Almanach 1993

Almanach 93 Schwarzwald-Baar-Kreis Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 17. Folge Herausgeber: Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis Redaktion: Dr. Rainer Gutknecht, Landrat Dr. Joachim Sturm, Kreisarchivar Karl Volk, Realschuloberlehrer Für den Inhalt der Beiträge sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Nachdrucke sind nur mit Einwilligung der Redaktion und unter Angabe der Fundstelle gestattet. Verlag, Druck und Gestaltung: Todt-Druck GmbH, Villingen-Schwenningen

Ehrenliste der Freunde und Förderer des Almanach 1993 ANUBA-Beschläge X. Heine & Sohn GmbH, Donaueschinger Straße 2–6, Vöhrenbach Auer + Weber, Freie Architekten Dipl.-Ing. BDA, Königsträßle 2, Stuttgart-Degerloch Dr. Hanno Augstein, Hüfingen Bad Dürrhe.imer Mineralbrunnen GmbH + Co. Heilbrunnen, Bad Dürrheim Baden-Württembergische Bank AG, Filiale Villingen-Schwenningen Alfred Bausch, Rosen-Apotheke, Espenstraße 3, Blumberg Bezirkssparkasse Donaueschingen Binder Magnete GmbH, Villingen-Schwenningen Barbara und Albert Buchholz, Flushing, L.I.N.Y., USA Ingenieurbüro Horst Budde, Pestalozzistraße 65, Villingen-Schwenningen Burger Industriewerk GmbH & Co. KG, Schonach EGT Elektrotechnik GmbH, Steinkreuzweg 6/1, Villingen-Schwenningen Claus Eller, Zahnarzt, Neue Heimatstraße 2, Vöhrenbach Helmut W. Falk, Wirtschafts- und Unterneh­ mensberater, Fürstenfeldbruck Emil Frei GmbH & Co., Lackfabrik, Bräunlingen-Döggingen Lars Frykmann, Zahnarzt, Vor Weiden 25, Blumberg S. D. Joachim Fürst zu Fürstenberg, Donaueschingen Walter Glatz, Blumberg Dipl.-Ing. Theo Greiner, Kolpingstraße 12, Donaueschingen Dr. med. Egon Hochmann, Triberg Hock GmbH, Schönwald-Triberg IEF Werner GmbH, Wendelhofstraße 6, Furtwangen Institut Dr. Jäger, Friedrichstraße 9, Villingen-Schwenningen Kraftwerk Laufenburg, Laufenburg Kunde-Systemtechnik, St. Georgen Lauffenmühle GmbH, Waldshut-Tiengen Liapor-Werk, Tuningen MAICO Elektroapparate-Fabrik GmbH, Steinbeisstraße 20, Villingen-Schwenningen 2 Vermessungsbüro Dipl.-Ing. Viktor Mandolla, Villingen-Schwenningen MEKU Metallverarbeitungs-GmbH, Dauchingen Leopold Messmer, Dipl.-Ing. FH, Freier Architekt, Bühlhofstraße 8, Furtwangen MODUS Gesellschaft f. berufliche Bildung GmbH, Vöhrenbach Dr. med. Paul Obergfell, Villingen-Schwenningen Dr. Peter Pfaff, Frauenarzt, Villingen-Schwenningen Prof. Dr. Pross, Villingen Guido Rebholz, Architekt, Zehntstraße 1, Bad Dürrheim RICOSTA GmbH & Co. Schuhfabriken, Dürrheimer Straße 43, Donaueschingen Anne Rieple-Offensperger, Friedrichstraße 1, Bad Dürrheim Dipl.-Ing. Eckart Rothweiler, Freier Architekt, Karlstraße 63, Donaueschingen Dr. med. P. Samimi, Chefarzt der Chir. Abt. des Städt. Krankenhauses Furtwangen SCHMIDT Feintechnik GmbH, St. Georgen S. Siedle & Söhne Telefon- und Telegrafenwerke, Stiftung & Co., Bregstraße 1, Furtwangen Sparkasse Villingen-Schwenningen mit Hauptanstalt in Villingen, Zweiganstalten in Schwenningen, St. Georgen und Triberg, Haupt­ zweigstellen in Bad Dürrheim, Königsfeld, Schonach und Vöhrenbach und weiteren 41 Geschäftsstellen Günther Stegmann, Donaueschingen STRAUB-Verpackungen GmbH, Bräunlingen TRW Thompson GmbH & Co. KG, Präzisions­ ventile für die Motoren- und Automobilindustrie, Werk Blumberg F. K. Wiebelt – Buchhandlung, Bickenstraße 6–8, Villingen-Schwenningen Dr. med. Fritz Wilke, Obere Waldstraße 12, Villingen-Schwenningen Johann Wintermantel Verw. GmbH & Co. KG, Kies- und Betonwerke, Pfohrener Straße 52, Donaueschingen Ursula Wollersen, Birkenweg 8, Triberg 10 weitere Freunde und Förderer des Almanach wünschen nicht namentlich genannt zu werden.

Heimat und Friede Dem Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 1993 zum Geleit Heimat und Friede: ist es nicht eine Illusion? Statt Friede herrscht in der Welt mehr Unfriede, ja Krieg-und dies zwischen Men­ schen, die sich nahestehen, bzw. nahestehen sollten. Erinnert sei an den blutigen Bür­ gerkrieg im ehemaligen Jugoslawien, der schlimme Ausmaße angenommen hat. Und wie sieht es in unserer allernächsten Umgebung aus? Wie oft gibt es Zwietracht und Streit in der eigenen Familie und am Arbeitsplatz! In uns selber haben wir oft alles andere als ein ausgeglichenes und friedvolles Herz. Auf der anderen Seite steht die Erfahrung, daß aus der Verbundenheit zur Heimat besondere Kräfte erwachsen können. Fern der Heimat erleidet man oft Heimweh und Sehnsucht nach der „heilen Welt“, die man in der Jugend glaubte erlebt zu haben. Manche Ereignisse in der Jugend erscheinen später sicher in einem verklärten Licht, wahr ist aber auch, daß bei vielen von uns Erinnerungen an die Heimat Gebor­ genheit, Ruhe und Friede bedeuten. Die Geschichte lehrt: der Mensch ist in seinem Wesen nicht friedfertig. An dieser Tatsache kommen wir auch nicht durch heimatliche Gefühle vorbei. Was bleibt, ist, daß sich jeder einzelne von uns im Zusammenleben um Mitmenschlichkeit und Har­ monie bemüht. Diese Wertvorstellung muß von frühester Jugend an in die Herzen der Menschen hineingelegt und bewußt durch Vorbildverhalten gepflegt werden. Der Wille, mit dem anderen trotz aller Unzulänglichkeiten auszukommen, ist die wichtigste Aufgabe der Erziehung zum Frieden. Wenn man den hier geäußerten Gedanken folgt, vermittelt Heimat nicht unbe­ dingt Frieden. Aber: wo Friede, da Heimat! Unser Heimatjahrbuch kann auch unter dieser Zielvorstellung gesehen werden. Die jährlichen Berichte geben Zeugnis vom Leben und Wirken der Menschen in unserer Heimat, was war und was ist. Kampf und Friede liegen auch hier oft nahe bei­ einander. Mein Dank gilt auch in diesem Jahr unseren Freunden und Förderern. Ihre finan· zielle Unterstützung hat wiederum ein preisgünstiges Jahrbuch ermöglicht. Ich wünsche, daß auch der Almanach 1993 eine gern gelesene Lektüre wird und viele Freunde inner- und außerhalb des Schwarzwald-Baar-Kreises findet. Dr. Rainer Gutknecht Landrat 3

Aus dem Kreisgeschehen Kreispolitik 1992 Das wichtigste kreispolitische Ergebnis Betrieb genommen werden. Der neu im Berichtszeitraum war die feierliche Ein­ erbaute Therapiebereich (Turnhalle und weihung des Landratsamtes am 8.11.1991. In Therapieschwimmbecken) wird bald Anwesenheit zahlreicher Gäste wurde die danach in Benutzung genommen werden Vollendung des Bauwerkes gewürdigt. Das können. neue Gebäude bewährt sich im praktischen Nach langer Diskussion konnte der Neu­ Verwaltungsablaufund findet auch in seiner bau der in der Trägerschaft des Landes Architektur breite Zustimmung. In einem Baden-Württemberg und des Schwarz­ eigenen Kapitel dieser Ausgabe (vgl. Seite 11 wald-Baar-Kreises stehenden Beruflichen ff) wird das Kreishaus unter den verschiede­ Schulen in Furtwangen begonnen wer­ den. Der Spatenstich fand am 26. 3. 1992 nen Gesichtspunkten vorgestellt. Drei weitere Investitionsmaßnahmen statt. Die Bauarbeiten werden voraus­ sichtlich drei Jahre dauern. Von den vor­ haben uns im Berichtsjahr beschäftigt: -Die Erweiterung der Schule für Körper­ aussichtlichen Kosten in Höhe von behinderte verläuft planmäßig. Mit 23,05 Mio. DM wird der Landkreis ent­ sprechend seinem Anteil rund 40 0/o = Schuljahresbeginn 1992/93 konnten die 9,08 Mio. DM zu tragen haben. zusätzlich errichteten Fachräume in Dr. Gutknecht, Staatssekretär Fleischer, S. D. Fürst zu Fürstenberg, Staatssekretär a. D. Dr. Häftle, Feierliche Eröffnung des neuen Landratsamtes am 8. November 1991. In der ersten Reihe von links nach rechts: Dekan Müller, Dekan Treiber, Oberbürgenneister Dr. Gebauer, MdL Redling (verdeckt), MdL Ströbele, Regi.erungspräsident Dr. Schroeder, Landrat Architekt Prof Auer. Bild rechts: Heimatzunft Hüfingen beim „Tag der oifenen Tür“. 4

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– Neu in die Diskussion gekommen ist die Verlagerung der Schule für Geistigbe­ hinderte in Donaueschingen. Eine Sanie­ rung und Erweiterung am bisherigen Standort in der Augustastraße hat sich als nicht zweckmäßig ergeben. Die schu­ lische Verwendung des bisherigen Mis­ sionskonviktes der Missionsgesellschaft vom Heiligen Geist – Spiritaner – am Stadtausgang von Donaueschingen in der Nähe des F.F. Parks bringt für alle Beteilig­ ten eine gute Lösung. Der Landkreis ent­ schloß sich, das Gebäude zu erwerben und darin die Schule für Geistigbehin­ derte unterzubringen. Eine Zusammenlegung mit dem Sonder­ schulkindergarten in Aufen wurde aus Raumgründen nicht weiter verfolgt. Be­ vor der Unterricht im neuen Gebäude auf­ genommen werden kann, sind umfang­ reiche Umbauarbeiten erforderlich. Die Kosten der Umbaumaßnahme und die finanzielle Belastung des Landkreises ste­ hen bei Redaktionsschluß noch nicht fest. Zwei Vorhaben, die seit Jahren diskutiert wurden, konnten im Berichtsjahr 1992 unter Beteiligung des Landkreises vorangebracht werden: Die Errichtung eines Fernstudienzen­ trums der Universität Hagen und eines Industriemuseums, jeweils in Villingen­ Schwenningen. Über beide Projekte wird in besonderen Beiträgen in dieser Ausgabe berichtet (Seite 75 ff. bzw. Seite 290 ff.). Ein besonderer Schwerpunkt der Kreis­ politik 1992 bildet die Sozialpolitik: Alten- und Sozialhilfe Entsprechend den Vorgaben des Alten­ plans und dem Grundsatz „offene Hilfe vor stationärer Hilfe“ wurde das Hilfesystem für die älteren und pflegebedürftigen Mitbürger weiter entwickelt. In vier Versorgungsberei­ chen wurden Arbeitsgemeinschaften aller Hilfeanbieter und der Kommunen gegrün­ det. Hier wird gemeinsam auf eine bedarfs­ gerechte und wirtschaftliche Versorgung in den Gemeinden des Kreises hingewirkt. 6 Neben dem weiteren Ausbau der Sozial­ stationen und Hilfsdienste soll künftig den ratsuchenden Bürgern durch sogenannte Informations-, Anlauf- und Vermittlungs­ stellen ein weiteres Serviceangebot zur Ver­ fügung stehen. Der Landkreis unterstützt diese Bemühungen im Ausbau ambulanter Hilfen durch die Gewährung von Zuschüs­ sen. 1992 stehen allein hierfür mehr als DM 500.000 zur Verfügung. Als notwendiges Zwischenglied zu einer stationären Hilfe im Heim fördert der Kreis seit Mitte des Jahres 1991 auch die Einrich­ tung und den Betrieb von Tagespflegeplät­ zen. Hier werden pflegebedürftige Mitbür­ ger tagsüber betreut, am Abend und am Wochenende leben sie in ihrer gewohnten häuslichen Umgebung. Zusammen mit der seit einigen Jahren eingeführten Kurzzeit­ pflege soll mit diesen Maßnahmen eine Ent­ lastung der pflegenden Angehörigen erreicht werden. Letztendlich kommt dies der Auf­ rechterhaltung der Pflegebereitschaft durch die Familie zugute. Im stationären Bereich wird aufgrund der sich rapide verändernden demographischen Entwicklung hin zu mehr älteren Mitbür­ gern schon im Jahre 1992 eine weitere Fort­ schreibung der Bedarfszahlen für Heim­ plätze im Kreis notwendig werden. Wenn auch im Schwarzwald-Baar-Kreis – zumin­ dest derzeit – nicht von einem Pflegenot­ stand gesprochen werden kann, so unter­ nimmt der Kreis doch zusammen mit den freien Trägern und den Schulen Anstrengun­ gen, neue Pflegekräfte zu gewinnen und die vorhandenen im Beruf zu halten. Eine Arbeitsgruppe „Werbung für Pflegeberufe“ und „Fortbildung für Pflegeberufe“ wurde hierfür eigens ins Leben gerufen. Unabhängig von der Setzung neuer Schwerpunkte erfüllt der Landkreis auch weiterhin seine Verpflichtungen im Rahmen der Sozialhilfe. Der für das Jahr 1992 errech­ nete Aufwand für die soziale Sicherung beträgt ca. 78 Mio. DM, das sind 14 0/o mehr als im Jahre 1991. Dazu kommen noch die Ausgaben für die Bürgerkriegsflüchtlinge aus

Kroatien und Bosnien-Herzegowina, die bei Verwandten und Bekannten Aufnahme fan­ den. Allein für ca. 450 Flüchtlinge (einschl. Stadt Villingen-Schwenningen) mußte der Landkreis im Berichtsjahr ca. 400.000 DM an Sozialhilfe aufbringen. Behindertenhilfe Auf der Grundlage des 1991 verabschiede­ ten „Psychiatriekonzeptes“ des Kreises wurde zu Beginn des Jahres 1992 vom Cari­ tasverband eine Wohngemeinschaft für psy­ chisch Kranke in Donaueschingen einge­ richtet. Die vorgesehene Werkstatt für psy­ chisch Behinderte wird ebenfalls noch 1992 ihren Betrieb im Stadtbezirk Schwenningen aufnehmen. Für das therapeutische Wohn­ heim liegen bereits die Planungen des Cari­ tasverbandes vor. Neu auf den Landkreis sind zum 1. 1. 1992 die umfangreichen Aufgaben der Betreu­ ungsbehörde zugekommen. Mit dem Insti­ tut der Betreuung werden die bislang bekannten Amtsvormundschaften und Amtspflegschaften für Volljährige abgelöst. Nicht mehr die Verwaltung eines Falles, meist nur im Hinblick auf das vorhandene Vermögen, steht im Vordergrund, sondern das persönliche Gespräch und die Rücksicht­ nahme auf die Wünsche des einzelnen. Ent­ sprechend des Grundsatzes der Subsidiarität sollen diese Aufgaben unter finanzieller För­ derung des Landkreises durch Mitarbeiter (hauptamtliche und vor allem ehrenamtli­ che) eines von den freien Wohlfahrtspflege noch zu gründenden Betreuungsvereins für den Schwarzwald-Baar-Kreis wahrgenom­ men werden. Empfang des Künstlers Hans-Georg Müller­ Hanssen, im Bild links, am 16. Juni 1992 im Landratsamt Betreuungsangebote Mit erheblicher Unterstützung des Land­ kreises wird im Jahre 1992/93 der Anschluß des Kreisgebietes an das Angebot der Tele­ fonseelsorge erfolgen können. Damit ist „rund um die Uhr“ und auch außerhalb der Dienststunden der schon vorhandenen Beratungsstellen die Erreichbarkeit einer Ansprechstelle für persönliche Krisen- und Problemsituationen gewährleistet. Dieser Dienst stellt einen weiteren wichtigen Bau­ stein des Beratungsangebots im Landkreis dar. Schwerpunkte unserer Arbeit waren auch im Jahre 1992 die Aufgabenbereiche der Abfallbeseitigung und des ÖPNV (Öffent­ licher Personennahverkehr): Abfallbeseitigung Unsere Bemühungen richten sich vor allem darauf, unsere Deponiefläche auf den Deponien Hüfingen und Tuningen zu scho­ nen, das heißt, möglichst viel Müll zu ver­ meiden bzw. wiederzuverwerten. Von den Müllmengen her gesehen müssen vor allem Bauschutt und Gewerbemüll verringert wer­ den. Beide Bereiche sind Gegenstand unse­ rer besonderen Bemühungen. 7

In Erinnerung an den Besuch von Herrn Regierungspräsident Dr. Conrad Schroeder am 26. 2. 1992 im Landratsamt Regierungspräsident Dr. Conrad Schroeder stattete dem Schwarzwald­ Baar-Kreis seinen Antrittsbesuch ab. Am Vormittag sprachen die Herren Bürgermeister über ihre Anliegen; am Nachmittag wurden in Anwesenheit der Fraktionsvertreter des Kreistages aktuelle Fragen der Kreispolitik erörtert. Der Besuch gab Herrn Regierungspräsident Dr. Conrad Schroeder Gelegenheit, die Besonderheiten des Schwarzwald-Baar­ Kreises näher kennenzulernen. 8

Was den Bauschutt angeht, läuft das Plan­ feststellungsverfahren für die Bauschuttre­ cyclinganlage in Brigachtal-Klengen. Ein besonderes Problem stellt die Zufahrt zu die­ ser Anlage dar. Die vom Umwelt- und Tech­ nischen Ausschuß des Kreistages beschlos­ sene Trasse ist nicht unumstritten. Das Verfahren zur Planfeststellung der Zufahrtsstraße wurde vom Verfahren zur Planfeststellung einer Bauschuttrestdeponie und -recyclinganlage getrennt. Der Land­ kreis hat der Gemeinde Brigachtal jedoch vertraglich zugesichert, daß die Anlage erst in Betrieb genommen wird, wenn auch über die Zufahrtsstraße im Planfeststellungsver­ fahren entschieden ist. Wie die anderen Landkreise mußten auch wir unsere Haltung zu der Einführung des Dualen Systems festlegen. Gemäß der Ver­ packungsverordnung müssen Verkaufsver­ packungen ab dem 1. 1. 1993 außerhalb der öffentlichen Abfallentsorgung der stoffli­ chen Wiederverwertung zugeführt werden. Der Verordnungsgesetzgeber verspricht sich davon, auf eine höhere Erfassungsquote der Abfallstoffe zu kommen. Hierzu nimmt er die Hersteller und Vertreiber von Verpak­ kungen in die Pflicht, in eigener Verantwor­ tung für die Verwertung der Verpackungen zu sorgen. Dazu wird ein zweites Sammelsy­ stem, also ein duales System, außerhalb der öffentlichen Müllabfuhr, aufgebaut. Für den Bürger bringt die Einführung des Dualen Systems eine Verbesserung der an­ gebotenen Verwertungsmöglichkeiten. So wird zukünftig Altglas kreisweit in Contai­ nern gesammelt. Für jeweils 500 Einwohner wird ein Containerstandplatz eingerichtet. Papier und Pappe werden in manchen Gemeinden in Containern, in anderen Kom­ munen in Papiertonnen, direkt am Haushalt, erfaßt. Und schließlich wird der „Gelbe Sack“ eingesetzt. Hierin werden alle Kunst­ stoffe, Verbundverpackungen und Weiß­ blechdosen gesammelt. Jeder Haushalt erhält in ausreichender Anzahl Gelbe Säcke, die nach Befüllung alle vier Wochen gesam­ melt werden. Es ist ein Kernpunkt der Verpackungsver­ ordnung, daß alle Verpackungen stofflich verwertet werden müssen. Dies ist auch für Papier und Pappe, Glas und Dosen sicherge­ stellt. Für die Kunststoffe und Verbundver­ packungen stehen jedoch im Bundesgebiet noch nicht ausreichende Verwertungskapa­ zitäten zur Verfügung. Das Umweltministe­ rium ist deshalb gefordert, den Verbleib der gesammelten Kunststoffe strengstens zu überprüfen und gegenüber der Duale System Deutschland GmbH auf die Einhaltung der stofflichen Verwertung zu bestehen. Der Landkreis wird für eine ausreichende Information der Bürger zur Nutzung des Dualen Systems sorgen. Dabei wird die Bera­ tung zur Abfallvermeidung im Vordergrund stehen. Denn nur die nicht vermeidbaren Verpackungen sollen über das Duale System verwertet werden. Stets nach der Devise, der beste Müll ist der Müll, der nicht entstanden ist. Der Kreistag hat in seiner Sitzung am 22. 6. 1992 zwar die erforderliche Abstim­ mungserklärung erteilt, hat jedoch gleichzei­ tig eine Reihe von Auflagen formuliert, die bei der Einführung des Dualen Systems berücksichtigt werden sollen. Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) Im Berichtszeitraum haben wir weiter an der Verbesserung des ÖPNV gearbeitet. Im Vordergrund standen die Bemühungen, das sogenannte Hinterland von Villingen­ Schwenningen besser mit dem Oberzen­ trum zu verbinden. Vorangekommen sind wir mit dem soge­ nannten Ostbaarkonzept, d. h. mit der Anbindung von Bad Dürrheim und Tunin­ gen an Villingen-Schwenningen. Verstärkt haben wir unsere Bemühungen, den Verkehr auf der Schiene zu verbessen: Das City-Bahn-Konzept soll zwischen Freiburg-Donaueschingen -Villingen um­ steige&ei und im Ein-Stunden-Takt die Benut­ zung der Bahn wieder attraktiv machen. In einer weiteren Stufe soll die Strecke im Westen bis Breisach und im Osten bis Rott- 9

weil erweitert werden. Die vom Regional­ verband Schwarzwald-Baar-Heuberg plane­ risch entwickelte Hauptstrecke zwischen Freiburg und Donaueschingen soll nunmehr daraufhin überprüft werden, ob sie finanzier­ bar ist. Wie hoch sind die Kosten für die Investitionen? Welche Zuschüsse sind vom Land zu erwarten und was bleibt für die Kommunen, die an der Strecke liegen, noch zu finanzieren übrig? Diesen Fragen wird sich die im März 1992 gegründete Interessen­ gemeinschaft City-Bahn zuwenden und unter Berücksichtigung der sog. Regionali­ sierung der Bahn zu klären versuchen (vgl. auch Beitrag in dieser Ausgabe Seite 320 ff.). Nachdem die Deutsche Bundesbahn den Nahverkehr in der Fläche nicht mehr zufrie­ denstellend bedient und sich ausschließlich auf den Fernverkehr konzentriert, wurden Überlegungen angestellt, wie den Bürgern Das Stadtbahn-Konzept, vom Nahver­ kehrsberater des Landratsamtes, Ulrich Grosse, entwickelt, ist ein Beitrag zur Verbes­ serung des ÖPNV auf der Strecke Bräunlin­ gen, Hüfingen, Donaueschingen nach Vil­ lingen-Schwenningen. des Schwarzwald-Baar-Kreises ein attraktives schienen bezogenes Konzept angeboten wer­ den kann. Mit der Reaktivierung der für den Personenverkehr derzeit stillgelegten Bahn­ trasse von Bräunlingen nach Hüfingen und deren Verlängerung in Richtung Stadtmitte Bräunlingen könnten Nahverkehrszüge von Bräunlingen nach Villingen-Schwenningen eingerichtet werden, deren Fahrzeiten sich ausschließlich an den Belangen der Kreis­ bevölkerung orientieren. Mit zusätzlichen Halten und dem Einsatz moderner Stadt­ bahnwagen, die bereits in anderen Kreisen mit Erfolg eingesetzt werden, könnte der Schienenpersonennahverkehr wieder belebt werden, und ein auf die Fahrzeiten der Stadt­ bahn abgestimmtes Buskonzept würde die Voraussetzung dafür schaffen, daß auch Orte, die von der Stadtbahn weiter entfernt liegen, benutzerfreundlich angebunden wer­ den könnten. Bevor das Stadtbahnkonzept in die Wirk­ lichkeit umgesetzt werden kann, muß noch an einer Reihe von Fragen weitergearbeitet werden. Dr. Rainer Gutknecht, Landrat Alt-Villingen mit seinen Tünnen und Toren Aquarell: Rudo!f Heck 10

Das Kreishaus auf dem Hoptbühl in Villingen-Schwenningen … aus der Sicht des Planers Eine offene Gebäudekonstruktion trägt zur Bürgernähe der Verwaltung bei Das Landratsamt des Schwarzwald-Baar­ Kreises als Ort der Verwaltung, politischer Willensbildung und heimischer Kultur und Tradition ist für den ganzen Landkreis ein sehr bedeutsames Zentrum. Aus dieser Sicht und Verantwortung wurde schon im Jahre 1981 der Standort für den Bau eines neuen Amtes ausgewählt und durch den Landkreis erworben. Die leicht erhöhte Lage des Grundstücks am Rande der schönen Altstadt Villingens zeigt die Verbundenheit des Amtes zur histo­ rischen Stadt, zugleich aber auch die Offen­ heit der Beziehungen in die umgebende Landschaft. Der ausgedehnte Bauplatz stellte sich nahezu unberührt dar und weitgehend frei von städtebaulichen Vorgaben, ein seltener und glücklicher Umstand für die freie Ent­ wicklung neuer Ausdrucksformen einer akti­ ven, zukunftsorientierten Verwaltung. Im Bewußtsein der Bedeutung und Größe dieser von Grund auf neuen Bauaufgabe beschloß der Kreistag im Jahre 1987, einen für das Land Baden-Württemberg offenen Bauwettbewerb auszuschreiben. Die Ausschreibung beinhaltete jedoch nicht nur den Flächenbedarf des Amtes, die interne Funktionsanforderungen und den erwünschten Kostenrahmen. Der größte Wert wurde auf ein planerisches Konzept gelegt, welches der Idee von Bürgernähe der Verwaltung, von Offenheit und innenräum­ licher Atmosphäre nahekommt. Bei der Programmgestaltung stand dem Bauherrn klar vor Augen, daß eine offene Gebäudekonzeption entscheidend dazu bei- tragen würde, durch räumliche Transparenz, freundlich gestaltete Räume, Durchlichtung und angenehme Farben den guten Geist der Verwaltung positiv zu beeinflussen. Nicht nur Besucher, auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses sollten sich dort wohlfühlen. Im Ablauf zweier Stufen wurde im Jahre 1988 der 1. Preisträger im Büro Auer und Weber, Stuttgart-München, ermittelt. Das Grundrißbild des Wettbewerbsentwurfs, sein gegliederter Organisationsaufbau sowie die schöne räumliche Abfolge zeigten bemerkenswert gute Ansätze für die Weiter­ bearbeitung im Sinne der oben beschriebe­ nen Anforderungen. Die äußere Gestalt der Gebäudekompo­ sition und ihre differenzierte Gliederung in Verbindung mit einer dem Gelände und dem Klima angepaßten Landschaftsgestal­ tung überzeugten nicht nur das Preisgericht und den Bauherrn, sondern in erster Linie auch die Vertreter der Stadt. Mit diesem Ent­ wurf war auf einfache und natürliche Weise ein städtebauliche Lösung erzielt. Dieser Eindruck wurde verstärkt durch ein sichtba­ res Holztragwerk sowie durch klare, groß­ flächige Dachformen, die die Tradition der großen alten Schwarzwaldhöfe aufnehmen. Auch die Durchführung der Baumaß­ nahme erfüllte alle Erwartungen. Die gründ­ liche und höchst qualifizierte Durch-und Detailbearbeitung durch die Architekten, die in engster Abstimmung mit dem Bau­ herrn Landkreis erarbeitet wurde, bewies ein­ deutig die Ideenkraft und Tragfähigkeit des Wettbewerbsentwurfs. 11

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Landkreis und Landrat trugen im Bereich ihrer kulturellen Verantwortlichkeit durch ergänzende künstlerische Ausstattung des Hauses und seiner Umgebung bei. Regional beheimatete Künstler sowie anerkannte Künstler aus dem Bundesgebiet befaßten sich im Rahmen eines Wettbe­ werbs mit der umfassend gestellten Aufgabe. Das Ergebnis ist eine harmonische Syn­ these von Landschaft und Gebäude, Kunst und Raum. Zur Freude des Landkreises und aller Mitarbeiter des Amtes ist ein Gebäude mit wohltuend menschlicher Atmosphäre und Offenheit entstanden, wobei die Funk­ tionstüchtigkeit des Hauses gewährleistet ist. Auch die veranschlagten Baukosten wurden eingehalten. Das Landratsamt als dienendes Glied innerhalb der großen Verwaltungsstruktur des Landes hat durch den Neubau einen modellhaften Ausdruck gefunden. Über die Verwaltungsaufgaben hinaus vermag der Bau des Landratsamtes auch kulturelle Impulse zu vermitteln. Der Bau ist ein Beweis dafür, daß Administration im Geiste unserer Zeit sich bürgemah und offen darzu­ stellen vermag und zugleich durch seine architektonische Gestalt und �alität bei­ spielhaft wirkt. Als eigenständiger Verwaltungskörper besitzt das neue Landratsamt des Schwarz­ wald-Baar-Kreises Kraft und Sammlung für bisherige und neue Aufgabenfelder. Prof. Dr. h. c. Horst Linde 14

… aus der Sicht der Architekten Das Bauwerk ist ein Spiegelbild der Eigenart des Landkreises Das neue Landratsamt des Schwarzwald­ Baar-Kreises setzt architektonisch in mehrfa­ cher Hinsicht ein Zeichen für das Selbstver­ ständnis des Landkreises. Auf der Anhöhe des Hoptbühls gelegen, erweist die Anlage der historischen Altstadt Villingens Referenz, indem sie den kreuzför­ migen Grundriß der Zähringerstadt aufgreift und der Ost-West-Achse, über die Barriere der Bahn hinweg, neue Bedeutung gibt als Leitlinie für die Wegeverbindungen von und zur Innenstadt und die weitere bauliche Ent­ wicklung dieses Gebiets. Das vormals freie Wiesengelände erhält mit dem „Kreishaus“ eine eigene Prägnanz als Ort zwischen Kern-Stadt und offener Landschaft. Die Beidseitigkeit der Eingangssituatio­ nen nimmt, entsprechend deren geografi­ schen Lage, die Kreisteile Schwarzwald und Baar künstlerisch durch Albert Hien in alle­ gorischen Objekten interpretiert, im westli­ chen Bereich in der Wasserrad-Kuckucksuhr und im östlichen mit der Getreide-Suppen­ schüssel auf. Die stadtgeschichtlich bedeutsame und denkmalgeschützte Fabrikantenvilla der Glockengießerei Grüninger (vgl. in dieser Almanach-Ausgabe, S. 286 ff.) – zwei ihrer Glocken sind Teil der in der Eingangshalle aufgestellten Turmuhr-wird als „Eckpfeiler“ in den stadtzugewandten Vorplatz einbezogen. Sie wurde in privater Initiative restauriert. Die Gestaltung des Neubaus entwickelte sich in der Auseinandersetzung mit der regionalen Baukultur: ein alle Bauteile übergreifendes Dach bie­ tet Schutz vor dem strengen, hiesigen Klima und will sinnbildhaft stehen für eine gesellschaftlich vereinbarte Ordnung – die Verwendung vertrauter Materialien, wie Holz für die Tragkonstruktion und Schindeln als Bedachungshaut erleichtert einen auch „emotionalen“ Zugang zu einer kommunalen Verwaltung, die durch Bürgernähe sich auszeichnen will. Das neue Amt ist gebautes Gleichnis eines aktiven Körpers: Für Kopf steht der den westlichen und öst­ lichen Eingangsbereich markierende Saal, der sich über eine Funktion als Sitzungssaal des Kreistags zu einem Ort vielfältiger Veran­ staltungen entwickelt hat und so den Neu­ bau noch stärker im öffentlichen Leben ver­ ankert. Für Herz steht die im Dach verglaste Ein­ gangshalle als lichter, einladender Kommu­ nikations- und Orientierungsort, für Glieder die verschiedene Arbeitsbereiche der Verwal­ tung. Die architektonische Gestalt und Aus­ strahlung dieses gebauten Organismus ist offen, unverschlüsselt, geradlinig und klar, der materielle Aufwand auf das konzeptio­ nell Notwendige reduziert. Hinter der Dominanz des Daches und der hellasierten Holzkonstruktion tritt in der äußeren Erscheinung die in Schattentönen gehaltene Metallfassade zurück und gibt der Gebäudestruktur Tiefe. Auch im Inneren bleibt das konstruktive Gefüge sichtbar und weitgehend losgelöst vom raum bildenden Ausbau, so bei der frei­ stehenden, die Flurtiefe gliedernde Holz­ konstruktion oder dem eigenständig konzi­ pierten Stahltragwerk des Sitzungssaals. Hin­ ter dieser Disziplin des Zeigens und Sicht­ barmachens steht die Vermutung, daß wir nur das verstehen, was wir auch sehen und daß in vielen Fällen Zusammenhänge nicht ohne Grund unserem Blick entzogen werden wollen. Die Dimensionierung des zum Teil drei­ geschoßigen Holztragwerks, – eine Heraus- 15

Der Sitzungssaal forderung an die Statikplanung -folgt im einzelnen dem gegebenen Kräfteverlauf. Durch die Trennung der inneren, die Geschoßebenen tragenden, von der die Dachlasten aufnehmenden außenliegenden Konstruktion konnte eine filigrane und wirt­ schaftliche Bauweise realisiert werden. Das Bauwerk empfangt Besucher und Pas­ santen mit „offenen Armen“, die transpa­ rente Außenhaut offenbart dessen Inneres; die Arbeit dort geschieht nicht in abge­ schlossenen Zellen, sondern aufEbenen, die untereinander und mit der Umgebung in Beziehung stehen. In der gemeinsamen Zielvorstellung einer „kommunikativen Transparenz“ wurde mit dem Bauherrn durch im Detail wesentliche Entscheidungen eine einladende, freundli­ che Atmosphäre geschaffen, die ein vieler­ orts anzutreffendes „Behördenmilieu“ nicht 17

Die Wappen der Städte und Gemeinden des Landkreises vor dem Sitzungssaal angeordnet nach ihrer geographischen Lage. Das Werk wurde von der Franz Mayer’schen Hofkunstanstalt, München, geschaffen. aufkommen läßt. Diese Einzelentscheidun­ gen betrafen z. B. die Höhe der die Flure begrenzenden Büroschrankwände, die seit­ lich der Bürotüren angeordneten Licht­ schlitze, welche eine „Ahnung“ der inneren Vorgänge vermitteln und dem dort Eintre­ tenden die „Hemmschwelle“ nehmen hel­ fen, die großzügige Verglasung der Bespre­ chungs- und Sitzungsräume, oder die auto­ matisch betriebene, gläserne Hauptein­ gangstüre. In der Sprache der Architektur ausge­ drückt will sich hier eine öffentliche Verwal­ tung nicht reprä-, sondern präsentieren. Die räumlichen Mittel und Materialien sind ursprünglich und unverbrämt – nicht „Gestaltung“ als formaler Vorwand, sondern Gestalt, die sich aus der intensiven Auseinan­ dersetzung mit dem Wesen der Aufgabe und der sinnvollen „Dienstlichkeit“ der einzel­ nen Entscheidungen allmählich erst entfal­ tet. Hierzu gehört das Verwerfen alles Über­ flüssigen, Floskelhaften, was den Blick auf die konkrete Lösung verstellt, ohne auf das kreative Spiel der „Erfindung“, auf das Erfor­ schen des noch nicht Dagewesenen zu ver­ zichten. Bevorzugt werden Materialien in ihren puren Naturfarben eingesetzt, was ihren Charakter unverfälscht zum Ausdruck bringt und eine farbliche Interpretation zugleich erübrigt: gewachsenes Holz stets 18

,,natur“ oder in die Verwitterung vorwegneh­ menden Tönen silbergrau lasiert, zement­ graue Dachschindeln mit dem Blau des Himmels changierend. Sichtbar belassener Beton präzise verarbeitet, mit hell-warmer Färbung, wirkt erstaunlich frisch, verzinkter Stahl behält mit einem stumpfen, rauhen Oxidationston seine herbe Kraft. Zu den Naturtönen des „Rohbaus“ treten die des Ausbaus und der Möbilierung: Buchefumierte Holzoberflächen der Wände und Möbel, im Flurbereich zugun­ sten einer Kontrastwirkung zu den Holzstüt­ zen farblich „ verfremdet“, Eichenparkett und Natursteinbelag aus geschliffenem Andeer Gneis, in einem kühl-grünen Ton, Baumwollstoffe der Vorhänge, gebleicht mit dunklen Einwebungen, Fliesen im ockrigen Materialton, Edelstahl und Aluminium, die von sich aus silbern sind, für die eigens ent­ worfenen Theken und Ausstattungsgegen­ stände. . Die Skala wird ergänzt durch das silbrige Grün der konzentriert eingesetzten Innenbe­ pflanzung. Sind die „Naturfarben“ -wie beim „schwar­ zen“ Stahl – nicht beständig, will die ver­ wendete Farbgebung die Materialeigen­ schaften hervorkehren: Stahl zum Beispiel wird metallisch, technisch wirken, wenn in Eisenglimmerfarbtönen oder glänzend Ral „eisengrau“ gestrichen, Gips in Weißtönen kalkig … Im Gesamteindruck wird ein Stimmungs­ bild angestrebt, das sich mit sachlich-frisch, differenziert, leise in der Balance von war­ men und kühlen Tönen beschreiben läßt. Dieser bildet einen zurückhaltend-selbstver­ ständlichen Rahmen, der der individuellen ,,Farbzugabe“ Spielraum beläßt. Innerhalb des architektonischen Gesamt­ konzepts werden die ökologischen Aspekte des Bauens gleichrangig mit den funktiona­ len, technischen, sozialen und wirtschaftli­ chen gesehen. Die vergleichsweise kompakte Bauweise, deren Außenabwicklung durch die erforderliche natürliche Belichtung der ist, Arbeits- und Flurzonen begründet ermöglicht bei gut gedämmten Hüllflächen einen günstigen Gesamtenergieverbrauch. Hierzu tragen ebenso eine sensibel gesteu­ erte, fortschrittliche Heizungsanlage wie pas­ siver Solarenergiegewinn über große Vergla­ sungsflächen bei. Die Auswahl und Oberflä­ chenbehandlung der Baustoffe erfolgte mit Blick auf ihre Regenerierbarkeit, Umweltver­ träglichkeit, ihrem Herstellungsenergieauf­ wand und ihrer bauphysikalischen Eignung. So ist das Bauwerk des neuen Landratsam­ tes im besten Sinne ein Spiegel für die Beson­ derheit und Eigenart dieses Landkreises zwi­ schen Schwarzwald und Baar, die herbe Schönheit seiner Landschaft, die Bodenstän­ digkeit und Erfindungskraft seiner Bürger. Götz Guggenberger Architekten Auer +Weber+ Partner 19

Architektur und Natur bilden eine sinnvolle Symbiose Eine der besonderen Architektur und ört­ lichen Lage entsprechende Gestaltung der Außenanlagen war von Anfang an ein Anlie­ gen der für den Bau Verantwortlichen. Der Garten- und Landschaftsarchitekt Jörg Heiner Stötzer aus Sindelfingen erhielt den Auftrag für diese nicht alltägliche Aufgabe, die er in überzeugender und ansprechender Form löste. Der Garten- und Landschaftsarchitekt sah seine Aufgabe darin, das Gebäude und den es umgebenden Naturraum als Einheit zu ent­ wickeln bzw. zwischen den Bedingungen des Ortes und den Ansprüchen der Natur eine sinnvolle Symbiose herzustellen. Dies wurde durch folgende gestalterische Maßnahmen des Außenraumes erreicht: – Verwendung von einheitlichem Naturstein­ material aus Schwarzwälder Granit für die Belagflächen, Treppen und Kanten. – Die Höhenunterschiede werden von Granit­ steinkanten gebrochen, die wie Felsstein­ kanten aus dem Gelände wachsen: Im Gelände treten zwischen Westen und Nordosten Höhenunterschiede bis zu fünf Meter auf. Die Höhe zwischen der Fußgängerbrücke, die über das nahe Bahngelände führt, und dem Hauptein­ gang wird durch eine dreiteilige Stufen­ anlage überwunden. Gleichzeitig führt eine Rampe den Besucher an den Treppen vorbei zum Gebäude. Die Höhensprünge sind am Gebäude mit handwerklich bear­ beiteten Natursteinkanten abgefangen, die jeweils einen Treppenlauf überbrücken. Die Geländemodellierung im südlichen Bereich wurde ausschließlich mit Erde ge­ macht. Lediglich am Gebäude treten ein- 20 zeine Natursteinblöcke hervor, die natür­ liche Kanten bilden. Die Dachwässerwerden in offenen Rinnen abgeführt und in Geländemulden gesam­ melt bzw. dem natürlichen Kreislauf zu­ geführt. Am tiefsten Punkt des Geländes entstand eine Senke für das Regenwasser des Gebäudes. Die potentielle Vegetation stellt sich auf solchen Standorten von selbst ein und bringt dem Beschauer eine interessante Fauna und Flora. Die Raumbildung mit gezielter Erdmodel­ lierung und punktueller Gruppierung der Gehölzpjlanzungprägen den Freiraum und verzahnen das Gebäude mit der Umge­ bung. Im Bereich des Haupteingangs sind teilweise immergrüne, dunkle Pflanzen angebracht, die eine Verdichtung wieder­ geben. Sie stehen als Gegensatz zu den frischgrünen Laubholzgruppen entlang der alten Schwenninger Straße und beto­ nen somit zusätzlich den Eingangsbe­ reich. Nach Südwesten hin stehen frei malerische Laubholzgruppen mit Land­ schaftsparkcharakter. Der kleinstrauch­ artige Charakter entwickelt sich punktuell entlang des Gebäudes an den Felskanten. Garten- und Landschaftsarchitekt Jörg Heiner Stötzer erzielte mit diesen Vorgaben für die gestalterische Entwicklung des Außenraumes Natürlichkeit vor Künstlich­ keit sowie Einfachheit und Prägnanz. Nach seiner Auffassung wird eine zurückhaltende Pflege der gesamten Anlage den Natürlich­ keitsgrad verstärken und damit der Außen­ anlage eine besondere Prägnanz verleihen. Redaktioneller Beitrag

… aus der Sicht der Kunst am und im Bau Albert Hien Anmerkungen zur „Kuckucksuhr“ aufgreift. Aufgeschichtet aus schweren Qua­ derblöcken ist der Platz für den Vogel ebenso markiert wie das Rund des Zifferblattes. In die kreisrunde Öffnung ist ein quergestelltes „Mühlenrad“ aus Edelstahl eingelassen, das von einem im Zickzackkurs geführten Was­ serlauf angetrieben wird. Neben dem mäan­ drierenden Verlauf der Wasserrinne liegen „Zahnräder“ unterschiedlicher Größe aus Buntsandstein bzw. Edelstahl, die mal abge­ stuft, mal im Boden versinkend oder schein­ bar aus dem Boden herauswachsend die Wasserführung flankieren. Am Ende der Achse, an erhabener Stelle, steht ein Kreis­ segment, dessen Gestalt wiederum an Zahn- Öffentliche Bauwerke haben in allen Zei­ ten neben ihrer funktionalen Bedeutung auch die Aufgabe der Repräsentation: Macht und Herrschaft spiegeln sich in architektoni­ scher Gestaltung. Das neue Gebäude des Landratsamtes im Schwarzwald-Baar-Kreis ist Spiegelbild einer öffentlichen Verwaltung im ausgehenden 20. Jahrhundert, deren Ziel es ist, für die Bürgerinnen und Bürger eben diese Verwaltung transparent und damit kontrollierbar zu machen. Eine gläserne Außenhaut gibt den ungehinderten Blick ins Innere frei, läßt den behördlichen Verwal­ tungsablauf, vordergründig, nachvollziehbar erscheinen. In der Gliede­ rung des Gebäudes haben die Stuttgarter Architekten Auer +Weber den kreuzförmi­ gen Grundriß der alten Zähringerstadt Vil­ lingen aufgegriffen und erweisen in der Ver­ längerung der Ost-West-Achse der histori­ schen Altstadt Referenz. zumindest Dem Baukörper ist eine mehrteilige Skulptur des 1956 in München geborenen Künstlers Albert Hien zugeordnet, die mit einer Ausdehnung von 50 m Länge und einer lichten Höhe von 5,50 m den westlichen, ter­ rassenartigen Eingangsbereich dominiert. Aus Buntsandstein, Edelstahl und dem Grundelement Wasser hat Albert Hien eine „Landschaftsskulptur“ geschaffen, die sich mit einem Produkt, das unverwechselbar das Bild der Region mitgeprägt hat, auseinander­ setzt: der Kuckucksuhr. In der Verlängerung der alten Stadtgrün­ dungsachse von Villingen erhebt sich zur linken ein tannenzapfenförmiger Mono­ lith, dessen Pendant zur rechten zerborsten und zugleich zu gewaltigen Zahnradformen mutiert daliegt. Der Blick öffnet sich auf ein großes, ruinöses, steinernes Tor, das formal die Gestalt des Gehäuses der Kuckucksuhr 22

• Albert Hien. Ohne Titel. Gestaltung westliche Treppenanlage Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis, Blick von Osten (oben} und Blick von Westen (unten}, Stadtbezirk Villingen, Buntsandstein, Edelstahl Wasser, Länge 50m, Höhe 5,50m, 1989-1991. ‚-‚“, 6 , �“?:·;“.:t . . J:-… .,,, .. 23

radformen erinnert. Es birgt ein bewegliches, vogelähnliches Gebilde, dessen Bauch sich unentwegt mit Wasser füllt und im regelmä­ ßigen Rhythmus in einer Vorwärtsbewegung das Wasser aus sich ergießt. Den weichen, lichtabsorbierenden Bunt­ sandstein kombiniert Albert Hien mit dem harten, glänzenden Edelstahl. Die roh behauenen Blöcke des Tores korrespondie­ ren mit der Gestaltung der Wasserrinne, deren Arbeitsspuren im Steinschnitt natür­ lich belassen sind. Den mechanischen For­ men aus Edelstahl sind exakt geschnittene Formen aus Stein gegenübergestellt, wobei diese zum Teil Spuren einer „Abnutzung“ zeigen. Die Wasserführung überbrückt vier Niveausprünge des Platzes und setzt der rela- Albert Hien. Ohne Titel. Gestaltung westliche Treppenanlage Landratsamt Schwarzwald­ Baar-Kreis, Detail, Blick von Osten, Stadtbezirk Villingen, Buntsandstein, Edelstahl Wasser, Länge 50m, Höhe 5,50m, 1989-1991. 24 tiv starren Ordnung der Skulptur durch das Fließen wie durch die Lichtreflektion ein Bewegungselement gegenüber. Für den Schwarzwald ist die am Beginn des Industriezeitalters entwickelte Kuk­ kucksuhr heute zu einem Werbeträger erster Ordnung geworden. Diese Uhr, die ehemals vielen Bastlern und Tüftlern in Heimarbeit eine karge Existenz sicherte, trat ihren Sieges­ zug durch in- und ausländische Wohnzim­ mer nicht zuletzt deshalb an, weil in ihr Bereiche von Natur und Technik mittelbar ineinandergreifen. Die heute auch in Plastik gegossenen Gehäuse, die von Schnitzma­ schinen seriell gefertigten Dekors wie knor­ rige Tannenzapfen, Hirsche, Edelweiß und anderes mehr, vermitteln für Touristen in aller Welt ein (wenn auch falsches) Bild einer Naturlandschaft, die es so nie gab und nie geben wird. Die auf der Schauseite der Uhr fast immer mit landschaftlichen Motiven gestalteten Zifferblätter bilden Veduten, deren Idylle zu einem Faszinosum für Mas­ sen werden konnte. Albert Hien gibt in seiner Skulptur kein Abbild des technischen Gegenstandes „Kuk­ kucksuhr“ wieder. Er dekonstruiert dieses technische Gebilde und transformiert es in ein skulpturales und landschaftliches En­ semble. ,,Auf dem Wege dorthin aber verla­ gern sich die Wertigkeiten. Das Element der Technik tritt zurück, während das skulptu­ rale und landschaftliche den Ordnungszu­ sammenhang neu erstellt“. Die an mechani­ sche Teile erinnernden plastischen Formen verselbständigen sich, und in der Phantasie des Betrachters kann im Zusammenhang des Ganzen die „Kuckucksuhr“ assoziiert wer­ den. Doch läßt Albert Hiens Kuckucksuhr den Betrachter nicht mehr verklärt eine heile Welt in der Vergangenheit finden, verweigert sich jeder nostalgischen Erinnerung. Viel­ mehr diskutiert er Bereiche von Natur und Technik, ,,die wir ansonsten so säuberlich zu trennen gewohnt sind; kommentiert bissig unsere ökonomisch-funktionalistische Ideo­ logie und den bürokratischen Kreislauf“. Wendelin Renn

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Das Klang-Tryptichon im Foyer Es handelt sich um ein Wandrelief in drei Teilen, bestehend aus elektronischen Bautei­ len, Lautsprechern, Draht und Plexiglas. Schon rein äußerlich, durch die starke Beto­ nung der Lautsprecher, ist zu erkennen, daß dieses Objekt etwas mit Klang zu tun hat. Um Klänge zu erzeugen, muß der Betrachter näher treten, sein Schatten muß auf eine der 8 Photozellen fallen, dann erklingt ein ein­ zelner Ton oder Tonfolgen, je nachdem, an welcher Stelle des Klang-Tryptichons er sich gerade befindet. Als erstes wird der Betrachter feststellen, daß nur dann Veränderungen im Klangbild auftreten, wenn er sich bewegt. Auffallen wird ihm auch, daß jeder der drei Teile einen bestimmten Tonhöhenbereich umfaßt: eine tiefe, eine mittlere und eine hohe Tonlage. Wenn man sich dann länger mit einem Teil befaßt, erkennt man, auf welche Weise man Variationen erzeugen kann. So löst man z.B. an der rechten Photozelle des Tiefton-Teils zunächst einen tiefen Ton aus, dem dann 5 weitere Töne folgen und deren Höhe und rhythmische Struktur von der Art der Abschattung abhängt. Durch Abschatten der linken Photozelle entsteht eine sich wie­ derholende einfache Tonfolge, die sich aber sofort verändert, wenn die rechte Photozelle beeinflußt wird; beide Klangreaktionen sind also voneinander abhängig. In ähnlicher Weise sind die Reaktionen der Photozellen des Mittel- und Hochton­ Teils miteinander verknüpft, dabei hat jede Photozelle ihre eigene typische Reaktions­ weise: z.B. ergibt ein kurzer Schatten bei einer Zelle einen Einzelton, bei einer ande­ ren eine ganze Tonfolge. Wieder andere müssen längere Zeit abgeschattet werden, damit ein Ton langsam anschwillt oder nach 26

einer Weile ein zusätzlicher Klang erzeugt wird. Die Bewegungsstrukturen des Betrachters finden ihre Wiederspiegelung in den Reak­ tionen des Objekts, dabei spielt es eine große Rolle, ob er sich schnell oder langsam, rhyth­ misch oder arhythmisch bewegt, ruhig oder nervös, geduldig oder ungeduldig sich ver­ hält. Immer wird die Klangreaktion in einem bestimmten Bezug zum Verhalten des Betrachters stehen. Aus den. vergangenen Ausführungen läßt sich erkennen, daß der Betrachter, um etwas zu erfahren, Eigenaktivität entwickeln muß. Es genügt nicht, wenn er betrachtend unbe­ weglich vor dem Objekt steht. Nur durch Interaktion ist der ästhetische Inhalt des Klang-Tryptichons erfahrbar; nur durch aktive Bewegungen entstehen Klangreaktio­ nen, die ihrerseits den Betrachter zu weiteren Aktionen veranlassen können. Es ist wie ein Spiel: Hin und her, Frage und Antwort, Geben und Nehmen, Aktion und Reaktion. Dieses spielerische Erfassen von Zeit­ strukturen vermittelt dem Betrachter eine ganz andere Art von Kunstrezeption als er bisher gewohnt war: weder hört er sich ein Musikstück an, noch betrachtet er ein Bild; auch spielt er kein Instrument, denn selbst­ erdachte Melodien, wie auf einem Klavier, kann er nicht spielen. Im Einlassen auf die vorgegebenen Klangstrukturen und beim Versuch diese zu verändern, wird er selbst schöpferisch und fängt an zu komponieren. Er bringt sich selbst ein in einen ästhetischen Prozeß, sein Verhalten wird Teil des Kunst­ werks. Sofern man bei der Kunstrezeption von Sensibilisierung sprechen will, so verfeinern z.B. Malerei und Musik die Sinne für die visuelle und auditive Wahrnehmung. Inter­ aktive Kunstwerke jedoch schärfen die Sinne für die Wahrnehmung von Verhaltens- und Zeitstrukturen, also für dynamische Pro­ zesse, in die man selbst involviert ist. Das klingt abstrakt, das Erkennen von Verhaltens-Strukturen ist aber, wie Sehen und Hören, ein wichtiger Teil unsererOrien- tierung in der Welt. Verhaltens-Vorgänge und Zeitstrukturen sind das Gerüst für unsere Auseinandersetzung mit Geist und Materie, mit den Menschen und den Din­ gen, die uns umgeben und die sich dauernd verändern. Die Menschen unter sich und die sie umgebenden Dinge stehen in einer per­ manenten dynamischen Wechselbezie­ hung: jede Handlung hat Reaktionen zur Folge, die zugleich auch von den Zuständen der interagierenden Systeme abhängen und damit nicht immer vorhersehbar sein kön­ nen. In diesem Netzwerk von Verbindungen und Verstrickungen bewegen wir uns und verändern damit die Welt. Peter Vogel Ein weiteres Kunstwerk, das die Baar darstellen wird, ist bei Redaktionsschltef? noch in Arbeit. Es wird im Almanach 94 uorgestellt werden. ‚� ,, 27

… aus der Sicht des Bauherrn Ideale Einheit zwischen Architektur des Gebäudes und dem Erscheinungsbild des Landratsamtes als Dienstleistungsbehörde Die Einweihung des neuen Landratsam­ tes am 8. November 1991 bildete den Abschluß eines langen, mitunter beschwerli­ chen Weges. Die Anfänge der Diskussion über einen Neubau reichen bis in die frühen siebziger Jahre zurück: Die kommunale Neugliederung, am l.Januar 1973 in Kraft getreten, schuf einen neuen und größeren Landkreis. Im Laufe der Jahre wurden dem Landkreis immer weitere Aufgaben übertra­ gen, die mit dem vorhandenen Personalbe­ stand nicht mehr zu bewältigen waren. Das alte Landratsamtsgebäude in der Kreisstadt Villingen-Schwenningen wurde den neuen Anforderungen nicht mehr gerecht: die Mit- arbeiterinnen und Mitarbeiter, dazu die Besucher, litten je länger desto mehr unter den unzumutbaren Raumverhältnissen. Der Neubau eines Landratsamtes stand in den ersten Jahren seit Bestehen des Schwarz­ wald-Baar-Kreises nicht an 1. Stelle. Andere notwendige Bauvorhaben mußten verwirk­ licht werden. Mit hohem finanziellen Ein­ satz wurden die Beruflichen Schulen durch Neu- und Erweiterungsbauten auf einen modernen Stand gebracht. Unsere geistig­ und körperbehinderten Schülerinnen und Schüler erhielten je ein neues, den heutigen Anforderungen entsprechendes Schulhaus. Wichtig war auch der Bau von zwei Abfall de- 28

ponien und schließlich verlangte auch der Kreisstraßenbau sein Recht. Nach weitgehender Erledigung dieser Aufgaben war die finanzielle Lage des Krei­ ses sehr angespannt. Eine Erholungspause war deshalb notwendig, d. h. der Schulden­ stand mußte verringert werden, was uns in einem unerwartet günstigen Umfang gelang. Es dauerte bis zum Jahr 1986, bis das Bau­ vorhaben für das neue Landratsamt in ein entscheidendes Stadium trat. Im Herbst 1986 wurde die Auslobung des Architektenwett­ bewerbs beschlossen, an dem sich rund 80 Architekten beteiligten. Am 12. Oktober 1987 vergab der Kreistag den Planungsauf­ trag an das Architektenbüro Auer & Weber in Stuttgart. Der Bau wurde im April 1989 begonnen. Nach einer Bauzeit von zweiein­ halb Jahren, dies ist sicher die denkbar kürze­ ste Zeitspanne, sind wir im Herbst 1991 in das neue Gebäude umgezogen. Ein „glücklicher Stern“ begleitete unser Bauvorhaben: -Schon die Auswahl des Grundstückes, das die Stadt Villingen-Schwenningen uns im Jahre 1981 auf dem Hoptbühlgelände zur Verfügung stellte, war eine Glückssache. Der Standort ist optimal: Stadtnah zum Stadtbe­ zirk Villingen ist es sehr gut vom ganzen Kreis aus, sei es mit Pkw, mit Eisenbahn oder Bus, zu erreichen. -Als glücklich zu bezeichnen ist auch die Entscheidung des Kreistages für den Entwurf der Architekten Auer & Weber in Stuttgart. Sie haben sich zusammen mit ihren Mitar­ beiterinnen und Mitarbeitern als Meister ihres Fachs erwiesen. -Glücklich können wir auch darüber sein, daß mit Blick auf die inzwischen einge­ tretenen nicht unerheblichen Kostensteige­ rungen der Bau gerade noch rechtzeitig durchgeführt und vollendet worden ist. Bei einem späteren Baubeginn und bei einer weniger zügigen Durchführung wäre der für den Neubau errechnete Kostenrahmen von 46 Mio. DM nicht mehr möglich gewesen. 29

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Das neue Landratsamt ist architektonisch sehr gelungen und ist ein zeitgemäßer Aus­ druck für die Vorstellungen der Bürgerinnen und Bürger von einer modernen Verwaltung. Die Architektur des Gebäudes und das Erscheinungsbild des Landratsamtes als Dienstleistungsbehörde bilden eine Sym­ biose, eine ideale Einheit. Hervorstechende Merkmale dieses Ge­ bäudes sind Offenheit und Durchsichtig­ keit. Holz und Glas wurden geschickt zur Erzeugung dieser Wirkung eingesetzt. Ist es nicht auch ein Markenzeichen einer guten Verwaltung, wenn man von ihr sagt, alles, was sie tut und entscheidet, ist offen, klar und durchsichtig? In der nüchternen Verwal­ tungssprache heißt dies: Bindung der Ver­ waltung an das Gesetz, vor dem alle gleich sind. Sie muß gerecht und unparteiisch sein. Das neue Haus lädt ein. Es strahlt einen Hauch von Heiterkeit aus. Wir wollen freundlich und zuvorkommend miteinan­ der umgehen. Dazu gehört ein heiteres Gemüt. Auch in einer Amtsstube darf gelacht werden! Der Bau ist nicht aufdringlich, er wirkt schlicht und fügt sich gut in die Stadtsilhou­ ette ein. Er ist bei aller Zurückhaltung modern gediegen. Dies wünsche ich mir auch von unserer Verwaltung. Wir wollen bescheiden bleiben und nicht angeben! Alle Vergleiche zwischen der Architektur des neuen Hauses und der Verwaltung lassen sich auf einen Hauptnenner zurückführen: die das Haus durchdringende Offenheit – helles Licht durchflutet die Räume -wird Vertrauen zueinander fördern. Dies ist das Beste, was Architektur im öffentlichen Bereich bewirken kann. Mit einem Bau wie diesem bekunden wir das Selbstverständnis der Demokratie: in Architektur ausge­ drückte Freiheit! Nichts besseres könnte man auch über eine Verwaltung sagen, als das, daß sie Offenheit und Vertrauen zeigt und weitergibt. Das neue Landratsamtsgebäude ist ein 31

sichtbarer Ausdruck, daß der Landkreis als Verwaltungsebene auch bei uns den ihm zukommenden Rang einnimmt. Auf der Kreisebene treffen sich kommunale und staatliche Verwaltung. Beide Aufgabenge­ biete zusammen machen die Besonderheit des Landkreises baden-württembergischer Prägung aus. Als kommunale Gebietskörper­ schaft ist er gleichwertiger Partner innerhalb der kommunalen Familie. Der Neubau ist nicht nur auf die Funktion als Verwaltungsbau beschränkt. Für die Stadt Villingen-Schwenningen, in der der Land­ kreis seinen Sitz hat, ist er eine bemerkens­ werte städtebauliche Bereicherung. Die Anordnung der alten Stadt Villingen wird mit ihrem Zähringerkreuz jetzt jenseits der Bahnlinie auf dem Hoptbühlgelände in einem zeitgemäßen, modernen Bau fortge­ setzt: Seine Längsachse entspricht der Nie­ deren und Oberen Straße und die Riet- und Bickenstraße verlängern sich in dem Fußweg über die Eisenbahnbrücke in zwei Richtun­ gen: Steppach und Altstadtsteig/Kopsbühl. 32 Die früheren Trampelpfade nach der Fuß­ gängerbrücke sind jetzt ausgebaute Wege durch das Landratsamtsgelände geworden. Man kann es auch so verstehen: das Land­ ratsamt will sich dem Bürger öffnen und will dazu wahrgenommen werden! Öffentliche Bauten wie Rathäuser und Landratsämter dürfen, ja sollen in die Augen fallen, damit sich die Einwohner in ihnen „wiedererkennen“ können. Der Neubau beflügelt die Phantasie der Betrachter. Man­ che wollen wegen der Dachgestaltung Anklänge an einen fernöstlichen Tempel erkennen. Oder hat etwa die römische Muse die Architekten geküßt, weil ähnliche Dach­ formen schon bei den Römern gebaut wur­ den? Sicher ist eines: Die Architekten haben ein Glanzlicht bezüglich der Architektur eines Verwaltungsgebäudes gesetzt! Das neue Haus ist kein Prunkbau, auch kein Denkmal für den Landrat, sondern die neue, angemessene Mitte unseres Landkrei­ ses. Am liebsten würde ich weniger vom Landratsamt, als vom „Kreishaus“ sprechen.

