blin­ den, wie die Ausbildung seiner Körperkräfte, ja es ist keine ohne die andere möglich“. Als würden sie heute gesprochen, wirken Sätze wie: ,,Auch soll nicht übersehen werden, daß aus Knaben Jünglinge, aus Jünglingen Män­ ner werden, die nicht mehr wie Schulbuben behandelt werden möchten. Das Blinden­ Institut darf keine Zwangsanstalt sein“. Nur ein Jahr blieb das Institut in Neudin-215

gen. 1828 wurde die bis dahin private Anstalt vom badischen Staat übernommen und nach Bruchsal verlegt, von wo sie 183 7 schließlich nach Freiburg -die Geburtsstadt Franz Müllers -übersiedelte. ,,Mariahof zu Neudingen und die Baar ist meine zweite Heimat. Fremd und arm kam ich einst nach Donaueschingen“, heißt es in einem Brief aus Bruchsal an Fürst Karl Egon, der bei der Verlegung des Instituts nach Bruchsal die gesamte in Neudingen vorhandene Einrich­ tung dem badischen Staat geschenkt hatte. Franz Müller, nachmals Professor und Großherzoglich-Badischer Hofrat, blieb bis zu seinem Tode -am 12. Februar 1852 – Direktor und Vorstand der Großherzoglich­ Badischen Blindenanstalt. Mit der Bürokra­ tie in Karlsruhe stand er zeitlebens auf Kriegsfuß im Kampf um ausreichende Mittel für das rasch an Bedeutung gewinnende Institut, das im Jahre 1846 23 Zöglinge zählte (bei rund 800-900 Blinden, die es im genann­ ten Jahr im Großherzogtum Baden gab). „Sie geben den Blinden sogar Wein. Sie verpflegen sie zu gut. Sie haben sie über ihre Sphäre hinausgebildet. Ihr Institut hat (in 14 Jahren!) schon 6-7000 Gulden gekostet“ wird dem Anstaltsleiter in Freiburg in einem Schreiben aus Karlsruhe im Jahr 1842 vor­ geworfen. Um die gleiche Zeit bezifferte Direktor Julius Reinhold Friedländer vom Blindeninstitut in Philadelphia -ehemals Mitarbeiter von Franz Müller in Neudingen -die Kosten seiner amerikanischen Anstalt in einem einzigen Jahr auf 460 000 Dollar. Während Julius Reinhold Friedländer, der Gründer der ersten amerikanischen Blinden­ anstalt in Philadelphia, 1938 bei freier Kost, Wäsche und Wohnung ein Jahresgehalt von 1500 Dollar bezog, mußte Franz Müller im gleichen Jahr ohne freie Kost und Wohnung mit einem Gehalt von 1100 Gulden sich begnügen. Die Regierung in Karlsruhe verbot ihrem Beamten in Freiburg, den weimarischen Hof­ titel anzunehmen, den der Großherzog von Sachsen-Weimar dem Bahnbrecher moder­ ner Blindenerziehung in Freiburg verlieh. 216 Dennoch blieb Franz Müller dem Institut in Freiburg und seinen Zöglingen treu. Er lehnte nach dem Tod des K. und K. Hofrats Wilhelm Klein die Berufung als Leiter der Blindenanstalt in Wien ab -zum Nachteil seiner Familie. Als Franz Müller am 12. 2. 1852 auf einer Dienstreise in Solothurn/ Schweiz verstarb, blieb seine Witwe -die Tochter einer Erzieherin aus Prag -mit vier Kindern unversorgt zurück. Sie mußte nach dem unerwartet erfolgten Heimgang des Ernäh­ rers auch noch eine beschämende Zwangs­ versteigerung über sich ergehen lassen. Aufüber 1000 Gulden beliefen sich-nach einem gütlichen Vergleich-die offenen For­ derungen und aufgenommenen Darlehen zugunsten des Instituts, laut einer Aufstel­ lung des F. F. Hofrats Kapferer vom 14. Mai 1852. Um die Schuld zu tilgen, kamen auf der am 27. Mai 1852 im Institut angesetzten Ver­ steigerung unter den Hammer unter ande­ rem: Porzellan, Violine, Gitarre, Violoncello, Globus, Landkarten, Bücher, ca. 50 Ohm Weißwein vom Kaiserstuhl, ca. 30 Flaschen Zwetschgenwasser, Krautstanden, ein stei­ nerner Brunnenstock, Kleidungsstücke, Kanapee, Divan, Spiegel, Spiel-und Tee­ tische, ein Tafeltisch für 24 Personen, Bett­ statt, kleiner und großer Kasten, sowie sämt­ liches Familiensilber bis auf den letzten Löf­ fel.“ Dies ist nicht das Ende der Großherzog­ lich-Badischen Blindenanstalt in Freiburg, wohl aber die Schlußbilanz über einen Vor­ läufer der badischen Blindenfürsorge, der in der Epoche des Biedermeier -vom Staat im Stich gelassen -,,das Opfer seines Berufes“ wurde. Lorenz Honold Qu eilen: F. F. Archiv Donaueschingen, (Franz Müller) OB 19, Fol. 72;2 „16″; Oulius R. Friedländer) FFA, Personalak­ ten/Fach Fri/Nr. 9. Literatur: L. Honold, In Neudingen erste Blindenschule auf badischem Boden/Hofrat Franz Müller: Ein Lehrer von Berufung, in Badische Zeitung (Donaueschingen), 14. 6.1984.

Sankt Franziskus – Das Schwenninger Haus für Kinder Der Träger des Kinderkrankenhauses St. Fran­ ziskus hat sich entschieden, das Kinderkranken­ haus zum 30.]uni 1986 zu schließen und als Ein­ richtung der Altenhi!fe zu nützen. Die Franziskanerinnen von Bolanden betreiben im Stadtbezirk Schwenningen „ein Kinderheim mit Familienanschluß“, so be­ schrieb es einmal ein Kollege von der schrei­ benden Zunft. Kinderheim, Kinderkranken­ haus und Kindertagesstätten, Kinderkran­ kenschwesternschule -alles dient dem Kind. 26 Heimplätze für Kinder, darunter 5 Pflege­ plätze, ein Krankenhaus für Kinder mit 50 Betten, und dazu kommt noch ein Kinder­ garten mit 28 Plätzen sowie das Kindertages­ heim mit 25 Plätzen. Das alles findet sich unter dem Begriff St. Franziskus -Das Haus für Kinder. Die Geschichte des Kinderheimes St. Franziskus begann in der notvollen zweiten Hälfte der zwanziger Jahre, als besonders für Mädchen ähnlich schlechte Zeiten wie heute waren, infolge Arbeitslosigkeit und Wirt­ schaftskrise. Der Schwenninger Stadtrat August Handschuh, ein Pädagoge, regte an, für Mädchen eine Näh-und Haushaltsschule einzurichten. Die Franziskanerinnen von Bolanden griffen diese Anregung auf, kauf­ ten die alte DUFA (Deutsche Uhrenfabrik) am 22. November 1926 und richteten eine Näh-und Haushaltsschule ein für 180 Mäd­ chen. Wie sehr die Menschen in der damali­ gen Uhrenstadt Schwenningen von dieser Einrichtung profitierten, läßt sich heute kaum mehr vorstellen, aber in Schriften aus jenen Tagen kann man es ahnen, daß Nähen­ können oft existentielles Gewicht hatte in jenen Notzeiten. Die Schule war in Schwen­ ningen und seiner Umgebung sehr geschätzt. Allerdings, wenn der Unterricht beendet war und die Mädchen über die Straße nach 217

Ob im Kindergarten oder im Kindertagesheim,fröhliche Kinder und im Spiel vertiefte Kinder immer unter Obhut der Sch1oestern oder anderem Fachpersonal. Hause gingen, sagten die Schwenninger noch immer: Jetzt kommen die von der DUFA“. Im Laufe der Zeit wurde damals der Näh­ und Haushaltsschule ein Internat angeglie­ dert, auch für solche Mädchen, die die Schule nicht besuchten, sondern in der Industrie arbeiteten oder auch in anderen Berufen. Viele Mädchen kamen auch von außerhalb in diese Einrichtung nach Schwenningen, die einen sehr guten Ruf hatte. Am 1. August 1929 wurde von den Franziskanerinnen dazu ein Kinderheim eröffnet, das dann bald die staatliche Anerkennung bekam als „Bezirks­ säuglingsheim“. 1934 wurde dann ein Kin­ dergarten eröffnet. Die stete Entwicklung des segensreichen Hauses wurde durch den Krieg gestoppt. Ja noch mehr, das Haus leerte sich, als die dort betreuten Kinder samt den Schwestern nach Deißlingen und Weigheim ausquartiert werden mußten, die Luftan­ griffe ließen die Gefahr in Schwenningen zu groß werden. Doch unbeschadet überstanden Schwe­ stern, Kinder und das Haus den Krieg. Gleich nach Kriegsende, noch 1945, wurden die Franziskanerinnen erneut aktiv und eröffne­ ten wieder eine Nähschule für Mädchen, die wiederum als segensreiche Einrichtung in 218 den ersten Monaten nach dem Krieg seiner­ zeit sehr begrüßt wurde. 1946 bekam das Haus dann die Lizenz wieder für die Säug­ lings- und Kinderpflegeschule, die den Schwestern in der Nazizeit ohne jeden Grund entzogen worden war. Von jetzt an entwickelten sich die Einrich­ tungen des Hauses weiter zu einer Kinder­ krankenstation, einem Säuglings-und Kin­ derheim, einer nun staatlich anerkannten Säuglings- und Kinderpflegerinnenschule und schließlich, nach Neubauten mit Millio­ nenaufwand, zu einem der modernsten Kin­ derkrankenhäuser zwischen Stuttgart und Freiburg. Ab 1968 kam noch ein Kindertag­ heirn dazu. 1980 fiel dann die Entscheidung, so daß sich ab 1982 ein völlig neues Kinder­ heim präsentierte. Räumliche Ausstattung sowie bauliche Substanz und die personelle Besetzung entsprachen nicht mehr den Anforderungen eines modernen Kinder­ heims. So stand die Leitung vor der Alterna­ tive: entweder Auflösung oder Sanierung. In Zusammenarbeit mit dem Caritasver­ band, dem Landeswohlfahrtsverband und den umliegenden Jugendämtern wurde eine Konzeption erarbeitet: das Kinderheim wird saniert, mit einem heilpädagogischen Ange-

bot ausgestattet für 26 Plätze. Aufgenom­ men werden in den drei „Familien“ Kinder im Aufnahmealter bis zu 14 Jahren. Dazu wurden drei Fabriksäle bei der Sanierung der einstigen „DUFA“ in drei Etagen zu drei Wohnungen umgestaltet, mit Ein-bis Drei­ bettzimmern, dem Wohn-Eßbereich sowie dem Spielzimmer. Den „Familien“ stehen an Personal acht Erzieherinnen, eine Kinder­ krankenschwester, eine Kinderpflegerin und drei Praktikanten zur Verfügung. Gruppen­ übergreifend wirken noch je eine Heilpäda­ gogin und ein Psychologe. Hier wirkt als Besonderheit auch der Leitende Arzt des Kinderkrankenhauses in der ärztlichen Betreuung der Kinder mit. Die Heimkinder werden dazu noch bei Bedarf von der Kran­ kengymnastin des Kinderkrankenhauses betreut. Zu den Gesamtkosten von 1,2 Mil­ lionen Mark kamen an Zuschüssen vom Freiburg Regierungspräsidium 341000 Mark, Landeswohlfahrtsverband vom Baden 85 280 Mark, die Diözese Rottenburg gab 47 000 Mark. Aufgenommen werden Kinder und jugendliche in Familiengruppen mit heilpä­ dagogischem Angebot; sie können dort zeit­ weise ein Zuhause bekommen, ferner Kinder für kurze Zeit, die bis zur Freigabe zur Adop­ tion oder zu Pflegeeltern warten, oder Kin­ der, deren Mutter erkrankt ist. Ihnen wird hier Nähe und Geborgenheit geboten. Ferner werden Kinder aufgenommen, die an einer angeborenen Stoffwechselstörung leiden und bei denen intensive ärztliche Betreuung notwendig ist oder auch eine strenge Diät. Allen diesen Kindern wird ein familienähnlicher Lebensraum und eine gute Mobil für die Jugend Jugendarbeitslosigkeit wird auf der Straße bekämpft Nicht zu übersehen, knallrot, durch die kleinen Sitzgrüppchen und Sonnenschirme mit einem Hauch von Straßencafe, so prä­ sentiert sich die neueste Waffe im Kampf Atmosphäre angeboten. Mit einem „Tag der offenen Tür“ wurde am 30. November 1967 das neue Kinderkrankenhaus gefeiert, als ,,Topfgucker“ kamen seinerzeit Landrat Dr. von Enzberg aus Rottweil und OB Dr. Gebauer in Franziskusheim. 1970 wurde das ehemalige Gasthaus „König Karl“ abgebro­ chen für den Neubau des Personalhauses mit Kapelle, der1974 fertiggestellt und durch den Bischof eingeweiht wurde. Der Kindergarten St. Franziskus nimmt Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jah­ ren von Montag bis Freitag jeweils von 8 bis 11 Uhr und von 13 bis 16 Uhr auf. Im Ganz­ tageskindergarten wird den Kindern berufs­ tätiger Eltern tagsüber alles geboten, was sie brauchen, von 6.30 Uhr durchgehend bis 17 Uhr, von Montag bis Freitag. Die Kinder erhalten eine Mittagsmahlzeit und morgens und nachmittags jeweils Zwischenmahl­ zeiten. Turnraum, Planschbecken und ein Hallenschwimmbad machen den Kindern neben Spielen, Malen und Herumtollen viel Spaß. Die Kinder im Franziskusheim haben eine lebendige Patenschaft zur Bundeswehr in Sulz. Im vorigen Jahr waren rund 30 Heimkinder mit ihren „Paten“ im Europa­ park Rust. Schon wochenlang hatten sie sich auf diesen Ausflug gefreut-die Paten kamen aber diesmal in ziviler Kleidung. Seit 1966 besteht diese Patenschaft zwischen zwei so unterschiedlichen Institutionen. Das Fran­ ziskusheim im Stadtbezirk Schwenningen strahlt weit in die Region hinaus als „Haus der Kinder“, in dem sie sich, ob groß oder klein, sichtlich wohlfühlen und geborgen. Helmut Müller gegen die Jugendarbeitslosigkeit. In großen gelben Buchstaben ist weithin zu lesen: „Mobile Betreuungsstelle für jugendliche im Schwarzwald-Baar-Kreis“. Beim Näherkom-219

Mobile Betreuungsstelle .far jugendliche. men ist dann leicht zu erkennen, daß hier offensichtlich ungewöhnliche Methoden zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit angewandt werden. Eine Einrichtung des Landkreises. „Die Soziale Betreuungsstelle für Jugend­ liche im Schwarzwald-Baar-Kreis“ sowie das „Arbeitsamt Villingen-Schwenningen“ und der“ Verein für Jugendhilfe im Schwarzwald­ Baar-Kreis e. V.“ betreiben in einem sicher einmaligen Gemeinschaftsprojekt einen Doppeldeckerbus, um Jugendlichen ihre Dienstleistungen vor Ort auf unkonventio­ nelle Art und Weise anzubieten. Als Träg�r der Grundausbildungslehr­ gänge im Uberbetrieblichen Ausbildungs­ zentrum der Firma Winkler KG war der Landkreis schon seit 1975 in vorbildlicher Weise in Sachen Jugendarbeit tätig. Dies allein genügt jedoch nicht. Ein Gutachten der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg führte in letzter Konsequenz schon vor Jahren zur Einrichtung der Sozialen Betreuungsstelle im Jugendliche Schwarzwald-Baar-Kreis, eine Stelle, die mit der Betreuung emstgemacht hat. Die Mit- für 220 arbeiter der Betreuungsstelle gehen, anders als in bereits bestehenden Beratungsstellen, direkt in Schulen, um bereits vor der Bruch­ stelle Schule -Arbeitswelt Jugendlichen auf die Sprünge zu helfen, die sonst alleine nicht weiterkommen. Einzelbetreuung bis hin zu Hausbesuchen ergänzen diese Tätigkeit, die sich mittlerweile großer Nachfrage erfreut. In enger Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt Villingen-Schwenningen haben diese Aktivi­ täten schon sehr vielen Jugendlichen un­ bürokratisch und schnell zu Ausbildungs­ oder Arbeitsstellen verholfen. Auch der im Frühjahr 1984 gegründete ,,Verein für Jugendhilfe im Schwarzwald­ Baar-Kreis e. V.“ hat sich ausnahmslos der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ver­ schrieben. Nach einem Sonderprogram·m der Landesregierung zur Arbeits-und Berufs­ förderung junger Menschen aus Mitteln des Landes führt der Verein sogenannte „freiwil­ lige Gemeinschaftsarbeiten“ mit insgesamt jeweils 40 arbeitslosen Jugendlichen im gesamten Kreisgebiet durch. Dabei handelt es sich um zusätzliche und gemeinnützige Tätigkeiten, die den Jugendlichen jeweils den Start in die Arbeitswelt erleichtern sollen. Dieses Ziel ist dem Verein mit unerwartetem

aus diesen Ergebnis geglückt, im ersten Jahr des Beste­ hens konnten von insgesamt 84 arbeitslosen Jugendlichen freiwilligen Gemeinschaftsarbeiten 62 Prozent in Aus­ bildungs-und Arbeitsstellen vermittelt wer­ den. Beide Einrichtungen stellten immer wieder fest, daß offensichtlich Jugendliche, die fernab vom Oberzentrum Villingen­ Schwenningen wohnen, den Weg zu den Dienstleistungsangeboten erheblich schwe­ rer finden. Dadurch wurde erneut der Gedanke an die mobile Betreuungs-und Beratungseinrichtung wach und im Mai 1985 konnte die aufkeimende Idee in einem aus­ rangierten Berliner Doppeldeckerbus der Stadtjugendpflege Wurzeln schlagen. Meh­ rere Monate dauerten die umfangreichen Reparatur-und Instandsetzungsarbeiten an. Mit Hilfe vieler fleißiger Hände, mit dem Einsatz von arbeitslosen Jugendlichen und unter der fachlichen Anleitung eines Maler­ meisters wurde das betagte Gefährt wieder aufgemöbelt. Sozialpädagogen übten sich in neuen Arbeitsdimensionen beim Abschlei­ fen, Lackieren und Beschriften. Der Lohn der Mühe konnte dann am 25. September 1985 beim Rathaus in Nieder­ eschach entgegengenommen werden. Im Rahmen einer feierlichen Einweihung über­ gab Landrat Dr. Rainer Gutknecht den Dop­ peldeckerbus seiner Bestimmung. Der anschließende Probelauf in Donaueschin­ gen, Blumberg und St. Georgen erbrachte überraschende Ergebnisse. Von den 231 Jugendlichen, die die mobile Betreuungs­ stelle an diesen Orten besuchten, ließen sich insgesamt 71 einen Termin zur Berufsbera­ tung beim Arbeitsamt geben. Ebenso erfreu­ lich war der rege Zuspruch von Erwachsenen bis hin zu Direktvermittlungen von Arbeits­ plätzen. Mittlerweile erfreut sich die mobile Betreuungsstelle großer Popularität. Zum Tag der Internationalen Jugend am 12. 10. 1985 erhielt das Team von Landtagspräsident Schneider eine Einladung, den roten Dop­ peldecker vor dem Landtagsgebäude in Stuttgart zu präsentieren. Auch dort wurde das Unternehmen von vielen Abgeordneten, u. a. auch von Minister Dr. Mayer-Vorfelder, mit viel Lob bedacht. Nach diesen durchweg positiven Zusprü­ chen auf breiter Basis steht einer Fortftihrung des Projekts zunächst einmal nichts mehr im Wege. In der Einsatzplanung für das Jahr 1986 sind insgesamt 20 Einsatzfahrten, jeweils 10 im Frühjahr und 10 im Herbst, durch die Gemeinden des Schwarzwald­ Baar-Kreises vorgesehen. Zielkreis sind selbstverständlich all jene Jugendlichen, die, gleich aus welchen Gründen, noch keinen Ausbildungs-oder Arbeitsplatz haben, jene Unentschlossenen, die noch nie beim Arbeitsamt, bei der Betreuungsstelle oder beim Verein vorstellig geworden sind und die damit von vielfältigen Angeboten zur beruflichen Eingliederung noch keinen Gebrauch gemacht haben. Die beteiligten Einrichtungen setzen große Hoffnungen auf die Möglichkeit der „Vor-Ort-Information“ der Jugendlichen über schulische und berufs­ vorbereitende Maßnahmen, über Ausbil­ dungs-und Arbeitsplätze, über die Möglich­ keit, sich bei der Jugendselbsthilfeaktion ein Taschengeld zuzuverdienen, im Rahmen von freiwilligen Gemeinschaftsarbeiten einen befristeten Arbeitsvertrag zu erhalten oder oft nur die Beratungs-und Hilfsdienste als Hilfe zur Selbsthilfe in Anspruch zu neh­ men. Sowohl die Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg als auch die Jugendstiftung Baden­ Württemberg haben mittlerweile dieses Modell als Projekt für das Land gewürdigt und finanzielle Unterstützung zugesichert. Diese Auswirkungen lassen den Schluß zu, daß hier Ämtern und einem freien Träger der Jugendhilfe in völlig unbürokratischer Weise ein großer Wurf gelungen ist, um arbeits­ losen Jugendlichen zu helfen. Volker Stadler 221 *

Verkehrswesen und Tourismus Hundertster Todestag des Eisenbahnbauers Robert Gerwig Festakt der Deutschen Bundesbahn am Robert-Gerwig-Denkmal in Triberg Die Persönlichkeit von Robert Gerwig wurde bereits im Almanach 1980, Seite 161-166, gewürdigt. Der folgende Bericht gibt ein Stim­ mungsbild der eindrucksvollen Gedächtnis­ feier in Triberg. Am Samstag, den 7. Dezember 1985, lief um 10.24 Uhr auf Gleis 1 des T riberger Bahn­ hofes ein sechgliedriger, moderner Sonder­ zug der Deutschen Bundesbahn aus Karls­ ruhe ein. Er wurde gezogen von der stärksten und schnellsten Lokomotive der Deutschen Bundesbahn, Baureihe E 120 005-4 mit einer Leistung von 7600 PS und einer Höchstge­ schwindigkeit von 200 km/h. Zahlreiche Triberger Bürger waren – bei leider regnerischem Wetter – auf dem Bahn­ steig versammelt. Als der typische Klang des Gongs, Zeichen der nahen Ankunft des Zuges, über die Bahnsteige schwebte, entbot die Stadt- und Kurkapelle Triberg in ihren historischen Uniformen aus vorderösterrei­ chischer Zeit mit dem Marsch „Das Lieben bringt groß Freud'“ den ankommenden Gästen ihren Willkommensgruß. Der Sinn dieser Sonderzugsfahrt war leicht zu erraten; Samstag, 7.12. 1985 – Der einlaufende Sonderzug am Bahnsteig 1 des Bahnhefs Triberg 222

7. Dt;rml>rr N8.‘; onbrr;ug ,1rloruhr ‚1)ffrnl>m·cr �tibrr Don.utru h111grn unn �ururh an den Waggons des einlaufenden Zuges stand zu lesen: „Die neue Bahn auf histori­ scher Trasse. Hundertster Todestag Robert Gerwigs. Sonderzug 7. Dezem her 1985 Karls­ ruhe – Offenburg – Triberg – Donaueschin­ gen und zurück“. Der Landrat des Schwarzwald-Baar-Krei­ ses, Dr. Rainer Gutknecht, und an seiner Seite Tribergs früherer Bürgermeister, Alfred Vogt, hießen die dem Sonderzug entsteigen­ den Festgäste willkommen. Der Präsident der Deutschen Bundesbahndirektion Karls­ ruhe, Dipl.-Ing. Heinz Bubel, war gekom­ men und mit ihm Wilhelm Löffler, der Lei­ ter der maschinenbautechnischen Abteilung der Direktion; ferner der Vizepräsident des Regierungspräsidiums Freiburg, Werner Ackenheil, der Erste Bürgermeister der Stadt Karlsruhe, Kurt Gauly, Offenburgs Ober­ bürgermeister Martin Grüber, weiterhin Ver­ kehrsamtsdirektoren, Referenten, Pressebe­ richterstatter. Sie alle verließen in Triberg den Sonderzug, um beim Festakt am nahen Ger­ wig- Denkmal Zeuge des Gedenkens an einen der genialsten Bahnbauer des neun­ zehnten Jahrhunderts zu sein. Vom Bahnhofsvorplatz aus, der mit den Bundes-und Landesfahnen geschmückt war, setzte sich die Stadt-und Kurkapelle Triberg, an ihrer Spitze Stadtkapellmeister Ignatius Patscheck, mit dem Marsch „Hoch Badner­ land“ in Bewegung. Hinter ihr formierten sich in festlich-gehobener Stimmung die Ehreng�ste und die angereisten Sonderzugs­ gäste. Uber die Bahnhofstraße erreichte der Festzug das nahe beim Eingang zum Kleinen Triberger Kehrtunnel gelegene „Gerwig­ Denkmal“. Es war fahnengeschmückt. Am Fuß des mächtigen Gedenksteines aus heimi­ schem Granit, darauf das eherne Bildnis Robert Gerwigs prangend, war ein Gebinde niedergelegt, verwoben mit den Triberger Stadtfarben rot-weiß. Die Feierstunde begann mit dem Choral „Bist Du bei mir“ von Johann Sebastian Bach. Der ehemalige Bürgermeister Alfred Vogt richtete Begrüßungsworte an die Teil­ nehmer des Festaktes. Im Triberger Raum habe Robert Gerwig hervorragende Leistun­ gen vollbracht, sagte er. Der entscheidende technische Durchbruch, durch künstliche Vergrößerungen der Streckenlinie, durch Doppelschleifen an Höhe zu gewinnen, sei erstmals auf der Schwarzwaldbahn zwischen 223