Dieser Ausdruck wird bei uns leider noch mit einem milden, nachsichtigen Lächeln abge­ tan. Zu unrecht, wie ich meine. So wie der Bürger davon spricht, daß er aufs Rathaus gehe – und nicht aufs Bürgermeisteramt -, um damit die vertraute emotionale Bindung an die Gemeinde auszudrücken, wäre dies doch auch in Bezug auf den Landkreis nicht abwegig; denn qualitativ machen beide das gleiche. Es liegt nun vor allem an uns, die wir in dieser schönen Umgebung arbeiten dürfen, daß wir sie mit einem guten Geist erfüllen und unseren Besuchern all das vermitteln, was das Haus im Äußeren und Inneren ver­ spricht. Ich bitte um Verständnis, wenn uns nicht immer alles so gelingt, wie wir es uns wünschen. Wie alles menschliche Tun ist auch unsere Arbeit mit Fehlern und Unvoll­ kommenheiten behaftet. Die Bürgerinnen und Bürger sollen aber wissen, daß wir den festen Willen haben, es recht zu machen. Dr. Rainer Gutknecht, Landrat … aus der Sicht des Historikers Wo einst die Kanonen donnerten und Köpfe rollten Der geschichtliche Standort des neuen Landratsamtes Der Standort des neuen Landratsamtes in Villingen-Schwenningen liegt auf der frühe­ ren Villinger Gemarkung und trägt die Gewannbezeichnung Hoptbühl. Es handelt sich um einen zungenartig nach Süden aus­ laufenden flachen Geländerücken von etwa 500 m Länge und rund 300 m mittlere Breite. Seine Meereshöhe liegt zwischen weniger als 720 m am höchsten Punkt im Norden und, abfallend weniger als 710 m im Süden. Im Westen gleitet das Gelände zur flachen ehe­ maligen Flußaue der Brigach, einem der zwei Quellflüsse der Donau, auf rund 704 m hinunter. Dieser Flachbereich wird heute in seiner nord-südlichen Ausdehnung von den Geleiseanlagen der Schwarzwaldbahn durchzogen, und hier liegt auch der Bahnhof Villingen. Im Osten markiert, bei rund 707 m Höhe, im Tal die Grenze der Steppach, ein Rinnsal. Mit der in die Land­ ratsamtsanlage einbezogenen oberen Be­ grenzung der mittelalterlichen Wegtrasse nach Schwenningen, liegt das 1991 einge­ weihte Amt im nord-westlichen Teil des Hoptbühls. Das Gelände gehört geologisch zum Unteren Muschelkalk (Mu3), einem kalkrei­ chen Mergelgestein mit aufliegenden ver­ streuten Geschieben. 1) Es war bis in unsere Tage unbebaut und wegen seiner Fruchtbarkeit als Ackerland ausgewiesen. Agrargeschichtlich gehört es spätestens seit der Landnahme durch die Alemannen zur Feldflur. Lange haben die Schwestern von St. Ursula das Gelände als Gemüsegarten mit gutem Erfolg genutzt. Südöstlich erstreckte sich im Frühen Mit­ telalter das abgegangene Dorf Villingen, in einer königlichen Urkunde 817 erstmals erwähnt. Ein Graf Bertold als Dorfherr erhielt vom Kaiser wegen seines erfolgrei­ chen Heerdienstes im Jahr 999 für den ihm gehörenden Ort das personale Recht, einen öffentlichen Markt zu gründen, Münzen zu prägen, Zoll zu erheben sowie die Bannge­ walt auszuüben. Als sich etwa um die Wende vom 11. zum 12.Jahrhundert der Marktort aus dem Bereich des Dorfes, dessen Kirch­ turm noch steht, ins Gemeinland ausglie­ derte, entstand eine neue, sich allmählich 35

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verselbständigende Siedlung, die spätere mittelalterliche Stadt Villingen. Sie liegt mit ihrem Mittelpunkt, das sind die sich kreu­ zenden zwei Straßenachsen, kaum 400 m westlich des neuen Landratsamtes, jenseits der Bahngeleise und der Brigach, am Fuße der Ostabdachung des Schwarzwaldes. Heute genießt man vom neuen Kreisge­ bäude aus den Blick auf die nahe Silhouette der mittelalterlichen Türme und Tore. Die sanfte Anhöhe wurde zur hochwas­ sersicheren Landbrücke zwischen dem alten Dorf mit der Pfarrkirche und dem Friedhof sowie der Stadt. Jahrhundertelang führte der Weg von der Stadt hinaus in östlicher Rich­ tung durch das Bickentor, und die die Brigach überspannende steinerne Bicken­ brücke. Gleich danach, vor der im 2. Welt­ krieg zerstörten Bickenkapelle vom Weg nach Schwenningen abbiegend, ging es nach rechts und jenseits der Flußaue auf dem leicht erhöhten Saumweg, unterhalb des jet­ zigen Landratsamtes, zurück zur Ursiedlung, auf deren Boden man bis heute die Toten bestattet. Der Friede fruchtbarer Ackerflur wurde jäh unterbrochen, wenn kriegerische Zeiten die Feinde vor die Stadt führten. Vor allem während des Dreißigjährigen Krieges wurde der Hoptbühl zum Aufmarschgebiet. Pio­ niere wurden aktiv und hinter Schanzkör­ ben feuerten Kanonen ihre Mehrpfünder­ Kugeln in die Stadt. Das heutige Landratsamt hätte damals im Schußfeld gelegen. Gegenangriffe bewaffne­ ter Stadtleute, zusammen mit ihrer Reiterei, versuchten im Vorfeld den Feind zu vertrei­ ben, und von den Mauem und Türmen der Stadtfestung wurde mit Feuerwaffen zurück­ geschossen. Während dessen bot das von der Stadt aus nicht einsehbare östliche Tal des Steppachs dem gegnerischen Lager mit sei­ nen Zeiten zumindest Schutz vor direktem Artilleriefeuer durch die Belagerten. Bis heute blieb es ein Geheimnis, weshalb diese Anhöhe „Hoptbühl“ heißt. 37

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Das einzige Flurnamenbuch der Stadt Vil­ lingen von Hans Maier, 1962,2> bemerkt lapi­ dar, der Name sei unklarer Herkunft. Maier verweist auf „hoptbuchel“ (1506), ,,hauptbü­ hel“ (1573) und „höptbihel“ (1633). „Hopt“ ist ein mittelalterliches Wort für ,,Haupt“, was unter anderem durch die obi­ gen Benennungen bestätigt wird. Schon im mittelhochdeutschen Sprachgebrauch bezeichnet „houbet, houbt, houpt“ den Kopf, das Haupt an Menschen und Tieren; ,,bi dem houpt“ meint „bei Strafe des Ent­ hauptens“. Das mittelhochdeutsche „bühel“ ist das Wort für Hügel oder Erhöhung (das Wort kommt noch heute allgemein in Gewannamen vor, z.B. ,,Goldener Bühl“, „Guggenbühl“). Eine Parallelbezeichnung ergänzt den „Hauptbühl“ durch „Haupt­ statt“.3) Die „houptstat“ ist für die mittel­ hochdeutsche Sprache die Stätte, wo der Kopf abgeschlagen wird.4> Die Gewannbezeichnung „Hoptbühl“ ist also nichts anderes als ein historischer Beleg, eine Urkunde, für den Richtplatz der alten Stadt. Zwischen der Stadt und der alten Dorf­ siedlung, verbunden durch den Weg, lag irgendwo auf dem ansteigenden Gelände jener makabre Ort, wo den Delinquenten in verschiedenen Strafsachen der „ehrenhafte“ Tod durch den Scharfrichter beschieden war. In rund zwei Kilometer Entfernung, im Westen der Stadt, stand dagegen auf der Höhe der Galgen, wo, als unehrenhafte Strafe, ausschließlich die Diebe gehängt wur­ den, um anschließend vom Henker an Ort und Stelle in ungeweihter Erde verscharrt zu werden. Nachdem man während der Zeit der Hexenverfolgung den beschuldigten Frauen und Männern im allgemeinen vor dem Ver­ brennen als Gnadenerweis das Beichtge­ ständnis ermöglichte und damit den Bußfer­ tigen die Sündenvergebung gewährleistete, lautete dann das wohlwollende Urteil des weltlich-städtischen Gerichts auf Abschla­ gen des Hauptes und anschließendes Ver­ brennen zu Asche. In Villingen besorgte das der Scharmeister mit seinen Gehilfen, wie man den Scharfrichter oder Henker nannte. Die vermeintliche Hexe erlitt so einen „ehrli­ chen“ Tod, was ihrer Asche den Vorzug ver­ schaffte, zumindest in geweihter Erde bestat­ tet werden zu können. Da der Ort der Doppel-Hinrichtung – Kopf abschlagen und verbrennen -räumlich eine Einheit war, ist der Hoptbühl auch der Ort gewesen, wo in dunkler Zeit den neugie­ rigen Gaffern die Scheiterhaufen leuchteten. Werner Huger Qu e l l e n u n d Lit e r a t u r l) S CHALCH, F. (1899): Erläuterungen zu Blatt Villingen. – Geol. Spec.-Kt. Groß­ herzogtum Baden: S. 36 ff., nebst geologi­ scher Karte; Heidelberg. -(Unveränderter Nachdruck als Geol. Kt. 1:25.000 Baden-Württ., BI. 7916 Villin­ gen-Schwenningen-West, Stuttgart, 1984.) 2> Hans Maier, Die Flurnamen der Stadt Vil­ lingen, Ring Verlag, Villingen, 1962, S. 69, Nr. 197 sowie Abbildung Kartenaus­ schnitt aus dem Anhang „Karte Nr. 3″. 3> Dr. M. R. Buck, Oberdeutsches Flurna­ menbuch, Verlag Seligsbergs, Bayreuth, 1931, 2. Auflage, S. 103. 4> Matthias Lexers Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, S. Hirzel Verlag, Stuttgart, 36. Auflage, 1981, Stichwort: houptstat. Manfred Hammes, Hexenwahn und Hexenprozesse, Fischer Verlag, Frankfurt, 1977, S. 245, Holzschnitt. Lit e r a t u r : Werner Huger, Die Gründungsidee der Stadt Villingen, Geschichts- und Heimat­ verein Villingen, Jahresheft XI, 1986/87, s. 6 ff. ders., von Hexen, Zauberern und dem Prozeß zu Villingen, dto. Heft V, 1980, s. 14 ff. B. Emil König, Hexenprozesse, Verlag Freistühler, Schwerte, o. Jahreszahl, S. 108 ( sowie Abbildung S. 245. 39

Unsere Städte und Gemeinden, Wappen 100 Jahre Stadt St Georgen Am 17. Dezember 1891 wurde St. Georgen zur Stadt erhoben. Die Erinnerung an die lOOjährige Stadterhebung wurde im Septem­ ber 1991 mit einem umfangreichen Pro­ gramm gefeiert. Im Jahre 1984 wurde der 900jährigen Gründung St. Georgens gedacht. Diese geht auf die Gründung des Benediktinerklosters St. Georgen zurück, die am 22. April 1084 erfolgte (vgl. Almanach 1986, Seite 95 -99). Mit der Klostergründung zählt die Gemeinde zu den älteren des Landkreises. Als Stadt gehört St. Georgen neben Furtwan­ gen (1873) und Schwenningen (1907) zu den jüngeren kommunalen Gebilden des Land­ kreises. Wahrscheinlich war es die Zerstörung des berühmten Klosters während des Dreißig­ jährigen Krieges 1633 durch Villingen, wel­ che die Entwicklung zu einer Stadt begün­ stigte. 1659 wurden nämlich die nicht mehr not­ wendigen Maierhöfe des Klosters an die Gemeinde verkauft. Dadurch wurde Bau­ land für die weitere Entwicklung der Gemeinde frei. Aber auch andere Faktoren, wie die Auflösung der Leibeigenschaft und der Verkauf der herrschaftlichen Güter, die verkehrsmäßige Erschließung der Gemeinde mit dem Bau der Kunststraße Kehl-Schaff­ hausen 1839 und der Schwarzwaldbahn 1873, trug dazu bei, daß die bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einset­ zende Industrialisierung der Gemeinde eine Entwicklung erreichte, welche als der wich­ tigste Teil der Begründung des Antrags auf Stadterhebung genannt wurde. Es war nun folgerichtig, daß die N. Schwarzwälder-Gau­ Gewerbe-Ausstellung 1884 in St. Georgen stattfand. Auch die kurze Rezession der Industrie in St. Georgen, festgehalten in einem Bericht der Ortsbereisung 1891, hin­ derte die Antragsteller nicht, St. Georgen als ,,zur Zeit einer der am glücklichsten gedei­ henden badischen Schwarzwaldes, welcher bei rastlosen Vor- Industrieorte des 40

Blick von der Kreisgrenze bei Weilersbach auf die Schwäbische Alb und Dauchingen wärtsstreben in den letzten Jahren einen der­ artigen Aufschwung genommen hat, daß er füglich anderen kleineren Städten an dje Seite gestellt werden kann“ zu präsentieren. Der Beschluß des Bürgerausschußes vom 25.Juni 1891 über den Antrag wurde rucht überzeugend vertreten. Dafür stimmten 21, dagegen immerhin 13 Mitglieder, weil sie mit der Stadterhebung höhere Ausgaben für die Schaffung einer besseren Infrastruktur der Gemeinde befürchteten. Die Feier aus dem Anlaß der Stadterhe­ bung erfolgte am 27.Januar 1892, wie damals üblich „am Geburtstage seiner Mayestät des Kaisers“. Zunächst nahm ilie neue Stadt den Aus­ bau der Gemeinde-Infrastruktur in Angriff. Bereits 1891 wurde die katholische Kirche eingeweiht, 1892 erbaute die Gemeinde ein Krankenhaus. Es wurde zweckentfremdet und bis zur Errichtung einer neuen selbstän­ digen Schule 1903/5 als Schulhaus genutzt. Nachdem die Verlegung der Wasserleitung 1894 beendet wurde, verlor die Brunnen­ Wasserversorgung an Bedeutung. 1895 wurde die Spar- und Waisenkasse gegründet und das Telefon eingeführt. In den Betrieben ersetzten die Dampfma­ schinen die bis daher genutzte menschliche Kraft. 1896 wurden zuerst in der Maschinen­ fabrik]. G. Weisser durch ein Gleichstrom­ Dynamo der Fabrikhof und die Werkstätten beleuchtet. 1898 schloß der Gemeinderat einen Vertrag mit dem Elektrizitätswerk Tri­ berg ab und bereits 1899 erhellte die öffentli­ che elektrische Beleuchtung St. Georgen. Bei der Einweihung des Werkes wurden viele Ansprachen gehalten. Auch Stadtpfarrer Mayer ergriff das Wort, um die Textworte „Es werde Licht“ zu behandeln. In der Zeit bis zum I. Weltkrieg fanden in St. Georgen bedeutende Änderungen im kommunalpoli­ tischen und städtebaulichen Bereich statt. Die konservative national-liberale Land­ schaft wurde durch die Gründung des Orts­ vereins der SPD 1893 und des Bürgervereins 41

St. Georgen 1928 1901, der sich „das Zusammengehen und Wirken aller St. Georgener Gemeinde- und Staatsbürger“ bei der Wahrnehmung ihrer Interessen zum Ziel setzte, pluralisiert. Im Jahre 1900 zählte St. Georgen 3.520 Einwoh­ ner. Für die Aufgaben der wachsenden Stadt reichte die bisherige „freiberufliche“ Verwal­ tung nicht mehr aus. Deshalb wurde 1903 der erste berufsmäßige Bürgermeister der Stadt gewählt und 1905 das Rathaus den Erforder­ nissen entsprechend erneuert. Durch Anle­ gung neuer Straßen wurde die Stadtmitte nach Süden (Gerwig-, Friedrich-und Kloster­ bergstraße) und nach Westen erweitert. Im Osten entstand 1911 eine neue Siedlung (Wiesenstraße). Zu den bereits bestehenden Fabriken M. Bäuerle, T. Baeuerle, Ph. Haas & Söhne, Gebr. Heinemann, ]. G. Weisser, Gebr. Schultheiß u. a. kamen neue Betriebe hinzu. 1899 wurd die Fa. Gebr. Staiger und 1900 die spätere Fa. Kundo gegründet. Vor dem 1. Weltkrieg wurden in St. Geor- gen zwei später bedeutende Betriebe der Unterhaltungsindustrie gegründet: 1907 die Fabrik für Feinmechanik der Gebr. Steidin­ ger (Dual) und 1911 entstand die Fa. Perpe­ tuum (PE). Die Unzufriedenheit mit der Versorgung nach dem 1. Weltkrieg schlug sich auch in St. Georgen in Unruhen nieder. Mit einer Solidaritätsaktion der Industrie und der Belegschaft wurde danach versucht, die Not der bedürftigen Bevölkerung zu lindern. Um den Mangel an Kleingeld nach dem Krieg zu beheben und während der Inflation 1923 wurde von der Stadt eigenes Geld in Umlauf gebracht (vgl. Almanach 93 Seite 169-182). Im Jahre 1929 wurde die Ferngaslei­ tung St. Georgen -Triberg und das dazuge­ hörige Gasversorgungsnetz gebaut. Der Turnverein erbaute 1931 eine eigene Turn­ halle, welche auch für verschiedene Veran­ staltungen benutzt wurde. Die Weltwirtschaftskrise 1929 kündigte 42

sich in St. Georgen etwas früher an. Bereits 1928 meldete die älteste und größte Uhrenfa­ brik Ph. Haas & Söhne Konkurs an. An die 1000 Arbeitslose soll es dann im Jahre 1932 in St. Georgen gegeben haben bei einer Ein­ wohnerzahl von etwas über 5000, und die NSDAP erreichte Wahlergebnisse um die 50 0/o. 1933 wurde der ehemalige Bürgermei­ ster des Amtes enthoben und die National­ sozialisten übernahmen die Amtsgeschäfte der Stadt. Ihre Prinzipien bestimmten den Alltag in St. Georgen. Einige politisch An­ dersdenkende wurden verhaftet und in die KZs gebracht. Die „Heimatbezogenheit“ der NSDAP kam in der Errichtung des Heimatmuseums 1935 zum Ausdruck. Von 1935 bis 1939 bestand ein SS-Lager in St. Georgen. Die Industriebetriebe wurden auf Kriegsproduk­ tion umgestellt. Der Mangel an Arbeitskräften wurde durch Zwangsarbeiter reduziert. Trotz der Vollbeschäftigung meldete 1940 die Emailfa­ brik Gebr. Schultheiß Konkurs an, während zwei neue Betriebe entstanden sind: 1938 die Fa. Schmidt Feintechnik und 1942 die Fa. Papst Motoren. 1934 und 1937 kam es zur Grenzverlegung der Gemarkung mit den Gemeinden Brigach (Tausch) und Peterzell (Kauf). Dadurch wurde Bauland erworben, welches erst nach dem Krieg für den Bau des Krankenhauses und des Stadtteils Rupertsberg genutzt wurde. Am 22. April 1945 wurde St. Georgen durch französische Einheiten besetzt. Die Industrie überstand den Krieg ohne größere Zerstörungen. Dennoch wurde die Umstel­ lung auf die Friedensproduktion erschwert. Die Versorgung mit Energie und Material wurde knapp, die Demontage der Maschi­ nenparks brachte viele Betriebe fast zum Stillstand. Die Unsicherheit auf dem Finanz­ markt wurde durch die Währungsreform 1948 behoben, was zu einem langsamen aber 43

stetigen Wachstum beitrug. Das Steuerein­ kommen der Stadt reichte zunächst nur zur Unterhaltung, aber nicht zur Schaffung der notwendigen Infrastruktur der Gemeinde. Durch Solidaritätsleistungen seitens der Industrie und der Bevölkerung wurden die Schwierigkeiten überwunden. Aufgrund die­ ser Leistungen wurden 1949 Häuserund 1954 ein modernes Krankenhaus gebaut. Auch der Bau des Altenheimes 1970 wurde durch Spenden unterstützt. Die Bevölkerung nahm, auch durch Zuzug der Flüchtlinge, stetig zu.1950 hatte St. Georgen 6912 Einwohner, 1960 bereits 10810. Nach der Gemeindereform 1972-1974, als die Gemeinden Brigach, Langenschiltach, Peter­ zell, Oberkimach und Stockburg der Stadt eingeliedertwurden, zählte St. Georgen über 15000 Einwohner. Für diese Bevölkerung mußten neue Bau­ gebiete erschloßen werden. Es entstanden neue Wohngebiete auf der Halde, im Bei­ fang, im Vogelloch, am Winterberg als auch in den Gemeinden Brigach, Langenschiltach und Peterzell. Der ganze Rupertsberg samt der Seebauernhöhe und Galetsch wurde bebaut. Neue Schulen und Kindergärten entstanden, eine Kläranlage wurde in Betrieb genommen. Das größte Bauvorhaben der Stadt war der Bau des Bildungszentrums mit Gymnasium, Real-und Musikschule, des Hallenbades und der Stadthalle 1975/77 auf dem Roßberg. In der Stadtmitte wurde 1971 ein neues Rathaus mit Museum und Bibliothek gebaut. Durch die 1975 eingeleitete Stadt­ kernsanierung wurde das Geschäftszentrum der Stadt neu gebildet. St. Georgen 1990 während des Stadtfestes. Sanierte Stadtmitte und Bildungszentrum. 44

Die Entwicklung der Stadt wurde u. a. auch durch Wachstum der Produktion ermöglicht. Nahezu alle Betriebe errichteten neue Produktionsanlagen. Manche von ihnen gründeten Zweigbetriebe im In- und Ausland. Um der Industrie eine Erweiterung in St. Georgen zu ermöglichen, wurden neue Industriegebiete erschlossen und frühere erweitert. Die traditionelle Produktion in St. Georgen – Uhrenherstellung, Maschi­ nenbau und Feinmechanik – wurde um die Sparte Kunststoffverarbeitung bereichert. Manche Produkte wurden als Weltneuheiten in den Betrieben entwickelt und produziert. Die Krise der 80er Jahre erreichte auch St. Georgen. Der Konkurs des Plattenspieler­ herstellers, Fa. Dual, im Jahre 1981, bis dahin größter Arbeitgeber, traf St. Georgen am schwersten. Nur wenige Arbeitsplätze konn- ten erhalten bleiben. Neue Firmen siedelten sich in den Räumlichkeiten der Fabrikanla­ gen an, neue Arbeitsplätze wurden geschaf­ fen. Im Dual-Gebäude gründeten 1984 die Industrie, die Banken, die PE-Besitzgesell­ schaft und die Stadt ein Technologiezen­ trum. Im Bereich der technischen Innova­ tion und der Software entstanden dort 18 Unternehmen. Neben der umweltverträglichen Industrie ist St. Georgen, durch seine Lage bedingt und mit Freizeitanlagen ausgestattet, als ganzjähriger Erholungsort bekannt. Das rege kulturelle Leben wird durch mehr als 80 Ver­ eine, Volkshochschule, Bibliothek und die Stadt in Bereichen Musik, Gesang, Theater, Volkstheater, Literatur und Kunstausstel­ lung getragen. Dr. Carl Heinz Ciz Das Wappen der Stadt St. Georgen im Schwarzwald Wappen: In Rot auf linkshin springendem, gol­ den gezäumtem silbernem Roß der golden gerü­ stete heilige Georg, dem auf dem Rücken liegenden grünen Drachen seine silberne Lanze in den Hals stoßend. Der Name der Stadt geht zurück auf das im Jahre 1084 als Cella gegründete und 1086 zur Abbatia erhobene Benediktinerkloster, bei dem sich eine kleine Ansiedlung bildete. Ab Mitte des 15. Jahrhunderts bauten die württembergischen Herzöge ihre Vogtei über das Kloster immer weiter aus. Nach der Säkularisierung 1535 durch den württember­ gischen Herzog Ulrich zogen die Mönche mit ihrem Abt am 6. Januar 1536 in den Schutz der vorderösterreichischen Stadt Villingen. -Ab der 2. Hälfte des 16. Jahrhun­ derts gab es dann ein württembergisches Klosteramt St. Georgen und evangelische Äbte. In den unruhigen Zeiten, besonders im 30jährigen Krieg (1618-1648), wechselten Herrschaft und Glauben noch mehrfach. – Am 13. Oktober 1633 wurden Kloster und Dorf durch die Villinger und kaiserliche Truppen zerstört. Mit dem Westfälischen Frieden geriet St. Georgen endgültig in würt­ tembergischen Besitz, bis dann 1810 die ganze Gegend von Napoleon dem neuge­ schaffenen Großherzogtum Baden zuge­ schlagen wird. Das Kloster hatte als Wappen stets das dem Heiligen zugeschriebene Wappen ge­ führt: In Silber ein rotes Balkenkreuz. – Im Mittelalter konnte man sich nicht vorstellen, daß der heilige Georg, ein Ritter, kein Wap­ pen gehabt haben könnte. 45

Der kleine Klosterort hatte kein eigenes Siegel. Wichtige Schriftstücke wurden vom sog. ,,Kerngericht“ des Klosteramts gesiegelt. Das W a p p e n des Klosteramts war eben­ falls das Kreuzwappen, doch lag schräg hin­ ter dem Kreuz ein goldener Abtsstab (,,Krummstab“), und im Schildfuß war noch ein kleiner grüner Dreiberg eingefügt. -Das S i e g e l des Kerngerichts (die beste Abbil­ dung bringt Zier) zeigt s t e h e n d den Heili­ gen im Harnisch ohne Helm aber mit Nim­ bus (Heiligenschein), die Linke auf den Kreuzschild gestützt, auf dem Brustpanzer ebenfalls ein Kreuz, am Gürtel sein Schwert hängend und in der Rechten ein senkrecht nach unten gerichteter Spieß, der den Rachen eines kleinen Drachens durchbohrt, welcher sich am Boden hinter den Stiefeln des heiligen Ritters ringelt. Die Umschrift ist in zwei Zeilen rund um dieses Bild verteilt: S · IVDICVM MON ESTERI · S · GEORG· HERCYN SILVA. (Die zweite Zeile in wesentlich kleinerer Schrift.) Ausgeschrieben heißt das: Sigillum iudicum monasterii Sancti Georgii in Hercy­ nia silva, oder auf deutsch: Siegel der Richter des Klosters des Heiligen Georg im Herzyni­ schen Wald. -Hercynia Silva ist der keltisch­ römische Name für den Schwarzwald, wie er bei der Erkundung der Donauquellen durch den römischen Kaiser Tiberius und seinen Sohn Drusus genannt wird. – Dieses Siegel erscheint schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Erst in badischer Zeit beginnt eine eigene Siegelführung der noch kleinen Gemeinde. – Das erste Siegel ist abgedrückt auf der Huldi­ gungsliste der Einwohner vom 18. August 1811 für Großherzog Karl von Baden. Es ist oval, neben dem gekrönten Schild mit dem damaligen Staatswappen des neuen Groß­ herzogtums (schräglinks geteilt von Purpur und Rot, oben ein goldener Schrägbalken, unten ein linksgewandter goldener Löwe) steht der Heilige mit Kreuzschild und Hellebarde; als Inschrift stehen oben nur die Buch­ staben ST.G. – Ab 1830 werden neue Sie- 46 gel und Farbdruckstempel verwendet mit der Umschrift GEMEINDE S A N C T G E O R G E N . Sie zeigen alle den heiligen Georg mit Kreuzschild und Spieß auf dem Drachen s t e h e n d . Nachdem St. Georgen, vor allem in der zweiten Jahrhunderthälfte, stark gewachsen war – die Einwohnerzahl betrug nun rund 2600 – erfolgte am 17. Dezember 1891 die Stadterhebung. Hierzu wurde ein neues Sie­ gel beschafft mit der Umschrift S T A D T ­ G E M EIND E ::-ST. G E O R G E N :t-, das nun einen rechtshin r e i t e n d e n Ritter zeigt (mit Helm aber o h n e S c h i l d ! ), der über den Drachen dahinsprengt. 1903 kommt ein größerer Stempel in Gebrauch, der nach dem Entwurf des Zeich­ ners im Großherzoglich badischen General­ landesarchiv Fritz Held einen prächtigen Drachentöter vorstellt, erstmals I i n k s h i n ­ reitend, auf dem Helm ein üppiger Feder­ busch, doch wieder o h n e den Kreuzschild! – Umschrift: STADTGEMEINDE ST. GEORGEN i/Schw. (Amtlich wurde der Namenszusatz „im Schwarzwald“ erst durch die Genehmigung des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 22. Oktober 1962.) Doch nun erscheint e r s t m a l s , von Held nach seinem Siegel gezeichnet, e i n W a p ­ p e n der Stadt -jedoch ohne nähere Festle­ gung von Farben(!). Die Blasonierung (heral­ dische Wappenbeschreibung) lautete ein­ fach: In silbernem Felde St. Georg in n atür­ l ich e n Farb e n. Das ist heraldisch völlig unmöglich! 1911 schuf der Kunstgewerbelehrer Emil Bäuerle eine grafisch herausragende S i e g e 1- zeichnung mit der Inschrift STADT ST. GEORGEN SCHWARZWALD, die auch heute noch ansprechend und modern wirkt und bis in unsere Zeit vorzugsweise -anstelle eines Wappens – verwendet wurde. – Der eigentliche Grund lag in dem zu komplizier­ ten Wappenbild, das vor allem in der Klein­ darstellung in Dienstsiegeln und -stempeln rasch undeutlich wurde. (Ein gutes Wappen muß plakativ gestaltet sein, um in allen Grö-

ßen und Verkleinerungen zu wirken.) Auch störte von Anfang an die ungeklärte Farbgebung des Wappens; immer wiedergab es Vorstöße zu einer Neufassung und farbi­ ger Gestaltung. -Indessen kam erst 1957, durch eine Neuzeichnung des Ratschreibers Theo Arnold, ein Stadtwappen mit Fa r­ b e n zustande. Er übernahm von Bäuerles Siegelbild das sich hochaufbäumende Roß, stilisierte aber St. Georg als „germanischen Krieger“ (siehe die Abbildung am Anfang). – Seine Farbgebung (grüner Drache auf rotem Grund) fand zunächst nicht den Beifall des GLA (Dr. Georg Zier), doch wurde schließ­ lich am 6. November 1957 Einvernehmen erzielt, und seither ist die Arnold’sche Fas­ sung das gültige Wappen der Stadt. Wovon dann unterm Datum vom 15. August 1958 das Innenministerium Baden-Württemberg „Kenntnis nimmt“. -Aber bis heute ist dieses Wappen nicht so populär geworden wie die Bäuerle’sche (farblose) Siegelzeich­ nung. Seit den späten 70er Jahren setzt die Stadt St. Georgen überall dort, wo man andernorts ein Wappen verwenden würde, eine aus­ drucksvolle Vignette ein, die den Drachen­ töter in großartiger Haltung zeigt, in flächig­ plakativem Stil ins Rund komponiert -im Gegensatz zu Bäuerles Zeichnung jedoch ohne Umschrift. -Geschaffen wurde diese prägnante „Marke“ bereits anfangs der 50er Jahre von der jungen Grafikerin Herrat Leiber. Abschließend bleibt festzustellen, daß die Stadt zwar ein Wappen besitzt, es aber so gut wie nicht verwendet. Das kommt letztlich daher, daß man vor 100 Jahren versäumte – anstatt das Siegelbild zu „heraldisieren“ – ein richtiges, einprägsames Wappen zu ent­ wickeln. -Das hätte man, z.B. auf der Grundlage des Georgskreuzes, leicht schaf­ fen können … Prof. Klaus Schnibbe Quellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Gemeindshuldigungen, Amtsbe­ zirk Villingen. – GLA Wappenakten, Amts­ bez. u. Landkr. Villingen u. Stadt St. Geor­ gen. – GLA Wappenkartei, Schwarzwald­ Baar-Kreis. – GLA Siegelkartei, Schwarz­ wald-Baar-Kreis. – E. C. Martini, Geschichte des Klosters und der Pfarrei St. Georgen auf dem Schwarzwald, Villingen 1859 (Nachdr. St. Georgen 1979). – F. Frankhauser u. A. Krieger, Siegel der badischen Städte, hrsgg. v. d. Bad. Hist. Commission, 3. Heft, Heidel­ berg 1909. – 0. Hupp, Deutsche Ortswappen, hrsgg. v. d. Kaffee-HAG, Bremen o.j. {um 1927), Freistaat Baden. – E. Keyser, Badi­ sches Städtebuch, Stuttgart 1959 (= Deutsches Städtebuch, Bd. IV, 2, Teilband Baden). – H. G. Zier, Wappenbuch des Landkreises Vil­ lingen, hrsgg. v. Landkr. Villingen, Stuttgart 1965. – K. Stad/er, Deutsche Wappen, Bun­ desrepublik Deutschland, Band 8, Die Gemeindewappen des Bundeslandes Baden­ Württ., Bremen 1971. – E. Stockburger, St. Georgen, Chronik des Klosters und der Stadt, St. Georgen 1972. – H.-M. Müller, Vom Krummstab zum St. -Georgs-Wappen, in: 900 Jahre Stadt St. Georgen im Schwarzwald, Festschrift, hrsgg. Stadt St. Georgen 1984. – H. John u. M. Heine, Kreis- u. Gemeinde­ wappen in Baden-Württemberg, Bd. 3, Die Kreis- u. Gemeindewappen im Reg.-Bez. Frei­ burg, Stuttgart 1989. -K. Schnibbe, Die Wap­ pen des Schwarzwald-Baar-Kreises, seiner Städte und Gemeinden, Faltblatt, hrsgg. v. Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis, Villingen-Schwenningen 1991. 47

Tannheim Siedlungsgeschichte, Gegenwart und Ausblicke in die Zukunft ,,Tannheim liegt an der alten Römer­ straße, die, von Rottweil über Villingen nach Schaffhausen führend, noch später benutzt und im 14. Jahrhundert ausgebaut worden ist. Da für eine Siedlung Wasser sehr wichtig war, kann man vielleicht annehmen, daß die ersten BewohnerTannheims an dieser Straße und in der Nähe des Wolfsbachs, vielleicht unterhalb der Galluskapelle (= Friedhofs­ kapelle), gesiedelt haben.“ So beginnt der Chronist seinen Beitrag über „Tannheim -Geschichte von Dorf und Kloster am Osthang des Schwarzwaldes“, 1971, Herausgeber Herbert Berner. Die Rö­ merstraße spielt heute keine Rolle mehr; statt dieser dient dem modernen Verkehr die vor sechs Jahren eröffnete Umgehung Villin­ gen-West-Wolterdingen. Tannheim am Osthang des Schwarzwal­ des in zentraler Lage zwischen dem Städte­ dreieck Donaueschingen-Hüfingen-Bräun­ lingen einerseits und der Doppelstadt Villin­ gen-Schwenningen andererseits gelegen, nahm an der Verkehrs- und damit Wirt­ schaftsentwicklung des letzten Jahrhunderts kaum teil. Die Schwarzwaldbahn wie der legendäre „Bregtäler“ ließen Tannheim „links“ bzw. ,,rechts liegen“. Das hatte bis in unsere Zeit hinein seine negativen Auswir­ kungen: Die Landwirtschaft bot der wach­ senden einheimischen Bevölkerung bald nicht mehr ausreichend Arbeit und Brot; dem Handwerk und Gewerbe machte die Fabrikfertigung schwer zu schaffen. Wirt­ schaftskrisen und Kriege taten ein Übriges, so daß viele Erwerbstätige nach auswärts, wenn nicht gar ins europäische und über­ seeische Ausland getrieben wurden. Die allgemeine Mobilität -auch in Tann­ heim kommt inzwischen statistisch auf zwei Bewohner ein Pkw – verdeckt diesen Miß­ stand. Doch in Zeiten knapperer Rohstoffe, teurerer Energie und ständig steigender 48 Umweltbelastung, die das Autofahren ein­ schränken, muß die Anbindung Tannheims an die umliegenden Städte entscheidend ver­ bessert werden. ,,Heim im Tann“ ist die häufigste Erklä­ rung für unseren Ortsnamen. Die -heim­ Orte gehören zur zweiten alemannischen Siedlungsgeneration. Die erste Besiedlung erfolgte ab 260 n. Ch. in den auf -ingen endenden Orten unserer Gegend – Villin­ gen, Choeinga = Klengen, (Donau-)Eschin­ gen, Wolterdingen, u. a. Tannheim wird in einer Schenkungsurkunde an das Kloster St. Gallen zum ersten Mal 817 erwähnt; erste Siedlungsstellen gab es vermutlich schon nach 500. Warum Tannheim „später dran“ war, er­ klären die geologischen Merkmale der Ge­ markung: ,,Noch zum Schwarzwald gehören die Gemarkungsteile westlich des Wolfs­ bachs und die flache Höhe des Stankert nördlich des Ortes. Hier stehen wir auf Bunt­ sandstein, den vor mehr als 200 Millionen Jahren große, von Westen herkommende Flüße abgelagert haben (knapp 40 Meter mächtig). Das kristalline Grundgebirge des Schwarzwaldes (Gneise bzw. überwiegend Granite) findet sich auf der Gemarkung Tannheim nur im Schmelzdobel und im obersten Schwarzbubendobel; wenig weiter südlich bildet es die Steilhänge des Bregtales. Völlig anderes Gestein beherrscht den Anteil der Gemarkung an der Baar. Es ist der Muschelkalk, der zeitlich nach dem Bunt­ sandstein abgelagert wurde, und zwar in einem Flachmeer“ (so in der Chronik von Herbert Berner). Der typische, schon Kelten und Römer abschreckende Schwarzwald endet also auf unserer Gemarkung. Auch die Alemannen ließen es bei dieser Grenze über viele Jahr­ hunderte. Erst ab dem 11. Jahrhundert dran­ gen deren Nachfahren in der Phase des sog.

2. Landesausbaus in den tieferen Schwarz­ wald ein – z. B. nach Pfaffenweiler, Herzo­ genweiler, Linach, Urach, Schollach, … Brachten die Ackerflächen östlich des Wolfsbachs, auf Muschelkald-Untergrund, relativ guten Ertrag, so gaben hingegen die Buntsandsteinflächen im Westen, wenn sie schon gerodet waren, kaum mehr her als Weideland, das die Ortsgemeinschaft bis in die Neuzeit hinein den Bürgern als All­ mende, also gemeinsam nutzbares Land, zur Verfügung stellte. Sieht man von einer noch klimatologisch zu bestätigenden Warmphase im Hochmit­ telalter ab, so herrschte in unserer Gegend durchgängig kontinentales Klima vor: lange, schneereiche Winter, kurzes Frühjahr, kur­ zer, oft verregneter Sommer, milder Herbst. Vegetationshemmend wirkten sich oft Bodenfröste bis in den Juni hinein aus, ebenso erste Fröste Ende August. Bedingun­ gen also, unter denen die Bewirtschaftung von Äckern und Feldern sehr erschwert wurde. Die seit dem 16. Jahrhundert ständig steigende Anzahl an Einwohnern – von 1584 ca. 150 Einwohner auf 1850 ca. 750 Einwohner – konnte allein in und von der Landwirtschaft nicht leben. Um in Tannheim trotzdem „daheim“ bleiben zu können, mußten viele Menschen ins Handwerk und Gewerbe ausweichen. Sowohl im Dorf selbst als auch in benach­ barten Orten bot es ein leidliches Auskom­ men. Neben zahlreich vertretenen Berufen wie Webern, Wagnern, Schreinern, Müllern und Sattlern waren auch Seifensieder, Schin­ delmacher, Hafner, Schildmaler und Bild­ schnitzer anzutreffen. Selbst das Gewinnen von Kienöl, das Torfstechen und Strohflech­ ten wurden betrieben. Zeugen dafür finden sich allerdings nur spärlich: in entsprechen­ den Gewann-Namen, in einzelnen Häusern oder Hausbezeichnungen, in Anekdoten, die von älteren Einwohnern überliefert wer­ den. Denn der wirtschaftliche Wandel hin zur industriellen Massenfertigung und die 49

Ablösung alter Techniken und überholter Materialien brachten die Mehrzahl dieser Handwerksberufe zum Verschwinden. Die im Aufbau befindliche Heimatstube im alten Kindergarten soll eines Tages auch Zeugnisse dieser vergangenen Zeiten beher­ bergen, um überliefernswertes Altes nicht ganz dem Vergessen preiszugeben. Was der Landwirtschaft zum Nachteil, ist dem Erholungssuchenden oder Rekonvales­ zenten, dem Wanderer oder Urlauber gerade recht. Denn anders als in Rheinebene oder am Bodensee bestechen Frühling und Herbst mit guter Luft und einmaliger Fern­ sicht bi zu den Alpen. Knapp 800 Meter über dem Meeresspiegel muß man sich zwar meist warm anziehen, doch dafür entschädi­ gen Reizklima und Umgebung Tannheims. Gut gebaute Wege in Wald und Flur erschlie­ ßen Ochsenberg, Plattenmoos und Wolter­ dinger Weiher ebenso wie die Burgruine Zin­ delstein als Nahziele und bieten dem Gast lohnende Anlaufstellen mit zum Teil einma­ liger Flora und Fauna. Nutzen werden dies im verstärkten Maße in naher Zukunft Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aus der ganzen Bundesre­ publik. Im Westteil der Gemarkung, an der Waldgrenze, wird eine bundesweit einmalige Modellklinik errichtet, in der diese Patienten zusammen mit ihren Familien für vier Wochen zur Nachsorge weilen. Die Arbeits­ gemeinschaft Kinderkrebsnachsorge sowie die Klaus-Jürgen-Wussow-Stiftung wollen diese Nachsorgeeinrichtung für krebs-, herz­ und mukoviszidosekranke Kinder errichten und betreiben. Die Hoffnung ist sicher nicht unbegründet, daß die Fertigstellung des Pro­ jekts etliche Einwohner Tannheims eine neue Arbeitsstätte finden werden. 480 von ca. 900 volljährigen Tannheimem pendeln Tag für Tag in die nächstgelegenen Städte, davon über 90 0/o nach Villingen­ Schwenningen. Noch fünfVollerwerbsland­ wirte bleiben übrig, neben 25 Berufskollegen im Nebenerwerb, die ihren Grund und wei­ teres Pachtland, insgesamt 551 ha, umtrei­ ben. Mehr als zwanzig Frauen aus der Ort- so schaft fanden Arbeit bei der Firma Moser (Unterkirnach); in deren vor einigen Jahren erweiterten Zweigwerk fertigen sie kleinere elektrische Geräte. Zwei „Tante-Emma­ Läden“ halten für ihre Kundschaft ein gro­ ßes Sortiment an Nahrungsmitteln und Din­ gen des täglichen Bedarfs parat. Drei Gastro­ nomiebetriebe bieten dem Einkehrenden Speis und Trank. Der Handwerksbereich konzentriert sich vor allem im holzverarbei­ tenden Gewerbe; rund 45 Personen finden dort Beschäftigung. Eine Metzgerei, eine Weinhandlung, eine Hühnerfarm, ein Tief­ bauunternehmer, zwei Bankzweigstellen, zwei Fahrunternehmen und eine Außen­ stelle der Post/ Telekom vervollständigen die dörfliche Wirtschaftsstruktur. Die Kirche ist im Dorf-die Schule bleibt im Dorf1 Die 1907 eingeweihte, im neugoti­ schen Stil erbaute Pfarrkirche St. Gallus mit­ ten im Ortszentrum ist der markanteste und überragende Punkt Tannheims. Sie wurde aus den Überresten des 1803 aufgelösten und ab 1898 abgebrochenen Pauliner-Klosters für die damals stolze Summe von 120.000 Mark erstellt. Damit erhielt die katolische Pfarrge­ meinde endlich ein Zuhause. Neben dem damals ebenfalls errichteten Pfarrhaus wur­ den im Jahr 1992 die Dekanats-Verrech­ nungsstelle sowie ein Gemeindesaal bezo­ gen. Doch seit drei Jahren muß St. Gallus ohne eigenen Geistlichen auskommen. Nur viel ehrenamtliches Engagement-für alle sei die rührige Pfarrgemeinderatsvorsitzende Lore Zimmermann genannt-läßt das kirch­ liche Leben weiter gedeihen. Alleine von St. Fidelis/Villingen aus, wohin unsere Pfarrei neuerdings „gehört“, wäre dies nicht machbar. Kultusministerielle Auflösungstendenzen machten auch der Grund- und Hauptschule vor nicht allzu langer Zeit zu schaffen. Sollte doch der Gebäudekomplex Schule und Leh­ rerwohnhaus (4 Wohnungen) knapp zwan­ zig Jahre nach Erstbezug wieder verwaisen! Unermüdlicher Einsatz aller Beteiligten konnte ein Umdenken in Stuttgart erzwin­ gen. Darüber sind nicht nur die Schulkinder,

die bis zur 6. Klasse an ihrem Wohnort unter­ richtet werden können, froh, sondern wie die jüngste Entwicklung – Wiedereröffnung sogenannter Zwergschulen im ländlichen Raum – belegt, wohl auch die Verantwortli­ chen im Ministerium. Die Ortsmitte vervollständigt das Rat­ haus, früher der politische Mittelpunkt des Dorfes. Doch auch hier hinterließ der Zug der Zeit, genannt Verwaltungsreform, blei­ bende und für Tannheim auch unvorteil­ hafte Einschnitte. Nachweislich seit 1833 mit einer eigenen, funktionierenden Gemeinde­ verwaltung versehen, hielt sich Tannheim insgesamt gut über Wasser. Vor allem der Waldreichtum ermöglichte der Gemeinde eine gesunde finanzielle Grundlage. Neben 442 ha fürstlichem und 3 ha Privat-Wald gehörten 502 ha Gemeindewald der Dorfge­ meinde. Dieser „Schatz“ ermöglichte manch außerordentliche Baumaßnahme und lie­ ferte gutes Trinkwasser. Nun bescherte uns die damalige Große Koalition in Stuttgart die Eingemeindung nach Villingen-Schwenningen. Man folgte – wie Pendler – dem Drang nach Größerem. Doch einiges wurde und ist auch heute noch zu groß und damit unüberschaubar. Zumin­ dest der Gemeinderat der Doppelstadt teilte diese Meinung; er beschloß im Jahre 1992, sich von 65 auf 40 Mitglieder zu verkleinern. Tannheim aber wird dann höchstwahr­ scheinlich nicht mehr vertreten sein, weil der Gemeinderat die unechte Teilortswahl und damit den garantierten Sitz im Gremium für die kleinen Stadtbezirke aufhob. Doch Orts­ vorsteherin Helga Eilts, die einzige Frau im Kreisgebiet in dieser Funktion, läßt die Bür­ gerinnen und Bürger Tannheims und die städtischen Dienststellen spüren, daß sie mit vollem Einsatz Tannheims Belange wahr­ nimmt. Sie hat sich nach nunmehr gut drei Jahren Amtszeit zum unersetzbaren An­ sprechpartner für die Stadt gemacht, dem gebührend Gehör geschenkt wird. Zusam­ men mit einem kooperativen Ortschaftsrat repräsentiert sie eine weiterhin intakte Orts­ verwaltung, die den täglichen großen und kleinen Anliegen der Bürgerinnen und Bür­ ger Rechnung tragen können. Auch diesbe­ züglich gilt: Heim im Tann, nicht leblose Stadtrandsiedlung oder Schlafgemeinde. Überquellendes Leben vernimmt der Besucher schon von weitem, nähert er sich dem Kindergarten. Insgesamt 68 Kinder, davon 13 aus Herzogenweiler, fühlen sich im modern und dank Stadt und einiger Eltern­ initiativen optimal ausgestatteten Kindergar­ ten bei insgesamt sechs Betreuerinnen bestens aufgehoben. Seit 1922 besteht diese Einrichtung, früher Kinderschule benannt. Ursprünglich von drei Ordensschwestern aus Bühl betrieben, die im selben Gebäude wohnten, wandelte sich das Gesicht dieser Einrichtung sehr stark. Heim und Heimat assoziieren dem Le­ ser Zusammengehörigkeit, Geborgenheit, Menschlichkeit, Miteinander, Verantwor­ tung, Spiele und Feste. Nicht weniger als sechzehn Vereine bereichern das Gemeinde­ leben. Die Schwerpunkte liegen im sport­ lichen – Fußball, Tennis, Tischtennis, Kegeln, Sportschützen -, im kulturellen – Musikverein, Männergesangverein, Kir­ chenchor, Akkordeonverein – und im so­ zialen Bereich – Feuerwehr, Rotes Kreuz, Jugendrotkreuz, VdK, Senioren- und Frau­ engemeinschaft, Landfrauenverein. Nicht zu vergessen sind zwei Motorradclubs sowie die Osemalizunft. Sportstätten sind in reichlichem Umfang vorhanden: Ein Fußballplatz mit Vereins­ heim, ein Tennisplatz mit drei Spielfeldern und einem Vereinsheim, das beheizte Frei­ bad, neuerdings mit Solarheizung, sowie dahinter die Schießanlage und das Schüt­ zenhaus. Was die Lebensqualität in Tannheim an­ belangt, haben wir es mit einem guten Umfeld zu tun. Neubaugebiet und Modell­ klinik verlangen ihren Tribut in Form von Landschaftsverbrauch. Die Einsicht aller und verantwortliches Verhalten der jetzigen und der nachfolgenden Generationen kön­ nen das Heim im Tann erhalten. Klaus Limberger 51

Das Wappen von Tannheim Wappen: In Silber eine schwarz-bewurzelte grüne Tanne mit vier schwarzen Zapfen. Schon auf der Gemeindshuldigung der Tannheimer Einwohner von 1811 für den neu an die Regierung gekommenen badischen Großherzog Karl ist ein kleines, hochovales Oblatensiegel angebracht, das in einem Wappenschild eine auf einem Boden stehende Tanne, unten beseitet von zwei kleinen Tännchen und oben von zwei Sternen, zeigt. Die Umschrift besteht nur aus den drei Buchstaben V D A, die wohl ,,Vogtey Danna“ bedeuten mögen. -Später­ hin wurden nur noch reine Schriftsiegel ver­ wendet. Als sich die Gemeinde 1896 um ein Wap­ pen bemühte, schlug das Großherzoglich Badische Generallandesarchiv Karlsruhe für Thannheim, wie es damals geschrieben wurde, das oben abgebildete Wappen vor. – Dabei griff man auf das Wappen der längst ausgestorbenen Ritter von Tannheim zu­ rück, wie es auf Siegelabdrücken bereits aus dem 14. Jahrhundert überliefert ist. Der Gemeinderat war sofort damit einverstan­ den. – Erst mit der Eingemeindung in die neugebildete Doppelstadt Villingen- Schwenningen zum 1. April 1972 ist dieses eindrucksvolle Wappen als amtliches Zei­ chen erloschen. Prof. Klaus Schnibbe Quellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Wappenakten, Amtsbezirk und Landkreis Donaueschingen. – GLA Wappen­ kartei, Schwarzwald-Baar-Kreis. – GLA Siegelkartei, Schwarzwald-Baar-Kreis. – Für­ stenbergisches Urkundenbuch, hrsgg. v. Fürst!. Fürstenbergischen Hauptarchiv Donaueschin­ gen, Band 6, betr. v. Tannheim. – K. Schnibbe, Gemeindewappen im ehem. Land­ kreis Donaueschingen, in: Schriften des Ver­ eins f Geschichte u. Naturgesch. d. Baar in Donaueschingen, Band 33 (1980). Epfenhofen Markantes Wahrzeichen: Eisenbahnviadukt der strategischen Bahn Epfenhofen, eingebettet im Kommen­ bachtal und umgeben von Wiesen und Wäl­ der, erinnert jeden Besucher an ein ganz mar­ kantes Wahrzeichen, den Eisenbahnviadukt der strategischen Bahn, die 1890 ihren Betrieb aufgenommen hat. Aus wirtschaft­ lichen Gründen hat die Bundesbahn 1955 die vorübergehende Betriebsstillegung ver­ fügt und schließlich die dauernde Einstel­ lung mit Wirkung vom 1. Januar 1976 ange­ ordnet. Der Stadt Blumberg ist es nach intensiven Verhandlungen mit der Bundesbahn und den zuständigen Ministerien gelungen am 21. Mai 1977 den Museumsbahnbetrieb auf­ zunehmen, der bisher mit großem Erfolg durchgeführt wird. Der Talübergang hat eine Länge von 264 Meter und eine Höhe von 34 Meter und ist zugleich das größte Brücken­ bauwerk der Museumsbahn. Aber auch der Biesenbachviadukt auf Epfenhofener Ge­ markung mit 252,5 Meter Länge und 24 52

Meter Höhe, der zweitgrößte der Strecke, findet die Bewunderung der Bähnlefahrer. Die erste urkundliche Erwähnung des Ortes reicht in das Jahr 1145. Berichtet wird vom Grundbesitz des Klosters St. Gallen und der späteren Zugehörigkeit zur Kom­ mende Mainau. Das Immunitätsgebiet des Klosters Allerheiligen ging 1451 an die Stadt Schaffhausen und erstreckte sich nicht nur über den Randen, sondern auch auf das vor­ gelagerte Gebiet bis zur Wutach und auf die Höhe des Buchbergs zwischen Pützen und Blumberg. Schaffhausen nahm zugleich auch die hohe Gerichtsbarkeit für sich in Anspruch, während sich die fürstenbergi­ sche Landgrafschaft Baar als hierfür zustän­ dig erklärte. 1722 verkaufte Schaffhausen seine hohen Gerichte mit Blut-, Forst-und Wildbann über Pützen und Grimmelshofen an das Kloster St. Blasien, behielt aber die Jurisdiktion weiterhin über Epfenhofen. Es kam sogar zu Zwischenfällen bei der jagdli­ chen Ausübung durch Schaffhausener Jäger auf dem Epfenhofener Bann. Erst im Staats­ vertrag zwischen der Schweiz und Baden vom 1. März 1839 über die Regulierung der Schaffhausener Grenze wurde Epfenhofen im Zuge eines Gebietsaustausches badisch {vgl. Almanach 1990, Seite 152-156). Durch die Gemeindereform erfolgte mit Wirkung vom 1. Januar 1971 die Eingliederung Epfen­ hofens in die Stadt Blumberg. Die Gemarkungsfläche von Epfenhofen beträgt 456 Hektar, darunter 161 Hektar Wald. Nahezu konstant geblieben ist die Einwohnerzahl in den vergangenen 20 Jah­ ren, sie liegt bei 350. Ein Teil der Wünsche konnten in den letzten Jahren berücksichtigt werden, einige größere „Brocken“ warten noch auf Erledigung. In erster Linie ist hier die Verkehrsberuhigung zu nennen. Für die Anlieger an der Ortsdurchfahrt (Bundes-53

straße 314) ist die Situation unerträglich geworden. Schon Ende der 70er Jahre wurde nach vernünftigen Lösungen gesucht. Eine geplante Trassenführung am kleinen Buch­ berghang, sicherlich die einfachste und bil­ ligste Lösung, scheiterte am Widerstand der Natur- und Landschaftsschützer. Gemeinde­ rat und Ortschaftsrat haben sich seither mit einer ganzen Anzahl von Entwürfen be­ schäftigt, wobei vor allem auch die Ein­ wände der Landwirtschaft berücksichtigt werden sollten. Seit einigen Jahren ist die Trassenführung für die Ortsumgehung aus­ gestanden. Verschiedene Vorkehrungen, auch für den Randenaufstieg, sind getroffen. Fachleute rechnen allerdings erst mit einer Fertigstellung im Jahre 1994. Ein weiterer Wunsch der Bevölkerung, insbesondere der Vereine, ist die Erweite­ rung und der Ausbau des Gemeinschaftshau­ ses. Zur Befriedigung der Bedürfnisse auf dem kulturellen und vereinsbedingten Sek­ tor hat die Stadt Blumberg unmittelbar nach der Eingemeindung im Jahre 1972 von der Oberfinanzdirektion die ehemalige Zoll­ hundeschule erworben und notwendige Reparaturen durchgeführt. Um allerdings den Forderungen und Wünschen des Ort­ schaftsrates und der Vereine Rechnung zu tragen, müßten nach einem Kostenvoran­ schlag aus dem Jahre 1989 nochmals rund 750 000 Mark investiert werden. Bei der der­ zeitigen Finanzlage der Stadt kann kaum mit einer schnellen Verwirklichung gerechnet werden. Sehr aufwendig war die Errichtung eines Sportplatzes oberhalb des Gemeinschafts­ hauses mit 60prozentiger Beteiligung der Stadt. Ein ungelöstes Problem ist die Abwasser­ beseitigung. Diese Maßnahme kann erst in Angriff genommen werden, wenn in Fützen Hotel „Löwen� im Hintergrund St.-Gallus-Kirche 54

die Kläranlage fertiggestellt ist. Der Spaten­ stich war im Dezember 1991. Damit unmit­ telbar zusammen hängt die längst fällige Ausweisung eines Bebauungsgebietes. Das in den 60er Jahren neuerstellte Schul­ haus hatte nach Verwirklichung des Schul­ entwicklungsplanes ausgedient. Die Grund­ schüler wurden dem benachbarten Fützen zugeteilt. Im leerstehenden Schulgebäude konnte der städtische Kindergarten für Epfenhofen und Fützen untergebracht wer­ den. Erhebliche strukturelle Veränderungen sind im landwirtschaftlichen Bereich einge­ treten. Selbst von den drei Aussiedlerhöfen wird nur noch der Klausenhof als Voller­ werbsbetrieb bewirtschaftet. Nebenerwerbs­ landwirte spielen kaum noch eine Rolle. Die meisten landwirtschaftlichen Flächen sind verpachtet, ein Großteil davon an Schweizer Landwirte. Am Ort befinden sich ein Hotel und zwei Gaststätten. Durch die im Bau befindliche Ortsumgehung dürfte der Fremdenverkehr gewinnen, zumindest ist der Ausbau mög­ lich. Ein vorhandenes Lebensmittelgeschäft deckt die Bedürfnisse der Grundversorgung. Die mehr und mehr in den letzten Jahren dahinsiechende Poststelle wurde Ende 1991 aufgehoben. Eine Besonderheit im Stadtteil ist sicher­ lich die Freiwillige Feuerwehr. Sie verfügt auch über eine Damengruppe, die erste Hilfe leisten kann, wenn sich eine Notwendigkeit ergibt. In über 2000 Arbeitsstunden haben die Floriansjünger 1986 eine Unterkunft für das neue Einsatzfahrzeug geschaffen. Ein le­ bendiges Vereinsleben fördert das gute Mit­ einander der Dorfgemeinschaft. Der Musik­ verein („Kommentaler Musikanten“) ist durch seine volkstümliche Musik weit über die engeren Grenzen hinaus bestens bekannt. Das 70jährigeJubiläum des Vereins im Jahre 1990 war eine eindrucksvolle Demonstration der Blasmusik. Ein Jahr spä­ ter konnte auch der Sportverein den 30.Geburtstag feiern. Daneben sind es der Narrenverein und die Landfrauen, die viele Aktivitäten entfalten. Die Vereine haben im Jahre 1981 auf dem Bohlbuck eine Block­ hütte errichtet, die allgemein angenommen wird. Im Jahre 1845 wurde Epfenhofen eine eigene Pfarrei. Die heutige St.-Gallus-Kirche stammt aus dem Jahre 1863. Die Betreuung der Pfarrei erfolgte allerdings bis zum heuti­ gen Tage von Geistlichen der Nachbarschaft, seit Jahren vom Fützener Pfarrer. 1981/82 wurde die neogotische, neoromanische Aus­ malung und Dekoration, die Ausstattung der Altäre, Kanzel und Chorgestühl gründlich renoviert mit einem Kostenaufwand von rund 275 000 Mark. Ein neuer Altar konnte 1991 beschafft und eingeweiht werden. Die Orgel bedarf einer gründlichen Überholung. Noch keine Entscheidung ist über die baufäl­ lige Pfarrscheuer getroffen worden. Epfenhofen wurde auch bekannt durch seinen Heimatsohn Pater Josef Merk. Er wurde 1962 zum Priester geweiht, war Missio­ nar aus Leib und Seele und wirkte zuletzt segensreich auf einer Missionsstation in Tan­ sania. Von einem schweren Autounfall am 26.Februar 1990 konnte er sich nicht mehr erholen. Ein Gedenkstein auf dem heimi­ schen Friedhof erinnert an sein Wirken. Hans Müller Baarwanderung Haare verweht vom stürmischen Wind Ohren voll Krähengelächter Bussardruf begrenzt den Horizont Rascheln von vorjährigem Laub unter den Füßen am Wegrand Frühlingsblüher in deinem Windschatten geht es sich gut Christiana Steger 55

Das Wappen von Epfenhofen Wappen: In Silber ein schwarzes Talzenkreuz, belegt mit rotem Herzschild, darin ein sechs­ speichiges goldenes Rad. Im 19. Jahrhundert führte die Gemeinde ein Siegel, das innerhalb der Umschrift GEMEIND EPFENHOFEN in einem von Laubzweigen umgebenen und mit einem Kränzlein bedeckten Ovalschild eine „Kli­ stierspritze“ zei.gt, die auch ein Opferdinger Siegel zierte. Uber deren Bedeutung war schon um die Jahrhundertwende nichts mehr bekannt. So schlug schließlich im Jahre 1903 das Großherzoglich Badische Generallandesarchiv das obige Wappen vor. Epfenhofen wurde im Jahre 1488 von den Herren von Klingenberg an die Deutsch­ ordenskommende Mainau verkauft. In deren Besitz blieb unser Ort bis 1806, als er von Napoleon an das neugeschaffene Groß­ herzogtum Baden gegeben wurde. – Der Wappenvorschlag, den der Gemeinderat noch im Sommer 1903 annahm, enthält das Deutschordenskreuz und zur Differenzie­ rung im roten Herzschild das goldene Rad, das die Klingenberger auf einem roten Kis­ sen als Heimzier zu ihrem schwarz-silber geteilten Wappenschild führten . – In den Dienstsiegeln der Gemeinde wurde aller- dings das Ordenskreuz meist als sog. Krük­ kenkreuz wiedergegeben, was immer wieder zu Beanstandungen führte. Mit der Eingemeindung in die Stadt Blumberg zum 1. Januar 1971 ist das schöne Wappen für den amtlichen Gebrauch er­ loschen. Prof. Klaus Schnibbe f2Jtellen und lileralur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Wappenakten Bez. Bonndorf u. landkr. Donaueschingen. – GLA Wappen­ kartei, Schwarzwald-Baar-Kreis. – GLA Siege/karte,� Schwarzwald-Baar-Kreis. W Merz u. F. Hegi, Die Wappenrolle von Zürich, Ziin’ch-leipzig 1930, betr. v. Klin­ genberg. – K. Schnibbe, Gemeindewappen im ehem. Landkreis Donaueschingen, in: Schrif len des Vereins/ Geschichte u. Naturgesch. d. Baar in Donaueschingen, Band 33 (1980). Lina eh Ein kleiner Ort im Schwarzwald mit einem regen Gemeinschaftsleben Wenn wir durch das Bregtal kommen, so biegt zwischen Hammereisenbach und Vöh­ renbach eine schmale Landstraße in westli­ cher Richtung in das Linachtal. Die Enge des Tales, der Wald beidseitig bis zur Straße rei­ chend, läßt nicht vermuten, daß schon etwa nach 2 km das Tal sich weitet. Doch vorher begegnen wir noch der Linach-Talsperre, ein interessantes Bauwerk, das 1921-24 zur Stromversorgung der Stadt Vöhrenbach im 56 Linachtal gebaut wurde. Der Stausee liegt auf der Gemarkung Vöhrenbach, und wir müs­ sen noch etwa 1 km talaufwärts, um die Gemarkungsfläche von Linach zu erreichen. Hier ist nun mit 870 m ü. M. der tiefste Punkt der Gemarkung. Dieses Tal, das nun vor uns liegt und parallel zum Urachtal einerseits und Schönenbachertal andererseits nach Westen verläuft, ist typisch für den nach Osten verhältnismäßig sanft abfallenden

Linachtal von Gemarkungsgrenze zu Vöhrenbach Mitteltal: Weiserhof und Altes Schulhaus 57

Schwarzwald zur Baar hin, während der Schwarzwald nach Westen hin ja steil und zerklüftet zur Rheinebene abfällt. Wer nun glaubt, bald einen Ortskern von Linach zu finden, täuscht sich, denn diese Talgemeinde besteht nur aus Einzelgehöften und den im Laufe der Jahrhunderte dazugebauten Häu­ sern. Eine für den Hochschwarzwald typi­ sche Häuserlandschaft bzw. Streusiedlung. Im Untertal, das wir von dieser Richtung her zunächst erreichen, steht die in den letz­ ten Jahren neu hergerichtete St.-Wendelins­ kapelle. Daneben wurde 1974 aufgrund des Eingemeindungsvertrages ein Gemeinde­ haus erstellt. Hier sollte der gesellschaftliche Mittelpunkt von Linach entstehen, denn unmittelbar daneben stand das Gasthaus „Adler“, der Wirtsho[ Dieser stattliche Besitz wurde 1978 an einen Auswärtigen ver­ kauft. Das Haus stand leer und ist 1984 einem Großbrand zum Opfer gefallen. Gaststätte und Hof wurden nicht mehr aufgebaut und sind damit wohl endgültig eingegangen. Glücklicherweise wurde der Michelhof im Obertal in eine Gaststätte umgebaut und 1979 eröffnet. Ein Schmuckstück dieses Gasthofes ist die Kassettendecke in der Gast­ stube, die vom berühmten Uhrenschildma­ ler Karl Straub aus Linach bemalt wurde. Vom Michelhof aus noch einen guten Kilo­ meter zur Lettwies und Leimoos erreichen wir die westliche althistorische Grenze zu Furtwangen bei 1027 m ü. M. Doch der höchste Punkt dieser 893 ha großen Gemar­ kung liegt auf dem Höhenrücken zu Urach beim Kohlwasen mit l.lll,5 m. Die erste Erwähnung von Linach ist eine Urkunde vom 9.12.1299. Hier wurde ein Rechtsstreit zwischen Graf Gebhard von Fürstenberg und dem Kloster Salem wegen der Abgaben (Zehnten) beendet. Doch es ist sicher, daß die ersten Ansiedler schon wesentlich früher ins Tal kamen. Die Ro­ dung und Besiedlung war zu diesem Zeit­ punkt wohl abgeschlossen. Einer überliefer­ ten Sage nach, die von Bürgermeister Straub 1921 niedergeschrieben wurde, sei die erste Ansiedlung eine Köhlerhütte bei einem Lin- 58 denbaum gewesen. Der erste Aussiedler soll „Lindenbua“ geheißen haben. Der Abt von St. Georgen habe befohlen, daß nicht zusammengeläutet werden darf, bevor der Lindenbua und der „Sime aus dem schönen Wald“ (Simonswald?) da seien. Die ersten Namen von Linacher Hofbesit­ zern tauchen um 1370 auf. Es sind die Namen Conrat, Kussen, Cunrat, Vielkint, Claus Lullin, Bennis Ritterz und Hans Most. Die frühesten Linacher Bewohner gehörten wie auch die Vöhrenbacher zum Kirchspiel Herzogenweiler. Erst im Jahre 1480 wurde Vöhrenbach eigene Pfarrei und Linach wurde nun daraufhin mit Schönenbach, das schon längst eine Kirche hatte, dieser Pfarrei zugeteilt. Im Jahre 1608 wurde in Linach eine eigene Kapelle gebaut und dem St. Wendel in geweiht. Als Schönenbach eigene Pfarrei wur­ de, kam Linach dazu, und dies gilt bis heute. Die weltliche Herrschaft hatten über viele Jahrhunderte die einzelnen Linien der Für­ stenberger. Linach lag an der Staatsgrenze, denn Furtwangen gehörte zum Breisgau. Es gab keine Verbindung durch das Mederstal nach Furtwangen. Wer nach Furtwangen mußte, ging den Kirchweg nach Schönen­ bach und dann nach Furtwangen. Erst im Jahre 1858 wurde anläßlich einer Ortsberei­ sung der Ausbau des Weges durch das Mederstal angeregt und bald auch durchge­ führt. Diese Entscheidung war für die viel spätere Entwicklung von Linach von beson­ derer Bedeutung. Im Jahre 1878 wurde die Linacher Ortsstraße in den Besitz des Kreis­ verbandes Villingen übernommen. Diese Straße wird gegenwärtig vom Schwarzwald­ Baar-Kreis von der Lettwies bis zum »Alten Schulhaus“ verbreitert und sehr landschafts­ schonend ausgebaut, nachdem der Ausbau durch das Mederstal schon in den 70er Jah­ ren erfolgte. Politisch brachte das Jahr 1806 eine große Änderung. Der letzte regierende Fürst Karl Egon mußte seinen Zivilbesitz, wie auch die Herrschaft an den Großherzog Karl Fried­ rich von Baden abtreten. Seit dieser Zeit gehört Linach zum Land Baden.

Obertal: Altvo h ,r ,gts DJ, Lettwies, Leimoos Michelhof im Linachtal 59

Als sich später größere Industriebetriebe in Furtwangen, aber auch in Vöhrenbach entwickelten, wählten die Linacher meist die kürzere Wegstrecke durch das Mederstal nach Furtwangen. Auf diese Weise entstand eine neue wirtschaftliche, aber auch gesell­ schaftliche Verbindung zu Furtwangen. Als nun im Jahre 1970 die Baden-Würt­ tembergische Landesregierung die Gemein­ dereform durchführte, mit dem Ziel, klei­ nere Gemeinden zusammenzuschließen oder in größere Städte einzugemeinden, um größere (und „bürgernähere“!) Verwaltungs­ zentren zu haben, war auch für Linach die Selbständigkeit vorbei. Zwar haben sich die Bürger bei einer Wahl im Herbst 1971 für die weitere Selbständigkeit ausgesprochen, aber ein „Wink von oben“ ließ Bürgermeister und Gemeinderäte erkennen, daß die Selbstän­ digkeit nicht mehr lange zu halten sei. Man entschloß sich mit knapper Mehrheit, auf­ grund der vielen Verbindungen, sich nach Furtwangen und nicht nach Vöhrenbach einzugemeinden. Linach ist nun seit dem 1.10.1972 der kleinste Stadtteil von Furtwan­ gen. Bereits schon drei Jahre vor der Einge­ meindung wurde die Linacher Schule aufge­ löst. Die Kinder gingen zunächst noch nach Vöhrenbach und wurden dann ab 1978, nachdem die Kreisstraße durch das Meders­ tal ausgebaut war, schrittweise den Schulen der Kernstadt zugeführt. Etwa 200 Jahre vor­ her fand die von Kaiserin Maria Theresia ein­ geführte Normalschule auch auf dem Für­ stenberger Gebiet, und damit auch in Linach, Eingang. Vorher wurden die Kinder vom Messmer oder später vom Pfarrer nach dem Sonntagsgottesdienst unterrichtet (Sonn­ tagsschule). Interessant ist sicher auch noch die Ent­ wicklung der Bevölkerungszahl. Im Jahre 1715 lebten in Linach 101 Menschen. 1832 hatte Linach mit 323 Bewohnern die wohl höchste Einwohnerzahl. Eine Aufzeichnung aus dem Jahre 1838 sagt uns, daß in Linach 160 Kinder leben. Dann sank die Einwohner­ zahl ständig, 1864 waren es noch 289, im 60 Jahre 1927 noch 171 und jetzt sind es gar nur noch 137 Einwohner. Durch ein reges Vereinsleben ist in Linach ein Stück Eigenständigkeit erhalten geblie­ ben. Der älteste heute noch existierende Ver­ ein ist der Männergesangverein Liederkranz, der 1909 gegründet wurde. Eine Laienspiel­ gruppe spielt seit 1911 bis heute ein Theater­ stück immer am Sonntag vor Weihnachten, das danach auch noch an anderen Orten aufgeführt wird. Dazu gibt es seit über 30 Jah­ ren den Harmonikaverein „Wälderbuebe“. Wenn man bedenkt, daß der Männergesang­ verein 27 aktive Sänger und der Harmonika­ verein im Stammorchester, der Jugend­ gruppe und den Zöglingen insgesamt 53 (!) aktive Musikanten hat, kann man ermessen, welch kulturelle Eigenständigkeit in Linach vorhanden ist und sich auch auf die nähere Umgebung auswirkt. Erfreulich und wohl einmalig ist, daß sich fast die gesamte Jugend von Linach musikalisch betätigt. Neben der Freiwilligen Feuerwehr, die vor zwei Jahren ihr 50jähriges Jubiläum feiern konnte, gibt es noch den Furtgau-Club, der als Fahrgemein­ schaft zu den Festen der Umgebung von unseren Jugendlichen gegründet wurde, und mittlerweile eigene Veranstaltungen wie Ski­ rennen, Tanzveranstaltungen usw. organi­ siert und damit auf diese Art ihren Beitrag zum gesellschaftlichen Leben in dieser klei­ nen Talgemeinschaft leistet. Während man in früheren Jahrhunderten in Linach ausschließlich von der Landwirt­ schaft und dem dazugehörenden Handwerk lebte, verdienen heute die meisten Familien ihr Einkommen in den modernen und wett­ bewerbsfähigen Industriebetrieben von Furtwangen. Fünf landwirtschaftliche Voll­ erwerbsbetriebe verkaufen heute in der Hauptsache Milch, Fleisch und vor allen Dingen Holz. Sie sorgen mit ihrer Landbe­ wirtschaftung dafür, daß der landschaftliche Reiz dieses Tales, die offenen Matten und Bergwiesen, aber auch die gepflegten Wäl­ der, die sich auf den Höhenrücken nach Schönenbach wie auch nach Urach entlang­ ziehen, erhalten bleiben. Bernhard Dorer

Das Wappen von Linach Wappen: In Silber auf grünem Boden rechts eine rote Köhlerhütte, links ein grüner Baum, das ganze überdeckt von einem schwarzgekleideten Mann mit roter Weste und schwarzem Hut, die Linke erhoben. Anfang der Zwanzigerjahre des vorigen Jahrhunderts wird von der Talgemeinde erstmals ein eigenes Siegel verwendet; erster bekannter Abdruck von 1823. (Die Ge­ meindshuldigung vom 18. August 1811 für Großherzog Karl von Baden hatte noch der Vogt Nikolaus Wehrle mit seinem Privatsie­ gel versehen; die Huldigung von 1819 für Großherzog Ludwig 1. ist nicht besiegelt.) Das Siegel mit der Inschrift VOGTEY LINACH zeigt zwi­ schen einer bienen­ korbartigen „Hütte“ und einem Baum, hinter dem sich noch ein Gebüsch ausbrei­ tet, einen kleinen Mann mit Hut, der – wohl abgewandt stehend-auf das über allem schwebende „Auge Gottes“ hinweist. (Hier nur ein platter Farbabdruck, der lediglich Umrisse erkennen läßt und nicht das Relief der Gravur, das nur bei einem Wachs- oder Lackabdruck herauskommt.) – Auch noch ein runder Farbdruckstempel vom letzten Viertel des 19. Jahrhunderts enthält diese Gebilde, doch ist die „Hütte“ nur noch ein undeutliches Häuflein, und der Mann scheint auf einen auffliegenden Adler(?) zu zeigen. Als im Zuge der Siegelbereinigung das Großherzoglich Badische Generallandesar­ chiv Karlsruhe den Gemeinden anbot kostenlos Wappenentwürfe zu fertigen, war Linach unter den ersten, die davon Gebrauch machten. Doch lehnte der Gemeinderat dann den Entwurf „Ahorn­ baum über Wasser“ ab (von „lin“ = althoch­ deutsch für Ahorn und „ach“ = Wasser, Bach). – K.leiserhansenbauer Felix Straub, damals Bürgermeister von Linach, schrieb, daß das „uralte“ Siegel auf einer Sage beruhe und unbedingt ins Wappen übernommen werden müsse. Die Sage knüpfe sich an ein Lindengebüsch bei seinem Hof; dort soll der ,,Lindenbue“, ein Köhler, als ältester Ansied­ ler im Tal seine Köhlerhütte gehabt haben. Auch soll Linach von der Linde, der einzigen im ganzen Tal, seinen Namen herleiten. Ein weiterer Wappenentwurf mit einer Linde wurde ebenfalls zurückgewiesen, der Bürgermeister beharrte auf seinem Wunsch. – Nun ist ein Siegelbild k e i n W a p p e n! Aber das GLA gab schließlich entnervt nach und lieferte Anfang 1896 eine aquarellierte Zeichnung mit dem Siegelbild im Wappen­ schild, die vom Gemeinderat sofort ange­ nommen wurde. – Eine heraldische Tingie­ rung war dafür nicht festgelegt, was bei dem unheraldischen Bildchen auch schwierig gewesen wäre. Da aber lediglich ein Farb­ druckstempel danach angefertigt wurde, fiel das nicht weiter auf. Erst 1959 beanstandete das GLA die „Häu­ fung der Symbole“ und schlug eine Vereinfa­ chung des „Wappens“ vor. Nach längerem Hin und Her war die Gemeinde bereit, auf das Auge Gottes zu verzichten, doch sollten Köhlerhütte, Mann und Baum erhalten blei­ ben. – Das neue „Wappen“ wurde am 6. April 1960 vom Gemeinderat angenommen und am 28. Februar 1961 vom Innenministe­ rium Baden-Württemberg verliehen. Hier zeigt sich wieder einmal, daß die Ableitung eines Wappens aus einem Siegelbild meist zu einer unbefriedigenden Lösung führt. Hinzu 61

kommt in diesem Fall noch die unheraldi­ sche Überschneidung der Figuren. (Aber: Ein klares Symbol, wie z.B. das Hammer­ eisen im Siegel von Hammereisenbach [siehe dort!) hätte sehr wohl zu einem guten Wappen getaugt.) -Durch die Eingemein­ dung Linachs in die Stadt Furtwangen am 1. Oktober 1972 hat auch dieses Wappen seine amtliche Eigenschaft verloren. Prof. Klaus Schnibbe Quellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Gemeindshuldigu.ngen, Amtsbez. Neustadt. – GLA Wappenakten, Amtsbez. Villingen u. Landkr. Donaueschingen. GLA Wappenkartei, Schwarzwald-Baar­ Kreis. – GLA Siegelkartei, Schwarzwald­ Baar-Kreis. – F. Straub, Geschichtliches aus Linach, o. 0. 1921 (Nachdruck: Furtwangen 1973). – K. Schnibbe, Gemeindewappen im ehem. Landkreis Donaueschingen, in: Schrif ten d. Vereins/ Geschichte u. Naturgesch. der Baar in Donaueschingen, Band 33 (1980). – K. Schnibbe, Linachs Wappen, in: Volkshoch­ schule „ Oberes Bregtal“ e. V, Furtwangen, Trimesterplan 3/1983. Öfingen Das sonnige Dorf der Baar Als Öfingen am 1. September 1971 nach Bad Dürrheim eingemeindet wurde, konnte der Ort bereits auf eine fast lOOOjährige Geschichte zurückblicken. Im Jahr 973 über­ trug der Alemannenherzog Berchtold seine Rechte an dem Dorf am Himmelberg dem Kloster Reichenau. Erste urkundliche Er­ wähnungen findet der Ort freilich erst im 14.Jahrhundert. So besagt eine Eintragung in einem Reichenauer Kopialbuch -das ist eine Sammlung von Urkundenabschriften, die u. a. Auskunft über die Besitztümer gab-aus dem Jahr 1363: ,,Die Dörfer ze Evingen (Öfingen) und ze (Ober-)Baldingen sind Oßwalds von Wartenberg Lehen von dem Gotteshaus der Reichenau.“ Im Laufe der Zeit wechselte das Dorf des öfteren den Besitzer. Nach den Grafen von Sulz, die im Jahr 1732 Öfingen von Oßwald erwarben, geriet das Dorf vor 13 77 in den Besitz der Herrschaft Tuttlingen und fiel damit an Württemberg. Das Land Baden gelangte im Jahr 1810 in den Besitz des ehe­ mals Tuttlingischen Oberamtsortes und zwar aufgrund eines Staatsvertrags zwischen dem Königreich Württemberg und dem Großherzogtum Baden. Archäologische Funde auf der Gemar­ kung weisen indes auf frühere Zeiten der 62 Besiedlung zurück. Im Gewann „Auf der Mauer“ stieß man imJahr 1845 auf römische Ziegelreste, aus denen sich eine rund 18 Meter lange Mauer rekonstruieren ließ. Kup­ fermünzen mit den Portraits der Kaiser Clau­ dius (41 bis 54 nach Christus) und Antoninus Pius (138 bis 161 nach Christus) sind Zeichen für den römischen Einfluß in diesem Gebiet. Der heutige Ort ist ursprünglich aus meh­ reren kleineren Siedlungen zusammenge­ wachsen, die aber schon in der frühen Neu­ zeit „abgingen“, das heißt als Gemeinwesen aus vielfältigen Gründen (Seuchen, Kriegs­ einwirkungen etc.) verschwanden und nur noch aus Urkunden rekonstruierbar sind. Vom Weiler Flacht finden sich noch die mei­ sten Überreste. Im Jahr 1664 wird zum letz­ ten Mal eine Kapelle erwähnt, die an einer Weggabelung am heutigen Roßwettenweg stand. Geptenhausen wird 1730 zum letzten Mal erwähnt, den Weiler Beckenhofen fin­ det man ab 1530 nicht mehr. Ötishofen ver­ schwand 1583 aus den Zinsbüchern, und wann Stetten abging, ist nicht bekannt. Von kriegerischen Auseinandersetzungen blieb auch das Dorf Öfingen nicht ver­ schont. Bereits im Jahr 1519 überfielen die Rottweiler den Ort und rückten erst zweiein­ halb Jahre später wieder ab. Der Dreißigjäh-

rige Krieg mit seinen schrecklichen Auswir­ kungen auf Land und Menschen dezimierte durch Einquartierungen, durchziehende Truppen, Brände, Plünderungen und Seu­ chen die Öfinger Bevölkerung um 37 Pro­ zent. Als im März 1634 die Villinger den Ort heimsuchten, der schon 1555 protestantisch geworden war, bot das Dorf ein Bild des Jammers und der Verwüstung: sie brannten fast alle Häuser nieder und preßten die weni­ gen Einwohner, die von ihrer Flucht aus den Wäldern zurückkehrten, in ihre Dienste. Zum letzten Mal traf die Kriegsfurie die Öfinger 1945, damals wurden neun Häuser völlig zerstört. Auffälligstes Wahrzeichen des auf 810 Metern Meereshöhe liegenden Ortes ist die evangelische Pfarrkirche, die exemplarisch für mittelalterliche Wehrkirchen steht. Un­ verkennbar gotische Architektur, wie sie etwa an Fenstern und dem Treppengiebel zum Ausdruck kommt, deuten auf Ur­ �prünge im späten Mittelalter hin. Bei ihrem Uberfall legten die Villinger auch das Gottes- haus in Schutt und Asche, das im Jahr 1661 wieder aufgebaut wurde. Die heutige Er­ scheinungsform datiert aus dem Jahre 1839. Der erste Pfarrer im urkundlich belegten Jahr1275 war Burkhard von Hewen, der auch für die umliegenden Dörfer Ippingen, Ober­ und Unterbaldingen zuständig war. Gegen die Reformation entfaltete der katholische Pfarrer Hans Schmid (1524 bis 1558 in Öfin­ gen nachweisbar) einen erbitterten Kampf. In den schaltete sich 1535 sogar das Oberamt Tuttlingen ein, als es den Geistlichen zum Übertritt zu dem neuen Glauben bewegen wollte. Württemberg und die Fürsten zu Für­ stenberg tauschten schließlich Heiden­ hofen, das gerne katholisch bleiben wollte, und Öfingen miteinander aus. Von 1558 bis 1561 amtierte als erster evangelischer Pfarrer Peter Braun. Ippingen und Unterbaldingen wurden abgetrennt, Öfingen wurde Mutter­ kirche für Oberbaldingen, Sunthausen und Biesingen. Trotz der Glaubenstrennung mußten die Ippinger und die Unterbaldinger ihre Toten 63

Handwerksbetriebe sind es 7 an der Zahl mit zusammen 19 Arbeitskräften. Unsere vier Gaststätten beschäftigen 9 Personen. Vorhanden ist außerdem ein Lebensmittelgeschäft und eine Metzgerei. Ca. 210 Berufstätige sind in den umliegen­ den Städten und Gemeinden beschäftigt. Das Feriendorf(vgl. Almanach 1987, Seite 153 f.), zweifellos der stärkste Wirtschaftsfak­ tor, hat derzeit 4-5 ständige und 35 nicht ständig Beschäftigte. Die Entwicklung seit der Eingemeindung war ausgerichtet auf den Fremdenverkehr. Daher waren sehr hohe Investitionen erfor­ derlich, wie z. B. im Straßen-und Kanalbau, Erweiterung der Wasserversorgung, Bau der Osterberghalle und anderes mehr. Insgesamt wurden ca. 10 Millionen DM investiert. Die Verträge mit dem Bauträger des Feriendorfes waren so abgefaßt, daß die Investitionen im Feriendorf nicht von der Stadt, sondern vom Bauträger selbst getragen wurden. Die Übernachtungszahlen im Feriendorf anfangs noch in Öfingen beerdigen, bis schließlich 1564 der württembergische Keller zu Tuttlingen anregte, man solle „wegen der in Unterbaldingen herrschenden Erbsucht der Pestilenz“ und wegen der Gefahr, daß diese „auch in Öfingen einreißen möchte“, die Leichen von ihren eigenen Seelsorgern beisetzen. Öfingen ließ der Gemeinde Ippin­ gen ausrichten: ,,Wenn ihr lebendig nicht mehr zu uns kommt, wollen wir euch tot auch nicht mehr haben.“ Öfingen hat derzeit (1992) 741 Einwoh­ ner. Die Gemarkungsfläche beträgt rund 1100 ha und reicht von einer Höhenlage von 720 bis 941 m. ü .M. Die Nutzfläche beträgt 800 ha, die Waldfläche, vorwiegend Ge­ meindewald, ist 300 ha groß. Die Struktur hat sich in den letzten Jahren deutlich ge­ wandelt. Hatten wir noch Ende der 50er Jahre ca. 150 landwirtschaftliche Betriebe, so sind es heute noch 25, davon 3 Vollerwerbs­ betriebe. Am Ort sind zwei Industriebetriebe, die ca. 30 Arbeitsplätze besetzt haben. 64

stiegen von Anfang an stetig an und erreich­ ten im Jahre 1991 die Zahl von 108.000. Die Klimaanalyse sagt aus, daß Öfingen die in den Begriffsbestimmungen für Kur­ und Erholungsorte festgelegten Grenzwert­ bedingungen für einen Luftkurort erfüllt. Es überwiegen die Schon- und Reizfaktoren, während belastende Faktoren nur in gerin­ gem Ausmaße auftreten. Die Sonnenschein­ dauer beträgt im Mittelwert 1691 Stunden im Jahr. Öfingen hat es nicht bereut, diesen Weg Das Wappen von Öfingen Wappen: Unter goldenem Schildhaupt, worin eine liegende,fünfendige schwarze Hirschstange, in Silber ein roter Löwe. Unter dem württemberger Schildhaupt das Wappen der Herren von Wartenberg, da Öfingen ursprünglich den Wartenbergern und seit 1377 zu Württemberg gehörte, bis es durch den Pariser Vertrag von 1810 an Baden abgetreten wurde. -Aus dem 19.Jahrhundert ist außer einem kleinen Schriftsiegel nur ein hochovaler Farbstempel bekannt, der in einem von Zweigen umkränzten Schild die Buchstaben Ö F zeigt. Da Buchstabenwappen unheraldisch sind, schlug das Generallandesarchiv im Jahre 1897 das oben angegebene Wappen vor, das dann seit 1898 Dienstsiegel und -stempel zierte. – Erst durch die Eingemein­ dung nach Bad Dürrheim am 1. September 1971 ist das Wappen erloschen. Prof. Klaus Schnibbe in Richtung Fremdenverkehr eingeschlagen zu haben. Es reiht sich heute ein in den Kreis der schönsten Dörfer des Landes Baden­ Württemberg. Durch die erfolgreiche Teil­ nahme am Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ auf Kreis- und Landes­ ebene hat es dies unter Beweis gestellt. Der Höhepunkt dieser Bemühungen war jedoch die Verleihung des Prädikates „Staat­ lich anerkannter Erholungsort“ im Mai 1991. Lydia Warrle Konrad Hengstler Quellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Wappenakten Bezirk und Land­ kreis Donaueschingen. – GLA Wappenkartez� Schwarzwald-Baar-Kreis. – GLA Siegel­ kartei, Schwarzwald-Baar-Kreis. – 0. v. Alberti, Württembergisches Adels- und Wap­ penbuch, Stuttgart 1889.ff. (Nachdruck Neu­ stadt a. d. Aisch 1975) betr. v. Wartenberg, v. Württemberg. – W Merz u. F. Hegi, Die Wappenrolle von Zürich, Zürich-Leipzig 1930, betr. v. Wartenberg, v. Württemberg. – K. Schnibbe, Gemeindewappen im ehem. Landkreis Donaueschingen, in: Schriften des Vereins f Geschichte u. Naturgesch. d. Baar in Donaueschingen, Band 33 (1980). 65

Organisationen 125 Jahre Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg Wie es sich für ein echtes Kind des Süd­ weststaates Baden-Württemberg gehört, hat die Industrie- und Handelskammer Schwarz­ wald-Baar-Heuberg mit Sitz in Villingen­ Schwenningen ein württembergisches und ein badisches Element. Das württembergi­ sche ist das ältere und war, seit der Jahrhun­ dertwende, auch das kraftvollere. Die „Han­ dels- und Gewerbekammer Rottweil“ wurde am 6. Februar 1867 für die Oberamtsbezirke Oberndorf, Rottweil, Spaichingen, Sulz und Tuttlingen ins Leben gerufen. In Baden erfolgte die Gründung der „Schwarzwälder Handelskammer“ in Villingen für die Amts­ bezirke Donaueschingen, Triberg, Villingen und Neustadt 1896, also erst 19 Jahre später. Beide Kammern und ihre Bezirke haben bis 1973 eine wechselhafte Geschichte erlebt, die immer eng verknüpft war mit der Ent­ wicklung der Wirtschaft der jeweiligen Gegend. Entscheidend für die Industrialisie­ rung ab Mitte des letzten Jahrhunderts waren die Einführung der Gewerbefreiheit und damit verknüpft die Aufhebung der Zünfte (im Königreich Württemberg 1862). Dazu kam der Aufbau einer vernünftigen Infra­ struktur, damals gleichbedeutend mit dem Bau der badischen Schwarzwaldbahn und der württembergischen Neckarbahn. Damit waren auch die weit entfernten Absatzgebiete für die Produkte aus dem Schwarzwald, dem oberen Neckar-Donau­ Raum und der Gegend des Heuberges schnell erreichbar. Dies war lebensnotwen­ dig, denn der Export hat von Anfang an eine bedeutende Rolle gespielt. Das charakteri­ stische Produkt der Industriealisierung im Schwarzwald war die Uhr, und dies sowohl 1m Badischen als auch im Württembergi- 66 Industrialisierungsgrad sehen. Im Bezirk der Villinger Kammer hatte sich zu Anfang der Industrialisierung eine Monostruktur – ausgerichtet auf die Uhr – herausgebildet. Die Haupstandorte waren damals Villingen, St. Georgen, Triberg und Furtwangen mit der dort 1850 gegründeten Uhrmacherschule. Bemerkenswert war, daß der in Baden zunächst offenbar höher war als in Württem­ berg. So wurden in den badischen Amtsbe­ zirken immerhin 12.300 Beschäftigte in gewerblichen Betrieben gezählt, in den würrtembergischen Ober­ ämtern jedoch erst 10.400. 25 Jahre später allerdings zählte man im württembergischen Bereich fast 38.000 Beschäftigte in gewerbli­ chen Betrieben, und damit mehr als doppelt so viel wie im badischen Teil. im Jahr 1882 Verantwortlich für diese Entwicklung waren Einzelbetriebe und Branchen, die zum Teil auch heute noch einen großen Namen haben. In Schwenningen waren das die Uhrenfabriken Bürk, Haller und Maute, in Schramberg die Uhrenfabriken Junghans sowie die Zugfedernfabrik H. Kern. In Tutt­ lingen entstand als Keimzelle der Chirurgie­ Instrumenten-Branche die FirmaJetter (Vor­ gängerin der heutigen Aesculap AG) sowie die Schuhindustrie als damals stärkste Branche der Stadt. In Trossingen wurden Mundharmonikas und Akkordeons (be­ kanntester Hersteller Hohner AG) produ­ ziert, in Oberndorf wurden Gewehre gebaut (ab 1878 unter der Regie der Brüder Mauser) und in Rottweil schließlich begann Max von Duttenhofer ein Pulver-Imperium auf­ zubauen, er hatte das erste rauchlose Ge­ wehrpulver erfunden. Dem energischen Voranstürrnen der

württembergischen Unternehmer konnten die Badener zunächst nicht folgen. Ihre große Stunde schlug erst wieder in den Jah­ ren zwischen den Weltkriegen mit dem Auf­ kommen der Elektro-Industrie, für das Namen wie Saba, Kienzle und Binder in Villingen, Dual und noch später Papst in St. Georgen stehen. Die enge Verzahnung von Wirtschaft und Kammer wird bis heute nirgends so deutlich wie in der Zusammensetzung der Vollver­ sammlung, des Präsidiums und der Wahl des Präsidenten. So war in Rottweil der vorhin erwähnte Pulverfabrikant, der geheimen Kommerzienrat Max von Duttenhofer, von 1876 bis 1902 Präsident. Er war maßgeblich daran beteiligt, daß sich die Kammern in Württemberg zu den eigentlichen Selbstver­ waltungsorganen der Wirtschaft entwickel­ ten. 1874 wurden nämlich das Wahlrecht und die Beitragspflicht der handelsgericht­ lich eingetragenen Unternehmen dekretiert, 1899 schied das Handwerk aus der Betreuung durch die Handels-und Gewerbekammern aus, die seither Gewerbekammern hießen. Wichtige Aufgaben kamen zu den bisheri-67

gen (statistisches Material sammeln, über die Wirtschaft berichten, die staatlichen Behör­ den beraten) hinzu: das Initiativ- und Anhö­ rungsrecht, die Befugnis, Anlagen und Ein­ richtungen zur Förderung von Handel und Gewerbe zu schaffen, Sachverständige zu bestellen, dem Handelsverkehr dienende Bescheinigungen auszustellen und auch Teile der Berufsausbildung zu übernehmen. Die gewonnene Befungnisfülle verloren die Kammern unter dem nationalsozialisti­ schen Regime, sie wurden zu Vollzugsorga­ nen der Regierung degradiert. Nach dem zweiten Weltkrieg erhielt die Kammer in Rottweil, bis 1945 eine Nebenstelle der Gau­ wirtschaftskammer Württemberg-Hohen­ zollern in Stuttgart, in der nun französisch besetzten Zone ihre frühere Stellung zurück. Der Bezirk umfaßt die Kreise Calw, Freuden­ stadt, Horb, Rottweil und Tuttlingen. Nicht unähnlich verlief die Geschichte der Kam­ mer in Villingen. Sie konnte auf der sehr kla­ ren Rechtsgrundlage, das Badische Handels­ kammergesetz von 1878, aufbauen. Die Vil­ linger Kammer war eine der ersten, die sich intensiv um die Berufsausbildung geküm­ mert hat und 1928 bereits eine Kaufrnanns­ Gehilfen-Prüfung durchführte. Die Kammer wurde 1933 aufgelöst und in die Bezirksstelle Freiburg der in Karlsruhe residierenden badischen Gauwirtschaftskammer eingeglie­ dert. Ihre Selbständigkeit erlangte sie nach dem Zweiten Weltkrieg trotz großer Bemü­ hungen der Industriellen und Kaufleute nicht mehr. Ihr Bezirk (ohne Neustadt) wurde der IHK Konstanz zugeschlagen, als deren Nebenstelle (allerdings mit weitrei­ chender Autonomie und finanzieller Eigen­ ständigkeit) sie fungierte. In den SOer Jahren verzeichnete man im Schwarzwald, auf der Baar und am Heuberg erstmals wieder Vollbeschäftigung – nach langen entbehrungsreichenJahren. Gestützt auf eine liberale Grundüberzeugung kam die Wirtschaft dank des Fleißes der Bevölkerung und dem Einsatz der Unternehmerschaft wieder auf die Beine. Wieder sorgten erfin­ dungsreiche Unternehmer durch Sparsam- 68 keit und Durchsetzungsvermögen für wirt­ schaftliche Prosperität, und bauten einen breiten Besatz kleinerer und mittlerer Betriebe auf, die sich auf die heutigen Indu­ striestandorte in der Region verteilen. Dabei wurde die wirtschaftliche Verflechtung des badischen und württembergischen Teils der Region enger und enger. So war es nicht überraschend, als die Landesregierung 1970 den Kammern ihre Vorstellungen über die Neugliederung der Kammerbezirke zur Kenntnis brachte. Ihr Vorschlag: Vereini­ gung des südlichen Teils des Kammerbezirks Rottweil mit dem Bezirk der Kammer Villin­ gen – der Bezirk deckt sich mit der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg. Die Verordnung über die „Neuordnung der Bezirke der Industrie- und Handels­ kammern in Baden-Württemberg“ trat zum 1. Januar 1973 in Kraft. Die Präsidien und die Geschäftsführungen der beiden beteiligten Kammern hatten schon zu Beginn des Jahres 1972 miteinander Kontakt aufgenommen und im Laufe des Jahres die Satzung,‘ die Finanzierung, die Geschäftsordnung, die Organisation der beiden Geschäftsstellen und den zukünftigen Sitz der Kammer bera­ ten. Dieser war zunächst für drei Jahre in Rottweil und wurde dann nach Villingen­ Schwenningen verlegt. Die beiden Präsiden­ ten, Dr. Karl Michaeli aus Rottweil und Eugen Schrade aus Villingen wurden Ehren­ präsidenten und machten einem neuen Prä­ sidenten, Dr. Rüdiger Stursberg aus Tuttlin­ gen, Platz. Für eine Übergangszeit waren zwei Hauptgeschäftsführer tätig, bis der Rottweiler Kollege in den Ruhestand trat. Industrie- 1992 schließlich ist das Jahr, in dem diese Neuorganisation nach wechselvoller Ge­ schichte Gelegenheit zum Rückblick gibt. und Handelskammer Die Schwarzwald-Baar-Heuberg in Villingen­ Schwenningen mit rund 18.000 kammerzu­ gehörigen Unternehmen feiert als Rechts­ nachfolgerin der beiden „Ursprungskam­ mern“ ihr 125jähriges Bestehen. Alfred Liebetrau, Präsident der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg

Bildungseinrichtungen Die Fachhochschule Furtwangen an den beiden Standorten Furtwangen und Villingen-Schwenningen Der Aufbau der Fachhochschule Furtwangen hat nicht zuletzt durch die tatkräftige Förderung des Ehrensenators Ministerpräsident Erwin Teu­ fel einen Höhepunkt erreicht. Daher bietet es sich an, den Stand der gesamten Fachhochschule Furt­ wangen darzustellen. Schon in früheren Ausga­ ben des Almanach (Ausgabe 1988, S. 39 .ff und Ausgabe 1989, S. 34.ff) wurde über die Entwick­ lung der Fachhochschule Furtwangen berichtet. Seit 1987 besitzt die Fachhochschule Furt­ wangen zwei Standorte. Zum Heimatort Furtwangen mit jetzt acht Fachbereichen kam die Abteilung Villingen-Schwenningen mit drei Fachbereichen hinzu. Damit ist die FH Furtwangen die Hochschule der Region geworden und hat eine Größe erreicht, die europäischen Ansprüchen an eine Hoch­ schule gerecht wird. Wie der Wissenschaftsrat festgestellt hat, sind die Hochschulen ein besonders wichti­ ger Bestandteil der öffentlich geförderten Infrastruktur. Durch sie werden die wirt­ schaftliche aber auch die soziale und die kul­ turelle Entwicklung der Industriegesellschaft nachhaltig gefördert. In den letzten Jahren haben sich gerade die Fachhochschulen immer mehr zu regionalen wissenschaftli­ chen Dienstleistungszentren entwickelt. Außer ihrer Hauptaufgabe, nämlich – der Ausbildung junger Männer und Frauen zu hochqualifizierten Ingenieuren und Informatikern widmet sich die FH Furtwangen – der anwendungsbezogenen Forschung, – dem Technologie- und Wissenstransfer in die Wirtschaft der Region, – der Weiterbildung sowie dem Aufbau eines Netzes internationaler Beziehungen. Ausbildung Die FH Furtwangen nimmt etwa 780 Stu­ dienanfänger pro Jahr in den elf Studien­ gängen Feinwerktechnik, Elektronik, Tech­ nische Informatik, Allgemeine Informatik, Product-Engineering, Wirtschaftsinforma­ tik, Medieninformatik, Mikrosystemtechnik und – in Villingen-Schwenningen – Werk­ stoff- und Oberflächentechnik, Verfahrens­ technik mit den beiden Studienschwerpunk­ ten Bioverfahrenstechnik und chemische Verfahrenstechnik, Maschinenbau/ Auto­ matisierungstechnik auf. An den zwei Stand­ orten Furtwangen und Villingen-Schwen­ ningen stehen insgesamt etwa 2800 Studien­ plätze zur Verfügung. Die Attraktivität des Studiums an der Fachhochschule wird begründet durch die klare Strukturierung des Studiums, eine praxisorientierte wissenschaftliche Lehre und die besondere didaktisch-methodische Konzeption. Sie gewährleistet die Möglich­ keit, den Studienabschluß innerhalb der Regelstudienzeit von vier Jahren zu errei­ chen und damit etwa zwei Jahre früher in das Berufsleben eintreten zu können als der Absolvent einer Universität. Schließlich sind auch die Einstellungs- und Aufstiegs­ chancen sowie die Verdienstmöglichkeiten der Diplom-Ingenieure und Diplom-Infor­ matiker der Fachhochschule in der Wirt­ schaft sehr gut. Das Studium an der Fachhochschule zeichnet sich durch eine enge Verbindung von theoretischem Studium, praktischen Übungen an der Hochschule sowie die Er­ arbeitung von praktischen Erfahrungen der Studieninhalte in den Betrieben, während der praktischen Studiensemester, aus. So­ wohl die Spitzenverbände der deutschen 69

Blick auf die FH Furtwangen. Im Hintergrund: Studentenwohnheime „Großhausberg“ A1if1enansicht der Abteilung Villingen-Schwenningen 70

Studentisches Arbeiten im Fachbereich Feinwerktechnik Wirtschaft wie auch der Wissenschaftsrat sind sich darin einig, daß bei einem künfti­ gen Hochschulausbau der Schwerpunkt auf praxisorientierte Studiengänge an Fach­ hochschulen gelegt werden muß. An der FH Furtwangen wird das vorhan­ dene Fächerspektrum weiter ergänzt, z.B. durch die Einrichtung eines Studienschwer­ punktes „Künstliche Intelligenz“ in der Informatik sowie -im Hinblick auf die Öff­ nung des europäischen Marktes -das An­ gebot einer Zusatzqualifizierung in einer ,,Fachspezifischen Fremdsprachenausbil­ dung“ zusätzlich zum Fachstudium. Ein Mangel aller technisch orientierten Hoch­ schulen ist jedoch die offenbar zu geringe Attraktivität der Studiengänge für Frauen. Zwar konnte an der FH Furtwangen der Anteil der Studentinnen auf etwas über 10 O/o der Studierenden gesteigert werden, wäh­ rend dieser Anteil früher unter 8 0/o lag. Bei der Einrichtung weiterer Studiengänge müssen daher insbesondere Fachgebiete er­ schlossen werden, die noch mehr als bisher auch für junge Frauen attraktiv genug sind. Anwendungsbezogene Forschung Der Bildungsauftrag der Fachhochschule umfaßt neben der wissenschaftlichen Lehre auch die anwendungsbezogene Forschung. Sie soll den Technologietransfer in die Wirt­ schaft vorbereiten und gleichzeitig durch die Rückkoppelung eine permanente Aktua­ lisierung der Lehre an der Hochschule sichern. Die Einrichtung des Instituts für Innovation und Transfer (IIT) der FH Furt­ wangen im Jahre 1987 ermöglicht den Profes­ soren die Durchführung von Forschungs­ projekten als Dienstaufgabe im Hauptamt. Die dabei eingeworbenen Mittel für Personal und Investitionen verbessern auch die Aus­ bildungssituation an der Hochschule, da im 71

Rahmen dieser Forschungsvorhaben Pro­ jektstudien, Diplom- und sogar Dissertati­ ons-Arbeiten auf den neuesten technologi­ schen Feldern durchgefuhrt werden können. In der Vergangenheit hat sich häufig ge­ zeigt, daß zwar Ergebnisse der Grundlagen­ forschung vorlagen, diese aber nicht inge­ nieurmäßig aufbereitet wurden und damit ihre wirtschaftliche Nutzung unterblieb. Durch ihren Praxisbezug und die vielfältigen Praxiskontakte sind die Fachhochschulen für die Übernahme derartiger anwendungs­ bezogener Forschungsarbeiten besonders geeignet. Zur Zeit werden im IIT der FH Furtwan­ gen mehrere Forschungsprojekte aus dem Gebiet der Systemtechnik bearbeitet, z.B. Mikrostrukturtechnik, intelligente Senso­ ren, Implementierung von Algorithmen (Entwicklung eines Spezial-Mikroprozes­ sors) für intelligente Sensoren, CAD von Hochfrequenz- und Mikrowellenschaltun­ gen, sprecherunabhängige Spracherken­ nung. Weitere Forschungsbereiche werden auf den Gebieten Verschleißschutz durch PVD-Oberflächenbeschichtung von Werk­ stoffen sowie chemischer und physikalischer Analyseverfahren aufgebaut. In.frarot-Aufnahme eines Nordatlantik-Orkantiefs am 31. 10. 1991. Empeftang vom Wettersatelliten METEOSAT 4 im Labor eftür Hoch.frequenztechnik der FH Furtwangen (Leiter: Prof. Christian Dirks). 72

Industrie. Durch den Aufbau neuer Stu­ diengänge und die Einrichtung neuer Arbeitsgebiete wird diese Kooperation der Hochschule insbesondere mit der mittel­ ständischen Industrie laufend weiter ausge­ baut. Weiterbildung Die Zahl der Erstausgebildeten kann den steigenden Bedarf an hochqualifizierten Mitarbeitern in den Betrieben wegen des immer schnelleren technologischen Wan­ dels nicht decken. Investitionen der Unter- f’ET-Chlp Al-Senke H-Si-Membr&ne Drain Projekt aus dem Bereich des Instituts für Innova­ tion und Transfer (117) der FH Furtwangen (Projektleiter Prof. Dr. A. Stoffel) Entwicklung eines miniturisierten Silizium­ Mikrophons mit integriertem Feldeffekt-Transi­ stor (Diplomarbeit Eckhard Graf WS 1991/92}: Silizium-Chip Oben: Aufriß des PET-Mikrophons aus der räumlichen Perspektive. Dargestellt ist der Schall­ sensor aus zwei Silizium-Chips als PSFET mit einer H-Membran als Gate. Unten: Ansicht des fertigen Chips. 73 Mit Solarzellen betriebener intelligenter Sensor (Funkmeßstation). Projekt aus dem !IT der FH Furtwangen Technologietransfer Der Bedarf insbesondere der kleinen und mittleren Unternehmen an Forschungs-und Entwicklungsbeiträgen aus der Hochschule ist größer als die FH Furtwangen aus Kapazi­ tätsgründen leisten kann. Daher wurden von Professoren der FH Furtwangen mit Unter­ stützung durch die Steinbeis-Stiftung für Wirtschaftsförderung Technologie-Transfer­ zentren gegründet, welche sich zum Ziel ge­ setzt haben, durch raschen Know-How­ Transfer aus den Hochschulen die wirt­ schaftliche Existenz und Ertragskraft, vor­ nehmlich der mittelständischen Unterneh­ men in Baden-Württemberg zu sichern und auszubauen. Mit insgesamt 11 Transferzen­ tren in fünf Städten des Landes ist die FH Furtwangen eine der aktivsten Hochschulen auf dem Gebiet der Zusammenarbeit mit der

nehmen in moderne Technologien müssen von einer entsprechenden Qualifikation der Mitarbeiter begleitet werden, um keine Res­ sourcen zu vergeuden. Mitarbeitern aus den Betrieben müssen daher Möglichkeiten der Weiterbildung insbesondere in den neuen Technologien geboten werden. Das Angebot der Technischen Akademie für Weiterbildung (TA W) der IHK Schwarz­ wald-Baar-Heuberg und der FH Furtwangen richtet sich an Führungskräfte und Speziali­ sten aus der Wirtschaft, insbesondere Inge­ nieure, Techniker und Technische Kauf­ leute. Die TAW vermittelt durch praxisorien­ tierte Schulungskonzepte Wissen über neue­ ste technologische und wirtschaftliche Ent­ wicklungen. Weitere Seminarangebote zur Weiterbil­ dung in technischen und wirtschaftlichen Spezialgebieten werden von Professoren der FHF über die Steinbeis-Stiftung für Wirt­ schaftsförderung angeboten. Desweiteren ist Interessenten aus der Industrie -bei entspre­ chender Vorbildung -die Möglichkeit gege­ ben, als Gasthörer an ausgewählten regulä­ ren Vorlesungen der FHF teilzunehmen. Schließlich kann im „Vertiefungsstudium Umweltschutz“ auch im Rahmen der Wei­ terbildung an der FHF die amtliche Zusatz­ qualifikation eines „Immissionschutzbeauf­ tragten“, ,,Abfallbeauftragten“ und „Abwas­ serbeauftragten“ erworben werden. Internationale Zusammenarbeit Durch ihre Regionalität sind die Fach­ hochschulen auch besonders dafür prädesti­ niert, ein Netz von internationalen Bezie­ hungen zu knüpfen. Bereits jetzt haben Stu­ dierende der FH Furtwangen viele Möglich­ keiten, durch Absolvierung eines von der Hochschule vermittelten Stuidenabschnit­ tes im Ausland ihre Kenntnisse vielfältig zu ergänzen. Die dabei gewonnen Erfahrungen tragen neben einer Persönlichkeitsbildung insbesondere dazu bei, in ihren späteren Betrieben Exportchancen zu verbessern. Die fortschreitende europäische Integra­ tion führt dazu, unseren Studierenden in 74 Kooperation mit ausländischen Hochschu­ len Studiengänge anzubieten, die mit der Verleihung des deutschen und eines entspre­ chenden ausländischen Diploms eine Dop­ pelqualifikation erreichen lassen. Zusammenfassung Durch ihre Regionalität haben die Fach­ hochschulen besondere Vorteile bei der Orientierung an Problemen und Anforde­ rungen der beruflichen Praxis. Künftig wer­ den Ausbildungs-, Forschungs-, Entwick­ lungs- und Technologietransfer-Aufgaben sowie Aktivitäten der Weiterbildung und der internationalen Zusammenarbeit in dem ,,Regionalen wissenschaftlichen Dienstlei­ stungszentrum“ der „Hochschule der Industriegesellschaft“ wie diese Hochschulart genannt wurde, sicher­ lich einen noch bedeutsameren Stützpunkt besitzen. Fachhochschule, Prof. Dr. Walter Zahradnik Rektor der Fachhochschule Furtwangen Abend an der Breg Da bin ich oft gesessen, Hab‘ manchmal hier geruht, Verloren und vergessen Am Ranft der blauen Flut. Die Wellen wogten leise. Die Abendglocke schwieg. Noch Nachtigallenweise Zum Sternenhimmel stieg … Vorüber sind die Träume, Der Himmel am Verglühn. Ja, zittert nur, ihr Bäume – Der Sommer ist dahin! Josef Albicker

Fernstudienzentrum Villingen-Schwenningen Universität vor der Haustür Seit Sommer 1992 gibt es im Gebäude der Berufsakademie im Stadtbezirk Schwennin­ gen eine neue Bildungseinrichtung, das ,,Fernstudienzentrum Villingen-Schwennin­ gen“. Hat Villingen-Schwenningen nun eine eigene Hochschule? Steht diese Studienein­ richtung gar in Konkurrenz zu den benach­ barten Universitäten wie Freiburg oder Tübingen? Was bedeutet der BegriffFernstu­ dienzentrum? Wer studiert dort? Welche Studienmöglichkeiten werden geboten und in welcher Form? All diese Fragen weisen schon auf die vielgestaltige Aufgabenstel­ lung des Studienzentrums und die Beson­ derheit dieser neuen Einrichtung hin. Vor der Antwort soll jedoch ein kurzer Blick auf die Vorgeschichte stehen. Bereits Mitte der 70er Jahre ließ die Lan­ desregierung mögliche Standorte für eine künftige Fern-Universität ermitteln. Auch Villingen-Schwenningen wurde damals ein­ bezogen. Vom Regionalverband wurde sogar die Gründung eines „Regionalen Hochschul­ verbandes Schwarzwald-Baar-Heuberg“ ange­ regt. 1979 schon sollten die Hochschulhoff­ nungen wieder begraben werden, da das Land zunächst nur einen Standort ausbauen wollte.1988 wurde, als erstes in Baden-Würt­ temberg, das Studienzentrum Karlsruhe aus der Taufe gehoben. Ausgewählt worden war dieser Standort wegen der Nähe zu einer Universität. Die Stadt Villingen-Schwennin­ gen ließ jedoch nicht locker, gerade hier, fern von den großen Universitäten, bestand ja weiter Bedarf nach dieser Einrichtung. Gleichzeitig setzte sich auch der Landkreis nachdrücklich für den Ausbau des regiona­ len Bildungsangebots ein. Für kurze Zeit Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung am 10. März 1992 im Beethovenhaus in Schwennin­ gen, (von links nach rechts) Landrat Dr. Rainer Gutknecht, Prof Dr. Klaus Anderseck von der Fem­ Universität Hagen, Oberbürgermeister Dr. Gerhard Gebauer, von der Industrie- und Handelskammer Präsident A!fred Liebetrau und Hauptgeschäftsführer Dr. Rudo!f Kubach 75

Fern-Universität Hagen plante man sogar, in Villingen-Schwennin­ gen eine Außenstelle des Studienzentrums Karlsruhe einzurichten, doch auch diese Lösung scheiterte. 1983, auf erneute Initia­ tive des Landkreises hin, teilte das Wissen­ schaftsministerium mit, der Landtag sehe sich wegen der schlechten Haushaltssitua­ tion nicht in der Lage in absehbarer Zeit wei­ tere Fernstudienzentren zu eröffnen. Hieran hat sich bis heute nichts geändert. Dennoch: Ohne die Unterstützung des Landes kam es im Frühjahr 1990 zur Eröffnung des 2. baden-württembergischen Studienzen­ trums, diesmal in Schwäbisch Gmünd. Es wurde als Gemeinschaftsprojekt von Kom­ munen und Betrieben ins Leben gerufen. Dies war der Anstoß zu erneuter Initiative: Sie brachte all diejenigen, die heute auch an dieser Einrichtung beteiligt sind, an einen Tisch; Stadt Villingen-Schwenningen, Schwarzwald-Baar-Kreis und Industrie-und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heu­ berg. Nachdem sich die Überzeugung durch­ gesetzt hatte, daß ein Studienzentrum not­ falls ohne Landeshilfe eingerichtet und in 76 eigener Regie getragen werden müsse, ging alles recht schnell: Finanzierungspläne wur­ den ausgearbeitet, Verträge ausgehandelt, Gespräche mit der Fern-Universität Hagen geführt, Räume gesucht und andere Studien­ zentren besichtigt. Am 11. Februar 1992 unterzeichneten die gesetzlichen Vertreter der am Studienzentrum Beteiligten einen Gesellschaftervertrag. Das Fernstudienzen­ trum Villingen-Schwenningen existiert nun in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Kurz darauf, am 10. März 1992, wurde mit der Fern-Universität Hagen die Kooperationsvereinbarung als Grundlage des akademischen Betriebs geschlossen. Am 12.Mai 1992 wurde das Fernstudienzentrum feierlich eröffnet. Der reguläre Lehrbetrieb wurde im Herbst 1992 aufgenommen. Das hiesige Fernstudienzentrum arbeitet in engem Kontakt mü der Fern-Universität Hagen. Die nordrhein-westfälische Hoch­ schule wurde 1974 mit dem Ziel gegründet, eine Lücke im Bildungssektor zu schließen. Wissenschaftliche Erstausbildung und Wei­ terbildung sollten für Abiturienten und

Studentische Arbeitsgruppe Postversand der Studienbriefe 77 Berufstätige gleichermaßen angeboten wer­ den. Die Gesamthochschule Fern-Universi­ tät Hagen als größte und wohl renommierte­ ste Fernstudieneinrichtung der gesamten Bundesrepublik ist eine wissenschaftliche Hochschule. Ihre Aufgaben sind – wie bei Präsenzhochschulen – Lehre und For­ schung. Gekennzeichnet ist sie jedoch durch das ihr eigene System der Wissensvermitt­ lung, der „Lehre per Post“, also dem Fernstu­ dium. Studentinnen und Studenten bearbei­ ten Studienbriefe, auch die Lernkontrolle läuft wieder auf dem Postweg ab. Genau diese „Fernübertragung“ von Studieninhal­ ten eröffnet vielen Studierwilligen Chancen, die ihnen durch das herkömmliche System der Präsenzhochschule versperrt sind. Weit­ gehend unabhängig von deren zeitlichen und räumlichen Bedingungen können Bil­ dungsabschlüsse nachgeholt, nicht erfüllte Bildungswünsche verwirklicht, von Berufs­ tätigen auch Zusatzqualifikationen erwor­ ben oder ganz einfach Kenntnisse aufge­ frischt werden. Nicht zuletzt können Abitu­ rienten, die nicht direkt nach dem Schulab­ schluß einen Studienplatz bekommen

haben, ohne Zeitverlust ein Vollzeitstudium aufnehmen und nach Ablauf der Wartezeit ins Präsenzstudium der Wunschhochschule wechseln. Auch für Industriebetriebe ist das Angebot des Studienzentrums von Interesse, verbessert es doch nachhaltig Möglichkeiten und Chancen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf qualifizierte Weiterbildung. Das Spektrum des Studienangebots ist breit gefächert, von Wirtschaftswissenschaf­ ten über Elektrotechnik bis zu Geisteswis­ senschaften können Diplom- und Magister­ studiengänge belegt werden, auch Promo­ tion ist möglich. Bis zum Abschluß eines Studiums vergeht – gerade beim Fernsru­ dium – viel Zeit. Darin gerade liegt oft die besondere Schwierigkeit für die Studieren­ den: Über einen sehr langen Zeitraum hin­ weg erarbeiten sie sich ihr Fachgebiet isoliert von Dozenten und Mitstudierenden am hei­ mischen Schreibtisch. Ohne Austausch­ möglichkeit mit anderen, ohne persönliche Hilfestellung des Dozenten, ohne direktes Beratungsangebot ein ganzes Studium zu durchlaufen, ist ungleich viel schwieriger als ein Präsenzstudium mit all seinen Semina­ ren, Arbeitsgruppen und Studententreffs. Genau hier setzt die Idee des Fernstudien­ zentrums an, hier bietet das Studienzentrum Rat, Hilfe, Informationen. Hier liegen Stu- dienmaterialien auf, hier können studenti­ sche Arbeitsgruppen zusammenkommen. Im Studienzentrum werden mentorengelei­ tete Abend- oder auch Wochenendveranstal­ tungen angeboten, die dem Austausch und auch der Vermittlung neuer Kenntnisse die­ nen. Doch nicht nur für die, die schon mit­ ten im Studium stehen, ist das Studienzen­ trum Hilfe und Treffpunkt. Umfangreiche persönliche Beratung wird dort großge­ schrieben. Qualifizierte Betreuung ist ge­ währleistet durch die wissenschaftliche Lei­ tung des Zentrums, die nicht nur ein offenes Ohr für alle Fragen hat, sondern auch einen ,,heißen Draht“ zur Fern-Universität Hagen. Das Fernstudienzentrum bereichert nicht nur die regionale Bildungslandschaft in ihrer schon traditionellen Vielfalt, es vervollstän­ digt das Bildungsangebot um den Zweig der akademischen Aus- und Weiterbildung und trägt durch seine zukunftsweisende Konzep­ tion zur Abrundung des Bildungsbereichs bei. Nicht zuletzt am Bildungssektor werden die Leistungen von Kommunen gemessen. Mit dem Fernstudienzentrum Villingen­ Schwenningen als der „Hoch chule vor der Haustüre“ sind wir einen wichtigen Schritt vorangekommen. Julia Weiss Wanderburschen – eine alte Idee und ein neues Modell in der beruflichen Ausbildung Der Volksmund weiß es schon lange: „Mit dem isch’s nit wiit her“ sagt man, wenn man die fachliche und persönliche �alifi­ kation des Betroffenen eher gering ein­ schätzt. Und auch das Wort „Erfahrung“ hat etwas damit zu tun: Erst wenn wir Orte, an denen es etwas zu lernen gibt, er-fahren, haben wir auch die Chance, etwas dazu zu lernen, neues zu erfahren. Und so war es nicht verwunderlich, daß sich die fahrenden Gesellen in ihren Wan- 78 derjahren auf den Weg machten, um bei die­ sem Meister dies und bei einem anderen Meister eben das zu lernen, worin seine je­ weilige Stärke lag und was andere ihm nicht beibringen konnten. Berufliche Ausbildung ist heute – mit gutem Grund-reglementiert, und die jewei­ ligen Ausbildungsverordnungen und Berufs­ bilder (man denke nur an die viel diskutierte Neuordnung der Elektro- und Metallberufe) legen fest, was ein Lehrling in seinen 3-4

Lehrjahren im Betrieb und in der Gewerbli­ chen Schule zu lernen hat. Von freien Vagan­ tenjahren ist da keine Rede mehr – diese waren ja auch früher eher den Gesellen vor­ behalten. Im Herbst 1981 begann bundesweit die Zahl derer, die eine Lehrstelle antraten, die Zahl derer die zu einem Hochschulstudium zugelassen wurden, zu unterschreiten und die gewerbliche Wirtschaft macht sich – nicht erst seit heute -Sorgen um einen quali­ fizierten Nachwuchs. Anders ausgedrückt: Nicht die Lehrstellen, die Lehrlinge werden knapp. Hinzu kommen die Entwicklungen unse­ rer Bevölkerungszahlen, ihre Altersvertei­ lung und der entsprechenden Konsequen­ zen auf dem Arbeitsmarkt: für die Betriebe wird die Rekrutierung von Auszubildenen wie von qualifizierten Mitarbeitern immer schwieriger. Gerade in einem Raum wie dem Schwarz­ wald-Baar-Kreis, dessen wirtschaftliches Rückgrat die kleinen und mittleren Betriebe sind und dessen gewerbliche Umorientie­ rung nach dem weitgehenden Zusammen­ bruch der Uhrenindustrie in etwa abge­ schlossen ist, sind Erwerb und Erhalt von Qualifikation schon von Beginn der Ausbil­ dung an lebensnotwendig. Die Haupt­ schwierigkeit, gerade auch außerhalb des eigentlichen Stadtgebietes, Lehrlinge zu bekommen und sie nach dem Abschluß auch zu halten, ist deshalb zu einem Thema geworden, das fast jede Firma in unserem Kreis berührt. Hinzu kommt, daß durch eine notge­ drungene Spezialisierung gerade der kleinen Betriebe, für die Technologien, bei denen eine Marktchance gesehen wird, nicht alle Betriebe ihre Lehrlinge in der Breite ausbil­ den können, wie dies über die Forderungen Die Teilnehmer bei der Präsentation: (von rechts) Prof. Dr. Klaus Kornwachs, Siegfried Reith, Dr. Peter Dehnbostel Ministerialrat Werner Feuerlein 79

der Berufsausbildungsverordnungen hinaus von der betrieblichen Praxis her wünschens­ wert wäre. Deshalb war es naheliegend, das Angebot der Ausbildung verschiedener Betriebe zu koppeln und in einem Verbund Ausbil­ dungsgänge anzubieten, die nicht nur den Verordnungen der Berufe entsprechen, son­ dern – darüber hinaus – die einzelnen Stär­ ken und Spezialitäten der beteiligten Firmen in den Ausbildungsplan mit hinein zu neh­ men. Mit dieser Grundidee machten der Verein zur Förderung der beruflichen Bildung im Schwarzwald-Baar-Kreis e.V: (Vorsitzender: Landrat Dr. Gutknecht), das Bildungszen­ trum Turmgasse der Firma Winkl er im Stadt­ bezirk Villingen und die Firmen Aluminium Gießerei, Stadtbezirk Villingen, Güntert (Präzisionstechnik), Stadtbezirk Villingen, Gutmann (Arbeitsplätze für Schule und Betrieb), Unterkirnach, WiHa (Schraub­ werkzeuge), Schonach, Hock (Stanzwerk­ zeuge), Schönwald, Koepfer (Maschinen­ fabrik), Furtwangen, Metallwerke Schwarz­ wald, Stadtbezirk Villingen und Winkler (Backmaschinen), Stadtbezirk Villingen, im Herbst 1990 ernst. Sie beschlossen, einen Modellversuch zur Förderung zu beantra­ gen, wie man einen Ausbildungsgang für Lehrlinge im zweiten und gegebenenfalls dritten Lehrjahr organisieren könnte, um bei einer „Wanderschaft“ durch die teilnehmen­ den Betriebe den Lehrlingen Einsichten und Erfahrungen zu vermitteln, die sie in ihrem ,,eigenen“ Betrieb so nicht machen würden. Um Mißverständnisse zu vermeiden: Natürlich sind die genannten Firmen mit Belegschaftsgrößen von 900 bis 94 Mitarbei­ ter in der Lage, in den ca.15 vertretenen Aus­ bildungsberufen zur Zeit insgesamt 13 7 Lehrlinge so auszubilden, daß sie für Prü­ fung und Berufsleben gewappnet sein wer­ den. Dennoch haben sich im Zeichen der rechnerintegrierten Fertigung und der Auto­ matisierung viele Arbeitsinhalte, Formen der Arbeitsorganisation und selbst die Struktur der betrieblichen Organisation verändert 80 und werden sich auch weiter ändern. Dazu kommt, daß vorhandene Q!.ialifikationen oder solche, die noch auf dem „Lehrplan“ stehen, teilweise nicht mehr benötigt werden und viele neue Anforderungen auch von den Ausbildern (seien es hauptamtliche in den größeren Betrieben oder „neben“amtliche wie überwiegend in den kleinen Betrieben) erst noch selbst verarbeitet und für die Aus­ bildung umgesetzt werden müssen. Deshalb werden neben der Vermittlung der notwendigen Fachkenntnisse und Fertig­ keiten (Fachkompetenz) auch zunehmend methodisches Wissen und ein Verstehen des gesamten Produktionsprozesses (Methoden­ kompetenz) wichtig, um auf die zukünftige Rolle eines kompetenten Mitarbeiters vorzu­ bereiten. Dazu gehört auch die Hinführung zu einem sicherheits- und qualitätsgerechten Verhalten und Arbeiten. Daß zunehmend auch das, was in der Bildungsdebatte „Sozial­ kompetenz“ genannt wird, bereits in der beruflichen Erstausbildung vermittelt wer­ den muß, war schon immer ein Grundsatz, nach dem das Bildungszentrum Turmgasse (BZT) gehandelt hat: Wir brauchen teamfä­ hige Mitarbeiter, die kooperativ sind, die sagen können, was sie meinen und die eigen­ verantwortlich handeln können. Der beantragte Modellversuch „Dezen­ trales Lernen“ wird mittlerweile vom Bun­ desministerium für Bildung und Wissen­ schaft und dem Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie unseres Lan­ des Baden- Württemberg gefördert. Das Bun­ desinstitut für berufliche Bildung in Berlin (BIBB) hat die fachliche Aufsicht über dieses Projekt, das Fraunhofer-Institut für Arbeits­ wirtschaft und Organisation in Stuttgart hat die wissenschaftliche Begleitung übernom­ men. Neben den schon genannten Firmen sind die Gewerblichen Schulen in Donau­ eschingen, die IHK Schwarzwald-Baar-Heu­ berg, das Arbeitsamt Villingen-Schwennin­ gen als Institutionen und eine Reihe von berufspädagogischen Fachleuten aus der Region als Berater bei diesem Vorhaben ein­ gebunden.

Nach einer gründlichen Analyse der Mög­ lichkeiten, welche der beteiligten Firmen für welchen Ausbildungsberuf in welchem fach­ lichen Thema einen „Lernort“ anbieten kann, wird ein Plan erstellt, welcher Lehrling wann bei welcher Firma wie lange was lernen kann. Damit dieses Puzzle sinnvoll wird, bereiten unsere Wissenschaftler vom Fraun­ hofer-Institut in enger Kooperation mit den Ausbildern die erforderlichen und darüber hinaus angebotenen Lerninhalte in Form von Lernaufgaben auf Damit entstand ein Lehr„gang“ im wahrsten Sinn des Wortes: Unsere Lehrlinge werden zu Wanderbur­ schen, zumindest für die Zeit des ersten Pilotlehrgangs, der ab Mitte 1993 durchge­ führt werden soll. Auch die Projektdurchführenden lernen aus Erfahrung. Denn die mit diesem Pilot­ lehrgang gemachten Erfahrungen sollen wei­ ter vermittelt werden -nicht nur an die interessierte Fachöffentlichkeit, sondern vor allem auch an die Ausbilder sowohl der beteiligten Firmen wie auch, später, derjeni­ gen aus der Region. Denn die Grundidee ist ja, es nicht nur beim Modellversuch zu belas­ sen, sondern aus dem Projekt eine übertrag­ bare Vorgehensweise zu entwickeln, wie sich Firmen zu einem Lernartverbund zusam­ menschließen können und wie sie ihre Aus­ bildungsgänge dezentral und durch „Wan­ derschaft“ gestalten und organisieren kön­ nen. Der Modellversuch, wenngleich erst am Anfang, hat in der Fachwelt jetzt schon eine große Resonanz gefunden. Abgesehen davon, daß das Modell der Lernfabrik am Bildungszentrum Turmgasse in Form eines erfolgreichen Transfers in Pulsnitz in Sach­ sen gerade aufgebaut wird und abgesehen davon, daß das überbetriebliche Lernange­ bot dieses Bildungszentrum zu einer europa­ weit sehr beachteten Einrichtung gemacht hat, erhoffen sich die Initiatoren des Modell­ vesuchs „Dezentrales Lernen“, daß diese Erfahrungen den Firmen in der Region hel­ fen, ihre Rekrutierungsprobleme zu lösen, indem ein solcher Ausbildungsverband min- destens ebenso wenn nicht attraktiver ist als das Lernangebot, das (nur?) ein großes Unternehmen anbietet. Aber nicht nur das. Wer herum kommt, macht Erfahrungen. Wir alle an diesem Projekt glauben, daß es sich bei den Lehrlingen eines Tages herum­ spricht und die Firmen beim Einstellungs­ gespräch mit einem „Aha“ reagieren, wenn man sagt: Der oder die hat eine Lehre mit Wanderschaft gemacht -und das schon ist ein Grund, den oder die sich doch einmal näher anzusehen. Dies wäre dann auch ein Beitrag dazu, eines der Markenzeichen die­ ser Region zu bewahren und auszubauen: Kompetente, hochqualifizierte Mitarbeiter, die zu leben und zu arbeiten verstehen. Prof. Dr. Klaus Kornwachs Herbstlied Milde rieselt Sonnenschein Auf den halbentlaubten Hain Wie der letzten Hoffnung Licht Auf des Sterbenden Gesicht. Lebensmüde rauscht er schon Vöglein flattern stumm davon; Leisgebornes Abschiedsleid Schleicht heran: Vergänglichkeit! – Zitternd hält sich im Geäst Noch des Sommers karger Rest. Und im ärmlichsten Gewand Blümlein stehn am Waldesrand. Da! Ein Stöhnen lang und schwer! Kalter Sturmwind braust daher; Und des Sommers letzten Traum Küßt der Tod am Waldessaum! … Josef Albicker 81

Wirtschaft und Gewerbe Der Europäische Binnenmarkt Auswirkungen auf die Industrie im Schwarzwald-Baar-Kreis Ziel des Europäischen Binnenmarktes, der am 1.1.1993 in Kraft tritt, ist die Verwirk· lichung der sog. vier Grundfreiheiten. Ob gewollt oder ungewollt, gesteuert oder nicht gesteuert – die Realisierung des freien Waren·, Dienstleistungs·, Personen· und Kapitalverkehrs hat Auswirkungen auf die gesamte deutsche Wirtschaft, insbesondere auch auf die Unternehmen im Schwarzwald­ Baar-Kreis, die seit jeher stark exportabhän· gig sind. Je nach Branche, Größe, Struktur und Marktposition sind die Auswirkungen unterschiedlich. Generell aber gilt: Der Wettbewerb nimmt zu, und das Binnen· marktprogramm, das eine Deregulierung auf breiter Front beinhaltet, geht mit Impulsen für Produktion und Beschäftigung einher. Die Produktionskosten werden durch den Abbau administrativer Kosten und die Ver· ringerung der bisher durch die unterschiedli­ chen Normen in den einzelnen Ländern bedingten zusätzlichen Entwicklungskosten sinken. Gleichzeitig wird mit dem zunehmenden Wettbewerb der Rationalsierungsdruck wegen der hohen Lohnkosten steigen. Die Kostensituation im Hochlohnland Bundes· republik führt dazu, daß heute nur noch hochwertige Produkte und anspruchsvolle Zulieferungen der hiesigen Unternehmen international konkurrenzfähig sind. Insgesamt werden die Firmen vom Bin· nenmarkt besonders profitieren, die ohne· hin bereits europa· oder weltweit orientiert sind – also vor allem Großunternehmen. Gute Chancen im großen Markt werden jedoch auch die heimischen mittelständi· sehen Betriebe haben, die sich rechtzeitig unternehmenspolitisch und strategisch auf 82 die veränderten Rahmenbedingungen einge· stellt haben. Dies gilt insbesondere für die hier dominierenden Branchen Elektrotech· nik, Feinmechanik sowie Maschinenbau, die allein gut die Hälfte der hiesigen Industrie· beschäftigten ausmachen und die wert· schöpfungsstarke Produkte mit hohem Technologiegehalt herstellen. Ein beachtlicher Teil der hiesigen Indu­ strie gehört zur Zulieferindustrie, die nicht nur in das Bundesgebiet liefert, sondern europa· und weltweit neben der Automobil­ branche das gesamte Spektrum der Industrie abdeckt. Nach Vollendung des EG-Binnen· marktes wird die europaweite Beschaffung sicher zunehmen, doch nicht nur bei den Kunden deutscher Zulieferer, sondern auch in anderen Mitgliedsstaaten, so daß sich für die hiesigen Zulieferer auch neue Märkte öffnen. Der Abbau der Grenzen und damit ver· bunden auch geringere Transportkosten, z.B. durch den Wegfall der Wartezeiten, wird aber nicht zwangsläufig oder gar vorran· gig zu einer Verlagerung der Nachfrage auf Zulieferer im europäischen Raum führen. Vielmehr werden Faktoren wie Fühlungsvor· teile aus der räumlichen Nähe zu den Zulie­ ferern, ihre Zuverlässigkeit und Liefertreue, langjährige gute Zusammenarbeit sowie der hohe Q!ialitätsstandard ihrer Produkte wei· terhin von entscheidender Bedeutung sein. Allerdings müssen vor allem kleinere Zulie­ ferer der Reduktion der Fertigungstiefe bei ihren Kunden mit geeigneten Anpassungs· strategien begegnen. Erfolg werden sie hier vor allem mit der Umstellung auf technische komplexere Produkte in geeigneten Markt· nischen haben.

Charakteristisch für die Wirtschaft im Schwarzwald-Baar-Kreis ist weiterhin die Drehteileindustrie, die Großuhrenindustrie, der Ventilatoren- und Lüfterbau sowie die Herstellung von Zählern und Zeiterfassungs­ geräten. Die Produkte dieser Unternehmen haben auf dem Weltmarkt – und besonders auf den Märkten in den EG-Ländern – bereits eine sehr gute Position. Dies ist auch ein Ausdruck der starken Exportorientierung der heimischen Industrie. Deutlich über ein Viertel ihres Umsatzes erzielte die Investitionsgüterindustrie 1991 im Export. Hauptausfuhrländer sind nach wie vor neben den EG-Staaten mit Frank­ reich an der Spitze die EFTA-Länder Schweiz und Österreich sowie die USA. Hier zeigt sich die schon bisher insbesondere in Europa hohe Wettbewerbsfähigkeit der hei- mischen Unternehmen im Außenhandel. Sie ist ein wichtiger Trumpf im EG-weiten „Spiel“ um Marktanteile und Ansehen. Die weitgehend mittelständische Struktur der hiesigen Industrie ist Chance und Risiko zugleich. Dank ihrer hohen Anpassungsfä­ higkeit, ihrer Kreativität und Flexibilität, spielt die mittelständische Wirtschaft eine wichtige Rolle bei der Entwicklung neuer Produkte und Produktionsverfahren. Die Bewältigung der schweren wirtschaftlichen Einbrüche in diesem Raum anfangs der 80er Jahre gibt berechtigten Anlaß zur Hoffnung, daß auch die europäische Herausforderung erfolgreich angenommen wird. Gerade klei­ nere und mittlere Unternehmen werden aus dem Fortfall der Grenzbarrieren, deren Überwindung für sie bislang schwieriger war als für Großunternehmen, besonderen Nut- Klaus Burk · Landschaft hinter Villingen 83

zenten vermehrt befassen, während clie hie­ sige Produktion sich immer mehr auf hoch­ wertige Güter konzentrieren muß. Damit ist der Zwang zu ständiger Innovation und zu steigender Flexibilität verbunden. Sektoral betrachtet wird die Investitions­ güterindustrie zu den überdurchschnittlich gewinnenden Wirtschaftsbereichen gehö­ ren. Je kräftiger die Wachstumsimpulse in der EG ausfallen, um so mehr wird investiert. Bei der großen Bedeutung der Investitions­ güterbranche im Schwarzwald-Baar-Kreis wird damit auch die hiesige Wirtschaft profi­ tieren -allerdings in einem harten weltwei­ ten Wettbewerb. Sie kann mit der gebotenen Zuversicht vorwärts blicken. Dr. Rudolf Kubach Hauptgeschäftsführer der Industrie-und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg zen ziehen können. Außerdem sind kleine und mittlere Unternehmen auf Markt­ nischen spezialisiert, deren Zahl mit der Größe des Marktes aufgrund regional und kultureU bedingter Verbraucherpräferenzen ebenfalls steigen wird. Angesichts dessen gilt es vorrangig das Marketing zu verstärken. Bei der mittelständischen Wirtschaft wird die Anpassung der Produktpalette mehr in Richtung Differenzierung laufen, während sich für die größeren Unternehmen eher die Standardisierung anbietet. Großes,Gewicht kommt künftig den Änderungen in der Pro­ duktionsstrategie zu, wobei Rationalisie­ rungsmaßnahmen zur Kostensenkung ganz vorne rangieren. Auch clie mittelständischen Unternehmen müssen sich bei Standardpro­ dukten mit der Frage der Produktionsverla­ gerung ins Ausland bzw. der Kooperation mit einem billigeren ausländischen Produ- Werksverlagerung ins Industriegebiet Ost abgeschlossen Ein neues Kapitel Firmengeschichte wird Mit moderner Technik in neuem geschrieben Ambiente 1988 wurde Steine] von dem österreichi­ Einer der bedeutendsten Schritte in der schen Konzern Voest Alpine AG als selb­ über 65jährigen Firmengeschichte des tradi­ ständige Tochter übernommen. Zielsetzung tionsreichen Schwenninger Werkzeugma­ war unter anderem, mittelfristig sämtliche schinenherstellers Steine! ist die komplette Aktivitäten im Industriegebiet Ost zu kon­ Werksverlagerung aus der Innenstadt ins zentrieren, um die überhöhten Produktions­ Industriegebiet Ost. Der bereits seit den sieb­ kosten in den Griff zu bekommen, welche ziger Jahren bestehende Plan fand Ende 1991 durch angemietete Räume, Produktion in mit der Fertigstellung und Inbetriebnahme zwei Werken mit ständigem Pendelverkehr, des letzten Bauabschnittes seinen Abschluß. verschiedenen Lagerorten und Warenein­ Bereits 1978 bis 1982 entstand in drei Bau­ gängen zustande gekommen waren. So abschnitten der erste Gebäudekomplex mit wurde 1989 vom Aufsichtsrat der Voest rund 9200 qm Montage-und Fertigungsflä­ Alpine Maschinen-und Anlagebau-Holding che (vgl. Almanach 1983, Seite 57 /58). AG eine erneute Werkserweiterung geneh­ Wegen der nachfolgenden wirtschaftlichen migt. Der 1. Spatenstich hierzu wurde im Au­ Rezession, von der auch Steine! hart getrof­ fen wurde, mußten weitere bauliche Maß­ gust 1990 vom Vorsitzenden der Geschäfts- nahmen zurückgestellt werden. Steinei Werkzeugmaschinen Villingen-Schwenningen 84

Steine! Neu- und Erweiterungsbau im Industriegebiet Ost führung, Herrn Dipl.-Ing. Willi Schütz, vor­ genommen. Während der ersten Baustufe wurde für 15 Millionen DM eine weitere Montagehalle mit Wasch- und Lackierbe­ reich, Wareneingang und Warenausgang errichtet sowie ein halbautomatisches Hoch­ regallager mit 60 m Länge, 19 m Breite und 12 m Höhe, in welchem der gesamte Materi­ albereich, Klein- sowie Großteile, gelagert und verwaltet wird. Hinzu kam ein Bürotrakt für Geschäftsführung und Vertrieb mit Kon­ ferenzräumen und attraktiver Empfangs­ halle. Obwohl die endgültige Umsiedlung erst für 1994 vorgesehen war, wurde Ende Juni 1991 vom Aufsichtsrat die Genehmigung zu einem vorgezogenen 2. Bauabschnitt, einem Verwaltungs- und Bürobereich, erteilt. Wegen den Betriebsferien konnte jedoch erst Anfang August mit den Bauarbeiten begon­ nen werden. Da aus Kosten- und Vertrags- gründen die in der Stadtmitte angemieteten Räume bis zum Jahresende frei sein mußten, durfte die Bauphase nur 88 Tage betragen. Anhand einer minuziösen Terminplanung zwischen Steine!, dem Architekten, Herrn Dipl.-Ing. Gerhard Lauffer und den beteilig­ ten Baufirmen konnte die extrem kurze Bau­ zeit für 2 x 1200 qm (= 2400 qm) Bürofläche eingehalten werden. Anfang 1992 befanden sich insgesamt 460 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der neuen Werkzeugmaschinenfabrik im Indu­ striegebiet Ost. Auf insgesamt 20 000 qm Fläche werden heute modernste Werkzeug­ maschinen entwickelt und hergestellt. Aus­ gereifte Material- und Datenflußtechnik sorgt für höchste Produktivität. Eine neue Organisationsstruktur ist optimal auf die neue Umgebung abgestimmt. Mit dem ferti­ gen Neubau, der sich harmonisch in die bestehende Architektur ins Industriegebiet 85

Montagehallefür Großmaschinen Ost einfügt, sieht sich Steine! für die Zukunft gut gerüstet. Technologisch im internationalen Wettbewerb mit an der Spitze Bearbeitungszentren, Flexible Fertigungs­ zellen und -systeme bilden heute die Haupt­ Produktlinie im Hause Steinei. Die Bedeutung der NC-Technik wurde bei Steine! frühzeitig erkannt. Die erste NC-Maschine, eine Bohr- und Fräsma­ schine, wurde bereits 1964 auf der Hannover Messe vorgestellt. 1970 entstand das erste Steine! CNC-Bearbeitungszentrum mit Werkzeugmagazin, automatischer Werk­ zeugwechsel- und Palettenwechseleinrich­ tungen für die Bearbeitung von kubischen Werkstücken. Als innovatives Unternehmen hat Steine! in der Folge immer wieder durch richtungs­ weisende Konzepte auf sich aufmerksam 86 gemacht. Völlig neue Maßstäbe setzte Stei­ ne! im Jahre 1977 mit der Vorstellung des Horizontal-Bearbeitungszentrums BZ 20. Mit dem BZ 20 wurde als Weltneuheit eine völlig neue Maschinenkonzeption realisiert. Diese besteht aus der horizontalen Anord­ nung von Rundtischachse und Arbeitsspin­ del. Durch dieses Konstruktionsprinzip kön­ nen auch große Spänemengen ungehindert abfließen. Diese neue Generation von Bearbeitungs­ zentren wird aus einem Modularbaukasten aufgebaut und umfaßt mehrere Baugrößen. Heute werden Steine! Bearbeitungszentren mit einem Werkstückspeicher mit 4, 6, 9 oder 15 Paletten ausgerüstet. Damit entsteht eine Flexible Fertigungszelle nach Maß. Bei Programmlaufzeiten von nur 30 Minuten decken die Palettenspeicher mit 9 bzw. 15 Speicherplätzen den Arbeitsvorrat einer kompletten Schicht.