Samstag, 7.12.1985 – Das beflaggte Gerwig­ Denkmal beim BahnhefTriberg vor dem Festakt zum 100. Todestag von Robert Gerwig Niederwasser und Triberg verwirklicht wor­ den. Triberg ehre Robert Gerwig auf Dauer durch den Robert-Gerwig-Gedenkstein, durch die eindrucksvolle Modelldarstellung des Bahnverlaufs Niederwasser – Triberg – Nußbach – Sommerau und St.Georgen, mit in beiden Richtungen fahrenden Zügen, im Schwarzwald-Museum, durch eine Robert­ Gerwig-Straße und durch die bleibende Erin­ nerung in den Herzen aller Bürger der Stadt. „Für Triberg und die Landschaft des Mittle­ ren Schwarzwaldes bleiben Robert Gerwig und seine technischen Großtaten unverges­ sen“ schloß Alfred Vogt und wünschte der Deutschen Bundesbahn und allen ihren Fahrgästen auch für die nächsten einhun­ dertfünfzig Jahre allezeit gute Fahrt auf der Schwarzwaldbahn Robert Gerwigs. Präsident Dipl.-Ing. Heinz Bube! von der Bundesbahndirektion Karlsruhe führte in 224 Begrüßung am Bahnsteig in Triberg, 7.12.1985 – Links: Präsident Heinz Bube!, Karlsruhe, dane­ ben der frühere Bürgermeister A!fred Vogt, Tri­ berg. Rechts: Landrat Dr. Gutknecht seiner Ansprache an: Der einhundertste Todestag Robert Gerwigs – genau am 6. Dezember 1885 -falle zeitlich mit dem ein­ hundertfünfzigjährigen Jubiläum der Deut­ schen Bundesbahn zusammen. Als Robert Gerwig am 2. Mai 1820 als Sohn eines badi­ schen Staatsbeamten in Karlsruhe geboren wurde, gab es in Deutschland noch keine Eisenbahnen. Als er 1841 an der damals Großherzoglichen badischen neuen poly­ technischen Schule – der heutigen Universi­ tät- in Karlsruhe mit vorzüglichen Ergebnis­ sen sein Staatsexamen ablegte, war die erste badische Eisenbahn, von Mannheim nach Heidelberg führend, bereits ein Jahr in Betrieb, und der Bau der Hauptbahn von Mannheim nach Basel hatte begonnen. Der junge Gerwig ließ sich als Ingenieur in die Oberdirektion für Wasser- und Straßenbau versetzen und begann sogleich mit dem Bau

von -damals so genannten -,,Eisenstraßen“. Bei dem Entwurf für die großen Linien Paris – Stuttgart-München -Wien und Stuttgart – Berlin -Warschau -Moskau gab es mehrere Varianten, und auch die heutige Schwarz­ waldbahn ist eine von mehreren geplanten Möglichkeiten zur Überwindung dieser damals sehr schwierigen Gebirgsbarriere. Robert Gerwig war auch nicht der einzige Planer für dieses Vorhaben. Bereits zwanzig Jahre vor ihm wurde versucht, Trassen über diesen damals als unüberwindlich geltenden Schwarzwald zu finden. Die tatsächlich reali­ sierte „Sommerau-Linie“ wurde jedoch von Gerwig sehr früh favorisiert. Die „Bregtal-Linie“, die das damals bedeutsame wirtschaftliche Zentrum Furt­ wangen an die Schiene angebunden hätte, mußte wegen zu großer Höhenunterschiede verworfen werden. Die dritte Variante durch den Schwarzwald, die „Schiltach-Linie“, sagte Präsident Bube!, habe die günstigsten Voraussetzungen zur Verwirklichung gebo­ ten. Hier war jedoch die damalige politische Hürde zu hoch, denn die Strecke der Badi­ schen Staats-Eisenbahn hätte über württem­ bergisches Gebiet geführt. ,, Während Ger­ wigs Vorgänger und Konkurrenten“ -so Bube! -,,eine verkehrsmäßig und betriebs­ technisch befriedigende Lösung nicht anbie­ ten konnten, verstand es Gerwig, unter Nut­ zung der topographischen Gegebenheiten, dieses technische Problem zu lösen. Durch Ausfahren der Seitentäler in Schleifen und Doppelschleifen gelang es ihm, die kurze Luftlinie zu verlängern, die Steigungs-und Neigungsverhältnisse auf ein machbares Maß zu reduzieren und somit die vorher als unüberwindbar geltenden Höhenunter­ schiede zu überwinden. Die beiden markan­ testen Stellen dieser Streckenführung befin­ den sich unterhalb und oberhalb Tribergs“. Im Jahre 1857, erinnerte Präsident Bube!, bekam Gerwig den Bau der Schwarzwald­ bahn-Strecke übertragen, und 1873 wurde der schwierige Mittelabschnitt als letzter eröffnet. Baden besaß damit eine Gebirgs­ bahn, die neue Maßstäbe im Eisenbahnbau setzte und zum Vorbild der Gotthardbahn wurde. An der Eröffnung der Schwarzwald­ bahn war Gerwig selbst nicht beteiligt; er war, zwischen 1872 und 1875, als Oberingenieur mit der Bauleitung der Gotthardbahn beauf­ tragt. Dem ängstlichen Bestreben, Tunnels damals möglichst zu vermeiden, begegnete Gerwig mit einer wahren Tunnelbegeiste­ rung, denn auf den 26 Kilometern Strecke von Homberg bis Sommerau stehen 36 Tun­ nels. Die Breite der Bahn legte Gerwig so breit an, daß man nach dem Bau des ersten Gleises zur Gründerzeit ohne Schwierig­ keiten ein zweites neben das erste legen konnte. So zählt die Schwarzwaldbahn nicht nur zu den schönsten, sondern auch zu den sichersten Gebirgsbahnen. ,,Erst 1955 lösten Dieselfahrzeuge die Dampfloks auf der Schwarzwaldbahn ab. 1972 begannen die Elektrifizierungsarbeiten, und seit 1975 brin­ gen umweltfreundliche und leistungsfähige E-Loks alle Züge über die großartige Strecke von Offenburg über Triberg -Villingen – Donaueschingen nach Konstanz.“ Damit schloß Präsident Bube! seinen Rückblick und überreichte dann vor dem Gerwig­ Denkmal dem VertreterTribergs ein ansehn­ liches Geldgeschenk namens des Verbandes Deutscher Eisenbahn-Ingenieure, Gruppe Karlsruhe, ,,mit dem Ziel der Pflege des Tri­ berger Gerwig-Denkmals“. Der Erste Bürgermeister der Stadt Karls­ ruhe, Kurt Gauly, betonte seiner Ansprache, mit dieser Sonderfahrt von Karlsruhe über Triberg nach Donaueschin­ gen werde ein Pionier des Eisenbahnbaues und des Schöpfers der Schwarzwaldbahn besonders geehrt. Robert Gerwig sei ein gro­ ßer Sohn der Stadt Karlsruhe und ein bedeu­ tender Ingenieur des einstigen Karlsruher Polytechnikums. Auch Karlsruhe habe sei­ nen großen Sohn mit einer Feierstunde im Karlsruher Rathaus und mit einer Ausstel­ lung im Landesgewerbeamt geehrt. Ausführ­ lich zeichnete Bürgermeister Gauly dann den Lebens-unq Berufsweg Gerwigs. Zur Erinne­ rung an die „Demonstrationsfahrt“ über-225 in

In Memoriam Robert Gerwig reichte er an den früheren Bürgermeister Alfred Vogt und an den Präsidenten Heinz Bubel je eine Zeichnung Gerwigs über das Karlsruher Wasserwerk. Die Feierstunde am Gerwig-Denkrnal war zu Ende. Unter den Klängen der Stadt-und Kurkapelle Triberg schritt der Zug der Gäste wieder zum Bahn­ hof. Trachtenmädchen aus Triberg kredenz­ ten vor der Abfahrt köstlichen Kaiserstühler Wein, dann rief die Stimme des Fahrdienst­ leiters die Reisenden in den wartenden Son­ derzug, der um 11.17 Uhr den Bahnhof Tri­ berg in Richtung Villingen -Donaueschin­ gen verließ. Zum Schluß dieses Berichtes über den Festakt am 7. Dezember 1985 in Triberg mag noch das einstige Triberger „Echo vom Wald“ mit seiner Ausgabe Nr. 146 vom 10.Dezember 1885 zu Wort kommen. Es meldete damals auf der Titelseite: ,,Baudirek­ tor Robert Gerwig gestorben. Unser Land ist von einem schweren Verluste betroffen wor- Der Fremdenverkehr stellt eine der Grundlagen dar für die wirtschaftliche Ent­ wicklung der Region Mittlerer Schwarzwald. Seit einigen Jahren bemüht sich der Schwarz­ wald-Baar-Kreis zusammen mit dem Kreis Rottweil der Werbegemeinschaft „Schwarzwald-Baar -Oberer Neckar“ den Fremdenverkehr verstärkt zu fördern. Mit dem Beschluß der beiden Kreistage, im Jahr 1986 eine Zentrale Zimmervermittlung (ZZ) mit Sitz in Villingen-Schwenningen einzu­ richten, demonstrierten die Verantwortli­ chen ihre Bereitschaft, bei der Förderung des Fremdenverkehrs auch neue, unkonventio­ nelle Wege zu gehen. Mit der „Zentralen Zimmervermittlung Mittlerer Schwarz­ wald“, der eine Pilotfunktion für die gesamte Region Schwarzwald zukommt, soll eine den. Ein Mann, hervorragend durch reiches Wissen und gleich ausgezeichnet durch schöpferische Kraft des Geistes wie durch treue Hingabe an seinen Beruf, hat er eine bedeutende Stellung in unserem Lande als langjähriger Leiter des Eisenbahnbaues ein­ genommen, fällt doch in seine besten Man­ nesjahre die rasche Entwicklung des badi­ schen Eisenbahnnetzes, dessen technisch schwierigster Teil -die Schwarzwaldbahn – an ihm den Meister gefunden hat.“ Und an anderer Stelle: ,,Die letzten Jahre seines Lebens hat er mit der unwandelbaren Liebe, die er allezeit dem Schwarzwald entgegenge­ bracht, seine Thätigkeit ganz besonders der Höllentalbahn gewidmet, ohne deren Voll­ endung schauen zu dürfen. Mitten aus der Arbeit heraus ist er abberufen worden, schmerzlich betrauert von Allen, die ihm im Leben nahe sein durften, ein treuer Sohn sei­ nes Fürsten und seines Landes, ein Mann von echtem Freimut und warmem patrioti­ schen Sinn, der besten Einer, der mit uns und für uns gewirkt.“ Alexander Jäckle neue Verkaufskonzeption erprobt werden. Die Verantwortlichen versprechen sich eine unkompliziertere und schnellere Buchung von Urlaubsreisen in den Schwarzwald durch die Gäste. Zusätzlich erhofft man sich Buchungen über Reisebüros. Künftig mit EDV ausgestattet, wird die Zentrale Zimmer­ vermittlung den Verkauf von Einzel-und Pauschalangeboten über Bildschirmtext und das elektronische Reservierungssystem START der TUI-Reisebüros (Touristik Union Interna­ tional) ermöglichen. Nach der Intention der beiden Kreistage ist die Zentrale Zimmerver­ mittlung als „Hilfe zur Selbsthilfe“ für die mittelständische Fremdenverkehrswirtschaft gedacht. Im Falle einer erfolgreichen Entwick­ lung wollen beide Kreise eine „Privatisierung“ der Einrichtung anstreben. Zentrale Zimmervermittlung Ein neues Verkaufskonzept für den Fremdenverkehr in 226

Seit einigen Jahren hat sich die Marktsi­ tuation im Schwarzwald-Tourismus grundle­ gend verändert: Die Übernachtungszahlen sind rückläufig oder stagnieren langfristig, der Auslastungsgrad der Beherbergungska­ pazitäten sinkt, und der Wettbewerbsdruck nimmt ständig zu. Um in der spürbar ver­ änderten Marktsituation, die in der ökono­ mischen Fachsprache als nachfragebe­ herrschter Käufermarkt bezeichnet wird, neue Gäste zu gewinnen, sind aktivere Ver­ kaufsanstrengungen seitens der Anbieter notwendig. Werbung allein reicht heute nicht mehr aus. Schöne Prospekte und Pla­ kate, Anzeigen in Zeitungen und Zeitschrif­ ten, Besuch von touristischen Messen -diese Werbemittel gehören heute zum Standardre­ pertoire aller Fremdenverkehrsorte und Fremdenverkehrsverbände. Die neue Verkaufskonzeption, die einer Zentralen Zimmervermittlung zugrunde liegt, geht von der Erfahrungstatsache aus, daß es gegenwärtig für einen Gast immer noch einfacher ist, eine Auslandsreise im Rei­ sebüro „um die Ecke“ zu buchen als eine Reise zu einem deutschen Urlaubsziel. Die Informations-und Buchungswege sind sehr umständlich, zeitraubend und kosteninten­ siv. In der Praxis läuft die Kommunikation häufig so ab: ,,Gast schreibt an regionalen Fremdenverkehrsverband oder lokales Ver­ kehrsamt, Fremdenverkehrsverband oder Verkehrsamt schickt Prospekt mit Unter­ kunftsverzeichnis zu, Gast schreibt an Hotel A, Hotel A antwortet (nach längerer Zeit), daß kein Mehrbettzimmer (für Familie mit Kindern) vermietet werde, Gast schreibt an Hotel B, Hotel B antwortet, daß in der gewünschten Zeit kein Zimmer frei sei etc. Gast gibt seine Bemühungen frustriert auf und bucht im Reisebüro „um die Ecke“ eine Reise ins Ausland. Auch eine telefonische Anfrage bleibt, insbesondere in kleineren Häusern, oft ohne sofortige Bestätigung des Zimmerwunsches, weil der Chef gerade nicht anwesend ist oder der Gesprächspart­ ner am Telefon zur Reservierung nicht befugt ist. Neu gestalteter Verkaefskatalog Die umständlichen und kostenintensiven Kommunikationswege (mehrere Briefe und/ oder Telefonate für eine Zimmerbuchung) stellen auch aus der Sicht der Reisebüro­ branche ein ernsthaftes Hindernis dar für die Aufnahme von Schwarzwaldreisen in ihre Programme. Die Reisebüros lehnen es ab, mit mehreren Partnern, z.B. Gebiets-oder Werbegemeinschaften, lokalen Verkehrsäm­ tern oder Hotels zu verhandeln. Das Ver­ kehrsamt als „handling-Stelle“ genügt ihnen heute nicht mehr. Die Reisebüros wünschen einen zentralen Ansprechpartner, der über buchungsfahige Angebote auf der Basis fester Bettenkontingente verfügt und eine schnelle Buchung mit verbindlicher Reser­ vierungszusage gewährleisten kann. Unter diesen Bedingungen erweist sich die Einrich­ tung einer zentralen Buchungs-und Reser­ vierungsstelle als Marketing-Service par excellence. Die Zentrale Zimmervermittlung 227

faßt das regionale Fremdenverkehrsangebot in einem Pool zusammen und gliedert das Angebot nach katalogfähigen Kriterien (Unterkunftsarten, Ausstattungsmerkmale etc.). Mit den Leistungsanbietern (Hotels, Pensionen, Gasthöfe, Ferienwohnanlagen) werden feste Bettenkontingente vertraglich vereinbart. Alle Angebotsdaten werden auf einer EDV-Anlage gespeichert (ein leistungs­ fähiger Personal-Computer genügt), so daß auf eine Buchungsanfrage eine sofortige Reservierungszusage erfolgen kann. Im Falle ausgebuchter Kontingente oder in Problem­ fällen kann die Buchungszentrale sehr flexi­ bel reagieren und mit alternativen Angebots­ vorschlägen aus dem EDV-Speicher zuver­ lässig dienen. Die Zentrale Zimmervermitt­ lung erarbeitet einen reisebürofähigen Ver­ kaufskatalog, der in Aufmachung und Gestaltung jenen der großen Reiseveranstal­ ter sehr ähnlich ist. Ein professionell gestalte­ ter Verkaufskatalog und die Zusicherung einer unkomplizierten Computerbuchung auf der Grundlage ausreichender Bettenkon­ tingente sind unabdingbare Voraussetzun­ gen für den Abschluß von Vertriebskoopera­ tionen mit der Reisebürobranche, d. h. für die Erschließung neuer Absatzwege über Reisebüros, inländische Reisebüroketten (z.B. DERPART, Hapag-Lloyd, ASR), aus­ ländische Reisebüroorganisationen, Auto­ mobilclubs, Bustouristikunternehmen und andere Absatzmittler. Alle Katalogangebote enthalten eine angemessene Provision für die Reisebüros beziehungsweise für die Zentrale Zimmervermittlung. Vereinbart wird ein sogenanntes Bruttopreissystem, das gewähr­ leistet, daß der Gast, der über ein Reisebüro oder wahlweise bei der Zentralen Zimmer­ vermittlung bucht, keinen höheren Unter­ kunftspreis bezahlt als derjenige, welcher direkt beim Hotel bucht. Die Vermittlungs­ provision wird also von den Anbietern getra­ gen. Diese Lösung ist marktgerecht und auch betriebswirtschaftlich vertretbar, da der Anbieter Kosten für Werbung und Verkaufs­ förderung einspart, soweit die Gäste über Reisebüros und/oder die Buchungszentrale 228 vermittelt werden. Die Provisionseinnah­ men der Zentralen Zimmervermittlung wan­ dern nicht in die Kassen der Landratsämter. Sie dienen vielmehr zur Finanzierung der Arbeit der Buchungszentrale. Zumindest in den Aufbaujahren müssen die Kreistage finanzielle Förderzuschüsse an die Zentrale Zimmervermittlung gewähren, da die Provi­ sionseinnahmen zur Kostendeckung nicht ausreichen. Dem neuen Verkaufskonzept mit regio­ nalem Angebots-Pool, festen Bettenkontin­ genten, Bruttopreissystem, professionellem Verkaufskatalog und Computerbuchung kommt eine grundlegende Bedeutung zu. Hinter der neuen Konzeption verbirgt sich ein strategischer Umdenkungsprozeß und ein völlig neuer Ansatz im Vertrieb und Ver­ kauf von Femdenverkehrsangeboten. Inlän­ dische Fremdenverkehrsorte, die in den SOer und 60er Jahren noch sehr stark in den Kata­ logen der Reiseveranstalter (z.B. Touropa und Hummel) vertreten waren, sind heute nur noch vereinzelt zu finden. In den guten Jahren des deutschen Inlandstourismus ver­ kümmerte das Geschäft mit den Reiseveran­ staltern und den Reisebüros. Immer weniger Fremdenverkehrsorte sind heute in der Lage, den Anforderungen der Reisebürobranche nach ausreichenden Bettenkontingenten, provisionierten Angeboten in professionell gestalteten Verkaufskatalogen und zügiger Buchungsabwicklung zu entsprechen. Im Schwarzwald steht ein mittelständisch struk­ turiertes Beherbergungsgewerbe, in dem kleine und mittlere Betriebe dominieren, einer erfolgreichen Zusammenarbeit mit großen Reiseveranstaltern wie TUI, NUR­ TOURISTIK, ITS u. a. entgegen. Der regio­ nale Angebots-Pool mit festen Bettenkon­ tingenten bietet in dieser schwierigen Situa­ tion eine echte Alternative, die sowohl weni­ ger entwickelten als auch bekannteren Frem­ denverkehrsregionen neue Marktchancen eröffnet. Vor allem mittelständische Unter­ nehmen können von dem Angebots-Pool einer Zentralen Zimmervermittlung profitie­ ren.

Alle Fremdenverkehrsorte oder Fremden­ verkehrsregionen, die künftig Bildschirm­ text (Btx) als Verkaufsinstrument nutzen wollen, sollten sich darüber klar sein, das dies „problemlose“ Buchung aller Angebote vor­ aussetzt. „Problemlose“ Buchung von Ange­ boten inländischer Fremdenverkehrsorte ist aber nur über Zentrale Zimmervermittlun­ gen möglich, die mit elektronischen Reser­ vierungssystemen arbeiten. Die Einrichtung einer mit EDV ausgestatteten Zentralen Zimmervermittlung erweist sich also als con­ ditio sine qua non für der Einsatz von Btx als Verkaufsinstrument im Fremdenverkehr. Kann diese Bedingung nicht erfüllt werden, wird Btx nur als Informationssystem oder als (relativ teures) Werbemittel dienen können. Der Vertrieb und Verkauf von Angeboten inländischer Fremdenverkehrsorte über Btx dürfte auf kurze Sicht vor allem für eine ver­ stärkte Zusammenarbeit mit Reiseveranstal­ tern, Reisebüros und Bustouristikunterneh­ men von Interesse sein. Die Reisebüro­ branche ist im Begriff aufBtx „umzurüsten“. Fachleute schätzen, daß noch im Laufe des Jahres 1986 etwa jedes zweite Reisebüro über ein Btx-Gerätverfügen wird. Wenn die Frem­ denverkehrsregionen, die eine Zentrale Zim­ mervermiftlung auf EDV-Basis betreiben, die gespeicherten Angebote über Btx buch­ bar machen, besteht sogar die Möglichkeit, eine „Schnittstelle“ zu den START-Termi­ nals in den großen TUI-Reisebüros zu schaf­ fen. Auf diese Weise könnten inländische Fremdenverkehrsregionen den zur Siche­ rung ihrer Marktposition wichtigen Anschluß an das einzige leistungsfähige Reservierungssystem auf bundesweiter Ebene erreichen. Die zentrale Buchung und Reservierung auf EDV-Basis via ZZ -Btx -START ist ein unverzichtbarer Marketing-Service zur Verbesserung der Direktbuchung durch Einzelgäste und zur Erschließung des indi­ rekten Absatzweges über Reisebüros. Frem­ denverkehrsregionen, die diese Notwendig­ keit nicht erkennen oder die Schwierigkeiten scheuen, die mit dem Aufbau einer compu­ tergestützten Zentralen Zimmervermittlung verbunden sind, werden Marktanteilsver­ luste in der Zukunft nicht verhindern können. Georg Bleile Zentrale Zimmervermittlung Mittlerer Schwarzwald in Villingen-Schwenningen Seit über 10 Jahren betreiben die beiden Landkreise Rottweil und Schwarzwald-Baar in der Werbegemeinschaft Schwarzwald­ Baar-Oberer Neckar gemeinsame Fremden­ verkehrswerbung. In diesem Zeitraum haben die beiden Landkreise für die gemeinsame Werbung in dieser Werbegemeinschaft rund 750 000,-DM bereitgestellt. Hauptausgabeposten in der Fremdenver­ kehrswerbung waren 1. Werbefilm „An den Q!iellen von Donau und Neckar“ 140.000,-DM 2.Gemeinsames Prospekt-und Informa- 135.000,-DM tionsmaterial 3.Werbeveranstaltungen 130.000,-DM 4.Veröffentlichungen über Rundwander­ wege und Langlaufloipen77.000,-DM 52.000,-DM 5.Inserate Weitere Mittel wurden für die Anschaf­ fung eines eigenen Messestandes, der auch den Verkehrsämtern und Kurverwaltungen der Städte und Gemeinden beider Land­ kreise zur Verfügung gestellt wird sowie für Journalistenreisen usw. aufgewendet. Um diese gemeinsame Fremdenverkehrs­ werbung auf eine breitere Basis zu stellen und effektiver zu gestalten, hat der Finanz­ und Verwaltungsausschuß unseres Landkrei­ ses im April 1984 aufgrund des Vorschlages 229

Unkomplizierte Buchung über die ZZ. Im Bild von rechts nach links: Hans-Jürgen Moser und seine Mitarbeiterinnen Jutta Wo!f und Gisela Wössner. von Herrn Kreisrat Weissenberger über die Fachhochschule Heilbronn, Fachbereich Touristik Betriebswirtschaft, von Herrn Pro­ fessor Dr. rer. pol. Georg Bleile eine Frem­ denverkehrsstudie mit dem Thema „Neuere Entwicklungstendenzen im Fremdenver­ kehr -Folgerungen für die Werbegemein­ schaft Schwarzwald-Baar -Oberer Neckar“ erstellen lassen. Unter der fachlichen Beratung von Herrn Professor Dr. Bleile hat sich der gemeinsame Werbeausschuß der Werbegemeinschaft mit dem Ergebnis dieser Fremdenverkehrsstudie befaßt und hat nach Besichtigung der Zen­ tralen Zimmervermittlung Frankenwald der Einrichtung einer Zentralen Zimmerver­ mittlung für unsere beiden Landkreise vor­ geschlagen. Der gemeinsame Werbeausschuß war sich hierbei darüber im klaren, daß es heute im Fremdenverkehr gilt, gegenüber den Mit­ bewerbern Wettbewerbsvorteile zu erzielen 230 und diese Vorteile nur durch die Schaffung leistungsfähiger Vertriebs-und Absatzwege erreicht werden können. Nachdem der Verwaltungs-und Wirt­ schaftsausschuß des Kreistages des Schwarz­ wald-Baar-Kreises in seiner Sitzung am 30. 9.1985 grünes Licht für die Einrichtung einer Zentralen Zimmervermittlung für die beiden Landkreise gegeben hatte, wurde sei­ tens der Verwaltung mit Hochdruck an der Realisierung dieses Vorhabens gearbeitet. In nahezu allen Städten und Gemeinden der beiden Landkreise wurden Vermieterver­ sammlungen abgehalten, und am 1. März 1986 war es dann soweit: Der Verkaufskatalog der Zentralen Zim­ mervermittlung mit buchungsfähigen Ange­ boten war auf dem Markt, und die Geschäfts­ stelle nahm ihre Arbeit auf. In dem neuen 62 Seiten starken Verkaufskatalog „Mittlerer Schwarzwald“ sind insgesamt 210 Anbieter aus 26 Fremdenverkehrsorten, wie z.B. den

Der Fürstenberg bereits die dreitausendste Übernachtung gebucht werden. Erste Erfolge zeichnen sich somit bereits ab. Aber wichtiger als schnelle Anfangser­ folge ist die beharrliche und dauerhafte Prä­ senz am heiß umkämpften Touristikmarkt, ist der persönliche Kontakt zu den wichtig­ sten Geschäftspartnern, den Reisebüros. Daher wird die Zentrale Zimmervermittlung erst in 2 oder 3 Jahren auf vollen Touren lau­ fen. Mit dieser zentralen Buchungsstelle, der ersten im gesamten Schwarzwald, sind der Schwarzwald-Baar-Kreis und der Landkreis Rottweil den anderen Gebieten des Schwarz­ waldes mehr als eine Nasenlänge voraus. Ein wichtiger Schritt zum professionellen Jürgen Moser Marketing ist getan. * Einstmals von Stadt und Burg gekrönt, steht vor dem hohen Himmel klar, den Wolken nahe und vom Wind umweht der Fürstenberg, der Mittelpunkt der Baar. Hausberg der Fürstenberger, die nach ihm sich nannten einst in ritterstolzer Zeit, entrückt der allzu flücht’gen Gegenwart lebt in dem Berg noch fort Vergangenheit. Was ist geblieben von der kleinen Stadt, die auf dem flachen Gipfel eh’mals stand? Zerstört sind Haus und Hof-und Gotteshaus, jäh ausgelöscht durch einen großen Brand. Doch heut hier oben eine Kirche steht, nach einem großen Sohn der Baar benannt, den Winden offen wie dem frommen Geist strahlt sie als Krone überm weiten Land. Und grüßt auch nieder zu der kleinen Stadt, die an des Berges Fuß hier neu entstand, ein viel gepriesnes Ausruhnest, wo mancher Gast schon zu sich selber fand. Max Rieple t231 bekannten Schwarzwaldorten Lauterbach, Schonach i. Schw., Triberg i. Schw. und den geschätzten Kurorten wie Bad Dürrheim oder Königsfeld i. Schw. vertreten. Besonders hervorzuheben ist, daß dieses Angebot einen Überblick über die Beherber­ gungs-und Angebotsstruktur der Region gibt. So sind in diesem Katalog von der First­ Class-Hotellerie bis zu Ferien auf dem Bauernhof sämtliche Beherbergungskatego­ rien vertreten; aber auch Kurpauschalen und Wandern/Radwandern ohne Gepäck, oder Anglerferien und Tennispauschalen, können ab sofort zentral gebucht werden. Mit 50 000 Verkaufskatalogen ist die Zen­ trale Zimmervermittlung in die Werbekam­ pagne eingestiegen. Davon waren nach 3 Monaten bereits 35 000 Exemplare an den Mann gebracht. Nicht weniger als 859 in­ und ausländische Reisebüros wurden ange­ schrieben, und gut ein halbes Hundert Reise­ büros wurde zwischenzeitlich persönlich aufgesucht. Denn gerade diesem Markt gilt es, besondere Beachtung zu schenken. 5000 Übernachtungen hat sich die Zen­ trale Zimmervermittlung für das erste Jahr zum Ziel gesetzt. Anfang Juni, knapp 3 Monate nach der Arbeitsaufnahme, konnte