1 1 ‚ • Bearbeitungszentrum mit Palettenwechsel-Einrichtung Mit der Entwicklung und Herstellung von Flexiblen Fertigungssystemen ist Steine! seit 1983 erfolgreich. Es handelt sich dabei um mehrere sich ergänzender/ersetzender Bear­ beitungszentren, die durch ein Materialfluß­ system verkettet sind und durch einen Rech­ ner gesteuert werden. Inzwischen hat Steine! eine Reihe intelligenter Fertigungssysteme an bedeutende Firmen im In- und Ausland geliefert. Erneut Maßstäbe setzte Steine! 1986 mit der Einführung des CNC-Fräszentrums BFZ 5 mit Doppel-Schwenktisch. Durch diesen Schwenktisch ergeben sich System­ Vorteile wie freier Spänefall, Be- und Ent­ laden während der Hauptzeit. 1989 wurde Steine!, wie schon erwähnt, vom Voest Alpine Konzern (heute Voest­ Alpine Steine! Ges.m.b.H. mit Firmensitz in Linz) als selbständig operierende Firmenein­ heit übernommen. Grundsatzüberlegungen dabei waren die Forcierung der Maschinen­ bauaktivitäten. Die Bedarfsentwicklung auf diesem Gebiet verlangt in zunehmendem Maße nach kompletten, systemübergreifen­ den Problemlösungen. Durch den Erwerb von Steine! kann in Zukunft der gesamte Zerspanungsbereich durch Drehmaschinen von Voest-Alpine Steine! und Bearbeitungs­ zentren von Steine! mit hoher Kompetenz abgedeckt werden. Gleichzeitig wurden damit auch Zeichen gesetzt für die Inter­ nationalisierung der Geschäftstätigkeit mit Blickrichtung auf den zukünftigen einheit­ lichen europäischen Wirtschaftsraum. Jüngste Steinei-Neuentwicklung, die Markteinführung begann 1990, sind das Genauigkeitszentrum BZ 630 sowie das BZ 630-3, ein dreispindliges Bearbeitungszen­ trum für flexible Fertigung mit 3fach Palet­ tenwechsel oder 18fach Palettenspeicher. Heinrich Duffuer 87

Die ismet-W erke Eine elektrotechnische Fabrik in Villingen-Schwenningen Die ismet-Werke, ein mittelständisches Unternehmen der Elektroindustrie, sind aus der 1902 von Johann Schlenker in Villingen gegründeten Feinmechaniker-Werkstatt her­ vorgegangen. Das vom Schwiegersohn Karl Maier ausgebaute Unternehmen liegt noch heute in Familienhand. Geschäftsführer ist derzeit Ingenieur Hans Maier. Die in der Europäischen Gemeinschaft · einen bedeutenden Rang einnehmende Firma produziert in 2 Werken Transformato­ ren und Elektro-Haushaltsgeräte. Alle Gerä­ te unterliegen strengen Q!ialitätsvorschrif­ ten und werden in der schon sprichwört­ lichen „Schwarzwälder Q!ialität“ gefertigt. Das angesprochene Transformatoren­ Programm umfaßt die Fertigung von Trok- kentransformatoren von 0,5 VA Stromver­ sorgung für gedruckte Schaltungen bis 3,150 MVA für industrielle Zweig- und Produk­ tionsanlagen. Außer in der Industrie werden die Transformatoren in Krankenhäusern, Einkaufszentren, Flughäfen, Werften und Untergrundbahnen verwendet. Neben der Serienfertigung erfolgen auch Einzelferti­ gungen bis hin zu Transformatoren mit spe­ zieller Isolierung für den Einsatz in Wüsten­ gebieten oder den Tropen. Mit der schnellen Verbreitung von Com­ putern im gewerblichen wie im Haushalts­ und Hobbybereich stiegen die Anforderun­ gen an die Versorgungsspannungen be­ trächtlich. Gebraucht wurden Gleichspan­ nungsnetzgeräte mit präziser Ausgangsspan- Im Vordergrund das Transformatorenwerk, im Hintergrund das Verwaltungsgebäude mit angeschlosse­ ner Elektro-Haushaltsgeräte-Fertigung 88

nung. Zu diesem Zeitpunkt konnte ismet aufgrund seiner langen Erfahrung Transfor­ matoren mit nachgeschalteter Analogtech­ nik zur Spannungsversorgung anbieten. Die sprunghafte Weiterentwicklung der Computertechnik erhöhte erneut die Anfor­ derungen an die Netzgeräte. Die Antwort darauf war der Einstieg in den Markt der voll­ elektronisch getakteten Netzgeräte und die Errichtung einer eigenen Produktionslinie. Die Erweiterung der Fertigungskapazität durch einen Fabrikationsbau 1989 erlaubt heute die Befriedigung der unterschiedlich­ sten Kundenwünsche, da die getakteten Netzgeräte nicht nur als Serienprodukte, sondern auch als Spezialanfertigungen ange­ boten werden können. Neueste Entwicklun­ gen sind derzeit ein Einphasen-Transforma­ tor für Niedervolt-Halogen-Lampen und ein für den Europäischen Markt konzipierter Mehrspannungs-Transformator der Steuer-, Trenn- und Sicherheitstransformator zu­ gleich ist. Was das zweite Standbein der Firma, die Elektro-Haushaltsgeräte anlangt, fertigt ismet in 10 Produktionsgruppen rund 50 Haushaltsgeräte. Dazu zählen Heizlüfter, Schnellheizer, Elektro-Allesschneider, Eier­ kocher, Waffel-Automaten, Folien-Schweiß- Kaffee- und Wa.ffelautomat, Eierkocher, Toast­ automat mit Brötchenaufsatz Schnellheizer geräte, Toaster, Eismaschinen, Blitz-Wasser­ kocher, Q!iarzstrahler, Frostwächter, Luft­ sprudelbäder und Kaffee-Automaten. Neue­ stes Produkt bei letzteren sind zwei Kom­ pakt-Kaffee-Automaten mit Glaskrug- oder Thermokannen und einer 1000-Watt-Hei­ zung für schnelle Kaffeezubereitung von bis zu 2 x 10 Tassen gleichzeitig. Wichtigste Messe für ismet ist die nur vier Tage dauernde Domotechnica in Köln, wo die Geräte -nicht wenige tragen das Gütesie­ gel der Stiftung Warentest – einem großen in- und ausländischen Fachpublikum ange­ boten werden. Viele der elektrischen Haushaltsgeräte, die nicht nur technisch auf dem neuesten Stand sind, sondern sich auch durch funktio­ nale Ästhetik auf psychologischer Grund­ lage auszeichnen, sind auch dem Konsu­ menten wohl bekannt. Man findet sie in vie­ len Katalogen deutscher Versandhäuser, nur tragen sie hier ein eigenes Firmenlogo. Der Vertrieb all dieser Produkte erfolgt über 14 Vertretungen mit Auslieferungsla­ gern innerhalb der Bundesrepublik und weit­ . weit über 16 ausländischen Agenturen. Dr. Joachim Sturm 89

Stahlbau Münch GmbH in Brigachtal-Kirchdorf 1991 konnte die Firma Stahlbau Münch GmbH ihr 2Sjähriges Betriebsjubiläum fei­ ern. Man kann sich noch gut an den Neube­ ginn im Jahre 1966 erinnern, wo in Klengen in der Gartenstraße in einer Garage die ersten kleineren Schlosserarbeiten gefertigt wurden und nebenher der Neubau der Werkstatt erstellt wurde. Damals war die Zeit, als immer mehr Q!ia­ drat- und Rechteckrohre in der Möbelindu­ strie Verwendung fanden; in diesen Markt stieg die damals junge Firma Münch ein. Speziell wurden Fernsehtische, für neu auf den Markt gekommene wesentlich schwerere Farbfernseher, in größerer Stück­ zahl gefertigt. Weitere hinzugenommene Zulieferarbei­ ten auf diesem Sektor erforderten zusätz­ liche maschinelle Einrichtungen und auch wesentlich mehr Produktionsfläche. Aus die­ ser Entwicklung ergab sich die Notwendig- keit, nach Möglichkeiten Ausschau zu hal­ ten, den Betrieb zu verlagern. Dabei nutzte man die Gunst der Stunde, das Angebot der damalig noch selbständigen Nachbargemeinde Kirchdorf auf verkehrs­ günstig gelegenen, neu ausgewiesenen Gewerbegebiet den Betrieb anzusiedeln. Somit wurde man zwangsläufig zum Pio­ nier des neuen Gewerbegebiets in Kirchdorf, denn nachdem der Anfang gemacht war, reihte sich Betrieb an Betrieb, bis der letzte Platz verkauft war. In den neuen großen Räumen mit 800 m2 Produktionsfläche und dem entsprechenden Hebegerät war nun auch die Möglichkeit gegeben, Arbeiten größeren Umfangs durch­ zuführen und so ließ es nicht lange auf sich warten, bis die ersten Stahlkonstruktionen darin gefertigt wurden, was dann zu einer stürmischen Entwicklung führte. Mit Stolz kann man zwischenzeitlich auf eine ganze Reihe erfolgreich abgeschlosse- 90

ner Objekte in der näheren und weiteren Umgebung, selbst auch im Ausland, zurück­ schauen. Der Bedarf der vielfach geforderten Nebengewerke im modernen Industriebau hat dazu geführt, daß im Jahre 1982 eine Metallbaufirma übernommen wurde, die heutige Metallbau Münch GmbH, in der Alufenster und -türen, Schaufenster, Glas­ pyramiden sowie Wintergärten und vieles andere mehr gefertigt werden. Als in unmittelbarer Nachbarschaft 1983 ein Betrieb seine Existenz aufgab, erwarb man dessen Gebäude und hatte damit die notwendige Produktionsfläche für den Metallbau. Seit dem Jahre 1985 fertigt eine Abteilung Sportgeräte für den Fitneßbereich, die im In­ und Ausland guten Absatz finden. Immer darauf bedacht, so rationell wie nur möglich fertigen zu können, war Veran­ lassung im Jahre ’89, die Produktionsfläche nochmals zu erhöhen aufinsgesamt 3000 m2 sowie eine auf das modernste eingerichtete Säge-Bohranlage zu kaufen, ,,das Herzstück des heutigen Stahlbaubetriebes“, wie es der Firmenchef Josef Münch immer wieder bezeichnet. Auch personell mußten manche Klippen überwunden werden, bis man ein in allen Fachrichtungen mit neuesten Technologien vertrautes Team hatte. Zielstrebiges Engagement, Termintreue, Fleiß und Freude an beruflichen Herausfor­ derungen haben sich vom Firmenchef auf seine beiden Söhne, die mittlerweile auch ihre Führungspositionen eingenommen haben, und auf die ganze Belegschaft über­ tragen. In Verbindung mit einem gut geschulten, leistungswilligen Personal, modernen Ein­ richtung und Technologie wird auf Jahre hinaus die Existenz dieses Betriebes ge­ sichert bleiben. JosefMünch Stahlkonstruktion, ein „Produkt“ der Finna Münch GmbH 91

Ein bedeutendes mittelständisches Unternehmen Die Firma Reiner, Furtwangen Marktführer in der Herstellung von Stempel-, Numerier- und Codiergeräten Es ist der Uhrmacherei, besser der Uhren­ industrie und der mit ihr verbundenen Arbeitsteilung zu verdanken, daß im Furt­ wangen der Jahrhundertwende eine Vielzahl von kleinen Zulieferbetrieben und mittel­ ständischen Unternehmen aufblühte, die die Stadt rasch zu einem führenden Indu­ strieort der Region machten. Und wenn heutzutage, im Zeitalter der Elektronik, das viel zitierte Silicon Valley im amerikani­ schen Bundesstaat Kalifornien als Sinnbild für modernes Unternehmertum herangezo­ gen wird, dann hätte zur Zeit der Uhrmache­ rei und dem damit einhergehenden Entste­ hen einer feinmechanischen mittelständi­ schen Industrie im Schwarzwald immer wie­ der der Name Furtwangen fallen müssen. Auch im Hinblick auf die heutige Ernst Reiner GmbH & CO. KG, dem Marktführer bei der Fertigung von Metallstempeln und elektrischen Tischstempelgeräten, elektroni­ scher Codiergeräte und Präzisionsdrehtei­ len. Denn was Firmengründer Ernst Reiner (1890-1972) in den Jahren 1913 bis 1919 im Keller des elterlichen Hauses in der Unterall­ mend 11 ersann, nämlich die Entwicklung und Fertigung eines mechanischen Nume­ rierapparates, hat die Elektronik bis zum heutigen Tage nicht einzuholen vermocht. Die Idee Ernst Reiners, -basierend auf einer von ihm erfundenen, neuartigen mechani­ schen Räderschaltung -höchst zuverlässige und vielfältig einsetzbare Stempelgeräte zu fertigen, brachte ein mittelständisches Un­ ternehmen hervor, das im Jahr 1992 zu den größten Arbeitgebern der Raumschaft Furt­ wangen zählt. Mit Geschäftsführer Andreas Reiner an der Spitze, beschäftigt der Fami­ lienbetrieb in dritter Generation mehr als 500 Mitarbeiter, darunter44 Auszubildende, und wird ein Jahresumsatz von 77 Millionen Mark erwirtschaftet. 92 Wer sich um 1900 in Furtwangen für die Mechanik begeisterte, der wandte sich meist der Uhrmacherei zu, dem wurden die Grundlagen seiner Ausbildung in der Groß­ herzoglichen Uhrmacherschule vermittelt. So auch im Fall von Ernst Reiner. Der dama­ lige Direktor der Uhrmacherschule, Prof. Baumann, entdeckte schon bald die außer­ gewöhnlichen Fähigkeiten dieses Schülers und ließ ihm seine besondere Protektion zuteil werden. Nach der Ausbildung in Furt­ wangen öffneten sich Ernst Reiner vielfältige Möglichkeiten, in den Zentren der Präzi­ sionsuhrmacherei tätig zu werden. Von der Firma Riffler in Nesselwang/Allgäu, einem bekannten Hersteller von Normaluhren, wechselte Ernst Reiner zu einem Seechrono­ meter-Hersteller in Glashütte/Sachsen, wo er die Meisterprüfung als Großuhrenmacher ablegte. Während des Aufenthaltes in Glas­ hütte lernte er im übrigen auch seinen späte­ ren Kompagnon Johann Wehrle aus Eisen­ bach kennen. Zurück aus Glashütte, machte sich Ernst Reiner im heimischen Furtwangen im Keller des Elternhauses mit einer Dreherei für Feindrehteile selbständig, wie aus der Fir­ men-Chronik hervorgeht, die Sohn Kurt Reiner im Jahre 1988 anläßlich des 75jähri­ gen Bestehens des Unternehmens „Reiner GmbH & CO. KG“ auflegte. Zum Ende des Ersten Weltkrieges hin, bot sich Ernst Reiner und Johann Wehrle die Gelegenheit, das leerstehende Gebäude der Firma Krüger zu erwerben, das sich auf dem heutigen Areal der Fachhochschule Furtwangen befand. In diese Zeit fällt auch der eigentliche Beginn der Stempelproduktion im großen Stil, sprich die Entwicklung eines eigenen Nume­ rierapparates. Mit der Reiner-Räderschal­ tung wich das junge Unternehmen von dem bislang am meisten gebräuchlichen Prinzip,

der sogenannten „Deutschen Schaltung“, ab. Daß Ernst Reiner damit eine zukunfts­ weisende Stempelkonstruktion ersonnen hatte, zeigte sich schon bald nach deren Ein­ führung am Markt, denn die Firma PRINTA­ TOR in Berlin übernahm die Reiner-Räder­ schaltung gleichfalls. Und: Die 1919 zur Pro­ duktionsreife gebrachte Erfindung ist in ihren Grundzügen noch heute das Herz­ stück der mechanischen Reiner-Stempel, wie sie einem beispielsweise im „Modell B6″ begegnen. Daß Handstempel, wie sie von Reiner gefertigt werden, ein höchst kompliziertes Innenleben aufweisen, das in seiner Korn- plexität durchaus mit dem Räderwerk einer Uhr vergleichbar ist, verdeutlicht deren täg­ liche Anwendung. Obwohl die Bürotechnik der 1990er Jahre ohne Elektronik nicht mehr vorstellbar ist und auch bei einer Reiner­ Elektrostempelfertigung seit vielen Jahren elektronische Bauteile zum Einsatz kom­ men, hat sich in der Sparte der Handstempel die Mechanik bis heute unangefochten am Markt behauptet. Denn gerade dort, wo ein handlicher Stempel parat sein muß, der zuverlässig Materialien jeder Dicke und Art mit einer Registriernummer oder anderen Angaben versehen kann, vermag die Elektro­ nik mit der Mechanik noch immer nicht zu 93

Paginierer Mod. B2 Paginierer Mod. B6 konkurrieren, zumal Reiner ständig daran arbeitet, das technische Innenleben weiter zu verfeinern. Der Handstempel ermöglicht es, kostengünstig und in Sekundenschnelle eingehende Briefe, Dokumente, amtlichen Schriftverkehr und anderes mit dem aktuel­ len Datum und/oder einer fortlaufenden Eingangsnummer sowie der Uhrzeit zu ver­ sehen. Reiner-Geräte, vor allem die elektro­ nisch gesteuerten Stempel- und Codierge­ räte, kommen tagtäglich nicht nur in der all­ gemeinen Industrie, sondern auch bei der Deutschen Bundespost, bei Banken, dem Zoll, Speditionen oder etwa im Autoverleih zum Einsatz. Zurück zu den Gründerjahren: Die Reiner­ Räderschaltung bewährte sich nicht nur bei der Stempel-Herstellung. Damals wurden auch Grammophonlaufwerke produziert und selbst ein Fahrraddynamo samt Leuch­ te. Für letzteren warb das Unternehmen mit dem Slogen: ,,Unterm mächtigen Himmels­ dom fährst Du sicher nur mit Gnom“. Außerdem fertigte man Relais-Teile für die Firma BBC in Großauheim. Eine besondere Aufgabe stellte sich dem jungen Unterneh­ men mit der Entwicklung eines Chiffrier­ gerätes für das Reichsaußenministerium in Berlin. An dieser Entwicklung waren neben 94 Ernst Reiner auch Heinrich Baumann, der Sohn des Direktors der Großherzoglichen Uhrmacherschule, Alfred Fehrenbach sowie Gustav Zähringer beteiligt. Da die Finanz­ decke für eine Produktentwicklung mit die­ sen technischen Ansprüchen zu dünn war, entschlossen sich die Inhaber, einem neu gebildeten Schwarzwälder Industriekonzern beizutreten. Zwischenzeitlich hatte sich auch der Name der Firma geändert, er lautete nun auf ,,AGFA“, auf „Aktiengesellschaft für Fein­ mechanik und Apparatebau“. Für Verkauf und Verwaltung war Direktor Johann Wehrle, der Kompagnon, zuständig, derweil Firmengründer Ernst Reiner nach wie vor die technischen Akzente setzte und damit die Weichen für den Erfolg der Gründerjahre stellte. Doch der Anschluß an den Schwarz­ wälder Industriekonzern stand für das junge Unternehmen unter keinem glücklichen Stern. Schon bald geriet der Firmenzusam­ menschluß in den Strudel der Inflation und erstes Opfer dieser Schwierigkeiten war die „AGFA-AG“, die sich über Nacht auch ihres ,,Know hows“ beraubt sah. Im guten Glau­ ben an einen gerechten Ausgang bei der nun folgenden Firmenliquidierung, stimmte Ernst Reiner diesem Schritt unter der Maß-

gabe zu, daß ihm die auf seinen Entwicldun­ gen fußende Stempelabteilung zugespro­ chen werde. Doch dazu kam es nicht: Nach der Liquidierung wurde die Stempelferti­ gung dem Furtwanger Unternehmen „Furt­ wängler & Söhne“ angegliedert, das gleich­ falls zum „Schwarzwälder Industriekonzern“ gehörte. So kam es dazu, daß sich vom Jahre 1925 an, und somit quasi über Nacht, in dem Industrieort Furtwangen gleich drei Firmen mit· der Herstellung von Numerier- und Stempelapparaten befaßten. Neben Reiner nun auch das spätere Unternehmen „Horray & Ritter“, das aus der Leo Furtwängler­ Uhrenfabrik hervorging, und die Firma DAT, die im übrigen erst kürzlich, im Dezember des Jahres 1991, Konkurs anmel­ den mußte. DAT- Gründer Emil Furtwängler war vor Eintritt in seine Selbständigkeit Mei­ ster bei der „AGFA“ von Ernst Reiner gewe­ sen. Der Zusammenbruch der „AGFA“ bedeu­ tete für Ernst Reiner, über Nacht vor dem Nichts zu stehen. Daß er in dieser Situation nicht resignierte, sondern sein Unterneh­ men neu aufbaute, obwohl die Randbedin­ gungen denkbar schlecht waren, unter­ streicht die außerordentlichen unternehme­ rischen Fähigkeiten des Firmengründers. Zusammen mit treuen Mitarbeitern wie Alfred Fehrenbach, Otto Dold, Gustav Kir­ ner, Josef Winlder und Edwina Heizmann, begann er im Nebenhaus des „Ochsen­ schlossers“ erneut mit der Numerierappara­ tefertigung. Das hierfür dringend benötigte Startkapital wurde dem Unternehmer von den örtlichen Banken verweigert, aber ein langjähriger Mitarbeiter setzte mehr Ver­ trauen in die unternehmerischen Fähigkei­ ten Ernst Reiners: er bot ihm seine gesamten Ersparnisse an. In dieser schweren Aufbau­ phase mußten gelegentlich sogar die Sparbü­ cher der Kinder als Deckung für die zunächst schwer finanzierbaren Löhne herhalten. Eine wesentliche Verbesserung des Geschäftsganges brachte schließlich ein Auf­ trag der Firma BBC in Großauheim. Und einen „Ruck“ in der Aufwärtsentwicldung bescherte die Erweiterung des Stempelappa­ rateprogrammes, insbesondere der neue Stempel „B2″. Ernst Reiner produzierte die­ sen Stempel mit neu eingeführten Ferti­ gungsmethoden: erstmals wurden die Numerierapparate mit Druckgußrädern und Blechteilen für das Gestell angeboten, die hauptsächlich im Ausland Absatz fanden. Da die räumlichen Verhältnisse beim „Och­ senschlosser“ zu eng wurden, erwarb Ernst Reimer im gleichen Zeitraum das Fabrikge­ bäude der ehemaligen „Wolmuth GmbH“ in der Baumannstraße, wo sich noch heute der Sitz des Unternehmens befindet. Diese Aus­ weitung machten insbesondere der Export von Numerierapparaten und das Zulieferge­ schäft mit der Firma BBC möglich. Die Jahre 1925 bis 1945 wurden durch eine ganze Reihe bahnbrechender Entwicldun­ gen gekennzeichnet. So auch durch einen Uhrzeit-Handstempel als Selbstfärber, der selbst noch in den 50er Jahren in der Illu­ strierten „Stern“ als herausragendes Patent Erwähnung fand, als diese über das deutsche Patentamt berichtete. Ein Foto zeigte den Posteingang im Patentamt, der mit einem Reiner-Uhrzeitstempel bearbeitet wurde. Etwa 1938 wurde zudem im Auftrag der BBC die Fertigung eines neuen Triebwerkes für ein sekundäres Relais aufgenommen. In der Firmenchronik vermerkt der Sohn des Gründers, Kurt Reiner, dazu: ,,Dieses Trieb­ werk war ursprünglich in der Schweiz ent­ wickelt und gefertigt worden. Wegen der bekannten besonderen Verhältnisse legte man bei BBC jedoch Wert auf eine parallele Fertigung in Deutschland. Eine Herausfor­ derung dabei war, daß für das neue Triebwerk jeweils vier Miniaturkugellager mit einem Außendurchmesser von 2,5 mm benötigt wurden. Mit Energie und Zähigkeit wurde auch dieses Problem gelöst. Das war dann nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges der Anlaß dafür, daß Reiner vom Reichsluft­ fahrtministerium mit der Fertigung von Miniaturkugellagern aller möglichen Aus­ führungen beauftragt wurde. Da für diese Art der Fertigung im Deutschen Reich keinerlei 95

neu belebt werden und trotz der fast vollstän­ digen Demontage der Produktionsstätten durch die französische Besatzungsmacht lief die Produktion weiter. Vorausschauend war zudem, daß, obwohl nur ein primitiver Maschinenpark zur Verfügung stand, bei der Fertigung von der ersten Stunde an nicht ausschließlich auf Q!iantität, sondern hauptsächlich auf Qualität Wert gelegt wurde. Da die früheren Hersteller der Bran­ che in Ostdeutschland die Stempelfertigung nicht mehr aufnahmen und die REINER­ Stempel sich durch Präzision und Langlebig­ keit auszeichneten, gelang es dem Furtwan­ ger Unternehmen in der Folgezeit zum Marktführer zu avancieren. 1948 folgte die Umwandlung der Einzel­ firma in eine Kommanditgesellschaft. Kom­ plementär wurde Ernst Reiner, Kommandi­ tisten die noch in Kriegsgefangenschaft befindlichen Söhne Kurt und Ernst-August Reiner sowie Tochter Margarete Reiner. Die Aufwärtsentwicklung des Unternehmens dokumentiert in der Folgezeit das Entstehen eines Büro- und Fabrikationsgebäudes. Nachdem Gustav Zähringer 1953 ausge­ schieden war, oblag die technische Leitung nun ausschließlich dem Firmengründer Ernst Reiner, während der Verkauf Sohn Kurt Reiner übertragen wurde und der zweite Sohn, Ernst A. Reiner, für den Einkauf ver­ antwortlich zeichnete. 1958 folgten in der Baumannstraße weitere bauliche Aktivitäten und Kurt Reiner war zusätzlich Komplemen­ tär geworden. Die Fertigungsleitung lag seit 1957 in den Händen von Heinz Jung und 1966 folgte ein weiterer Neubau. Als Stern­ stunde in der Entwicklung des Hauses Reiner sieht das Unternehmen den frühen Einstieg in die Herstellung von Preisauszeichnungs­ druckwerken sowie die Entwicklung und Herstellung von Codiergeräten für das Bank­ gewerbe. Damit einher ging eine laufende Erw.eiterung des Numerier-Apparate-Pro­ grammes, insbesondere durch elektro- . mechanische Stempelgeräte. Den Aufstieg der Firma zu einem bedeu­ tenden mittelständischen Unternehmen Elektrostempel Maschinen aufzutreiben waren, wurde die maschinelle Einrichtung mit allen notwen­ digen Vorrichtungen im Hause Reiner voll­ ständig selbst gebaut. Maßgebend beteiligt waren neben Ernst Reiner und Gustav Zäh­ ringer vor allem Ernst Dotter, Otto Dold, Florian Müller und Otto Scherzinger. Immerhin erreichte man auf diesem Weg einen monatlichen Ausstoß von 300 000 Kugellagern, die in der Hauptsache für künstliche Horizonte und Kreisel benötigt wurden, die beim Flugzeugbau zum Einsatz kamen. Mitten im Zweiten Weltkrieg mußte deshalb auch das Fabrikgebäude in der Baumannstraße um ein Stockwerk erweitert werden.“ Das Ende des Zweiten Weltkrieges stellte die Furtwanger Firma vor neue Schwierigkei­ ten, doch wurden diese gemeistert, auch Dank der Erfahrungen, die während des Ersten Weltkrieges gemacht worden waren. Entgegen den behördlichen Anordnungen hatte man bei Reiner die Fertigung von Numerierapparaten auch zu Kriegszeiten nie eingestellt und die Kunden im In- und Aus­ land weiter beliefert. Eine vorausschauende Unternehmenspolitik, wie sich nun in den Jahren des Wiederaufbaues zeigte. Denn die alten Geschäftsbeziehungen konnten rasch 96

Konstantendrucker verdeutlichen auch die Mitarbeiterzahlen. Aus kleinen Anfängen heraus, war die Beleg­ schaft bereits im Dritten Reich auf weit über 100 Mitarbeiter gewachsen, überstieg in den 60er Jahren die 200-Grenze, 1970 beschäf­ tigte man bei Reiner bereits 300 Personen und heute sind es mehr als 500 Firmenange­ hörige. Mit dem Anstieg der Mitarbeiterzah­ len gingen Umsatzzuwächse und ständige Erweiterungsbauten einher, so daß 1970 eine Reorganisation in der Führung der Firma erforderlich wurde. Kurt Reiner übernahm die Geschäftsführung, Artur Blessing die Finanzen, Dr. Günter Bickel den Verkauf, Ernst A. Reiner den Einkauf, Heinz Jung die Fertigung und Josef Ganter die Entwicklung. Damit nahm die sukzessive Übergabe der Geschäftsleitung an die zweite Familienge­ neration ihren Abschluß. Sie erfolgte zwei Jahre vor dem Tode des Firmengründers, der 1972 im Alter von 82 Jahren verstarb. Nur fünfJahre später standen die Zeichen erneut auf Expansion: Es erfolgte der bislang größte Neubau zur Unterbringung der mo­ dernen Druck- und Spritzgießerei sowie einer neu konzipierten Teilefertigung inklusive Stempelgerätemontage. Die Vorplanung oblag Dipl.-Wirtschafts-Ingenieur Andreas Reiner, mit dessen Rückkehr aus den Ver­ einigten Staaten im Jahr 1981 die dritte Gene- ration in die Führungsspitze eintrat und der heute die Geschäftsführung in Händen hält. Nach langwierigen Verhandlungen konnte die Firma 1978 endlich den größten Teil des mittlerweile stillgelegten Bahnhofsgeländes einschließlich des Bahnhofsgebäudes erwer­ ben, was die Grundlage für die genannte Erweiterung darstellte. In diesen Zeitraum fällt zugleich der Aufbau eines neuen, direk­ ten Vertriebsweges für Codiergeräte und die Organisation eines eigenen, heute 60köpfi­ gen Kundendienstes. Außerdem war das Unternehmen 1980 von einer KG in eine GmbH & CO. KG umgewandelt worden. Der Raumbedarf war auch in der Folgezeit enorm. Reiner erwarb 1982 das Fabrikge­ bäude Horray und 1983 ein angrenzendes Firmengebäude in der Baumannstraße, das Stempelgeschäft „boomte“, so daß Kurt Rei­ ner in seiner Firmen-Chronik vermerken konnte: ,,Im Bereich der Herstellung aller Handstempel und elektro-mechanischen Stempel- und Numeriergeräten sind wir nach eigener Einschätzung Marktführer in Europa. Was die Codiergeräte anbelangt, trifft dieses auf Deutschland zu.“ Sohn Andreas Reiner, der heutige Geschäftsfüh­ rer, nennt gleich mehrere Gründe, die ent­ scheidend dazu beitrugen, daß Reiner die Position des Marktführers erreichen konnte. 97

Es sei stets die Politik der Firma gewesen, in neue Technologien zu investieren, auch unter Mithilfe der Fachhochschule Furtwan­ gen, deren „Know how“ den Einstieg in die Elektronik erleichterte. Die ersten Elektro­ Stempel waren bei Reimer bereits am Anfang der 60er Jahre produziert worden, verstärkt hat sich rueser Trend am Ende der 70er Jahre. Es machte sich eine allgemeine Unsicherheit breit, ob die mehr und mehr aufkommende Elektronik die herkömmlichen Stempel­ Geräte vom Markt verdrängen würde, was sich jedoch nicht bewahrheitete. Zumal sich die Reiner GmbH & CO. KG dort wo es ihr sinnvoll erschien, rasch die Möglichkeiten der Elektronik erschloß, um ihre Produkte intelligenter und damit breiter einsetzbar zu machen. Ergebnis dieser Bemühungen waren von 1969 an die ersten Coruermaschi­ nen für das Bankgewerbe, eine gelungene Symbiose zwischen Mechanik und Elektro­ nik. Die Reiner-Codiergeräte arbeiten leiser als reine EDV-Drucker und ermöglichen rasch und kostengünstig sowohl die Beschriftung großer Belegmengen, als auch die Erstellung und Bearbeitung individueller Vordrucke, etwa das Versehen von Euro­ schecks mit Namen und persönlicher Kon­ tonummer des Kunden. Elektrostempel zum Druck von Nummer, Datum, Uhrzeit und Text kommen als Spezialanfertigungen auch bei der Deutschen Bundespost oder beim Zoll zum Einsatz. Gerade der Zoll verlangt nach besonderen Spezifikationen, rue Rei­ ner erfüllen konnte, hier nutzte man eine Marktnische, zumal im Zusammenhang mit der Einführung der neuen Euroformulare. So benötigt der Stempel eine Durchschlags­ kraft für 8 Formulare und kommt unter ande­ rem an großen Zoll-Übergangspunkten zum Einsatz. Etwa im englischen Dover, wo stünd­ lich Schiffe voller Lkws eintreffen, deren Ladung mit Elektrostempeln verzollt wird. Daß das Furtwanger Unternehmen Rei­ ner auch an der Wende zu einem neuen Jahr­ tausend überaus optimistisch in die Zukunft sieht, hat letztlich, neben der ständig voran­ getriebenen Verbesserung am Markt einge­ führter Stempel- und Codiergeräte und der Entwicklung neuer Produkte, noch immer mit der Räderschaltung der Gründerjahre zu tun. Die geniale Konstruktion verschafft dem Unternehmen noch heute bei der Mechanik-Fertigung und seinem Mechanik­ Wissen einen Vorsprung. Zumal man bei Reiner auf hochmoderne Fertigungsverfah­ ren und eine leistungsfähige Entwicklungs­ abteilung zurückgreifen kann, die über modernste CAD-Anlagen für Mechanik und Elektronik verfügt. So ist Andreas Reiner sicher: ,,Solange Papier weiterbesteht, haben auch Stempel, wie sie tagtäglich in hohen Stückzahlen unsere Fertigung verlassen, um letztlich in die gesamte Welt exportiert zu werden, ihre weitere Daseinsberechtigung.“ Wilfried Dold Positionieren – Steuern – Löten – Dosieren IEF Werner GmbH, Furtwangen Einer der dynamischsten Märkte der hochindustrialisierten Länder ist heute der­ jenige für elektronische oder elektronikun­ terstützte Produkte. Aus diesem Grunde erwies sich die am 1. 4. 1980 als Ingenieur­ büro ins Leben gerufene IEF Werner GmbH denn auch im nachhinein nicht als April­ scherz. Im Gegenteil, wie das heute über zwölfjährige Bestehen beweist, geschah die Gründung zur rechten (Markt-)Zeit und auf goldenem Boden. Hinter dem mit drei Mitarbeitern begon­ nenen Dienstleistungsbetrieb stand zu­ nächst die Idee, im Auftrage anderer Firmen Entwicklungsaufgaben als Ingenieurbüro (I) für Elektronik (E) und Feinmechanik (F) 98

Firmengebäude, Bezug 1989 zu übernehmen. Neben der Konzipierung neuer Produkte war es zuletzt auch der Auf­ bau einer Vertriebsorganisation für Produkte renommierter Firmen der Elektronikgeräte­ branche, welche der IEF Werner GmbH ein bis heute ungebrochenes Wachstum be­ scherten. Als wichtigste Säule erwies sich dabei die 1983 übernommene Produktvertre­ tung der Firma ERO-Führungen GmbH. Nach einer Konsolidierungsphase, bei der Herr Manfred Bär 1984 als Mitgesellschafter und Prokurist in die Firma aufgenommen wurde, begann die Firma 1985 und 1986 den Bereich Automatisierung und Rationalisie­ rung neben der reinen Positioniertechnik verstärkt mit zugeschnittenen Produkten der Produktfelder „Automatisieren von manuel­ len Lötstellen“ und „Dosiertechnik“ zu bear­ beiten. In diesen Zeitraum fiel auch der Ent­ schluß, eigene Steuerungen nicht nur zu ent­ wickeln, sondern auch selbst zu bauen, was den raschen Aufbau einer weiteren Abtei­ lung zur Folge hatte. Die so immer breiter werdende Produktpalette wandelte aller­ dings auch das Auftreten der IEF am Markt entscheidend. Aus dem Sondermaschinen­ bauer der Anfangszeit wurde ein gefragter Anbieter für Systemkomponenten und -lösungen, dessen Firmenmotto von nun an ,,Intelligente Produkte für die Automatisie­ rung“ hieß. Hauptumsatzträger ist daher heute die Produktlinie „Module und dazuge­ hörige Steuerungen“, die zahlreiche Anwen­ dungen aus dem Bereich der Robotik abzu­ decken in der Lage ist. Was die Erzeugnisse anlangt, so begann alles mit der Entwicklung von Rasierappara­ ten, Punktmassagegeräten und automati­ schen Papiereinzügen für Drucker (Papier­ feeder) wie weiteren Produktentwicklungen vorwiegend für die Firmen AMP und BDT, mit denen dauerhafte, die IEF Werner GmbH stützende Geschäftsbeziehungen aufgebaut werden konnten. Einen großen Erfolg hatte der 1981 ent­ wickelte Koordinatentisch mit freiprogram­ mierbarer Steuerung. Dieser wurde im Jahr darauf zusammen mit freiprogrammierba­ ren Teach-In-Steuerugen auf den Markt gebracht, die einfache Handhabung gewähr­ leisten sollten. Das Programm der Koordinatentische wurde 1983 und 1984 um weitere Bauarten ergänzt, so daß für die verschiedensten Anwendungen ein passender „Tisch“ zur Verfügung stand. Auf dieser Linie lag denn 99

Lötanlage TL 442 PA-Steuerungsfamilie Dosiersystem IEF 1200 100

auch die Weiterentwicklung der Geräte unter dem Aspekt der Erweiterung und Ver­ größerung der V�rfahrgeschwindigkeit und Verfahrwege. Neben der Einführung der ersten Lineartische mit Zahnriemenantrieb in Kundenmaschinen waren es zuletzt ein 1987 auf der Motek in Sindelfingen präsen­ tiertes Linearmodul mit einer Verfahrge­ schwindigkeit von über 1 m/sec. und einer Verfahrbreite von 3 m, welches Aufsehen erregte. Bis heute richtet die Firma ihr Augenmerk auf die optimale Ausnutzung des (dreidimensionalen) Produktionsraumes mittels Kombination der Achsen, Module und Optimierung bzw. Neukonstruktion der Steuerungen und stellt dies durch die Vor­ stellung immer neuer Varianten und Verbes­ serungen auf einschlägigen Industriemessen im In- und Ausland unter Beweis. Den Koordinatentischen zur Seite stand ab 1984/85 die Automatisierung von manuellen Lötstellen, wobei der damals geschaffene SODAMAT nach Ausweitung der Entwicklungskapazitäten 1987 um eine Laserlötanlage und 1989 um einen Lötkopf (KL 2000) ergänzt wurde, der eine Vielzahl zusätzlicher Funktionen bei gleichzeitig kompakter Bauform und gefälligem Design bot. Markante Entwicklungen der letzten Jahre wie ein Hochleistungsdosiersystem für die Großserienproduktion und ein freipro­ grammierbares Kurzhubmodul für den Bereich der Kleinteilemontage zeigen, daß bei IEF Werner GmbH die Zeit nicht stehen­ bleibt und ständig nach neuen, verbesserten Lösungen und Produkten geforscht wird. Wer nach den firmengeschichtlich inter­ essanten „Bonbons“ sucht, stößt vor allem auf zwei Fertigungen im Bereich des Auto­ mobilbaues. Einer der größten Erfolge der Anfangsjahre war die Entwicklung 1983/84 von drei umfangreichen Stempeleinrichtun­ gen in die Fertigungsstraßen des neuen VW-Golf. Ihnen folgten kaum vier Jahre spä­ ter die technisch interessante und sehr auf­ wendige Entwicklung mehrerer PKW-Räder­ meßmaschinen zur Qpalitätssicherung. Die mit 15 CNC-gesteuerten Achsen und 38 Meßwertaufnahmen ausgerüsteten Maschi­ nen konnten bei einem Autorad in einer Aufspannung 54 Kenngrößen statisch und dynamisch ermitteln. Damit waren umfang­ reiche Messungen bei deutlich geringerem Zeitaufwand gegenüber vorherigen Verfah­ ren möglich geworden. Die IEF Werner hat seit Anbeginn an erkannt, daß Fertigungssysteme nicht nur durch ausgereiftes technisches Konzept und angemessenes Preis/Leistungsverhältnis überzeugen müssen. Unter dem Aspekt der Arbeitsplatzgestaltung funktionelle Technik auch mit modernem und anspre­ chendem Design in Einklang stehen. Die Anstrengungen haben sich auch in dieser Richtung gelohnt: in den letzten drei Jahren erhielt die Firma je einen Design-Preis für ,,Gute Industrieform“. soll Optimales Arbeiten kann nur in einer räumlich befriedigenden Umgebung statt- Hochdynamisches Handhabungssystem ,,Syncro“ 101

finden. Wie ein roter Faden zieht sich daher auch die Suche nach neuen Büro- und Fabri­ kationsflächen durch die Geschichte der IEF Werner GmbH. Schon vier Jahre nach der Gründung des Unternehmens waren die in Furtwangen bezogenen Räume zu klein geworden. Da aber zunächst kein geeignetes Industriege­ lände für einen Neubau in Furtwangen zur Verfügung stand, wurde mit Hilfe der Stadt im Herbst 1984 erst einmal das alte Schul­ haus in Neukirch bezogen. Als der Wunsch nach Erwerb des Schulgebäudes am Ent­ schluß des Kultusministeriums zur Wieder­ belebung der Dorfschulen scheiterte und die stürmische Entwicklung weiteren Raum dringend erforderlich machte, erhielt ein Fir­ menneubau oberste Priorität. Die Suche nach einem geeigneten Industriegelände in Furtwangen und Umgebung wie die Über­ windung planerischer und bürokratischer Hürden sollte dann allerdings noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Erst im August 1989 konnte das drei Millionen DM teure Firmengebäude (einschl. Grundstück) bezo­ gen werden, dessen Architektur Harmonie und Atmosphäre ausstrahlt. Es nahm auch die mit zwei Millionen DM nahezu gleich­ teure Einrichtung mit Maschinen und elek­ tronischer Datenverarbeitung auf. Damit war die Möglichkeit geschaffen, neue Her­ ausforderungen anzunehmen, branchenspe- . zifische Lösungen zu entwickeln und mehr­ gleisig zu fertigen. Die eingeplanten Raumreserven im Perso­ nalbereich erwiesen sich bald als zu optimi­ stisch eingeschätzt. Ende 1991 mußte daher bereits ein Erweiterungsbau in Angriff genommen werden, der für 1992 weitere 2000 m2 Bürofläche zur Verfügung stellen wird. Wer dem großen Erfolg der IEF Werner GmbH nachspürt, entdeckt schnell die Gründe. Es ist dabei nicht nur die spezifische Produktpalette, welche die richtigen Markt­ segmente trifft, wie die durchschnittlich kaum vierjährige Präsenz einzelner Produkte auf dem Markt beweist. Es sind vor allem 102 auch qualifizierte Mitarbeiter, die sich trotz aller Innovation und Entwicklung konse­ quent dem Gebot der Kompatibilität und Kontinuität, also der Produktpflege im Sinne von Einpassung in einen bestehenden Maschinenpark und Unterhaltung mit Wei­ terentwicklung verschrieben haben. Deren Einsatz und die Bereitschaft, stets zuzuhö­ ren und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, hat das Unternehmen zu einem kompetenten Ansprechpartner werden las­ sen. In diese eindeutige und bedingungslose Kundenorientierung ist eine aktive kunden­ nahe Vertriebsarbeit eingebettet. Die zahlrei­ chen Messen, auf denen sich das Unterneh­ men präsentiert, bringen stets Kontakt mit vielen Neuinteressenten. Sie sind aber auch der Moment, in denen mit alten Kunden Fachgespräche geführt und die mensch­ lichen Beziehungen vertieft werden. Wie eng die Verbundenheit der IEF Werner GmbH mit ihren Kunden ist, hat schließlich die Feier zum zehnjährigen Jubiläum im April 1990 gezeigt, zu der zahlreiche Vertre­ ter der mit der IEF Werner GmbH verbunde­ nen Unternehmen erschienen. Dr. Joachim Sturm Kaffeehaus-Gedanken du sprachst davon daß alles positiv Bewegte eingetragen wird ich fragte mich ob die Aufzeichnungen auch enthalten wie sehr du mich verändert hast Christiana Steger

Firma Kammerer Triberg Gewindetechnik GmbH Franz Kammerer war der Seniorchef der Firma Kammerer. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Anna hatte er das Unternehmen im Jahre 1938 gegründet. Widrigen Umständen und oft harten Entbehrungen zum Trotz baute er seinen Betrieb auf. Sein Geschick und sein Einfallsreichtum haben wesentlich mit dazu beigetragen, daß die Kammerer­ Gewindetechnik heute zu einem der größten und angesehensten Spezialunternehmen für die Herstellung von Gewindespindeln in der Bundesrepublik Deutschland geworden ist. Franz Kammerer wurde 1967 mitten aus seiner Arbeit gerissen. Er war nicht nur Ge­ schäftsmann und Techniker. Er war auch ein rührender Vater seiner 6 Kinder. Für die Mitarbeiter des Betriebes war er der fürsorg­ liche Chef. In Dankbarkeit erinnern sie sich noch seiner. Es gibt geborene und gestandene Unter- 103

nehmer. Franz und Anna Kammerer kann man wohl nicht zu den geborenen, eher zu den gestandenen und noch besser zu den ,,durchgestandenen“ Unternehmern zählen. Vermutlich hätten sie den Schritt in die Selb­ ständigkeit nicht gewagt, wenn sie geahnt hätten, was auf sie zukommen sollte. Der Start war eine Notlösung, kein ehrgeiziges Unterfangen. Als Ehepaar mit zwei kleinen Frau Anna Kammerer Klaus Kammerer 104 Wolfgang Kammerer

Kindern teilen sie 1938 das Schicksal mit Mil­ lionen Arbeitslosen. Was sie aus der Sozial­ kasse der Reichsregierung erhalten, reicht bei weitem nicht für den Lebensunterhalt. Nach einer klärenden Auskunft der Industrie- und Handelskammer Freiburg reicht Frau Anna Kammerer am 22. Februar 1938 die Anmel­ dung eines Fabrikationsbetriebes unter der Bezeichnung „Fr. A. Kammerer, Metallwa­ ren -Massenartikel“ ein. Im Hause Schwen­ distraße 18 beginnt man in bescheidenen Räumlichkeiten mit der Herstellung diverser Teile für die Triberger Uhren- und Feinwerk­ technik. Der ausgebildete Uhrmacher Franz Kammerer weiß, was die Uhrenhersteller im Umkreis benötigen. Es gelingt nach und nach, einige Aufträge zu erhalten. Die Bezahlung war jedoch schlecht. Für die bis 1940 auf vier Kinder angewachsene Familie bleibt kaum das Nötigste. Extreme Belastungen kommen auf Frau Kammerer in den folgenden Kriegs- und Nachkriegsjahren zu. Franz Kammerer wird zum Militärdienst eingezogen und geriet anschließend in Kriegsgefangenschaft. 1944 ist Frau Kammerer Mutter von inzwischen sechs Kindern. Haus- und Geschäftsfrau in einer Person. Nach Kriegsende geht auch bei Kamme­ rer lange Zeit geschäftlich nichts mehr. Frau Kammerer näht Tag und Nacht für die Besat­ zungsmacht, um ihre Kinder am Leben zu erhalten. Franz Kammerer kehrt zwar schon 1946 aus der Kriegsgefangenschaft zurück, aber die Wiederaufnahme einer geregelten Produktion war nicht möglich.194 7 konstru­ ierte er ein Uhrwerk mit Schlagwerk, das – einmal aufgezogen -14 Tage lang läuft. Die­ ses Uhrwerk erweist sich als so gut, daß es Eingang in die Produktion sogenannter Buf­ fet-Uhren findet, wie sie schon vor dem Krieg beliebt und verbreitet waren. Mit die­ sem Uhrwerk gelingt erstmals nach dem Kriege wieder eine bescheidene Serienpro­ duktion. Ein Jahr später, gleich nach der Wäh­ rungsreform, konstruiert Franz Kammerer das kleinste bis dahin bekannte Kuckucks- uhrwerk. Es mißt nur 60 x 65 mm und konnte ebenfalls in Serie hergestellt werden. Dank des tatkräftigen Einsatzes von Frau Kammerer reichte es gerade, um die Familie mit den immer größer werdenden Kindern über Wasser zu halten. Die für ein gesundes Unternehmen erfor­ derlichen Gewinne wollen sich jedoch nicht einstellen. Im Gegenteil, neue Absatz- und Beschäftigungssorgen bereiten schon nach wenigen Jahren dem Ehepaar schlaflose Nächte. Das Geschäft mit Uhrwerken geht trotz größter Bemühungen immer mehr zurück. Ende 1953 hört das Geschäft mit Werken für Kuckucksuhren auf. Man sieht sich gezwungen, nach neuen Produktionsmög­ lichkeiten Ausschau zu halten. Das Ehepaar Kammerer erkennt in der Fertigung von Drehteilen die Chance zu mehr Unabhängigkeit und Flexibilität. Die Abnehmerkreise sind breiter gestreut und setzen sich aus sehr unterschiedlichen Indu­ striezweigen zusammen. Damit ist zugleich das unternehmerische Risiko auf eine besser abgesicherte Basis gestellt. Obwohl Mittel für größere Investitionen nicht vorhanden sind, erweist sich der Ent­ schluß zu dem nunmehr dritten Neuanfang seit Existenzgründung schon bald als Schritt in die richtige Richtung. Aus bescheidenen Anfängen entwickelt sich das Drehteile­ Geschäft allmählich zu einer akzeptablen Erwerbsquelle. Die Jahre des Wirtschafts­ wunders machen sich auch bei Kammerer durch steigende Umsätze bemerkbar. Erst­ mals können dringend notwendige Gewinne erwirtschaftet werden. 1952 kann das Nach­ bargebäude der ehemaligen Uhrenfabrik JosefFaller in der Schwendistraße erworben werden. Mit diesem Kauf ist es möglich, neue Produktionsflächen zu schaffen, denn im Stammhaus ist man schon längst an den Kapazitätsgrenzen angelangt. Außerdem wurde im gleichen Jahr auf der vergrößerten Produktionsfläche die Drehteile-Fertigung erweitert durch die Herstellung von Ge­ windeteilen. Ohne es vorauszuschauen, er- 105

folgt mit dieser Maßnahme eine wichtige Weichenstellung für die spätere Entwicklung des Unternehmens. Nach dem Tod von Franz Kammerer füh­ ren die Söhne Klaus und Wolfgang zusam­ men mit der Mutter das Unternehmen fort. Klaus hatte die Uhrmacherschule in Furt­ wangen besucht und nach einigen Gesellen­ jahren die Meisterprüfung im Feinmechani­ kerberuf abgelegt. Sein 7 Jahre jüngerer Bru­ der Wolfgang absolvierte eine Lehre als Schnitt-und Stanzenbauer und machte spä­ ter die Prüfung als Drehermeister. Nach einer Zeit der Stagnation und Umorientie­ rung geht es langsam wieder bergauf. Ein Teil der Belegschaft konnte 1970 in zusätzlich angemietete Räume auf dem Areal des Hotel Martin umziehen. Im gleichen Jahr kann auch die erste größere Investition getätigt werden -die Anschaffung einer WaJdrich-Gewindeschäl­ maschine. Diese Maschine bringt enorme Vorteile. Die Präzision der Gewindespindeln kann erheblich gesteigert werden. War bis- 106 lang nur die Einhaltung der Toleranzen von +/-0,1 mm auf einer Länge von 300 mm möglich, so verbesserte sich dieser Wert auf +l-0,02 mm auflOOO mm Länge. Außerdem konnten bislang nur Gewindespindeln von 10 mm bis 80 mm Durchmesser und in einer Länge bis zu 5 m gefertigt werden. Auf der neuen Maschine sind jedoch Durchmesser bis zu 130 mm möglich und Längen bis zu 15 m.Hinzu kommen wesentliche Zeiteinspa­ rungen. Die Einrichtungszeit an der Maschine verkürzt sich auf ein Drittel und die Bearbeitungszeit auf zwei Drittel des ursprünglichen Aufwands. Das Unterneh­ men Kammerer entwickelt sich zu einem Spezialbetrieb für die Fabrikation von Gewindespindeln. Im Jahre 1971 zeigt sich die Firma Kamme­ rer erstmals auf der Europäischen Werkzeug­ maschinen-Messe „EMO“ in Hannover und ist seither regelmäßiger Aussteller auf dieser Spezialschau. Der hohe Leistungsstand der Gewinde­ spezialisten Kammerer spricht sich in den

folgenden Jahren in den verschiedensten industriellen Abnehmerkreisen herum. Die Umsatzkurve steigt aufgrund zunehmender Aufträge und entsprechender Auslastung kräftig an, und so blieb es nicht aus, daß man erneut an neue Kapazitätsgrenzen stößt. In den bisherigen Räumlichkeiten ist eine wei­ tere Ausdehnung nicht mehr möglich. Die ungünstige topographische Lage Tribergs gestaltet die Suche nach einem neuen Stand­ ort als äußerst schwierig. Die geeignete Lösung findet sich, als das ehemalige Triber­ ger Amtsgericht zum Kauf angeboten wird. Das an der Ecke Nußbacher-/Bahnhofstraße gelegene Objekt wird erworben. Auf dem dazugehörenden Gelände entsteht bald dar­ auf eine Produktionshalle, die auch größeren Anforderungen auf absehbare Zeit gerecht werden soll. Inzwischen hat das Unternehmen tech­ nologisch und personell einen Stand erreicht, der es gestattet, auch als Ausbil­ dungsbetrieb hervorzutreten. Nachdem die vom Gesetzgeber und die von der Industrie­ und Handelskammer bzw. Handwerkskam­ mer gestellten Anforderungen erfüllt sind, werden 1979 die ersten Auszubildenden in den Betrieb aufgenommen. Seither zählt die Firma Kammerer zu den Industrieunter­ regelmäßig ausbildenden nehmen. Sie leistet damit einen für die Nach­ wuchsgeneration wichtigen beschäftigungs­ politischen Beitrag im hiesigen Einzugsge­ biet. Für Praktikanten besteht ebenfalls die Möglichkeit, erste Erfahrungen der techni­ schen Fertigung im Haus zu sammeln. Schon 1985 ist der Betrieb wieder zu klein geworden. An die bisherige Halle muß eine zusätzliche angebaut werden. Auf einer Fer­ tigungsfläche von nunmehr 1500 m2 wird gleichzeitig der Maschinenpark auf modern­ ste elektronisch gesteuerte (CNC-)Technik umgestellt. In einem Teil der neuen Halle entsteht ein steuerbares Hochregallager. 1986 wird aus der Kommanditgesellschaft eine GmbH. Die bisher schon als Miteigen­ tümer eingetragenen Brüder Klaus und Wolfgang werden offiziell zu Geschäftsfüh­ rern bestellt. Frau Anna Kammerer beginnt sich all­ mählich aus dem Geschäftsbetrieb in den längst verdienten Ruhestand zurückzuzie­ hen. Aufgrund ihrer vielfältigen Aktivitäten blieb die Anerkennung nicht versagt. Am 26. Januar 1988 wurde Frau Kammerer mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande des Ver­ dienstordens der Bundesrepublik Deutsch­ land ausgezeichnet. Das von den Geschäftsführern Klaus und Wolfgang Kammerer geführte Unterneh­ men zählt mit seinen rund 120 Mitarbeitern heute zu den gefragtesten Spezialherstellern für Trapezgewindespindeln, Schnecken und Schneckenwellen, Kugelgewindetrieben im In- und Ausland. Die außerordentlich posi­ tive Entwicklung in den letzten Jahren erfor­ dert schon wieder neu räumliche Dimensio­ nen. Die einstigen Betriebsstätten in der Schwendistraße wurden deshalb reaktiviert. 107

Heute befindet sich dort die komplette Ferti­ gung von Kleinkugelgewindetrieben. Kammerer hat in den letzten Jahren erhebliche Investitionen getätigt, um mit modernsten, weit in die Zukunft weisenden Fertigungsprozessen die qualitative Spitze dessen anbieten zu können, was technolo­ gisch zur Zeit möglich ist. Das Unternehmen hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesen tech­ nologischen Vorsprung noch weiter auszu­ bauen, so wurden neue Maßstäbe bei der Fer­ tigung von Kugelgewindetriebe entwickelt. Für die Rückführung der Kugeln in einem Kugelgewindetrieb wurde eine wichtige Wei- terentwicklung betrieben. Für dieses System wurden der Triberger Firma die Patentrechte erteilt. Den Herausforderungen der auf sie zukommenden Jahrtausendwende wird sich die Firma Kammerer Gewindetechnik nicht nur im technischen Bereich, sondern auch im personellen mutig entgegenstellen, da die Söhne Achim, Betriebswirt, und Wolfgang, Ing. für Maschinenbau, als spätere Nachfol­ ger der jetzigen Geschäftsführer in dem Betrieb integriert wurden. Emil Rimmele Hans-Georg Müller-Hanssen · Heuernte auf der Baar 108

Wirtschaftsgeschichte Gebrüder Schultheiß: St. Georgener Pioniere der Emailtechnik Als in der ersten Hälfte des 19.Jahrhun­ derts die Industrialisierung Deutschlands an hierfür geeigneten Standorten ihren Anfang nahm – so gab es in Baden bereits 1829 immerhin 161 kleinere Fabriken und Manu­ fakturen -, bahnte sich auch im Schwarz­ wald mit der Gründung einzelner industriel­ ler Betriebe ein allmählicher Wandel in der Wirtschaftsstruktur an. Die nachnapoleoni­ schen Friedenszeiten, aber auch die Beteili­ gung Badens am deutschen Zollverein anno 1836, der die Aufhebung der Binnenzölle im Deutschen Bund brachte, förderten diese Entwicklung ganz wesentlich. Überdies for- eierte das seinerzeitige Großherzogtum den Bau von Hauptlandstraßen und legte unter anderem die heutige Bundesstraße 33 über Triberg und St. Georgen an. Mit ihrer Fertig­ stellung im Jahr 1839 hatte dieser Bereich des heutigen Schwarzwald-Baar-Kreises den Anschluß an den überregionalen Verkehr und somit gute Voraussetzungen für das Ent­ stehen heimischer Gewerbebetriebe erhal­ ten. Als eine der ältesten St. Georgener Indu­ striefirmen etablierte sich hier 1841 das Emaillierwerk der Gebrüder Schultheiß. Doch zunächst zurück zum Jahr 1814, als Johannes Schultheiß, der spätere Gründer Das Stammhaus des Emaillierwerks Schultheiß, erstellt 1836, stand an der Ecke Bahnhof/Gewerbe­ hallestraße (heute Parkplatz) 109

der gleichnamigen „Emaillierfabrik“, ein Sohn des Schreiners und Klosterwald­ knechts Christian Schultheiß, hier geboren wurde. In St. Georgen, zu jener Zeit ein klei­ ner Marktflecken mit rund 900 Einwohnern, stand die Uhren herstellende Hausindustrie damals in hoher Blüte. Und so erlernte Johannes schon vor dem väterlichen Schreinerhandwerk während seiner Schul­ zeit die Uhren-Holzschildmalerei. Nach sei­ ner Wanderschaft Anfang der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts, die ihn als Schrei­ ner nach München, in die Schweiz und das Elsaß führte, kehrte er 1836 wieder nach St. Georgen zurück und baute das kurz zuvor abgebrannte elterliche Haus in massiver Steinbauweise wieder auf. Es stand auf dem Parkplatz beim heutigen Postamt und wurde 1982 im Zuge der Neugestaltung des Stadt­ kerns abgebrochen. Nach erfolgtem Wiederaufbau blieb Johannes Schultheiß in St. Georgen. Aller­ dings wollte er das erlernte Schreinerhand­ werk nicht länger ausüben. Leider ging je­ doch seinerzeit auch der Absatz für bemalte Holzschilder, welche bis dahin die Schwarz­ wälder Uhren zierten, zurück; denn sie wur­ den mittlerweile vorzugsweise durch email­ lierte Zifferblätter ersetzt. Sie bezog man zu teuren Preisen aus der Schweiz. Wohl mit auf Anregung seines Bruders Johann Georg-der in der Bergstadt bis heute wegen seiner gro­ ßen Verdienste um die Allgemeinheit unver­ gessene „ewige Student“ -nahm sich Johan­ nes Schultheiß vor, diese Emailzifferblätter selbst herzustellen. Er absolvierte 1841 bei einem Freiburger Glaskünstler namens Franz einen sechwöchigen Kurs und eignete sich dort die Grundkenntnisse für das Email­ lieren von Kupferblech an. Als Kursgebühr hatte er hierfür zehn Louisdor (nach heuti­ gem Geldwert knapp 1500 Mark) zu entrich­ ten. Nun galt es, sich in der neu erlernten Fer­ tigkeit weiterzubilden -ganz ohne techni­ sche Unterstützung von außen ein müh­ sames Unterfangen! So gestalteten sich nach Gründung des eigenen Betriebes anno 1841 die Anfangs- 110 jahre bis 1849 recht schwierig, dies auch noch aus anderen Gründen: Die damalige Teue­ rung und Revolution setzten den vorherge­ gangenen wirtschaftlich günstigen Zeiten ein abruptes Ende. Außerdem ließ die Qualität des bezogenen Kupferblechs und Emails sehr zu wünschen übrig, so daß es zunächst reichlich Ausschuß gab. Doch bei einem Preis von 30 Kreuzer (heute etwa sieben Mark) pro Zifferblatt lohnte sich das Email­ lieren trotzdem. Als es schließlich gelang, ab 1849 besseres Email und gutes Kupferblech zu bekommen, nahm der Betrieb einen ordentlichen Aufschwung, der die erste Werksvergrößerung erlaubte. Gerade wenn ein Unternehmen gut läuft, gilt es, sich rechtzeitig Gedanken über die Absicherung des Erreichten und die künftige Entwicklung zu machen. Das tat man seiner­ zeit auch bei Schultheiß. Im Hinblick hier­ aufbemühte sich der „ewige Student“ bei sei­ nem mehrjährigen Aufenthalt in Paris um Abschriften von einschlägigen französi­ schen Patenten. 1856 in seine Schwarzwald­ heimat zurückgekehrt, begann er zusammen mit seinem Bruder Johannes, Eisenblech (anstelle des bisherigen, wesentlich teureren Kupferblechs) zu emaillieren. Mit diesen zwar mühsamen und langwierigen, aber schließlich doch erfolgreichen Versuchen leistete das Emaillierwerk der Gebrüder Schultheiß wertvolle Pionierarbeit, die nicht nur in entscheidendem Maße der eigenen Fabrik, sondern der ganzen regionalen Uhrenindustrie zugute kommen sollte: In St Georgen hergestellte Straßenschilder und Hausnummern aus emailliertem Eisenblech gingen nun in großen Mengen in viele Städte Deutschlands und Europas, ja sogar später nach Südamerika, wohin einmal allein 250.000 Hausnummernschilder für Buenos Aires geliefert wurden. Die Abwicklung des Großauftrags nahm über ein halbes Jahr in Anspruch. Damit die Konkurrenz die Kun­ denadresse nicht zu Gesicht bekam, fertigte man die Sendungen anfänglich über Triberg ab. Und als Sohn Jakob 1861 nach einjähriger Zusatzausbildung in der französischen

111

Die Firma Schultheiß, 1899 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, baute 1901 auf der gegenüberliegen­ den Seite des alten ein ganz neues Werk auf (heute A. Maier Präzision GmbH) Das alte Werk der Gebrüder Schultheiß -jetzt steht dort das neue Postamt-, aufgenommen nach dem Brand der Schriftenmalerei und Druckerei am 6. März 1901 112

Schweiz -in Neuchatei erlernte er die Fabri­ kation von Taschenuhrzifferblättern -nach Hause zurückkehrte, nahm die Firma auch jene sowie emaillierte Zifferblätter für soge­ nannte Regulateure und Pendulen in ihr Fer­ tigungsprogramm auf. Somit erübrigten sich für die Schwarzwälder Uhrenindustrie die bisher notwendigen diesbezüglichen recht teuren Importe aus Österreich und Frank­ reich. Erweitert eine Firma Programm und Kapazität, so ist es für sie besonders wichtig, auf dem Markt präsent zu sein und neue Kontakte zu knüpfen. Daher beschicken die Unternehmen seit eh und je Messen und Ausstellungen. Gerade für Schultheiß, schon damals relativ stark exportorientiert, war dies unerläßlich, und so zeigte das frü­ here St. Georgener Emaillierwerk sogar auf der 1889 in Paris stattfindenden Weltausstel­ lung Flagge. Dort machte man mit einem extra hierfür angefertigten, über drei Meter hohen Emaille-Mosaikbild, den Reichsadler darstellend, auf die Firma und ihre Produkte au&nerksam (vgl. S.111).Jene Bildplatten ent­ deckte Ludwig Schultheiß, Nachkomme eines der damaligen Geschäftsinhaber, vor nicht allzulanger Zeit auf seinem Speicher und stellte sie der Stadt St. Georgen als wert­ volles Ausstellungsobjekt zur Verfügung. Nun kann das imposante Meisterstück als über 100 Jahre altes Zeugnis heimischer Emaillierkunst im Rathaus bewundert wer­ den. Schon ein paar Jahre vor der erwähnten Weltausstellung etablierte sich in St. Geor­ gen eine zweite Emailfabrik, was durch den einsetzenden Konkurrenzkampf ein Nach­ geben der Preise und damit schrumpfende Erträge zur Folge hatte. Außerdem zehrten Brandschäden und laufende Investitionen in die betriebliche Erweiterung die Eigenmittel des Unternehmens immer mehr auf. Dies machte 1899 die Umwandlung des seinerzeit etwa 80 Beschäftigte zählenden Emaillier­ werks Schultheiß in eine Aktiengesellschaft erforderlich. Sie veräußerte später das gesamte Firmenareal mit allen Liegenschaf- ten -heute steht dort das Postamt -und baute 1901 auf der gegenüberliegenden Seite ein ganz neues Werk. Als man hierfür im Jahr darauf einen Direktor suchte, meldeten sich für diese begehrte Stelle annähernd 100 Bewerber. Werfen wir zum Schluß noch einen Blick auf das Schultheiß’sche Fertigungspro­ grammm der zwanziger Jahre. Der alteinge­ sessene Betrieb, der über eine eigene Email­ schmelze verfügte, stellte damals mit 65 Mit­ arbeitern neben den bislang üblichen Ziffer­ blättern, Hausnummern, Straßen-und son­ stigen Schildern für jeden Bedarf auch Ska­ len für Waagen und Meßgeräte, dazu Lam­ penreflektoren, ja sogar die seinerzeit so beliebten und heute in Sammlerkreisen sehr begehrten Email-Reklameschilder in künst­ lerischer Ausführung her. Aber im Lauf der Zeit verdrängten preisgünstigere Materia­ lien, oft im Verband mit neuen Fertigungs­ techniken, die soliden Emailwaren mehr und mehr vom Markt: einer der Haupt­ gründe, weshalb die Emaillierwerke Schult­ heiß 1940 ihre Produktion einstellen muß­ ten. In ihren Mauern setzt nun die Firma A.Maier St. Georgens alte Industrietradition erfolgreich fort. Hans-Martin Müller Erkenntnis wie kann ich leben ohne so zu lieben wie kann ich lieben ohne so zu leben – Stimme den Stummen Lied den Sprachlosen Töne den Tauben Farben den Blinden und Tanz all denen die gebunden sind Christiana Steger 113

100 Jahre Schwarzwälder Metallwarenfabrik in Triberg Fortschritt mit Tradition Aus Anlaß des IOOjährigen Jubiläums wird die Entwicklung der Schwarzwälder Metallwaren­ fabrik dargestellt. In einer späteren Ausgabe des Almanach soll auf den Neubau, die neuen Maschinen und die gegenwärtige Produktpalette eingegangen werden. Einer der traditionsreichsten Industrie­ betriebe des Schwarzwald-Baar-Kreises, die Schwarzwälder Metallwarenfabrik in Tri­ berg, kann ihr 100.Jubiläum begehen. Allein schon dies ist ein großer Erfolg, denn viele Betriebe unserer Heimat sind während dieser Zeit den Kriegen, Inflationen und Rezessio­ nen zum Opfer gefallen, konnten sich durch vielerlei Ursachen nicht am Markt behaup­ ten oder sind aus anderen Gründen ver­ schwunden. Die Schwarzwälder Metallwa­ renfabrik konnte alle Schwierigkeiten der Vergangenheit erfolgreich meistern, was allein schon für sich ein Zeichen für die Güte der Firma ist. Alle, die hierzu beigetragen haben, dürfen mit Recht darauf stolz sein. Natürlich ist dies auch ein Grund zurückzu­ blicken und sich zu erinnern. In einer bewegten Zeit mit einer wechsel­ vollen Geschichte konnte die Schwarzwäl­ der Metallwarenfabrik sich als gesundes, mit­ telständisches Unternehmen in allen Phasen erfolgreich behaupten. Blicken wir also zurück auf die ungewöhn­ liche, einhundertjährige Erfolgsgeschichte dieses Betriebes. Nachdem bereits im August 1891 ein Vor­ vertrag unterzeichnet worden war, schlossen die Brüder Leopold und Sigmund Schwer, Bernhard Geng, Paul Cretschmer, Robert Meisterhans, Martin Reißer und Georg Westermayer, alle aus Triberg, am 20. Okto­ ber 1891 den Gesellschaftsvertrag zur Grün­ dung der Schwarzwälder Metallwarenfabrik. Bis auf den Schreiner und Kaufmann Georg Westermayer waren alle Gründer Metall- 114 handwerker; die Brüder Schwer waren beide Uhrmacher, Bernhard Geng Vergolder, Paul Cretschmer Feingießer, Robert Meisterhans Ziseleur und Martin Reißer Metalldrücker. Leopold Schwer und Georg Westermayer waren Geschäftsführer. Nach § 1 des Vertra­ ges war der Zweck der Gesellschaft „Metall­ waren, Uhrenbestandteile und Gußartikel aller Art herzustellen und in den Handel zu bringen“. Der große Anspruch, Metallwaren und Gußartikel aller Art herzustellen, ver­ langte vielseitige Fähigkeiten, wofür durch die Verschiedenartigkeit der Berufe der Gründungsväter ausgezeichnete Vorausset­ zungen geschaffen worden waren. Die Maschinen und Einrichtungen der vorherigen Firma der Gebrüder Schwer wur­ den übernommen. Das Werksgelände war bereits das heutige. Es war zunächst vom Schmied Benjamin Weisser gepachtet, der die Gutachbrücke, noch heute die Zufahrt zum Gelände, errich­ ten ließ. Noch vor dem ersten Weltkrieg konnte es gekauft werden. Bereits zu dieser Zeit wuchs die Firma stark, hatte bald rund 80 Beschäftigte und noch vor dem ersten Weltkrieg über 150. Eine große Dampfmaschine wurde ange­ schafft. Neben zahlreichen Neubauten soll besonders das 1912 gebaute Maschinenhaus und der 30 m hohe Kamin, der lange Zeit das Wahrzeichen der Firma war, erwähnt wer­ den. Zur Produktion der Firma in der Frühzeit zitieren wir aus der zum 50. Firmenjubiläum 1941 gehaltenen Rede: ,,Die Fabrikation befaßte sich bei Gründung und in den fol­ genden Jahren ausschließlich nur mit Uhrengehäusen, in der Hauptsache ganz groß mit ]ocker-Gehäusen. Nachdem im Laufe der Jahre die Uhrenfabriken zur Selbst­ fabrikation der Gehäuse übergegangen sind, mußte nach weiteren Artikeln Umschau

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gehalten werden. Es wurden Beziehungen mit der Beleuchtungsfirma Bohnert, Frank­ furt, angeknüpft und die Fabrikation von Beleuchtungskörpern aufgenommen. Diese Fabrikation entwickelte sich im Laufe der Jahre zum Hauptbestandteil unserer Erzeug­ nisse. Kurz vor dem 1. Weltkrieg bemühte man sich um die Verbindung mit der Firma Benzwerke, Gaggenau, – heute Daimler Benz A.G. -und nahm die teilweise Umstel­ lung der Fabrikation auf Autokühler vor. Durch den 1. Weltkrieg mußte unsere Küh­ lerabteilung dann nach kurzem Bestehen sofort auf Hochtouren eingestellt werden. Die Lampenfabrikation lag während des 1. Weltkrieges ganz still, dafür wurden in Tag­ und Nachtschichten Zünderscheiben für Granaten fabriziert.“ Nicht nur die Produktion war ständigen Änderungen und Erweiterungen unterwor­ fen. Auch die Gesellschafts- und Eigentums­ verhältnisse änderten sich mehrmals. Die meisten der Teilhaber schieden noch vor dem 1. Weltkrieg wieder aus der Firma aus. Schon 1893 starb Paul Cretschmer, zwischen 1905 und 1913 verließen Georg Westermayer, Bernhard Geng und Martin Reißer die Gesellschaft und 1916 trat Sigmund Schwer aus ihr aus. So waren von sieben Gründern nach dem 1. Weltkrieg nur noch zwei an der Firma beteiligt: Robert Meisterhans und Leopold Schwer. Beide waren in Triberg und darüberhinaus geachtete Unternehmerper­ sönlichkeiten; Leopold Schwer wurde Vor­ stand des Triberger Verbandes der Uhrenin­ dustrie und spielte im Gewerbeverein eine wichtige Rolle. Ihre Söhne Robert Meister­ hans jr. und Leo Schwer traten 1919 gemein­ sam in die Firma ein, Robert Meisterhans jr. starb jedoch bereits 1927 und Leopold Schwer 1929. Nach dem Austritt von Robert Meisterhans sen. wurde die Firma 1931 schließlich von Leo Schwer als Einzelfirma weitergeführt. 1936 erhielt Herr Gustav Hoch Prokura, Handlungsbevollmächtigte waren Herr Adolf Maier und Herr Josef Schmied. Kurz vor der SO-Jahr-Feier verstarb 1941 116 Herr Leo Schwer. Seine Witwe, Frau Char­ lotte Schwer geb. Weinei, führte das Unter­ nehmen weiter. Die ständig sich wandelnden Marktver­ hältnisse erforderten fortlaufende Anpas­ sungen, besonders während der unruhigen 20er Jahre. Zitieren wir nochmals kurz aus der Rede zur SO-Jahr-Feier: ,,Nach Beendi­ gung des 1. Weltkrieges wurde die Lampen­ fabrikation wieder aufgenommen und die Kühlerfabrikation noch erweitert. Die Bezie­ hungen zu weiteren Autofabriken wurden aufgenommen „. Eines der berühmtesten Produkte der Schwarzwälder Metallwaren­ fabrik dieser Zeit dürfte der weltberühmte Mercedes-Stern sein, der über Jahrzehnte hier gefertigt wurde. Die Situation für die badische Wirtschaft insgesamt war jedoch nach dem 1. Weltkrieg schwierig, denn weil Elsaß-Lothringen wie­ der französisch geworden war, stagnierten die Wirtschaftsbeziehungen zu diesem vor­ mals wichtigen Gebiet und im Deutschen Reich befand Baden sich jetzt in einer ungünstigen Randlage. Die Schwarzwälder Metallwarenfabrik traf dies sehr direkt, da die Beziehungen zu den dortigen Kunden für Lampen und Beleuchtungskörper sehr erschwert waren. Neue Absatzmärkte konnten jedoch erschlossen werden. Lampen und Beleuch­ tungskörper wurden nach Frankreich, Däne­ mark, den Niederlanden und der Schweiz exportiert. In Zusammenarbeit mit der Firma Carl Zeiss in Jena wurden die berühmten Automobilscheinwerfer entwickelt und deren Metallteile hier gefertigt. Die Krise der Schwarzwälder Uhrenindu­ strie, die mit der internationalen Konkur­ renz nicht mehr mithalten konnte, erschwerte die Lage der Firma zusätzlich. Sie gipfelte in dem großen Arbeitskampf vom Januar 1926. Innerhalb weniger Tage wurden zahlreiche Betriebe bestreikt, auch die Schwarzwälder Metallwarenfabrik. Beendet wurde dieser Kampf am 27.1.1926 durch den Reichsarbeitsminister, der den Schieds­ spruch der freiwilligen Schlichtungsstelle

Donaueschingen vom 23.12.1925 für ver­ bindlich erklärte. Der Tariflohn für einen gelernten Arbeiter über 25 Jahre betrug damals 64 ,5 Pfennig pro Stunde. Während viele Betriebe der Gegend von dieser Krise schwer erschüttert wurden, konnte die Schwarzwälder Metallwarenfa­ brik durch ihre vorausschauende Unterneh­ mensführung und ihr mittlerweile vielseiti­ ges Produktionsprogramm diese relativ unbeschadet überstehen. Im Januar 1928 hatte die Firma 242 Beschäftigte und war damit der zweitgrößte Arbeitgeber in Tri­ berg. Wesentlich kritischer waren die Auswir­ kungen des großen Börsenkrachs in New York am25.10.1929 . Innerhalb weniger Tage brach der gesamte Kapitalmarkt zusammen. Das Auslandskapital, insbesondere das US-amerikanische, wurde aus Deutschland abgezogen und es stürzte in die schwerste Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Am 13 . 7. 1931 kommt es zum großen Bankkrach und 1932 übersteigt die Arbeitslosenziffer im Lampe aus den 50er Jahren Stehlampen aus dem Firmenkatalog von 1956 Leselampen Ständerlampen 1 lp. E 21 Nr. 124/SS A. 3SO mm H. 1600 mm Oberf’lllic:he ML·pol1ttl Nr, 143/57/1 1 lp. E ’11 H. 1500 Mm Sdl. 0, SSO mm A. @ mm M1-poli1tt, Knopf 1ch-rr, FvO bionl! td!won Nr. 1 ta/55/3 3 lp. E 21 H. 1350 mm Oberfll!ldle M1,pol1erl mit bieg101Mm Metofüchlouch 2S cm L.Sngo 117

nicht mehr bestehenden Jahresuhrenfabrik Schatz immer noch der zweitgrößte Arbeit­ geber in Triberg und gut gerüstet für die 1949 gegründete Bundesrepublik. Wiederaufbau, soziale Marktwirtschaft und der gemeinsame Wille aller Beteiligten ließen die Firma nach dem 2. Weltkrieg rasch wieder wachsen. Neben Metallwaren, Lampen und Auto­ kühlern wurde 1950 mit der Herstellung von Feinblechteilen, zunächst für die Büroma­ schinenindustrie, begonnen. Dieser neue Fabrikationszweig entwickelte sich rasch und ist heute der wichtiste der Firma. Sowohl kunstvolle, handwerklich hochstehende Produkte als auch Klein- oder Mittelserien und Massenprodukte wurden hergestellt. Herr Haugg wurde in Luxemburg gebo­ ren, seine Familie wie die seiner Frau stam­ men aber aus Augsburg. 1972 wurde die Schwarzwälder Metallwa­ Inhaber Albert jetzigen renfabrik vom Haugg übernommen. Deutschen Reich die 6-Millionen-Grenze. Hieran konnte auch die weitsichtigste Unter­ nehmensführung nichts ändern. Nun gab es Produktionseinbrüche bei sämtlichen Berei­ chen der Firma, Kurzarbeit und Entlassun­ gen waren unvermeidbar, etwa im Januar 1931 von 30 Beschäftigten. Ein Tiefpunkt der Krise war erreicht, als die Firma mit nur 64 Arbeitnehmern in das Jahr 1933 eintrat, die niedrigste Zahl seit dem Ende des 1. Weltkrieges, doch schon Ende 1933 waren wieder 79 und 1934 91 Personen beschäftigt. Gerade das verhältnismäßig glimpfliche Überstehen dieser schwersten Wirtschaftskrise der deutschen Geschichte zeigt nachhaltig, wie gesund und leistungsfä­ hig das Unternehmen war. Im Zuge der wirtschaftlichen Wiederbele­ bung der 30er Jahre florierten auch die Geschäfte der Schwarzwälder Metallwaren­ fabrik wieder besser. Die Beschäftigtenzah­ len stiegen weiter. 1937 hatte die Firma 160 Beschäftigte, darunter 11 Frauen. Es wurden Metallwaren, Beleuchtungskörper (Lampen) und Autokühler produziert. Auch in dieser Zeit gab es etliche Baumaß­ nahmen. Bezüglich der Krafterzeugung war der Betrieb weitgehend unabhängig. Neben einer Wasserturbine zur Stromerzeugung gab es die große, vor dem 1. Weltkrieg ange­ schaffte Dampfmaschine, die über Transmis­ sionsriemen viele Maschinen antrieb. Aufgrund seiner Kühlerproduktion war die Firma auch im 2. Weltkrieg als kriegs­ wichtiger Betrieb eingestuft. Die Produktion konnte fortgesetzt werden, wenn auch viele Mitarbeiter eingezogen wurden. Unter schweren Bedingungen mußte damals Höchstproduktion geleistet werden. Nach dem Kriege erlaubte die französi­ sche Verwaltung einen raschen Wiederbe­ ginn und es wurden in der unmittelbaren Nachkriegszeit viele französische Kühler repariert. Bereits im Mai 1948, also einen Monat vor Einführung der D-Mark, hatte die Firma wieder 110 Beschäftigte, darunter 70 im Bereich Autokühler und 40 im Metallbe­ reich. Sie war damit nach der mittlerweile 118

Herr Haugg hat als erfolgreicher Unter­ nehmer zusammen mit seiner Frau aus klei­ nen Anfängen eine heute bedeutende und sich über zahlreiche Länder erstreckende Fir­ mengruppe aufgebaut. 1958 wagte er als junger Kaufmann den Schritt in die Selbständigkeit, indem er eine Kühlerfabrik mit Schweißwerk in Aachen übernahm, die heutige Westdeutsche Küh­ lerfabrik. Diese Firma, das Stammwerk der mittlerweile umfangreichen Haugg-Gruppe, hatte damals nur wenige Mitarbeiter. Der Erwerb der Schwarzwälder Metallwarenfa­ brik war die erste große Erweiterung der Fir­ mengruppe. 1979 wurde die Metallwaren­ fabrik Teckemeyer in Marienheide bei Gum­ mersbach übernommen und 1986 die Küh­ lerproduktion der Steeb-Werke in Sulz am Neckar. German Hasenfratz · Am Mühlenbach, Hüfingen Auslandsniederlassungen gibt es in Bel­ gien, den Niederlanden und der Schweiz, Beteiligungen in Tunesien und Vertretungen rund um die Welt. Zusammen mit einer erfolgreichen Geschäftsführung war die Verbindung von ausgezeichnetem handwerklichem Können der Mitarbeiter mit modernsten Maschinen eine maßgebliche Voraussetzung für den Erfolg der Firma. Die Schwarzwälder Metall­ warenfabrik wurde berühmt für ihre Schwarzwälder Q!ialitätsarbeit, ja sie leistete und leistet ihrerseits einen nicht unerhebli­ chen Beitrag zur Entstehung und Wahrung dieses Q!ialitätsbegriffes. Die Mitarbeiter und die Geschäftsführung sind sich der Ver­ antwortung bewußt, die sie durch die große Tradition und den Namen der Firma haben. Albert Haugg 119

Archäologie Ausgrabungen im alamannischen Reihengräberfeld von Schwenningen, ,,Auf der Lehr“, unter besonderer Berücksichtigung der Grabungskampagne 1989-1991 geführt hat, dienten u. a. diesem Ziel. Die Erforschung der Alamannen ist besonders wichtig, führt doch von ihnen eine direkte Linie zur heutigen Bevölkerung. Aus diesem Grunde ist es keine Überraschung, daß viele alamannische Fundplätze in unmittelbarer Nähe moderner Ortschaften liegen. Daher sind sie landesweit durch Baumaßnahmen ganz akut bedroht. Nur allzuoft stehen die Archäologen im Wettlauf mit dem Bagger. Diese Situation ist für die Denkmalspflege eine existentielle Herausforderung. Mit den Alamannen beginnt die (nachrömische) Geschichte Baden-Württembergs, aber für ihre Erforschung verbleibt nicht mehr viel Zeit. Mit Blick auf den historischen Zusam- Abb. 1 Schwenningen. Grab 200, silbervergoldete S-Fibel mit fünf roten Edelsteineinlagen. Länge 4,5 cm. Der nachfolgende Beitrag steht mit den Aus­ führungen von Oberkonservator Dr. Gerhard Finger/in im Almanach 1987, Seite 82-104.ff., in engem Zusammenhang und hält als neuen Aspekt die Ausgrabungen in den Jahren 1989- 199Jfest. Einführung In die Regierungszeit des römischen Kai­ sers M. Aurelius Antoninus (211-217 n. Chr.), besser bekannt unter dem Beinamen Cara­ calla, fällt die erste schriftliche Erwähnung der Alamannen. Im Jahre 213 n. Chr. hatten sie die römischen Grenzbefestigungen (den Limes) überwunden und verheerten den von den Römern „agri decumates“ (Dekumaten­ land) genannten Landstrich zwischen dem Oberlauf der Donau und dem Rhein. Dieser Angriff konnte nochmals abgewehrt werden, aber der für seine Sicherheit lange berühmte römische Friede – die Pax Romana – hatte sich als brüchig erwiesen. Welche Menschen verbargen sich hinter dem Namen dieses ger­ manischen Stammes, der die Römer bis zum Untergang ihres Reiches noch einige Male unangenehm beschäftigen sollte? Diese und viele andere Fragen wurden von den antiken bzw. frühmittelalterlichen Geschichtschrei­ bern nicht beantwortet. So bleibt nur die Möglichkeit, Kult-, Siedlungs- und Grabstät­ ten der Alamannen zu suchen und ihre Befunde und Funde mit archäologischen Methoden auszuwerten. Die Ausgrabungen, die das Landesdenk­ malamt Baden-Württemberg, Abteilung Ar­ chaeologische Denkmalpflege Freiburg, 1984/85, und in den Sommermonaten der Jahre 1989 bis 1991 in Schwenningen durch- 120

Abb. 2 Schwenningen. A/.amannisches Gräbe,feld „Auf der Lehr“ von Süd-Osten. Im Vordergrund Straßenkreuzung „Auf der Lehr/Dauchinger Str.“ mit der Grabungsfläche von 1984/85. Im Hinter­ grund Abhang, Anhöhe und Gartenbereich mit den Grabungsflächen 1989-1991. menhang und mit Bezug auf frühere Schwenninger Ausgrabungen wird dieser Beitrag erste Ergebnisse der vorerst letzten Grabungskampagne (1989 bis 1991) erläu­ tern. Er kann und soll keine umfassende Dar­ stellung der Alamannen sein, denn dies würde den vorgegebenen Rahmen nur allzu­ leicht sprengen. Römer -Alamannen -Franken Zu Beginn des 3. Jahrhunderts n. Chr. waren Bayern, Südwestdeutschland und das Rheinland Teile des römischen Weltreiches. Nördlich davon siedelten die Germanen. Die Grenze wurde von den Römern durch den Limes militärisch überwacht. Er bestand teils aus einem Erdwall mit Holzpalisaden und Gräben, teils aus einer Steinmauer. Dieses Sperrsystem wurde in regelmäßigen Abständen durch Türme und Kastelle (be­ festigte Garnisonen) verstärkt. Seine Auf­ gabe bestand nicht in der frontalen Abwehr eines germanischen Angriffs, sondern in der Überwachung des grenzüberschreitenden Verkehrs und in der Verzögerung eines feindlichen Einfalles, bis weitere Truppen aus dem Hinterland herangeführt werden konnten. So ist denn auch der Limes ein „überwachtes Annäherungshindernis“ (D. Baatz) genannt worden. Seine Erbauungszeit erstreckt sich über das 1., 2. und 3. Jahrhun­ dert n. Chr. Er verlief rechtsrheinisch von Rheinbrohl (bei Neuwied) über Taunus bzw. Wetterau bis zum Main und von Miltenberg fast schnurgerade über 80 km bis Lorch. Ab dort wandte er sich nach Nordosten und erreichte oberhalb von Kehlheim die Donau. Die Gesamtlänge betrug ca. 548 km. Besonders im Bereich der Donau wurde die Grenzbefestigung laufend verstärkt. Die massive Präsenz römischer Truppen scheint auch auf germanischer Seite zu einer Polari­ sierung geführt zu haben, die in der Bildung größerer sozialer Organisationsformen mün­ dete. Dazu paßt, daß die Bezeichnung „Ala­ mannen“ von „alle Mannen“ hergeleitet wer­ den kann. Dieser Name bezeichnet also einen lockeren Verband, der wohl Stämme 121

verschiedener Herkunft zusammenfaßte (vgl. hierzu auch den Beitrag von Dr. Volk­ hard Huth im Almanach 91, Seite 101-104). Dahinter mag die Einsicht gestanden haben, daß nur eine größere Gemeinschaft den Römern, mit Aussicht auf Erfolg, entgegen­ treten kann.Jedenfalls unternahmen die Ala­ mannen zwischen 233 und 235 n. Chr. Ein­ fälle mit solcher Intensität, daß erstmals das gesamte römische Hinterland zwischen Inn und Mosel massiv betroffen war. Die nächste Katastrophe ereilte die Römer in den Jahren 259 bis 261 n. Chr., denn bei diesem Angriff überrannten die Alamannen nicht nur den Limes und das Hinterland, sondern erreich­ ten sogar Italien, wo sie erst 261 besiegt wer­ den konnten. Trotz dieses Abwehrerfolges wurde der Limes nicht wieder besetzt, son- Abb. 3 Schwenningen. Grabungsbefund des modern gestörten Grabes 141. Drahtohrringe aus Bronze oberhalb der Schultern, Bronzearmreif am linken Handgelenk. 122 dem die militärische Sicherung der Grenzen auf Rhein, Donau und Iller zurückgenom­ men, die leichter zu verteidigen waren. An Stelle der Römer besiedelten nun Ala­ mannen Südwestdeutschland. Damit verlo­ ren die Römer ein überaus wichtiges Gebiet, lag es doch in unmittelbarer Nähe der Alpen­ pässe und des italischen Mutterlandes. Darü­ ber hinaus blockierten nun die Alamannen die wichtige Direktverbindung zwischen dem römisch besetzten Balkan, Bayern und dem Rheinland. Auch wenn das römische Reich erst im 5. Jahrhundert unter dem Ansturm seiner zahlreichen Gegner zusam­ menbrach, so siedelten damit doch zum ersten Mal Germanen auf römischem Boden! Leider sind erst wenige Hinweise auf Herkunft, Zusammensetzung und Sied­ lungswesen der frühen Alamannen bekannt geworden. Nach Beurteilung bestimmter Gebrauchsgegenstände, die sie im späten 3. Jahrhundert in ihre neue Heimat mit­ brachten, scheint die Saale-Region und die untere Elbe ihr Herkunftsgebiet gewesen zu sein. Auch wenn wir über die Anfänge der alamannischen Besiedlung erst wenig wis­ sen, so lassen sich doch wenigstens ab dem späten 4. Jahrhundert genauere Aussagen über die Neusiedler machen. Durch erneute Auseinandersetzungen mit den Römern gerieten die Alamannen wieder in den Blick antiker Autoren. In diesem Zusammenhang ist besonders der Offizier und Historiker Ammianus Marcellinus (“ 332, t 400) von großer Bedeutung. Er begleitete den römi­ schen Oberbefehlshaber und späteren Kaiser Julian Apostata (* 331, t 363) auf einem Feld­ zug gegen die Alamannen und berichtete z.B., daß sie von Reges, Reguli und Opitma­ tes (Königen, Kleinkönigen, Adeligen) ange­ führt wurden und in Teilstämme unterglie­ dert waren. Umfangreiche Ausgrabungen auf dem Runden Berg bei Urach und dem Zähringer Burgberg bei Freiburg/Brsg. konn­ ten belegen, daß alamannische Anführer mit ihren Familien, Kriegern und spezialisierten Handwerkern zeitweilig hohe Berge besie-

leiten. Darüber hinaus wurden z.B. im Breisgau Gräber dieser Zeit gefunden. Schließlich gibt es auch Hinweise auf ala­ mannische Ansiedlungen im Bereich verlas­ sener römischer Höfe und Ortschaften. Noch deutlicher wird das Bild gegen Ende des 5. Jahrhunderts, weil die Alamannen dazu übergingen, ihren Totenkult zu ändern. In der Nähe ihrer Siedlungen begannen sie große Reihengräberfelder anzulegen. Dieser Friedhosftyp läßt sich u. a. dadurch charakte­ risieren, daß seine Körpergräber in Reihen und in Ost-West-Richtung, also mit Blick zur aufgehenden Sonne angeordnet sind. Dar­ über hinaus ist für unsere Gegend die Aus­ wahl von Hängen für die Anlage dieser Fried­ höfe besonders typisch. In schachtartigen Gruben wurden die Toten meist in Bretter-, Baumsarg oder nur mit einem Totenbrett bestattet. Manchmal finden sich auch Särge in kleinen Holzkammern, und ab dem 7. Jahrhundert wurden auch sargähnliche Grä­ ber aus Trockenmauerwerk oder Steinplat­ ten (Steinkisten) angelegt. Die Alamannen glaubten an ein Weiterleben nach dem Tode. Daher wurde ihnen in der Regel Beigaben mitgegeben, auf die sie rechtlichen An­ spruch hatten und die zu ihrem persönli­ chen Besitz gehörten. Von ganz bestimmten Ausnahmen abgesehen, demonstrierten Größe, Tiefe und Inhalt des Grabes die soziale Stellung und den materiellen Reich­ tum eines Toten. Im Verlauf des 5., 6. und 7. Jahrhunderts erfuhr die Ausstattung der Toten verschie­ dene Veränderungen z.B. auf Grund der christlichen Mission, die die Beigabensitte ablehnte. An dieser Stelle kann keine umfas­ sende Darstellung der Trachtgeschichte gegeben werden. Trotzdem soll wenigstens charakteristisches Inventar genannt werden. So wurde den Männern in der Regel ein kur­ zes Hiebschwert (Sax), ein metallbeschlage­ ner Waffengürtel aus Leder, Speer und Pfeile mitgegeben. Bei reicheren Personen findet sich oft noch zusätzlich ein zweischneidiges Langschwert (Spatha), ein oder mehrere Gefäße, manchmal auch ein Schild und eine Axt. Die Grundausstattung adliger Anführer unterschied sich davon nicht. Allerdings war sie erheblich besser verarbeitet und z.B. die Griffe ihrer Schwerter bzw. Schwertscheiden mit Edelmetallen verziert. Vielmehr drückt sich die soziale Position dieser Männer in weiteren Beigaben aus, die sich ihre Unter­ gebenen aus rechtlichen oder wirtschaftli­ chen Gründen gar nicht leisten konnten. Dazu gehörten bei Hochadeligen z.B. Helm und Panzer, Goldfingerringe, Pferdegeschirr, Gürtel und Beschläge aus Edelmetall, wert­ volle Gefäße, sonderangefertigte Gebrauchs­ bzw. Schmuckgegenstände und schließlich noch fremdländische Produkte, die nur durch Kriegszüge oder als Geschenke in die Abb. 4 Schwenningen. Grab 178, Übersichts­ photo. An der rechten Körperseite liegt ein Lang­ schwert, an der linken Hüfte ein kurzes Hieb­ schwert. Im Vordergrund abgewinkelter rechter Unterschenkel und großes Gefäß. 123

Hände eines alamannischen Großen gelan­ gen konnten. Die Beigabensitte hat auch dafür gesorgt, daß wir ab der Zeit um 500 n. Chr. über die Trachtbestandteile der Frauenkleidung bes­ ser informiert sind. An Hals und der rechten Schulter sowie im Bereich der Hüften ver­ schlossen vier Fibeln, d. h. Gewandschließen in Form von Spangen, die Frauenkleidung. Zu dieser Vier-Fibel-Tracht gehörte auch noch eine Gürtelschnalle sowie Beschläge bzw. kleine Schnallen für Strümpfe und Schuhe. An die Hüftfibeln wurde gerne noch ein Lederriemen gehängt, der zur Befe­ stigung von diversen Amuletten, Schmuck­ perlen und Gegenständen des täglichen Bedarfs wie z.B. Messern oder Kämmen diente. Haarnadeln, Hals-, Arm- und Finger­ ringe konnten dieses Trachtensemble ver­ vollständigen. Diese auffällige und materialaufwendige Tracht wurde im Verlauf des 6. Jahrhunderts erheblich reduziert. So wurde z. B. die Zahl der Fibeln auf ein oder zwei Exemplare beschränkt, die jetzt Vogel-, Scheiben- oder S-Form annehmen (Abb. J). Diese markante Entwicklung setzte sich zu Beginn des 7. Jahrhunderts fort. Während manche Tracht­ bestandteile verschwanden, kamen neue Ele­ mente hinzu. So wurden jetzt z.B. Ohrringe und Halsketten aus Glas und Bernsteinper­ len üblich. Auch wenn hier eine gewisse Standardausstattung vorgestellt worden ist, darf nicht verschwiegen werden, daß nur sel­ ten eine Frau alle diese Trachtbestandteile gleichzeitig besaß. Darin machten nur die Frauen adliger Familien eine Ausnahme, deren Ausstattung meist auch noch durch die Verarbeitung von Edelmetallen und anderer wertvoller Materialien ihre beson­ dere soziale Stellung hervorhob. Die Veränderung der Tracht im 6. und 7. Jahrhundert läßt sich u. a. auch durch fremde Einflüsse erklären, womit das Ver­ hältnis der Alamannen zu ihren Nachbarn angesprochen ist. Nach dem Rückzug der Römer aus Südwestdeutschland besiedelten die Alamannen einen Raum, dessen Gren- 124 zen sich grob an Rhein, Main, Donau und Iller festlegen lassen. In den folgenden Jahr­ zehnten war das Verhältnis zu den Römern keineswegs immer durch Krieg bestimmt. So wie spätrömische Historiker von Alamannen in hohen Rängen der römischen Armee be­ richten, läßt sich in den Formen oder derri Dekor der alamannischen Trachtenbestand­ teile römischer Einfluß feststellen. Mit dem Untergang des weströmischen Reiches im 5. Jahrhundert bestand die Möglichkeit der freien räumlichen Expansion nach Westen, Süden und Osten. Im Westen wurden die Alamannen automatisch Rivalen des ehe­ mals in Nordwestdeutschland beheimateten Stammes der Franken. Ihnen war es 459 n. Chr. gelungen, die damals noch römische Stadt Köln, das Rheinland und einige Jahr­ zehnte später auch Nordfrankreich endgül­ tig zu erobern. Der Interessenkonflikt wurde 496 durch die Schlacht bei Zülpich entschie­ den, wobei die Alamannen unterlagen. In der Folgezeit verloren sie zwar ihre nord­ württembergischen Siedlungsgebiete, konn­ ten aber dafür das Elsaß, die Nordschweiz und den Landstrich zwischen Iller und Lech in Besitz nehmen. Gleichzeitig wurden die Alamannen Nachbarn der germanischen Völker der Ostgoten und später der Lango­ barden, die im 6.Jahrhundert (zeitweise) Ita­ lien beherrschten. Die Alamannen suchten besonders den Kontakt zu den mächtigen Ostgoten, um sich gegen die Franken zu behaupten. Dies gelang bis 536 n. Chr. An­ schließend mußten sie sich aber der Macht der Franken beugen. Daran konnten auch gelegentliche Aufstände nichts mehr ändern. Erste Ausgrabungen: 1938 und 1984/85 Schwenningen wurde erstmals im Jahre 817 in einem Diplom Kaiser Ludwigs des Frommen als „Swaningas“ urkundlich er­ wähnt. Allerdings wurden 1938 vier Gräber aus dem frühen Mittelalter geborgen. Damit mußte die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, daß Schwenningen auf eine alaman­ nische Gründung zurückgeht. Da für diese Zeit, wie auch für die folgenden Jahrhun-

derte, keine historischen �eilen über Schwenningen umfassend berichten, bieten nur archäologische Ausgrabungen die Mög­ lichkeit, die damaligen Verhältnisse zu re­ konstruieren. Ein Friedhof, der vollständig ausgegraben werden kann, ergibt für diese Arbeit hervor­ ragende Ansatzpunkte. Zuerst lassen sich die grundsätzlichen demographischen Werte, wie z.B. zahlenmäßige Größe einer Bevölke­ rung, durchschnittliche Lebenserwartung, Zahlenverhältnis zwischen Frauen – Män­ nern – Kindern etc. mit einiger Genauigkeit bestimmen. Das eigentliche Grab erlaubt Rückschlüsse auf den Totenkult und auf die Jenseitsvorstellungen. Die Beigaben können auf der einen Seite wichtige Informationen zur sozialen Gliederung der Bevölkerung lie­ fern, auf der anderen Seite erlauben ihre Machart Hinweise auf technische Fähigkei­ ten und Handelsbeziehungen. Schließlich können spezialisierte Mediziner auch noch nach vielen Jahrhunderten typische Krank­ heiten, Verletzungen, Ernährungsgewohn­ heiten und in manchen Fällen ja sogar die Todesursache feststellen. Die bereits erfaßten Teile des Gräberfel­ des liegen ca. 400 m nördlich des histori­ schen Ortskernes und der evangelischen Gemeindekirche, am Ostabfall einer weitflä­ chigen Anhöhe mit Gewannbezeichnung „Auf der Lehr“ (Abb. 2). Der Untergrund der Fundstelle wird aus dem Bunten Mergel des Lettenkeupers gebildet, der mit kompaktem mittel- bis gelbbraunem Lehm überlagert ist. Diese Bodenverhältnisse erschwerten die Ausgrabungsarbeiten ganz erheblich, und die Kalkarmut des Bunten Mergels ist für den schlechten Erhaltungszustand der Skelette und der organischen Grabbeigaben verant­ wortlich, die in diesen Schichten gelegen haben. Dies ergab eine erste chemische Grobanalyse des Bodens vor Ort. Wie schon Oberkonservator Dr. Fingerlin im Almanach 1987, 82-104, ausführlich dar­ gestellt hat, begann die archäologische Erfor­ schung im Juni 1938, als bei Erweiterungsar­ beiten im Hof der Firma W. Maier / Dau- chinger Str. 9, vier Gräber entdeckt wurden. Es ist dem Fachschullehrer 1. R. Rupp zu ver­ danken, der in der damaligen Zeit ein ehren­ amtlicher Mitarbeiter der Denkmalpflege war, daß wenigstens ein Frauengrab einiger­ maßen fachmännisch gehoben wurde. Dies war ein außergewöhnlicher Glücksfall, erbrachte doch dieses Grab einige der schön­ sten und wertvollsten Funde, die wir von den Alamannen kennen! Darüber hinaus wird es zu den wichtigsten Gräbern der Völkerwan­ derungszeit gezählt! Die kostbare Schmuck­ ausstattung umfaßte u. a. vier Fibeln, die aus massivem Gold, Silber und roten Edelstei­ nen gefertigt worden waren, sechs kleine gol­ dene Anhänger, silberne Schnallen und Beschläge, ein silberbeschlagenes Band mit Amulett und eine Gürtelschnalle. Wie oben dargelegt, entspricht dies der typischen Tracht des frühen 6.Jahrhunderts. Der Mate­ rialwert und die Verarbeitungsqualität sind aber so einmalig, daß die Tote ohne Zweifel zu den führenden hochadeligen Familien des Landes gehört hat. Im weiteren Verlauf behielten 1. R. Rupp, die Direktoren des Heimatmuseums (Dr. Ströbel, Dr. Reinartz) und das Landesdenk­ malamt diese wichtige Fundstelle im Auge, so daß dort im Zusammenhang mit einem Straßenbauprojekt 1984/85 eine großflä­ chige Grabung durchgeführt werden konnte. Die Funde von 1938 hatten gezeigt, daß auf Schwenninger Boden im 6. Jahrhundert eine Hochadelige gewohnt hatte. Bei den Ausgrabungen 1984/85 ging es weniger um die Bergung weiterer wertvoller Funde, als um die Frage, ob neben der Adeligen und ihrem Gesinde noch weitere Alamannen hier gesie­ delt hatten. Diese Fragestellung mag akade­ misch klingen, ist aber in Wirklichkeit für Schwenningen von erheblicher Bedeutung. Es geht dabei um nichts weniger als um den genauen Zeitpunkt der Gründung des Ortes Schwenningen. Am Ende dieser Grabungs­ kampagne waren Teile eines alamannischen Reihengräberfeldes mit über 100 Gräbern aufgedeckt. Da ein so großer Friedhof eine dazugehörige Siedlung voraussetzt, kann als 125

gesichert gelten, daß Schwenningen nicht erst um 817, sondern schon zu Beginn des frühen Mittelalters von Alamannen gegrün­ det worden ist! Die Keimzelle des Ortes wird der Wirt­ schaftshof einer hochadeligen Familie gewe­ sen sein, denn das 1938 gefundene Adelsgrab gehört immer noch zu den ältesten Bestat­ tungen des ganzen Friedhofs. An den Grä­ bern ließ sich auch die Entwicklung der Sied­ lung und teilweise ihre soziale und rechtliche Gliederung verfolgen. Vieles spricht dafür, daß die Bevölkerung im Verlauf des 6. und 7. Jahrhunderts langsam wuchs. Die aufgefun­ denen Beigaben vermittelten einen guten Eindruck von der Arbeit der Schmiede, Töp­ fer und Kammhersteller. Schmuckstücke, eine Münze, Trinkgefäße und andere impor­ tierte Gebrauchsgegenstände beiegten schon im Verlauf dieser Ausgrabung, daß auch die frühe Schwenninger Bevölkerung von der Ent­ wicklung der politischen Beziehungen zwi­ schen Alamannen und germanischen Rei­ chen in Italien nicht unberührt geblieben ist. Die Grabungskampagne 1989-1991 Nachdem ein Reihengräberfeld festge­ stellt worden war, mußten auch die Nach­ bargrundstücke in weitere Überlegungen einbezogen werden, da diese Friedhöfe erfahrungsgemäß größere Flächen bedek­ ken. Dabei ist es besonders wichtig, mög­ lichst den gesamten Friedhof archäologisch zu erfassen, denn je vollständiger ein Gräber­ feld ausgegraben werden kann, um so fun­ diertere Aussagen lassen sich dazu machen. Als 1989 in diesem Bereich Bauarbeiten zur Diskussion standen, wurde in den Som­ mermonaten der Jahre 1989 bis 1991 das Grundstück Mutzenbühlstr. 2-4 und Teile der Grundstücke Dauchinger Str. 13 bzw. Dauchinger Str. 11 ausgegraben. Diese Flä­ chen schließen direkt an die Grabung von 1984/85 an. Ziel dieser Kampagne war es, eine unkontrollierte Zerstörung zu verhin­ dern und weitere Informationen über Aus­ dehnung und Belegungsdauer des Friedho­ fes zu gewinnen. 126 Mit einer Ausnahme waren alle Gräber in Reihen angeordnet und Ost-West orientiert. Die Mehrzahl der Toten (38) waren in einfa­ chen Erdgräbern bestattet worden, aber auch Brettersärge, Steinkistengräber, ein Baum­ sarg und eine kleine Holzkammer mit Sarg konnten festgestellt werden. Anhand der Beigaben, teilweise auch an geschlechtsspe­ zifischen Merkmalen des Skelettes, konnten 12 als Frauen, 10 als Männer und 16 als Kinder identifiziert werden. Die restlichen Gräber waren ohne Beigaben oder so umfassend gestört, daß ohne weitere Untersuchungen keine Zuordnung möglich ist. Obwohl es unter schwerer Strafe stand, sind in antiker Zeit sechs Gräber so gezielt beraubt worden, daß sie entweder oberirdisch noch erkenn­ bar waren oder ihre Lage noch bekannt gewe­ sen sein muß. Nachfolgend sollen Teilaspekte von drei Gräbern etwas näher vorgestellt werden, die auf Grund ihrer Befunde oder Funde typisch für die letzte Grabungskampagne sind. Neben den schwierigen Bodenverhältnis­ sen stellte die neuzeitliche Bebauung des Areals ein weiteres Problem dar. Insgesamt waren ca. 50 0/o des Geländes überbaut und die Voraussetzungen für interessante Ergeb­ nisse schienen bei dieser Ausgangslage stark eingeschränkt zu sein. Trotzdem konnten noch 62 Gräber (davon ein Doppelgrab) geborgen werden, die wenigstens teilweise aussagefähige Funde und Befunde geliefert haben. Wie schon angedeutet, waren moderne Störungen ein Dauerproblem dieser Kampa­ gne. Dies muß aber keineswegs bedeuten, daß ein Grab für die wissenschaftliche Aus­ wertung vollständig verloren ist. Grab 141 lag auf dem Grundstück Mutzenbühlstr. im Bereich einer betonierten Rampe, die vor­ sichtig entfernt werden mußte. Kopf- und Oberschenkelbereich waren zwar erheblich gestört, aber zwei guterhaltene Bronzedraht­ ohrringe sowie ein Bronzearmreif mit einem Rautenmuster als Verzierung lagen noch in unveränderter Position (Abb. 3). Diese Bei­ gaben sind typisch für die Frauentracht des

späten 7. Jahrhunderts. Sie sind nicht nur bedeutsam für die Rekonstruktion der dama­ ligen Schwenninger Tracht, sondern auf Grund ihrer leichten zeitlichen Einordnung auch ein wichtiger Hinweis auf die Dauer der Belegung in diesem Bereich des Friedhofes. So hat sich die Mühe bei der Entfernung der Betonrampe in jeder Hinsicht gelohnt. Eine ganz andere Fundsituation ergab sich bei der Ausgrabung von Grab 178. Es war zwar gänzlich ungestört, mußte aber aus einer Tiefe von fast zwei Metern geborgen werden. Die Ausstatttung des Toten umfaßte mit Spatha, Sax, Messer, einem Feuerstein sowie einem reich verzierten Knickwandtopf typische Männerbeigaben (Abb. 4). In ver­ schiedener Zusammensetzung und Form finden sie sich häufig in Schwenninger Män­ nergräbern, wobei festzuhalten ist, daß zwei Schwerter eher die Ausnahme sind und als ein Indiz für eine etwas hervorgehobenere soziale Stellung gelten können. In der Regel war den Männern nur ein Hiebschwert, eine metallbeschlagene Gürtelgarnitur und noch ein Messer und ein Feuerstein mitgegeben worden. Auch eine Axt, ein Kamm, eine Gürteltasche und Gefäße wurden aus ver­ schiedenen Männergräbern geborgen. Auf Grund des großen Erddruckes und der aggressiven Bodenverhältnisse waren Teile des Oberkörpers verlagert und das gesamte Skelett bzw. die Beigaben aus Grab 178 in einem schlechten Erhaltungszustand. Trotzdem läßt sich eine Besonderheit sofort erkennen, die es verdient, hier kurz vorge­ stellt zu werden. In alamannischen Gräbern steht, so wollte es anscheinend der Toten­ kult, ein Gefäß fast immer bei den Füßen des Verstorbenen. Hier hatte man ganz offen­ sichtlich Platzprobleme und so griff man zu einer einfachen, wenn auch drastischen Lösung: der rechte Unterschenkel wurde um mehr als 90° abgewinkelt und auf das linke Knie gelegt. So erhielt man gerade genug Platz für das Gefäß. Diese Handlung mag belegen, wie wichtig diese Beigabe für die Jenseitsvorstellungen war. Darüber hinaus ist auch die reiche Verzierung des Gefäßes ausgesprochen ungewöhnlich. Drei hori­ zontal umlaufende Zonen wurden mit einge­ stempelten Mustern sorgfältig gefüllt. Nach der Bergung wurden auf der Höhe des Bauch­ umbruches noch hervorgehobene vertikale Rippen und abgrenzende Rillen festgestellt. Allerdings war der Gegensatz zwischen her­ vorragender Gestaltung und sehr schlechter Verarbeitung (Magerung und Brand) eine unerwartete Überraschung. So wirft die Ent­ deckung dieses seltenen Gefäßes neue Fra­ gen auf. An vergleichbaren Fundstücken wird zu prüfen sein, ob die schlechte Verar­ beitung nicht damit zu erklären ist, daß der­ artige Gefäße gar nicht für den täglichen Ge­ brauch, sondern speziell als Grabbeigaben produziert worden sind. Diese Einschrän­ kung ändert aber nichts an der Tatsache, daß Größe und außergewöhnlich reiches Dekor das Gefäß aus der Masse der alamannischen Keramik herausheben und es schon zu Leb­ zeiten seines Besitzers zu einem besonderen Wertgegenstand machten. Das Fundstück gehört zu den interessantesten alamanni­ schen Keramikarbeiten, die bisher in Süd­ westdeutschland gefunden worden sind (Abb. 5). Bereits bei der Besprechung von Grab 141 ist die Frauentracht kurz dargestellt worden, wobei die Mode aus der Endphase der Belegung des Friedhofes und die schwie­ rigen Bergungsbedingungen im Vorder­ grund standen. Als Gegenbeispiel sollen hier noch einige Aspekte des Grabes 200 ange­ führt werden, da es in einem ganz anderen historischen, sozialen und trachtgeschichtli­ chen Zusammenhang steht. Wie Grab 178 mußte es aus einer größeren Tiefe geborgen werden, was interessante Funde und Befun­ de erwarten ließ. Diese Hoffnung wurde voll und ganz erfüllt. Das Grab beinhaltete die sterblichen Überreste einer Frau, die um Mitte des 6.Jahrhunderts mit ihrer komplet­ ten Tracht und reichen Beigaben bestattet worden war. Bevor wir einen näheren Blick auf einen Teil dieser Ausstattung werfen, sei nochmals daran erinnert, daß seit 536/537 die politische Bindung der Alamannen an · die fränkische Oberhoheit feststand. Schon 127

Abb. 5 Schwenningen. Grab 178, Detailzeichnung des Gefäßes nach der Bergung. Es lag direkt am linken Unterschenkel,· deutlich sind drei stempelverzierte Zonen zu erkennen. aus diesem Grund sind fränkische Elemente in alamannischen Gräberfeldern möglich, so wie sich bereits in Schwenningen die alamannischen Kontakte nach Italien haben nachweisen lassen. Ein typisches Pro­ dukt des fränkisches Rheinlandes ist nun ein 14 cm hoher, hellgrüner kunstvoll ge­ drehter (tordierter) Glasbecher, der zusam- 128 men mit einer sehr gut erhaltenen Ton­ flasche zu Füßen der Toten lag (Abb. 6). An der rechten Schulter wurde eine silbervergol­ dete S-Fibel (Gewandschließe) mit fünf roten Edelsteineinlagen gefunden (Abb. 1). Von einer Halskette stammen drei kleine runde Goldblechanhänger (Abb. 7), zu der u. a. auch drei sorgfältig geschliffene Ame-

Abb. 6 Schwenningen. Grab 200, kunstvoll gedrehter (tordierter) Glasbecher während der Restaurierung im Landesdenkmalamt Freiburg. Höhe: 14 cm. Abb. 7 Schwenningen. Grab 200, runde Gold­ blechanhänger von einer Halskette. thystperlen gehörten. Weitere Bestandteile des Trachtensembles waren ein Gürtel­ gehänge mit diversen Anhängern, einem Messer und einem Kamm sowie Schnallen und Riemenzungen vom Schuhwerk. Die Ausstattung läßt Wohlstand und Ge­ schmack erkennen. Sicherlich wird man die Frau zur örtlich führenden Schicht zählen dürfen. Die Inventare der hier vorgestellten Frau­ engräber stehen für die Anfangs- bzw. End­ phase des Friedhofes. Gleichzeitig sind sie Beispiele für soziale Unterschiede und Ver­ änderungen in der Mode. Die Gräber 141 und 200 wurden ausgewählt, weil ihre Beiga­ ben deutliche Unterschiede erkennen lassen. Die übliche Frauenausstattung umfaßte aber nur eine Halskette aus Glasperlen, eine Gür­ telschnalle und ein Messer. Allerdings konn­ ten auch einige hervorragend erhaltene Bernsteinkolliers geborgen werden. Neben erwachsenen Frauen und Män­ nern sind auch Kinder auf dem Schwennin­ ger Friedhof beerdigt worden. Auffallig ist ihre große Zahl (16) und ihre Lage im Gräber­ feld. Zwei von ihnen lagen als Nachbestat- tungen in einem Männergrab, fünf andere Gräber fanden sich in einem sehr eng begrenzten Bereich. In der Regel waren sie ohne Beigaben oder nur mit einem kleinen Messer begraben worden. Eine Ausnahme machen zwei Bestattungen, deren Inventar je einen Kamm, einen Knickwandtopf, eine sehr qualitätsvolle Perlenkette bzw. eine Gürteltasche umfaßte. Grab 168: Ein wichtiger medizinhistorischer Fund Schon bei der Ausgrabung von 1984 konnte an einem Skelett ein interessanter medizinischer Befund und dessen Folgen für den Totenkult beobachtet werden. Im Jahre 1990 konnte ein weiterer Fund gemacht wer­ den, der unser noch sehr begrenztes Wissen über die medizinische Versorgung des frü­ hen Mittelalters erheblich erweitert. Grab 168 befand sich nur wenige Zentime­ ter unter dem Betonboden einer Garage. Wahrscheinlich war es schon in antiker Zeit beraubt worden. Auf jeden Fall wurde es nach 1875 durch die Anlage einer Grube gestört, wie das Prägedatum eines Pfennigs 129

aus dieser Störung belegt. Zwischen den wenigen noch vorhandenen Skelettresten, die sich im kompakten hellbraunen Lehm gut erhalten haben, fand sich ein größeres Metallfragment, das nach seiner Restaurie­ rung im Landesdenkmalamt als Teil eines Bruchbandes indentifiziert werden konnte (Abb. 8). Bruchbänder sind medizinisch-orthopä­ dische Hilfsmittel. Brüche und Bruchbänder waren auch im antiken Ägypten, Griechen­ land und Rom bekannt. Aus frühmittelalter­ lichen Fundkomplexen sind bisher 15 Bruch­ bänder aus Frankreich, Italien, Spanien und der Schweiz bekannt geworden. Die besondere Bedeutung des Schwen­ ninger Fundes liegt in der Tatsache, daß damit erstmals in Deutschland die medizini­ sche Diagnose eines Bruches und die Ver­ wendung eines Bruchbandes zu dessen The­ rapie nachgewiesen werden konnte. Weder in Baden-Württemberg, noch in anderen Teilen Deutschlands ist bisher ein vergleich­ bares Fundstück ausgegraben worden. Brüche, in der medizinischen Terminolo­ gie Hernien genannt, sind Auswölbungen der Eingeweide durch die vordere oder rück­ wärtige Bauchdecke. Sie treten an Stellen verminderter Festigkeit der Bauchdecke auf und können angeboren sein oder durch Erkrankungen und Reflexe z.B. Husten, die den Druck in der Bauchhöhle verstärken, ausgelöst werden. Meist sind Männer von Hernien betroffen. Modeme Untersuchun­ gen konnten belegen, daß schwere körperli­ che Arbeit Brüche nicht verursachen, aber deren Entstehung fördert. In der Regel treten sie im Bereich der Oberschenkel, des Hoden­ sackes, der Leiste, des Nabels und innerhalb ehemaliger Narben auf. In die Ausstülpung (Bruchsack) können Organe oder Organteile, z.B. Dick- oder Dünndarm, verlagert sein. Solange ein Bruch nicht zu einer lebens­ bedrohlichen Situation wie z.B. einem Darmverschluß führt, ist ein chirurgischer Eingriff nicht nötig. Ein Bruchband, das den Bruchsack zurückhält und fixiert, reicht völ- 130 lig aus, um weiterhin ein relativ normales Leben zu führen. Allerdings darf sich der Patient nicht mehr schwerer körperlicher Belastung aussetzen. Das Schwenninger Bruchbandfragment besteht aus einem halbrunden 24 cm langen eisernen Ring, das in einer rechtwinklig nach unten abgeknickten Druckplatte (Pelotte) von 5 cm Länge endet. Ring und Pelotte waren im Originalzustand wahrscheinlich länger bzw. größer und sicherlich gepolstert, um das Tragen zu erleichtern. Das Bruch­ band wurde dem Patienten wahrscheinlich wie ein Gürtel und in der Art angepaßt, daß die Druckplatte auf dem Bruchsack zu liegen kam und ihn so fixierte. Dr. K. W. Alt vom Institut für Humange­ netik und Anthropologie/Universität Frei­ burg, der das Bruchband untersuchte, konnte feststellen, daß es für eine Leistenher­ nie der linken Körperseite hergestellt worden ist. Nach seinen Ergebnissen stammen die Skelettreste auch mit Sicherheit von einem Erwachsenen, wobei es sich wahrscheinlich um einen Mann gehandelt hat. Schwierigkei­ ten ergaben sich bei der exakten Datierung des Grabes, da es stark gestört war und sich keine weiteren Beigaben gefunden haben. Allerdings fand es sich sehr flach unter der Oberfläche, was bisher ein Indiz für Gräber der jüngeren Belegungsphase gewesen ist. Dies und seine Lage im Gräberfeld sprechen dafür, daß es in die zweite Hälfte des 7.Jahr­ hunderts zu datieren ist. Das Schwenninger Fundstück ist für die deutsche medizinhistorische Forschung von sehr großem Interesse. Gleichzeitig ist das Bruchbandfragment ein schönes Beispiel dafür, daß einem unscheinbarem Stück Metall ein erheblich höherer wissenschaftli­ cher Wert zukommen kann, als so manchem wertvollen Schmuckstück. Ergebnisse und Ausblick Kurz nach Abschluß der Grabung und noch lange vor Beendigung der Restaurie­ rungsarbeiten können noch keine endgülti­ gen Aussagen zur Kultur-, Wirtschafts- und

Abb. 8 Schwenningen. Grab 168, halbrundes eisernes Bruchban4fragment mit Druckplatte (Pelotte). Gesamtlänge: 29 cm. Siedlungsgeschichte gemacht werden. Zer­ drückte Gefäße müssen z.B. zuerst ihre alte Form wiedererlangen, Metall muß von sei­ nem Rost befreit werden, damit das alte Dekor wieder sichtbar wird, bevor eine exakte Beurteilung erfolgen kann. Daneben ist eine genaue Auswertung des Gräberfeld­ planes unabdingbar. Für die Untersuchung der sterblichen Überreste konnte mit Dr. habil. K. W. Alt ein sehr erfahrener Bearbei­ ter gewonnen werden. Die archäologische Auswertung wird im Rahmen einer Doktor­ arbeit durchgeführt. Nach dem momentanen Bearbeitungs­ und Restaurierungsstand deuten sich vier Zeitebenen der Belegung des Friedhofes an. Eine ältere Ebene mit Gräbern aus dem 6. Jahrhundert und der Zeit um 600 sowie eine jüngere Ebene mit Bestattungen aus der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts bzw. der Zeit um 700. Diese Datierung wird sich im Verlauf der Auswertung sicherlich noch wei­ ter verbessern lassen. Schon während der Ausgrabung zeichneten sich in diesem Bereich des Friedhofes Grabgruppen ab. Dies könnte ein Indiz dafür sein, daß an die­ sen Stellen einzelne Familien oder Hofge­ meinschaften regelmäßig ihre Toten bestat­ tet haben. Auch wurde schon deutlich, daß zwischen Grabtiefe und Grabalter ein Zusammenhang besteht. Die Toten des 6. Jahrhunderts sind in der Regel tiefer beerdigt worden als die Toten aus der jüngeren Zeit­ ebene. Für eine aussagefähige Bewertung müssen aber auch die Ausgrabungen von 1938, 1984/85 und diverse Zufallsfunde berücksichtigt werden. In diesem Zusam­ menhang sollte auch überprüft werden, ob nicht durch die natürliche Erosion des Han­ ges, antike Beraubung und moderne Störun­ gen die jüngeren Gräber zu Gunsten der älte­ ren Gräber unterrepräsentiert sind und so möglicherweise ein verzerrtes Bild entsteht. Ausgehend von Einzelfunden und allge­ meinen Beobachtungen läßt sich immerhin schon sagen, daß Schwenningen auf eine ala­ mannische Siedlung zurückgeht. Wie schon Dr. Fingerlin im Almanach 87, Seite 104, aus­ führlich dargestellt hat, steht am Beginn der Ortsgeschichte die Ansiedlung eines Adels­ hofes. Nach Aussage des 1938 geborgenen Adelsgrabes kann man davon ausgehen, daß die Anfange der Siedlung auf die Initiative einer hochadeligen Familie zurückgeht, die zu den führenden Familien der Alamannen gehört hat. Durch das ganze 6. und 7. Jahrhundert läßt sich ein stetiges Wachstum der Bevölke- 131

rung verfolgen. Im Inventar der Gräber erkennt man eine wohlhabende bäuerliche Bevölkerung, in der es aber durchaus soziale Unterschiede gegeben hat. Importfunde aus Norditalien und dem fränki chen Rheinland belegen, daß die politischen und wirtschaft­ lichen Beziehungen der Alamannen zu Ost­ goten, Langobarden und Franken auch bei der damaligen Schwenninger Bevölkerung ihre Spuren hinterlassen hat. Neufunde wie z. B. die Bernsteinketten ergänzen das Bild und erlauben eine genauere Rekonstruktion der damaligen Mode. Durch die nun vergrö­ ßerte Zahl von Funden und Befunden steht die Basis für die zukünftige Auswertung auf einer besseren Grundlage. Um 700 bricht dann die Belegung des Friedhofes ab. Da man diese Phänomen auch auf anderen alamannischen Friedhöfen beobachten kann und die weitere Entwick­ lung dort besser verfolgt werden konnte, darf damit gerechnet werden, daß auch in Schwenningen zu dieser Zeit der Friedhof zu einer Kirche verlegt worden ist. Die nahege­ legene evangelische Gemeindekirche käme dafür in Frage. Für die Beurteilung der Frühgeschichte Schwenningens steht bisher nur das Gräber­ feld zur Verfügung. Aus diesem Grund ist es für die Ortsgeschichte eine �eile ersten Ranges! Darüber hinaus hat es schon jetzt durch wichtige Importfunde und völlig sin­ guläre Einzelfunde einen wichtigen Platz in der Forschung eingenommen! Mit Sicherheit wird das Reihengräberfeld als einzige alamannische Fundstelle auf der Gemarkung Schwenningens und als einer der wenigen frühen mittelalterlichen Fund­ plätze der Baar, der einigermaßen vollstän­ dig erforscht worden ist, auch in Zukunft für die BodendenkmalpAege von großer Bedeu­ tung sein, denn die Grenzen dieses Fried­ hofes sind noch nicht erreicht. Das Engagement Schwenninger Bürger hat zur Sicherung der ersten Funde geführt. Das Landesdenkmalamt hat die Lokalisie­ rung, Bergung, Restaurierung und wissen­ schaftliche Auswertung des Gräberfeldes 132 durchgeführt bzw. übernommen. Die Stadt Villingen-Schwenningen wird eines Tages sicherlich einen Rahmen für die Präsenta­ tion der zahlreichen Neufunde finden. An dieser Stelle sei der Stadt (Herrn Bür­ germeister Kühn; Herrn Dr. Reinartz, Hei­ matmuseum – Stadtchronik; Herrn May, Baurechtsamt) sowie Herrn Landrat Dr. Gut­ knecht und Herrn Stadtwerksdirektor Dr. Schlenker für ihre organisatorische Hilfe sehr herzlich gedankt. Besonderer Dank gebührt auch den Herren Waitzenegger und Wehrle/Tiefbau- bzw. Liegenschaftsamt, Frau Stübler/Garten- und Friedhofsamt, Herrn UngerNermessungsamt, dem Polizei­ revier Schwenningen und den Mitarbeitern der Bäderverwaltung, des städtischen Bau­ hofes und des Forstamtes, ohne deren prak­ tische Hilfe dieses Projekt nicht möglich gewesen wäre. Dies gilt auch in spezieller Weise für die sehr kooperative Haltung der Grundstücks­ eigentümer und der Bauträger. Es ist daher eine angenehme Pflicht, Frau M. Schael, der Firma Eggert-Gött-Immobilien und der Volksbank Schwenningen (Herrn Direktor Arnold) für die Unterstützung und Förde­ rung unserer Arbeit besonders zu danken. Gaetano Oehmichen L i t e r a t u r h i n w e i s e: W. Veeck, Ein alamannisches Frauengrab aus Schwenningen a. N. Germania 23, 1939, 40. R. Christlein, Die Alamannen. Archäolo­ gie eines lebendigen Volkes (1978), 100. 165 Taf 48. G. Fingerlin, Ein Reihengräberfeld der Merowingerzeit aus Schwenningen, Stadt Villingen-Schwenningen, Schwarzwald­ Baar-Kreis. Archäologische Ausgrabun­ gen in Baden-Württemberg 1984, 177. Ders., Zum Abschluß der Grabung im frühmittelalterlichen Reihengräberfeld von Schwenningen, Stadt Villingen­ Schwenningen, Schwarzwald-Baar-Kreis. Archäol. Ausgrabungen in Baden-Würt­ temberg 1985, 182. G. Oehmichen, Zur Wiederaufnahme der

Ausgrabung im frührruttelalterlichen Rei­ hengräberfeld von Schwenningen, Stadt Villingen-Schwenningen, Schwarzwald­ Baar-Kreis. Archäol. Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1990, 190. K. W. Alt, G. Oehmichen, Ein merowin­ gerzeitliches Bruchband aus Schwennin­ gen, Stadt Villingen-Schwenningen, Schwarzwald-Baar-Kreis. Archäologische Nachrichten aus Baden 3/4, 1992 (im Druck). K. W. Alt, G. Oehmichen, Einfrühmittel­ alterliches Bruchband aus dem alamanni­ schen Reihengräberfeld von Schwennin­ gen, Stadt Villingen-Schwenningen, Schwarzwald-Baar-Kreis. Fundberichte aus Baden-Württemberg 17, 1992 (im Druck). Der Römische Gutshof von Fischbach Ein Resümee zu den bisherigen Ergebnissen aus den jüngsten archäologischen Untersuchungen Der im Almanach 91 (Seite 95-100) ver­ i.iffentlichte Bericht über den römischen Gutshof von Fischbach auf dem Gewann „Bubenholz“ stand ganz im Zeichen des seit 1990 restaurierten Badegebäudes. Seit diesem Jahr nun sind die Untersuchungen des römischen Anwesen zu einem vorläufigen Abschluß gebracht worden, so daß nun ein Fazit gezogen werden kann, in dem neben dem historischen Stellenwert für Fisch­ bach auch die Grabungsergebnisse vorzustellen sind. Schon seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts sind Reste einer römischen Siedlungsstelle etwa 3 km südöstlich von Fischbach bekannt. Der Fundplatz erstreckt sich über einen die nähere Umgebung nach drei Seiten beherrschenden Höhenrücken. In einer schon zur damaligen Zeit intensiv bewirtschafteten Ackerfläche fanden sich Streufunde von Steinen -zumeist bearbeitet -und zahlreiche Fragmente von Leistenzie­ gel. Durch Pflugarbeiten wurden u. a. 1883 weitere bearbeitete Steinfragmente gefun­ den. Die auffälligsten waren ein aus rotem Sandstein zubehauener Quader mit einem an einem Schmetterling erinnernden Dekor, ein Gesimsstück aus weißem Sandstein mit vegetabilem Schmuck sowie zuletzt ein Frag­ ment eines Säulenschaftes mit Schuppen­ muster, der vermutliche Rest einer Jupiter­ säule. Über deren Verbleib haben wir heute keine Hinweise mehr. Im Gegensatz hierzu konnten zwei weitere wichtige Funde gemacht werden, die sich heute in den städti­ schen Sammlungen von Villingen befinden. Es handelt sich einmal um eine Bronze­ münze mit dem Porträt des Kaisers Galba (68/69 n. Chr.) und zum anderen um ein römisches Ziegelfragment mit dem Stempel der 11. Claudischen Legion. Beeinflußt nicht nur allein durch diesen Ziegelfund, sondern auch durch die ex­ ponierte Topographie des Fundplatzes, ent­ stand im Vorfeld der systematischen Unter­ suchungen der Eindruck, hier die Reste einer militärisch genutzten Anlage der Römer erkennen zu können, ein Eindruck, der sich aber bei den folgenden Untersuchungen zunächst nicht bestätigen sollte. Vielmehr konzentrierten sich in der Folge die entscheidenden archäologischen Aktivi­ täten auf die systematische Freilegung des am südwestlichen Hang, nicht unweit einer Q!ielle gelegenen Bades. Dieses Gebäude, etwas mehr als200 m von dem Scheitelpunkt des Höhenrückens entfernt, lag auf einer ehemals wohl landwirtschaftlich genutzten, terrassenartigen Fläche, die sich heute nur noch bedingt infolge von Erosionen in dem inzwischen bewaldeten Gelände abzeichnet. Die erste planmäßige Grabung in diesem Areal wurde von dem Oberförster Roth aus 133

Abb. 1: Fischbach, Römischer Gutshof. Blick in das Tepidarium des Badegebäudes während der Grabungen 1897 mit dem Obe,:forster Roth. Villingen 1897 durchgeführt (Abb. 1). Dank seiner Aufzeichnungen erhalten wir heute gewisse Aufschlüsse, in welchem noch her­ vorragenden Zustand sich das Badegebäude befand. Neben den unterschiedlichsten Zie­ gelfunden, Resten von farbigen Wandver­ putz mit vegetabilem Dekor und zahlrei­ chen Kleinfunden zählt der heute in dem Fischbacher Heimatmuseum ausgestellte Weihestein für die Göttin Fortuna (DE(ae) FO/RTUN/AE L · M[a]R(ius) Vl(cto]R … ) zu den wichtigsten Objekten, die während den gesamten Grabungskampagnen gebor­ gen werden konnten (Abb. 2). Nach der Freilegung des Badegebäudes versäumte man es, entsprechende Siche­ rungsmaßnahmen zum Erhalt des Denkma­ les zu ergreifen. Statt dessen war der archäo­ logische Befund mit der Zeit durch den 134 raschen Baumbewuchs, widrigen Witte­ rungseinflüssen, aber auch in jüngster Zeit vermehrt auftretenden Raubgrabungen zunehmend dem Verfall ausgesetzt gewesen. Dagegen war das Interesse innerhalb der archäologischen Forschung für dieses Gebäude sehr groß. Spätestens ab den 70er Jahren wurde dieser Fundplatz für die Denk­ malpflege wichtig, da nun besonders auf dem Hochplateau die Fundamente der Gebäude durch das ständige tiefere Pflügen bedroht wurden. Über die verschiedenen folgenden Maßnahmen seit 1985 wurde ent­ sprechend in kleineren Abhandlungen schon in den Almanachs 87, Seite 105-108, und 89, Seite 111-116, berichtet. Gerade unter dem Aspekt des öffentlichen Interesses an dem Kulturdenkmal „Römervilla Fisch­ bach“ wurde dann im Frühjahr 1988 mit der

erneuten Freilegung des römischen Badege­ bäudes begonnen (Abb. 3). Durch seine Nähe zu dem antiken Rott­ weil steht das römische Anwesen von Fisch­ bach in einem sehr engen historischen Bezug zu der ehemaligen wichtigen Stadt. Bekannt ist, daß ca. 50 n. Chr. zur Zeit des Kaisers Claudius die römischen Truppen erneut die Donau erreicht hatten. Zahlreiche längs des Flusses angelegte Kastelle -das westlichste in Hüfingen – dienten zur Sicherung der vor­ läufigen Grenze zwischen dem römischen Reich und den nördlich lebenden germani­ schen Völkern, bevor sich die endgültige · Grenze, der sog. Limes, nach Norden ver­ schoben hatte. Im Zusammenhang mit der Eroberung Südwestdeutschlands entstanden auch Sied- Abb. 2: Umzeichen des Weihesteinsfür die Göttin Fortuna. Vorlage aus: E. Wagner, Fundstätten und Funde … !, 1908, 107 Abb. 70a. „‚ @ , ___ … Abb. 3: Fischbach, Römischer Gutshof im „Bubenholz“. Schematischer Übersichtsplan. Stand 1992. Jungen, die sich schon ab dem ausgehenden 1.Jh., aber hauptsächlich im 2.Jh. n. Ch. zu florierenden Orten entwickelten. Zu einem der wichtigsten Städte in unserer Region zählte das antike Rottweil, welches sich aus sechs, in einem geringen Zeitabstand von­ einander entstandenen Kastelle gründete. Aufgrund der sehr günstigen Lage, am Ver­ kehrsknotenpunkt zweier wichtiger Verbin­ dungsstraßen, wurde Rottweil schon bald ein wirtschaftlich aufblühender Umschlag­ platz mit einer eigenen Verwaltung. Bereits in der flavischen Zeit (70-98 n. Chr.) erhielt sie den Titel „municipium“ mit dem Namen „arae flaviae“ (die flavischen Altäre), ein Namen, der uns auf der römischen Welt-und Straßenkarte, der sog. Tabula Peutingeriana, als „aris flavis“ überliefert ist. Sowohl die Munizipalrechte -Rottweil ist bis heute der einzig bekannte Ort für die römische Pro- 135

Abb. 4: Fischbach, Römischer Gutshof Rekonstruktionsvorschlagfiir Gebäude 3 (Wirtschaftshof). .. vinz Germania superior – als auch die gün­ stige Verkehrslage bestärken nachhaltig den histori eh hohen Stellenwert des antiken Rottweil (Abb. 8). Eng mit den Geschicken der Stadt ver­ bunden war natürlich auch der römische Gutshof. Er war einer von zahlreichen ländli­ chen Anwesen, die unmittelbar zu diesem Einzugsbereich gehörten. Überwiegend han­ delte es sich um einfache Güter, weniger um aufwendige Landsitze, wie im Stil der zur jüngsten Zeit untersuchten Prachtvilla von Heitersheim im Markgräflerland. Aufgrund der heute vorliegenden archäologischen Befunde können wir für unsere Region eine große Siedlungsdichte erwarten. Eine jewei­ lige genaue Bestimmung der ver chiedenen Siedlungsformen lassen sich nur dort ent­ sprechend definieren, wo u. a. großflächige Grabungen in jüngster Vergangenheit mög­ lich waren. Besonders erleichtert wird die archäologi- 136 sehe Arbeit durch den Einsatz von Luftbil­ dern, die ohne größeren Grabungsaufwand den Fundplatz in seiner Struktur und in sei­ nen Ausmaßen erkenntlich machen. Eine genaue Klassifizierung hingegen gibt nur die Untersuchung vor Ort. Neben den Kastellen, den dorfahnlichen Siedlungsplätzen (vici) und den Straßensta­ tionen (mansiones) zählen die Gutshöfe (vil­ lae rustica) zu den wichtigsten Siedlungs­ strukturen innerhalb der römischen Provin­ zen. Hierbei handelte es sich um ländliche Betriebe, die meistens mit einer Mauer oder mit Palisaden umschlossen waren, je nach der individuellen oder lokalen Beschaffen­ heit des Geländes. Die römischen Gutshöfe in der römischen Provinz Germania superior waren vorrangig landwirtschaftliche Be­ triebe mit Ackerbau und Viehzucht. Entsprechend den allgemeinen Vorga­ ben, wie ein römischer Gutshof aufgebaut war, können wir für die Anlage in Fischbach

von ähnlichen Voraussetzungen ausgehen, soweit es aus dem bisherigen archäologi­ schen Befund ersichtlich ist. Zum Grundty­ pus einer „villa rustica“ zählt das Hauptge­ bäude, das Herrenhaus [4], das meist einem Standardgrundriß folgt. Der häufigste Bau­ typ besteht aus einem rechteckigen Kernbau, in dem die Wohn- und Schlaftrakte indivi­ duell angeordnet sind. Neben solchen gibt es auch aufwendigere Varianten, wie das Schema einer Portikusvilla mit Eckrisaliten. Ihre Hauptcharakterista sind mehr oder weniger vorspringende, turmartige Eckbau­ ten, die durch eine Säulenhalle, dem Porti­ kus, miteinander verbunden sind und somit die repräsentative Schauseite der Villa nach­ drücklich betonen. Aufgrund der bisher vor­ liegenden Befunde, resultierend aus einigen Sondagen, möchte man das angesprochene Schema für das Fischbacher Herrenhaus vor­ erst übernehmen (Abb. 3). Weiterhin zählen zu den römischen Landgütern Stallungen, Scheunen und Wagenremisen, die zumeist direkt an die Hofmauer anliegen bzw. angebaut sind. Eher freistehend waren die Wohntrakte oder Unterkünfte für das Gesinde. Ihre Grund­ risse folgen nicht unbedingt einem einheitli­ chen Standard, sondern sie richten sich nach den jeweiligen Anforderungen, die sie zu erfüllen haben. In unserem Fall stellt sich eine sicherlich von anderen römischen Guts­ höfen abweichende Konstellation dar. Eine zu erwartende Ummauerung für die Hofanlage ist nicht nachweisbar, wobei durch die besondere topographische Gege­ benheit eine Einzäunung nicht unbedingt zwingend vorauszusetzen ist. Schätzungs­ weise dürfte die Gesamtausdehnung des Anwesens mit dem Herrenhaus ca. 4 ha betragen haben. Bemerkenswert ist aber die Tatsache, daß uns trotz des sicherlich bescheidenen archäologischen Befundes eine interessante Situation erhalten ist, in der scheinbar die Gebäude [1] bis [3] (Abb. 3) eine symmetrische Einheit bilden, die sicher­ lich in ihrer endgültigen Gesamtheit einen repräsentativen Eindruck hinterlassen haben wird. Vermittelt wird dies ausschließlich bei der Betrachtung der Grundrisse aus der jün­ geren Bauperiode. Davon ausgehend meh­ rere Bauphasen für die einzelnen Gebäude bestimmen zu können, müssen wir letztlich festhalten, daß die älteren Bauten in ihrem Aussehen nicht identisch waren, wie es durch den jüngeren Grundriß den Anschein hat. Somit relativiert sich die symmetrische Komposition. Denn der sog. Endzustand entspringt nicht einer einheitlichen bauli­ chen Konzeption, sondern sie ergab sich durch die verschiedenen Bauperioden zu dem jetzt vorliegenden Aussehen. In Anbe­ tracht dessen, daß jedem Gebäude eine bestimmte Funktion zugeteilt worden ist, unterscheiden sie sich vor allem im Aufge­ henden. Bei den Grabungen von 1985 konnten drei Gebäude in unterschiedlichem Erhal­ tungszustand teilweise freigelegt werden. Bei dem westlichen Gebäude [3] können wir auf­ grund seiner baulichen Struktur, der Anrei­ hung einzelner, wohl nicht mehr detailliert bestimmbarer Funktionsräume an der Ost­ und Südseite von einem Wirtschaftshof sprechen. Die Räume öffnen sich zu einem Innenhof, der im Norden und im Westen durch eine Hofmauer eingefaßt war, denen pfostengestützte Pultdächer an der Innen­ seite angesetzt waren (Abb. 4). Für das mittlere und größte Gebäude [2] innerhalb der Dreierkonstellation stellt sich der archäologische Erhaltungszustand zwar günstiger dar, wobei die funktionellen Berei­ che ebenso wage zu bestimmen sind. Dieser zunächst als Hauptgebäude angesprochene Trakt weist drei unterschiedliche Bauphasen auf. Um einen älteren Kernbau folgen in zwei weiteren Perioden An- bzw. Zubauten. Hinsichtlich seiner ursprünglichen Nutzung fehlen die Anhaltspunkte. Es überwiegen aber solche Ergebnisse, aus denen klar wird, daß es sich hierbei nicht um die eigentliche Landvilla handeln kann. Allein schon durch die Tatsache, daß der Fundplatz seit langem landwirtschaftlich genutzt wird, spricht für eine geringe Steinschuttlage. Wollte man 137