Situation der Landwirtschaft im Landkreis durchschnittlichen Bestand von 10 Milchkü­ hen erzeugt. 15 % der milchviehhaltenden Betriebe weisen Bestände mit mehr als 20 Kühen auf. Die Schweinehaltung hat sich hauptsäch­ lich auf der Baar ausgebreitet. Die Zahl der Haltungen und der Schweine war in d.en ver­ gangenen Jahren rückläufig. Der derzeitige Zuchtschweinebestand pro Betrieb ist im Durchschnitt 10 Tiere groß. Jährlich werden ca. 76.000 Mastschweine produziert, womit der Bedarf an Schweinefleisch im Schwarz­ wald-Baar-Kreis lediglich zu 42 % aus der hei­ mischen Erzeugung gedeckt wird. Die Hühnerhaltung (97 % sind Kleinstbe­ stände) dient in erster Linie der Eigenversor­ gung. Nur 34 Betriebe halten mehr als 100 Hühner. Auch die Schafhaltung ist in zwei größeren Wanderschäferei-und in 165 Kop- Vorderwälderuieh auf der Weide – Pflege der reizvollen Landschaft Landwirtschaft Die natürlichen Ertragsbedingungen im Landkreis Schwanwald-Baar sind für die Landbewirtschaftung alles andere als gün­ stig. Die klimatischen Verhältnisse sind durch niedrige Jahresdurchschnittstempera­ turen (5,5 bis 5,8 °C im Schwanwa]d und 6,0 bis 6,6 °C auf der Baar) gekennzeichnet. Hinzu kommt noch die starke Gefährdung durch Spät-und Frühfröste, die z. T. noch im Juni, manchmal schon wieder im August, mit Sicherheit aber Anfang September auf­ treten. Die bereinigten Ertragsmeßzahlen als Wertmaßstab für die Nutzungsmöglichkei­ ten und die natürliche Ertragsfähigkeit der Böden liegen im unteren Bereich der Wert­ skala. Aufgrund dieser schwierigen natürlichen Produktionsbedingungen, die noch durch die starken Hanglagen des Schwarzwaldes und der südlichen Randgebiete der Baar ver­ schlechtert werden, überwiegt das Grünland mit einer Fläche von 27,672 ha (d.s. 65 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche). Das Ackerland (15,402 ha) wird zu drei Viertel mit Getreide -und zwar 4,410 ha Gerste, 3,821 ha Weizen, 1,882 ha Hafer, 808 ha Hafer-Gerstengemenge sowie 513 ha Roggen -genutzt. Auf der restlichen Ackerfläche werden kleeartige Futterpflanzen (Luzerne, Rot-, Perser-und AJexandrinerklee), Kartof­ feln, Raps, Körnerleguminosen (Ackerboh­ nen, Erbsen, Wicken), Silomais sowie Futter­ rüben und Grassamen angebaut. Eine beson­ dere Bedeutung kommt der Saatguterzeu­ gung mit einer Fläche von 500 ha zu. Grassa­ men, Kartoffel, Getreide und Körnerlegumi­ nosen bilden den Hauptanteil der Vermeh­ rungsfrüchte. In der Viehhaltung dominiert, bedingt durch den hohen Anteil an absolutem Grün­ land, das Rind. In 2.262 Betrieben werden annährend 50.000 Stück Rindvieh gehalten. Milch wird in 2.048 Betrieben mit einem 232

pelschafhaltungsbetrieben mit 3063 Schafen anzutreffen. Betriebsgrößenstruktur – Vergleich 1974/1985 1974 Anzahl Hektar Anzahl Hektar 1985 insgesamt Betriebs- größen- klassen ha 0,5- 2 2 – 5 5 -10 10 -20 20 -30 30 -50 über 50 662 889 913 895 429 205 32 4.025 754 3.063 6.583 12.380 10.366 7.362 2.345 43.303 399 566 617 615 382 304 75 2.958 509 1.927 4.519 8.854 9.376 11.556 4.817 41.558 Die Zahl der landwirtschaftlichen Be­ triebe hat sich seit 1974 um 24 % verringert. Insbesondere in den Betriebsgrößenklassen bis 20 ha war eine deutliche Abnahme zu ver­ zeichnen. Bessere Verdienstmöglichkeiten in außerlandwirtschaftlichen Berufen, die oft härteren Arbeitsbedingungen in der Land­ wirtschaft sowie die Tatsache, daß das in den klein- und mittelbäuerlichen Betrieben erzielte Einkommen zur Bestreitung des Lebensunterhaltes sowie der notwendigen Eigenkapitalbildung für die Betriebsent­ wicklung vielfach nicht mehr ausreicht, und schließlich der Wunsch nach einer kürzeren Arbeitszeit haben zu dieser überaus starken Abwanderung aus dem bäuerlichen Berufs­ stand geführt. landwirtschaftlichen rund 3000 Die Betriebe des Jahres 1985 im Schwarzwald­ Baar-Kreis teilen sich in ihrem Erwerbscha­ rakter wie folgt auf: -25 % Vollerwerbsbetriebe (Betriebe, die keine Einkünfte aus außerbetrieblichen Qiellen beziehen) -10 % Zuerwerbsbetriebe (Betriebe, in denen das betriebliche Einkommen an den Gesamteinkünften einen Anteil von mehr als 50 % aufweist) -65 % Nebenerwerbsbetriebe (Betriebe mit überwiegend außerbetrieblichem Ein­ kommen). Im Landkreis wirtschaften zur Zeit auch acht landwirtschaftliche Betriebe mit einer Fläche von ca. 200 ha nach der organisch-bio­ logischen bzw. biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise. Ihr Anteil entspricht 0,5 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche. Ihre Bedeutung geht jedoch über ihren zahlen­ mäßigen Anteil hinaus. Es ist mit einer weite­ ren Ausdehnung dieser alternativen Land­ baumethoden zu rechnen, zumal die Nach­ frage nach Produkten aus diesem Landbau weiter zunehmen dürfte. Die ungünstige Entwicklung der Agrar­ märkte hat in den letzten Jahren zu einem Einkommensrückgang in der Landwirt­ schaft geführt. Während der gewerbliche Vergleichslohn kontinuierlich angestiegen ist, muß die Landwirtschaft mit sinkendem Einkommen fertig werden. Ursache dafür ist das ungünstige Preis-Kosten-Verhältnis. Während zwischen 1976 und 1985 der Index der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise nur um 8 % angestiegen ist, sind die Betriebsmit­ tel im gleichen Zeitraum um 30 % teurer geworden. Da die Produktivität in unserem Gebiet infolge der naturbedingten Wirtschaftser­ schwernisse niedriger ist, sind die Einkom­ mensprobleme noch größer. Das Einkom­ men je Familienarbeitskraft lag in den letzten sieben Jahren 10-30 % unter dem Landes­ durchschnitt. Infolge übersättigter EG-Agrarmärkte und der damit verbundenen Absatzpro­ bleme für Agrarprodukte werden die Agrar­ preise voraussichtlich auch künftighin nicht im notwendigen Umfang steigen. Ange­ sichts des neuen gesellschaftlichen Auftrages der Landwirtschaft zur Erhaltung und Pflege der Kulturlandschaft und ihre Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung mit qualita­ tiv hochwertigen Produkten der Agrarwirt­ schaft sowie für die Gewährleistung der Erhaltung einer Mindestbevölkerungsdichte im ländlichen Raum, ist eine Unterstützung und Förderung ihrer Aufgaben unabdingbar. Otto Maier 233

Landschaft, Naturdenkmäler, Umweltschutz Europäische Wasserscheide im Schwarzwald-Baar-Kreis Von den 1025 km2 des Schwarzwald-Baar­ Kreises entwässern 368 km2 zum Rhein (in Karte 2 senkrecht schraffiert), 657 km2 zur Donau, also ins Schwarze Meer. Die Wasserscheide zwischen diesen Ein­ zugsgebieten ist ein Teilstück der Hauptwas­ serscheide, welche von der Straße von Gibraltar nach Osteuropa zieht, s. Karte 1. Beim Betrachten dieser Karte 1 mag auch auf­ fallen, wie sich das Rheingebiet förmlich nach Süden vorgefressen hat. Die Euro­ päische Wasserscheide in Südwestdeutsch­ land erscheint sozusagen als Frontlinie im Kampf des Rheinsystems gegen das Donau- Foto: S. Heinzmann Die Breg-Quelle bei der Martinskapelle, JOOm vor der Wasserscheide im Hintergrund. Von hier sind es 2888 km Talweg bis ins Schwarze Meer. Die Vordere Breg ist einer der Q]tel!flüsse der Donau. 234 system. Auf diese These werden wir später noch zurückkommen. Wir verfolgen zunächst den Verlauf dieser Hauptwasserscheide und beginnen im Süd­ osten, wo sie östlich Kommingen zuerst der Kreisgrenze folgt, über die Höhe „Brand“ (815 m ü. d. M.) zum Worberg (799 m, Aus­ sichtspunkt, Wirtshaus, Feldkreuz) ziehend. Auf dem Kamm zwischen Kommingen und Nordhalden (beide Orte gehören zur Stadt Blumberg) geht es dem Weg entlang nach Westen. Etwa 1 km nach Q!ierung der B 27 (Parkplatz!) knickt die Wasserscheide nach Norden zum Dorf Randen ab (Aussichts­ punkt bei der Kirche, 830 m). Über Heilin­ buck und Büchel (782 m) fallt die Linie ins Aitrachtal (700 m). Dort ist der ursprüng­ liche Verlauf kaum mehr zu rekonstruieren, da durch Gräben die Wasserscheide dort immer wieder verlegt wurde. In Karte 2 läuft die Linie über Eichberg, Berchen, Billibuck, Aspenwald; man könnte aber auch die Was­ serscheide östlich von Riedböhringen vertre­ ten. Südlich Behla (Behlaer Höhe, 798 m) und Hausen v. W. (Kohlwald, 806 m) umrunden wir das oberste Krottenbachtal. Durch die Senke geht es hinüber zum Rücken des Auenbergs und dann der Straße folgend aufDöggingen zu, das im Südwesten umrundet und dann nach Norden gequert wird. Weiter zum Kapf (830 m, Grabhügel, zwischen Waldhausen und Bittelbrunn). Auf dem Rücken südlich von Unterbränd tritt die Wasserscheide auf 18 km in den Land­ kreis Breisgau-Hochschwarzwald über. Im äußersten Südwesten der Gemarkung Urach stößt sie wieder auf die Kreisgrenze, folgt ihr ein Stück, bis sie zur Kalten Herberge abbiegt. Nach Norden zu läuft die Wasserscheide etwa parallel zur B 500 bis zur Paßhöhe Neueck zwischen Furtwangen und Güten-

Karte 2: Die Europäische Wasserscheide im Schwarzwald-Baar-Kreis … _ – Eu,op.Wa•..,.ac-* ··–·-· Ge“‚8″11w!�n 6-m.,;no.gr.,.re Kr•isgr•nn Staots,rMn 5 10 lrm O l„5‘. –�� ————- � ( -‚· . . l �‘ ‚, ( l ‚ !, bach. Weiter über den Staatsberg (1006 m) und das Alte Eck zum Brend (1149 m, Aus­ sichtsturm). Wir verfolgen die Linie über die Günterfelsen um die Martinskapelle herum zu Briglirain oberhalb vom Furtwänglehof und gelangen im Bogen auf dem Kamm öst­ lich vom oberen Katzensteigtal zur Paßhöhe beim Wirtshaus Escheck (1050 m). Nach Überquerung der B 500 folgen wir der Kammlinie über den Fohrenbühl (1030 m) zum Stöcklewald (1067 m, Aussichtsturm), hinunter zur Kreisstraße K 5728, am ehema­ ligen Galgen vorbei über die Fuchsfalle zum Kesselberg (1024 m). Über den Hirzwald 235

(Wirtshaus) geht es den Weg entlang zur Paß­ höhe Sommerau (875 m, Wirtshaus, B 33). Von hier strebt die Wasserscheide über die Hochwälder Höhe (966 m), nördlich an St. Georgen vorbei, durch den Hutneckwald zu ihrem nördlichsten Punkt im Landkreis, östlich vom Brogen (896 m). Sie zieht weiter über den Kienmooswald (851 m), quert die Straße Peterzell-Königsfeld zum Rotwald (825 m), durch den Tannwald über die B 33 zum Fohrenwald nordwestlich von Mönch­ weiler. Über den Nordrand dieses Dorfes kommt man auf die Straße nach Ober­ eschach. Auf etwa 760 m ü. d. M. knickt die Wasserscheide nach Süden ab, durch den Sommertshauser Wald zur Villinger Ziegelei führend. Nördlich an Nordstetten vorbei {,,Himmelreich“, 787 m) geht es zunächst in nordöstlicher Richtung zum Kapellenwald westlich Weilersbach und über Hagen (787 m) zur Schwenninger Gemarkungs­ grenze auf Bitzelen/Herdenen (775 m). Es folgt eine schmale Ausbuchtung nach Westen, fast gegen den Villinger Aussichts­ turm (777 m) reichend. Wieder nahe an der Gemarkungsgrenze Villingen-Schwennin­ gen entlang gelangt man über das Zollhaus zum Hannenberg und dann ins Schwennin­ ger Moos (Naturschutzgebiet, Rundweg!). Als Folge früherer „Kulturbaumaßnahrnen“ auf diesen Gemarkungen und des eingestell­ ten Torfstichbetriebes ist der ursprüngliche Verlauf der Wasserscheide durch das Moor­ gebiet nur zu vermuten. Östlich davon geht sie durch den Wald zum Türnleberg (792 m) hinauf, um das Sickerquellgebiet der Stillen Musel herum zur Flur „Innere Grube“ auf Gemarkung Hochemmingen und dann wie­ der ostwärts zum herausragenden Eckbühl (787 m, Aussichtspunkt). Zunächst noch weiter in östlicher Richtung an Tuningen vorbei bis zum Rücken der Hohen Tanne (767 m) laufend, biegt die Linie wieder nach Norden um, folgt der K570 bis zur Wende­ linkapelle (Aussichtspunkt), biegt nach Osten über die BAB (A 81) beim Kilometer Wendelinskapelle bei Weigheim (770 m ü. d. MJ. Die Wasserscheide folgt etwa dem nach rechts abbie- genden Weg. Links hinter der Kapelle ist Trossingen zu sehen. – 236

681 und erreicht die Kreisgrenze vor dem Trossinger Bettelhag (740 m). Man kann also die Europäische Wasserscheide auf 105 km Länge im Schwarzwald-Baar-Kreis verfolgen (vgl. Länge der Kreisgrenze 227 km). Was wir beschrieben haben, ist die o b e r ­ i r d i s eh e W a s s e r s c h e i d e . Sie gilt streng genommen nur bei gefrorenem oder tech­ nisch versiegeltem Boden. Die tatsächliche, die u n t e r i r d i s c h e W a s s e r s c h e i d e , welche das versickerte Niederschlagswasser, das Grundwasser, scheidet und die Q!iellen speist, dürfte nur in verkarsteten Kalkgebie­ ten nennenswert abweichen. Das ist der Fall im Muschelkalk besonders zwischen Villin­ gen und Schwenningen (zugunsten des Nek­ kars) sowie im Weißjurakalk nördlich Blum­ berg. Dieses Kalkgestein läßt im Nachbar­ kreis Tuttlingen sogar einen großen Teil des Donauwassers aus dem Flußbett zum Aach­ topf ins Rheingebiet versinken. Das Donau­ gebiet oberhalb der Versinkungsstellen kann also nur mit Vorbehalten als solches gerech­ net werden. Das war nicht immer so, denn die Herauslösung der Karsthohlräume brauchte Zeit, zumindest viele Jahrtausende. Die beschriebene Wasserscheide läuft meist über Berge, hohe oder auch nur unscheinbare Rücken; sie ist dann eine sog. K a m m w a s s e r s c h e i d e (auch wenn es keine Kämme im eigentlichen Sinn sind). Dort ist es augenfällig, wie das Niederschlags­ wasser nach entgegengesetzten Richtungen abfließt. Östlich Blumberg quert die Euro­ päische Wasserscheide ein ansehnliches Soh­ lental (Ta l w a s s e r s c h e i d e ) . Nach Westen strebt das Schleifenbächle zur Wutach, nach Osten die Aitrach zur Donau. Man muß sich vorstellen, daß dieses Tal das Werk eines großen, einst vom Feldberg kom­ menden Flusses ist (sog. Feldberg-Donau}, bis dieser Fluß – damals 170 m über dem heu­ tigen Achdorf – nach Süden überlief zur Wutach. Dieses Ereignis mag vielleicht 100 000 Jahre zurückliegen, und damit ging der Donau sozusagen schlagartig ein großes Einzugsgebiet verloren. Im übrigen Kreisge­ biet dauerte dieses Verlieren schon viel länger an, denn seit dem Einsinken des Oberrhein­ grabens konnten die Rheinnebenflüsse mit großer Erosionskraft ihre Wasserscheide vor­ schieben. So wurde der stärkste Q!iellfluß der Brigach bis zum heutigen Sommerau­ Paß geraubt, der oberste Oberlauf der Breg bis zum Briglirain. Der Neckar zog viele ehe­ malige Donauzuflüsse an sich und drang bis Schwenningen vor. Ein sehr landeskundiger Lehrer sprach gern vom »iungen Räuber Rhein“, der die „alte Tante Donau“ beraubt, wo er kann. Augenfällig wird dieses Rauben da, wo das Gefalle auf beiden Seiten der Was­ serscheide besonders ungleich ist, z. B. bei der Kalten Herberge (Blick ins Wolfloch!) oder auf dem Randen. Tatsächlich sind aber nicht die Flüsse aggressiv, denn sie sind selber nur Spielseile im Wechselspiel zwischen Erd­ krustenbewegungen und Klimabedingun­ gen. Diesem Zusammenwirken verdanken wir die landschaftlichen Höhepunkte auf der Wasserscheide, wie z.B. den Stöcklewald (Aussichtspunkt), den Brend (Aussichts­ punkt). Von den weniger bekannten sei erin­ nert an den Worberg (799 m), östlich Kom­ mingen auf der Stufenkante der Randen­ Hochfläche gegen die Hegau-Niederung. Die Wasserscheide gelangte auch zu poli­ tisch-geographischer Bedeutung, da auf weite Strecken Gemarkungsgrenzen auf sie gelegt oder wenigstens angelehnt wurden, vgl. Karte 2. Auch die Grenze des Schwarz­ wald-Baar-Kreises kam so auf einige Kilo­ meter mit der Europäischen Wasserscheide Alfred G. Benzing zusammen. * 237

Naturdenkmäler im Schwarzwald-Baar-Kreis Die Belastung der Umwelt durch Schad­ stoffe aus unzähligen Qpellen modernster Technik macht unaufhörlich von sich reden, entwickelt sich rasch zu einer immer größer werdenden Bedrohung alles Existenziellen. Wächst aus diesem Keim die Vernichtung allen Seins? Noch haften die Gedanken an der Katastrophe in Tschernobyl, die über Grenzen hinweg bis in die Natur unserer Heimat wahrnehmbare Spuren hinterlassen hat und Gefahr für Mensch, Tier und Pflan­ zenwelt brachte. Unter den herrschenden harten Umweltbedingungen leiden auch die als Naturdenkmäler geschützten Bäume im Schwanwald-Baar-Kreis, von denen ein gro- Zeichnungen auf dieser und den folgenden Seiten: Helmut Heinrich ßer Teil vor mehr als 200 Jahren angepflanzt wurde. Können sich diese trotz aller negati­ ven Umwelteinflüsse zum Teil doch noch gut erhaltenen Naturdenkmäler auch in das nächste Jahrhundert im neuen Jahrtausend hinüberretten? Sieben Bäume aus der Reihe der Natur­ denkmäler im Schwarzwald-Baar-Kreis laden zu einem Besuch ein. Eine Stippvisite gilt zunächst dem Trio „Unterhauslinden“ auf der Gemarkung Rohrhardsberg. Ihren Namen verdanken die 3 Linden dem „Unter­ haus“, ehemals ein Bauernhaus. Heute dient dieses alte Schwanwaldhaus nach gründli­ cher Renovation als Feriendomizil für Wiesenkieftrlinde, 1830, Mönchweiler 238

Drei Unterhaus-Linden, 1820, Schonach 239

früheres Schul- und Straße Richtung Rathaus von Rohrhardsberg ein. Aber gleich nach Überquerung der Elz ist der parallel zur Elz verlaufende und ansteigende Waldweg einzuschlagen. Nach einer langgezogenen Linkskurve kommt das „Unterhaus“ mit den drei Linden in das Blickfeld, etwa 1 Kilome­ ter von der erwähnten Elzbrücke entfernt. Zentral liegt in Mönchweiler einer der 7 noch vorhandenen landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe, der „ Wiesenküferhof“, an dessen Westseite eine im Jahr 1830 ange­ pflanzte Linde ihren Standort hat Wiesen mit zahlreichen Obstbäumen umschließen dieses Anwesen und wahren noch den ländli­ chen Charakter der sehr fortschrittlichen Gemeinde Mönchweiler. Von der Mühlen­ straße aus kommt man zu diesem Anwesen. Bei der Einfahrt zwischen Bauernhaus und Wagenschuppen steht dieses seit dem Jahr 1941 anerkannte Naturdenkmal Posten. Rund 20 Meter groß ist die mit einer birnen- Stalleck-Eiche, 1770, Weigheim ]akobstanne, 1755, am Romäusbrunnen, Villingen Jugendgruppen. Durch ihre Größe von 30 Metern fallen diese im Jahr 1820 angepflanz­ ten und im Jahr 1973 in das Naturdenkmal­ buch des Landratsamtes Schwarzwald-Baar­ Kreis aufgenommenen Linden, deren Stämme dicht über dem Erdboden teilweise zusammengewachsen sind, besonders auf. Die „Unterhauslinden“ fügen sich mit ihrem saftig-grünen Laubwerk auf dem Vorplatz des „Unterhauses“ in dem von steilen Hän­ gen umgebenen Winkel nahe des Fisch­ baches harmonisch in das von Fichtenwäl­ dern geprägte Landschaftsbild ein. Von Schonach im Schwarzwald kommend ver­ läßt man die zum Hinterprechtal führende Landesstraße 109 und biegt nach links in die 240

Eiche am Gemeindeweg Hüfingen – Sumpfohren förmigen Krone ausgestattete Linde. Man nennt sie „ Wiesenküferlinde.“ Die Vorfahren des heutigen Eigentümers übten den Küferberuf aus. Diese Berufsbezeich­ nung und die Wiesen um das Anwesen bilde­ ten das Wort „ Wiesenküfer“. Daraus entwik­ kelte sich für das Naturdenkmal die Bezeich­ nung „ Wiesenküferlinde“. Ein 35 Meter hoher Riese mit einem Stamm von fast 4 Metern Umfang hält schon 235 Jahre an seinem Platz im Villinger Stadtwald am südlichen Ufer der Kirnach aus. Es ist die Rede von der „J a k ob s – tanne“. Man findet sie etwa 1300 Meter westlich des Kirnacher Bahnhofs. Mehr im Mittelpunkt des Interesses als das seit dem ausgewiesene Naturdenkmal Jahr 1941 steht der benachbarte „Jakobstanne“ Romäusbrunnen. Unzählige Menschen haben dort immer wieder frisches Q!iellwas­ ser geschöpft Und Tag für Tag vollzieht sich die gleiche Zeremonie mit den Wasserkan­ nen. Dennoch kann man die Jakobstanne nicht übersehen. An ihr zieht der Wander­ weg, der den Kirnacher Bahnhof mit Unter­ kirnach verbindet, vorbei. Unter der Schwere ihres Alters beugt sich die Jakobstanne leicht Stark gelichtet ist ihr Nadelwerk. Mit ihren kräftigen Wurzeln greift die Jakobstanne unter das Flußbett und versorgt sich mit flüs­ siger Nahrung, die reichlich vorhanden ist In ihrer unmittelbaren Nähe führt ein Steg über 241

die Kirnach zu einer großen Wiesenfläche und zu einer Grillstelle, wo man eine Pick­ nickpause einlegen kann. Ein Abstecher zum Stadtteil Weigheim ermöglicht die Begegnung mit einer im Jahr 1770 angepflanzten Eiche. Sie steht im Gewann Stalleck und führt deshalb mit Recht den Namen „Stalleckeiche“. Seit dem Jahr 1950 gehört sie zu den Naturdenk­ mälern im Schwarzwald-Baar-Kreis und trägt das ihr zustehende Metalldreieck „Natur­ denkmal“. Nordwestlich von Weigheim, knapp 1000 Meter vom Ortsende, nur 3 Meter vom Rand der Kreisstraße 5704 fristet sie ihr Dasein, muß täglich die Abgase der vorbeiratternden Vehikel ertragen, die von Weigheim zur Autobahn oder Bundesstraße 27 und in umgekehrte Richtung steuern. Aber sie lebt, diese Eiche, die einige ihrer Äste über die Straße ausstreckt In sattem Grün zeigt sich ihre von zahlreichen bizarren Ästen getragene kugelförmige Krone. Daß an dieser Eiche einige Äste fehlen, beweisen gut ein Dutzend vernarbter Wunden. Diese Verluste brachten die Eiche, deren kräftiger Stamm dunkelgrünes Buschwerk um­ schließt, bisher nicht zu Fall. Ihre Größe von 17 Metern reicht aus, um den Sichtkontakt mit Weigheim und dem entfernteren Hohen Lupfen im Südosten aufrechtzuerhalten. Über einem seichten Gewässer kreisen einige Vögel. Ohne Fernglas könnte man größere Greifvögel vermuten. Doch dann wird im Flugbild der S-förmig gebogene Hals sichtbar. Es sind Graureiher, die etwas später in dem flachen Uferbereich des Weihers lan­ den. In den umliegenden Wiesen, aber auch in dem Weiher selbst, geht es auf Nahrungs­ suche. Regenwürmer, Frösche, Feld-und Wühlmäuse werden aufgenommen. Dage­ gen hätte sicher niemand etwas einzuwen­ den. Doch im Weiher werden Fische gefan­ gen und die sind auch bei uns ein Bestandteil 242 Der Graureiher Etwas abseits, aber doch nicht vergessen, steht auf Gemarkung Hüfingen eine „N a turdenkmal-Eiche“. Im Jahr 1750 hat man ihr den Platz zugewiesen, der heute von einem kleinen Sträßchen tangiert wird. Wie kann man diese Stelle finden? Beim Hüfinger Wasserturm zweigt die Kreisstraße 5753 ab. Sie zieht nach Osten und mündet nach etwa 2 Kilometern in die Bundesstraße 31.Schon bei der Kreuzung, wo eine Straße nach Norden zu den Baggerseen führt, stellt nach Süden ein geteertes Sträßchen Verbin­ dung zu dem Hüfinger Stadtteil Sumpfohren her. Nach 700 Metern in diese Richtung erreicht man die alte, kurzstämmige Eiche. Hier prallen Technik und Natur hart auf­ einander; ein eiserner Riese einer Überland­ leitung und die Eiche. Große Weideflächen ringsum bieten dem Vieh von den nahegele­ genen Eichhöfen Futter. Man sieht den Für­ stenberg, die Länge, den Wartenberg und den Himmelberg. Nur 1 Kilometer östlich von dieser Eiche befindet sich eine der bei­ den Kreismülldeponien, die zu einem klei­ nen Berg herangewachsen ist. Noch weiter östlich belebt eine Reihe von etwa 80 Pap­ peln das Landschaftsbild. Man denkt wieder an Tschernobyl und fragt sich: Ist die Natur hier wirklich noch in Ordnung?Werner Heidinger des Speisezettels. Bei dem dadurch entste­ henden Konkurrenzkampf war der Graurei­ her in den früheren Jahren hoffnungslos unterlegen. Bedingt durch Abschußprämien, die Trockenlegung von Feuchtgebieten, durch den Rummel in manchen Land­ schaftsteilen, durch die Flußverbauungen und die Schadstoffbelastungen der Gewässer wurde dieser Großvogel immer seltener. Der bestandmindernde Konkurrenzneid der Menschen gegenüber diesem Vogel war zum größten Teil unbegründet. Die tägliche Nahrungsmenge eines Graureihers liegt zwi-