Abb. 5: Fischbach, Römischer Gutshof. Rekonstruktionsvorschlagfür Gebäude 2 (tt. a. Gesindehaus ?). einen Steinbau rekonstruieren, setzte dies natürlich eine größere Versturzlage voraus, die bei der Größe des Gebäudes eine land­ wirtschaftliche Nutzung jenes Areals zumin­ dest erschwert hätte, auch dann, wenn das Steinmaterial teilweise für Bauten in näch­ ster Umgebung Wiederverwendung gefun­ den hätte. Dann darf auch nicht unerwähnt bleiben, daß für Villen dieser Art die typi­ sche Bodenheizung vollkommen fehlte. Der exponierte Platz des Gebäudes auf dem Scheitel der Anhöhe des Gewanns „Buben­ holz“ spricht gegen eine geschützte Wohn­ lage, die jeder römischen Landvilla in der Regel eigen war. Die weniger sorgfältigen baulichen Ausführungen der Erweiterungen verstärken zu dem eine gewisse Skepsis, ge­ genüber der Vermutung, hier einen „reprä­ sentativen Wohnbau“ annehmen zu kön­ nen. Bei Betrachtung des Geländes mag möglicherweise die Theorie vertreten wer­ den, hier als ältesten Bau einen militärischen Posten anzunehmen, der spätestens mit der Konsolidierung der nördlichen Grenzen seine Aufgabe verloren hatte. Die schon vor­ handene Bausubstanz wurde somit für das Gebäude (2] weiter genutzt (Abb. 5). Am schlechtesten hat sich das östliche Gebäude (1] erhalten. Die jüngsten Untersu­ chungen ergaben nur wenige Aufschlüsse, aus denen eine gesicherte Rekonstruktion abzuleiten wäre. Das wenige, welches sich erhalten hat, läßt vermuten, in diesem Bau­ trakt eine Scheune, einen Getreidespeicher 138 zu sehen, der im westlichen Teil eine pfo­ stengestützte Überdachung vorgelagert war. Auch hier begrenzte eine Mauer den offe­ nen, schmalen Innenhof analog zu dem westlichen Wirtschaftsgebäude (Abb. 6). Zusammenfassend können wir anhand der vorgeschlagenen Rekonstruktion fest­ stellen, daß uns trotz eines spärlichen archäologischen Befundes eine interessante Konzeption erhalten ist, in der scheinbar drei Gebäude eine symmetrische Einheit bil­ den, die beurteilt nach ihren Grundrissen einen repräsentativen Eindruck hinterlassen. Dieses Bild wird dann etwas reduziert, lassen wir die Rekonstruktionsvorschläge gelten (Abb. 4-6). So wird jedes einzelne Gebäude aufgrund seiner Funktion ein anderes Ausse­ hen erhalten. Der symmetrische Charakter geht dabei aber weitgehend verloren. Faßt man das gewonnene Fundmaterial aus den verschiedenen Grabungskampagnen seit 1897 zusammen, so ist bei aller Unter­ schiedlichkeit das qualitativen Fundspek­ trums festzustellen, daß nicht nur die Anlage in mehreren Perioden zu dem jetzt vorlie­ genden Bild zusammengewachsen ist, son­ dern daß spätestens zum beginnenden 2.Jh. n. Chr. der römische Gutshof entstan­ den sein wird. Sicherlich in kurzen zeitlichen Abständen werden die fünf bis heute bekannten Gebäudeeinheiten entstanden sein. Im Laufe jenes Jahrhunderts werden auch die baulichen Veränderungen erfolgt sein. Verglichen mit den Fundplätzen von

Rottweil haben sich für den Fischbacher Gutshof nur ein bescheidene Anzahl an Kleinfunden erhalten, die in ihrer Bestim­ mung weitgehend mit der aus Rottweil ver­ gleichbar ist. Sie vermittelt zudem in ihrer Gesamtheit ein zeitliches Spektrum, aus dem sich die Nutzungsdauer unseres Guts­ hofes ablesen läßt. Das Fundmaterial reicht vom letzten Viertel des 1. bis zum ersten Viertel des 3.Jahrhunderts. Diese vor allem der Terra sigillata-Ware zu verdankenden Datierung darf aber nicht darüber hinweg­ täuschen, daß die ältesten dort gefundenen Fragmente nicht identisch mit der Entste­ hung der Anlage sein müssen. Vielmehr gelangen diese Kleinfunde, welche vor­ nehmlich in Südgallien hergestellt worden sind, auch zu einem späteren Zeitpunkt erst auf den Fischbacher Gutshof. Das bedeutet, daß das Datum der ältesten Terra sigillata nicht mit der Entstehung der Anlage über­ einstimmen muß. Aufgrund solcher Über- legungen empfiehlt es sich für unsere Anlage eine Entstehung in das beginnende 2.Jahr­ hundert vorzuschlagen. Ganz anders hingegen verhält es sich mit der Datierung der jüngeren Keramik in Ver­ bindung mit unserem Baubefund. Auffal­ lend ist hierbei der Umstand, daß der für das frühe 3.Jahrhundert zu datierende Keramik­ bestand in seiner Q!iantität vergleichsweise rapide abnimmt. Dies belegt aber, daß späte­ stens um die Mitte des 3.Jahrhunderts die Gutshofanlage verlassen war. Sicherlich stand dies im engen Zusammenhang mit den um 233 einsetzenden Alamanneneinfällen in Bereich des antiken Rottweil. Eine durch Brand verursachte Zerstörung war nicht fest­ zustellen. Vielmehr spricht der archäologi­ sche Befund von einer allmählichen Auf­ gabe des ländlichen Anwesens. Wahrschein­ lich werden die Bewohner sich auf das geschützte linksrheinische Gebiet zurückge­ zogen haben. Abb. 6: Fischbach, Römischer Gutshof Rekonstruktionsvorschlag.fti.r Gebäude 1 (Getreidespeicher). 139

XI -C -P-F (Legio XI Claudia Pia Fidelis) (Abb. 7 a). Diese Legion war in den Jahren zwischen 70 und 101 n. Chr. in Vindonissa, dem heutigen Windisch (CH), stationiert gewesen. Eine Abordnung davon lag viel­ leicht in Rottweil, zumindest zählte dieser Standort zu deren Kommandobereich. Der zweite Stempel benennt die 1. Biturigerko­ horte: COH – I – BITUR (Cohors I Bitur­ gium), die vor 122 n. Chr. ebenfalls ihren Standort in Rottweil hatte (Abb. 7 c). Mit dem dritten Ziegelstempel wird für Fischbach die 1. Flavische Kohorte Domiti­ ana: COH- I-F-P-F-D (Cohors IFlavia Pia Fidelis Domitianae) genannt, die in die­ ser Leseart nach den bisher vorliegenden Kenntnissen eine für Rottweil nicht erwähn­ te Truppeneinheit vorstellt. T rillt die Bestim­ mung zu, dann haben wir eine weitere militä­ rische Einheit, die voraussichtlich zur Regie­ rungszeit des Kaisers Domitian (81-96 n. Chr.) in der Umgebung von Rottweil oder sogar in Rottweil selbst ihr Quartier hatte (Abb. 7 b). In Erinnerung zu dem Interpretationsvor­ schlag bei den ersten Entdeckungen unserer Anlage auf dem „Bubenholz“ vor mehr als hundert Jahren, wirft dieser besondere Zie­ gelfund erneut Fragen auf Waren vor dem Bestehen des römischen Gutshofes von Fischbach schon Bauten vorhanden gewe­ sen, die mit den zuletzt genannten Ziegel­ stempel in Verbindungen gebracht werden können? Auch wenn die Leistenziegel mit jenem Stempel im Caldarium des Villenba­ des in situ gefunden wurden, so incl sie doch erst in Zweitverwendung an diesen Fundort gelangt. Zwangsläufig stellt sich dann die Frage, ob die Ziegel ehemals zu einem Bau in direkter Umgebung von Rottweil gehörten, bevor sie dann als wertvolles Baumaterial in Zweitverwendung für das Fischbacher Vil­ lenbad benutzt wurden .. Alternativ hierzu besteht aber auch die Möglichkeit, daß die Ziegel direkt in Fischbach für einen heute nicht mehr bekannten Bau hergestellt wor­ den sind, und zwar durch die 1. Flavische Kohorte, die zum ausgehenden 1.Jahrhun- b Abb. 7: Fischbach, Römischer Gutshof Umzeich­ mmgen der in Fischbach gefundenen Ziegel­ stempel. Aus der Vielzahl der gestempelten Lei­ stenziegeln, von denen der größte Teil wäh­ rend der Grabung in der römischen Badean­ lage gefunden worden sind, ließ sich die Frage ableiten, gab es vor der Ent tehung des Gutshofes schon einige Bauten, die mit die­ sen Ziegelstempel in Zusammenhang gebracht werden können. Für Fischbach ken­ nen wir Ziegelstempel von drei verschiede­ nen Truppeneinheiten. Wir müssen vorerst davon ausgehen, daß alle Ziegel in Rottweil oder in näch ter Umgebung gestempelt wor­ den sind (Abb. 7). Tatsächlich nennen zwei der Fischbacher Stempel in ihrer eigenen gekürzten Form Truppenkontingente, die aus dem antiken Rottweil bekannt sind. Bei der ersten handelt es sich um die 11. Claudi­ scbe Legion, die treue und ergebene: LEG – 140

. •• • • •’Miltenberg ., •woUdUrn • . LOPOOUNUM •‘ Lodenburg 1 He, ……. , ….. � �) _l 1 Neckorburken� 1 1 1 •Psterburken . � Legionsloger • Auxiliorloger • Siedlung (CIVITATES-VICI) Römische Strossen Provinz Grenzen LIMES Obergermanischer� Roetischer LIMES _,/‘ .. . -­ ,….—–­ …….. /9 RAETIA „·“ 1 j / / / Basel Abb. 8: Römische Kastelle und Siedlungen in Südwestdeutschland im 1. und 2.Jahrhundert n. Chr. mit den wichtigsten Straßenverbindungen. 141

dert möglicherweise einen von vielen militä­ rischen Vorposten besetzten. Eventuell war der auffällige Mittelteil unseres Gebäudes [2] auf der Anhöhe des „Bubenholz“ in seinem Ursprung Teil einer militärischen Kleinan­ lage. Damit würde dann die schon zum Ende des letzten Jahrhunderts aufkommende Theorie, hier von einer militärischen Anlage zu sprechen, erneut eine Diskussion über den Stellenwert des Fundplatzes Fischbach entfachen. Abgesehen von der sehr hypothetischen Konstellation können wir für diesen strate­ gisch günstig gelegenen Komplex, über des­ sen Ausdehnung jegliche Hinweise fehlen, festhalten, daß spätestens zur Wende vom 1. zum 2.Jahrhundert, vor allem dann bei der nördlichsten Grenzsicherung durch den sog. obergermanischen raetischen Limes (Abb. 8), in dem gesicherten Hinterland, dem Dekumatland, militärische Anlage, der Art, wie wir sie dann für Fischbach vermuten, ohne sinnvolle Bedeutung gewesen wären. Und was läge dann nicht näher, als die schon vorhandene Bausubstanz in die zum begin­ nenden 2.Jahrhundert entstehende Guts­ hofanlage zu integrieren. Anhand der nun in Kürze vorgestellten Ergebnisse können wir für Fischbach einen größeren Gutshof erwarten, der letztendlich in seinen Dimensionen weit über das hinaus­ geht, was bis heute archäologisch bekannt ist. Mit Sicherheit handelt es sich um eine landwirtschaftliche Domäne, die, wie viele ihrer Art, nur im direkten Einzugsbereich des antiken Rottweil gesehen werden kann. Doch in einem Punkte scheint sich unsere Anlage von den übrigen bekannten Gutshö­ fen durch seine symmetrisch zueinander angeordneten Gebäudegruppe [1] bis [3] vordergründig zu unterscheiden, die in so einer Zusammensetzung vorerst als Unikat innerhalb unserer Region betrachtet werden muß. Zu bedenken ist wohl, daß bei dem Bad und den Gebäuden [l] bis [3] mehrere Perioden festgestellt worden sind. So kön­ nen wir eigentlich ausschließen, daß die Gebäude des römischen Gutshofes primär 142 nicht das Aussehen hatten, wie sich heute durch die Grundrisse der Eindruck vorder­ gründig darstellt (Abb. 3). Sicherlich haben wir mit dem römischen Gutshof von Fischbach ein nicht zu unter­ schätzendes Kulturdenkmal zwischen Vil­ lingen und Rottweil, das einem interessier­ ten Publikum wohl nicht vorenthalten wer­ den sollte. Um so vordringlicher wurde es, eine Konzeption zu entwerfen, wie man am besten den Besucher gezielt an das Objekt heranführen kann. Nachdem nun die Bade­ anlage durch Mithilfe des Staatlichen Hoch­ bauamtes, Rottweil, restauriert und mit einem Schutzdach versehen heute dem Publjkum zugänglich gemacht worden ist, lag es sowohl im Interesse der Gemeinde Niedereschach als auch der Archäologischen Denkmalpflege des Landes Baden-Württem­ berg, eine langfristige Präsentation des archäologischen Kulturdenkmales zu för­ dern, in welches dann auch das noch auszu­ grabende Herrenhaus mit den anderen römi­ schen Gebäuden auf dem „Bubenholz“ inte­ griert werden kann. Bisher besteht aus denk­ malpflegerischer Sicht keine unbedingte Notwendigkeit das vermeintliche Herren­ haus [4] freizulegen. Denn bis jetzt befindet sich der Fundplatz in einem von äußeren Störungen geschütztem Areal. Des weiteren muß aber auch berücksichtigt werden, daß der römische Gutshof von Fischbach einer von vielen Anlagen dieser Art in unserem Bereich ist, so daß auch aus wissenschafi:li­ chen Aspekten eine voreilig durchgeführte Grabung in nächster Zeit nicht zwingend ist. langfristig hingegen erhalten wir durch wei­ tere archäologische Untersuchungen wich­ tige aufschlußreiche Ergebrusse über die ländliche Siedlungsstruktur in römischer Zeit für den näheren Umkreis von Rottweil. Hierfür wird ein solch wertvolles archäologi­ sches Reservat, wie der Gutshof von Fisch­ bach, sicherlich einiges in der Zukunft bei­ tragen können. Dr. Peter Jakobs

Historischer Bergbau auf Gemarkung Niedereschach … . . . aus der Sicht des Geologen Durch die seit Anfang 1989 statifindenden Aktivitäten der Forschungs- und Arbeitsgemeinschaft für historischen Bergbau e. V. Niedereschach (kurz: FAG Bergbau) wurde das Interesse der Öffentlichkeit auf ein Stück Schwarzwälder Bergbaugeschichte gelenkt, das fast völlig in Vergessenheit geraten war. Der FA G Bergbau ist es gelungen, die Lage zweier alter Bergwerksstollen im Gelände genau zu lokalisie­ ren und deren Zugänge – bergmännisch Stollenmundlöcher genannt – mit Hi!fe eines Baggers freizule­ gen. Über die seitdem durchgeführten Untersuchungsarbeiten soll hier berichtet werden. Niedereschach mit den Ortsteilen Fisch­ bach, Kappel und Schabenhausen liegt am Ostrand des Mittleren Schwarzwalds und am Nordrand der Baar. Aus dieser Lage resul­ tiert, daß der Untergrund des gesamten Gemarkungsgebietes nahezu ausschließlich aus zwei verschiedenen Gesteinsarten aufge­ baut ist: 1. aus dem überwiegend rötlich-vio­ lett gefärbten Buntsandstein und 2. aus dem darüber lagernden gelblichen Muschelkalk. Die beiden, bereits geöffneten Stollen sind in verschiedenen Gesteinsarten ange- legt, oder wie der Bergmann sagt, aufgefah­ ren worden. Hierdurch lassen sich die Unter­ schiede der in den Stollen angetroffenen Mineralisationen erklären. Der Stollen am Kohlerberg am nordöstlichen Ortsrand von Schabenhausen ist unmittelbar an der Grenze zwischen Buntsandstein und Muschelkalk angelegt, in Gesteinen, deren Bildung in die Zeit vor 215 Millionen Jahren fällt. Das Interesse der früheren Bergleute war auf die hier auftretenden Kupfermine­ rale gerichtet. Primäre Erze sind vor allem Malachitkugeln (6Qfach vergrößert) 143

MalachiL auf AzuriL (JOQfach vergrößert) Fahlerz und Kupferglanz, die in Form fein­ ster Einsprenglinge in grünlichem, dolomiti­ schem Gestein auftreten. Durch Verwitte­ rungsprozesse haben sich hieraus in der Folge grüner Malachit und blauer Azurit gebildet, deren leuchtende Farben vermut­ lich die nach Bodenschätzen Ausschau hal­ tenden ehemaligen Bergleute anlockten. Daß der Abbau wohl kaum jemals gelohnt haben dürfte, ergibt sich allein daraus, daß die am stärksten vererzte Schicht nur knapp 40 cm dick ist und dort einen Kupfergehalt von ungefähr 0,2 0/o aufweist; das bedeutet, daß aus einer Tonne Gestein maximal 2 Kilo Kupfer hätten gewonnen werden können. Ganz andere Verhältnisse wurden in dem zweiten Stollen angetroffen, der im Gewann Mailänder zwischen Schabenhausen und Kappel geöffnet wurde. Hier ist der Stollen in der sogenannten Bleiglanzbank aufgefah­ ren. Bei der Bleiglanzbank handelt es sich um eine meist 20-30 cm dicke, dolomitische Schicht, in der Bleiglanz (PbS) in deutlicher Menge als kleine Körnchen auftritt. Die Blei­ glanzbank liegt geologisch-stratigraphisch 144 gesehen etwa 15 m höher als die am Kohler­ berg angetroffene Kupferschicht. Der mit bloßem Auge an den silbrig glänzenden Spaltflächen deutlich erkennbare Bleiglanz aus der Bleiglanzbank und der noch etwas höher gelegenen Spiriferinabank hat ver­ mutlich dem Gewann Silberhalde nördlich von Kappel seinen Namen gegeben. Gegen­ stand des früheren Bergbauinteresses war neben dem Blei der natürliche Silbergehalt des Bleiglanzes. Dieser war jedoch so gering, daß aus einer Tonne reinen Bleiglanzes, die man aus einer sehr großen Menge Gestein erst anreichern mußte, noch nicht einmal ein halbes Kilogramm Silber gewonnen wer­ den konnte. Wann im Schabenhauser Revier zum ersten Mal nach Erz geschürft wurde, wissen wir heute nicht genau. Denkbar ist, daß bereits die Römer während ihrer Anwe­ senheit in dieser Gegend solche ersten Berg­ bauversuche unternommen haben. Die in den Stollen sichtbaren Arbeitsspuren, die von der Arbeit mit Schlägel und Eisen her­ rühren, könnten auch aus römerzeitlichem Bergbau stammen.

Die ersten schriftlichen Hinweise auf den Bergbau bei Schabenhausen reichen bis zum 2. Oktober 1511 zurück, als Kaiser Maximi­ lian einer nach Osttirol gereisten Abord­ nung Rottweiler Bürger die Hälfte der Steuer aus dem Bergwerk, die dem Kaiser zustand, erließ. Aus dieser Urkunde geht auch hervor, daß die Rottweiler schon, wie es dort heißt ,,eine Zeit lang mit ihren merklichen Kosten“ abgebaut hatten. Weitere Nachrichten über den Bergbau im Raum Niedereschach-Scha­ benhausen-Kappel stammen aus dem Jahr 1520. Etwas reger scheint der Betrieb von 1602 bis 1608 gewesen zu sein, wie aus den Unterlagen des Hauptstaatsarchives Stutt­ gart hervorgeht. Es läßt sich jedoch nicht immer mit Sicherheit entscheiden, auf wel­ chen Gemeindeteil von Niedereschach sich die Berichte im einzelnen beziehen. Sehr wahrscheinlich auf die Abbaue zwischen Kappel und Schabenhausen bezieht sich der Bericht des Rottweiler Stadtarchivars Wil­ fried Hecht (vgl. Almanach 83, Seite 115-120), daß 1652 ein gewisser Michael Pal­ landt und zwei Helfer nach Verhandlungen, während denen immerhin 11 Maß Wein getrunken worden waren, von der Stadt Rott- weil als Experten für die Gruben verpflichtet wurden. Dort heißt es auch weiter, daß wie­ derholt Bier nach Niedereschach geschickt wurde, um die Bergbauspezialisten bei guter Stimmung zu erhalten. Trotz dieser intensiven Bemühungen hat man in den Gruben keine nennenswerten Erfolge erzielen können. In einem damali­ gen Gutachten heißt es, daß „der Unkosten höher als der ertragende Nutzen kommen möchte“. Die letzten Nachrichten aus dem Revier, die gegenwärtig bekannt sind, bezie­ hen sich auf die Verhältnisse bei Schaben­ hausen. Dort heißt es, daß 1780 und 1781 noch einmal einige Arbeiten unternommen wurden, die jedoch leider nur die zu Anfang dieses Artikels erwähnte und geologisch bedingte Unbauwürdigkeit der Gruben bestätigten. Dr. Manfred Martin Li t e r a t u r: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bü.-A58aB- 142 Hecht, W. (1974): Ein Rottweiler Sil­ berbergbauversuch am Nordrand der Baar. – Sehr. Ver. Gesch. u. Naturgesch. Baar, 30, S. 154-163; Donaueschingen. … aus der Sicht des Projektleiters Intensive Forschungen ergaben, daß zwi­ schen Kappel und Schabenhausen ein relativ großes Bergbaurevier bestand. Namen wie die Silberhalde in Kappel oder das Knappen­ loch mit seinem Haldenweg in Schabenhau­ sen lassen die Grenzen des Reviers erkennen. Einige Hinweise von älteren Mitbürgern, hauptsächlich aus Schabenhausen, führten in relativ kurzer Zeit zu dem Versuch, einen alten Stollen aufzuwältigen. Der Leiter des Staatlichen Forstamtes in Villingen-Schwen­ ningen, Herr Oberforstrat Hockenjos, gab seine Zustimmung, mit den Arbeiten im Knappenloch, Gewann Mailänder in Scha­ benhausen, am 3. 2. 1989 zu beginnen. Inner­ halb von nur knapp 4 Stunden war der Stol- len offen. Die Baggerarbeiten wurden kostenlos von der Firma Arnold Müller, Fischbach, durchgeführt. Die ersten Befahrungen ergaben erstaun­ liche Tatsachen. In dem Stollen befindet sich eine Brunnenstube, die äußerst sorgfältig mit Buntsandsteinen kanalartig eingebaut wurde und das auf die gesamte befahrbare Stollen­ länge von 112 m. Eine weitere Besonderheit bot die Abdek­ kung der Brunnenstube mit Buntsandstein­ platten. Sehr schnell stellte sich heraus, daß es sich um die erste befahrbare (begehbare) Brunnenstube handelte, die im süddeut­ schen Raum gefunden wurde. Die Sensation war perfekt. Weitere Nachforschungen erga- 145

Bergbaupinge vor der Aufwältigung des Stollens „Karl im Mailänder“ ben, daß mit dieser Brunnenstube schon vor der Jahrhundertwende die ersten Häuser ,,Auf den Höfen“ in Schabenhausen mit flie­ ßend Wasser versorgt wurden. Auch sonst hatte der Stollen einiges zu bieten. Sehr deutlich waren die Spuren zu erkennen, die durch den Vortrieb mit Schlä­ gel und Eisen entstanden sind. Damit ergab sich der Beweis, daß die früheren Knappen weder mit Schießpulver noch mit Hilfe des Feuersetzens gearbeitet haben. Holzschie­ nen oder Reste davon wurden nicht gefun­ den. Das bedeutet, daß der Transport des abgebauten Materials vermutlich nicht mit sogenannten Hunten (Grubenloren) von­ statten ging, sondern -wie im Mittelalter oft­ mals üblich -mit Ledersäcken, geflochtenen Körben und Holzeimern. Für das Geleucht haben die Knappen in die linke Stollenwand Nischen im Abstand von jeweils ca. 30 m geschlagen. Das Geleucht bestand auf jeden Fall aus Kienspä- 146 nen und evtl. aus dem sogenannten Gruben­ frosch, einer Öllampe, die früher mit Rüböl betrieben wurde. Die Gesamtlänge des Stollens konnte bis­ her noch nicht festgestellt werden, da sich nach ca. 110 m ein Versturz befindet. Nach heutigen Erkenntnissen handelt es sich dabei um einen eingestürzten Wetter­ schacht. Das Wetter in 80 -90 m Stollentiefe ist nicht besonders gut, d. h. bei einer Arbeitsschicht von ca. 8 Stunden reichte der Sauerstoff für die Knappen nicht aus, wes­ halb solche Wetterschächte schon in den ältesten Bergbauanlagen üblich waren. Um ein unbefugtes Eindringen in den Stollen zu verhindern, wurde eine ver­ schließbare Tür im Mundlochbereich einge­ baut, um Unfälle, in erster Linie von Kin­ dern, zu vermeiden. Der Projektleiter dieser bisherigen Aktivi­ täten war mit diesem ersten Erfolg allerdings noch nicht zufrieden. Hatte er doch, nach

einem Hinweis von dem inzwischen verstor­ benen Andreas Haller aus Schabenhausen, bereits in den siebziger Jahren durch Gra­ bungen im alten Hafuer’schen Steinbruch am Kohlerberg in Schabenhausen nach dem berüchtigten Stollen gesucht, der angeblich bis zum Klosterhof zwischen Schabenhau­ sen und Fischbach verlaufen sollte. Durch Wintereinbruch und anschließender schwe­ rer Erkrankung mußte er seinerzeit die Gra­ bungen wieder einstellen. Die neue Chance vor Augen, wurde in Absprache mit Herrn Bürgermeister Sieber bereits am 18. 2. 1989 der Versuch gestartet, diesen Stollen ebenfalls aufzuwältigen. Die größte Schwierigkeit bestand nun darin, den Punkt zu finden, wo der Bagger­ löffel angesetzt werden sollte; schließlich hatte sich die Umgebung in den Jahren nach Profil mit eingearbeiteter Brunnenstube in der Sohle des Stollens »Karl im Mailänder“ dem ersten Versuch ziemlich verändert. Mit etwas Skepsis und doch auch mit Hoffnung wurde die Stelle festgelegt, wo der Baggerfah­ rer anzusetzen hatte. Bagger samt Fahrer wurden diesmal von der Firma Götz & Meyer, Villingen-Schwenningen, kostenlos zur Verfügung gestellt. Nach 2 Stunden hatte sich der Bagger tief ins Erdreich gearbeitet und der Baggerfahrer wollte aufgeben. Eine kurze Untersuchung ergab, daß immer noch kein anstehendes Gestein vorhanden war, sondern es sich immer noch um Erdaushub von der Hanganböschung handelte. Ein ske­ lettierter Tierschädel, der unmöglich von alleine in diesen tiefen Grabungsbereich gekommen sein konnte, gab schließlich den Ausschlag, die Arbeit fortzusetzen. Bereits wenige Minuten später war der Stollenfirst freigelegt. Innerhalb einer weiteren Stunde war das gesamte Stollenmundloch so weit aufgewältigt, um die ersten Befahrungen durchführen zu können, wobei sofort festge­ stellt wurde, daß auch dieser Stollen mit Schlägel und Eisen, also in reiner Handar­ beit, vorgetrieben wurde. Diese ersten Befahrungen waren jedoch nicht ganz einfach. Fast der gesamte Stollen war mit Geröll, Schlamm und Wasser ange­ füllt, im Bereich der Ortsbrust (Stollenende mit anstehendem Gestein) ca. 1 m hoch. Auch der Querschlag, angelegt im Halbkreis zum Hauptstollen, war einschließlich Senk­ schacht bis zu einem halben Meter hoch mit Schlamm und Geröll verfüllt. Daß der Stol­ len nicht bis zum Klosterhof verläuft, konnte bereits bei djesen ersten Befahrungen festgestellt werden. Nur durch den Senk­ schacht mit einem zweiten tieferliegenden Stollen wäre dies noch möglich gewesen. Eine genaue Prüfung war zu diesem Zeit­ punkt natürlich noch nicht möglich, da die Teufe des Schachtes nicht bekannt war. Diese Teufe hätte für einen 2. Stollen minde­ stens im 20-m-Bereich liegen müssen. Solche langwierigen Untersuchungen konnten vorerst nicht durchgeführt werden. Vorrangig war zuerst die Hangabsicherung unterhalb der Straße im Mundlochbereich. 147

Während der Aufwältigu.ng des Kohlerbergstollens Blick in die Stoffenfirste Bereits nach wenigen Wochen war das Ban­ kett der Straße in die Tiefe gestürzt. Mittels Plastikfolien konnte ein weiteres Abbrechen der Straße durch Witterungseinflüsse ver­ hindert werden. Um die bevorstehenden Arbeiten bewälti­ gen zu können, bildete sich eine Förder­ gruppe „Historische Bergwerke Schaben­ hausen-Kappel“. Mitte April 1989 war die Planung und die Materialbeschaffung so weit abgeschlossen, daß mit den Arbeiten begonnen werden konnte. Für diese Absi­ cherungsmaßnahmen wurden 18 Eisen­ bahnschienen a 3 m, 12 Doppel-T-Träger NP 140 a 1,50 m und 40 Straßenleitplanken a 4,30 m verarbeitet. Es handelte sich hierbei um gebrauchtes Material. Hinzu kamen 4 m3 Stahlbeton, Baustahlmatten, 2 t Beton für Sockelfundamente und 50 t Bruchsteine (für eine Trockenmauer vor dem Türstock). Des weiteren wurden für die Abdeckung 15 t Mineralbeton und für den Weg zum Stollen 15 t Schotter verarbeitet. Die Erdbewegun­ gen lagen bei ca. 200 m3. Zur Rekultivierung des Hanges wurden zum Abschluß 30 Lkw­ Ladungen mit 450 t Erdaushub benötigt. Der gesamte Materialbedarf lag bei 535 t. Die 18 ehrenamtlichen Helfer der Förder­ gruppe haben in 42 Arbeitseinsätzen über 700 Stunden gearbeitet. Davon entfielen auf die der Freiwilligen Feuerwehr Schabenhau­ sen angehörenden Helfer 285 Stunden, auf die übrigen freiwilligen Helfer 439 Stunden. Nur 80 Arbeitsstunden wurden von einer Firma in Rechnung gestellt. Verschiedene Firmen waren mit knapp 70 kostenlosen Arbeitsstunden beteiligt. Die gesamte Arbeitszeit lag bei über 800 Stunden. Der Abschluß des ersten Bauabschnittes wurde am 7. Oktober 1989 in einem Festakt Links: Blick von oben in die geöffeete Brunnenstube des Stollens „Karl im Mailänder“ 149

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gewürdigt. Sämtliche Helfer erhielten zum Dank von Bürgermeister Otto Sieber ein Prä­ sent in Form von Schlägel und Eisen, dem Emblem der Bergleute, bzw. einer Bergbau­ Medaille, die extra für diesen Anlaß geprägt wurde. Die Widmung der beiden Stollen erfolgte ebenfalls am 7. Oktober 1989 und zwar: „Karl im Mailänder“ nach Karl Schneider aus Schabenhausen für seine wertvollen Hinweise, und ,,Otto am Kohlerberg“ nach Bürgermei­ ster Otto Sieber aus Niedereschach für sei­ nen unbürokratischen Einsatz. In den Jahren 1990 und 1991 wurden beide Stollen von ca. 30 Wissenschaftlern zum Teil mehrmals befahren und untersucht und am 17. 12. 1990 gern. § 2 Denkmalschutzgesetz als Kulturdenkmal ausgewiesen. Beide Stol­ len wurden durch Fachleute kostenlos ver­ messen. Allein im „Karl im Mailänder“ wur­ den 8 verschiedene Stollenprofile festge­ stellt. Der Kohlerbergstollen ergab eine Gesamtlänge von 42 m und 3 verschiedene Stollenprofile. Die Sümpfung des Stollens „Otto am Kohlerberg“ konnte in diesem Zeitraum ebenfalls abgeschlossen werden; die Sümpfung des Schachtes ergab eine Teufe von 2 m. Ein tiefer liegender zweiter Stollen wurde nicht gefunden. Damit stand endgültig fest, daß dieser Stollen nicht bis zum Klosterhof verläuft. Durch mehrfache Versuche konnte der Nachweis erbracht werden, daß der Senk­ schacht zur Wasserentsorgung innerhalb des Stollens diente. Die Sümpfung des Stollens „Otto am Kohlerberg“ mit Querschlag und Senk­ schacht war mit großen Schwierigkeiten ver­ bunden wegen der Enge und der geringen Höhe. Kleinste Werkzeuge, wie Maurerkel­ len, Geo-Hamrner, Pickel und Schaufel mit abgesägten Stielen und Eimer waren vonnö- Blick in den Stollen „Otto am Kohlerberg“ ten. Das größte Hilfsmittel bestand in einem extra umgebauten 3-rädrigen Schubkarren. Gearbeitet wurde oft in gebückter Haltung, vor allem in dem nur 90 cm hohen Quer­ schlag. Mittels Eimer und Kette wurde der Schlamm aus dem Schacht gefördert. Man konnte deshalb auch nachempfinden, unter welchen widrigen Umständen unsere Vor­ fahren arbeiten mußten. Bereits während der Sümpfung konnte man einwandfrei feststel­ len, daß dieser Stollen im Raubbau betrieben wurde, da das Gefälle der Sohle sich in Rich­ tung Ortsbrust erstreckt und nicht wie gewöhnlich umgekehrt. Auch die Kupfer­ vererzung liegt im untersten Sohlenbereich mit Gefälle ins Innere. Links: Blick auf den halbgeöjfneten Stollen“ Otto am Kohlerberg“ im Buntsandstein und den aufgela­ gerten Muschelkalk 151

Querschlag mit Werk­ zeugen zum Sümpfen im Stollen „Otto am Kohlerberg“ Bergbau Niedereschach, kurz FAG Bergbau ge­ nannt, gegründet und bereits am 21. 3.1991 ins Vereinsregister eingetra­ gen. Die freiwilligen Hel­ fer der Fördergruppe bzw. der heutigen FAG Bergbau Niederesch­ ach e.V. haben bis zum 31. Dezember 1991 insgesamt 1.624 Stun­ den ehrenamtlich gear­ beitet. Für das Jahr 1992 ist die erneute Aufwälti­ gung des Stollens „Karl im Mailänder“ geplant, da dieser inzwischen im Mundlochbereich durch Witterungsein­ flüsse wieder verstürzt ist. Die wichtigste Auf­ gabe besteht darin, auch diesen Stollen so schnell wie möglich abzusichern, um die historisch äußerst wert- volle Brunnenstube für die Zukunft zu erhalten. Man darf gespannt sein, welche Überra­ schungen in dem historischen Bergbaurevier Schabenhausen-Kappel in der Zukunft noch zutage gefördert werden, vor allem, ob das in alten Schriften erwähnte „Herzog-Carl-Kup­ ferschieferwerk“ bei Kappel mit einer Länge von 38 Lachtern und einem Schacht von 11112 Lachtern jemals gefunden wird. Rolf Roschlaub Zwischenzeitlich wurde auch nachgewiesen, daß der Stollen „Karl im Mailänder“ auf sil­ berhaltigen Bleiglanz gebaut wurde, der Stol­ len „Otto am Kohlerberg“ hingegen, wie oben bereits erwähnt, aufKupfer. Die Unter­ suchungen werden noch fortgesetzt. Zur weiteren Erforschung des Bergbau­ Reviers und zur Betreuung der beiden Stol­ len wurde am 8. Februar 1991 die Forschungs­ und Arbeitsgemeinschaft für historischen 154

Projektleiter Ro!f Roschlaub (li.) mit zwei Mitarbeitern Rückseite Vorderseite Bergbaumedaille zur En“nnerung an die Aufioältigung der beiden Stollen in Schabenhausen – Kappel 155

Geschichte ,,Vor uns liegt ein glücklich Hoffen … “ Aspekte der Revolution von 1848/49 in unserem Kreisgebiet Das im Almanach 92 (Seiten 83-90) begonnene „Revolutions-Essay“wird in einem zweiten Teilfart­ gesetzt und gleichzeitig abgeschlossen. Noch heute veiwahrt die Stadt Hüfingen eine eigentümliche alte Fahne, die weniger durch das Stadtwappen als vielmehr durch ihre rote Färbung die Neugier des Betrach­ ters wecken mag. Diese merkwürdige Fahne weist zurück in die stürmisch bewegten Jahre 1848/49, in denen ganz Deutschland und besonders nachhaltig dessen südwestliches Grenzland Baden von der Revolution, dem Widerstand gegen die überkommenen poli­ tisch-sozialen Strukturen erfaßt wurde. Die­ ser Widerstand, als dessen reifste Frucht die am 18. Mai 1848 in der Frankfurter Paulskir­ che zusammengetretene Deutsche National­ versammlung bezeichnet werden darf, gip­ felte in Baden im Mai 1949 sogar in einem republikanischen Aufstand, der zunächst eine provisorische Revolutionsregierung unter Lorenz Brentano {1813-1891) an die Stelle des geflohenen Großherzogs Leopold {1790-1852, auf dem Thron seit 1830) setzte. 1. Die Volksvereine Der Aufstand, dem ähnliche Erhebungen in der Pfalz und in Sachsen vorausgegangen waren, ist als Ausdruck der Entschlossenheit zu werten, mit der eine breite Strömung innerhalb der Bevölkerung – nicht nur Badens -die Annahme der in Frankfurt erar­ beiteten Reichsverfassung auch in ihrem Lande durchsetzen wollte. Bei der Organisa­ tion des Volksaufstandes vom Mai 1849 spielten die sogenannten „Volksvereine“ eine zentrale Rolle, die sich unter dem Schutze der von der Frankfurter National­ versammlung am 27. Dezember 1848 (als besonderes Gesetz) beschlossenen „Grund- 156 rechte des deutschen Volkes“ gebildet hat­ ten. Diese Grundrechte, wie sie bald darauf Eingang in das Frankfurter Verfassungswerk fanden (zum ersten Male in der deutschen Verfassungsgeschichte!), garantierten unter anderem auch die Versammlungsfreiheit, die im vormärzlichen Deutschland, nicht zuletzt aber auch wieder nach der ersten republikanischen Erhebung in Baden im Frühjahr 1848 nicht gewährleistet war. Das nutzte die revolutionäre Bewegung in Baden, die aus den gescheiterten dilettanti­ schen Putschversuchen Heckers und Struves im Vorjahr gelernt hatte, um sich für ihre Anliegen einen festen systematischen Rück­ halt in der Bevölkerung zu schaffen. So ent­ standen im Winter 1848/49 in ganz Baden mehr als 400 solcher Volksvereine. Daß uns gerade die Fahne des Hüfinger Volksvereins erhalten geblieben ist, darf einen gewissen Symbolwert beanspruchen: war Hüfingen doch der Ort auf der Baar, der mit der Gründung eines Volksvereins weit voranging. Schon im Augsut 1848, also noch unter dem Eindruck des Niedeiwerfens der ersten republikanischen Erhebung, d. h. noch in einer Zeit der politischen Verfol­ gung und Einschüchterung, wirkten hier über 100 Mitglieder in einem Volksverein zusammen, der in den folgenden Monaten durch Aufrufe und Sammlungen für ver­ folgte „Demokraten“ von sich reden machte. In den beiden anderen Amtsstädten auf der Baar, in Donaueschingen und Villingen, zog man erst im Februar bzw. März 1849 mit der Gründung von Volksvereinen nach, also zu einem Zeitpunkt, zu dem man längst

durch die Frankfurter Ereignisse zumindest in Baden Rückenwind verspüren durfte. Insofern erscheint es folgerichtig, daß man im offenbar traditionell demokratisch gesinnten Hüfingen den Kreisvorsitz der Volksvereinsbewegung installierte. Von hier aus wurde enge Verbindung gehalten zur Volksvereinszentrale in Mannheim. Im Unterschied zum eher homogen-revo­ lutionären Hüfingen müssen in Donau­ eschingen und Villingen allerdings tiefe Grä­ ben durch die Bevölkerung gegangen sein. Dies lag keineswegs in erster Linie an dem noch immer geschlossenen Block des für­ stenbergischen Hofbeamtentums in Donau­ eschingen. Vielmehr spiegelten sich in dieser Zerrissenheit der politisch aktiven Kräfte in den Baar-Städten jener Zeit zwei Hauptrich­ tungen innerhalb der Fraktionen der Frank­ furter Nationalversammlung, die man -mit gebotener Vorsicht – als „Demokratische Linke“ und als »Liberale Mitte“ bezeichnen könnte, wobei sich gerade bei uns unter die Liberalen viele Konservative gemischt haben dürften. Die sich als „gemäßigt“ verstehen­ den Kräfte gaben sich, in Anlehnung an die Hauptströmung des Frankfurter National­ parlaments, mit der konstitutionellen Mon­ archie zufrieden, während die „Linke“ die Republik anstrebte. In Donaueschingen vertrat die Interessen der konstitutionellen und konservativen Bestrebungen der „Vaterländische Verein“, dessen Vorsitz der Hofapotheker Ludwig Kirsner führte. Ihm stand scharf gegenüber der aus dem bürgerlichen Leseverein erwach­ sene „Volksverein zur Entstehung der unver­ kümmerten und vollständigen Einführung der Volksrechte, zur Wahrung und Sicher­ heit der Volkserrungenschaften auf gesetzli­ che Wege“. Ähnlich verhielt es sich in Villin­ gen, wo der dortige vaterländische Verein, dessen erster Aufruf auch die Unterschrift des Bürgermeisters Stern trug, zu Anfang gerade einmal die Hälfte der Stärke des Volksvereins erreichte, welcher, beflügelt von den Vorgängen auf nationaler Ebene, schon innerhalb des ersten Monats seine Mitgliederzahl auf bald insgesamt 450 mehr als verdoppeln konnte (6. April 1849). Grob gesprochen wußte der vaterländische Verein der Gemäßigten jedoch das wohlhabende Besitzbürgertum hinter sich, ihre Opponen­ ten auf republikanischer Seite scharten sich dagegen vor allem um den praktischen Arzt Hoffmann, den Drucker Förderer, die Gebrüder Rasina und den Anwalt Fuchs. Deren Namen sollten im Verlauf der revolu­ tionären Ereignisse immer wieder auftau­ chen, so wie in Donaueschingen auf Seiten der Republikaner der des Bürgermeisters Raus, des radikalen Landvermessers Au aus Allmendshofen oder des Dreigestirns Josef Lahief, Sebastian Stadelmann und Karl Maier, die einen am 15. Mai 1849 ins ,,Donaueschinger Wochenblatt“ eingerück­ ten Aufruf zur Volksbewaffnung unterzeich­ net hatten. II. Die militärische Erhebung (,,Maiaufstand“) Zu diesem Zeitpunkt war der republikani­ sche Aufstand in Baden bereits in vollem Gange. Er gewann hier seine besondere Sprengkraft dadurch, daß sich ihm ganze Truppenteile des regulären badischen Hee­ res anschlossen. Nach der Besatzung der Bundesfestung Rastatt meuterte auch die Karlsruher Garnison, woraufhin der Groß­ herzog in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai die Flucht ergriff. Nach der Ablehnung der Kaiserkrone durch den preußischen König waren die konstitutionellen und konservati­ ven Politiker ins Hintertreffen geraten, die Republik schien zum Greifen nahe. Unter dem Eindruck der Erhebungen in Sachsen und der Rheinpfalz zur Durchset­ zung der Reichsverfassung handelten die republikanischen Kräfte in Baden rasch und effektiv, wobei die Einberufung einer Lan­ des-Volksversammlung am 12./13. Mai den Ausschlag gegeben hatte. Keine zwei Tage später war mithin nicht nur der regierende Monarch geflohen, sondern auch die gesamte Staatsgewalt und der Beamtenappa­ rat an die Republikaner gefallen. Diese 157

besetzten alle Ämter – also auch die auf der Baar – mit neuen „Zivilkommissären“, die quasidiktatorische Machtbefugnisse besa­ ßen. Ihnen wurde seitens der Beamtenschaft kaum Widerstand entgegengesetzt. Die Volksvereine machten zum Schutze der gerade entstehenden Republik überall mobil; in den Amtsbezirken wurden Batail­ lone aufgestellt, die jeweils ca. 600 Mann stark sein sollten. In Donaueschingen und Hüfingen umfaßten sie jeweils vier Kompa­ gnien, die im einzelnen von der Amtsstadt selbst sowie drei umliegenden Ortschaften gebildet wurden (zu Donaueschingen zu­ sätzlich Aasen, Geisingen und Wolterdin­ gen, zu Hüfingen noch von Bräunlingen, Mundelfingen und Sumpfohren). Die Aus­ bildung und Bewaffnung besorgten jeweils Linientruppen, wozu zwei Kompagnien des 2. badischen Infanterieregiments nach Vil­ lingen bzw. Donaueschingen abgeordnet 158 wurden, die Waffen erhielt man größtenteils aus der Schweiz. Unterdessen wurden Wahlen zu einer „Konstituierenden Landesversammlung“ in Karlsruhe angesetzt-unter Abschaffung der alten Landesverfassung von 1848 (und damit des Zweikammersystems) und Einsetzung eines neuen, freien, allgemeinen und glei­ chen Wahlrechts. Gemessen an der Stim­ mung im Lande lag es auf der Hand, daß allenthalben die Linke den Sieg davontrug, die Gemäßigten zurückstecken mußten. III.Das Ende Die Zeit der begeisterten revolutionären Aufmärsche, Feste und Verbrüderungen, wie sie zum Beispiel Ende Mai und AnfangJuni 1849 in Hüfingen und Villingen noch den Mobilmachungs- und Exerzieralltag auflok­ kerten, sollte indes schnell vorbei sein. Nachdem schon Ende Mai die Frankfurter

Nationalversammlung mit der Abberufung der österreichischen und preußischen Abge­ ordneten einen entscheidenden Aderlaß erfahren hatte, wurde das verbleibende, aus rund 100 Abgeordneten jetzt vorwiegend der Linken bestehende „Rumpfparlament“ nach Stuttgart verlegt, dort aber schon knapp zwei Wochen später von der württembergischen Regierung gewaltsam aufgelöst. Allenthalben bröckelte nun die revolutio­ näre Front, die Aufständischen in der Pfalz und in Baden sahen sich auf sich selbst ver­ wiesen. Ihnen standen jetzt nach Mann­ schaftsstärke und Bewaffnung weit überle­ gene Truppen aus Preußen und anderen Staaten des Deutschen Bundes gegenüber, die der badische Großherzog um Hilfe geru­ fen hatte. Deren Oberbefehl führte Prinz Wilhelm von Preußen, der spätere Kaiser Wilhelm 1. Trotz heftigsten, verzweifelten Widerstandes der Revolutionäre in Baden sollte der „Kartätschenprinz“ auch hier als­ bald sein Ziel erreichen, die Wiederherstel­ lung der alten Ordnung. Als am 30. Mai 1849, dem letzten Sit­ zungstag des Frankfurter Nationalparla­ ments, der Vormarsch revolutionärer badi­ scher Truppen bei Heppenheim an der Bergstraße vom Feuer hessischer Regierungs­ soldaten gestoppt wurde, hatte sich das Los der Revolutionstruppen auf Dauer schon entschieden. Von nun an verausgabten sie sich, ein bunter Haufen von Freiwilligen, ehemaligen Liniensoldaten, Turnern und Arbeitern sowie Freischärlern aus verschie­ densten deutschen und europäischen Staa­ ten, in einem tapferen, aber letzthin vergebli­ chen Abwehrkampf. Schließlich brachen alle militärischen Fronten, so daß die ver­ sprengten Reste der Revolutionsarmee, die erfolglos für die Errichtung eines freien Volksstaates im deutschen Südwesten ge­ kämpft hatte, vor den siegreichen Bundes­ truppen die Flucht in die Schweiz ergriffen. In diesen letzten Tagen der Revolution wurde die Baar noch einmal zum Haupt­ schauplatz der Ereignisse, als die kärglichen Reste von General Sigels Revolutionsarmee Anfang Juli 1849 nach und nach in Donau­ eschingen eintrafen und hier im fürstlichen Schloß ihr letztes Hauptquartier aufschlu­ gen. Noch einmal wurden die Bürgerwehren der Umgebung, die sich auf die Nachricht von einem großherzoglichen Amnestieerlaß zum Teil schon aufgelöst hatten, von den Bürgermeistern zusammengerufen. In Anbe­ tracht der auch hier längst gut bekannten militärischen Großwetterlage kamen diese Wehrmänner ihrer neuerlichen Mobilma­ chung vielfach nur unter Androhung von Zwangsmaßnahmen nach. Die wild-verwegenen, in den abenteuer­ lichsten Aufmachungen steckenden Revolu­ tionäre überzogen in der Nacht vorn 5. auf den 6. Juli 1849 die eher verschlafene -ver­ waiste – Fürstenresidenz noch einmal mit einem trink- und sangesfrohen Kehraus der Rebellion an unzähligen Lagerfeuern. Am nächsten Morgen marschierten sie dann sofort ins Schweizer Exil weiter, wo die Frei­ heitshelden zumeist begeistert empfangen wurden. Noch am gleichen Tage besetzten 5000 Mann des Bundesheeres, allesamt aus Preußen, Mecklenburg, Hessen und Nassau stammend, das von wehenden weißen Fah­ nen strotzende Donaueschingen, das sie zum Teil erst nach Jahren wieder verließen. Hier war es zum Glück nicht zum Kampfe gekommen wie um die eingeschlossene Festung Rastatt, in der die letzten 5600 Auf­ ständischen erst am 23. Juli 1849 kapitulier­ ten. Der Hüfinger Künstler Lucian Reich hat uns eine flüchtige Zeichnung hinterlassen, die noch heute einen lebhaften Eindruck von der Verfassung der in Rastatt gefangenen Aufständischen vermittelt – ein ähnliches, freilich nicht ganz so klägliches Bild hatten sich die Donaueschinger am Morgen des 6.Juli 1849 von den abziehenden ermatteten Freischärlern machen können. Doch waren es nicht nur Soldaten der Revolutionsarmee, die ins Exil gingen, son­ dern -vielfach unfreiwillig -auch die Mit­ glieder der Baaremer Bürgerwehren, schließ­ lich die meisten Vertreter der politischen Linken, die nach der Niederschlagung der 159

Revolte mit harten Strafen zu rechnen hat­ ten. Insgesamt verlor Baden damals 80 000 Bewohner, d. h. 5 Prozent seiner Bevölke­ rung, die das Exil einem Leben in Unfreiheit vorzogen. Zu ihnen gehörte beispielsweise auch der Donaueschinger Bürgermeister Raus, der allerdings acht Jahre später wieder in seine Heimat zurückkehrte und Ludwig Kirsner im Amt ersetzte, welcher später als Karlsruher Landtagspräsident und Reichs­ tagsabgeordneter in Berlin den Höhepunkt seiner politischen Karriere erklimmen sollte. Wer von den „Demokraten“ nicht floh, wurde verhaftet; noch jahrelang beherrsch­ ten politische Strafprozesse die Szene. Die Familien der Verhafteten oder Emigrierten stürzten oft in schlimme Not, die allgemei­ nen wirtschaftlichen und sozialen Verhält­ nisse verschlechterten sich weiterhin. Auf diesen Gebieten trat erst in den 1850erJahren allmählich eine Besserung ein, während die politische Bevormundung mit dem Sieg der Reaktion vorerst erneuten Einzug hielt. Die Fernwirkungen der revolutionären Bestre­ bungen von 1848/49 können jedoch im Hin­ blick auf unser heutiges Staatsverständnis und manche längst für selbstverständlich erachtete Prinzipien unseres gesellschaft­ lichen Zusammenlebens kaum überschätzt werden. Dr. Volkhard Huth Litera tu rhin weise: Eine ausführliche, jedoch unkritische Darstellung des Ereignisverlaufs vom Frühjahr 1848 bis in die nachrevo­ lutionäre Besatzungszeit bietet Paul REVELLIO, Die Revolution der Jahre 1848 und 1849 vornehmlich in den Amts­ städtchen Villingen, Donaueschingen und Hüfingen, wieder in: DERS., Beiträge zur Geschichte der Stadt Villingen, Villin­ gen 1964, S. 368–436; vgl. ferner Volkhard HUTH, Donaueschingen -Stadt am Ursprung der Donau, Sigmaringen 1989, S.142 ff. sowie ebd. S. 272 ( den Quellen­ und Literaturüberblick. 160 Der Schwarzwald-Baar­ Kreis in Farben 1.Bräunlingen bei Nacht (German Hasenfratz, Hüfingen) 2.Villinger Wueschte (German Hasen&atz, Hüfingen) 3.Feederlehaus Donaueschingen (Franz Krick!, Donaueschingen) 4.Tuningen, neues Heimatmuseum (Raimund Fleischer, Villingen-Schwenningen) 5.Schwarzwälder Bäuerin mit Enkelkind, St. Georgen (German Hasenfratz, Hüfingen) 6.Winter im Bregtal bei Hammereisenbach (German Hasenfratz, Hüfingen) 7.Blick in die Wutachschlucht Oörg Michaelis, Blumberg)

Dr. Karl Theodor Huber – unvergessener Obervogt in Triberg Ein großer Wohltäter des Volkes -Er brachte die Strohflechterei in den Schwarzwald In der Stadt Triberg ist und bleibt ein Name unvergessen: Dr. Karl Theodor Huber, Obervogt in Triberg. Einundzwanzig Jahre dauerte seine Amtszeit in Triberg, von 1795 bis 1816. Begraben wurde der Obervogt, der für den gesamten mittleren Schwarzwald Bedeutung erlangte, auf dem Ehrenfriedhof des Bergfriedhofes in Triberg. Wer war Karl Theodor Huber? Er wurde im Jahre 1758 (zwei Jahre nach Ausbruch des Siebenjährigen Krieges) in Nendingen an der Donau (bei Tuttlingen) geboren. Am 16.März 1816 starb er im Alter von nur 58 Jahren in Triberg. Sein vielfältiges, über­ aus segensreiches Wirken jedoch ist bis auf den heutigen Tag unvergessen geblieben. Was er für Triberg und seine Bürger tat, sei hier in Erinnerung gerufen. Er war beileibe kein bequemer Zeitge­ nosse. Bei der Regierung in Freiburg war Obervogt Huber wegen seines fortschrittli­ chen Denkens und selbständigen Handelns, vor allem aber wegen seiner begreiflichen Abneigung gegen Amtsschimmel und Büro­ kratismus, als eigenwilliger Beamter nicht besonders gut angeschrieben. Trotz Vorwür­ fen und mehrerer amtlicher Ermahnungen ging er seine eigenen Wege unbeirrt weiter, wenn es dem Wohl seiner Bürger diente. An einem Augusttag im Jahre 1902 Hier sei zunächst an einen sonnigen Tag im August des Jahres 1902 erinnert. An jenem Tage fand in dem DorfOberprechtal im oberen Elztal ein großes Fest statt. An dem hochaufstrebenden Felsen, der die Spitze eines der Gemarkung zugehörigen Berges bildet und von dem aus man eine weite Fernsicht auf die Schwarzwaldberge einerseits und durch das liebliche Elztal andererseits weit hinaus bis in die Rhein­ ebene und bis hinüber zu den Vogesen hat (gemeint ist der Huber-Felsen, d. Verf.), wur­ den zwei Gedenktafeln angebracht. Die eine trägt die Inschrift: ,,Obervogt Huber, gebo­ ren in Nendingen an der Donau 1758; gestor­ ben in Triberg am 16. März 1816″. Die andere Tafel enthält die Worte: ,,Dem unvergleich­ lichen Obervogt Karl Theodor Huber, dem großen Wohltäter des Volkes, dem Erbauer der ersten Straße von Triberg nach Haslach, dem bahnbrechenden Förderer der Stroh­ flechterei errichtete im Jahre 1902 mit Hilfe vieler Schwarzwaldfreunde aus allen Theilen des Badnerlandes dieses Denkmal: Der Ver­ schönerungsverein Prechtal“. Wie fast allen Menschen, die mit offenem Blick weiter sehen als ihre kurzsichtige Umgebung (Worte des Chronisten von damals), waren auch Obervogt Huber Ver­ kennungen und darum manche Widerwär­ tigkeiten nicht erspart geblieben. Selbst unmittelbar nach seinem Tod ist er nicht gewürdigt worden. So konnte es geschehen, daß in den folgenden Jahren sein Andenken fast in Vergessenheit geriet. Ausgerechnet der heimatliche Volksschriftsteller, der weit-161

Huber-Felsen hin unvergessene Pfarrer Dr. Heinrich Hans­ jakob (er liegt unmittelbar an einer Waldka­ pelle in Hofstetten bei Haslach begraben, noch heute eine vielbesuchte Stätte) war es, der die Ehrenpflicht des Volkes nachholte und das Gedächtnis an Karl Theodor Huber wieder aufleben ließ. Pfarrer Heinrich Hans­ jakob nannte ihn „einen Beamten von Got­ tes Gnaden“ und hat ihm in einem seiner vielen Bücher ein unvergängliches Denkmal gesetzt. Karl Theodor Huber wurde als Sohn armer Bauersleute in Nendingen (bei Tutt­ lingen) an der Donau geboren. Wo er später seine Anfangsstudien machte, ist nirgends erwähnt. Aber zwanzig Jahre später begeg­ nen wir ihm in Freiburg im Breisgau, das damals, wie der ganze Breisgau und andere Herrschaften des heutigen Baden-Württem­ bergs zu Österreich gehörte. Karl Theodor Huber studierte drei Jahre lang Theologie. Er blieb dieser Wissenschaft aber nicht zuge- 162 tan. 1781 trat er in die damals sogenannte Normalschule ein. Er wollte Lehrer werden. Noch im gleichen Jahr 1781 erhielt er das Patent als Privatlehrer. Aber auch hierin fand er keine Befriedigung, denn schon im folgen­ den Jahr 1782 studierte er in Freiburg die Rechtswissenschaft. Seine akademische Aus­ bildung schloß er mit der Erlangung des Doktorgrades beider Rechte ab. Das war 1788. Danach arbeitete er mehrere Jahre lang als Praktikant beim Freiburger Magistratsgericht. Gleich zu Beginn seiner Tätigkeit beim Magistratsgericht scheint Karl Theodor Huber über das Maß seiner Verpflichtungen hinausgetreten zu sein. Er war überall zu fin­ den, wo es ihm zu helfen nötig schien. In jener Zeit, da durch die Franzosen Krieg und Elend über den Rhein herübergetragen wur­ den, wurde in Freiburg ein Landsturm zur Abwehr der feindlichen Einfälle gebildet. Huber war Kommandant jenes Bataillons,

Am Huber-Felsen ist eine Gedenktafel an den Obervogt Huber angebracht welches vom Dorf Merdingen bei Freiburg gestellt worden war. Seine eigentliche segensreiche Tätigkeit hat Karl Theodor Huber jedoch im Bezirk Triberg entwickelt, dem er im Jahre 1795 zunächst als Regierungsadvokat und ab 1797 als „Obervogt“ vorgesetzt wurde. Und dies waren die Ränge, die er während seiner Tri­ berger Amtsjahre bekleidete: 1795 bis 1797 als Regierungsadvokat und Obervogt der Kaiserlich-königlichen Majestät; 1797 bis 1803 als Obervogt des Herkules von Modena; 1803 bis 1805 als Obervogt des Erzherzogs Ferdinand von Österreich, im Jahre 1806 als Obervogt des ersten Königs von Württemberg und von 1806 bis zu sei­ nem Tode im Jahre 1816 als erster badischer Obervogt bzw. Oberamtmann. Im Jahre 1810 leitete er noch als Grenzkomrnissarius die Übergabeverhandlungen zwischen Würt­ temberg und Baden; er starb verbittert am 16. März 1816. Die Ehrungen, die ihm zu Lebzei­ ten versagt geblieben sind, wurden später von der Stadt Triberg auch durch die Benen­ nung eines Straßenzuges mit seinem Namen nachgeholt; die „Obervogt-Huber-Straße“ liegt im Westteil der Stadt, ausgehend vom Feuerwehrgerätehaus bis zum Hotel Schwarz­ wald-Residenz. Huber spürte die Herausforderung: Helfen Er selbst und seine „edle Frau“, eine gebo­ rene Freiin zu Gleichenstein und Tochter des damaligen Obervogtes von Staufen, empfanden es als Aufforderung und Heraus­ forderung, in Triberg tätig einzugreifen. Huber fand traurige Verhältnisse am Beginn seiner Amtszeit in Triberg vor. Mit außer­ gewöhnlicher Tatkraft versuchte Obervogt Huber, durch neue Erwerbsmöglichkeiten die Lebensbedingungen der Schwarzwälder 163

in seinem Amtsbereich zu verbessern. Um dieses Ziel zu erreichen, hat er weder Mühe noch persönliche Opfer an Zeit und Geld gescheut, obwohl er mit den Schwarzwälder Eigenbrötlern manchen harten Strauß aus­ fechten mußte. Vor den Kriegszeiten hatte in Triberg, Furtwangen und Schönwald die Uhrenindu­ strie geblüht. Nunmehr machte der fort­ schreitende Niedergang des Uhrengewerbes dem Obervogt erhebliche Sorgen. Er suchte nach Auswegen und anderen Erwerbsquellen. Die Strohflechterei wird heimisch Er fand sie in der Strohflechterei. Auf eigene Kosten üeß er aus der Toskana (Flo­ renz) in Italien, wo damals die Kunst des Strohflechtens besonders in Blüte stand, einen Lehrmeister (Flechtmeister) nach Tri­ berg kommen. Huber erkannte darin eine günstige Gelegenheit, neue Arbeitsmöglich­ keiten zu schaffen. Diesen Flechtmeister sah man oft bei den Bauern, um diese zu beleh­ ren, wie das Stroh zu behandeln sei, damit es sich zum Flechten eigne. Um die gleiche Zeit versammelte seine Frau im Amtshaus (unmittelbar bei der St.-Clemens-Stadtpfarrkirche gelegen, den Stadtbrand von 1826 überdauernd und heute unter Denkmalschutz, d. Verf.) in Triberg Frauen und Kinder um sich, um sie ebenfalls in diese Kunst einzuführen. Der Versuch gelang -nicht ohne Schwierigkeiten -und bald verbreitete sich diese Industrie auch in anderen Orten -in Schönwald, Furtwangen, Gütenbach – seiner und auch anderer Vogteien. Die Strohflechterei wurde ein Erwerbszweig über viele Jahre, die vielen Tausenden ein Überleben sicherte und den Menschen ein erträgliches Einkommen sicherte. Das war um die Zeit der Jahrhun­ dertwende zu Beginn des 19. Jahrhunderts (vgl. Almanach 1990, Seite 76/77). Auch Wiesen-und Feldbau waren im Argen Die Strohflechterei war aber nur ein Zweig der helfenden Arbeit des Obervogtes Huber. 164 Er erkannte auch die Notlage, in der Wiesen­ und Feldbau sich befanden und er erkannte auch deren Ursachen: unvorteilhafte Art der Bewirtschaftung, wie es die Bauern eben ,,von altersher“ gewohnt waren. Wissend, daß Beispiele mehr wirken als viele Beleh­ rungen, ließ Huber -wieder auf eigene Kosten -an staatlichen Wiesen und Feldern die beabsichtigten Verbesserungen vorneh­ men und der sich bald zeigende, höhere Ertrag bewog die zweifelnden Bauern bald zur allgemeinen Nachahmung. Eine weitere ergiebige Erwerbsquelle eröffnete Obervogt Huber den Bauern sei­ nes Bezirkes durch die Verbesserung und die Vermehrung des Obstanbaues. Er scheute sich nicht, auf Bäume zu klettern, selbst die Veredelung vorzunehmen und die ihn umstehenden Bauern so in die Kunst des Veredelns einzuführen. Karl Theodor Huber baute Straßen Allerdings sah Huber sofort ein, daß alle diese Verbesserungen nur dann vollkommen nutzbar gemacht werden konnten, wenn die Möglichkeiten bestanden, die Erzeugnisse der heimischen Gefilde auch an den Mann zu bringen. Er legte also allenthalben Wege und Straßen an. Karl Theodor war es, der die ersten Verbindungswege und Straßen erstellte; er baute die erste Straße von Triberg nach Haslach und dann die Straße zwischen Triberg und Villingen. Es war die erste Straße in Richtung der heutigen Schwarzwaldbahn. Und damit diese Straßen billig hergestellt werden konnte, ordnete er an, daß -meist waren es junge Männer -jene, die sich auf irgendeine Weise eine Strafe zugezogen hat­ ten, diese in Triberg verbüßten und sie statt einer Geld-oder Freiheitsstrafe eine Zeitlang Frondienste leisten mußten. Dieser Karl Theodor Huber hat aber auch in zahlreichen Fällen bewiesen, daß er ein tiefes Gefühl für die Schönheiten der Natur und für die Leiden und Schmerzen der ihm anvertrauten Bevölkerung hatte. Eine der sehenswertesten Naturschönheiten des Schwarzwaldes sind die Triberger Wasser-

fälle. Obervogt Huber war es, der sie deshalb zugänglich machte, obgleich damals (um 1800-1810) noch kaum ein Fremdenbesuch von auswärts in das verträumte Triberg kam. Landsturmbataillons, eilte mit diesem sei­ nem bedrängten Triberger Bezirk zu Hilfe und folgte den abziehenden Franzosen bis tief nach Bayern hinein. Er hatte ein Herz auch für die Rekruten In jener Zeit der Unruhen (zu Ende des 18. Jahrhunderts) und des Krieges wurde das „Aushebungsgeschäft“ mit wenig Rücksicht betrieben und als einst in Villingen „die gezogenen Rekruten“ den Befehl bekamen, unverzüglich nach Rastatt einzurücken, ohne erst noch einmal nach Hause zurück­ zukehren, da war es der Obervogt Huber, der den Rekruten auf eigene Verantwortung erlaubte, zu Hause noch Abschied zu neh­ men. Sie haben sich alle hernach noch recht­ zeitig und vollzählig in Rastatt eingefunden, um ihrem geliebten Obervogt keine Unan­ nehmlichkeiten zu bereiten. Zum Ende des 18. Jahrhunderts (napoleo­ nische Zeit) kamen die Franzosen wiederholt über den Rhein und „fielen in Süddeutsch­ land verheerend ein“, wie ein zeitgenössi­ scher Chronist schreibt. Auf jede Weise ver­ suchte Vogt Huber bei diesen Gelegenheiten seinem Bezirk „wie dem weiteren Vater­ lande“ nützlich zu sein. Bei Einquartierun­ gen nahm er jeweils freiwillig Offiziere zu sich selbst ins Quartier, um desto besser zugunsten seiner Bezirksbewohner auf sie einwirken zu können. Als aber im Jahre 1800 Moreau mit seinen Scharen brennend und raubend ins Land einfiel, riefHuber zur Ver­ teidigung auf Er eilte nach Merdingen (bei Freiburg), stellte sich an die Spitze seines Prozesse gab es kaum bei ihm Als wieder ruhigere Zeiten eingetreten waren, nahm Obervogt Karl Theodor Huber die gewohnte Arbeit in seinem Triberger Bezirk wieder auf. überall wirkte er verbes­ sernd, bei Streitigkeiten versöhnend, so daß Prozesse in seinem Amtsbereich geradezu zu den Seltenheiten gehörten. Einundzwanzig Jahre lang war Dr. Karl Theodor Huber Vogt und Obervogt in Tri­ berg. Schön war für ihn, daß er kurz vor sei­ nem Tode noch die Befreiung Deutschlands von der Fremdherrschaft erleben konnte. Am 16. März 1816 starb er, nachdem ihm noch vergönnt gewesen war, zur Sieges- und Friedensfeier die Triberger Wallfahrtskano­ nen krachen zu lassen. Karl Theodor Huber ist nur achtundfünfzig Jahre alt geworden. Hatte er zu seinen Lebzeiten viele Widrig­ keiten zu bestehen, so sicherten die nachfol­ genden Generationen ihm doch mit Ehr­ erbietigkeit und Respekt ein bleibendes Denkmal. Der Chronist von einst schrieb bei der Einweihungsfeier auf dem „Huber-Fel­ sen“ die denkwürdigen Worte: ,,Möge dieses Gedächtnis an Karl Theodor Huber solange dauern wie dieser mächtige Huber-Felsen, dem diese Gedenksteine eingefügt sind. Er hat es um sein Volk – sei es auch im beschränkten Kreise – in Wahrheit ver­ dient“. Alexander Jäckle Entdeckt: Der Publizist Kurt Tucholsky weilte 1919 im Schwarzwald „Nußbach bei Triberg (Baden), Haus Fritsch, 19. 8. 1919, Nr. 11 – Liebstes Mätz­ chen, … am 16. fuhr ich aus Berlin ab … Am nächsten Abend kamen wir hier an. Das Haus, das sich der verstorbene Vater meines Hamburger Freundes – er war ein großer Frauenarzt -hier gebaut hat, ist eine hübsch eingerichtete Villa mit ungefähr 20 Zimmern und einem kleinen Nebengebäude -in dem wohnen wir … “ Dies schrieb vor 72 Jahren 165

ben. Am 21. August 1933 ließ sich Kurt Tucholsky von der Frau, die er immer liebte, scheiden. Denn die politische Entwicklung in Deutschland bedeutete an der Seite eines Halbjuden für Mary Gefahr für Leib und Leben. Tucho -wie er noch heute von seinen Anhängern genannt wird – hatte als in Deutschland verbotener Schriftsteller – seine Bücher wurden als „entartete Kunst“ wie die vieler seiner Zeitgenossen in Berlin verbrannt – längst das Land verlassen und wohnte in Schweden. Am 31. Dezember 1935 nahm sich K. T. das Leben. in Hindäs 1919, als Tucholsky Nußbach besuchte und in das Haus seines Freundes Hans Fritsch kam (der als ,Jakopp“ Eingang in seine Erzählungen fand), stand er im Mittel­ punkt seines Schaffens. In Berlin geboren, zeitweilig in Stettin aufgewachsen, macht der junge Tucholsky mit 17 Jahren seine ersten journalistischen Schritte. 1907 veröf­ fentlicht er im „Ulk“, einer Berliner satiri­ schen Zeitschrift, ein „Märchen“. Kurz kari­ kiert er darin die Haltung des Kaisers zur Kultur ,, … er pfiff drauf‘. Schon damals beobachtete er mit kritischer Distanz seine Umwelt und die politische Entwicklung. 1909 begann er nach der Reifeprüfung ein Jurastudium, studierte auch ein Semester an der Universität Genf. 1915 promovierte Kurt Tucholsky. Dann mußte auch er in den Krieg ziehen. Da war er aber schon ein bekannter Schriftsteller. Sein Buch „Rheinsberg – ein Bilderbuch für Verliebte“ wurde zum Lese­ buch vieler Liebespärchen. Tucholsky wurde auf Betreiben seines Freundes, des Juristen Dr. Danehl aus Han­ nover nach Rumänien versetzt. Dr. Danehl wird von „Karlchen“ genannt, Tucholsky selbst ist „Fritzchen“. In Rumä­ nien begegnete er Hans Fritsch, zu dem er – nach dem Krieg mit Dr. Danehl nach Nuß­ bach reiste. ihm Hans Fritsch war der Sohn des Obermedi­ zinalrates Professor Dr. Heinrich Fritsch aus Hamburg. Er war später Geschäftsführer des Hamburger Gaswerkes. Professor Fritsch der Journalist und Schriftsteller Kurt Tucholsky seiner späteren Ehefrau Mary Gerold. Daß dieser später so berühmte Mann in „Nußbach bei Triberg (Baden)“ weilte, interessiert inzwischen nicht nur die 1989 gegründete Tucholsky-Gesellschaft, sondern auch das Literaturarchiv in Mar­ bach (Neckar) als Nachlaßverwalter des Publizisten. Es interessiert aber auch zahlrei­ che Tucholsky-Anhänger, die das Haus ein­ mal sehen wollen, in dem es laut Tucholsky damals sehr turbulent zuging, was er nicht so schätzte: ,,Aber man kommt nicht zu sich selbst dabei -und auf die Dauer mag ich das nicht“, schrieb er an Mary Gerold. Diese sehr persönlichen Briefe an Mary, die Aufschluß auch über den Menschen Tucholsky gaben, sind in dem Buch „Unser ungelebtes Leben“, das Fritz). Raddatz 1983 herausgab, zu lesen. Hier findet sich Tucholskys Spur im Schwarzwald. Der damals 29jährige Tucholsky hatte Mary Gerold schon 1916 als Soldat in Kurland ken­ nengelernt, sie aber erst-nach einer geschei­ terten Ehe mit der Ärztin Else Weill – 1924 geheiratet. Mary Gerold sollte zeit seines Lebens seine Hauptansprechpartnerin blei- 166

hatte 1902 das in Nußbach über der jetzigen Bundesstraße 33 gelegene Haus erworben und zur „Sommerfrische“ für die Familie umbauen lassen. ,,Haus Fritsch“ steht heute noch am Giebel des Fachwerkhauses, das inzwischen mehrere Um- und Anbauten erfahren, den Besitzer mehrmals gewechselt hat und zu den ältesten noch erhaltenen Häusern Nußbachs gehört. ,,Villa Fritsch“ wird das Haus auch im Volksmund genannt. Und alte Nußbacher erinnern sich, daß es dort oben – es ist eine Bergvilla mit eigener Q:telle – oft turbulent zuging, wenn die „Herrschaften“ über die warme Jahreszeit anreisten. In den „Römischen Kaiser“ sei man gegangen. Viele Gäste habe das Haus gesehen. Kein Wunder, denn die Familie Fritsch war nicht gerade klein: Hans Fritsch hatte noch drei Schwestern, wovon zwei ebenfalls mit Mediziner (Dr. Brauer und Dr. Stöcke!) verheiratet waren. (Diese beiden Männer waren mit Professor Sauerbruch in Berlin bekannt.) Sie alle kamen mit ihren Familien, luden Freunde und Kollegen ein. Hans Fritsch starb 1931, die Familien Dr. Brauer und Dr. Stöcke! traten das Erbe des Hauses an und nutzten es bis 1943 als Som­ merfrische. An Hans Fritsch können sich einige ältere Nußbacher noch gut erinnern. Er sei ein geselliger Mensch gewesen, der frohe Feste und die Jagd liebte. Sehr oft war damals der Musikverein Nußbach in der Villa zu Gast. In der Chronik des Vereines ist das festgehal­ ten. Als Fritsch starb, waren die Mitglieder des Musikvereins bestürzt über den so plötz­ lichen Tod ihres „lieben Freundes und Stif­ ters Hans Fritsch“. Aber auch später war der Verein Gast in der Villa. Die Chronik ver­ zeichnet auch die Schenkung eines Musik­ instrumentes durch Hans Fritsch. An den Besuch von Kurt Tucholsky im Das Haus Fritsch in Nußbach 167