Auch bei stärkeren Gelegen kommen nur 3 junge hoch. sehen 330 und 500 Gramm. Sein Beutespek­ trum ist breit. Es setzt sich zusammen aus Fischen, Regenwürmern, Kleinsäugern, Amphibien, Reptilien und Insekten. Beson­ ders zu erwähnen sind dabei noch die fische­ reischädlichen Larven des Gelbrandkäfers. Bei der Aufzucht der Jungen ist der Anteil an Feld-und Wühlmäusen beachtenswert hoch. An Fischen erbeutet er die Bewohner der oberflächennahen Wasserschicht wie Weiß­ fische und Lauben. Diese sind wieder Nah­ rungskonkurrenten der von den Menschen begehrten Edelfische. Die von dem Vogel bevorzugte Fischgröße liegt zwischen 10 und 15 cm. Da der Graureiher beim Beutefang nicht tiefer als 20 cm stößt, sind die Fische, die sich unter dieser Grenze aufhalten, nicht gefährdet. Die Beute wird unzerkleinert ver­ schluckt. Unverdauliche Überreste werden als Gewölle wieder ausgewürgt. Der Graureiher zählt mit zu den Tieren, die die Unbeständigkeit menschlicher Ver­ haltensweisen mit am meisten zu spüren bekamen. In früheren Jahrhunderten stan­ den ihre Brutkolonien unter strengem Schutz. Es war teilweise unter Todesstrafe verboten, sie bei der Aufzucht ihrer Jungen zu stören. Der Grund war die hohe Jagd mit dem Falken. Die Vögel standen als Beizwild bei den Herrschenden mit an erster Stelle. Es war jedoch nicht so, daß die Beizjagd immer mit ihrem Tod endete. Den Falken wurde die Beute vielfach abgenommen. Mit einem Ring am Fuß konnten die Graureiher anschließend wieder in die Freiheit fliegen. Es gab Reiher, die es im Laufe der Jahre auf 5 Ringe brachten. Auch die abendländische Geschichte beeinflußten die Reiher in einer nicht un­ wichtigen Phase. Als der Staufenkaiser Fried­ rich II. 1248 seine letzte und entscheidende Schlacht gegen die lombardischen Städte verlor, befand er sich gerade in der Sumpf­ landschaft von Parma aufReiherjagd. Diesen Stadtbewohnern fiel bei ihrem erfolgreichen Ausfall gegen das Heerlager des Kaisers ein 243

Im Alt.er von vier Wochen verlassen die jungen Reiher zum ersten Mal den Horst. Dieser Zeitpunkt ist bei den abgebildeten Vögeln nicht mehr weit. zweibändiges Manuskript in die Hände. Es hatte den Titel „De artevenandi cum avibus“. Übersetzt heißt das“ Über die Kunst, mit den Vögeln zu jagen“. Der Staufenkaiser ist also der erste Verfasser eines größeren ornitholo­ gischen Werkes, dessen Aussagen zum Teil heute noch ihre Gültigkeit haben. Die älteste bekannte Graureiherkolonie liegt an der Jagst in Baden-Württemberg bei der Burg Morstein. Ihre erste Erwähnung verdankt sie dem sogenannten Reiherkrieg. Der Markgraf von Ansbach ließ 1583 die bekannte Reiherhalde bei Morstein umstel­ len und die Vögel fangen. Die Brüder Hans und Sebastian von Crailsheim zogen in die­ ser Sache vor das Reichskammergericht. Aus dem Schriftverkehr geht hervor, daß die Reiher­ kolonie damals mehrere hundert Jahre alt war. 244 Während der Jungenauftucht werden häufig Feld- und Wühlmäuse verfüttert. Die schützende Einstellung dem Reiher gegenüber änderte sich im 19. Jahrhundert. Die Menschen mißgönnten ihm jetzt seinen Nahrungsanteil an Fischen. Fangeisen und Gewehr sorgten in ihrem Sinn für Abhilfe. Um 1965/70 hatte der Graureiherbestand sei­ nen Tiefpunkt erreicht. Doch dann kamen für ihn wieder günstigere Zeiten. Er wurde jagdlich ganzjährig geschützt. Durch neue Kläranlagen konnten sich in einigen Gewäs­ sern wieder Fischbestände entwickeln. Teil­ weise entstanden sogar neue Feuchtgebiete. Natürliche Widrigkeiten führen auch heute zu Bestandsschwankungen. So gibt es in Kältewintern unter den sogenannten Nichtziehern hohe Verluste. Wie sich diese Schwankungen in Zahlen darstellen, ver­ anschaulichen folgende Angaben:

Nach dem der Altvogel die erste Futterladung von sich gegeben hat, würgt er gerade die zweite Mahl­ zeit hoch. 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1340 1705 1200 1340 1435 1205 1260 1981 1982 1455 1620. Auch in unserer näheren und weiteren Heimat ist die Bestandsentwicklung gut be­ obachtet worden. Um 1960 umfaßte die größte Graureiherkolonie in Baden-Würt­ temberg ca.100 besetzte Horste. Die Ansied­ lungen bei uns zählten 15 bis 40 solcher Rei­ sigbauten. Sie befanden sich bei Pfohren, Balgheim, Rottweil, Seedorf und im Eschachtal. Diese Graureiheransiedlungen sind zum Teil ganz verschwunden. Zur Zeit befinden sich in unserem Raum wieder 50 besetzte Horste. Die Kolonien sind jedoch wesentlich kleiner geworden. 3 bis 10 Horste werden heute an den Nistplätzen gezählt. Die Horste werden so angelegt, daß ein.freier An­ und Abflug gewährleistet ist. Hoch ragen die nesttragenden Bäume über den Gipfelbereich des übrigen Waldes, oder der Standort erlaubt einen von Ästen und Zweigen unbehinderten Anflug. Doch gibt es auch Gegenden, wo diese Großvögel im Schilf brüten. So in Österreich am Neusied­ ler See, in den Niederlanden und in Däne­ mark. Im Frühjahr, wenn die Männchen wieder in ihr Brutrevier zurückkehren, besetzt das zuerst ankommende den größten Horst. So geht es in der Reihenfolge weiter nach unten. Die armen Benachteiligten sind die Vögel, die zuletzt eintreffen. Wenn alle vorhande­ nen Nistplätze vergeben sind, sind die Nach­ zügler gezwungen, einen neuen Reisigbau anzulegen. Gemildert wird die Bauerei durch die Beteiligung beider Partner. 245

Kommen endlich die Weibchen angese­ gelt, versucht er, sie durch Reck-und Streck­ bewegungen und lautes Rufen an seinen Horst zu locken. Haben die Bemühungen endlich Erfolg, kommt es hier auch zur Kopula. Die 3 bis 5 blaugrünen Eier werden in zweitägigem Abstand gelegt. Macht die Witterung mit, ist das Gelege Ende März schon vollzählig. Das Brutgeschäft wird von beiden Altvögeln wahrgenommen. Wenn die Reiher infolge Störungen einmal ihr Nest verlassen, stürzen sich die immer wachen Krähen auf die ungeschützten Eier und ver­ anstalten ein Festessen. Nach einer Brutdauer von ca. 4 Wochen schlüpfen die Jungen. In der ersten Zeit bleibt immer einer der Eltern bei ihnen. Das ist gut so. Milane und andere Greifvögel kön­ nen inmitten einer Graureiherkolonie eben­ falls ihre Jungen großziehen. Kleine Graurei­ her können dann schnell zum Opferwerden. Aber auch so mancher Fisch fallt zu Boden und wird dort von den artfremden Mit­ bewohnern aufgelesen. Die Höhlungen des Reisigbaues sind auch ein gern aufgesuchter Brutplatz von Sperlingen. Nähert sich der Partner dem Nest, findet‘ eine ritualisierte Begrüßung statt. Der Feder­ schopf wird unter trompetenähnlichen Rufen aufgerichtet, und der Ankömmling reckt als Antwort den Hals in die Höhe. Mit diesem Graureihergruß empfangen später auch die Jungen ihre Eltern. Sind die Jungen noch klein, erbrechen die Altvögel die Nahrung aus ihren Magen direkt in die Schnäbel ihrer Kinder. Sind sie älter, erfassen sie den Schnabel des nahrungs­ bringenden Vogels von der Seite und ziehen ihn nach unten, wo das Futter auf den Nest­ boden erbrochen wird. Dort können sie es dann selbst auflesen. Von dieser Verhaltens­ weise kommt sicher auch der Ausdruck, wenn bei uns Menschen einmal die Nahrung in die falsche Richtung läuft, „er kotzt wie ein Reiher“. Der Futterbettelruf der Jungen ist ein lau­ tes Keckem. Auch bei stärkeren Gelegen kommen überwiegend nur 3 Junge hoch, 246 denn wenn es um das Futter geht, herrscht hier uneingeschränkt das Recht des Stärke­ ren. Die schwächeren Geschwister verkom­ men und landen am Fuß des Baumes als will­ kommene Beute von Greifvögeln und Krä­ hen. Im Alter von 4 Wochen verlassen die Jungen das erste Mal den Horst, und mit 2 Monaten sind sie voll flugfahig. Sie ziehen dann in sogenannten Zwischenflügen im Land umher. Der Graureiher ist ein ausgesprochener Pirschjäger. Langsam, ganz langsam setzt er einen Fuß vor den anderen. Regungslos bleibt er aufeinmal stehen. Blitzschnell stößt sein Schnabel vor. Die Beute wird in die rich­ tige Lage gebracht und verschluckt. Doch nicht mit jedem Stoß hat er Erfolg, oft geht er auch daneben. Vor allen Dingen die jungen Reiher machen viele Fehlstöße, bis sie gelernt haben, die Entfernung richtig einzuschätzen und im Wasser die Lichtbrechung zu berück­ sichtigen. Im Wasser jagt der Reiher nur in der Flach­ wasserzone, obwohl er schwimmen kann. Bei ausgesprochenen Fischteichen bieten engmaschige Netze im seichten Bereich einen ausreichenden Schutz. Auch im Winde flatterndes Staniolpapier häl.t die Rei­ her fern. Seine Fluchtdistanz dem Menschen gegenüber ist meistens beträchtlich. Der Schaden, den er in den Gewässern anrichtet, hält sich in Grenzen. Im September/Oktober treten die Reiher ihre Reise in das Winterquartier an. Italien, Südfrankreich, Spanien und Nordafrika sind die Ausweichplätze. Doch einige erreichen sogar Senegal, Guinea, Sierra Leone, Mali, Obervolta, Togo und Nigeria. Es bleiben auch Reiher hier, das sind die sogenannten Nichtzieher. Ob sie überleben, hängt von der Strenge des Winters ab. Im März sind die Zugvögel wieder bei uns. Wir können dann in den Donauwiesen zwischen Donaueschingen und Pfohren beobachten, wie die Graureiher, die bei uns auch irrtüm­ licherweise Fischreiher genannt werden, hier fleißig ihre Mäuse fangen. Roland Kalb

Sicherer als der Silberlöffel: Pilzberater Kühnl Zehn Jahre alt wurde 1986 die Hüfinger Pilzberatungsstelle, die Oberlehrer Wolf­ gang Kühn[ in seinem Haus in der Schellen­ bergstraße leitet. Mit einer Ausstellung über Pilze und Waldfrüchte, die im September 1986 im evangelischen Luise-Scheppler-Kin­ dergarten stattfand, gedachte man dieses klei­ nen Jubiläums, und zahlreiche Interessenten besuchten die Schau, die Wolfgang Kühn[ mit seinen Helfern zusammengetragen hatte. Eine Besonderheit dieser Ausstellung war auch die Präsentation von hundert Blatt einer 800 Blatt umfassenden Postkarten­ sammlung mit Pilzmotiven aus der Zeit um die Jahrhundertwende bis heute. Und wer noch nie ein Pilzgericht gekostet hatte, konnte sich bei einer vorzüglich zubereiteten Pilzsuppe von deren Wohlgeschmack über­ zeugen. Gäste der Ausstellung waren auch der Kreispilzbeauftragte des Halle-Saal-Krei­ ses aus der DDR. Gerhard Saupe, mit seiner Frau, mit denen Wolfgang Kühn! über sein Hobby seit langem freundschaftlich verbun­ den ist. Der Hüfinger Pilzberater, gebürtiger Sudetendeutscher, sammelt schon seit seiner Kindheit Pilze und hat sich seither intensiv mit ihnen beschäftigt. Seit 1972 besitzt er nach einer Prüfung durch ein Gremium der Deutschen Gesellschaft für Mykologie einen entsprechenden Ausweis, der ihn berechtigt, seine Beratertätigkeit auszuüben. Sein Haus in der Schellenbergstraße in Hüfingen birgt ein richtiges kleines Museum. In einer umfunktionierten Wasch­ küche findet sich alles, was Kühn! über sein Hobby zusammengetragen hat: Eine respek­ table Pilzbibliothek mit Werken namhafter Mykologen aus über 40 Ländern -auch einige Bücher mit chinesischen und japani­ schen Schriftzeichen sind darunter -und sel­ tene Pilze, die, konserviert in Formalin oder Spiritus, als Anschauungsobjekte dienen. Modelle der wichtigsten Giftpilze sind über- Pilzberater Wolfgang Kühnl erklärt einem Sammler die Besonderheiten der einzelnen Pilzsorten 247

sichtlich auf einem Tisch aufgereiht, eine Anschaffung, welche die Stadt Hüfingen für die Pilzberatungsstelle finanziert hat. „Saison“ hat das Pilzesammeln eigentlich das ganze Jahr hindurch, doch gelten die Monate Juli bis Oktober als Hauptsammel­ zeit. Dann gibt es für Wolfgang Kühnl prak­ tisch keine Freizeit mehr, denn neben seinem Beruf ist er von seinem Hobby volJ in Anspruch genommen. Etwa 700 bis 800 Rat­ suchende kommen jährlich in die Hüfinger PilzberatungsstelJe in der SchelJenberg­ straße. Allerdings waren es in dem extrem pilzarmen Jahr 1985 nur etwa ein Zehntel der Besucher. Oft stehen sie Schlange vor Kühnls Domizil mit Körben voller Sammel­ gut, um sich letzte Gewißheit über die Genießbarkeit zu verschaffen. Und Wolf­ gang Kühnl gilt als Autorität auf seinem Gebiet, der sich bisher noch nie geirrt hat. Es kommt vor, daß Sammler alles wah11os anschleppen, was ihnen an Pilzen im Wald vor die Füße kommt, doch von solchem Vor­ gehen ist der Pilzberater a11es andere als ange­ tan. Ihm liegt daran, daß Leute, die Pilze mit­ nehmen, nur solche sammeln, von denen sie mit Sicherheit wissen, daß sie zum Verzehr geeignet sind. Gewissenhaft prüft er jedes Exemplar, trägt Name, Art und FundstelJe in ein Heft ein, wobei er ganz nebenbei Rat­ schläge fürs richtige Sammeln gibt. Schon manches giftige Exemplar hat der Hüfinger Pilzberater zur großen Erleichterung seiner Sammler aussortiert und so SchJirnmes und SchJirnmstes abgewendet. Gelegentlich kommt es vor, daß ein Besu­ cher ein seltenes, wenig bekanntes Pilzobjekt mitbringt, doch Wolfgang Kühnl kann in den allermeisten Fällen auf Anhieb diesen Fund bestimmen. Grundsätzlich sind die Beratungen ko­ stenlos, doch bleibt es jedem Ratsuchenden unbenommen, ein Scherflein in ein bereitste­ hendes Kässchen zu werfen. Eine „Bezah­ lung“ ist dies sicher nicht, denn meistens stellt sich am Ende der Saison heraus, daß der zusammengekommene Betrag gerade für die Anschaffung eines Fachbuches reicht. Doch 248 Wolfgang Kühnl, der ehrenamtlicher Mit­ arbeiter des „Landesausschußes für Gesund­ heitsförderung“ ist, geht es nicht in erster Linie ums Geld. Die Pilze als Hobby bringen ihm Kontakte mit Pilzfreunden aus a11er Welt. Die Korrespondenz mit Experten aus aller Herren Länder ist ebenso spannend wie umfangreich. Bemerkenswert ist auch seine lückenlose Briefmarken-und Stempelsammlung über die Pilzwelt. Bereits 197 5 hatte Kühn! mit sei­ ner Sammlung von damals bescheidenen 120 Blatt bei der Internationalen Mykologischen Tagung in Emmendingen und später bei einer AusstelJung im Freiburger Naturkun­ demuseum höchste Anerkennung gefunden. Eine außergewöhnliche Ehre wurde Kühn] in seiner Eigenschaft als Pilzkenner und Phi­ lathelist zuteil. Auf besonderen Wunsch des veranstaltenden Direktors erhielt er 1981 den Auftrag, seine große Pilz-Briefmarkensamm­ lung als deutscher Beitrag beim XI. Interna­ tionalen Mykologischen Weltkongreß in Sydney in Australien auszustellen. So wichtig dem Hüfinger Pilzberater auch die Begutachtung gesammelter Pilze und das Aussortieren giftiger oder ungenießbarer Exemplare ist, seine Hauptaufgabe sieht Wolfgang Kühnl in der Aufklärung über richtiges und schonendes Sammeln, wo­ durch, wie er meint, ein Stück lebendiger Naturschutz geleistet wird. Der Pilzberater arbeitet auch eng mit den niedergelassenen Ärzten und dem Kreiskran­ kenhaus in Donaueschingen zusammen, soweit die in Fällen von Pilzvergiftungen auf den Rat des Experten angewiesen sind, um die richtige Therapie anwenden zu können. Jede Giftpilzart kann andere Symptome her­ vorrufen. Einzig die genaue Kenntnis der Pilze kann vor Schaden bewahren -so der Hüfinger Pilzexperte -alle anderen „siche­ ren“ Methoden zum Erkennen giftiger Pilze, wie etwa der sich verfärbende Silberlöffel, gehören ins Reich der Fabel. Käthe Fritschi

Stätten der Gastlichkeit und der Entspannung Das „Hotel Schützen“ in Donaueschingen Altes, renommiertes Gasthaus im heutigen Schwarzwald-Baar-Kreis Mit zu den ältesten vornehmen „Land­ gasthäusern“ im Gebiet des Landkreises Schwarzwald-Baar gehört zweifelsohne das Hotel „Zum Schützen“ in Donaueschingen. Mehrere Generationen der bekannten Hote­ liers-Familie Buri führten im Verlauf von fast zwei Jahrhunderten dieses landauf und land­ ab bestens bekannte große Hotel in der Josef­ straße und bauten es aus vom ehemaligen ,,Heim der Donaueschinger Schützengilde“ bis zum ersten Haus am Platze. Dies gilt frei­ lich für die Zeit von der Jahrhundertwende bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges, als „der Schützen“ auf dem weitläufigen eigenen Gelände hinter dem Hotel durch ein großes eigenes Kurhaus mit Sole bad (1902) erweitert wurde und durch überdeckte Promenaden­ und Arkadengänge im damals sehr gepfleg­ ten Hausgarten, um nicht zu sagen eigenen Park, die Frequentierung dieses Hotels erster Klasse noch gesteigert wurde. Die Schaffung eines Tennisplatzes innerhalb des hauseige­ nen Kurgartens steigerte die Attraktivität noch mehr; besonders und zahlreich ver­ brachten deshalb auch ausländische Hotel­ und Kurgäste „im Schützen“ ihren Urlaub. Durch die günstige Lage an der Haupt­ straße, der früher einzigen und noch ruhigen Durchfahrtsstraße durch den ehemaligen Residenzort der Fürsten zu Fürstenberg und durch die Nähe des von den Hotelgästen mit Vorliebe aufgesuchten fürstenbergischen Parkgeländes für ausgiebige Spaziergänge im Bereich der jungen Donau, sah das inzwi­ schen zum Hotel gewordene Haus hohe und höchste Persönlichkeiten absteigen und als seine hochzufriedenen Gäste. Zwischenzeitlich hat sich vieles gewaltig verändert, die Kriegs-und Nachkriegszeiten, die Wirtschaftskrisen usw. gingen auch am Hotel „Schützen“ und an der Hoteliersfami- Das ,,Aushängeschild“ des Hotel ,,Zum Schüt­ zen“ in Donaueschingen ist ein altes schmiede­ eisernes Kunstwerk mit der Jahreszahl 1724 und zeigt einen knieenden vergoldeten Schützen mit Pfeil und Bogen. lie Buri nicht spurlos vorüber. Trotz der ge­ segneten Tage, die „der Schützen“ durch die hiesigen Aufenthalte der Großherzoglichen Familie von Baden, durch die zahlreichen Besuche des deutschen Kaisers Wilhelm II. und durch die „goldenen Zwanziger Jahre“ erlebte, der Betrieb in diesem Donaueschin­ ger Groß-Hotel ging langsam aber stetig zurück. Auch die 1922 durch den Fürsten Max Egon II. zu Fürstenberg ins Leben geru­ fenen „Donaueschinger Kammermusik­ feste“, die in den heutigen „Donaueschinger Musiktagen“ ihre Nachfolger fanden und 249

Das Hotel Schützen in der Josefstraße in Donaueschingen in seiner ganzen Größe, wie es sich dem Beschauer von der „Schützenbrücke „her bietet, zeigt eine Postkarte, die zu Beginn unseres Jahrhunderts herausgekommen ist. während deren Festwochen das Hotel jeweils lange vorher schon ausgebucht war, ähnlich wie bei den hier früher stattgefundenen berühmten Pferdemärkten und den Pferde­ lotterien, all diese waren nicht genügend Ausgleich für die berühmten dazwischenlie­ genden mageren Zeiten. Dem einst weitbe­ kannten großen Hotel blieb nichts anderes übrig, als sich im Verlauf von wenigen Jahr­ zehnten gesund zu schrumpfen. Blättern wir nun in der Geschichte des Hauses „Zum Schützen“ zurück, um seinen Ursprung zu erfahren, so finden wir im Jahre 1724 das alte historische Schützenhaus erwähnt. Die Donaueschinger Schützengilde fand sich dort jeweils ein, wenn sie dem Pflichtschießen oder ihrem sportlichen Zeit­ vertreib auf dem „Schützenberg“, auf der All­ mendshofer Gemarkung gelegen, nachge­ gangen war. 250 Schon 1724 ruhte auf dem Haus an der Brigach das Recht, Bier und etwas später auch das Recht, Wein auszuschenken. Ver­ bunden damit war natürlich die Pflicht, jähr­ lich der Herrschaft das „Umgeld“ zu bezah­ len. Offiziell erst ab 1731 wird diese Wirt­ schaft „Zum Schützen“ genannt bzw. erwähnt. Im vierhändigen Donaueschinger Urbar vom Jahre 1793, das die Einzeichnungen auf der Bannkarte des gleichen Jahres in Worten, d. h. in erklärendem Text ausführlich belegt, wird ein Franz Joseph Ganther als „Schüt­ zenwürth“ genannt, vor ihm trieb Georg Klöckler von Donaueschingen diese Wirt­ schaft um. Sie hatten an jährlichen Abgaben außer dem Grundzins für ein Haus, Scheuer, Stallung und Hofraithe für die „ Würth­ schaftsgerechtigkeit“ 4 fl. (Gulden) und für die „Mezgens-Gerechtsame“ weitere 4 fl. zu

entrichten. In dem hinter dem Haus gelege­ nen „Kraut-oder Kuchelgarten“ stand näm­ lich noch ein weiteres Nebengebäude, das „Schlachthaußel“ an dem „Allmend-Weg“ gelegen. Die Familie Buri, nach der Familienüber­ lieferung um 1680 aus der Schweiz nach Donaueschingen gekommen, übernahm erst um 1800 das Haus „Zum Schützen“. Aus der Überlieferung weiß man, daß im Jahre 1770, als Marie Antoinette, die Tochter der öster­ reichischen Kaiserin Maria Theresia, auf ihrer Brautfahrt nach Paris auf Einladung des Fürsten Joseph Wenzel zu Fürstenberg (1728-1783) im Schloß Station machte und übernachtete, im „Schützen“ an den Kleider­ rechen ebenso die vornehmen Roben derbe­ gleitenden Hofkavaliere hingen wie in den unruhigen Tagen der 48er Revolution die breitkrempigen Heckerhüte. Seit der Mitte des letzten Jahrhunderts wurde das damalige Landgasthaus systema­ tisch durch Anbauten vergrößert, weitere Räumlichkeiten, wie Speisesäle und Ballsäle kamen hinzu. Dem jeweiligen Zeitge­ schmack entsprechend wurden diese einge­ richtet, um für festliche Veranstaltungen den würdigen Rahmen und eine behagliche Atmosphäre zu garantieren. Auch der Jugendstil“ war musterhaft vertreten. Das „Hotel Schützen“, zu dem es sich inzwischen vom bodenständigen Gasthof emporentwik­ kelt hatte, war eines der ersten Häuser in Donaueschingen, in dem durch die geschaf­ fenen großen Räumlichkeiten auch größere Feste und Bälle stattfinden konnten. Kon­ zerte, Theateraufführungen und Gesell­ schaftsbälle fanden regelmäßig statt, für sie war der „Schützen“ wie geschaffen. Abgehal­ tene Kostüm-oder Maskenbälle in der Fast­ nachtszeit waren weithin bekannt und zogen auch viele auswärtige Besucher an. Nach einer ausführlichen gedruckten Informations-und Werbe-Broschüre aus der Zeit um die Jahrhundertwende standen damals den Hausgästen und für Gesell­ schaftsveranstaltungen im Stammhaus, dem Hotel, außer der sogenannten Schützen- stube, der alten vornehmen holzgetäfelten Bierstube mit Terrasse zum Brigachufer hin, der Große Speisesaal (durch die Ausschmük­ kung durch den Münchner Kunstmaler Mül­ ler, Pfauensaal genannt}, ein Kleiner Eß-Saal, auch als Wein-Restaurant verwendet, ein kleinerer Speisesaal, der Kindersaal sowie der ebenfalls prachtvolle Spiegelsaal für Bälle etc. zur Verfügung. Das Hotel, das im Gegensatz zum Kur­ haus ganzjährig geöffnet war, hatte in 50 Zimmern 80 Betten, was mit den 40 Zim­ mern und 65 Betten im getrennt liegenden Kurhaus eine enorme Kapazität bedeutete und eine entsprechend große Küche erfor­ derte. Als „gesundheitliche Einrichtungen“ waren für die Kurgäste im Parterre des hin­ teren Stammhaustraktes Badeeinrichtungen mit Sole-, Fichtennadel-, Kohlesäure-und Süßwasserbäder mit Dusche und Dampfbad vorhanden. Beide Gebäude hatten Anschluß an die Soleleitung, welche seit 1871 vom Bohrloch am Aasener Kapf zum städtischen Solebad (dem späteren Irmabad) führte. Ein Lesesalon und ein Billardzimmer vervoll­ ständigten im Hotel das Angebot für die Gäste. Das 1902 von dem Karlsruher Architek­ ten Vittali im Chaletstil erbaute große Kur­ haus inmitten des parkartigen Gartens an der Irmastraße (nach der Fürstin Irma zu Für­ stenberg, 1867-1948) war mit dem Stamm­ haus durch eine Wandelhalle verbunden, so daß auch bei schlechtem Wetter der Auf­ enthalt im Freien möglich war. In dieser nur von Mai bis Oktober geöffneten Depen­ dance befanden sich auch Appartements mit Bad-und Dienerschaftszimmer, ein Salon, ein Damenzimmer mit Piano, ein Rauchsa­ lon, ein Schreibzimmer sowie eine behag­ liche Biedermeierdiele. Dem Haus war gegen Osten eine große überdachte Veranda ange­ baut. Vor der Erfindung des Automobils stan­ den zur Abholung der Gäste ständig Haus­ diener in Livree mit dem Hotelwagen am Bahnhof bereit, später, als man mit Autos vorfuhr, wurden auch zwei Autogaragen im 251

Das Kurhaus Schützen im hauseigenen Kurgarten entlang der Brigach, das im Jahre 1902 von dem Karlsruher Jugendstil-Architekten Vittali im Chaletstil erbaut wurde, ist auf einer weiteren Postkarte zu sehen, mit welcher die Hoteliers-Familie Buri for ihr traditionsreiches Haus geworben hat. typischen Gartenhausstil aus Holz erbaut, die Platz für 10 Wagen boten. Die Küche wird in dieser Werbe-und Informationsbroschüre als deutsch-franzö­ sisch angegeben. Als Spezialitäten des Hau­ ses werden Schwarzwaldforelle, Süßwasser­ fische, Auerhahn, Dam-und Rehwild, Hasen Rebhühner, Schnepfen und Spargeln ange­ priesen. Toast, Eier, Harn and Eggs, Porridge und Fische gab es auf Wunsch und beson­ dere Berechnung, ebenso Diätkuren. An Getränken werden „Helles Kaiserbier“ und „Dunkles Antoniusbräu“ aus der Fürstlich Fürstenbergischen Brauerei sowie offene Tischweine angeboten, die vom Besitzer selbst in den Weinbaugebieten Süddeutsch­ lands eingekauft und in den eigenen Kelle­ reien ausgebaut wurden. Interessant dürften auch die Preise aus der Zeit um die Jahrhundertwende sein. Das 252 Frühstück kostete 1,-Mark, das Mittagessen 3,-Mark, Nachmittagstee (Kaffee) komplett 1,20 Mark, Lunch 1,50 bis 2,-Mark und das Abendessen 2,50 Mark. Ein Einbettzimmer wurde mit 2,-bis 8,-Mark berechnet, das Zweibettzimmer mit 4,-bis 15,-Mark. Woh­ nung, Salon, Schlafzimmer und Bad mit 18,­ bis 25,-Mark. Das notwendige Gesundschrumpfen des einst so groß geführten Hauses, das der späte­ ren Zeitumstände wegen unumgänglich war, setzte ein mit dem Verkauf des einst sehr gepflegten eigenen Kurgartens samt dem großen Kurhaus (1939/40). Landkreisbehör­ den und zeitweise auch Schulen waren zuerst darin untergebracht mit Wohnungen; heute beherbergt das Haus das Kreiswehrersatz­ amt. Als am 28. Januar 1974 im Hotel-Haupt­ trakt ein Brand in der traditionsreichen Bier-

Einen weiteren Eindruck von dem Stil und der „Firstclass-Atmosphäre‘: die hier dem Kurgast geboten wurde, mag die dem ,,Kurhaus Schütz,en „nach Osten vorgebaute Veranda vermitteln, von der aus man dem Treiben auf dem hauseigenen Tennisplatz, zusehen konnte. stube ausgebrochen war und diese arg in Mit­ leidenschaft gezogen hatte und schon wenige Tage danach die Handwerker mit der Renovierung begannen, um diesen gemütli­ chen Raum praktisch aus der Asche wieder neu erstehen zu lassen, glaubte man nicht, daß dies der Anfang vom Ende des von acht Generationen der Familie Buri geführten Landgasthauses und späteren Hotels „Zum Schützen“ bedeuten sollte. Der damals noch das Hotel führende letzte Inhaber des Hau­ ses, der weithin bekannte und beliebte Hote­ lier Ernst-Wilhelm Buri, von den vertrauten Freunden und Gästen des „Schützen“ kurz nur „Ebbeb“ genannt, verglich nach dem Brand die acht Generationen seiner auf dem „Schützen“ sitzenden Familie mit den bei der Renovation zu Tage gekommenen acht Schichten von Ölfarbe auf dem Holztäfer. Nicht nur die letzte dieser Farbschichten mußte abgezogen werden, ehe Neues geschaffen werden konnte. Nach dem plötz­ lichen Tod von Ernst-Wilhelm Buri im Jahre 1976 ging das Haus in andere Hände über. Eine lange Tradition hatte ihr Ende gefunden, auch die Familie Buri ist, um nochmals an die letzte abzuziehende Farb­ schicht zu denken, von ihrem Stammhaus abgezogen. Nach umfangreichen Um- und Ausbau­ ten und einer totalen Renovierung des Gebäudes durch den neuen Besitzer wurde die Bettenzahl auf etwa ein Drittel reduziert, Teile des Hauses wurden anderen Verwen­ dungen zugeführt und die Küche und andere technische Einrichtungen auf den modern­ sten Stand gebracht. ,,Der Schützen“, in dem schon früher ört­ liche und internationale Geschichte gemacht wurde, ist nach wie vor ein beliebter Treff- 253

Das Altertum wird gepflegt punkt der Freunde und Gäste des Hauses an geblieben. Er ist ein wichtiges Stück von der „Schützenbrücke“, die von dem „Haus „Alt-Donaueschingen“, und viele würden der Donaueschinger Schützengilde“ ihren ihn und seine diversen Räumlichkeiten mit Namen erhalten hatte. Kurze Zeit nur, nach der behaglichen und traditionsreichen der Fertigstellung der neuen steinernen Atmosphäre vermissen. Wer gemütliche Gastlichkeit liebt und sucht, der wird heute Brücke im Jahre 1841, war ihr amtlicher wieder, nachdem ein erneuter Besitzerwech­ Name „Leopoldsbrücke“, nach dem damali­ gen Großherzog Leopold von Baden. Der sel stattgefunden hat, im „Hotel Schützen“ von einem jungen und engagierten Fachper­ lokale Begriff aber hatte sich durchgesetzt, sonal mit dem Besten, was Küche und Keller nach der großherzoglichen Zeit wurde aus ihr wieder „die Schützenbrücke“. zu bieten haben, verwöhnt. Georg Goerlipp Der „Schützen“ selbst ist glücklicherweise Das Gasthaus „Engel“ in St. Georgen-Brigach mit lückenloser Geschichtsdokumentation Eine Modernisierung wäre ihr selbst nie in schem Wappen – Liebhaber bäuerlichen den Sinn gekommen. ,,Jetz mueß die neu Inventariums haben rasch blanke Augen, wenn Otto Geggus seine Schätze vorführt. Theke au no nus … „, murrte deshalb die Weder seine Vorgängerin noch deren direkte ,,Engel“-Wirtin, nachdem sie die Verände­ rungen in der Gaststube vor zwölf Jahren bis Vorfahren hatten sich von einer Anschaf­ fung getrennt oder gar etwas weggeworfen. dahin stillschweigend hingenommen hatte, ,, … die hätt de Maa doch erseht 1927 iibaut“. Auch das Geld wurde von der Mutter Marie Heinzmanns, die die Wirtschaft bis 1927 Marie Heinzmann, liebenswertes Original mit einem schier unerschöpflichen Wissen betrieb, eisern im Haus behalten: Bei der Durchsicht des Nachlasses nach dem Tod der über die familiären Zusammenhänge im Tochter fand Otto Geggus den Erlös aus dem weitläufigen Verwandtenkreis und der nach­ Verkauf von vier Hektar Wald. Die 10 000 barschaftlichen Umgebung, starb 1980 fünf Goldmark in Scheinen lagen noch so gebün­ Monate vor ihrem 90. Geburtstag. Dennoch delt, wie sie wohl bei dem Geschäft im Jahr ist sie weiter gegenwärtig -Otto Geggus, seit 1908 übergeben worden waren. 1974 Besitzer des „Engel“, hält die Erinne­ Marie Heinzmann betrieb nach der Über­ rung an sie nicht nur durch inzwischen wert­ nahme des Gasthauses im Jahr 1927 auch die voll gewordene Andenken aus dem alten Landwirtschaft bis in die siebziger Jahre wei­ Hausrat lebendig. Vielmehr bewahrt er auch ter. Ihre Ehe mit Johann Georg Heinzmann sorgsam im Gedächtnis, was ihm die Groß­ vom Hirzbauernhof war kinderlos geblie­ tante seiner Frau noch im greisen Alter in ben, der Mann starb 1945. Allerdings war der aller Ausführlichkeit erzählt hat. Eine Fund­ Gaststättenbetrieb mit dem heutigen Um­ grube für die hausgeschichtlichen Nachfor­ fang nicht vergleichbar. Fremde kehrten schungen ist die lückenlose Sammlung aller kaum ein, die Einheimischen trafen sich vor Dokumente seit Bestehen des einzigen allem sonntags zum Frühschoppen. Der Gasthauses in Brigach, das 1984 mit dem Küchenboden bestand noch aus Sandstein­ 150jährigen Bestehen ein nicht alltägliches platten, die übrige Ausstattung war rund Jubiläum feierte. hundert Jahre unverändert geblieben. Mit Wertvolle bemalte Schüsseln auf Regalen, Hund, Katzen, Hühnern und Geißen pflegte Konfirmationssprüche im Holzrahmen, ein die „Engel“-Wirtin eine enge Lebensgemein- Schrank aus dem Jahr 1839, Sester mit badi- 254

Zum 150. Geburtstag bestellt: Kunstvoll geschmiedetes Wirtshausschild mit vergoldetem Engel ist ein vielbeachteter Blickfang des Gasthauses „Engel“ in Brigach. schaft, die von keinerlei hygienischen Schranken belastet war. Die lückenlos vor­ handenen Akten machen es heute einfach, die 150 Jahre lange Geschichte des Gasthau­ ses »Engel“ in Brigach aufzurollen. Zu den ersten „Augenzeugen“ ist ein Grundstein mit der Jahreszahl 1833 zu rechnen. Nach einer Urkunde, ausgestellt vom »Amtsrevisorat Hornberg“, wurde mit Datum vom 18.12.1834 „Ein Stück Wies und Ackerfeld“ vom Mattenbauer Matthias Müller an den Uhrenhändler Michael Heinzmann ver­ kauft, der vom Posthof Langenschiltach stammte. Nebst 2000 Gulden in bar wurde ein jährliches Trinkgeld von vier Kronen ver­ einbart. 1858 wurde das Grundstück, auf dem inzwischen ein respektables landwirtschaftli­ ches Anwesen mit Gasthof stand, zum Preis von 5000 Gulden vom Vater an den Sohn Johann Heinzmann verkauft, über dessen Schicksal allerdings bald Schatten fielen: An einem außergewöhnlich kalten Weihnachts­ feiertag des Jahres 1875 verursachte ein über­ heizter Ofen einen Großbrand mit Total­ schaden, während sich die Familie in der Kirche befand. Den Wiederaufbau 1876/77 verkraftete Johann Heinzmann finanziell nicht. Das Gebäude wurde 1890 durch das „Großherzogliche Amtsgericht in Villingen“ versteigert. Den Zuschlag für 14 000 Mark erhielt Friedrich Günther vom Oberkirna­ cher Seilerhof, der noch im gleichen Jahr die junge Christine Obergfell vom „Rössle“ -Hof Sommerau heiratete. Die junge Frau richtete einen Handel mit gängigen Lebensmitteln wie Salz, Mehl und Linsen ein. Der Laden bestand 3 7 Jahre lang. Zu dieser Zeit war der „Engel“ gleichzeitig offiziell bestellte „Kai­ serliche Post- und Telegraphen-Hilfsstelle“ mit dem einzigen Telefonanschluß in der Gemeinde. Die Übermittlung einer telefoni­ schen Nachricht kostete pro Entfernungs­ kilometer im Ort fünfzehn Pfennig. 255

Zu den Raritäten in der Dokumenten­ sammlung gehörten die detaillierten Aus­ steuer-Verzeichnisse der Christine Obergfell. Sie brachte nebst vielem anderen Zuber, Wanne und ein Butterfaß zum Preis von 27,60 Mark, eine Kunkel und ein braunes Spinnrad für zehn Mark sowie einen „schnel­ len Haspel“ für fünf Mark in die Ehe, dane­ ben Handtücher und sehr viel Damast für die Tisch-und Bettwäsche. Die Kunkel und das Spinnrad von damals schmücken heute das gemütliche Neben­ zimmer, das Otto Geggus erst vor drei Jahren auf der Fläche des ehemaligen Geißenstalls eingerichtet hat. An den Wänden hängen alte Uhren und teilweise rührende Relikte früherer Zeit, deren liebevolle Behandlung und Erhaltung wegen der Hausherr gelegent­ lich von seiner Frau die nicht ganz ernst zu nehmende Titulierung „Altwarenhändler“ hinnehmen muß. Allerdings ist das Interesse des jetzigen »Engel“-Wirts an besonders schönen Stük­ ken alter handwerklicher Kunstfertigkeit erheblich älter als seine gastronomische Kar­ riere. Davon zeugt unter anderem die bemer­ kenswerte Sammlung von „Schäpple“-Kro­ nen, mit farbigem Glas und bunten Perlen üppig besetzter Kopfputz der Bräute aus ver- Als ein Schmuckstück des Hüfinger Stadt­ teiles Behla präsentiert sich seit Oktober 1985 der Landgasthof „Kranz“ unter dem Gast­ wirtsehepaar Egon und Lydia Martin. Sie haben die Gaststätte, die seit rund 150 Jahren im Familienbesitz ist, erweitert und umge­ baut. An das alte Lokal erinnert nur noch der direkt an der Straße gelegene frühere Ein­ gang, der heute allerdings nicht mehr als sol­ cher genutzt wird. Die vorhandene Bausubstanz wurde um 80 Prozent erweitert, und der „Kranz“, der nach den Plänen des Hüfinger Architekten Horst Hug umgestaltet wurde, verfügt heute 256 Eine Stätte guter Gastlichkeit schiedenen Teilen des Schwarzwaldes. Ein Teil davon ist in einer Vitrine der Gaststube ausgestellt. Otto Geggus betrieb mit seiner Frau Lina seit 1950 den Nußbacher »Rössle“-Hof und daneben den zum Besitz gehörigen Sand­ und Kiesbruch. Zum »Engel“ bestand über die Verwandtschaft hinaus schon früher eine enge Beziehung -Bis 1890 war auch das „Rössle“ eine Wirtschaft, gleichzeitig Station für den Pferdewechsel der Postkutschen. Als die Familie 1974 den „Engel“ übernahm, waren alle Beteiligten begeistert: Ehefrau Lina hatte schon immer leidenschaftlich gern gekocht. Der älteste Sohn wurde Chef des »Rössle“ -Hofs, Sohn Karl, gelernter Werkzeugmacher, sattelte um zum Restau­ rantfachmann. In weitreichenden Umhau­ ten wurden Fremdenzimmer eingerichtet, aus der antiquierten Kegelbahn entstand ein Saal. Zum 150. Geburtstag vor zwei Jahren erhielt das Gasthaus ein besonderes Ge­ schenk: Ein rosettengeschmücktes Wirts­ hausschild als Meisterstück eines Kunst­ schmieds mit vergoldeter Engelsfigur ist viel­ beachteter Zierrat und Blickfang auf der Stra­ ßenseite des traditionsreichen Hauses. Rosemarie v. Stromheck über 200 Sitzplätze, die auf einen Saal, die eigentliche Gaststätte und das „Buurestüble“ aufgeteilt sind. 20 Fremdenbetten im Ober­ geschoß, mit allem modernen Komfort aus­ gestattet, stehen zur Verfügung. Die Innen­ ausstattung der Gasträume in ihrer hellen Holzgestaltung wirkt sehr anheimelnd, und dafür, daß sich die Gäste wohlfühlen, sorgt Lydia Martin, eine gelernte Restaurant-Fach­ frau, die aus dem Bräunlinger »Lindenhof“ stammt. Die Geschichte des Hauses ist mit Behla seit Generationen verbunden. Erstmals wurde 1836 von einem „Richard Scherer zu

Der Landgasthof„Kranz“ in Behla Behla für seinen volljährigen Sohn Johann Baptist“ eine Konzession zum Betrieb einer Real-und Tavemenwirtschaft beantragt, die von der Regierung des Seekreises Konstanz jedoch nur als Realwirtschaft erteilt wurde, das heißt: gebunden an die Person des Johann Baptist Scherer. 1859 beantragte des­ sen Sohn Richard die Konzession. In der Zwischenzeit muß jedoch kurzfristig ein Wendelin Höfler die Wirtschaft betrieben haben, denn der Konzessionsantrag lautete dahingehend, daß die Wirtschaft von eben diesem W. Höfler übernommen werden sollte, der sie wegen seines hohen Alters nicht mehr betreiben mochte. Die Großher­ zoglich Badische Regierung des Seekreises Konstanz lehnte das Gesuch mit der Begrün­ dung ab, daß kein dringendes Bedürfnis zum Betrieb einer solchen Wirtschaft vorhanden sei. Das rief den Gemeinderat von Behla auf den Plan, der sich hinter das Gesuch des Antragstellers stellte. Die Wirtschaft „zum Kranz“ sei „ein Bedürfnis für die Bürger und zahlreiches durchziehendes Publikum“, wurde der Behörde mitgeteilt, die daraufhin dem Richard Martin die Erlaubnis erteilte, Wirt auf dem „Kranz“ zu werden. In Behla wohnten nach einer Zählung von 1858 damals 51 Familien. Hier, an der damaligen Staatsstraße zwischen Donau­ eschingen und Schaffhausen oder Waldshut, war reger Handelsverkehr, wozu auch die Frachtfuhrwerke zählten, die das Bier aus der Fürstenbergischen Brauerei in Donaueschin­ gen beförderten. Hinzu kamen zahlreiche Wallfahrtszüge, die als Ziel Löffingen (Wit­ terschnee) oder Einsiedeln hatten. Für sie alle lag der „Kranz“ günstig, denn es konnten auch Gäste beherbergt werden. Von 1891 bis 1920 bewirtschaftete Georg Martin den „Kranz“, der auch Bäcker war und „Brot, Wecken und Neujahrsringe“ anbot. Von 1920 bis 1969 war Josef Martin Wirt auf dem „Kranz“. Als das Anwesen 1925 völlig abbrannte, wurde es sogleich wieder aufgebaut. Mit dem Brand war die Erlaubnis zur Führung der Gaststätte erloschen, was dem damaligen Besitzer, Josef Martin, nicht bekannt gewesen sein muß, oder aber er hat die Tatsache einfach ignoriert, was ihm eine 257

Lydia und Egon Martin sind die Besitzer des „Kranz“ in Behla Gastwirt mit fernöstlicher Lebensphilosophie Rüge des Badischen Bezirksamtes eintrug. bern vollen Einsatz. Egon Martin ist gelern­ ter Metzger und betreibt nebenbei den Ver­ Nach dem Zweiten Weltkrieg diente der im kauf von Schwarzwälder Spezialitäten. Er Obergeschoß gelegene Tanzsaal den Flücht­ lingen aus Ostdeutschland als Unterkunft. beschäftigt einen Koch, und das, was dieser Ferdinand Martin, der Vater des jetzigen zubereitet, stammt vorwiegend aus eigener Besitzers, betrieb die Gaststätte von 1969 bis Produktion. Der neue „Kranz“, im Schwarz­ wälder Stil konzipiert, wird weiterhin als 1983. Bis dahin war das Lokal für seine Besit­ zer nur Nebenerwerb, denn im Hauptberuf Familienbetrieb geführt. waren sie Landwirte. Dies allerdings ist heute Käthe Fritschi anders. Der Betrieb fordert von seinen Inha- Hartmut Rainer Hauser kocht im „Zollhäusle“ Vollwertkost und lehrt „T’ai Chi Ch’u-an“ Jeder Mensch nimmt sich irgendwann mit den Freizeitbereich und ein Speisezettel, der mehr oder minder großem Erfolg vor, die sich nach Meinung mancher Experten durch Gesundheit stärker zu beachten. Denn auch hochgradige Veredelung langfristig zum ohne besonders ausschweifende Lebensart potentiellen Mordinstrument entwickeln ist der moderne Mensch in seinem Wohlbe­ könnte. Einer der Glücklichen, der glaubt, finden ständig von lauernden „Feinden“ die richtige Lebensphilosophie gefunden zu bedroht, die er beim Namen kennt: Beruf­ haben, ist nach dreizehnjährigem Auslands­ liche Anspannung, Streßsituationen bis in aufenthalt in den Schwarzwald-Baar-Kreis 258

zurückgekehrt -Hartmut Rainer Hauser, Wirt des Gasthauses „Zollhäusle“ in der drit­ ten Generation, plädiert für Vollwertkost, Meditation und ganzheitliches Denken. Das Geheimnis heißt „Chi“ und bedeutet Lebensenergie, die den Körper strafft und seine Vitalität erhält. Auch Nahrungsmittel verfügen über ein „Chi“. Dessen Eliminie­ rung und damit der Abstieg zum kraftlosen Sattmacher wird durch gängige Veredelungs­ methoden und Zubereitungsformen er­ reicht. Hartmut Rainer Hauser ist ein durch vieljährige persönliche Erfahrungen gepräg­ ter Verfechter der Vollwertkost, ohne aller­ dings (,,ich wünsche auch zu einem Wiener Schnitzel ehrlichen Herzens guten Appetit“) dogmatisch darauf zu beharren. Der 36jährige bedurfte selbst über viel Sta­ tionen und schwierige Phasen seines interes­ santen Lebens der vergangenen eineinhalb Jahrzehnte hinweg der Hilfestellung einer Reihe von Lehrmeistern, bis sich seine Vor- stellungen zum sensiblen Empfinden ganz­ heitlicher Verbundenheit von Pflanzen, Tier und Mensch entwickelt hatten. Die entschei­ dende Wende leitete in London die Bekannt­ schaft mit einem mexikanischen Naturheil­ praktiker ein, den Hartmut Hauser drei Monate lang auf einer Europareise zu den wichtigsten Zentren für natürliche Lebens­ weise und Heilung begleitete. Der Amerika­ ner mit dem exzellenten Wissen über die hohe Kultur der Mayas machte ihm deren Verbindung zur ganzheitlichen Anschauung der fernöstlichen Medizin sichtbar und führte zu „ T’ai Chi Ch’uan“, der Kunst des chinesischen Schattenboxens. Diese Übun­ gen zu disziplinierter physischer und psychi­ scher Kraft gibt Hauser heute als Lehrer wei­ ter. Im Londoner Ost-West-Zentrum lernte er außerdem Akupunktur und Akupressur, chinesische Massage und Gesichtsdiagno­ stik, Atemtechnik sowie die Zen-Meditation intensiv kennen. Hartmut Rainer Hauser, Wirt des Gasthauses ,,Zollhäusle“, ist ein Verfechter fernösdicher Lebensphi­ losophie und vitalisierender Vollwertkost 259

Diese Aktivitäten beschränkten sich aller­ dings weitestgehend auf die Freizeit. Im „Hauptberuf‘ studierte Hartmut Hauser drei Jahre lang Soziologie und Wissenschaftsphi­ losophie an der weltbekannten „London School of economics and political science“ mit dem Abschluß eines „bachelor of Science“, nachdem er zuvor in zweijährigem Abendkurs ebenfalls in London das Abitur nachgeholt und damit die Hochschulreife erreicht hatte. Die fremde Sprache war für den jungen Mann, der sich an das pulsierende Großstadt­ leben schneller gewöhnte als später nach der vieljährigen Abwesenheit an die beschau­ liche Idylle im Zollhaus zwischen Villingen und Schwenningen, in kürzester Zeit ver­ traut. Vor seinem insgesamt siebenjährigen England-Aufenthalt, im ersten Jahr als Con­ trol-Clark in der Savoy-Gruppe, gefolgt vom einjährigen Studium des Hotel-Manage­ ments hatte er bereits sprachliche Hürden in Italien, Spanien und Frankreich bravourös überwunden. Nach der Lehre als Koch im Königsfelder „Schwarzwaldhotel“ arbeitete Hartmut Hauser unter anderem in Spitzen­ hotels in St. Moritz, Rom und Brüssel, an der spanischen Costa und zuletzt -auf Em­ pfehlung des französischen Küchenpapstes Bocuse -in der exzellenten Lyoner Küche von Monsieur Alex. Die detaillierte Kenntnis lukullischer Sün­ denfalle bewirkte letztlich den ersten Schritt auf der Suche nach der Ernährungsform, die Hartmut Hauser später in London für sich fand und bis ins Extrem praktizierte. Fünf Jahre lang lebte er konsequent vegetarisch, immer wieder unterbrochen durch Fasten­ perioden bis 22 Tagen und experimentellen Entschlackungskuren. In London lernte er auch Herstellung und Zubereitung von Tem­ peh, Seitan und Torfu, Sojaprodukten asiati­ scher Herkunft mit hohem pflanzlichem Eiweißanteil, die er heute über den Eigenbe­ darf hinaus für den Verkauf produziert. Hartmut Hauser hat aus eigener Erfah­ rung gelernt: ,,Die Ernährung spielt eine wichtige Rolle für das körperliche Wohlbe- 260 finden“. Durch das völlige Ausschalten von Blähungen, Völlegefühle, Mattheit oder Depressionen wird die ausgeglichene Basis für ein emotionelles Leben geschaffen, zu dessen Idealergänzungen eine positive Lebenseinstellung, Meditation und ein zunehmend intuitives BeWl)ßtsein für Ener­ gieumfelder und ganzheitliches Leben sind. Der „Zollhäusle“-Wirt mit dem Faible für Wissenschaftsphilosophie, der in seinem Lokal neben dem „normalen“ Speisezettel Vollwertkost in beachtlichem Umfang anbietet und an der Schwenninger Berufs­ akademie lehrt, in Bewegungserziehung plant eine Reihe von Aktivitäten mit fernöst­ lichem Einschlag, die aus der Gemeinschafts­ arbeit in die Stärkung des Einzelnen mün­ den. Die Schaffung eines Gruppentherapie­ raumes in Villingen ist bereits in Vorberei­ tung. Rosemarie v. Strombeck Frühlingswind Zart und weich sind Deine Flügel, O Du sanfter Frühlingswind, Kommst von ferne, über Hügel, Wie ein neugebor’nes Kind. Bringst die Jugend immer wieder In das Leben uns zurück, Schenkst uns frohe, süße Lieder, Läßt uns jubeln hoch vor Glück. Legst das Herz uns in die Hände, Daß dem Schöpfer danken wir, Für den Anfang, für das Ende, Auf der schönen Erde hier. Johannes Hawner