August 1919, er war etwa 14 Tage dort, kann sich in Nußbach niemand erinnern. Der scharfzüngige Satiriker, der zum Zeitpunkt seines Besuchs in Nußbach Chefredakteur des „Ulk“ war, liebte bei allem Spaß an den schönen Dingen des Lebens doch die schöp­ ferische Stille, in der er zum Beispiel unter den Pseudonymen „Ignaz Wrobel“, ,,Peter Panter“ und „Kaspar Hauser“ Artikel für c:lie in Berlin erscheinende „Schaubühne“, spä­ ter „Weltbühne“ verfaßte. Am 22. 8. 1919 schrieb K. T. an Mary Gerold aus Nußbach: ,, … Hierorts ist es noch alles so: ein bißchen viel Rummel -und ich werde froh sein, wenn ich erst wohlbehalten und schweigsam an der See sitze; ich muß einmal ganz in die Stille …. Wir sind hier ganz unter uns – Frauen gar nicht, was bewirkt, daß wir nach­ mittags alle Mann hoch nackt unter der Brause einhertanzen … “ -Im damals beschaulichen Dorf Nußbach fielen die Sommergäste der „Villa Fritsch“ schon auf. .. Für die Tucholsky-Anhänger, die Tu­ cholsky-Gesellschaft und auch das Literatur­ archiv in Marbach ist mit der Entdeckung des noch bestehenden Hauses in Nußbach eine weitere kleine Lücke im Wissen über das Leben des großen Mannes geschlossen, der gegen menschliche Dummheit anschrieb und doch so wenig bewirkte. Ob Tucholsky außer seinen Briefen noch etwas anderes während seines Aufenthaltes in Nußbach schrieb, kann noch nicht gesagt werden. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands finden sich jetzt auch die Tucholsky-Anhän­ ger und tragen das von ihnen jeweils Erforschte zusammen. Und sie setzen sich – nun gemeinsam -mit dem Werk Kurt Tucholskys auseinander, definieren es neu. Die ehemalige DDR-Regierung hatte bekanntlich Texte ausgewählt, die den Schrifi:stellerund Publizisten als „Antifaschi­ sten“ und „Antimilitaristen“ darstellten. Im Westen war sein Gesamtwerk erschienen, seine lyrischen Texte ebenso wie seine distanzierten Betrachtungen Deutschlands aus der Feme. Der Mann, der Frankreich 168 liebte, mochte in den letzten Jahren seines Lebens Deutschland immer weniger. Und heute sind Tucholskys Auseinandersetzun­ gen mit den Deutschen, dem Deutschsein aktueller denn je … Ein bißchen was bleibt von der Auseinan­ dersetzung mit und um Kurt Tucholsky auch an Nußbach hängen: das steigende Interesse an dem Schwarzwaldort, der einst Bahn­ station war und seit 1973 ein Ortsteil von Tri­ berg ist, und an der „ Villa Fritsch“. Was schrieb K. T. damals an Mary? ,,Die Land­ schaft ist schön. Es ist so ungefähr wie im ,Kalten Herz‘ von Hauff -aber nicht ganz so ernst und schwer. Es liegt 600 Meter über dem Meeresspiegel, bewaldete Höhen, da­ zwischen in den Tälern, kleine gedrängte Dörfchen und Städtchen. Es sieht hübsch aus.“ -Wenn das keine Werbung ist. Renate Bökenkamp Qu e 11 e n: Kurt Tucholsky „Unser unge­ lebtes Leben“, Briefe an Mary, herausge­ geben von Fritz ). Raddatz, Rowohlt; Rowohlts Monographien, herausgegeben von Kurt Kusenbaerg, ,,Kurt Tucholsky“ von Klaus-Peter Schulz; Gerhard Zwerenz „Kurt Tucholsky, Biographie eines guten Deutschen“, Goldmann Verlag; Bryan P. Greenville „Kurt Tucholsky“, Autorenbü­ cher, Verlag C. H. Beck. Traum gefrorene Flammen brennender Schnee gangbarer Regenbogen bewohntes Paradies ich träume und weil ich Unmögliches träume träume ich daß du mich liebst Christiana Steger

Das Notgeld im Gebiet des heutigen Schwarzwald-Baar-Kreises in der Zeit von 1918 bis 1922 Wegen der Fülle des Materials kann das Notgeld-Thema nicht in einem Beitrag dargestellt werden. Im diesjährigen Almanach wird die Zeit von 1918 bis 1922 behandelt. Die Redaktion ist der Auffassung, daß das umfangreiche Material des Verfassers möglichst ungekürzt dargestellt werden sollte. Vor allem die optische Wiedergabe der Notgeldscheine ist von historischem Interesse. Da das Jahr 1922 einen gewis­ sen Einschnitt darstellt, wird sich der zweite Beitrag hauptsächlich mit der Zeit nach 1922 befassen. Notgeld – dieses Wort erweckt bei vielen Menschen meist beklemmende Assoziatio­ nen: Krieg, Notzeiten, Geldmangel, Infla­ tion, Mengen von wertlosem Geld und kein ausreichendes Warenangebot. Die meisten Vorstellungen vom Begriff Notgeld sind durch Erinnerungen oder Erzählungen geprägt, die auf die Epoche des Ersten Welt­ krieges und seine Folgezeit zurückgehen. Diese schlimme historische Periode hat den Notgeld-und Inflationsschock ausgelöst und ein tiefes Mißtrauen, ja eine Angst vor möglichen Wiederholungen in weiten Bevölkerungskreisen eingeimpft. Dabei herrscht große Unkenntnis über das Entste­ hen und die Umstände, die die Kettenreak­ tion dieser Notgeldepoche in Gang setzten. Im Laufe der Geschichte gab es viele schreckliche Kriege in aller Welt, die wirt­ schaftliche Nöte verursachten und allge­ meine Geldverschlechterung zur Folge hat­ ten, aber nur in verhältnismäßig wenigen Fällen kam es zur Ausgabe von Notgeld. Die Notgeldepoche, die mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges eingeleitet wurde, war ohne Vorbild und vollzog sich bis zur Stabi­ lisierung der Währungsverhältnisse Ende 1923 in einem fast zwangshaften, aus unserer Sicht kaum begreiflichen und unlogischen Prozeß. Das Deutsche Reich war, 1914 scheinbar wirtschaftlich gut fundiert, die stärkste Wirt­ schaftsmacht auf dem europäischen Fest­ land. Das Umsatzvolumen aller Zahlungs­ mittel belief sich auf ca. 6 Milliarden Mark. Das Papiergeld war zu einem Drittel durch Gold gedeckt, und die Reichsbank war ver- pflichtet, ihre Noten jederzeit gegen Gold umzuwechseln. Mit dem Kriegsausbruch wurde eine Anzahl von Gesetzen in Kraft gesetzt, die die Geldverhältnisse während des Krieges regeln sollten. Die Konvertierbarkeit der Reichs­ banknoten in Goldmünzen wurde aufgeho­ ben und der Geldumlauf durch die Ausgabe von Darlehenskassenscheinen vergrößert. Alle öffentlichen Kassen waren verpflichtet, die umlaufenden Goldmünzen dem Staat zur Verfügung zu stellen, was 1914 einen Rückfluß von fast einer Milliarde Goldmark erbrachte. Auch das übrige Hartgeld wurde, teils zu Kriegszwecken eingezogen, teils spe­ kulativ gehortet, knapp. Dies führte u. a. auch dazu, daß bereits 1916 von der Regierung die Aufforderung erging, alles im Privatbesitz befindliche Gold dem „Vaterlande“ zu opfern und an die Bür­ germeisterämter abzugeben. Der Dank des Vaterlandes: eine schwarze eiserne Medaille mit der Aufschrift: GOLD GAB ICH ZUR WEHR EISEN NAHM ICH ZUR EHR (Rückseite) IN EISERNER ZEIT (Vorderseite) 169

Sicherlich ist auch in unserem Landkreis in mancher Schublade diese Medaille noch zu finden, und meist kennt der Besitzer den Sinn und die Hintergründe dieser patrioti­ schen Tat seiner Vorfahren nicht. Da die Preise immer mehr stiegen und der Bedarf an Kursgeld stetig zunahm, wurde in der Reichsdruckerei in Berlin in 3 Schichten Geld gedruckt. Es gelang trotzdem nicht, den steigenden Bedarf auszugleichen. Die immer größer werdende Verknap­ pung des Kleingeldes veranlaßte Städte und Gemeinden, auch in unserem Heimatgebiet, eigenes Kleingeld in Form von Notgeld­ scheinen im Nominalwert zwischen 50 Pfen­ nig und 20 Mark herauszugeben. So gab die Stadt Donaueschingen im Oktober 1918 der Uhland’schen Buchdruk­ kerei in Stuttgart den Auftrag zum Druck von Kriegsgeld zum Nominal von 10 und 20 Mark, das allerdings nur bis zum 1. Februar 1919 als Zahlungsmittel gültig war. Auf beiden künstlerisch sehr gut gestalte- ten Scheinen ist auf der Vorderseite das Rat­ haus mit dem Stadtwappen abgebildet, die Unterschrift vom Bürgermeister gibt dem Schein die Gültigkeit als Zahlungsmittel. Auf der Rückseite ist die Stadtpfarrkirche St.Johann, ein Baaremer Trachtenpaar und die an der Donauquelle im Schloßhof ste­ hende allegorische Skulptur der Mutter Donau zu sehen, die der jungen Donau den Weg ins Schwarze Meer weist. Die Stadt Furtwangen gab am 30. Okto­ ber 1918 Gutscheine über 10 Mark aus, die ebenso wie die am 6. November 1918 heraus­ gegebenen Werte über 5 Mark auf der Vor­ derseite sehr einfach gestaltet waren. Beide Rückseiten ließ man unbedruckt. Man hatte es eilig, schnell zu Kleingeld zu kommen. Bereits am 1. Dezember 1918 mußten wei­ tere Nominale gedruckt werden, um dem Kleingeldmangel abzuhelfen. Während auf den beiden ersten Scheinen vom Oktober und November noch eine Einlösungsfrist aufgedruckt war, verzichtete man bei diesen llr. 15291 170 ltAcl)c,l)mun9 •• ‚Orrfllfd)une … ,rb J•..J’•&d)t(id) 1> .. fotet

Scheinen aus gutem Grund auf eine schon vorbestimmte Einlösungsfrist. Alle Scheine hatten eine gleiche sehr dekorative Vorder­ seite, mit Tannenzweigen, Tannenzapfen, Silberdisteln und Beerentrauben der Eber­ esche geschmückt. Auch fehlte nicht das Stadtwappen und die Unterschriften von Bür­ germeister Herth und Ratsschreiber Mairan. 171

O}lllttg nur bis 1. !Jelruor 1919. !Biltgmnrifla. � �3 !Rac{i�numgtn fltafhr. ����JB���������� Der Leiter der Außenstelle Furtwangen der Gewerbehalle Karlsruhe, Architekt und Stu­ dienrat K. Lederle war der Künstler, der alle diese künstlerisch sehr ansprechenden Scheine der Stadtgemeinde Furtwangen schuf 172

– – -· – � • t – — � • – – -� – Schwarzwälder Uhrenträger vor dem heute nicht mehr bestehenden „Zähringer­ hüsle“ in Schollach Furtwanger Trachtenmädchen beim Strohflechten }Jer .3rit1110tlit mit btm bte Cßüfügk.tit :nlXtq�na.. . · abutuft, wiril öJrtntltrf] bfflltttnt gtgtbrn. Jtrllfl’= 173

Der gegenüber dem Bahnhof Triberg liegende Hohnenhof mit der schwarzwald-typischen Hofkapelle Die Stadt Furtwangen vom Sommerberg aus gesehen 174

Skiläufer auf dem Brend beim Raben 175

Alle Scheine Furtwangens wurden von der heimischen Fa. Wilhelm Kirchberg, heute K. Leitz, und von der nicht mehr bestehenden Fa. Andreas Uttenweiler hergestellt. Auch die Stadt St. Georgen konnte sich der Notwendigkeit des Druckens von Geld­ ersatz nicht entziehen. Am 15. Oktober 1918 wurde ein einfacher, einseitiger Schein über 5 Mark herausgegeben, der nur bis zum 20.November „giltig“ war. – – – – – – — – – –=-=-=–= — Beide Scheine, reich verziert mit Orna­ menten und den in Blindprägung ange­ brachten Wappen der Stadt St. Georgen, wurden von der Doe­ ring’schen Kunst­ druckerei Karlsruhe hergestellt 176

Ähnlich wie in Furtwangen mußte man sehr schnell mehr Kleingeldscheine herstellen. Man beauftragte keinen Geringeren als den Karlsruher Künstler, Professor Karl Kusche, der bereits für die „Haupt- und Residenz­ stadt Karlsruhe“ einen Schein entworfen hatte, mit Entwürfen für 5- und 10-Mark­ Scheine, die am 1.11.1918 als „Kriegsgeld“ ausgegeben wurden. Das Deutsche Kultur­ museum Leipzig bescheinigte seinerzeit, daß die Scheine „in solch künstlerischer Weise“ hergestellt wurden, daß man sie in der „aus­ führlichen Broschüre“ ausdrücklich erwäh­ nen wolle. Außerdem erkundigte man sich nach dem Künstler, denn Kusche hatte auf seine Urheberschaft nur mit „A. K“ hinge- wiesen. Auch für die badischen Städte Wein­ heim, Gaggenau, Gernsbach und Forbach entwarf Kusche Geldscheine. In Triberg ließ Bürgermeister de Pelle­ grini schon am 25.Juli 1918 bei der Universi­ tätsdruckerei Poppen und Ortmann in Frei­ burg zwei Scheine zum Nennwert von 50 Pfennig herstellen. Diese netten kleinen, far­ bigen Scheine zeigen auf der Vorderseite wie üblich den notwendigen Text, das Ausgabe­ datum, die Gültigkeitsdauer, das Stadtwap­ pen und die Unterschrift des Bürgermeisters. Die Rückseite ist entweder mit einer Schwarzwälderin mit Triberger Tracht oder dem Uhrenhändler verziert. Eine Serie Scheine wurde auf Wasserzeichenpapier gedruckt. 177

Knapp 3 Monate nach Herausgabe dieses Kriegsgeldes wurde eine weitere Serie Kriegs­ geld bei Poppen und Ortmann in den Wer­ ten 5 Mark und 10 Mark hergestellt. Diesen beiden weniger liebevoll gestalteten Schei­ nen, die nur im Einfarbdruck gemacht wur- den, sieht man die Notwendigkeit der Beschaffung von Ersatzzahlmitteln direkt an. Die Vorder- und Rückseiten beider Scheine sind gleich, kein Bild ziert mehr den Kriegsgeldschein. 178

Wie sehr sich die allgemeine Situation verschlechterte, kann man deutlich an den beiden am 15. Oktober 1918 herausgegebe­ nen Nominalen von 5 und 10 Mark erken­ nen. Die einheimische Firma L. Schönen- berger bekam den Druckauftrag für die nur einseitig und auch einfarbig bedruckten Nominale. Es war nun kein Kriegsgeld mehr, sondern ein Gutschein, der nur einen Monat „giltig“ war. 179

Die erste Stadt im Kreisgebiet, die eigenes Geld druckte, war Villingen. Der niedliche kleine Schein wurde Kriegsgeld genannt. Er erblickte sinnigerweise am 1. April 1918 das Licht der Welt. Das reich verzierte Villinger Wappen ist, außer der wohl Steine darstellen­ den Randverzierung, der einzige Schmuck der Vorderseite. Die Rückseite wird vom alten Rathaus und umgebenden Ornamenten geschmückt. Erstaunlich ist die lange Gültig- Beide Scheine sind mit der Faksimile-V n­ terschrift des Bürgermeisters versehen. Der Rechnungsamtsleiter Flößer war sicherlich viele Stunden beschäftigt, um daneben handschriftlich sein Signet anzubringen. Selbstverständlich waren alle Scheine auch mit einer fortlaufenden Nummer paginiert worden, und außerdem wurde noch das Stadtsiegel gestempelt. Kein kleiner Auf­ wand für diese kurzlebigen Scheine. 180

keitsdauer dieses Scheins bis zum 1. April 1920. Über 130.000 dieser Scheine wurden in der Uhland’schen Buchdruckerei, Stuttgart, hergestellt. Mit zu den schönsten Notgeldscheinen unseres Kreises gehören die nun Kriegsnot­ geld genannten Nominalen von 5 Mark und 20 Mark, die ab 15. November 1918 bis 1. Februar 1919 Gültigkeit hatten. Die graphi­ sche Kunstanstalt Pfaff in Lahr schuf diese Scheine, die auf den Vorderseiten das Villin- ger Wappen mit viel Ornamentik zeigen. Die Unterschrift vom damaligen Bürgermeister Lehmann ist aufgedruckt, und jeder Schein wurde von Hand mit einem Paginierstempel bedruckt. Sehr eindrucksvoll ist die Rück­ seite der Scheine. Stolz steht am linken Rand der Villinger Lokalheld Romeius mit dem erbeuteten Rottweiler Stadttor vor der rechts daneben befindlichen Stadtsilhouette nach dem bekannten Kupferstich von Merian um ca. 1640. 181

Insgesamt sieben Städte und drei Geld­ institute unseres Kreisgebietes gaben Not­ geld aus. Auch eine ganze Reihe Firmen waren gezwungen, durch Druck eigenen Gel­ des der Geldnot abzuhelfen. Jedoch nur die bisher aufgeführten Städte gaben Kriegsnot­ geld aus. Die einstmals so strenge Währungs­ politik im Kaiserreich kam immer mehr ins Wanken. Am 11.11.1918 wurde der von den Alliierten geforderte Waffenstillstand durch die parlamentarische Reichsregierung unter Max Prinz von Baden abgeschlossen. Mit dem Kriegsende begann nun für uns eine wirtschaftliche Not, die schrecklich werden sollte. Die Reparationskosten stiegen ins Uferlose, und die Inflation nahm ihren Fort­ gang. Viele Städte und Gemeinden im Reichsgebiet gaben wieder von 1920 an eige­ nes Geld aus. Von den Städten und Gemein­ den unseres Landkreises beteiligte sich nie­ mand an dieser Aktion, die schlußendlich nur noch Sammler befriedigte, aber auch Geld in die geschröpften Kassen der Kom­ munen brachte. Die Regierung machte die­ sem unkontrollierten Notgeldzauber am 17.Juli 1922 ein plötzliches Ende. Hermann Binder 182 Die blaue Blume Es blüht eine blaue Blume Wohl zwischen rotem Mohn, Die sah schon meine Muhme, Mein Junge ahnt sie schon. Sie wächst nur in der Stille Und liebt die Einsamkeit; Es schweigen Wunsch und Wille, Wo ihre Pracht erfreut. Und wenn mir beim Unkrautjäten Das Blut aus den Fingern quoll, Der Wehmut Gefühle verwehten Bei ihr ganz wundervoll … Und habe ich einstens hienieden Den letzten Seufzer getan, So lockt den himmlischen Frieden Die blaue Blume heran! Josef Albicker

Das „Naturwuider“ des Kirchhofes zu Bucheiberg Über ein merkwürdiges „Naturwunder“ des Kirchhofes zu Buchenberg berichtet M. Friedrich Wilhelm Breuninger, Nürtin­ gen (Württemberg), ,,der Zeit eines defignir­ ten Pralaten des Closters St. Georgen auf dem Schwarztzwald“, im Jahre 1719 in dem von ihm herausgegebenen Werk „Die Ur-�elle des weltberühmten Donau­ Stroms“. Mit vielen Einzelheiten und allen ihm zur Verfügung stehenden Quellen, angefangen von den Aufzeichnungen der Römer, hat sich der Autor des Buches mit dem Thema befaßt. Mit dem Donau-Altertum, den gro­ ßen und kleinen Einflüssen, der Länge, Nutzbarkeit, Schädlich- und Gefährlichkeit, den anliegenden Orten und anderen merk­ würdigen Dingen. So erwähnt er neben Peterzell und Mar­ tinsweiler mit der Burg Waldau, ,,drei Brun­ nen“, die so nahe beisammen sind, daß man mit einer Flinten von einem zum anderen schießen kann. Sie teilen sich, daß der Meer­ Brunnen in die Donau, der Kalten-Brunnen in den Rhein und der Glas-Brunnen in den Neckar fließt. Gemeint ist die große europäi­ sche Wasserscheide auf dem Brogen in Buchenberg (vgl. Almanach 1987, S. 234- 237). Er weist darauf hin, daß der Blitz bei Gewitter hier mehr als an anderen Orten ein­ schlägt und die Erde zu starken Bewegungen und Erschütterungen geneigt ist. Anno 1671 den 7. Februar, am 12. und 14. November 1692, nachts 11. Februar 1715 und morgens am 9. August 1718 waren diese starken Erd­ beben zu spüren. Einige wenige Grabsteine des alten Friedhofes um die St.-Niko/aus-Kirche in Buchenberg sind an der Süd- und Westseite des Gotteshauses aufgestellt 183

Etwas Besonderes treffe man in dem Kirchhof in Buchenberg an. Er liege am Bergabhang, und seine Erde sei von solcher Beschaffenheit, daß eingesenkte Körper mit Haut, Fleisch und Bein innerhalb von bis vier Wochen gänzlich verzehret seien, der Sarg aber verschlossen und unversehrt blei­ bet. Wenn er geöffnet wird, sei nicht mehr das geringste von einiger Materie anzutref­ fen. Unterhalb dem Kirchlein solle nach weni­ gen Tagen weder Sarg noch Leichnam mehr zu finden sein, sich nur noch Wasser zeigen. Er habe sich allzeit die Frage gestellt, ob diese Geschichte wahr sei. Im Jahre 1717 sei der Hauptmann und Amtmann zu St. Georgen, der Amtsverweser und Stadtschreiber zu Hornberg Ernst Treutwein, der Pfarrer der Filiale von Buchenberg Johann Daniel Chiesson von Tennenbronn, wie auch der Landesrenovator Johann Adam Jung der Sache nachgegangen. Sie haben zwei Gräber öffnen lassen und die Angaben bestätigt bekommen. In dem Sarg eines Kindes, das man öffnen ließ, und vor vier Wochen beer­ digt wurde, fand man nur noch ein klein wenig von der Hirnschale. In dem versehrt und geschlossenen Sarg eines Mannes, stellte man nur noch ein geringes Stücklein fest, in das der Leichnam eingewickelt gewesen war. Soweit Fr. Wilhelm Breuninger in seinem Buch. Pfarrer Johann Georg Hermann zu Ten­ nenbronn schreibt am 27. Februar 1812 in einem Bericht, den er an das Dekanat Horn­ berg über die alte St-Nikolaus-Kirche und den um die Kirche liegenden Friedhof zu erstatten hatte, unter anderem: Die Kirche, ungefähr von der Größe und Beschaffenheit wie die in Tennenbronn, ist ein wahres Pest­ loch; denn sie steht unten an dem Abhang eines Berges, und von ihr aufwärts bis auf die Ebene liegt der Gottesacker. Dieser ist voller Brunnenquellen, von welches das Wasser von Grab zu Grab sich herab, bis in den zwei Schuh tief in der Erde liegenden Boden der Kirche setzt. Ehemals wadete man oft im Wasser bis in die Stühle, dann zog man end­ lich über diese gräuliche Sentina einen höl­ zernen Boden, daß man jetzt diesen Unrath nicht gleich merkt. Im Sommer entsteht daraus ein unleidli­ cher Gestank, daß wenn man auch noch Nachmittagsgottesdienst hält, den jungen Leuten oft weh wird. Auf dem Dach des Schiffes ist ein Türmchen angebracht, in wel­ chem sich zwei Glocken sind. Orgel ist keine in der Kirche. Das ganze Gebäude ist, die Glocken ausgenommen, des Abbruchs nicht wert. Der Gottesacker liegt, wie oben gemel­ det wurde, bei der Kirche am Abhang des Berges, der noch ziemlich steil ist. Er ist mit einer Mauer umgeben, die ebenso wie die Kirche, mit Schindeln gedeckt und ziemlich schadhaft ist. Im Jahre 1836 wurde durch Ableitung der Brunnenquellen der Friedhof trocken gelegt. Damit wurde auch der beklagten Feuchtig­ keit der Kirche einigermaßen abgeholfen. 1867 erwarb man östlich am Wald Land für einen neuen Friedhof, der ab 1868 belegt wurde. Johann Haller ,,Wenn ich komm vor meine Herren … “ Zwei Protestlieder des armen Taglöhners Jakob Palmtag aus Schwenningen Im späten 18.Jahrhundert kam es in Schwenningen, aber auch sonst in der gan­ zen Gegend hier, zu heftigen Auseinander­ setzungen zwischen Taglöhnern und Bauern wegen der ungerechten Allmendverteilung. Die Not der armen Taglöhner erreichte ein unerträgliches Ausmaß, so daß sie sich zusammentaten, um durch Einzelbriefe oder gemeinsame Eingaben an die Regie­ rung und an den württembergischen Herzog 184

selbst auf ihre erbärmliche Lage aufmerksam zu machen und für mehr steuerliche Gerech­ tigkeit zu streiten. Kennzeichnend für die Stimmung unter den Taglöhnern jener Zeit ist der Brief, den der Schwenninger Weber und Taglöhner Jakob Palmtag am 25.Januar1782 an Herzog Carl Eugen schrieb (Der Text wurde hier, soweit es zum besseren Verständnis nützlich erschien, dem heutigen Sprachgebrauch angepaßt): »Durchlauchtigster Herzog, Gnädigster Herzog und Herr! Eurer Herzoglichen Durchlaucht er­ kühne ich mich zu Gnädigsten Füßen zu fal­ len und um Gnade und Erbarmung kniefal­ ligst zu bitten. Ich hatte das Unglück, daß mir als einem armen Mann von dem Vieh der reichen Bauern die einzigen 2 Viertel Wiesen, die ich besitze, was das Öhmdgras betrifft, abgefressen worden sind. Ich bat den Unteramtmann Schuler dahier, mir ein anderes Stückchen Wiese zum Öhmden anzuweisen; allein, so wie der Amtmann immer auf den Untergang der Armen bedacht ist, so erging es mir auch bei dieser Gelegenheit, und mir wurde mein Gesuch gänzlich abgeschlagen und ich dabei, wie der Amtmann bei jeglicher Gele­ genheit den Armen begegnet, mit (pardon!) ,Schelm‘ und ,Spitzbube‘ belegt. Ich ging hierauf hin und mähte ein Stück­ chen Gemeindewiese, der Amtmann aber ließ mir das Öhmd gleich wieder abnehmen. Ich ersuchte einen Bauern, mir, weil mir eine Wiese abgefressen worden war, zu erlau­ ben, ein Stückchen von seinen Wiesen abmähen zu dürfen, welches er mir auch erlaubte. Weil ich aber statt eines Drittels hiervon die Hälfte abmähte, wurden mir 3 Gulden 15 Kreuzer Strafe angesetzt, und obwohl ich in der äußersten Armut stehe, wurde ich mit fünftägiger Exekution [= Strafvollzug] belegt. Die Bedrückung sämtlicher Taglöhner und armen Bürger dahier ist so groß, daß der größte Teil derselben beinahe darunter ersticken muß, denn der Amtmann gibt sei- ten einem Armen einen anderen Bescheid als unter Ausstoßung der empfindlichsten Schmähworte, und dies veranlaßte mich, die untertänigst angeschlossenen 2 Lieder (weil kein Bürger, außer den Reichen, seine Not vorstellen darf) zu komponieren und zu sin­ gen, worauf ich 8 mal24 Stunden bei Wasser [= eingekerkert] und Brot wurde. inkarzeriert Euere Herzogliche Durchlaucht erkühne ich mich daher in tiefster Untertänigkeit zu bitten, Höchst Erleuchtet Dieselben möch­ ten mir die angesetzten 3 Gulden 15 Kreuzer Strafe gnädigst erlassen und dieserhalb den gnädigsten Befehl an seine Behörde ergehen lassen. Einer gnädigsten Willfahr getröste ich mich in Untertänigkeit und ersterbe in tiefster Unterwerfung als Euer Herzoglichen Durchlaucht untertänigst gehorsamster Jakob Palmtag.“ Nun folgen die beiden Lieder „Wenn ich komm‘ vor meine Herren … “ und „In Schwenningen der arme Mann … „, die Palmtag in verschiedenen Wirtschaften in Schwenningen und Deißlingen vorgetragen hat (auch sie in heutiger Schreibweise): Wenn ich komm‘ vor meine Herren, sprechen sie: ,,Tu dich wegscheren! “ 0 weh! Wenn ich will nutzen mein eigen Gut, so sprechen sie: »Es ist nicht gut.“ 0 weh! Die Spittelgaß ist den Leuten wohlbekannt. Man ist mir nachgesprungen, es ist eine Schand‘. 0 weh! Da hab‘ ich gemäht mit heißen Tränen und hab‘ geglaubt, es könnt‘ nicht fehlen, Oweh! daß ich bekomm‘ Futter für meine Küh‘ ins Haus. Da springen 3 Männer daher, es ist ein Graus. 0 weh! Da hab‘ ich gemeint, sie wollen mich fressen. Sie haben das Schnaufen schier vergessen. Oweh! Sie haben’s getan dem Reichen zu Ehr, und bleibt ihnen doch der Beutel so leer. Oweh! Wenn ein Armer red’t nur ein Wort, 185

Hag ou, hag au, du Birnenkern, du machst den Bauern die Stierlein nicht gern, die Armen zu betrüben. Ei Schwenningen! das liegt im Morast, das macht nur Brücken von Apfelsaft, darüber man sich muß betrüben. Wie wenig den Taglöhnem ihr Aufbegeh­ ren damals genützt hat, läßt sich in Otto Benzings 1985 erschienenem Geschichts­ buch „Schwenningen am Neckar … “ nach­ lesen (S. 271 ff.). Daß es allerdings auf lange Sicht tatsächlich gar nichts genutzt haben sollte, mag man nun auch wieder nicht glau­ ben. Ob sich wohl eine Sozialgesetzgebung, wie wir sie heute in unserem Land haben, hätte entwickeln können, wenn es nicht den mutigen – oder verzweifelten – Widerstand der Benachteiligten gegeben hätte? Das Thema ,,Allmendstreit zwischen Taglöhnern und Bauern im späten 18. und frühen 19.Jahrhundert“ wäre wohl wert, ein­ mal intensiv bearbeitet zu werden, wenig­ stens soweit es Villingen-Schwenningen und Umgebung betrifft. Textmaterial dazu ist in den Stadt- und Landesarchiven reichlich vorhanden. Besonders erfreulich wäre es, wenn sich jemand fände, der die beiden Lieder des Jakob Palmtag, deren Melodien ja nicht überliefert sind, in ihrer Originalfassung neu vertonte. Dr. Manfred Reinartz Anm.: Observanz = Brauch, Herkommen, Gewohnheitsrecht; manutenieren = bewahren, erhalten, handhaben; Origi.nale der zitierten Texte im Hauptstaatsarchiv Stuttgart unter Signatur A 213, Büschel 2926, Nr. 17. so heißt es gleich: „Pack dich! Nur fort!“ O weh! Mein‘ Armut hab‘ ich nicht zur Schand‘, ich muß mich nähren mit meiner Hand, O weh! daß ich bekomm‘ mein Stücklein Brot, daß ich es hab‘ zu großer Not. 0 weh! Der Reiche denkt in seinem Herzen, er könnte wohl mit den Armen scherzen. O weh! Aber, o du Reicher mit deinem Gut, schau nur, wie’s in der Hölle tut! 0 weh! Der reich‘ Mann ist gestorben, ist in der Höll‘, daß seine Seel‘ muß bleiben ewig in der Höll‘. Muß auch ewig brennen und braten wegen seiner großen Missetaten. 0 weh! Er wollt‘ abkühlen seine Zunge in der Höll‘, aber die verfluchte Seel‘, es ist gefehlt! 0 weh! Der Arme aber starb mit frischem Mut und hat es in dem Himmel gut. Ist gut! Der Arme ist gekommen in Abrahams Schoß und ist worden von Sünden los. Ist gut! Wenn ich aber denk an meine große Armut, so ist’s nur besser als dem Reichen mit seinem Gut. Ist gut! In Schwenningen der arme Mann leid’t große Not und Untergang, leid’t große Not und Schrecken. Vor ungefähr 15 Jahren her der arme Mann so gar ist beschwert mit Schweiß ward er beladen. Meine Herrn haben dem abgewischt, sie haben die Tränen ans Rathaus g’flickt, darannen tun sie hangen. Warum daß ich kein Kühlein mehr hab? Meine Herren bringen mich an’n Bettelstab, dies‘ warten sie mit Verlangen. Meine Herrn die machen so ein Recht, sie teilen den Morgen auf 3 Pflugrecht, das Recht zu manutenieren. Eine alte Observanz das ist es nicht, es ist nur meiner Herrn ihr Gedicht, das Unrecht z‘ mantunieren. 186

Persönlichkeiten der Heimat Der „Löwe der Baar“ – Ein Mann in seiner Zeit Otto Weissenberger – Bürgermeister und Kurdirektor i. R., Ehrenbürger der Stadt Bad Dürrheim von Bad Dürrheim konnte mangels Zeit und Gelegen­ heit nicht seine Idee verwirkli­ chen, nach Wehrübungen bei der Bundeswehr Major oder gar Oberst der Reserve zu wer­ den. schon Denn Offizier war Otto Weissenberger im Krieg bei der Luftwaffe. Doch der Wunsch seines Vaters, des Zollbeamten im badischen Laufenburg und späteren Vorstandes des Zollamtes Neuhaus auf dem Hohen Randen, in dessen altem Truppenteil, beim Infanterie­ Regiment 114, die Offiziers­ laufbahn in der Reichswehr einzuschlagen, war nicht in Erfüllung gegangen. Aber – wie er selbst in seinen zum 80. Geburtstag des „Löwen der Baar“ erschienenen „Gedan- ken und Erinnerungen von und über Otto Weissenber­ ger“ schreibt -, damals trösteten ihn Groß­ mutter und Mutter mit den schlichten und deshalb so herzlichen Worten: ,,Offizier hin oder her, Du bleibst unser Bub.“ Mit den Qualitäten eines guten Offiziers – menschliches Vorbild, straffe Führung, fachliche Tüchtigkeit, Mut und Gerechtig­ keit gegenüber jedermann – hat sich der spä­ tere „Schultes“ Respekt und Anerkennung verschafft, und zwar in der Ministerialbüro­ kratie wie in den Kommunalverwaltungen, in Verbänden und vor allem in allen Bevöl­ kerungskreisen. Der aus Krieg und Gefan- 187 Aus Anlaß s�ines 70. Geburtstages imJahre1981 wurde das erfolgreiche Wirken von Otto Weissen­ berger im Almanach 1982, S. 230/231, gewür­ digt. Nach dem Eintritt ins 9 . Lebensjahrzehnt im Jahre 1991 hat auf Bitten der Redaktion der Herausgeber des im Jahre 1991 erschienenen Buches über den „Löwen der Baar“ einen weite­ ren Beitrag zur Verfügung gestellt. Wenn er etwas bereut nach all den mit Erfolgen erfüllten Jahren als Kommunalpoli­ tiker, Bäder- und Kurort-Verbandspräsident und nicht zuletzt noch als Hochschullehrer: Der frühere Bürgermeister und Kurdirektor

genschaft heimgekehrte Stadtbaumeister von St. Georgen gehört zu jener „betrogenen Generation“, die wertvolle Jahre ihres per­ sönlichen und beruflichen Lebensaufbaus verloren hat. Aber Otto Weissenberger hat nicht nur das Glück des Tüchtigen gefunden. Treu an seiner Seite steht ihm seit 1935 als verständ­ nisvolle und geduldige Weggefährtin durch helle und dunkle Zeitläufe seine Jugendliebe Hedwig Franziska, die Tochter des Radolf­ zeller Verlags- und Druckereibesitzers, Red­ akteur der „Bodensee-Zeitung“, Ferdinand Schmitz, einer der einflußreichsten Zen­ trumspolitiker im südlichen Baden nach dem Ersten Weltkrieg. Dessen politische Grundhaltung und sensibler Weitblick haben den Oberleutnant Weissenberger im Stab der 3. Nachtjagd-Division vielleicht auch vor einer falschen Entscheidung bewahrt, die ein junges Leben verändert, ja wahrscheinlich beendet hätte. Richtig entschieden haben bestimmt die Bürger von Bad Dürrheim am 17. Oktober 1954. Unter sage und schreibe 52 Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters wählten sie bei hoher Beteiligung mit absoluter Mehr­ heit, mit rund 60 Prozent aller abgegebenen Stimmen, den Stadtbaumeister von St. Georgen zu ihrem neuen Bürgermeister. Otto Weissenberger war gewarnt worden vor den Problemen und Aufgaben in einem ,,Dorf mit der Vorsilbe Bad“. Am Wahl­ abend gratulierte ihm ein erfahrener Kom­ munalpolitiker und Unternehmer mit dem Ausspruch des Feldhauptmanns Georg von Frundsberg: ,,Mönchlein, Mönchlein, du gehst einen schweren Gang.“ Das bekam der junge Bürgermeister recht schnell zu spüren. Denn das ureigene Leben der Gemeinde und die kommunalen Aufga­ ben, ob bei der Wasser- und Stromversor­ gung, im Bäderwesen wie in der Grund­ stückspolitik, lagen völlig in der Hand der staatlichen Saline. Originalton Weissenber­ ger (in seinem oben genannten Buch): ,,Hier bleibe ich nicht. Das Rathaus ist nichts ande­ res als eine Postabfertigungsstelle. Die Kur- 188 verwaltung ist ein Mitläufer der Staatssaline. Sie kostet Geld-und bringt nichts ein.“ Und dem Villinger CDU-Landtagsabgeordneten Karl Brachat erklärt er unverblümt: ,,Bad Dürrheim ist keine selbständige Gemeinde. Das ist nicht mehr als ein Vasall der staatli­ chen Saline, das heißt des Landes.“ Jetzt war „Feuer unterm Dach“. Die Bad Dürrheimer „Palastrevolution“ fand gehöri­ ges Echo in der Presse. Und die Saline, das großherzoglich-badische Erbstück, gab nach harten Verhandlungen mit dem Salinen­ Aufsichtsrat und damaligen Ministerialdi­ rektor im Stuttgarter Finanzministerium, Staatsrat Paul Vowinkel, die Wasser- und Stromversorgung sowie das Bäderwesen an die Gemeinde ab. Nach diesem kommunal­ politischen Durchbruch überkommener und überalterter Verwaltungsstrukturen konnte die grundsätzliche Neuplanung für ein neues Kurmittelhaus und die Neuorgani­ sation des zukünftigen Kurbetriebs begin­ nen. Die Voraussetzungen für das Wachsen und Werden Bad Dürrheims waren geschaf­ fen. Freilich – und der heutige Ehrenbürger Otto Weissenberger weist ausdrücklich dar­ auf hin: ,,Die großherzogliche, später badi­ sche und würrtembergische Saline selbst ist die Basis zur Entwicklung der Kur- und Bäderstadt von heute. Ohne Saline, ohne Sole, ohne Frühinvestitionen des Großher­ zogtums Baden, des Landes Baden und des späteren Landes Baden-Württemberg wäre Bad Dürrheim Dorf geblieben. Es gilt, dies bis weit in künftige Generationen festzuhal­ ten.“ Mit den Pfunden wuchern – nach dieser alten Regel aktivierte Otto Weissenberger nach seiner glänzenden Wiederwahl im Jahr 1962 in gestärkter Bürgermeister- und Kurdi­ rektor-Position die Kommunalpolitik. Für die CDU kandidierte er 1965 im Kreistag des damaligen Landkreises Villingen mit dem Wahlslogan: ,,Wählt Otto Weissenberger – Hinter der Ofenbank ist nichts zu erben!“ – und erhielt die meisten Stimmen. Fraktions­ vorsitz im Kreisrat und Kreistag, dessen Erster Landrats-Stellvertreter, in den glei-

eben Funktionen auch im neuen Kreistag des Schwarzwald-Baar-Kreises, und später der Vorsitz im Regionalverband Schwarz­ wald-Baar-Heuberg waren folgerichtig und eigentlich selbstverständlich. Kluges Ver­ handeln und diplomatisches Geschick, mutiges Kämpfen mit dem Willen zur Ent­ scheidung und dazu eine rhetorische Bega­ bung – das sind die markanten Eigenschaf­ ten, die einem Mann weit über sein Tätig­ keitsfeld hinaus Achtung, ja Bewunderung und Wertschätzung gebracht haben. Daß „eine Stadt auch Staat machen muß“ -diese Auffassung des früheren Ministerprä­ sidenten und späteren Bundeskanzlers Kurt Georg Kiesinger wurde in Bad Dürrheim wohl verstanden und zeit- wie ortsgerecht praktiziert. Da konnte es eben passieren, daß der Bürgermeister und Kurdirektor bei der Landesvertretung Baden-Württembergs in Bonn mit „Exzellenz“ angesprochen wurde, weil ein höherer Beamter ein Diplomaten­ Ehepaar „in Schale“ zu begrüßen glaubte. Otto Weissenberger reagierte darauf ganz trocken: ,,Ich bin keine Exzellenz, ich bin der Schultes von Bad Dürrheim.“ Den richtigen und zutreffenden „Mar­ kennamen“ hat er sich dann beim „Jahrhun­ dert-Vorhaben“ der Verwaltungsreform in Baden-Württemberg erworben. Otto Weis­ senberger kämpfte dabei wie ein Löwe um seine Jungen, um die Selbständigkeit Bad Dürrheims, das nach den ersten Plänen des Innenministeriums zum „Oberzentrum Vil­ lingen- Schwenningen“ kommen sollte. Das durfte und konnte nicht wahr werden! Bad Dürrheim mußte aus selbstverständlichen, weil kommunal- und kurortpolitischen Gründen auch selbständig bleiben. Diese Forderung verfolgt der Bürgermeister und Kurdirektor auch als inzwischen gewählter Präsident des Heilbäderverbandes Baden­ Württemberg und des Wirtschaftsverbandes aller deutschen Heilbäder und Kurorte im Deutschen Bäderverband. Und so wurde Bad Dürrheim auch „kein Potsdam für das Oberzentrum Villingen-Schwenningen“. Man müsse einen „vernünftigen Weg für die Heil- bäder und Kurorte finden“, meinte der damalige SPD-Innenminister Walter Krause bei einem Besuch im Hause Weissenberger. Mit diesem Votum warb Otto Weissen­ berger auch als Kreistagsmitglied in den Nachbargemeinden für ein starkes „Mittel­ zentrum“. Seine Aktivitäten brachten natür­ lich politischen „Knatsch“. Vom Klengener Bürgermeister stammt der Ausspruch: ,,Der Löwe grast im Kreis.“ Seither hat der Bad Dürrheimer Schultes seinen Namen: Löwe der Baar. Ihn respektierten auch politische Gegner und die vielen persönlichen Freunde in allen Bereichen des öffentlichen Lebens, wenn auch die „Löwen-Natur“ zwangsläufig Anstoß erregen mußte. So rief ihn nach einer Probeabstimmung im Brigachtal zugunsten Bad Dürrheims der damalige Innenminister Karl Schieß an: ,,Des goht so ‚it wie Du monscht. Du dätsch am liebschte des ganze Ländle kassiere!“ Nun, es ging dann doch. Weil gute Argumente, für jeden Bürger, nicht nur für den politischen „Profi“ ver­ ständlich gemacht, das Bewußtsein der Men­ schen verändern können. Und diese Kunst beherrschte Otto Weissenberger meister­ haft. Auf der Baar sind für die deutschen Heil­ bäder und Kurorte neue Impulse geweckt worden. Bad Dürrheim hat Beispiele für eine zeitgerechte Bäderpolitik geliefert. Bäderar­ chitektur, Verzahnung der Kommunal- mit der Kurortpolitik, Bäderwirtschaft und neue Wege der Therapie haben in Wissenschaft und Forschung nationale und internationale Aufmerksamkeit gefunden. Otto Weissen­ berger war zu Vorträgen und Beratungen in fast alle Länder Europas eingeladen. Als ihn in der Schweiz ein Reporter fragte: ,,Herr Prä­ sident, können Sie mir sagen, was ist eigent­ lich ein Kurdirektor?“, ärgerte er sich nicht lange über so eine Frage, er konterte auf ale­ mannische Art: ,,Ein Kurdirektor ist ein Kur­ hauseck, an dem sich reiben Sau und Böck.“ Und dann gibt es so treffende Aussprüche, wie sie der frühere Wirtschaftsminister Mar­ tin Herzog bei der Verabschiedung des ,,Otto Bäderpräsidenten formuliert hat: 189

Weissenberger ist ein Architekt des deut­ schen Bäderwesens. Er ist eine gelungene Kreuzung zwischen einem klugen, weitsich­ tigen baden-württembergischen Bürgermei­ ster und einem englischen Lord.“ Diesem Mann mit Weitblick über den eigenen Tellerrand hinaus war längst klar, daß die Zeit der Amateure und Anlernlinge vorbei war, also das „Selbstgestrickte“ aus den Rathäusern den Anforderungen einer modernen Kur- und Fremdenverkehrspoli­ tik nicht mehr genügte. Seine Bemühungen um eine gute Nachwuchs-Ausbildung führ­ ten zur Einrichtung des Studienfachs Touri­ stik-Betriebswirtschaft an der Fachhoch­ schule Heilbronn. Die Gastvorlesungen machten nicht nur dem Dozenten Weissen­ berger, sondern wohl noch mehr seinen Stu­ denten bei aller ernsten Arbeit auch viel Freude. Die akademische Ehrung mit dem Titel Senator honoris causa war sicherlich eine Krönung seines Lebenswerks. Nun beobachtet er- zwar im Ruhestand, aber immer hellwach am Puls der Zeit-, was seine Nachfolger aus seinem Erbe machen. Auf seinen Rat können die Jungen nicht ver- zichten, weder in der Gemeinde noch im Kreis oder im Land. Die Baar darf stolz sein auf einen Vollblutpolitiker, der die „Boden­ haftung“ nie verloren hat, auch wenn er bei im Kreistag am 27. seiner „Abmeldung“ November 1989 seinen Kollegen die alte Flie­ gerregel zurief: ,,Bei Bodennebel durchstar­ ten! Uber den Wolken scheint die Sonne! – Adieu, machen Sie’s gut!“ Otto Weissenberger hat sich für die res publica, für Gemeinde, Land und Staat in die Pflicht genommen, geformt von den Grund­ elementen einer Erziehung im katholischen Elternhaus: Ordnung, Disziplin, Gerechtig­ keit und Wahrheit, Kirche und Glauben. Das sind die Wurzeln seiner Kraft, die dem „Grenzbub“ den Mut zum Marsch durch die Institutionen unserer Gesellschaft gegeben hat. Ob dabei ein Mann Richtiges und Gro­ ßes geleistet hat, liegt nicht einfach nur darin, daß einer mehr getan hat, als er tun mußte. Leistung und Verdienst haben weit mehr da ihren Ort, wo der Mann seine Zeit findet – und die Zeit ihren Mann. Johannes Mohn Hans Frank Bürgermeister aus Berufung Hans Frank hat Bürgermeister werden müssen. Das, so kann man es in der von ihm 1978 verfaßten, 220 Seiten starken Schlußbi­ lanz zum 7305tägigen Wirken in Furtwan­ gen nachlesen, ist Berufung gewesen. Im Wohnzimmer seines Hauses am Kussenhof sitzend, unterstreicht der 73jährige Altbür­ germeister und Ehrenbürger der Stadt Furt­ wangen die damals gebrauchten Worte. Und auch, was in seiner Rückschau auf eine 20jäh­ rige Amtszeit als persönliches Erfolgsrezept niedergeschrieben steht: Ein Bürgermeister kann dann ein guter Bürgermeister sein, wenn sich zu profunden Verwaltungskennt­ nissen die Erfahrungen aus kommunalpoli­ tischer Praxis hinzugesellen. Bei Hans Frank waren diese Grundlagen in hervorragender Weise gegeben: In der Nachkriegszeit führte ihn sein beruflicher Werdegang zum Landratsamt Mannheim. 1955 legte er dort mit Erfolg die Prüfung für den gehobenen Verwaltungsdienst ab und 1956 und 1957 war er als Regierungsinspektor in der Revisionsabteilung dieser Behörde tätig; in engem Zusammenwirken mit Land­ rat Valentin Gaa, dem Finanzexperten der CDU-Landtagsfraktion und väterlichen Freund Franks, der ihm das notwendige Rüstzeug für den Einstieg in das Furtwanger Bürgermeisteramt vermittelte. Seine kommunalpolitische Praxis hat sich Hans Frank über zehn Jahre hinweg als Mit- 190

unter der politischen Willkür im Nazi­ Deutschland. Der SPD war der Vater nach dem Ersten Weltkrieg beigetreten, um sich in ihr für die Belange der Arbeiter zu engagie­ ren. Der politischen Überzeugung wegen wurde Johann Frank nach 1933 vorüberge­ hend in Schutzhaft genommen und unter Polizeiaufsicht gestellt. Die Angst vor dem Zugriff der National­ sozialisten war für die Familie Frank ein stän­ diger Begleiter. Das Verteilen illegaler Flug­ blätter, politische Zusammenkünfte bei Freunden, vor allem eine zufällige Begeben­ heit prägen nachhaltig die Erinnerungen an die Jugend: Hans Frank fegt vor dem Wohn­ haus der Eltern die Straße, als sich ein Rad­ fahrer nähert, bei dem der Vater ein Stück Seife erwirbt. Wenig später findet Frank auf dem Gehsteig ein ungewöhnliches Stück Papier. Der Vater erschrickt, nimmt das Papier an sich und ißt es umgehend auf: Der Radfahrer war ein SPD-Kurier, der nachrich­ ten der Exil-SPD aus der Tschechoslowakei überbrachte, die in die Verpackung der Sei­ fenstücke eingewickelt wurden. Hans Frank in seinen Erinnerungen: ,,Aus diesen Eindrücken und dem Erlebnis des Krieges wollte ich mithelfen, die Nachkriegs­ probleme zu lösen. Ich war überzeugt, daß keine politische Gruppe imstande sein würde, den idealen Staat zu bauen. Keine würde mehr als Annäherungen an das Gute und Rechte zu leisten vermögen. Doch mir schien, daß die Partei mit der Tradition der SPD am ehesten die Gewähr dafür bot, einige meiner Vorstellungen von dem, was die Stunde uns abforderte, zu verwirklichen. Am 1. Januar 1946 trat ich in die SPD ein.“ In Schwetzingen, dem Ort seines kommu­ nal politischen Wirkens in jungen Jahren, sammelte Hans Frank 1954 auch die ersten Erfahrungen als Bürgermeisterkandidat, um 1957 in St. Georgen ein weiteres Mal seine leidenschaftliche Begeisterung für dieses Amt in einen Wahlkampf einzubringen. Nur sechs Wochen später stand Hans Frank am Rednerpult in der mit 750 Bürgern gefüllten Furtwanger Festhalle! Das war im Oktober 191 Am Rednerpult bei der Verabschiedung aus dem Bürgermeisteramt im Jahr 1977 glied der Schwetzinger SPD-Fraktion ange­ eignet. Mit 27 Jahren war er der jüngste Kom­ munalpolitiker der Stadt und wurde auf Anhieb mit der höchsten Stimmenzahl in den 24köpfigen Gemeinderat gewählt. Damit honorierte die Schwetzinger Bevölke­ rung Franks sozialen Einsatz im Nachkriegs­ deutschland: Hans Frank war in den Jahren des Wiederaufbaus eine vielgefragte Anlauf­ stelle für Flüchtlinge, die keinem Menschen in Not die dringend benötigte Hilfe versagte. Notzeiten hatte Frank selbst lange genug bestehen müssen. Am 7. Oktober 1919 in Offenburg gebo­ ren, wurde die Jugend von der wirtschaft­ lichen Krise der 30er Jahre und den Verhält­ nissen im Dritten Reich überschattet. Der Vater, wie der Großvater aktives Mitglied der SPD, litt als selbständiger Zimmermeister unter der allgemeinen wirtschaftlichen Lage und aufgrund seines Parteibuches zudem

Letzte Gemeinderatssitzung unter Regie von Hans Frank, im Dezember 1977 Wiederwahl zum Furtwanger Bürgermeister im Oktober 1965 192 Empfang von Staatssekretär Erwin Teufel Januar 1974

1957 und bereits im November des selben Jahres hatte sich die Lebensaufgabe gefun­ den: Mit 58,2 Prozent der Stimmen wurde der Schwetzinger im zweiten Wahlgang zum Furtwanger Bürgermeister gewählt. Ein Ergebnis, das in der CDU-Hochburg Furt­ wangen ein mittleres Erdbeben auslöste, wie sich Frank erinnert. Eindrücke aus dieser Anfangszeit in Furt­ wangen schilderte CDU-Stadtrat und Bür­ germeister-Stellvertreter Udo Zier im Jahr 1977 bei der Verabschiedung von Hans Frank aus dem Amt des Bürgermeisters: „Am 9.Dezember 1957 trat der neue Bürgermei­ ster Hans Frank, der erste SPD-Bürgermei­ ster des alten Kreises Donaueschingen, im CDU orientierten Furtwangen seinen Dienst an. Dieser Beginn wurde begleitet von Freude und Begeisterung auf der einen Seite, jedoch mit genau soviel Skepsis auf der ande­ ren Seite, insbesondere aus dem Kreise der heimischen Wirtschaft und der CDU mit ihren Freunden. Der neue Rote war ja eine völlig unbekannte Persönlichkeit. Die große Frage war, wie geht es weiter, was passiert, was ändert sich? Ein ruhiges besonnenes Schwarzwaldstädtchen mit 5000 Einwoh­ nern, einem Haushalt von 1,8 Millionen Mark sowie einer gesunden, vorsichtig auf­ strebenden Wirtschaft nahm Bürgermeister Frank auf. Ein neuer Motor begann seine Kraft zu entfalten.“ Was folgte, ist das bedeutendste Stück Furtwanger Kommunalgeschichte der Nach­ kriegszeit. Das Bild der Stadt und deren Infrastruktur änderten sich nachhaltig, was eindrucksvoll die Haushaltszahlen wider­ spiegeln. Als Hans Frank das Bürgermeister­ amt seinem Nachfolger übergab, umfaßte der städtische Haushalt nicht mehr 1,8 Mil­ lionen, sondern ein Volumen von nahezu 50 Millionen Mark, in den Jahren 1968 bis 1972 waren es sogar 80 Millionen Mark, und die Einwohnerzahl Furtwangens hatte sich mehr als verdoppelt. Eine der vordringlichsten Aufgaben der Ära Frank war bei Amtsantritt im Jahre 1957 die generelle Verbesserung der Infrastruktur der Stadt, und damit einher ging die Beseiti­ gung der akuten Wohnungsnot. Bereits in den ersten Tagen der Furtwanger Amtszeit lernte Frank in den Bürgermeister-Sprech­ stunden die Ausmaße dieser Not kennen, als 10, 20 und noch mehr Wohnungssuchende bei ihm vorstellig wurden. Insgesamt 295 wohnungssuchende Familien gab es im Jahr 1958, so daß die sofortige Erschließung neuer Wohnbaugebiete am Ilben und im Bühldobel begonnen wurde, was dank einer weitsichtigen Bodenpolitik in kurzen Zeit­ räumen möglich war. Der Stadt gelang es, ganze Baugebiete in die Hand zu bekom­ men, nicht nur am Ilben, sondern auch am Kussenhof oder im Mäderstal, wo eine Land­ siedlung entstand. Hinzu kamen etliche Mehrfamilien-Haus-Projekte in Zusammen­ arbeit mit gemeinnützigen Wohnbaugesell­ schaften, darunter die Neue Heimat. Furtwangen nahm dank dieser engagiert vorangetriebenen kommunalen Wohnbau­ politik eine rasche Aufwärtsentwicklung. Da die Flächen in Tallage längst nicht mehr aus­ reichten, um die Bedürfnisse der ständig stei­ genden Zahl an Einwohnern befriedigen zu können, begann die Stadt verstärkt die Berg­ hänge hinaufzuwachsen, was wiederum stets neue Anforderungen an die Infrastruktur stellte. So waren der Bau von Straßen, wohn­ ortnahen Schulen und Kindergärten sowie eine Vielzahl weiterer öffentlicher Einrich­ tungen die notwendigen Folgen dieser Ent­ wicklung. In den ersten fünf Jahren der Amtszeit Franks investierte die Kommune insgesamt 6,5 Millionen Mark in die Erschließung von Baugelände, in den Stra­ ßenbau und in die Kanalisation. In dieser Summe enthalten sind weiter ein Freibadbau und der Krankenhausumbau. Der zweite Fünf-Jahres-Plan sah dann folgerichtig den Schulhausbau im Ilbental (Anne-Frank-Schule, Progymnasium sprich heutige Hauptschule) und die Kläranlage vor, was Ausgaben in Höhe von zehn Millio­ nen Mark allein für diese beiden Bereiche erforderte. Damit stieg die Furtwanger Schuldenlast gewaltig an, doch gelang es 193

Bürgermeister Frank, öffentliche Zuschüsse bewilligt zu bekommen, die zu damaliger Zeit ihresgleichen suchten, so daß die Finan­ zierbarkeit gewährleistet war. Der dritte Fünf-Jahres-Abschnitt be­ scherte Furtwangen ein neues Krankenhaus: Für9,8 Millionen Mark wurde ein modernes 120-Betten-Haus errichtet und in unmittel­ barer Nachbarschaft für zwei Millionen Mark ein Personalwohnheim. Allerdings war dieser Neubau ursprünglich nicht geplant, sondern lediglich ein Anbau an das aJte, aus dem Jahre 1927 stammende Krankenhaus vorgesehen. Dieser allerdings, das zeigte sich beim Einstieg in die Detailplanungen, hätte die vorhandenen akuten Mängel und zahl­ reichen Provisorien nicht beseitigen können. So erfolgte am 16. September 1968 der erste Spatenstich für einen Neubau und bereits Mitte Januar 1971 nahm das neue Kranken­ haus seinen Betrieb auf. Zwar ging mit diesem Neubau eine wei­ tere Verschuldung einher, anderseits aber überstand das Furtwanger Krankenhaus durch diesen Schritt, maßgeblicher Motor war Hans Frank, unbeschadet die Folgen der Krankenhausbedarfsplanung des Jahres 1974, in deren Verlauf das Furtwanger Haus als Krankenhaus der Grundversorgung ein­ gestuft wurde. Zahlreiche andere Kranken­ häuser der Furtwanger Größenordnung fie­ len dieser Bedarfsplanung zum Opfer. Das Krankenhaus Furtwangen indes blieb erhal­ ten, denn wer schließt ein 10-Millionen­ Haus kurz nach seiner Eröffnung? Das letzte Viertel der 20jährigen Amtszeit von Hans Frank schließlich kann mit „Sport, Soziales und Schulen“ überschrieben wer­ den. Für Sportanlagen wurden insgesamt zehn Millionen Mark aufgewendet, neben dem Sporthallenbau nahm Frank vor allem das Sportzentrum Breg in Angriff, das 1976 fertiggestellt war. Von großer Bedeutung für das Furtwanger Gemeinwesen war zudem der 1,5-Millionen-Mark-Zuschuß für den Bau des Altenheims in Regie des Caritas­ Altenheimvereins, der der Stadt eine landes­ weit vorbildliche Einrichtung bescherte. Für 194 3,6 Millionen Mark bekamen die Furtwanger Hilfsorganisationen Feuerwehr, Bergwacht, Rotes Kreuz, DLRG und Polizei eine Hei­ mat, es entstand das Rettungszentrum. Nach vielfältigen Geburtswehen, vor allem die Standortfrage war heiß diskutiert, setzte das Otto-Hahn-Gymnasium mit Sporthalle auf dem Oberen Bühl den 16-Millionen-Schluß­ punkt. Mit dem Einzug in diese Schule, der im Rahmen eines Schulversuches eine Real­ schule angegliedert wurde, endete die Furt­ wanger Schulraumnot. In der Amtszeit Franks wurden insgesamt 20 Millionen Mark in neue Schulen inve­ stiert. Das Resümee Hans Franks zu diesem Aufgabenbereich: ,,Ich wollte keinen Flek­ kenteppich der Kurzsichtigkeiten, sondern ein Bildungsangebot in unserer Stadt, das sich in all seinen Stufen als Einheit begreift und das auf das Ziel ausgerichtet war, aufbau­ end auf mittel- und langfristigen Prognosen und Planungen in Furtwangen ein modernes und umfassendes Bildungssystem entstehen zu lassen.“ Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang besonders die 1965 erfolg­ te Anerkennung des damaligen Progymna­ siums als naturwissenschaftliches Gymna­ sium. Damit hatte zugleich die tägliche und zeitraubende Fahrt der Furtwanger Gymna­ siasten mit dem „Bregtäler“ nach Donau­ eschingen ihr Ende und war das schulische Bildungsangebot in Furtwangen komplet­ tiert. Der im Jahre 1965 mit 78,8 Prozent der Stimmen wiedergewählte Bürgermeister erwarb sich im Verlauf seiner zweiten Amts­ zeit zudem vielfältige Verdienste um die Fachhochschule und das Deutsche Uhren­ museum. Udo Zier bei der Verabschiedung Franks aus dem Bürgermeisteramt zu diesem Themenkomplex: ,,Ganz im Verborgenen haben Sie diese Fäden gesponnen und in der Hand gehalten. Ob diese Einrichtungen ohne Ihren Einsatz und ohne Ihre Interven­ tionen heute noch Bestandteil unserer Stadt wären, muß doch mit sehr großen Fragezei­ chen versehen werden.“ Die Stationen dieser Entwicklung: Am 27. April 1963 wurde die