Sport und Freizeitgestaltung Europas höchstgelegener Marathonkurs Seit zwei Jahrzehnten gibt es den weltberühmten Schwarzwald-Marathonlauf Eine Pioniertat, die sich uneingeschränk­ ter Beliebtheit erfreut und deren Idee welt­ weit sportliche Kreise gezogen hat: das ist der „Schwarzwald-Marathon-Lauf“ jeweils am zweiten Oktobersonntag mit Start und Ziel in der Donaueschinger Nachbarstadt Bräun­ lingen. Ein Unikat, das Sportgeschichte schrieb, seit es 1967 seine Premiere erlebte, und keine der zahlreichen Kopien, die es seit­ her gefunden hat. Und sein Stellenwert wird auch keineswegs von der Tatsache geschmä­ lert, daß die in Mode gekommenen „Stadt­ Marathonläufe“ wesentlich mehr Athleten am Start stehen. Denn während sich in Berlin oder Boston fünfstellige Läuferpulks durch die Häuserschluchten quetschen und ihr Laufwerk auf Makadam oder Kopfsteinpfla­ ster strapazieren, profiliert sich der Schwarz­ wald-Marathon-Lauf mit dem heute immer attraktiver werdenden Slogan „Laufen, wo noch Natur ist“. Eine Pioniertat vor zwei Jahrzehnten war diese namhafte Sportveranstaltung im Schwarzwald-Baar-Kreis in doppelter Hin­ sicht: Bei ihrer Premiere 1967 als Marathon­ lauf, der nicht mehr anläßlich der Olympi­ schen Spiele oder nationaler Meisterschaften in einem Stadion gestartet wurde, sondern als die klassische 42,2-Kilometer-Strecke durch Wälder und Felder. Und schon die zweite Auflage erlebte 1968 die Weltneuheit, daß sich nun auch Frauen auf die für sie bis dahin für unbezwingbar gehaltene Distanz mach­ ten. Damals noch unerlaubt vom Deutschen Leichtathletikverband und damit als aus­ schließliches Risiko des Veranstalters und der Läuferinnen selbst. Doch der Versuch erwies auf Anhieb, daß bei intensiver Vor­ bereitung und entsprechender ärztlicher Betreuung auch Frauen läuferisches Können und ausreichende Kondition besitzen kön­ nen, um ins Ziel zu kommen. Dabei wartet der Rundkurs nach dem Start an der Bräunlinger Stadthalle über Hubertshofen und Mistelbrunn bis hinauf nach Friedenweiler und zurück über das Forsthaus Krähenbach, den Kirnbergsee und Waldhausen mit einer Schwierigkeit auf, mit der allenfalls Crossläufer, nicht jedoch Mara­ thonspezialisten zu rechnen gewohnt sind: Nach dem Start in 700 Metern Meereshöhe sind bis zur Wende nicht weniger als 300 Meter Höhendifferenz zu überwinden. Das 261 Eindrucksvolles Bild: Mehr als 2000 Läuferin­ nen und Läufer am Start zum Schwarzwald­ Marathonlauf in Bräunlingen.

fordert auch in sauerstoffreicher Waldluft nicht zuletzt von den Frauen Kraft, und auch die Gefallstrecke zurück zum Ziel wieder in Bräunlingen wird nicht von allen Läufern geschätzt, auch wenn sie die verbliebenen Konditionsreserven besser dosieren hilft. Rekordzeiten sind so natürlich nicht zu erwarten: Die Bestzeit bei den Männern liegt bei 2:24 Stunden, mehr als eine Viertelstunde über der Weltbestleistung für Marathon­ (flach)strecken, bei den Frauen sind die 2:39 Stunden, die Christa Vahlensieck bei ihrer ersten bundesdeutschen Meisterschaft vor knapp zehn Jahren lief, noch immer einsame Spitze. Der Lauf ist die Idee eines Mannes, den der „Almanach“ schon vor zwei Jahren vor­ gestellt hat: des heute 72jährigen Donau­ eschinger Unternehmers Roland Mall. Sein ,,Gelöbnis“ war es im Bombenhagel von Ber­ lins 1945 gewesen, in Erinnerung an die dort 1936 erlebten Olympischen Spiele nach Zusammenbruch und Zerstörung den Sport wieder aufbauen zu helfen. Als Präsident der Sportvereinigung Donaueschingen, die die Besatzungsmacht nach dem Krieg anstelle souveräner Sportvereine als leichter zu kon­ trollierende Dachorganisation wieder zuge­ lassen hatte, und vor allem als Sportwart des Skiclubs 1900 dachte Mall darüber nach, in die Leichtathletik einzuführen, was im Nor­ dischen Skisport bereits Usus war: einen Langstreckenwettbewerb, den auch Frauen bestreiten können. Daß das 1967 noch alles illegal war und – wie sich Roland Mall später erinnerte – ,,dem Vereinsvorstand und Organisationschef nicht nur der Staatsanwalt, sondern auch der Zivilrichter ins Haus stand, würde es bei die­ sem Vorhaben zu gesundheitlichen Schäden von Frauen kommen“, wandte sich die erste Ausschreibung eines Marathonlaufes für Frauen auch bewußt an die in Skiclubs bereits engagierten Athletinnen. Ein großzü­ giges Zeitlimit und die Einteilung in mehrere Altersklassen sollten das Risiko mindern. 51 Frauen aus fünf Nationen standen am sport­ historischen Datum 6. Oktober 1968 im Star- 262 Er gewann den Schwarzwald-Marathonlauf gleich zweimal: der Bräunlinger Georg Dury. terfeld – und ihr Lauf blieb zur Erleichterung der mutigen Veranstalter ohne jeden Zwi­ schenfall. Erste Siegerin – auch über die bei­ den bundesdeutschen Skilanglaufasse – wurde mit Marthel vor dem Berge erstaun­ licherweise eine Läuferin der Altersklasse II. So einsam der namentlich unbekannte griechische Läufer im Jahre 490 vor Christus nach Miltiades‘ Sieg über die Perser von Marathon nach Athen gerannt sein muß, um dort die Kunde vom Erfolg über den Feind zu verbreiten, und dann im Ziel tot zusam­ menbrach, aber diesem Lauf über exakt die­ selben 42,2 Kilometer den Namen gab, so turbulent bietet sich heute das Bild am Bräunlinger Start dar, wenn sich regelmäßig weit mehr als 2000 Läuferinnen und Läufer zwischen Hallenbad, Neuer Schule und Stadthalle drängen und ungeduldig auf das pünktlich kommende und EDV-vermessene Startsignal aus der Böllerkanone der Stadt­ wehr warten. Beifall der dichtgedrängt ste-

henden Schaulustigen begleitet sie auf dem ersten Kilometer durch die Stadt, Beifall der vielen, die vereinzelt die Riesendistanz säu­ men, bleibt ihnen fast überall erhalten. Und dazu Anfeuerung, wenn die Fans erkennen, daß etwa einer Läuferin der Gedanke ans Aufgeben viel näherliegt als die Hoffnung, das Ziel doch noch zu erreichen. Und auch der 1773., der erst nachmittags und rund fünf Stunden nach dem Start durchs Zielband läuft -völlig frisch der eine, fix und fertig und mit Blessuren behaftet der andere -, bekommt noch herzlichen Applaus für seine Leistung, nicht nur die Strecke, sondern auch und vor allem sich selbst besiegt zu haben. Organisiert wird dieser mittlerweile unter den Sportlern weltberühmte Schwarzwald­ Marathonlauf (auch Australier waren schon dabei, Araber und Venezolaner) auf Europas höchstgelegenem Marathonkurs von einem Komitee, dessen Präsident der Bräunlinger Bürgermeister ist und für dessen Arbeit viele Jahre Begründer Roland Mall selbst gebürgt hat. Die Sportvereinigung Donaueschingen mit ihrem Präsidenten Hansjürgen Bühler und mit Dutzenden von Helfern aus sämt­ lichen Abteilungen und der Turn-und Sport­ verein Bräunlingen ebenfalls mit einem star­ ken Aufgebot an engagierten Migliedem meistem die organisatorischen Aufgaben, deren Vielfalt keiner ermißt, der nicht schon mal mitgearbeitet hat. Der Computer, seit 1972 im Einsatz und anfangs seinen Auf- gaben nicht immer gewachsen, leistet nun wertvolle Dienste vor allem bei der Erstel­ lung der Rangliste, bei der Ermittlung der Siegertafel in den einzelnen Altersklassen und der Cup-Wertungen. „Gagen“, die in den letzten Jahren auch die Spitzen-Leichtathletik zum kommerziel­ len Geschäft werden ließen, gibt es in Bräun­ lingen nicht, allenfalls bescheidene Ehren­ preise. Das hat freilich zur Folge, daß Star­ Langstreckler beim Schwarzwald-Marathon seltener werden -mit der Konsequenz, daß im Gegensatz zum pionierhaften Beginn nun auch einheimische Läufer Siegeschan­ cen haben. Der Bräunlinger Georg Dury, Guido Dold von der Skizunft Brend und Meinrad Beha aus Unterkimach dominier­ ten in den letzten Jahren die Männerklasse und trugen sich so eingemeißelt in die Sieges­ säule an Start und Ziel ebenso ein wie Maria Ganter aus Königsfeld, die bei den Frauen dreimal hintereinander gewann. Der Begei­ sterung der Zuschauer tat das Fehlen der Stars keinen Abbruch -doch die Siege derer, die bekannte Schwarzwälder Sportgrößen sind, förderten sie zusätzlich. Der persön­ liche Ehrgeiz und die sportliche Herausfor­ derung, ,,Bräunlingen“ zu gewinnen, haben das Feilschen um Gagen und Spesen von die­ ser amateurhaft intaktgebliebenen, ein­ drucksvollen Sportveranstaltung glückli­ cherweise ferngehalten. Gerhard Kiefer Skiveranstaltungen in Schonach und N eukirch Seit über 20 Jahren trifft sich die Weltelite im Schwarzwald Zwei Orte im Schwarzwald-Baar-Kreis haben seit über 20 Jahren im internationalen Skisportgeschehen einen guten Namen. Die Rede ist von Schonach mit der „Internatio­ nalen Nordischen Kombination um den Schwarzwaldpokal“ und von der Skizunft Brend in Furtwangen-Neukirch mit den „In­ ternationalen Langläufen rund um Neu- kirch“. Beide Veranstaltungen sind aus dem Wettkampfkalender des Internationalen Ski­ verbandes (FIS) nicht mehr wegzudenken. Jeweils in der ersten Januarwoche eines jeden Jahres kommen die „nordisch Kombinier­ ten“ und die Langläufer nach Schonach und Furtwangen-Neukirch und sorgen weltweit für Schlagzeilen auf den Sportseiten der 263

Tageszeitungen und in den Rundfunk-und Fernsehsendungen. Während die Langläufe der Skizunft Brend in den vergangenen Jah­ ren etwas in den Schatten der Schonacher getreten sind, wird die „Internationale Nor­ dische Kombination“ in Schonach bereits in einem Atemzug mit den traditionsreichen nordischen Skiveranstaltungen in Lahti/ Finnland, Falun/Schweden und mit Oslo und dem legendären Holmenkollen ge­ nannt Darauf kann man im Schwarzwald mit Recht stolz sein. Seit über 37 Jahren gibt es die Langläufe ,,Rund um Neukirch“ der Skizunft Brend. Schon im Gründungsjahr (1949) des rühri­ gen ·Furtwanger Vereins wurde dieses Ren­ nen zum ersten Mal gestartet. Damals war die Strecke noch 18 km lang. Richard Morath aus Freiburg, später Jugendwart des Skiverban­ des Schwarzwald und des Deutschen Skiver­ bandes (DSV), hieß der erste Sieger. Ein Jahr später waren bereits über 100 Läufer am Start. Dann wurden es von Jahr zu Jahr immer mehr, und Anfang der siebziger Jahre nah- 264 men dann schließlich über 1000 Aktive an den Rennen teil. Viele Jahre waren Start und Ziel beim Gasthaus „Hirschen“ auf der Neueck. Nur einmal mußte man wegen Schneemangel-im Jahre 1973 -auf die Fern­ höhe ausweichen. In diesem Jahr gab es auch wegen der großen Beteiligung erstmals eine Trennung zwischen den „nationalen Läufen“ und dem „internationalen Rennen“. Später wurde dann die von der Forstbehörde und der Stadt Furtwangen in rund 1000 Meter Höhe bei der Martinskapelle ausgebaute Loipe rasch zu einem Treffpunkt der Lang­ laufelite. Bedingt durch die große Schneesi­ cherheit konnte dort gelaufen werden, wenn es -außer in den Gipfellagen des Feldbergs – im Schwarzwald keinen Schnee hatte. Für ,,Rund um Neukirch“ stellt die Skiloipe Mar­ tinskapelle, die prächtig in die Landschaft paßt und Schwierigkeitsgrade internationa­ len Zuschnitts enthält, auf jeden Fall einen Gewinn dar. International hatte man die Langläufe erstmals 1967 ausgeschrieben. Walter Demel

(Zwiesel), immer noch Rekordhalter in Sachen deutsche Langlauftitel, konnte sich gegenüber der Langlaufelite aus dem Alpen­ raum behaupten. Die Aktiven sind von dem Fluidum dieser Veranstaltung immer wieder begeistert.“ Wenn es die Langläufe ,Rund um Neukirch‘ nicht geben würde, dann müßte man sie erfinden“, sagte ein Aktiver aus dem Harz, der jedes Jahr zum Jahresbeginn nach Furtwangen kommt. Als man 1976 gar eine Langlaufwoche „machte“, da gab es viele Skeptiker, die den Organisatoren der SZ Brend eine solche Veranstaltung nicht zu­ trauten. Im Laufe der Jahre hat sich „Rund um Neukirch“ zu einer bedeutenden Ver­ anstaltung zu Beginn der Saison gemausert. Nacht-Staffellauf, internationaler Lauf und die Läufe um den „Brendschild“ haben im Alpenraum einen guten Namen, denn immer wieder zieht es Spitzenlangläufer zu den mit viel Mühe und Fleiß organisierten Rennen. Weltelite regelmäßig in Schonach am Start „Wenn Schonach ruft, dann kommen alle Weltklasseathleten in das Skidorf des Schwarzwalds“, konnte Schonachs skisport­ begeisterter Bürgermeister Albert Haas bei der 20. Auflage der »Internationalen Nordi­ schen Kombination um den Schwarzwald­ pokal“ im vergangenen Winter mit Stolz feststellen. Die Veranstaltung, die 1967 noch gemeinsam mit „Rund um Neukirch“ über die Bühne ging, hat sich aus kleinsten Anfan­ gen heraus einen bedeutenden Platz im in­ ternationalen Skisportgeschehen gesichert. Als der Schwarzwaldpokal, der von Ernst Sehmieder gestiftet wurde, zum ersten Mal ausgeschrieben wurde, hatte wohl niemand daran gedacht, daß Schonach im Schwarz­ wald einmal in einem Atemzug mit dem Mekka des nordischen Skisports, dem Hol­ menkollen bei Oslo genannt wird. Viele, die den schweren Bronzepokal gewannen, wur­ den Olympiasieger und Weltmeister. Erster Gewinner der Trophäe war Edi Lengg aus Reit im Winkl. Ein Original unter den Kombinierem. Ein Mann, der auf der Schanze genauso seinen Mann stand, wie in der Loipe. In der Rückblende auf über 20 Jahre Schwarzwaldpokal blieb dem Chroni­ sten eine Begebenheit auf der damals noch nicht modernisierten Langenwaldschanze besonders haften. Beim Springen schneite es in dichten, nassen Flocken. Die Anlaufspur wurde mit jeder Schneeflocke stumpfer. Oben am Ablauf stand Edi Lengg. Er brachte den Ablaufrichter fast zur Verzweiflung. Er putzte seine Brille und wartete und wartete … Als er sich endlich entschloß, sich in den Ablauf zu wuchten, war die Spur so stumpf geworden, daß er mit Müh und Not auf 20 Meter Sprungweite kam. 1968 gewann der Schweizer Alois Kälin den Pokal, der sich vier Wochen später bei den Olympischen Winterspielen in Gre­ noble mit dem Nesselwanger Franz Keller ein großes Duell lieferte. Franz Keller, der 1970, 1972 und 1973 in Schonach erfolgreich war, wurde 1968 Olympiasieger und knüpfte an die Erfolge eines Georg Thoma aus Hin­ terzarten an. Franz Keller wurde abgelöst von dem Finnen Rauno Miettinen, der drei­ mal den Schwarzwaldpokal ins Land der tau­ send Seen mitnehmen konnte. Leider nicht in Folge, sonst hätte er den schweren Pokal endgültig gewonnen gehabt. Er wurde abge­ löst von dem erfolgreichsten Kombinierer der siebziger Jahre, Ulrich Wehling aus der DDR, Olympiasieger und Weltmeister. Der Finne Jorma Etelaelahti war 1979 und 1981 in Schonach erfolgreich. 1980 und 1982 holte sich Uwe Dotzauer (DDR) den Pokal. 1984 war es dann der Oberstdorfer Thomas Mül­ ler, der im Vorfeld der Olympischen Winter­ spiele von Sarajewo auf sich aufmerksam machte. 1985 begann mit dem Gewinn des Schwarzwaldpokals die große Erfolgsserie des Berchtesgadener Hermann Weinbuch, der drei Wochen später in Seefeld Weltmei­ ster in der Nordischen Kombination wurde. Auch 1986 siegte der Berchtesgadener, der auch die Gesamtwertung des Weltcups ge­ wann. Bisher ist es noch keinem Skiathleten 265

gelungen, den schweren mit Bergkristallen besetzten Pokal endgültig zu gewinnen. Um dies zu erreichen, muß die Trophäe dreimal in Folge oder fünf Mal gewonnen werden. Alle bisherigen Sieger mußten sich mit der kleinen, aber kaum weniger attraktiven Aus­ gabe des Schwanwaldpokals begnügen. Nur einmal in den vergangenen Jahren mußte der Schwarzwaldpokal wegen Schneemangel abgesagt werden. 1983 fiel die Veranstaltung aus, obwohl man schon viele Lastwagen mit Schnee an die Langenwald- schanze gefahren hatte. Aber Petrus hatte kein Einsehen mit den Kombinierern. Meist kam der langersehnte Schnee in letzter Mi­ nute, und die Wettbewerbe konnten dann doch immer plamäßig gestartet werden. Der Wagemut und der Einsatzwillen der Schon­ acher Organisatoren wurde immer wieder belohnt. Dies ist wohl auch eins der Geheim­ nisse des Schwarzwaldpokals in Schonach, der bereits 20 Mal über die „Schneebühne“ ging und der zu einem festen Begriff in der Skiwelt geworden ist. Werner Junge Axel Harries, das Läufertalent aus Furtwangen denn seine Schulkameraden überredeten ihn, bei einer Staffel im Wettbewerb »Jugend trainiert für Olympia“ teilzunehmen. Das gefiel ihm so gut, daß er jetzt des öfteren das Leichtathletik-Training besuchte und auch gleich Erfolge verbuchen konnte. Von jetzt an startete er vorwiegend auf der 1000-m­ Strecke. So lief er 1981 bei den Gauleichtath­ letik-Meisterschaften eine erwähnenswerte Zeit von 2:34.7 min. Im Herbst desselben Jahres wurde er mit der Jugendmannschaft des TV 1872 Furtwangen Badischer Mann­ schaftsmeister. Von dieser Zeit an begann er dann, nach einem bestimmten Plan zu trainieren. Er wurde bald für seine Arbeit belohnt, denn 1982 wurde er über 800 m Vizemeister bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in der Halle und auf der Aschenbahn. Auch 1983 konnte er wieder viele Siege für sich verbuchen. Als Vorlaufschnellster zählte er zu den Favoriten im Endlauf über 800 m bei den Deutschen Juniorenmeisterschaften, aber er mußte sich nur ganz knapp geschla­ gen geben. Nach dieser Meisterschaft und nach weiteren Tests wurde Axel für die Junioren-Nationalmannschaft nomm1ert und konnte dadurch an den Junioren-Euro­ pameisterschaften in Schwechat bei Wien teilnehmen. Durch die drittschnellste Zeit (1:47.3 min.) in den Vorbereitungsläufen Axel Harries, schon viele Jahre Mitglied in der Abteilung Leichtathletik des Turnvereins Furtwangen, hat die Leichtathletik eigentlich nie so ernst genommen. Er hat lieber Fußball gespielt und das nicht schlecht. Er war in Sachen Fußball ein großes Talent. Im Sommer 1981 vertauschte Axel seine Fußballstiefel einmal mit den Laufschuhen, 266

wurde ihm die Favoritenrolle aufgedrängt. Leider kam alles anders als erwartet Nach einem guten Vorlauf schied er im Zwischen­ lauf dann aus. Dennoch war es eine hervorra­ gende Leistung, die Axel in dieser Saison erreicht hatte. 1984 war das Jahr der Olympiade in Los Angeles. Nach einem guten Saisonstart wurde Axel im 800-m-Lauf Süddeutscher Hallenmeister. Durch intensives und hartes Training hat er zur rechten Zeit eine Top­ form erreicht und ließ die Leichtathletik­ fachwelt aufhorchen. Beim Leichtathletik­ Sportfest in Fürth gelang ihm im 800-m-Lauf fast eine Sensation. Axel setzte sich sehr früh vom Feld ab und startete zu einem Allein­ gang, dem nur der Doppelolympiasieger Alberto J uantorena aus Kuba folgen konnte. Juantorena siegte schließlich noch knapp im Spurt in 1:46.61 Min. vor Axel, der aber mit 1:47.00 Min., eine DLV-Jahresbestzeit er­ reichte. Nun hatte man eigentlich erwartet, daß man einen Deutschen Meister zu den Olym­ pischen Spielen nominieren würde. Aber Axel wurde vom DLV nicht nominiert. Dank der energischen Interventionen seitens des Turnvereins Furtwangen, des Badischen Leichtathletikverbands und von Bundestrai­ ner Schmidt bekam Axel dann noch eine Chance beim internationalen Sportfest in München zur Q!ialifikation. Mit einer neuen persönlichen Bestzeit von 1:46.04 Min. s;haffte Axel die verdiente Olympianomi­ ruerung. Das realistische Ziel, das sich Axel bei seinem ersten Olympiastart gesetzt hatte, war, in den Das Konzept des Skiinternats in Furtwan­ gen scheint sich bewährt zu haben. Die jun­ gen Leute der seit dem Schuljahr 1984/85 bestehenden Einrichtung heimsten in der Wintersaison 84/85 und 85/86 internationa- Friedrich Braun – Juniorenweltmeister im Mannschaftsskispringen Zwischenlauf zu kommen. An die taktischen Anweisungen des Bundestrainers sich hal­ tend, kam es in seinem Vorlauf zu harten und kraftkostenden Positionskämpfen. Axel mußte als 4. in seinem Lauf ausscheiden. Trotz dieser persönlichen Enttäuschung sammelte Axel für sich positive Erfahrun­ gen. Zuhause wieder angekommen, begann er gleich wieder hart mit dem Training. Im Frühjahr 1985 holte er sich seinen zwei­ ten Deutschen Meistertitel in der Halle, wo er gleichzeitig einen neuen Deutschen Hal­ lenrekord über 800 m in der Zeit von 1:46.41 Min. aufstellte. Aufgrund dieser Lei­ stung wurde er für die Hallen-Europamei­ sterschaften in Athen nominiert, die nicht so verliefen, wie er sich gewünscht hatte. Die neue Freiluftsaison begann er in Essen sehr gut. Bei dieser Veranstaltung stellte er im 800-m-Lauf eine persönliche Bestzeit von 1:45.80 Min. auf. Wie es so im Leistungssport ist, zog er sich beim Training eine langwierige Verletzung zu. So entstand bis zu den Deut­ schen Meisterschaften in Stuttgart ein Trai­ ningsrückstand, der nicht mehr aufzuholen war.Dies machte sich bei diesem Start bemerk­ bar. So mußte sich Axel nach einem guten Vorlauf schließlich mit dem 5.Platz begnü­ gen. Nach den Deutschen Meisterschaften absolvierte er noch kleine Wettkämpfe, mußte aber dann verletzungsbedingt die Sai­ son beenden. Man hofft nur, daß Axel die Verletzung bald überwunden hat und wieder Otto Weißer voll trainieren kann. le Titel ein. Das Modellprojekt wird vorwie­ gend aus öffentlichen Mitteln finanziert und soll junge Skisportler dem Spitzensport zuführen, ohne dabei die berufliche Ausbil­ dung zu vernachlässigen. So hat die Gruppe, 267

rutschte die Hänge beim familieneigenen Skilift in seiner Heimatstadt hinunter. Im Kindergarten lag er bei den Skiwettbewerben immer mit an der Spitze und trat mit sieben Jahren dem Skiverein bei. Er hatte das Glück, Klaus Feist, Trainer des C-Kaders der DSV-Mannschaft, als Nach­ barn in Baiersbronn zu haben. So konnte dieser das Talent des jungen Friedrich von klein auf beobachten und ihn dementspre­ chend fördern. Mit zehn gehörte er bereits dem Landeskader des Schwäbischen Ski-Ver­ bandes an und startete im Schülerbereich. Sein weiterer Weg ging geradlinig über die Arge-Baden-Württemberg (mit elf Jahren), in den D-Kader des DSV (mit vierzehn) und schließlich in den C-Kader, mit dem er heute noch startet. Das Ende seiner Ski-Karriere ist nicht abzusehen. Für die Wintersaison 1986/87 hat er sich zum Ziel gesetzt, den Titel in der deutschen Kombinationsmeisterschaft zu holen sowie unter die ersten drei des Alpen-Cups in sei­ ner Altersstufe zu kommen. Außerdem trai­ niert er auf eine erneute Q!ialifikation zur Weltmeisterschaft. Im Sommer wird er sich mit Fußball, Krafttraining, Tennis, Waldlauf und Fahrrad­ fahren fit halten. Auch Grasskifahren gehört zu seinem Trainingspensum. Seiner Lehre zum Feingeräteelektroniker an der Berufs­ fachschule in Furtwangen kann er sich dann auch intensiver widmen. Da Friedrich im Winter meist auf Wettkämpfen unterwegs ist, steht in dieser Zeit die Berufsausbildung an letzter Stelle. So müssen die Internats­ schüler auch eine längere Lehrzeit in Kauf nehmen. Trotz der langen Ausbildung kann sich Friedrich ein Leben ohne Sport nicht vorstellen. Gegen den Widerstand der Eltern hatte er sich um eine Aufnahme im neugegründeten Skiinternat bemüht. Er gehört sozusagen zu den Schülern der „ersten Stunde“. Finanziert wird seine Ausbildung von der Deutschen Sporthilfe und dem Staat. Die Sportausrü­ stung bekommt er zum Teil vom Skiinternat gestellt, der Rest wird vom Skipool des DSV bestehend aus sieben internen und zwei externen Schülern, nicht nur ein aufwendi­ ges Trainingspensum zu absolvieren, son­ dern muß sich auch noch um den schuli­ schen Erfolg bemühen. Unter ihnen befindet sich ein erfolgver­ sprechendes Talent im Skispringen und Langlauf -Friedrich Braun. Der 17jährige Baiersbronner hat im Februar 1986 zusam­ men mit seinen Kameraden Robert Leon­ hardt (Berchtesgaden), Christian Rimmel (Buchenbach) und Dieter Thoma (Hinter­ zarten) in Lake Placid den Juniorenweltmei­ sterschaftstitel im Mannschaftsskispringen gewonnen. Dies war aber nicht sein einziger sportlicher Erfolg in dieser Wintersaison. In der Kombination Skispringen und Langlauf verfehlte er nur knapp den deutschen Mei­ stertitel und wurde Vizemeister. Außerdem erreichte er den fünften Platz im Gesamtklas­ sement des Alpencups der Jugend II. Die Tradition des Skispringens besteht in der Familie Braun schon seit mehreren Gene­ rationen, auch sein Bruder Roland scheint das Talent geerbt zu haben. Er qualifizierte sich bereits für den D-Kader des Deutschen Ski-Verbandes. Kaum daß er laufen konnte, stand Friedrich Braun auf den Skiern und 268

auch für Friedrich Braun erst einmal die Zeit der Bundeswehr. Als erfolgreicher Sportler ist ihm in Aussicht gestellt worden, zur Sporttruppe nach Fahl zu kommen. Daniela Ullrich Heinz Pfeiffer: Weit mehr als ein Bundestrainer übernommen. Furtwangen und seine unmit­ telbare Umgebung bietet für das junge Talent ein ideales Trainingsgelände. Kilometerlange Loipen, Schnee bis Ende April und mehrere Schanzen sind vorhanden. Nach seinem Berufsabschluß kommt Von Beruf ist Heinz Pfeiffer aus Schwen­ ningen Betriebswirt. Daneben betätigt er sich auch als Goldschmied ganz besonderer Art. Seit fast einem Vierteljahrhundert sorgt er als Bundestrainer der Kunstradfahrer für einen Medaillensegen, der seinesgleichen sucht. Über SO Goldmedaillen gewannen seine Schützlinge während seiner bisherigen Amtszeit, die 1962 begann, drei Jahre, nach seinem zweiten Weltmeistertitel im Kunstradfahren der Herren. Dabei war Heinz Pfeiffer in seiner Sport­ art ein Spätstarter. Erst im Alter von 14 Jah­ ren begann seine Karriere. Da sah er den damaligen deutschen Meister im Kunstrad­ fahren und war sich sicher: „Das kannst du in einem Jahr auch“. Der verbissene Auto­ didakt, der täglich um fünf Uhr morgens vor der Arbeit und abends nach Feierabend alleine in einer kärglichen Halle trainierte, konnte nach kürzester Zeit noch viel mehr, mehr als jeder andere Kunstradfahrer auf der Welt. Heute vermittelt der 54jährige seinen Schützlingen sein Wissen und seine Erfah­ rung in regelmäßigen Wochenendlehrgän­ gen im Bundesleistungszentrum in Frank­ furt. Mindestens 25 Mal im Jahr pendelt der Trainer, der auf Honorarbasis (120 Mark Tagessatz) arbeitet, zwischen der Bankenme­ tropole und seiner Heimatstadt hin und her. Sehr schwierig sei seine Arbeit mittlerweile geworden, beurteilt Heinz Pfeiffer sein Trai­ neramt. Schon bei einem kleinen Nachlassen der „Medaillenfabrik“ reagiere die Öffent­ lichkeit mit Unverständnis und Kritik. Dabei muß er regelmäßig neue Weltmeister hervor­ zaubern, da die Früchte seiner Arbeit immer Selbst nach 24 Trainerjahren ist die Uhr far Heinz /Jeiffer noch längst nicht abgelaufen. Auch dieses Jahr stellt er far den Kunstradsport die Zeiger wieder auf Erfolg. wieder in die Universitäten und andere Berufsbildungszentren entschwinden. „Der Kunstradsport ist keine Domäne, die Profis ernähren kann und so muß die soziale Sicherheit, das heißt Schule und Beruf Vor­ rang vor dem Sport haben“, setzt der Bundes­ trainer selbst die Schwerpunkte. 269

engagiert er sich mit voller Kraft. So blickt der gebürtige Schwenninger heute auf eine mittlerweile 18jährige Amtszeit als Gemein­ derat und auf eine fünfjährige Amtsperiode als Kreistagsmitglied zurück. Über den Schwarzwald-Baar-Kreis hinaus war seine Stimme auch im gesamten Bundesgebiet wichtig, und zwar im Gremium des Sportbei­ rats, der der ehemaligen Regierung Schmidt beratend zur Seite stand. Heute profitieren nur noch die Sportler von den immensen Erfahrungen des dienst­ ältesten Bundestrainers, der sich sein Kön­ nen im Selbststudium erarbeitete. Wenn’s drauf ankommt, steigt der Routinier noch selbst aufs Rad, um seinen Schützlingen zum Vergnügen aller Beteiligten Anschauungs­ unterricht zu geben. Diverse Wetten, daß er »ietzt gleich runterfalle“, hat Heinz Pfeiffer bisher alle gewonnen. Doch nicht nur für die bundesdeutschen Athleten ist der Bundestrainer die Verkörpe­ rung des Radsports schlechthin. Wo er auf­ taucht, drängeln sich wißbegierige Trainer anderer Nationen um ihn. Heinz Pfeifferver­ mittelt sein Wissen gern, auch im Bewußt­ sein, daß er sich dadurch eine ernstzuneh­ mende Konkurrenz großzieht. Auch im Inland hat er vorgesorgt und zahlreiche Trai­ ner ausgebildet, von denen einer einmal seine Nachfolge antreten soll. Wann?“ Wenn ich spüre, daß ich die geforderte Leistung nicht mehr bringen kann“, überläßt Pfeiffer diese Frage seiner eigenen Selbsteinschät­ zung. Werner Feißt Doch nicht nur das Heranführen junger Talente an den Spitzensport hält den dienst­ ältesten Bundestrainer in Deutschland seit 24 Jahren bei der Stange. Kreativität und Innovationsstreben sind weitere Triebfedern seiner langjährigen Arbeit. Seit dreißig Jah­ ren entdeckt er immer wieder Dinge an Stil und Material, die es weiterzuentwickeln gilt. Was vor drei Jahrzehnten mit einer eigen­ händigen und epochemachenden Neuent­ wicklung des Kunstradlenkers begann, setzt sich heute im Erkunden neuer Stilelemente im Kunstradsport fort. Hierbei holt sich Pfeiffer gerne Anregungen aus anderen Bereichen, nicht zuletzt bei den Artisten aus dem Zirkuszelt. Auch im Berufsleben gab sich Heinz Pfeiffer nie mit dem Erreichten zufrieden, ruhte nie auf seinen Lorbeeren aus. In seiner Heimatstadt besuchte er das Gymnasium, dem sich der Beruf des Uhrmachers anschloß. Nach fünfjähriger Tätigkeit bil­ dete er sich an der Staatlichen Feintechnik­ schule in Schwenningen zum staatlich geprüften Feinwerktechniker weiter. Durch ein Fernstudium schließlich erschloß sich der mittlerweile 54jährige Familienvater den Bereich der Betriebswirtschaft, den er heute bei seinem Arbeitgeber Schlenker-Grusen in Schwenningen inne hat. Seine berufliche Karriere hat Heinz Pfeif­ fer gegenüber der sportlichen nie in Frage gestellt. „So gut es eben geht“ betreibt er sein geliebtes Kunstradfahren neben seinem eigentlichen Broterwerb. Nicht nur in Sport und Beruf, auch in der Kommunalpolitik Vom Hobby der Amateurfunk.er im Don-Bosco-Heim in Furtwangen Was macht ein Amateurfunker? Er sitzt im stillen Kämmerlein, die Kopfhörer über die Ohren gestülpt, und hält einen kleinen Plausch mit der deutschen Forschungssta­ tion in der Antarktis. Oder er ruft mal eben seinen Gesprächspartner auf einem „kleinen 270 „High-Tech“ so ganz nebenher Umweg“, indem er einen russischen Satelli­ ten als Relaisstation benützt. Und wenn’s mal pressiert, tippt er eine Zahlenkombina­ tion ins Terminal, worauf eine Landkarte auf dem Monitor erscheint, ihm die Lage des gewünschten Senders anzeigt und sich

Die Funkstation im Furtwanger Don-Bosco-Heim: Zwischen 15 000 und 20 000 Mark stecken in der Anlage, zum größten Teil durch Spenden aufgebracht. gleichzeitig die Richtfunkantenne aufs Ziel­ gebiet einrichtet. Etwas zu hoch gegriffen? Aber nein. Für die jungen Amateurfunker im Don­ Bosco-Heim in Furtwangen ist das kein Wunschtraum, sondern die Realität ihres Hobbys, dem sie in einem kleinen Raum im Untergeschoß dieses Gebäudes nachgehen, das einerseits Zöglinge der Furtwanger Berufsfachschule beherbergt, andererseits das Ski-Internat. Wie das? Vor etwa elf Jahren taten sich Geistlicher Rat Alfons Schaaf und der technische Ober­ lehrer Hans Duffner zusammen und richte­ ten -unterstützt von vielen großmütigen Spendern -die kleine Funkstation im Don­ Bosco-Heim ein, stellten auf den benachbar­ ten „Großhausberg“ eine Richtfunkantenne und baten ihre Schützlinge an den Sender. Die Initiative der beiden Männer, jungen Leuten eine sinnvolle und attraktive Freizeit­ gestaltung zu ermöglichen, fiel auf fruchtba­ ren Boden. In den vergangenen elf Jahren wurden über 70 Funker dort ausgebildet – eine rechte „Lehre“ gehört schon dazu -und brachten dabei Erstaunliches zustande. An den Wänden des Funkraumes und in Karteikästen sortiert finden sich rund 3000 sogenannte QSL-Karten. Postalische Emp­ fangsbestätigungen und gleichzeitig Nach­ weise dafür, mit welchen Stationen die Don­ Bosco-Funker bereits Kontakt hatten -die erwähnte Antarktis-Station gehört ebenso dazu wie der Funkkontakt via Satellit. Haben die Funker eine gewisse Anzahl der begehrten QSL-Karten beisammen, gibt es dafür ein Diplom: Symbol für die Funker­ Begeisterung, die, über Kontinente hinweg, Kontakte zwischen Völkern schließt. 271

Dieses Hobby ist freilich nicht ganz billig. Funkstation mit Diplomarbeiten. So ent- Zwischen 15 000 und 20 000 Mark werden es stand beispielsweise eine Landkarte, auf der sein, die in der Anlage stecken in Form der mittels Leuchtdioden nach Eintippen des Funkgeräte selbst, der imposanten Riebt- „Landeskenners“ (eine Buchstaben-Zahlen- funkantenne und anderem. kombination) in die Tastatur der Standort Jedoch: Wo eine große Anzahl junger des gewünschten Gesprächspartners ange- Leute zusammenlebt, vereint in Ausbildung zeigt wird -eine nicht billige Anlage, mühse- und Freizeit, wäre es verwunderlich, käme lig hergestellt und tadellos in Funktion. Nicht weniger mühevoll war die Arbeit, nicht etwas Gescheites dabei heraus. So begnügen sich die Funker und ihre Freunde ein Heft zu erarbeiten, in dem sage und im Don-Bosco-Heim nicht damit, Q$L-Kar- schreibe 2000 dieser „Landeskenner“ aufgeli- ten zu sammeln, sie arbeiten vielmehr auch stet sind und das jetzt auch käuflich erwor- daran, die Funkerei per Computer auf High- ben werden kann. Tech-Beine zu stellen; Landes-Technologie- Doch der eigentliche Knüller wurde erst Förderer Lothar Späth hätte seine helle vor kurzem vorgestellt -die „High Tech“ Freude an den jungen Burschen, die in ihrer läßt grüßen, denn der Computer funkt jetzt Freizeit, frei von Subventionen, großartiges mit. in Sachen Software leisten. Der Funker tippt den „Kenner“ in das Oft verbinden die Funker und ihre Stu- Computerterminal, und dann geht’s los: Auf dien-Kollegen die Bastelei rund um die dem Monitor erscheint eine Landkarte, auf Wer funkt, bekommt auch Post: Nach jedem Funkkontakt erhalten Funker eine Bestätigungskarte, und für eine gewisse Kartenzahl ist ein Diplom fällig, so etwa der „Sherlock Holmes Award“ der Internatio­ nalen Polizeivereinigung oder das „Baden-Diplom ‚: HERLOCK HOLMES AWARD S·H· Thl is to certify thet Hans Ouffner oper tor of amat ur radio tion O L 2 ha fulfllled the concsmona ot lh Sh rlock Holmes A rd J3E OAR 272

der Standort sowie zugehörige Angaben der gewünschten Station aufleuchten; dann kann der Funker mittels eines eingeblende­ ten Fadenkreuzes das „Zielgebiet“ noch wei­ ter einkreisen. Hinter dem Don-Bosco-Heim richtet sich derweil die Antenne, ebenfalls computergesteuert, automatisch auf den Gesprächspartner, wo auch immer, ein. Und das -man muß es sich vor Augen halten-, das machen die jungen Leute vom Don-Bosco-Heim in Furtwangen „so neben­ her“. Man darf vermuten: Wenn diese Bur­ schen erst einmal beruflich an die Sache ‚ran­ gehen, kann sich in der Funkerlandschaft Fred Ohnewald einiges verändern. * Der Skorpion Er pickt und zwickt, läßt keine Ruh‘, Deckt seine eig’nen Schwächen zu, Dann zieht er grimmig sich zurück, Wenn er gestört des ander’n Glück. Er kratzt und petzt, tut allen weh, Kennt jeden Schlich und manchen Dreh, Er bohrt und beißt, bis Dir der Schweiß Rinnt von der Stirne, kalt und heiß. Nimm Dich in Acht, sei auf der Hut, Er sticht Dir langsam bis in’s Blut; Das alles ist kein gutes Zeichen, Freund und Feind wird vor ihm weichen. Johannes Hawner 273

Prosa und Lyrik aus unserer Heimat Gedanken vor dem Dorfbrunnen Wasser, gesundes Wasser, erquickendes Wasser strömt von nun an aus dem Dorf­ brunnen in Gremmelsbach in einen Stein aus Granit, der aus der Heimat genommen ist, sich anders als Marmor oder Sandstein feiner Ziselierung widersetzt, dafür aber seine Schwere, Schlichtheit und Erdverbunden­ heit behält, wie man sie auch den Menschen dieser Heimat so gern bestätigt. Die einfache zweckmäßige Form eines Brunnenstocks mit einem Trog als Becken, im Schwarzwald seit Jahrhunderten zu Hause, hat der Steinhauer seinem Werk gegeben, ohne einen Neptun mit dem Dreizack, ohne Wasserrose oder Nymphen oder Fische als Motive. Beschei­ den stellt es sich neben die Kirche, die nach dem Willen ihres Stifters, des Erzherzogs Ferdinand, ohne überflüssigen Zierat erbaut werden sollte. Im Leben und Denken der Menschen hat das Wasser von Anfang an seine bestim­ mende Bedeutung gehabt. Die erste Seite der Bibel nennt dieses Element, über dem der Geist Gottes schwebte; um die Bosheit der Menschen auszulöschen, stürzt es in der Sintflut vom Himmel; Moses schlägt es in der Wüste aus dem Felsen, weiß ein Mittel, bitteres Wasser genießbar zu machen.Nur an den Ufern der Ströme konnten die früheren Hochkulturen entstehen und zur Reife ge­ langen. Israel gräbt in Kanaan tiefe Brunnen, an einem von ihnen erbittet später Christus Wasser von einer Samariterin, nicht ohne es zu einem wesentlichen Symbol zu erklären. Im weinfrohen Griechenland hielt der Dichter Pindar das Wasser für ein so schönes Geschenk der Natur, daß er seinen ersten Hymnus mit dem Vers beginnen läßt: „Das Wasser ist das Beste“. In die Brunnen der Stadt Athen stürzten sich, als die Pest wütete, die Menschen, von Durst und Schmerzen in den Wahnsinn getrieben. Alexander der 274 Große schüttete in der Gedrosichen Wüste einen Helm voll Wasser in den Sand, um sich mit dem letzten seiner Soldaten zu solidari­ sieren. Die Römer sahen in jeder Q!ielle eine Gottheit, und aus den nahen Bergen leiteten sie über Aquädukte Wasser in unvorstelJ­ baren Mengen in ihre Stadt. Die alte Tradi­ tion wurde von den Päpsten wieder auf­ genommen, und wenn viele die Kirchen, Straßen und Plätze der Ewigen Stadt lieben, so andere nicht weniger wegen ihrer 1300 Brunnen. Eichendorffs „Taugenichts“ war von ihnen so begeistert, daß er am Ende sei­ ner Geliebten und seinen Freunden nur „die schönen Wasserkünste“ Roms zeigen will. Von den Germanen wissen wir, daß sie weit voneinander entfernt siedelten, „wie eine Q!ielJe, ein Feld oder ein Weideplatz sie lockt“. Manchem Ritter des Mittelalters machte das Graben seines Brunnens die gleiche Mühe wie der Bau der ganzen Burg. Der Fürst des Absolutismus wünschte sich am Spiel des Wassers im Park vor seinem Schloß zu erfreuen, und was dem Landes­ vater recht war, war dem Vater Abt billig. Dem alJem wollten die Bürger nicht nachste­ hen und schmückten ihre Städte -herrliche Möglichkeiten für die Künstler -mit Brun­ nenbauwerken bis in unsere Tage. Wo wolJte man anfangen, sie aufzuzählen, wo auf­ hören? Zuerst floß das Wasser, dem Lei­ dende unerklärliche Genesung verdankten, will man den oft von der Legende umspiel­ ten Gründungsberichten von Wallfahrtskir­ chen Glauben schenken. Unmöglich ist es, alle Dichter zu erwäh­ nen, die sich von der Mystik der QuelJen, der Schönheit der Brunnen und der Stille wie der Macht des Wassers faszinieren ließen, es waren nicht nur die Romantiker, und die – Kunstwerke aus Stein oder Erz vor Augen – Kleinodien in Lyrik und Prosa schufen,

dauerhafter als diese und voll Zauber wie sie. „Brunnen und Q}iellen reichen hinab in die Tiefen der Erde, in Geheimnis und leben­ spendendes Dunkel“, schreibt Werner Ber­ gengruen. ,,Heilignüchern“ nennt Friedrich Hölderlin das Wasser in einem seiner schön­ sten Gedichte, vielleicht dem schönsten deutschen Gedicht überhaupt, ginge es nur an, so zu werten. Schufen also Menschen Brunnen weit über ihre praktischen Bedürfnisse hinaus auch für Auge und Gemüt, so sollen doch die Wasserstellen in unserer Betrachtung nicht vergessen sein, die in den Trockenzonen der Erde existenzerhaltend sind, nicht nur glü­ henden Durst löschen, sondern auch die Umgebung fruchtbar machen und mit den Möglichkeiten heutiger Technik leichter zu graben sind: der Stolz vieler Entwicklungs­ helfer und die stille Befriedigung mancher guten (Spender-)Seele. Nie soll er versiegen, unser Dorfbrunnen, immer fern allem Frevel in der Lieblichkeit des Friedens seinen Reichtum verströmen lassen dürfen. Freude sei dem Besucher gewünscht beim Anblick des sanften und doch vollen Strahls, der kleinen silbernen Wellen, der schimmernden, sich darin spie­ gelnden Welt und des gestirnten Himmels, Erfrischung dem Durstigen, der daraus trinkt, dem Ermüdeten, der seine Anne in das Becken taucht und sich die Stirn benetzt, eine angenehme Rast in der Umfriedung im Baumesschatten auf den Bänken um den Brunnen. Wie ein Kreuzgang soll er allen, die kommen, Zeit schenken zum Sinnen und Schauen. Unbekümmertes Kinderlachen sei um ihn wie die ansteckende Fröhlichkeit der Jugend und die Erfahrung und die Milde des Alters, damit er nicht nur eine Zierde bleibe, sondern seinen Platz erhalte im Leben der Menschen. Karl Volk 275

Zweimal Hoher Kasten Wer von uns auf den Gedanken kam, den Hohen Kasten in der Ostschweiz als Ziel für den Klassenausflug zu bestimmen, weiß ich heute nicht mehr zu sagen. Wie eine höhere Eingebung stand der Vorschlag im Schul­ raum, und wir hielten mit der ganzen Hart­ näckigkeit, deren eine Gruppe fähig sein kann, an ihm fest. Der Klassenlehrer, anfangs erschrocken über die Verantwortung, die ihm da zuwachsen sollte, mit einer Tertia einen Gipfel im Hochgebirge ersteigen zu . müssen, leistete hinhaltenden Widerstand, machte Gegenvorschläge -aber nichts da, der Hohe Kasten mußte es sein. Schließlich erkundigte er sich sorgfältig, wo immer ihm das möglich war, ob nicht etwa Absturzge­ fahr bestehe. Wie tuschelten, kicherten, lach­ ten wir hinter seinem Rücken mit der kurzle­ bigen, oberflächlichen, schnöden Freude der Unerfahrenen! Absturzgefahr! Habt ihr das gehört? Absturzgefahr! Vielleicht an der Eigernordwand oder am Mount Everest, doch nicht am Hohen Kasten! Dabei ging es ihm um unser Leben, um unser Leben ging es ihm, das uns in der Jugend als ein so selbst­ verständlicher Besitz erschien. Als alles nichts mehr half, kleidete der Herr Professor seine Sorge in ein Bündel strenger, bilderreicher Ermahnungen, nur ja widerstandslos und bereitwillig jeder seiner Anordnungen Folge zu leisten, widrigenfalls er empfindliche Strafen verhängen würde, wenn wir wieder nach Hause zurückgekehrt seien. Seiner langen Ausführungen kurzen Sinn brachten wir auf die Formel, die in der Klasse vorübergehend ein geflügeltes Wort wurde: ,,Wer über die Schnur haut, kommt unter die Räder!“ Der Tag des Ausflugs brach an. Wir fuh­ ren zum erstenmal mit der SBB, in einem eigens für uns reservierten Wagen, in einem fahrenden Klassenzimmer sozusagen, mit der Aufschrift „Gymsium“, über welche orthographische Großzügigkeit eines Schweizer Bahnbeamten wir noch tagelang lachten, so gut fanden wir sie; klar, daß wir sie 276 auch in den a11gemeinen Sprachgebrauch wenigstens aller Gymnasiasten einzuführen versuchten, freilich vergebens. Während es das Wetter weniger gut mit uns meinte, führten wir, vom Geist des „Nebelspalter“ angerührt-anders ist es nicht zu erklären -gleichsam der alten Schweizer Demokratie zu Ehren eine leidenschaftliche, lautstarke, aber erfolglose Debatte, ob, was die Sicht zum Himmel versperrte, Nebel oder Wolken seien. Nur die Abstimmung beantragte keiner, und so entfiel sie. Wir trie­ ben auch andere Blödeleien, zum Beispiel, daß wir das, was wir im Schu1streß mühsam erlernt hatten, jetzt anwendeten, zur größe­ ren Freude unseres Lehrers, der kaum hel­ fend einzugreifen brauchte: aUe sprechenden Orts-und Bergnamen wie Altstätten, Alt­ mann, Brülisau, Wasserauen usw. ins Franzö­ sische, Lateinische und Griechische zu über­ setzen. Das konnten wir. Keine Schwierigkeiten machte der Auf­ stieg, noch weniger der Abstieg, wie auch für Fünfzehnjährige? Nicht in Erinnerung blieb irgendeine gefährliche Stelle noch die geringste Müdigkeit, dagegen arger Durst auf der Höhe, und keiner war bemittelt genug, den Höhenpreis auch nur für eine Flasche Brause aufzubringen. Wir nahmen den Durst wieder mit ins Tal und löschten ihn dort. Zurück blieb der Eindruck von einem Hochgebirge, von einem Gipfel in Wolken, von ungewohnten Steilstrecken und schrof­ fen Felswänden und im stillen der Wunsch, bei Gelegenheit wiederzukehren. Ich ließ sie lange warten: 30 Jahre, bis ich eine kleine Reisegesellschaft, zwei Familien mit Kindern, dafür begeisterte. Auch diesmal hätten wir bei der Anfahrt über das Problem, ob Nebel, ob Wolken über uns schwebten, diskutieren können, aber wir lassen das, und wie wir aus den Autos steigen wolJen, getrauen wir uns kaum, es gießt trotz gegenteiliger Wetterprognose in Strömen, was sage ich, ein Tropenregen kann nicht wesentlich schlimmer ausfallen. Da stehen

wir herum und schauen gen Himmel. Daß der graue Talvogt auch gerade jetzt kommen muß! Wenn wir nur wüßten, was tun, was nicht Wie verhalten sich die anderen Touri­ sten? Alle bewegen sie sich auf die Talstation der Seilbahn zu. Sehr vernünftig, aber wir hatten uns doch in den Kopf gesetzt, unsere Kräfte zu testen und den Hohen Kasten zu Fuß zu erobern. Den Regenschirm mitneh­ men? Nicht zünftig, aber nützlich. Wir fra­ gen Einheimische. Mit der Seilbahn hinauf­ fahren, heißt die lakonische Antwort. In den Bergen und an der See soll man auf den Rat der Ortsansässigen hören. Wir hören ihn und entscheiden anders, womit kein katego­ rischer Imperativ aufgestellt sein soll. Auf geht’s! Und der Himmel hat ein Ein­ sehen. Wir steigen und steigen, mit unseren Kräften haushälterisch umgehend, und die Welt mit ihrem Gram und Glücke mit jedem Schritt ein Stückchen weiter zurücklassend, durch dünnen und dünneren Regen über eine Wiese mit viel Mist und nassem Gras, vorbei an nassen Kühen, die Wanderer gewöhnt sind. Die braune Liese! kennt der Bauer am Geläut, als einzige trägt sie an brei­ tem, schwarzem Band ein Glocke, die nicht wesentlich kleiner ist als die auf der Klause des heiligen Gallus. Unter uns liegt Appen­ zell, in gleißendem Sonnenlicht strahlend, ein weiteres gutes Zeichen. Die regennassen Sträßchen wirken wie kanalisierte Flüsse. Die Luft ist gewasche�: das ist der Blick zurück. Vor uns und über uns umgibt sich der Hohe Kasten mit Nebel, taucht aus, taucht wieder ein. Eine Gondel verschwindet lautlos darin, eine andere fährt fast leer zu Tal. Uns leitet ein mißverständlich gestelltes Schild auf einen falschen Weg, macht nichts, er ist eben und führt zu einem Gesundbrunnen. Er­ frischt kehren wir um. Von unten füllt der Schall der Kirchenglocken, mächtiger Ge­ wichte, um deren Schicksal man nie hat ban­ gen müssen, die Landschaft, das Geläut zweier Ortschaften dringt zu uns herauf, danach in Abständen eine Sonntagsglocke nur, dann Stille nah und fern. Da muß man stehenbleiben. Die Vegetation, bisher wie überall und von uns kaum beachtet, wird alpin durch­ setzt. In der Nähe von altem Schnee blühen Schlüsselblumen, Anemonen, Silberdisteln träumen vom Sommer, wilder Enzian und anderer. Aus welchem man den „Enzian“ herstelle, will jemand wissen. Meinetwegen aus beiden. Endlich ist der Gipfel -längst immer häufiger sichtbar -geschafft. Nie­ mand hat schlapp-gemacht, niemandem fiel es aber auch ein, die letzten 200 m im Sturm­ schritt zu nehmen wie damals. Der Test ist bestanden. Beglückende Erkenntnis: Bergluft macht frei. Die Wolken schwimmen unter uns, größtenteils, und darüber ist die Freiheit grenzenlos. Bald hierhin, bald dorthin geben sie den Blick frei, vor gähstotziger Wand uns tief zu Füßen fließt der Rhein, seine Ufer sind wie mit Lineal und Winkelseheid paral­ lel gezogen, unverändert seit der Erschaffung der Welt die Berge Vorarlbergs, Liechten­ steins, der Schweiz, nur der Säntis hält sich länger verborgen. Ihr glücklichen Augen … Wünsche, außer dem einen, der Augenblick möge verweilen, habe ich hier oben an den lieben Gott nicht, dies genügt So ist Glück. Jetzt nur schauen, nichts als schauen, ohne Worte, ja ohne Gedanken schauen. Die Kinder machen sich einen Spaß daraus, ein Dohlenpärchen zu füttern, bald sind es vier, sechs und mehr. Ein Dreijähriger erhält von seinem Vater in unverfälschtem Schweizerdeutsch die Belehrung, es viel zu ,,gföhrli“, von hier oben Steine zu werfen. Bei Tisch im Hotel überlegen wir: Wie kommen wir wieder zu Tal? Alle zu Fuß, alle mit der Seilbahn? Einstimmigkeit ist nicht zu erzielen, und der Mehrheit will sich nie­ mand beugen. Also trennen wir uns. Beim gefürchteten Abstieg über viele katzenkopf­ förmige, abgetretene Steine, die uns erst jetzt auffallen, finden wir endlich heraus, wo der Schuh drückt und welche Gelenke Schwach­ stellen anzeigen, während sich die Sonne anschickt, die Schatten der Berge zu verlän­ gern. Karl Volk 277

Verschiedenes Personen und Fakten Adolf Herb wurde am 6.10.1985 als Bür­ germeister von Furtwangen wiedergewählt Unter zwei Gegenkandidaten setzte er sich bei einer Wahlbeteiligung von 73,29 % mit 50,61 % der gültigen Stimmen im ersten Wahlgang durch. Die neue Amtsperiode hat am 9.12. 1985 begonnen. Jürgen Guse, bisher Bürgermeister von Schnürpflingen (Alb-Donau-Kreis), wurde am 10.11.1985 im zweiten Wahlgang mit 53,21 % der Stimmen zum Bürgermeister der Stadt Bräunlingen gewählt. Die Wahlbeteili­ gung betrug 80,4 %. Bürgermeister Guse hat sein neues Amt in Bräunlingen am 1.1.1986 angetreten. Der bisherige Amtsinhaber, Karl Schneider, hat sich nicht mehr beworben und ist am 31.12.1985 in den Ruhestand getreten. Klaus Martin, der bisher beim Landrats­ amt in Kaiserslautern tätig war, hat sich bei der Bürgermeisterwahl in Triberg am 10.11.1985 gegen den bisherigen Amtsinha­ ber Alfred Vogt mit 67,56 % der Stimmen durchgesetzt. Alfred Vogt erhielt 33,90 % der Stimmen. Die Wahlbeteiligung betrug 74,17 %. Der neue Bürgermeister hat sein Amt am 1. 2. 1986 angetreten. 278 Otto Sieber wurde am 23. 2.1986 für eine 3. Amtsperiode mit 94,37 % der abgegebenen Stimmen zum Bürgermeister von Nieder­ eschach gewählt. Die Wahlbeteiligung betrug 59,38 %. Der bisherige Amtsinhaber war alleiniger Kandidat. Kurt Kempf, SPD-Landtagsabgeordneter aus Vöhrenbach, ist am 26.12.1985 gestor­ ben. Er wurde bei der Landtagswahl am 25. 3.1984 in den Landtag gewählt. Nachfol­ ger ist Julius Redling, der Zweitkandidat der SPD in diesem Wahlkreis war. Wolfgang Gehring, seit 1.1.1981 ehren­ amtlicher Kreisjugendpfleger, hat sein Amt Ende 1985 aus beruflichen Gründen aufgege­ ben. Vorläufig wird die Aufgabe des Kreisju­ gendpflegers von Jürgen Steiert, dem Leiter der in der Trägerschaft des Landkreises stehenden Sozialen Betreuungsstelle für Jugendliche, wahrgenommen. Albert Pfaff, Direktor der Staatlichen Akademie für Lehrerfortbildung in Donau­ eschingen, ist seit 16.4.1986 neuer Vorsitzen­ Jer der Europa-Union, Kreisverband Schwarzwald-Baar. Der bisherige Vor­ sitzende,Josef Zolk, hat dieses Amt abgege­ ben, da er aus beruflichen Gründen nach Münster verzogen ist.

Dr. Hans Beck, Chefarzt der Gynäkolo­ gischen und Geburtshilflichen A_bteilu?g d�s Kreiskrankenhauses Donaueschingen ist mit Ablauf des 31. 3.1986 in den Ruhestand getreten. Dr. Beck war bereits s�it 1.10.1965 als Chefarzt der Gynäkologischen und Geburtshilflichen Abteilung im Städtischen Max-Egon-Krankenhaus tätig. In einer kleinen Feier wurde Dr. Beck vom Landrat, seinen Chefarztkollegen und sei­ nen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ver­ abschiedet Dabei wurde der hohe berufliche und menschliche Einsatz des bisherigen Chefarztes gewürdigt. . Nachfolger ist Dr. Michael Eber!, der sei­ nen Dienst am 1. 4.1986 angetreten hat Weiterer Besuch im Kanton Schaffhausen Eine Delegation aus dem Schwarzwald­ Baar-Kreis besuchte am 21. 8.1986 unseren Nachbarkanton Schaffhausen. Der neue Erziehungsdirektor der Erziehungsdirektion des Kantons Schaffhausen, Regierungsrat Ernst Leu, bot mit seinen Mitarbeitern ein lehrreiches Programm. Außer der Orientie­ rung über die Probleme der Raumplanung des Kantons Schaffhausen wurde das Ausbil­ dungszentrum Georg Fischer AG besucht. Die Veranstaltung hat die seit Jahren beste­ henden Kontakte bekräftigt und auch zu einem guten zwischenmenschlichen Verhält­ nis beigetragen. * Schulleiterwechsel Im Berichtszeitraum haben an vier kreiseigenen Beruflichen Schulen die Schulleiter gewechselt Datum des Wechsels Schule Hauswirtschaftliche Schulen Donaueschingen 31. 07.1985 27.02.1986 Gewerbliche Schulen Donaueschingen 31.07.1985 24.02.1986 Gewerbliche Schulen Stadtbezirk Villingen 31.01.1986 30.05.1986 Berufliches Schulzentrum Furtwangen 31.07.1986 01.08.1986 Name der Schulleiter Roswitha Schafbuch Ludwig Vogel Hermann Barth neu: Günter Besenfelder Karlheinz Klein Ernst Zäh HeinzJehle neu: Klaus Panther bisher: bisher: 279 bisher: neu: bisher: neu:

Orden, Medaillen Nachstehende Personen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis wurden seit Juni 1985 mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet: (Abkürzung: BVK a. B. -Bundesverdienstkreuz am Bande BVK I. Kl. -Bundesverdienstkreuz I. Klasse VM -Verdienstmedaille) Baumann, Uta Weisser, Magda Moser, Alfred Merz, Willy v. Eckstädt Gräfin Vitzthum, Gudrun Hermann, Friede! Herberholz, Karl-Heinz Frank, Franz Giesser, Helmut Griesshaber, Ernst Obergfell, Herbert 1 9. 06.1985 BVK a. B. 1 9.06.1985 BVK a.B. BVK a. B. 22. 07.1985 VM 16. 10.1985 Villingen-Schwenningen St. Georgen Villingen-Schwenningen Furtwangen 18.11.1985 18. 11.1985 2 9.11.1985 20.02.1986 14.03.1986 07. 04.1986 13.05.1986 BVKa.B. VM BVKa.B. BVKa.B. BVK a.B. BVKa.B. BVK I.Kl. Villingen-Schwenningen Villingen-Schwenningen Villingen-Schwenningen Donaueschingen-Pfohren Villingen-Schwenningen Villingen-Schwenningen St. Georgen Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg: Belstler, Herbert Dreher, Frank 03. 05.1986 03. 05.1986 Donaueschingen Bad Dürrheim * In den vergangenen Ausgaben wurden an dieser Stelle Tabellen über die Bevölkerungs­ entwicklung und über die Ausländer ver­ öffentlicht Im Hinblick auf den Beitrag von Rainer Kaufmann „Die Bevölkerungsent­ wicklung im Landkreis 1975-1985″, Seite 8-15, in dieser Ausgabe erübrigen sich die Tabellen für das Jahr 1986. Arbeitslose in Prozentzahlen Stichtag Schwarzwald-Baar-Kreis 6,4% 5,5% 5,0% 30. 6. 84 30. 6.85 30.6. 86 280 Land 5,1 % 4,9% 4,6% Bund 8,5% 8,7% 8,4%

ausgezeichnet X Bewertungsergebnisse Stelle Teilnehmer 1 2 3 3 5 5 7 8 9 10 10 12 13 Tuningen Kappel Dauchingen Gremmelsbach Niedereschach Obereschach Hondingen Pfaffenweiler Schabenhausen Aasen Fischbach Tannheim Unterbränd X X X X X Summen 1 5 Nußbach · Zeichnung: Dr. Josef Astfaller Kreiswettbewerb 1986 „Unser Dorf soll schöner werden“ sehr gut gut Punkte Geldpreis 87 83 81 81 80 80 79 78 77 76 76 72 68 – X X X X X X X 7 DM 1000,- 900,- 800,- 800,- 750,- 750,- 700,- 650,- 600,- 550,- 550,- 500,- 450,- 9000,- 281

Farbaufnahmen und Fotonachweis Die Farbaufnahme auf der Titelseite des Almanach 87 stammt von German Hasen­ fratz, Hüfingen. Sie entstand aus Anlaß des 30. Prinz-Kari-zu-Fürstenberg-Gedächtnis­ turniers, bei dem sich die Reiterelite der Welt im Rahmen der CHIO-Veranstaltung vom 3. bis 7. September 1986 ein Stelldichein in Donaueschingen gab. Beim Farbbild auf der Rückseite handelt es sich um die Hinterglas­ malerei „Der Winter“ aus der Spiegelhalter­ sammlung des Villinger Franziskanermu­ seums. Die Aufnahmen auf Seite 113 und 114 ent­ nahmen wir mit freundlicher Genehmigung des Verlags Paul Haupt, Bern, dem Buch „Sempach“ von Dr. Gottfried Boesch, er­ schienen im Jahr 1956 im Rahmen der Schweizer Heimatbücher. Foto-Nachweis für die weiteren Aufnah­ men im Innern des Jahrbuchs: Soweit bei den einzelnen Beiträgen die Bildautoren nicht namentlich hier angeführt werden, stammen die Fotos jeweils vom Verfasser des betreffen­ den Beitrags. Mit Fotos sind ferner im Alma­ nach 87 vertreten (die Zahlen nach der Auto­ renangabe beziehen sich auf die jeweilige Textseite}: Archiv Fa. Winkler, Villingen­ Schwenningen 5; Werner Müller, Südwest­ Presse 7; Prof. Riegraf25; Archiv Fachhoch­ schule für Polizei 28, 29;Jäger-Wellisch, Süd­ kurier Villingen 34; Archiv Industrie- und Handelskammer 35; Günther Sokolowski, Konstanz, Aufn. freigegeben vom Reg.-Prä­ sidium Freiburg Nr. 38/3465-10, S. 50; Firma Siedle 64; Roland Straub 76, 77, 79, 80; Georg Goerlipp 110, 133, 161, 162, 163, 164, 165, 166, 167, 211, 214, 215; Archiv Münster­ pfarrei 144; Alfred Thiele, Spaichingen 149; Spiegelhaltersammlung, Franziskanermu­ seum in Villingen 209; Heinz Wegmann, Südkurier Villingen 230; Siegfried Heinz­ mann 234, 236. 282

Die Autoren unserer Beiträge Armbruster, Heinz, Kreisgeschäftsführer, Niedere Straße 23, 7730 Vill i n g e n -Schwenningen Baumann, Christian, Grünmatten 23, 7813 Staufen Benzing, Dr. Alfred, Staufenstraße 62, 7730 Villingen-S c h w e n n i n g e n Bleile, Dr. Georg, Professor, Untere Halde 12, 7101 Untereisesheim Braig, Manfred, Redakteur, Gerwigstraße 35, 7742 St. Georgen Braunschweiger, Ernst, Schulstraße 28, 7201 Tuningen Burkhardt, Heinz, Jahnstraße 15, 7744 Königsfeld Conradt, Uwe, Friedrichstraße 36, 7737 Bad Dürrheim Conradt-Mach, Annemarie, Friedrichstraße 36, 7737 Bad Dürrheim Dold, Wilfried, Redakteur, Schützenstraße 11, 7741 Vöhrenbach Feißt, Werner, St.-Peter-Straße 17, 7815 Kirchzarten Fingerlin, Dr. Gerhard, Waldhofstraße 49, 7800 Freiburg Friese, Klaus-Peter, Pforzheim er Straße 25, 7730 Vi II i n g e n -Schwenningen Frindt, Wilhelm, Direktor, Dilgerhofweg 13, 7743 Furtwangen Fritschi, Hans-Josef, Karl-Bromberger-Straße 5, 7713 Hüfingen Fritschi,Käthe, Karl-Bromberger-Straße 5, 7713 Hüfingen Fuchs, Dr. Josef, Stadtarchivar, Rietstraße 37, 7730 Vi II i nge n -Schwenningen Goerlipp, Georg, Archivar, Hindenburgring 10, 7710 Donaueschingen Gutknecht, Dr. Rainer, Landrat, Kaiserring 2, 7730 Vi l l i n g e n-Schwenningen Heidinger, Werner, Oberamtsrat, Geschwister-Scholl-Straße 22 a, 7710 Donaueschingen Heinrich, Helmut, Schulamtsdirektor i. R., Waldhauser Straße 12, 7730 Vil l i n g e n -Schwenningen Homolka, Emil Jo, August-Heister-Weg 11, 7744 Königsfeld Honold, Dr. Lorenz, Redakteur i. R., Talstraße 41, 7710 Donaueschingen Huber, Dr. Erna, Prinz-Fritzi-Allee 1, 7710 Donaueschingen Huger, Werner, Anton-Bruckner-Straße 5, 7765 Stockach Jäckle, Alexander, Bergstraße 10, 7740 Triberg Junge, Werner, Krauchenweg 2, 7000 Stuttgart 1 Kalb, Roland, Albstraße 7, 7735 Dauchingen Kaufmann, Rainer, Obereschacher Straße l, 7733 Mönchweiler Kiefer, Gerhard, Redakteur, Alemannenstraße 13, 7715 Bräunlingen Knaup, Dr. Gisela, Universitäts-Dozentin, Kastanienweg 2, 4630 Bochum 1 Krüger, Dr. Ralf, Professor, Sturmbühlstraße 250, 7730 Villingen-S c h w e n n i n g e n Kubach, Dr. Rudolf, Hauptgeschäftsführer, Romäusring 4, 7730 Vil l i n g e n -Schwenningen Lauffer, Günter, Bürgermeister, Sommerauer Straße 52, 7742 St. Georgen Maier,Otto, Reg.-Landw.-Direktor, Geschwister-Scholl-Straße 23, 7710 Donaueschingen Mann, Rudolf, Professor, Moosloch, 7731 Unterkirnach Mather, Gisela, Saarlandstraße 48, 7730 Vi l l i n g e n -Schwenningen Meyer-Orlac, Dr. Renate, Belfortstraße 22, 7800 Freiburg Minges, Klaus, Bundschuhstraße _31, 7800 Freiburg 283

Moser, Jürgen, Brunnenweg 16, 7710 Donaueschingen-Allmendshofen Müller, Helmut, Lärchenweg 2, 8770 Lohr am Main Müller, Kurt, Dekan, Münsterpfarrarnt, Kanzleigasse 10, 7730 Vi l l i n g e n-Schwenningen Müller-Hanssen, Hans Georg, Elbinger Platz 2, 2850 Bremerhaven Ohnewald, Fred, Vogt-Dufner-Straße 9, 7743 Furtwangen Opp, Margot, Taunusstraße 5, 7741 Schönwald Pfannkuchen, Gerlinde, Redakteurin, Wagnerstraße 1, 7218 Trossingen Presley, Petra, Am Talacker 21, 7730 Villingen-Schwenningen (Marbach) Przewolka, Sabine, Am Affenberg 35, 7730 Vi 11 in g e n-Schwenningen Reinartz, Dr. Manfred, Museumsleiter, Beroldinger Straße 29, 7732 Niedereschach Rieple, Max t, Schriftsteller, Max-Egon-Straße 2, 7710 Donaueschingen Rodek, Hanns-Georg, Redakteur, Im Holderbusch 5, 7730 Villingen-S c h w e n n in g e n Schnibbe, Klaus, Professor, llbenstraße 50, 7743 Furtwangen Segler, Daland, Redakteur, Güntersburgallee 76, 6000 Frankfurt a. M. Siedle, Horst, Bregstraße l, 7743 Furtwangen Spintzik, Josef, Pfarrer i. R. u. Geist!. Rat, Tretenhof-Straße 16, 7633 Seelbach Stadler, Volker, Wilstorfstraße 56, 7730 Vi l l i n g e n-Schwenningen Stein,Joachim, Pol. Hauptkommissar, In den Ziegelwiesen 2, 7730 Vi l l i n g e n -Schwenningen Strombeck, Rosemarie, Freifrau v., Redakteurin, Abendtal 20, 7732 Niedereschach-Fischbach Türsehmann, Wolfgang, Benediktinerring 4, 7730 Vi 11 i n g e n -Schwenningen Ullrich, Daniela, Bismarckstraße 10, 7743 Furtwangen Volk, Karl, Realschuloberlehrer, Untertal 19, 7740 Triberg-Gremmelsbach Wagner, H. 0., Abendtal 8, 7732 Niedereschach-Fischbach Wegener, Wilfried, Eichendorffstraße 3, 7734 Brigachtal Weißer, Otto, Katzensteigstraße 12, 7743 Furtwangen 284

Inhaltsverzeichnis Im�= Ehrenliste der Freunde und Förderer Heimat und Arbeit/Zum Geleit – von Landrat Dr. Rainer Gutknecht Aus dem Kreisgeschehen Kreispolitik 1986/Landrat Dr. Rainer Gutknecht Partnerschaft über die Grenzen/Landrat Dr. Rainer Gutknecht Der Kreis zeigt Flagge/Klaus Schnibbe Die Bevölkerungsentwicklung im Landkreis 1975-1985/Rainer Kaufmann Unsere Städte und Gemeinden Im Blick auf das 1100-Jahr-Jubiläum Donaueschingen/Gerhard Kiefer Das „Schell’sche Haus“ generalsaniert/Gerhard Kiefer Das Wappen der Stadt Donaueschingen/Klaus Schnibbe Schulen und Bildungsstätten Berufsakademie Villingen-Schwenningen/Rudolf Mann Die Fachhochschule für Polizei/Dr. Ralf Krüger Die Waldorf-Schulgemeinschaft baut/Wilfried Wegener Die Heimsonderschule Furtwangen/Wilhelm Frindt 30. Internationale Musische Tagung/Helmut Heinrich W irtschaft und Gewerbe Q!ialifizierung – ein Beitrag zur Verminderung der Arbeitslosigkeit/Dr. Rudolf Kubach Seit über 700 Jahren Fürstenberg-Bier/Gerhard Kiefer Beispiel aus dem „Musterländle“ /Fred Ohnewald Von der „Sehellenmühle“ zur SABA-Weltfirma/Klaus-Peter Friese Kienzle-Uhren in Schwenningen/Hanns-Georg Rodek Stiluhren in alle Welt/Gerlinde Pfannkuchen Mit Tüftlerfleiß zur eigenen Firma/Manfred Braig Persönlichkeiten der Heimat Uta Baumann-Dold – eine Frau steht ihren Mann/Werner Huger Paul Riegger/Helmut Heinrich Karl Hoch – Ein Handwerksmeister zum Vorzeigen/Wolfgang Türsehmann Arnold Kienzler/Horst Siedle Otto Stärk – ein Leben für die Mitbürger/Joachim Stein Kurt Kempf/Wilfried Dold „Die eigenen Reihen schließen“/Manfred Braig 1 2 3 4 4 6 8 8 16 16 21 23 25 25 27 30 32 33 35 35 38 40 43 48 52 55 58 58 60 62 64 66 67 70 285

Abschied von Herbert Glökler/Gerlinde Pfannkuchen Emma Heinzmann -ein Leben für die Mitmenschen/Heinz Armbruster Georg Scholz -Altbürge.rmeister von Königsfeld/Heinz Burkhardt Lied der Heimat/Gedicht von Margot Opp Archäologie Im Zick-Zack-Weg durch das Magdalenenberg-Museum/Frau Dr. Renate Meyer-Orlac Das alamannische Reihengräberfeld von Schwenningen „Auf der Lehr“ /Gerhard Fingerlin Kulturdenkmal -einmalig in Süddeutschland/H. D. Wagner Geschichte, Kultur-und Wirtschaftsgeschichte Der Ursprung der Stadt Blumberg/Josef Spintzik 600 Jahre Schlacht von Sempach/Klaus Minges Der Bergbau im Tal des Eisenbachs/Georg Goerlipp Wohnungselend und Arbeiterfrage/ Annemarie Conradt-Mach „Alt-Schwenningen“/Originalradierungen H. G. Müller-Hanssen Goethe und Alois Hirt aus Behla/Lorenz Honold Jagdfrevel im Jahre 1740/Manfred Reinartz Dr. Emil Braunagel -Vordenker der Städtefusion/ Annemarie Conradt-Mach Kirchengeschichte, Wallfahrtswesen Das Mesnerhäusle in Triberg/Karl Volk Zur Weihe der Jakobusglocke/Dekan Kurt Müller Vergangenheit und Gegenwart in der Osthaar Zeuge der Geschichte in Schutt und Asche (Hänslehof)/Gerlinde Pfannkuchen Über 300 Jahre Obere Mühle in Tuningen/Emst Braunschweiger Feriendorf Öfingen/Sabine Przewolka Sunthausen -Idylle mit Schicksal/Gerlinde Pfannkuchen 2 Gedichte von Gisela Mather Bibliothekswesen Die neue Stadtbibliothek in St. Georgen/Günter Lauffer Gedichte: Gisela Mather; Petra Presley Der Schwarzwald-Baar-Kreis in Farben (Einlage) Kunst und Künstler Jugendstil in Donaues_chingen/Ema Huber 286 71 72 74 75 76 76 81/82 105 109 109 112 116 123 131 132 135 136 141 141 144 147 147 150 153 155 157 158 158 160 160 161 161

Hans Thoma und „Schnitzersepp“ K.J. Fortwängler/Karl Volk Die neue Taufe in der Lorenzkirche in St. Georgen/Emil Jo Homolka Der Maler Johann Baptist Laute/Christian Baumann Bilder zum Nachdenken (H. Simon)/Helmut Heinrich Der Maler Klaus Burk in St. Georgen/Uwe Conradt Auf der Suche nach neuen Techniken (Hans Lang)/Lorenz Honold Das Glockenspiel in St. Georgen/Emil Jo Homolka Chormusik Johann Nepomuk Schelble/Hans-Josef Fritschi Otto Daube: Ein Leben für die Musik/Gisela Knaup Heimat, Volkskunst, Brauchtum Heimattage 1985 und die Jugend“ /Daland Segler Stadthanse!, Urhexe und Jugendstil/Lorenz Honold Hinterglasmalerei im Schwarzwald/Josef Fuchs „Komm‘ mir auf die Kilbig!“/Lorenz Honold Gesundheit und Soziales In Neudingen: Erste Blindenschule auf badischem Boden/Lorenz Honold Sankt Franziskus – Das Schwenninger Haus für Kinder/Helmut Müller Mobil für die JugendNolker Stadler Verkehrswesen und Tourismus 100. Todestag des Eisenbahnbauers Robert Gerwig/ Alexander Jäckle Zentrale Zimmervermittlung/Georg Bleile Zentrale Zimmervermittlung Mittlerer Schwarzwald/Jürgen Moser Der Fürstenberg/Gedicht von Max Rieple t Landwirtschaft Situation der Landwirtschaft im Landkreis/Otto Maier Landschaft, Naturdenkmäler, Umweltschutz Europäische Wasserscheide im Schwarzwald-Baar-Kreis/ Alfred G. Benzing Naturdenkmäler im Schwarzwald-Baar-Kreis/Wemer Heidinger Der Graureiher/Roland Kalb Sicherer als der Silberlöffel: Pilzberater Kühnl/Käthe Fritschi 168 176 179 181 185 190 194 197 197 200 202 202 205 209 211 214 214 217 219 222 222 226 229 231 232 232 234 234 238 242 247 287

Das „Hotel Schützen“ in Donaueschingen/Georg Goerlipp Das Altertum wird gepflegt/Rosemarie v. Stromheck Eine Stätte guter Gastlichkeit/Käthe Fritschi Gastwirt mit fernöstlicher Lebensphilosophie/Rosemarie v. Stromheck Stätten der Gastlichkeit und der Entspannung Sport und Freizeitgestaltung Europas höchstgelegener Marathonkurs/Gerhard Kiefer Skiveranstaltungen in Schonach und Neukirch/Werner Junge Axel Harries, das Läufertalent aus Furtwangen/Otto Weißer Friedrich Braun – Juniorenweltrneister im Mannschaftsskispringen/Daniela Ullrich Heinz Pfeiffer: Weit mehr als ein Bundestrainer/Werner Feißt „High-Tech“ so ganz nebenher (Amateurfunker)/Fred Ohnewald Gedanken vor dem Dorfbrunnen/Karl Volk Zweimal Hoher Kasten/Karl Volk Prosa und Lyrik aus unserer Heimat Verschiedenes Personen und Fakten Schulleiterwechsel Orden, Medaillen Arbeitslose in Prozentzahlen Kreiswettbewerb 1986 „Unser Dorf soll schöner werden“ Farbaufnahmen und Fotonachweis Die Autoren unserer Beiträge Inhaltsverzeichnis 288 249 249 254 256 258 261 261 263 266 267 269 270 274 274 276 278 278 279 280 280 281 282 283 285