Uhrmacherschule aus der Ingenieurschule herausgelöst und der Ausbildungsbereich der Ingenieurschule um die zukunftswei­ sende Elektronik erweitert. Der staatlichen Ingenieurschule brachte dann die Verkündi­ gung des Fachhochschulgesetzes im Okto­ ber 1971 den Status „Fachhochschule Furt­ wangen“ ein. Hans Frank erinnert sich: ,,Unsere Fach­ hochschule prägt mitentscheidend den Sta­ tus der Stadt, der kleinsten Hochschulstadt Baden-Württembergs. Man hat gesagt, die Fachhochschule sei von der Stadt Furtwan­ gen ertrotzt worden. Richtig ist sicher, daß sie im Kampf mit anderen Überlegungen im Land Gestalt gewann und daß in jahrelangen Bemühungen der Boden für sie bereitet wer­ den mußte. Es sei betont, es war nicht unüberlegter Ehrgeiz, sondern das Wissen, daß Furtwangens wirtschaftliche Entfaltung Grenzen hat und eine Fachhochschule sich als Ergänzung zur heimischen Industrie anbietet. Die Stadt hat es sich dabei nicht leicht gemacht. Sie weiß nüchtern darum, daß die Fachhochschule nicht nur eine Zier ist, sondern Gewichte hat, die getragen wer­ den müssen.“ Soweit Hans Frank. Welch große Bedeu­ tung die Institution Fachhochschule für die weitere Entwicklung Furtwangens hatte, dokumentiert die Gegenwart. Das Know­ how der Hochschule trägt wesentlich dazu bei, daß die mittelständische Industrie der ehemaligen Uhrenstadt einen ständigen Aufschwung nimmt, der sich in einem Spit­ zenaufkommen bei der Gewerbesteuer nie­ derschlägt: Es pendelt heute zwischen 12 und 15 Millionen Mark jährlich. Daß die Furtwanger Finanzkrise von 1983 nach bereits wenigen Jahren der Konsolidierung als bewältigt erscheint, ist hauptsächlich die­ ser enormen Steuerkraft zu verdanken. In die Amtszeit Hans Franks fiel in den 70er Jahren auch die Gemeindereform: Furt­ wangen gliederten sich die ehemals selbstän­ digen Gemeinden Schönenbach, Neukirch, Rohrbach und Linach an. Zu den heutigen Ortsteilen bestanden bereits zuvor enge Kontakte. Hans Frank hatte 1967 die „Bregtä­ ler Gespräche“ eingeführt und bot in diesem Rahmen den kleinen Umlandgemeinden sachkompetente Hilfeleistungen bei der Bewältigung ihrer kommunalen Aufgaben an. Dieses Vorgehen war Bestandteil einer ,,zielstrebigen Außenpolitik“, die unerläßli­ che Grundlage für das Gedeihen einer Stadt sei, wie Hans Frank betont. Zu diesem „Furt­ wanger Rezept“ gehörte auch der ständige Kontakt und Gedankenaustausch mit hoch­ gestellten Landes- und Bundespolitikern. So besuchten auf Einladung Franks die baden­ württembergischen Ministerpräsidenten Kiesinger und Filbinger die Hochschulstadt, kamen Bundesarbeitsminister Blank und Bundesfinanzminister Dr. Alex Möller nach Furtwangen, um sich vor Ort über die kom­ munalen Probleme zu informieren. Hervor­ ragende Kontakte pflegte der Bürgermeister auch zu den Landkreisen, zunächst zum alten Kreis Donaueschingen mit Landrat Dr. Robert Lienhardt an der Spitze und dann zum neugebildeten Schwarzwald-Baar-Kreis mit seinen Repräsentanten Dr.Josef Astfall er und Landrat Dr. Rainer Gutknecht. Hans Frank: ,,Gerade die Informationsbesuche von Dr. Gutknecht waren dank seiner Auf­ geschlossenheit und Entscheidungsbereit­ schaft immer erfolgreich. Wir registrierten das au&nerksam und dankbar.“ Damit allerdings ist längst nicht alles auf­ gezeigt, was Hans Frank auf kommunaler Ebene während seiner 20jährigen Amtszeit in die Wege leitete. Es ist schlichtweg nicht möglich, mehr als ein Stenogramm dessen wiederzugeben, was sich -in Zahlen ausge­ drückt -insgesamt auf ein Bau- und Verwal­ tungsvolumen von 300 Millionen Mark zusammenaddieren läßt! Kommunale Projekte, Haushaltszahlen, Aufschwung bei der Einwohnerzahl, die Sicherung des Status „Unterzentrum“, Gründung einer Jugendmusikschule, Hoch­ schulstadt, Industriestadt, das ist die eine Seite der Ära Franks. Sie dokumentiert die Tatkraft und den kommunalpolitischen Weitblick des Bürgermeisters Hans Frank. 195

Die andere Seite jedoch ist der Mensch Hans Frank, der es genoß, als Bürgermeister zugleich ein Teil der Bürgerschaft zu sein und in einem überschaubaren Bereich die Dinge, wo immer möglich, selbst in die Hand zu nehmen. Und bei aller Tüchtigkeit und Arbeitswut ist Hans Frank kein ungesel­ liger Mensch: Er pflegte die Nachsitzungen am Stammtisch, stand dort gerne als einer der letzten auf und neben dem Gesprächs­ stoff ging ihm dabei auch ein zweites nicht aus: Seine Zigarre, das Wahrzeichen seiner Gesundheit. Frank: ,,Wenn ich nicht rauch, bin ich krank, das wissen die Leute“. Ein Wegbegleiter Franks, auch nach der Zurruhesetzung, ist Stadtpfarrer Josef Beha von der katholischen Kirchengemeinde, der sich 1977 bei der Verabschiedung aus dem Amt einmal mehr glänzend disponiert zeigte und den Menschen Hans Frank in den Blick­ punkt seiner Laudatio rückte‘. In der Erkenntnis, daß ein Abschied keine Beerdi­ gung sei, durchbrach er die Würde der Feier­ stunde mit einer glanzvollen Rede (Badische Zeitung). JosefBeha erinnerte an die Beerdi­ gung des Furtwanger Ehrenbürgers und Stadtpfarrers Stephan Blattmann im Jahre 1963, die im Kreis der Geistlichen noch immer rühmende Erwähnung finde. So lange, von 9 bis 14 Uhr, sei noch nicht einmal ein Erzbischof beerdigt worden. Offene Bewunderung zeigte Stadtpfarrer Beha auch für die Begabung des Stadtober­ hauptes als Prediger. Neidlos bekannte Beha, daß Hans Frank beim Neujahrsempfang der Stadt schon bessere Predigten gelungen seien, als er sie in der Kirche gehalten habe. Die Ära Hans Frank schloß im Jahr 1977 mit einem Dank der Bürger, wie er bislang nur wenig anderen Furtwangern zuteil wurde: Hans Frank wurde aufgrund seiner vielfälti­ gen Verdienste für die Nachkriegsentwick­ lung der heutigen Hochschulstadt Furt­ wangen zum Ehrenbürger ernannt. Ehrende Worte zum Schluß der Amtszeit übermittelten in Telegrammen auch der spätere Minister­ präsident von Baden-Württemberg, Lothar Späth, und Erhard Eppler namens der SPD. 196 Doch damit ist die Schlußzeile längst nicht geschrieben. Hans Frank, der gegen­ über der Stuttgarter Zeitung einmal festhielt, daß Arbeit doch keine Plage sei, fand in sei­ nem 12-Stunden-Tag zudem Raum für lan­ despolitisches Engagement. Frank, der schon früh Kontakte zu dem sozialdemokra­ tischen Politiker und späteren Bundesmini­ ster Alex Möller knüpfen konnte und sich in jungen Jahren von ihm politisch fuhren ließ, vor allem als Jungsozialist in den Reihen der Mannheimer SPD, war in der Landespolitik an vorderer Stelle tätig. Er gehörte dem Landtag zwei Legislaturperioden an (1964 bis 1972) und schied auf eigenen Wunsch aus, obwohl sich ihm eine glanzvolle landespoli­ tische Karriere eröffnete. Denn in den zwei­ ten vier Jahren seiner Tätigkeit als MdL hatte Hans Frank das wichtige Amt des Vorsitzen­ den im Finanzausschuß inne, eine Schlüssel­ position innerhalb der Landesregierung, die auch Furtwangen bei der Realisierung kom­ munaler Projekte mehrfach zugute kam. Wie sehr Hans Frank auf dem landespoli­ tischen Parkett geschätzt wurde, dokumen­ tieren die Tage nach Bekanntwerden seiner Rücktrittsabsichten aus gesundheitlichen Gründen. Selbst der damalige CDU.Mini­ sterpräsident Filbinger wollte den SPD-Poli­ tiker Frank nochmals umstimmen, als dieser wegen Überlastung für eine dritte Kandida­ tur nicht mehr zur Verfügung stand. Frank war zu einem der profiliertesten Politiker in den Reihen der SPD-Landtagsfraktion avan­ ciert und aufgrund seiner außergewöhnli­ chen finanzpolitischen Fähigkeiten auch auf der rechten Seite des Hauses hoch geachtet. Mit Vergnügen erinnert sich Hans Frank diesbezüglich an die Zusammenarbeit mit CDU-Finanzminister Gleichauf, die sich trotz der unterschiedlichen Parteizugehörig­ keit an Sachfragen orientiert habe. Hans Frank: ,,Ich bin kein Freund andauernder Konfrontationen bis ins Persönliche hinein. Man muß auch dem Gegner unterstellen, daß er das Richtige will. Allerdings gebe ich gerne zu, daß ich hartnäckig bin, zumal dann, wenn ich glaube, etwas als notwendig

D-ie Stllclt fitrtwCltf}e11 -ver(e1ht- lurc(i e11 Lst1111 mi9en J3esJ;h tfs, c des ([iemeindemtes HERR HANS FR,cNK ßHt9Cl’ntctstcr-VOH 1 q 57 -1 L, 7 7 U1.W1t1tl.tiibLCJ St‘..l1tern1�ßcr�cw6h1tlu:f1nL l'(.l’l’nL;te i{Hl c{,c Stadt fifrtwtt�fM DAS EH�NBUE �E�RECHT Fwtwett�m CWt 7DezeltlbCY 1977 111 u;,, /rtf.‘, ..’�i“ �� ;;;,-,,.- ,.–�- lk. /k,,,( t:.J.-‚-7 t,1-.; ):%.,., � k…..,� J:.,.i;�.4- 4,.,/P_,,,,y �92.t � ;}.�/.– J.,…i /1/,,“,/0 [!..�,,� .:n-:t ,1’a,,,IJ.� (.t..?I,… fl-.,..h. P … c,,.·vt,.�- DER.. yEMEINDER.t,T: �� c�- F 1 ‚i.i-:•� Q.. l./ vff.,., P-tu � � In Würdigung der außergewöhnlichen Verdienste wurde Hans Frank 1977 das Furtwanger Ehren­ bürgerrecht verliehen und richtig zu erkennen. Dann lasse ich mich von diesem Tun nicht abbringen, auch nicht durch Kritik, auch nicht durch Angriffe.“ Eine weitere große landespolitische Auf­ gabe bewältigte Hans Frank an der Spitze der Städtegruppe C im Städtetag des Landes, der sämtliche Städte bis zu 20.000 Einwohnern angehörten. Frank übte sechs Jahre lang das Amt des Vorsitzenden aus und war zugleich zwei Jahre lang stellvertretender Vorsitzen­ der des Städtetages Baden-Württemberg und im deutschen Städtetag Mitglied des Finanz­ ausschusses. Bürgermeister, SPD-Landtagsabgeordne­ ter und Kreisrat; ein weiteres politisches Amt, das Frank 24 Jahre lang ausübte (1959 bis 1983). Und gleichfalls mit Tatkraft und großem Durchsetzungsvermögen, wie ihm Landrat Dr. Gutknecht bescheinigt. Zu die- sem Amt gesellten sich weitere hinzu, wie Vorstandsmitglied des Badischen Wald­ besitzerverbandes, stellvertretender Vor­ sitzender des Bodenverbandes Mittlerer Schwarzwald, Aufsichtsratsvorsitzender der Neuen Heimat, Verwaltungsratsvorsitzen­ der der Bezirkssparkasse Furtwangen, Grün­ dungsvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Schwarzwälder Skimarathon, stellvertreten­ der Vorsitzender des Badischen Schwarz­ wald-Turngaues sowie des Roten Kreuzes und andere. Läßt man im Gespräch mit Hans Frank dieses ungewöhnlich vielfältige politische und gesellschaftliche Wirken Revue passie­ ren, wird offenkundig, daß das gewaltige Arbeitspensum des heutigen Alt-Bürgermei­ sters nicht allein mit „Arbeitswut“ charakte­ risiert werden kann. Hans Frank schöpfte seine Schaffenskraft aus seiner sozialdemo- 197

kratischen Grundhaltung, war mit Freude beim Tagwerk. Stets aufs Neue gaben ihm die sichtbaren Erfolge seiner Politik weiteren Antrieb, was auch in seiner persönlichen Rückschau zum Ausdruck kommt, indem er auf die Frage, was besonders beeindruckend gewesen sei, antwortet, es sei das sichtbare Wachstum der Lebensqualität in Furtwan­ gen, das steigende Image der Stadt gewesen. Da verwundert es nicht, daß der bereits mit 58 Jahren angetretene Ruhestand lange Zeit gleichfalls mit Arbeit ausgefüllt war: Hans Frank gründete zusammen mit Martha Belstler die Sozialstation Oberes Bregtal. Früh erkannten Belstler und Frank, daß die Zeichen der Zeit eine ambulante Alten- und Krankenpflege erfordern. Dieses beispiel­ hafte soziale Engagement, Frank war 12 Jahre lang ehrenamtlich Geschäftsführer der neuen Einrichtung, würdigte Weihbischof Dr. Karl Gnädinger im April 1989, als er Hans Frank das silberne Caritas-Ehrenzei­ chen verlieh. Über zehn Jahre hinweg sicherte die Arbeit von Hans Frank die orga­ nisatorischen Grundlagen für die medizini­ sche Versorgung alter und kranker Men­ schen in den eigenen vier Wänden, konnte sich so ein sozialer Hilfsdienst der Caritas etablieren, der heute nicht mehr wegzuden­ ken wäre. Die hohe Ehrung der Caritas steht im Lebenswerk Hans Franks nicht für sich allein. Die vielfältigen Verdienste um die All­ gemeinheit kommen auch in einer großen Zahl weiterer, hoher Auszeichnungen zum Ausdruck. 1972 erhielt er das Bundesver­ dienstkreuz 1. Klasse, 1977 die Deutsche Feuerwehrmedaille in Gold, 1977 die Ehren- Ursula Bartilla Das Leben hat sie nicht verwöhnt Ursula Bartilla, geb. Hoffmann, die heute in ihrem Haus am Falkenweg in Donau­ eschingen wohnt und schon über den Zeit­ raum einer Generation in Donaueschingen lebt, kann im Sommer 198 (1958-1992) plakette der Universität Karlsruhe, 1978 ernannte ihn die Fachhochschule Furtwan­ gen zu ihrem Ehrensenator und 1978 kam die Verdienstmedaille des Landes Baden-Würt­ temberg hinzu. Nun, im wirklichen Ruhestand, ist der Lebensabend damit ausgefüllt, Fachbücher zu lesen, in Agenten-Thrillern zu schmök­ kern und im privaten Arbeitszimmer Erinne­ rungen aus einem markanten Politiker­ Leben festzuhalten. Darunter fällt auch die Nacharbeitung der Furtwanger Finanz­ schwäche von 1983, die bei mehr Sachkom­ petenz hätte vermieden werden können, wie Hans Frank urteilt. In einem Lebensab­ schnitt, in dem erstmals auch Zeit für das ein­ zige wirkliche Hobby bleibt, das Briefmar­ kensammeln, hat selbst der Notizblock aus­ gedient, der das gesamte Arbeitsleben lang sogar im Schlafzimmer stets in greifbarer Nähe lag. Hans Frank hat, um die Worte von Bür­ germeister-Stellvertreter Udo Zier zu wäh­ len, dem Stamm Furtwangen zwanzig mar­ kante Jahresringe hinzugefügt, die für einen Aufschwung stehen, wie ihn die Stadt in kei­ nem vergleichbaren Zeitabschnitt zuvor erreichte. Hans Frank war (und ist) eine Bür­ germeisterpersönlichkeit, die mit politi­ schem Weitblick die Weichen für eine Stadt­ entwicklung stellte, wie sie heute nicht mehr nachhol bar wäre. Hans Frank, dem eine lan­ despolitische Karriere offenstand und der dennoch dem Bürgermeisteramt den Vorzug gab, war in der Tat Bürgermeister aus Beru­ fung. Wilfried Dold 1992 ihren 80. Geburtstag feiern. Vielen Donaueschingem sowie Freunden aus Kreis und Region ist die eher stille Frau, doch manchmal auch sehr umtriebige und enga­ gierte Mitbürgerin, gut bekannt. Vor allem,

Stadtsparkasse in die von Arnim’sche Gene­ ralverwaltung nahegelegt. 1940 heiratete Ursula Hoffmann den selb­ ständigen Malermeister Josef Bartilla. Ein Jahr später starb die erstgeborene Tochter Monika bei der Geburt. Bereits 1942 fiel Josef Bartilla in den Kämpfen in Rußland, ohne den zum Jahresende 1942 geborenen Sohn Michael Josef gesehen zu haben. Anfang 1945 mußte Ursula Bartilla mit dem gerade zweijährigen Sohn Michael Josef auf die ·Flucht, nachdem die Russen über die Neiße ins alte Reichsgebiet eingedrungen waren. Erst nach Monaten konnten die Flücht­ linge dann wieder in das halbzerschossene Elternhaus zurückkehren.Jetz galt es wieder aufzubauen. In der Kreissparkasse und einem weiteren heimischen Betrieb fand Ursula Bartilla Arbeit. Aber die roten Funk­ tionäre hatten nun das Sagen. Der Konflikt zwischen Freiheit und totalitärer Macht ent­ brannte erneut. Jedenfalls waren die guten Noten und der Bildungswille des Sohnes Michael Josef so stark, das Ursula Bartilla es vorzog, mit dem Heranwachsenden in den Westen zu ziehen und in Donaueschingen eine neue Heimat aufzubauen. Die tüchtige und arbeitsame Frau fand auf der Baar genü­ gend Arbeit und der wißbegierige Sohn konnte in Freiburg Abitur, Studium und Pro­ motion abschließen. Im kirchlichen Bereich konnte sich die musisch begabte Frau -sie ist ausgebildete Chorleiterin und Organistin – voll entfalten. Im Cäcilienverein und kirch­ lichen Dienst war Ursula Bartilla als Pfarr­ und Caritashelferin sowie als Sängerin, Chorleiterin und Organistin ehrenamtlich tätig.Die schlechten Erfahrungen mit der NS-Diktatur und vor allem mit dem Sozialis­ mus animierten Ursula Bartilla, sich poli­ tisch voll einzusetzen. Seit fast 47 Jahren arbeitet sie nun aktiv in der CDU. Vielfach bekleidete sie Vorstandsämter auf Orts-, Kreis- und Bezirksebene. In der Sozial-, Kommunal-und Bildungspolitik arbeitete sie in vielen Gremien aktiv mit. Vor allem in der Frauen-Union ist Ursula Bartilla nun seit199 wenn es funkelt und blitzt hinter ihren Bril­ lengläsern hat sie sicher wieder ein besonders wichtiges Anliegen, das sie lösen möchte, im Sinn. Ursula Bartilla ist immer sehr enga­ giert, wenn Menschen sie um Rat fragen und sie helfen möchte. Vor allem im kirchlichen Raum singt sie gerne -eigentlich schon seit ihrem zwölften Lebensjahr -im Chor. Öfters spielt die gelernte Organistin auch die Orgel oder Klavier bei den Senioren. Bei der CDU gilt sie als „Frau der ersten Stunde“, da sie bereits 1945, dem Grün­ dungsjahr der UNION, in die CDU der sowjetischen Besatzungszone eintrat und aktiv mitarbeitete. In dem kleinen ostdeutschen Fürst-Pück­ ler-Städtchen, Bad Muskau, etwa aufhalbem Weg zwischen Cottbus und Görlitz, an der heutigen Neißegrenze zu Polen, wurde Ursula Hoffmann als jüngstes von 5 Kindern 1912 in einem christlichen Elternhaus gebo­ ren. In frühester Kindheit erlebte sie die Zäsur des Ersten Weltkrieges. Sonst verlief Kindheit, Jugend, Schule und Ausbildung fast normal, wenn nicht der aufkeimende Nationalsozialismus der jungen Frau die Grenzen zwischen Freiheit und Diktatur dra­ stisch aufgezeigt hätte. Da der Vater als akti­ ver Zentrumsmann bekannt war, wurde der jungen Bankfrau ein Berufswechsel von der

über 30 Jahren auf Kreis- und Bezirksebene in Vorstandsämtern und im Rechnungswe­ sen tätig. Viele Anerkennungen und Ehrungen hat die unermüdlich, ehrenamtlich Tätige für ihre Mitarbeit erfahren. So erhielt sie Diplome für 40- und SOjährige Mitarbeit im Cäcilienverein und bei der Frauengemein­ schaft. Die CDU verlieh ihr die silberne und die goldene Adenauer-Medaille und den Titel einer Ehrenvorsitzenden der Frauen­ Union. Als jüngste Ehrung erhielt Ursula Bartilla (auf dem Bild rechts) von der Sozial­ ministerin Barbara Schäfer und der Frauen­ Unionsvorsitzenden, Ortrun Schätzle, MdB, die goldene Staufer-Medaille für jahrzehnte­ lange Mitarbeit. Ursula Bartilla arbeitete vor allem ehren­ amtlich, um der Menschen willen, ihnen zu helfen, ihrer Möglichkeit. Ehrungen und Anerkennungen nimmt sie gelassen zur Kenntnis. Aber eine – vom im Rahmen Elternhaus übernommene -tiefverwurzelte, bodenständige, christliche Einstellung, tiefe Gläubigkeit und fast grenzenloses Gottver­ trauen gaben ihr Kraft, sich trotz bitterer menschlicher Erfahrungen und Tiefschläge, durch den frühen Tod ihres Mannes, die Flucht und den plötzlichen Tod ihres einzi­ gen Sohnes, Dr. Michael Josef Bartilla, sich immer wieder in den Dienst am Nächsten einzubringen. Heute ist Ursula Bartilla immer noch gerne gefragt, als Organistin in der Kirche oder im Altenheim St. Michael. Daneben singt, liest und spielt sie gerne in ihrem eige­ nen schönen Heim oder bei Freunden. Wenn Haus- oder Gartenarbeit es zulassen, widmet sie sich auch der aktiven Gesund­ heitsvorsorge in einer Gymnastikgruppe. Jedenfalls ist sie rundum gesellig und macht gerne Besuche oder freut sich auch, wenn alte Freunde bei ihr anklopfen. Herbert Beistier In memoriam Werner Gerber Ein Kommunalpolitiker aus Berufung „Ich bin Bürgermeister mit Leib und Seele“. Das war die selbstbewußte und glaub­ hafte Maxime des Blumberger Bürgermei­ sters und Ehrenbürgers Werner Gerber, der nach 26 voll ausgefüllten Dienstjahren und zwei Tage nach seinem 64. Geburtstag am 17. November 1991 im gesundheitlich vorzeitig bedingten Ruhestand starb. Ein gutes Vier­ teljahrhundert wesentlicher Entwicklung der Eichbergstadt in allen Bereichen ist untrenn­ bar mit dem Namen dieses Trägers des Bun­ desverdienstkreuzes, der goldenen Ehren­ medaille des Gemeindetages Baden-Würt­ temberg und der Verdienstmedaille des Deutschen Städtetages verbunden. Dieser Bürgermeister brachte als Verwaltungsfach­ mann, der „von der Pike auf‘ seine Erfahrun­ gen sammelte, die Schwergewichte einer logischen Entwicklung in die Waagschale 200 kommunalpolitischer Abwägungen em. Überzeugter Sozialdemokrat, der er war, genoß er dennoch in der gesamten Partei­ landschaft hohes Ansehen und eine aus dankbarer Anerkennung resultierende Wert­ schätzung. Ohne nach rechts oder links zu blicken, richtete Werner Gerber sein Augen­ merk auf das Geradeaus, wenn es um das in schwierigen Zeiten praktisch einzig Mach­ bare im Interesse von Stadt und Bürgern ging. Das mochte zuweilen als zu stark ausge­ prägtes Selbstbewußtsein ausgelegt werden, doch es war ein positives Zusammenwirken von analytischem Geist, Sachverstand und kritischem Weitblick. Am 15. November 1927 in Kehl am Rhein geboren, nahm Werner Gerber schon früh die Kraft der deutschen Selbstbehauptung im Verein mit europäischer Strömung in

nach Bad Peterstal verlagert worden war. Dort lernte Wer­ ner Gerber die seit früher Jugend in Kehl lebende Pfäl­ zerin Friedel Brunner ken­ nen, die er ein Jahr danach heiratete. Der spätere Stadtas­ sistent, der mit Frau Friede] und Tochter Brigitte seit 1950 wieder in Kehl wohnte – Tochter Gerlinde vergrößerte 1951 und Sohn Bernd 1953 die Familie-, kam 1957 über das Amt des Bauverwaltungslei­ ters als Stadtinspektor in den gehobenen Dienst und war bis 1961 in Personalunion für die Stadtwerke und das Perso­ nalamt von Kehl verantwort­ lich. Bei der Stellenausschrei­ bung für die Leitung des Per­ sonalamtes Villingen fiel bei 79 Bewerbern die Wahl auf den jungen Inspektor Werner Gerber, der schon im Herbst 1962 zum Stadtamtmann avancierte. Die mögliche Wahl zum Amtsverweser des nicht mehr ins Rathaus zurückkehrenden Bürgermei­ sters von St. Georgen lehnte er ab. Dafür wurde Werner Gerber nach dem frühen Tod seines Vorgängers Karl Wilhelm Schmidt im Mai 1963 schon im ersten Wahlgang zum Bürgermeister der Stadt Blumberg gewählt. Seine nach dem Amtsantritt am 16. Septem­ ber 1963 erste Amtshandlung war die Einwei­ hung des Gemeinschaftshauses Randen. Seit 1965 war Werner Gerber Mitglied des Kreis­ tages, seit Bestehen des Regionalverbandes auch Mitglied der Regionalversammlung. 1971 wurde er ohne Gegenkandidaten für zwölf Jahre wiedergewählt. 1971/72 sorgte er im Rahmen der Gemeindereform für die frei­ willige Eingemeindung von sieben Stadttei­ len, denen 1975 der durch Gesetz eingeglie­ derte achte folgte. 201 ufernaher Gemeinsamkeit mit klarem Blick in sich auf Volksschule, Handelsschule, die Lehre im Kehler Rathaus, Verwaltungs-und Wirtschaftsakademie sowie die Verwaltungs­ arbeit im Rathaus waren die ersten Ausbil­ dungs-und Berufsstationen. 1944 noch zum ,,Reichsarbeitsdienst“ und im Herbst dessel­ ben Jahres zum Infanterie-Fronteinsatz bei Berlin eingezogen, geriet Werner Gerber bei Celle in Gefangenschaft und kam bis Sep­ tember 1945 ins berüchtigte „Munsterlager“. Das waren die bedrückenden Zeitstationen eines jungen Mannes, der schon vier Wochen nach seiner Heimkehr als Angestell­ ter wieder in der Hauptverwaltung und Ende 1945 in der Kehler Krankenhausverwaltung arbeitete, die infolge schwerer Kriegsschäden

Es würde einen ganzen Katalog füllen, wollte ich alle Verdienste des dynamischen, zielstrebigen und uneigennützigen Bürger­ meisters Werner Gerber aufzählen, eben all€ Entwürfe und Entscheidungen, die im Gemeinderat von seiner wesentlichen Hand­ schrift mit geprägt wurden. Marksteine eines 26jährigen Weges im Dienste der Stadt Blumberg waren, um aus der Fülle einige zu nennen: Ausbau der gesamten Kreisstraßen sowie der Stadteinfahrt; Kauf der kreiseige­ nen Weiherdammschule und Bau der Ratio­ Blöcke mit 96 Wohnungen. Wie alle ehema­ ligen Bürgermeister auch im Aufsichtsrat der Siedlungsgesellschaft, leitete er den Verkauf der Siedlungshäuser zur Eigentumsbildung ein und wurde voll unterstützt initiativ bei den Fertigstellungen gemeinnütziger Bauten in den neuen Stadtteilen, bei notwendigen Kanalisationen, Umbau und Ausbau des Rathauses sowie des Stadtbau- und Standes­ amtes. Seine Ära markierten der Aitrach­ Wasserverband, der die langfristige Wasser­ versorgung der Gesamtstadt sicherstellte, und das 30-Millionen-Projekt der Abwasser­ beseitigung durch das Klärwerk Achdorf. Auf Werner Gerbers kommunalem Haben­ konto erscheinen die weithin gerühmten Freibadanlagen, das große Sportzentrum, der Bau von Realschule, Eichbergschule und moderner Sporthalle sowie die Verbesserun­ gen im gesamten Schulwesen. Dazu sozialer Miet- und Altenwohnungsbau wie auch der umfassende Aufbau der „Energieversorgung Südbaar“. Die Sicherung der Arbeitsplätze war sein besonderes Anliegen. Nicht verges­ sen werden darf der Aufbau der werbewirk­ sam dampfenden „Museumsbahn Wutach­ tal“, deren Bahnhof und Jahrhundertstrecke in den Besitz der Stadt Blumberg übergin­ gen. Mit beispielhaftem Engagement küm­ merte sich dieser funktionierende „Entwick­ lungsmotor“ um eine optimale Betreuung des Nachwuchses in den Kindergärten und der betagten Bürger, förderte die Hilfsorgani­ sationen wie Freiwillige Feuerwehr, örtliches Rotes Kreuz und DLRG und hatte stets ein offenes Ohr für die ihm als wichtig erachte- 202 ten Belange der zahlreichen Vereine. Im kul­ turellen Sektor sorgte er für die großzügige Einrichtung der Stadtbibliothek und die Unterstützung der überregionalen Kunst­ ausstellungen in der dank Bürgerinitiative neugestalteten Stadthalle. Von seinen zahl­ reichen Ehrenämtern sollen hier die Mitar­ beit im Verwaltungsrat der Bezirkssparkasse, im Aufsichtsrat der Landesentwicklungsge­ sellschaft und der Vorsitz im Ortsverein des Deutschen Roten Kreuzes genannt werden. Hohe Anerkennung fand Werner Gerber als Mitglied des Kreistages, dem er als überzeug­ ter Sozialdemokrat von 1965 bis 1989, zeit­ weise auch als Fraktionssprecher, angehörte. Im Kreisparlament wie in vielen anderen Gremien hatte sein Wort Gewicht, das besonders dem von ihm geleiteten Gemein­ derat zugute kam. Auch dem kirchlichen Gemeindeleben stand er ebenso aufge­ schlossen gegenüber, wie religiösen Minder­ heiten. Ein so umfassendes Engagement mit praktiziertem Durchhalte- und Durchset­ zungsvermögen vermochte auch zeitweili­ gen Angriffen mit Erfahrungsgelassenheit zu begegnen. Wertvolle Rückenstärkung gab ihm seine Frau Friede!, die sich mitarbeitend im sozialen Bereich vorbildlich engagierte. 1989 aus gesundheitlichen Gründen vorzei­ tig in den Ruhestand gezwungen, verlieh die Stadt Blumberg Werner Gerber bei der feier­ lichen Verabschiedung die selten vergebene Ehrenbürgerschaft. Diese gebührte rechtens einem Kommunalpolitiker, der sich so prä­ gend wie Werner Gerber um Blumberg ver­ dient gemacht hatte. Am 17. November 1991 erlag der Alt-Bürgermeister und Ehrenbür­ ger, gerade 64 Jahre alt geworden, seiner schweren Krankheit. Eine große, auch über­ regionale Anteilnahme an diesem zu frühen Tod bewies die allgemeine Wertschätzung, die dieser bürgermeisterliche Verwaltungs­ experte als in allen Bereichen mitsorgender Mensch genoß. Seinem Wahlspruch „Bür­ germeister mit Leib und Seele“ stets getreu, diente Werner Gerber dem ihm über 25 Jahre anvertrauten Gemeinwesen bis zuletzt so,

Max Ernst Haller wie es seinen Vorstellungen eines tatkräfti­ gen Dienens entsprach. Das sicherte ihm eine unverwischbare Erinnerung. Denn vie­ len Stadt-und Kreisbürgern war er ein guter Wegbegleiter. ,,Das, was uns Werner Gerber Eine Unternehmerpersönlichkeit mit Visionen Max Ernst Haller ist weit über den Stadtbezirk Schwen­ ningen hinaus bekannt. Die einen kennen ihn als langjäh­ rigen Geschäftsführer der Firma Benzing (vgl. Alma­ nach 91, Seite 66-69), andere verbinden seinen Namen mit der Kunsteisbahn und dem Curlingsport, mit Kunstaus­ stellungen oder mit dem Uhrenindustriemuseum. Es ist kein Zufall, daß gerade er sich für die Verwirk­ lichung eines Uhrenmuse­ ums in Schwenningen, der Wiege der industriellen Uhren­ fertigung, einsetzt, ist er doch selbst durch seine Familien­ geschichte mit der Uhrma­ cherei vorbelastet. Sein Groß­ vater väterlicherseits hatte im vergangenen Jahrhundert zu­ sammen mit drei Brüdern eine der ersten großen Taschenuh­ renfabriken in Schwenningen gegründet, die 1903 jedoch an Junghanns überging. Von mütterlicher Seite bestand die Beteiligung an der Firma Friedrich Ernst Benzing KG, dem Onkel der Mutter. Am 5. Juli 1930 in Schwenningen gebo­ ren, absolvierte Max Ernst Haller zunächst von 1947 bis 1950 die Staatliche Fachschule für Feinwerktechnik in seiner Heimatstadt, in seiner langen Amtszeit gegeben hat“, wür­ digte Bürgermeister Clemens Stahl als sein Nachfolger umfassend,,, wird nachwirken als Aufforderung, es ihm gleichzutun.“ Jürgen Henckell da sein Vater Max Robert Haller der Ansicht war, daß ein späterer Chef unbedingt eine handwerkliche Ausbildung braucht. Nach­ dem er erste praktische Erfahrungen im 203

väterlichen Betrieb gesammelt hatte, be­ suchte er die Ecole Superieure de Commerce in Neuchatei/Schweiz und 1952 ging er zu Mecanorma in Paris. Erste berufliche Statio­ nen führten ihn 1953/54 nach Madrid und von 1955 bis 1957 nach Mexiko-City. Die Auslandslehrjahre haben ihn stark geprägt und ihn mit dem Ziel zurückkehren lassen, aus Benzing später eine weltweit exportie­ rende Firma zu machen. Mitte 1957 wurde Max Ernst Haller zunächst Assistent der Geschäftsleitung der Friedrich Ernst Benzing KG, 1966 dann Gesellschafter und stellvertretender Ge­ schäftsführer. Nach dem Tode seines Vaters übernahm er zusammen mit seinem Bruder Peter die Geschäftsleitung des Unterneh­ mens.1967 hatte er bereits die Identa GmbH als Dienstleistungsfirma zur Herstellung von Datenausweisen gegründet. Benzing hatte damals 289 Mitarbeiter, machte ca. 7 Mio. Mark Umsatz und war bekannt als Stempeluhrenhersteller. Mit viel Elan ging Max Ernst Haller an die Aufgabe, aus einem traditionsreichen Betrieb ein modernes, expandierendes Unternehmen zu machen. Die damals sehr gute Konjunktur gab den Anstoß für die Entscheidung, ein neues Fabrikgebäude im Industriegebiet Ost zu bauen und die Fertigung dorthin auszu­ lagern. 1972 konnte die Fertigungshalle be­ zogen werden. Zu dieser Zeit machte sich bereits die Strukturkrise der 70er Jahre bemerkbar, in deren Folge viele alteingesessene Uhrenher­ steller aufgeben mußten. Auch bei Benzing begann der Kampf ums Überleben. Max Ernst Haller und sein Bruder waren über­ zeugt, daß nur riesige Investitionen in die neue Datentechnik Benzing retten konnte. Deshalb wurde soviel in die Elektronik­ entwicklung gesteckt, wie bei keinem der alten Uhrenhersteller im Raum Villingen­ Schwenningen. In dieser schwierigen Zeit hatte Max Ernst Haller echte Unternehmer­ persönlichkeit bewiesen, indem er das unter­ nehmerische Risiko auf sich nahm und durch Standfestigkeit und persönliche 204 Bürgschaften (zusammen mit Peter Haller) das Weiterbestehen des Unternehmens sicherte. Obwohl Benzing schon 1975 das erste Terminal auf Mikroprozessorbasis auf den Markt brachte, wurde ein früher Erfolg verhindert, weil die Softwarehersteller damals nicht gleich nachzogen. Erst als der Markt in den achtziger Jahren reif war, konnte Benzing seinen Umsatz in vier Jah­ ren verdoppeln (1984: ca.19 Mio. DM, 1988: ca. 40 Mio. DM) und stieg zum Marktführer im Bereich Zeiterfassung auf. Trotz dieser Erfolge hatte Max Ernst Haller die Realität nicht aus den Augen ver­ loren und dafür gesorgt, daß mit der Mehr­ heitsbeteiligung an die Schweizer Bauer­ Kaba-Gruppe eine gute Nachfolgeregelung gefunden wurde, die dem Unternehmen Benzing die weitere Expansion ermöglicht. Durch tragische Beispiele in der Schwarzwäl­ der Industrie gewarnt, hat er sein Lebenswerk rechtzeitig in sichere Hände gegeben. Seit dem Ausscheiden bei der Benzing Zeit + Daten GmbH im Juli 1991 ist Max Ernst Haller als Geschäftsführer der Benzing Technische Uhren GmbH tätig. Diese pro­ duziert Brieftaubenuhren, eine Spezialität, die die frühere „Mutter“ Friedrich Ernst Benzing schon seit ca. 1895 herstellt. Doch auch hier wurde der gelernte Feinwerktech­ niker von der Elektronik eingeholt, denn in den Uhren schlägt inzwischen auch ein Computerherz. Über seine beruflichen Tätigkeiten hinaus ist Max Ernst Haller aufgrund seines Engage­ ments im öffentlichen Leben der Stadt Schwenningen vielen bekannt. So hat er 1965 zusammen mit Manfred Link einen Förderverein zum Bau einer Kunsteisbahn gegründet. Nicht zuletzt seiner Initiative ist es zu verdanken, daß die Kunsteisbahn Wirklichkeit wurde und 1968 der 1. Bauab­ schnitt eingeweiht werden konnte. Selbst dem Eissport verbunden, wurde Max Ernst Haller zum ersten Geschäftsführer der Kunst­ eisbahn GmbH ernannt. Er war es auch, der über seine Frau, eine gebürtige Schweizerin, den Curlingsport nach Schwenningen brachte,

indem er den ersten Schwenninger Curling­ Club, den CCS e. V., gründete. Diesem Ver­ ein, der große sportliche Erfolge errang, stand er lange Jahre als Präsident vor. In den Reihen des CCS waren viele Spieler der Nationalmannschaften, und Schwenninger Teams erreichten eine Silber- und eine Bron­ zemedaille bei den Weltmeisterschaften. In letzter Zeit fällt sein Name im Zusam­ menhang mit dem Förderkreis „Uhrenindu­ striemuseum“, dessen Vorstandsvorsitz er 1990 übernahm. Er gründete diesen Förder­ kreis mit einer Gruppe aktiver Idealisten, die schon lange alte Maschinen und Werkzeuge zusammentragen. Ihr Ziel ist es, an histori­ schem Platz, in der alten Bürkfabrik, ein lebendiges Uhrenmuseum einzurichten, in dem an alten Maschinen Wecker hergestellt werden. So dürfte auch in Zukunft noch eini­ ges von Max Ernst Haller zu hören sein. Petra Eisenbeis-Trinkle Langjähriger Geschäftsführer der Mannesmann Kienzle GmbH Herbert Kleiser Garant des Fortschritts und der Weiterentwicklung Ingenieur Herbert Kleiser, langjähriger Geschäftsfuhrer der Mannesmann Kienzle GmbH fur den Bereich Fertigung, trat im Juni 1991 in den Ruhestand. Wie fast kein anderer prägte der langjährige Kienzle­ Manager das Villinger Unternehmen. Her­ bert Kleiser gestaltete maßgeblich den Wan­ del des ehemaligen Familienbetriebs zum internationalen Technologieunternehmen. Ganz zurück zieht sich Herbert Kleiser, der über 40 Jahre in verantwortungsvollen Posi­ tionen des Unternehmens tätig war, nicht; er ist Mannesmann Kienzle weiterhin in bera­ tender Funktion eng verbunden. Am 23. Februar 1928 in Herzogenweiler geboren, bestimmten die letzten Kriegsjahre Herbert Kleisers Jugend. Die Jahre 1945- 1948 verbrachte er in französischer Kriegsge­ fangenschaft. Während dieser Zeit war er unter anderem in der Landwirtschaft tätig, entscheidend jedoch prägte ihn seine Tätig­ keit im Werkzeugbau eines Zulieferbetriebs des französischen Autoherstellers Peugeot. Hier entstand der erste Kontakt Kleisers mit der Automobilindustrie. Nachdem Kleiser aus der französischen Gefangenschaft ge­ flüchtet und über eine Zwischenstation in der Schweiz wieder in den Schwarzwald­ Baar-Kreis zurückgekehrt war, bewarb er sich schließlich bei verschiedenen Villinger Unternehmen, unter anderem bei Kienzle. Und schon damals, so erinnert sich der Manager heute, galt es als Auszeichnung bei Kienzle arbeiten zu können. Herbert Kleisers Start bei der damaligen Kienzle Apparate GmbH erfolgte im Jahre 1949, nachdem er seine Ausbildung an der Staatlichen Fachschule fur Feinmechanik und Elektrotechnik in Villingen absolviert hatte. Nach vier Jahren legte er eine Berufs­ pause ein, um seine Ausbildung abzurun­ den. Als Entwicklungsingenieur kehrte er zu Kienzle Apparate zurück, wo er zunächst als Konstrukteur in der Fahrtschreiber-Entwick­ lung eingesetzt wurde. Für den Tachogra­ phen, der von Villingen aus in der ganzen Welt verbreitet wurde, erteilte man ihm wichtige Patente. Später baute er den Techni­ schen Kundendienst auf und schuf damit ein wichtiges Element fur die weltweite Bedeu­ tung der Kienzle-Geräte. Die wissenschaft­ liche Auswertung der Fahrtschreiber-Dia­ gramme wurde von Herbert Kleiser entschei­ dend beeinflußt und auf ein Niveau gebracht, das heute noch international bei­ spielgebend ist. Ende der 50er Jahre übernahm er neben seinen vielfältigen Aufgaben auch zwei Jahre 205

Mannesmann, wurde Herbert Kleiser zum Geschäftsführer bestellt. Die spätere Reali­ sierung eines großzügigen Erweiterungsbaus im Jahre 1989 war der-zumindest vorläufige -Abschluß der Gesamtplanung von 1970/ 71. Alle auch in diesem Zusammenhang getroffenen Maßnahmen zeugten von unter­ nehmerischem Weitblick. Modernste Tech­ nologien werden hier angewendet, wie z.B. die Oberflächenbestückung elektronischer Leiterplatten oder die automatische Teilefer­ tigung. Auch für den Aufbau der hochmo­ dernen Druckgußbearbeitung war Herbert Kleiser verantwortlich. Und schon damals verstand er es, wesentliche Aspekte des Umweltschutzes in seine Planungen mitein­ zubeziehen, so daß Kienzle auf diesem Gebiet stets über neueste Verfahren und Techniken verfügte, noch ehe sie gesetzlich vorgeschrieben waren und damit stets Vor­ bild in der Region war und ist. Auch die klare Materialflußstruktur in der Kienzle-Produk­ tion ist ein wesentlicher Verdienst von Her­ bert Kleiser. Sein unternehmerischer Geist trug stets Sorge dafür, daß Kienzle über die vielen Jahre seit der Gründung des Unter­ nehmens auf den einzelnen Fachgebieten wie Fahrtschreiber und Taxameter stets Marktführer blieb. Im Vordergrund seiner Bemühungen stand immer ganz besonders der sichere Fortbestand des Unternehmens, die Sicher­ heit der Arbeitsplätze und das Schicksal der Menschen in diesem Unternehmen. Sowohl in den Chefetagen wie bei den Mitarbeitern aller Fertigungsstufen wird das Ausscheiden von Geschäftsführer Herbert Kleiser bedau­ ert. Aber alle wissen, daß er es nach so vielen Jahren angespannter Höchstleistungen ver­ dient hat, ,,einen Gang zurückzuschalten“ und seinen Hobbies verstärkt nachzugehen: Herbert Kleiser ist begeisterter Skifahrer (Lang-und Abfahrtslauf} und tanzt gerne. Seine besondere Liebe gilt aber vor allem auch dem Segeln auf dem Bodensee sowie dem Wandern. Die Kienzleaner hoffen, daß sein Ratschlag dem Unternehmen noch lange erhalten bleibt. Barbara Kögler die Betriebsleitung der Firma Haller, mit der Kienzle zu jener Zeit eng zusammenarbei­ tete, da der damalige Besitzer schwer er­ krankt war. Auch hier schätzte man sein Engagement und seinen Ratschlag sehr. Das umfassende Wissen und die Manage­ mentfähigkeiten von Herbert Kleiser veran­ laßten schließlich die damalige Unterneh­ mensleitung, ihn in die Geschäftsführung zu übernehmen und mit der Verantwortung für die Gesamtproduktion zu betrauen. In dieser Funktion vollbrachte er eine Leistung, die in der Geschichte des Kienzle-Apparate-Werks einmalig dasteht. Herbert Kleiser leitete die Planung und Koordination, die zum Bau des hochmodernen Werks ,,A“ auf der Som­ mertshauser Halde führte. Hohe Kompe­ tenz, überragendes fachliches Wissen und unermüdlicher Einsatz führten zum optima­ len Ergebnis: Noch heute, 20 Jahre nach der Fertigstellung des ersten Bauabschnitts, gilt das Kienzle Werk „A“ als Vorbild fertigungs­ technischer Modernität und Zweckmäßig­ keit. Die organisatorische Gliederung dieser Produktionsanlagen wird von Experten als beispielhaft angesehen. 1983, zwei Jahre nach der Beteiligung von 206

Dr. Klaus Sommer Der langjährige Amtsarzt im Ruhestand Die tägliche Rufbereitschaft ist Dr. Klaus Sommer schon länger los, und daran kann er sich gewöhnen. Denn schließlich hat er über 20 Jahre lang „von Amts wegen“ für mögli­ che Notfälle im öffentlichen Interesse bereit sein sollen, und das war auch oft genug der Fall. Jetzt, im Status eines Ruhestandsbeam­ ten, läßt sich auch über all die Jahre plau­ dern, während denen Dr. Sommer von 1971 an als Amtsarzt und Dienststellenleiter des Staatlichen Gesundheitsamtes gewirkt hat. Unbestritten hat es Klaus Sommer als Mediziner zu einer Popularität gebracht, die deutlich im Zusammenhang mit all den Auf­ gaben steht, für die er sich in seinen Dienst­ jahren seit 1963 in Villingen für die Volksge­ sundheit eingesetzt hat. Der 1926 in Breslau geborene Klaus Som­ mer legte seine Reifeprüfung 1946 am Gym­ nasium Neumarkt in der Oberpfalz ab. Ein Ereignis, das erst nach Wehrdienst und Kriegsgefangenschaft stattfinden konnte. Um so zügiger absolvierte er sein medizini­ sches Studium an den Hochschulen Mün­ chen und Erlangen mit Staatsexamen und Promotion. Berufspraktische Erfahrung sammelte er sowohl in der Chirurgie, in der Gynäkologie, in der „Inneren“, in der Psychiatrischen und in der Kinderklinik – jeweils in Bad Cann­ statt, in Ludwigsburg, in Biberach, in Stutt­ gart und schließlich in Baden-Baden. Zum Facharzt seiner Wunsch-Disziplin, der Kinderheilkunde (Pädiatrie), avancierte Klaus Sommer in der Städtischen Kinderkli­ nik Stuttgart, wo er für zwei Jahre das Reha­ zentrum für polio-gelähmte und spastisch gelähmte Kinder als Oberarzt leitete. Gerne hätte Klaus Sommer als Kinderarzt frei praktiziert, doch die damals noch gültige Niederlassungsbeschränkung für Ärzte war zunächst nur für ältere Mediziner durchläs­ sig, die aus der Kriegsgefangenschaft heim­ kehrten. So setzte Dr. Sommer seine ärztliche Laufbahn fort, indem er sich dem öffentli­ chen Gesundheitsdienst widmete -eine Auf­ gabe, die 1960 beim Städtischen Gesund­ heitsamt in Stuttgart begann. Da sich damals die Leistungen großer Gesundheitsämter für Schul- und Schüler­ untersuchungen beschränkten, erhoffte sich Dr. Sommer einen erweiterten Arbeitskreis an einem kleinstädtischen Gesundheitsamt. Auf eine Stellenausschreibung für Villingen gehörte er fortan zum Ärzte-Team unter der Leitung von Dr. Harnisch, und als Kollegin stand Lungenärztin Wilms an zweiter Stelle. Während in den SOer Jahren noch 800 Fälle an Kinderlähmung im deutschen Süd­ westen zu verzeichnen waren – die eiserne Lunge war für viele Kinder therapeutische Endstation – gehörten zahlreiche Krank­ heitsfälle mit Lungen-Tbc oder Pocken zu den epidemischen Risiken. Somit waren auch Massen-Impfaktionen von bis zu 2.500 Impfwilligen keine Besonderheit … Auch Typhus und Salmonellenerkran­ kungen oder bakterielle Verunreinigungen des Trinkwassers schufen in den 60erJahren Alarmzustände, wie es bei den Pocken bis 207

1968 der Fall war. Prävention war deshalb angesagt, und so wurden bis Mitte der 60er Jahre Impfaktionen durchgeführt, wofür sich zum Termin lange Schlangen vor der Villinger Tonhalle bildeten, weil auch die Räumlichkeiten im „Alten Kaufuaus“ nicht ausgereicht hatten. Für zehn Jahre wurde Dr. Sommer dann bis Ende 1991 Amtsarzt und Dienststellenlei­ ter des Staatlichen Gesundheitsamtes Villin­ gen mit dem Titel eines leitenden Regie­ rungs-Medizinal-Direktors. Ehrenamtliche Funktionen kamen hinzu: Mitarbeit im Ortsverein des Deutschen Roten Kreuzes unter dem damaligen Vorsit­ zenden und Bürgermeister Villingens Max Müller und dem Kreisvorsitzenden Dr. Hu­ ber aus Bad Dürrheim; Ausbildungs- und Bereitschaftsarzt für das DRK ab 1984, und auch als Beirat bei der Aktion Lebenshilfe des Dr. Borchers war Sommers Rat willkom­ men. Wiederkehrende Übungen aller Einsatz­ kräfte forderten in den folgenden Jahren nicht nur Zeit, sondern auch Courage. Mußte sich der „Amts-Doktor“ doch einmal von der Feuerwehr zu einem Unfallort nach Übungsannahme abseilen lassen … Und auch im „Normalfall“ war der Dienst des Amtsarztes gelegentlich äußerst span­ nend. Infektion aus Ghana? Im Laufe vieler Jahre war dem Doktor Sommer kaum ein Krankheitsbild fremd. Klar, daß man ihn auch an jenem Ostersonn­ tag rief, als in Stuttgart ein Flugzeug aus Ghana landete, in dem Ghanaer an einer unspezifischen Infektion litten und man unter den Fluggästen auch einen aus dem Raum Villingen vermutete. Doch der Alarm war unbegründet! Aller­ dings nicht in jenen Fällen, bei denen fehl­ orientierte Patienten aufgegriffen wurden, meist nachts, die wegen Senilität, Drogen­ konsum oder Alkoholsucht nicht zu identifi­ zieren waren. Wer dieser Gründe wegen vor­ übergehend in eine Psychiatrische Landes- 208 anstalt eingewiesen wurde, konnte sich spä­ ter – bei vollem Bewußtsein – schon mal mittels Telefon-Belästigung rächen: Tags oder auch nachts!?! Auch den Privatmann gibt es Drei Töchter sind der familiäre Stolz von Klaus Sommer und Ehefrau Eleonore. Und auch wenn der Vater viel „aushäusig“ zu tun hatte, blieb immer genügend Zeit für den Urlaub in den Bergen oder auf dem eigenen Segel-Boot am Bodensee, wofür Klaus Som­ mer die Segel-Lizenz auch in Küstengewäs­ sern der offenen See hat. Stark bleibt allemal natürlich auch die Erinnerung des Pensionärs Sommer an die hohe Verantwortung bei der Seuchen­ Bekämpfung oder die Problemanalyse vor Ort, wenn langer Briefwechsel hinderlich gewesen wäre. Davon profitierte einmal auch die Villin­ ger Guggemusik, als 1973 jegliche Sommer­ feste untersagt wurden, weil Salmonellen­ Gefahr drohte. Doch Einzel-Befreiungen nach individueller Untersuchung ließen den Start des Osianderplatzfestes zugunsten Behinderter zu. Sommer, der sich selbst als geduldig, gefühlvoll und sachlich charakterisiert, nahm immer die Diagnose von Patienten (und Sachverhalten) wichtig. Mit dem Wis­ sen aus vielen Berufsjahren war es ihm auch möglich, Dozent an der Krankenpflege­ schule zu werden und im Prüfungsausschuß als Vorsitzender für das Regierungspräsi­ dium Berufsreife zu attestieren. Radtouren und ein gelegentliches Tennis­ spiel schafften Ausgleich zum Beruf Dr. Klaus Sommer kokettiert nicht mit Titel und Ehrenzeichen -ein einziges ist das Treue-Verdienst-Kreuz des DRK. Viel zu tun! Abschließend stellt Klaus Sommer zur Gesundheitspolitik im speziellen fest, daß die Aufklärung zur AIDS-Problematik seit zwei Jahren zumindest in Deutschland ver­ nachlässigt würde. Die Schweiz und Öster-

reich seien da vorbildlicher. Ob allerdings die permanent auftretende sexuelle Heraus­ forderung durch Film und Video bei Jugend­ lichen gebremst werden könne, muß fraglich bleiben. Was die Beziehung von Amtsärzten zu den Praktikern angeht, wünscht Sommer allen das Prinzip vieler persönlicher Kon­ takte, denn nur die lassen individuelle Ansprache zu. Wolfgang Bräun Ernst Strom Seine Persönlichkeit und die Landschaft der Baar bilden eine Einheit Man sagt, daß Landschaften Menschen prägen und bei Ernst Strom, dem Müller von der Baar, trifft dies zu. Wer den rührigen Bie­ singer kennt und Gelegenheit hat, ihn zu beobachten, der wird feststellen, daß in Ernst Strom vieles verkörpert ist, was als Besonderheit auch in den sanften Hügeln, in den Feldern und Fluren wiederkehrt. Da ist die Strenge des Klimas, zugleich aber auch die Großzügigkeit des fruchtbaren Bodens. Da steht der Geschlossenheit der Dörfer, die den Fremden nicht überschwenglich begrüßt, die Weite und Offenheit dieser Landschaft gegenüber, die oft mit einer Schüssel verglichen wird. Die umgrenzen­ den Höhen halten den Blick und lassen ihn sich nicht verlieren, so als wollten sie Gedan­ ken und Menschen ein Maß setzen. Doch hier soll nicht von der Landschaft, sondern von Ernst Strom die Rede sein. Beide sind untrennbar miteinander verbun­ den und wer den Menscherrverstehen und in seinem Gesicht lesen will, der muß zuvor die Landschaft begriffen haben. Nur so kann er erkennen, warum Ernst Strom nur hier sein Leben auf seine Art gestalten konnte. Erinne­ rung, Gegenwart und Erwartung, das alles bekommt für ihn seinen Sinn aus dem, was er ohne Scheu Heimat nennt. Schon sein Elternhaus, in das Ernst Strom im Jahre 1917 hineingeboren wurde, war eine Mühle. Sie stand etwas außerhalb des Dorfes Biesingen an der Kötach und neben der Was­ serkraft war es der Vater, der das Räderwerk in Gang hielt. Der Junge wuchs heran, wie man eben damals auf dem Lande heran­ wuchs. Da waren die Schule, die Kameraden und die Mühle. Eine kleine Welt, die Ernst Strom nie wirklich verlassen hat, und die für ihn Verpflichtungen und Aufgaben bereit hielt, die sein Leben ausfüllten. Damit begann es recht früh, denn Landwirtschaft und Mühlenbetrieb forderten den jungen Burschen. Der Schule folgte die Lehre im elterlichen Betrieb. Aber nicht der Vater, sondern ein Meister bildete ihn aus. Die Gesellenprüfung im Jahre 1936 war für Ernst Strom der erste Erfolg und zugleich das plötzliche Ende der Jugendzeit. 209

Der Krieg griff ohne zu fragen zu und nahm Ernst Strom acht Jahre seines Lebens. Er floh aus Kriegsgefangenschaft und es gab fur ihn nur ein Ziel, sein Heimatdorf. Doch die Schrecken dieser Zeit erwarteten ihn dort bereits. Zwei Brüder waren gefallen und die Mühle am Bach gab es nicht mehr. Noch in den letzten Kriegstagen war sie in Brand geschossen worden. Ernst Strom wäre kein Baaremer gewesen, wenn er nicht, ohne zu zögern, neu angefangen hätte. Es gab noch die Nachbarn und Freunde und es gab das Korn auf den Feldern. Heim­ gekehrt war der Müller und so mußte es auch wieder eine Mühle geben. Ernst Strom heira­ tete 194 7 und im Anwesen seiner Frau Hilde­ gard drehte sich schon bald wieder der erste Mühlstein. Ernst Strom hatte damals Wech­ sel unterschrieben, um gebrauchte Maschi­ nen kaufen zu können. Doch mit dem Korn der Baar, das durch den Trichter der Mühle rann, kam auch Geld ins Haus. Die Mühle wurde modernisiert und mehrfach erweitert. Heute erinnert an dem Gebäude am Orts­ rand nichts mehr daran, daß dies einst ein Bauernhof war. Die Mühle der Familie Strom, seit ein paar Jahren hat der Sohn als Müllermeister den Betrieb übernommen, hat einen guten Namen in der Baar. Ernst Strom ist nicht nur Müller, sondern auch Getreidehändler und sein Unternehmen heißt deshalb Handels­ mühle. Er kauft fast alles Getreide in der Nachbarschaft, vom Weizen und Hafer bis hin zu Braugerste und Raps. Einen Teil holen sich die Bauern als Mehl für ihr selbstgebak­ kenes Brot zurück, ein Teil wird an Bäcke­ reien in der Umgebung verkauft und, was übrig bleibt, wandert zu anderen meist grö­ ßeren Mühlen. Die Landwirte schätzen den Müller und seine Mühle, denn sie haben Ver­ trauen zu einem, der mit ihnen aufwuchs und der ein Sohn der Baar ist. Wer in Biesin­ gen sein Korn verkauft, hat kurze Wege und erzielt einen reellen Preis. Von den vielen Mühlen, die es früher in dieser Gegend gab, ist auf der Baar nur die Handelsmühle Strom übrig geblieben. 210 Für Ernst Strom, diesen nachdenklichen Mann, der seine Worte stets mit Bedacht wählt, gab es neben seiner Mühle noch die Dorfgemeinschaft, die ihn ebenfalls in die Pflicht nahm. Schon gleich nach seiner Rückkehr aus Kriegsgefangenschaft wurde ihm das Amt des Gemeinderates übertragen. Mehrfach wurde er wiedergewählt und im Jahre 1955 stellvertretender Bürgermeister. Als im Jahre 1968 das Amt des Bürgermei­ sters neu zu besetzen war, erhielt Ernst Strom erneut das Vertrauen seiner Mitbürger. Vor ihm lag eine große Aufgabe. Die Gemeinde­ reform veränderte 1971 die kommunalpoliti­ sche Landschaft und auch Biesingen war davon betroffen. Die Integration in die Stadt Bad Dürrheim vollzog sich unter seiner Füh­ rung reibungslos. Ernst Strom blieb als Orts­ vorsteher im Rathaus. Auch in der größeren Gemeinschaft verstand es der zielstrebige Müllermeister in seiner ruhigen Art, die Ent­ wicklung seines Dorfes voran zu treiben. Die Ortsumgehung wurde gebaut, das Unterdorf saniert und mit Augenmaß Industrie ange­ siedelt. Das Baugebiet „Hinter den Häusern“ wurde erschlossen, so daß die nächste Gene­ ration das eigene Heim im Dorf bauen konnte. Immer waren es die Menschen in der Baar, denen sich Ernst Strom auf besondere Weise verbunden fühlte und so war er als Bürgermeister und Ortsvorsteher nicht nur auf dem Rathaus zu sprechen, sondern immer, wenn sein Rat gefragt war und wenn er helfen konnte. Die Verdienste von Ernst Strom um das Gemeinwohl wurden durch die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes gewürdigt und der „Goldene Meisterbrief“ war die Anerkennung, mit der das Handwerk Geradlinigkeit und Fleiß des Handwerkers Strom auszeichnete. Für Ernst Strom gilt der Wortlaut der Ver­ leihungsurkunde des Bundesverdienstkreu­ zes Wort für Wort, wenn auch mit der klei­ nen Abwandlung „Ernst Strom hat sich um die Baar verdient gemacht“. Klaus Peter Friese

Ema Hirt Stets bereit, immer dabei Als ich 1954 zum Bürgermeister und Kur­ direktor von Dürrheim gewählt war, suchte ich im alten früheren Rathaus eine Frau für mein Vorzimmer. Sie mußte Steno können, flexibel im Geist und in der Auffassung, lie­ benswürdig und kontaktfreudig sein. Intelli­ genz und Arbeitsfreude waren Vorausset­ zung. Ich suchte, prüfte und fand die Ur-Dürr­ heimerin Ema Hirt. Sie war schon lange im Rathaus, aber nach dem Krieg wie viele ihrer und meiner Generation auf dem Abstellgleis gelandet. Auf alle Fälle -und das erwies sich sehr schnell – hatte ich eine gute Wahl getroffen. Frau Ema Hirt, „das Hirtle“, wie ich sie zum Diktat rief, war eine Frau, eine Mitarbei­ terin an vorderer Front, auf die Verlaß war, die über wichtige Schriftsätze und Vorent­ scheidungen schweigen konnte, eine Chef­ sekretärin, die Spaß an der Arbeit hatte. Das »stets bereit“, das »immer dabei“ hatte mehr Wert als eine Sammlung von Diplomen. Frau Hirt war der gute Ansprechpartner, aber auch der gute Geist für Bürger und Gäste. Liebenswürdigkeit, Hilfsbereitschaft, Kontaktfreudigkeit und stete Einsatzbereit­ schaft zeichneten sie aus. Die Arbeitszeit richtete sich damals weder nach der Stechuhr noch nach einer 35-Stun­ den-Woche und trotzdem kamen damals die Damen zum Friseur und zu ihren Kurzein­ käufen. Die Arbeit, die Arbeitszeit, der Einsatz war allein geprägt – vom Willen, daß Bad Dürrheim wieder Anschluß an die Bäder und Kurorte des Bundes findet, – vom „Vorwärts Bad Dürrheim“ und durch den Weg vom Dorf zur Kur- und Bäderstadt. Ohne Zweifel verdient Frau Hirt für ihre Leistung in der Bad Dürrheimer Pionierzeit Dank und Lob. Es war im übrigen eine Zeit großer und zukunftsträchtiger Umwälzun­ gen in der kommunalen und kurpolitischen Infra- und Subrastruktur. Es war schlechthin die Zeit • des Aufbaues einer Leistungsverwaltung ohne entsprechende Dotation • der Forderung, die staatl. Saline muß ster­ ben, damit die Gemeinde leben kann • des Baues der Umgehungsstraßen und des agrarpolitischen Strukturwandels (Flurbe­ reinigung und Aussiedlungen) • der Gründung der Kur- und Bäder GmbH • der Verwaltungsreform und der freiwilli­ gen Eingliederung der 6 Osthaar-Gemein­ den • der Stadterhebung. Nicht zu vergessen die vielen gesell­ schafts- und verbandspolitischen Ereignisse und Verpflichtungen mit Gästen aus Politik und Wirtschaft, ebenso Frau Hirts spätere Mitwirkung nach ihrer Pension im Rahmen der kurörtlichen Aufgaben unserer Kur- und Bäder GmbH. Kein Zweifel, ihre Fachkompetenz und ihr Persönlichkeitswert reiften und machten sie zu einer wertvollen Wegbegleiterin. 211

Zu ihrem persönlichen „stets bereit und immer dabei“ gehört ein Dank an ihren Mann, ihren Sohn Edgar, der als Dipl. Betriebswirt bei der Kurdirektion in Baden­ Baden das große, internationale Kongreß­ zentrum auf die Beine stellt und der mit einer reizenden und repräsentativen Holländerin verheiratet ist. Dank auch an ihre Tochter Florina, die zur Zeit als Rechtsassessorin tätig ist. Dieser Toleranz, auch der 1974 verstorbe­ nen Mutter, verdankt ohne Zweifel Frau Hirt zu einem großen Teil das „stets bereit und immer dabei“. Zum Schluß zwei liebenswerte und nette Erinnerungen: Es war mittags wie so oft mal wieder spät. Ich fuhr deshalb Frau Hirt rasch heim, um diese Zeit gut zu machen. Vor der Haustür stand bereits Frau Grießhaber, ihre Mutter. Ich drehte die Scheibe meines Wagens her­ unter und rief ihr zu: ,,Hasch ‚was guts kocht“? Ihre Antwort: ,,Alles isch längst ver­ bruzelt. Wenn nur Sie, Herr Burgermosch­ ter, mit samt dem Rothus den Bach nab gin­ get“! Ende der Vorstellung. Ein weiteres Ereignis: Frau Hirt bekam im Jahre 1975 die Bun­ desverdienstmedaille. Der anschließende Schriftwechsel zwischen dem Ordensaus­ händiger, Landrat Dr. Rainer Gutknecht, und dem damaligen Regierungspräsidenten in Freiburg, Dr. Hermann Person, zeigt trotz der angestrebten Gleichberechtigung der Frau, daß es mindestens theoretisch immer noch Unterschiede gibt. Die Pappn.tz, die ein jeder kennt, war eine Frau mit viel Talent; sie schrieb es vor, sich zu benehmen, und mancher müßte sich was schämen, wenn er nicht wäre auf der Hut, zu tun, was nach der Pappritz gut. Gilt’s einen Orden zu verleihen, Frau Pappritz kann es nicht verzeihen, wer einer Dame ungehemmt den Orden an den Busen klemmt. 212 Der Herr Regierungspräsident, den hierzulande jeder kennt, hat ihre Lehren übernommen. War kürzlich nach Bad Dürrheim kommen und sah, wie der Landrat ungeniert den Busen einer Dame ziert mit einem nadeligen Orden, ich gl.aub‘, ihm ist ganz heiß geworden. Sah er doch schon mit großem Schrecken die Nadel tief im Fleische stecken. Er kennt ja seinen Landrat gut, daß dieser nJh stürmisch tut. Mit Sturm und Drang, als Junggeselle, war er in diesem Falle zur Stelle. Er weist mich aef die Pappritz hin, daß dies nicht sei nach ihrem Sinn. Den Orden, der die Dame schmückt, wird in die Hand ihr sanft gedrückt. Ich Landrat grüble vor mich hin, und manches geht mir durch den Sinn: Des ka ich jetzt doch nit verstau, daß ich soll gau, stau, bliebe lau. Was ich bis jetzt mit Freid han g’macht, gar neamed hät do driber g’lacht. Dozue denk‘ ich: Ich mach‘ e Wett, die Praue hont e Freid dra g’hett. Vor nicht allzu langer Zeit da hatt‘ ich die Gelegenheit in Bonn den Bundespräsident‘), den ebenfalls ein jeder kennt, in dieser Sache zu befragen. Und heut‘ noch höre ich ihn sagen: ,,Die Pappritz ist doch nicht mehr ,in‘. Wenn ich am Ordengeben bin, dann stecke ich mit Herzenslust den Orden immer an die Brust, ob Mann, ob Frau, das ist egal ’ne Freude ist es allemal. “ Und nun, verehrter Präsident, bin ich mit meinem Brief am End. Ich werde weiter – ohne Schmusen – den Orden heften an den Busen. Was der Bundespräsident gern tut, *) Bundespräsident war im Jahre 1978 Walter Scheel

dazu hat auch ein Landrat Mut. Ich kann nur hoffen, ich hab‘ Glück und es geschieht kein Mißgeschick. Bin wieder meines Herzens.froh, verbleibe mit Narri-Narro in guter Freundschaft wahr und echt Landrat und junggesell‘ Gutknecht. Dieser Brief ist ein köstlicher Schluß mei­ ner Skizzierung über 25 Jahre „stets bereit, Ernst Rothweiler Ein Leben für die Gemeinschaft Am 7. Februar 1931 in Donaueschingen geboren, gehört Ernst Rothweiler zu den markantesten und profiliertesten Bürgern seiner Heimatstadt. Sein Geburtshaus war das aus der väterli­ chen Linie seiner Vorfahren stammende Gasthaus Hirschen. Allein schon daraus ist erkennbar, daß es sich bei den Rothweilers um ein altes Donaueschinger Geschlecht handelt. Schon als Kind halfErnst Rothwei­ ler im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern und übernahm ihn nach seiner beruf­ lichen Ausbildung 1957 von seinen Eltern. Seit jeher gehört Ernst Rothweiler zu den Bewohnern der badischen Baar, die das Wesen in und um die Stadt Donaueschingen sowie ihre Sitten und Bräuche wesentlich mitgeprägt haben. Ernst Rothweiler hat sich neben seiner Familie und seinem Beruf und Betrieb fest in den Dienst der Allgemeinheit gestellt. Was wäre ein Leben ohne die Gewiß­ heit, daß man etwas für den Nächsten und die Gemeinschaft tut! Menschen, die nur für sich selbst da sind, sind ausgesprochen ein­ sam und werden bestenfalls von den weni­ gen bemerkt, die den Egoismus dieser Men­ schen zu spüren bekommen. Anders jene, die den Sinn des Lebens in der Gemeinsam­ keit, in dem Miteinander und auch in der Hilfe und Unterstützung für andere nicht nur sehen, sondern auch leben. immer dabei“. Er zeigt aber auch die Chance einer Frau, in einem Management ausge­ prägte Leistungen zu bringen. Es bleibt die Erinnerung an das „Vorwärts Bad Dürr­ heim“, an das „stets bereit, immer dabei“, es bleibt aber auch der Wille der Erna Hirt, immer noch da und dort etwas für ihre Hei­ mat Bad Dürrheim zu tun. Otto Weissenberger Bürgermeister und Kurdirektor i. R. Sein Gemeinschaftssinn ist Ernst Roth­ weiler in die Wiege gelegt worden und hat sowohl seinen privaten als auch geschäftli­ chen, beruflichen und ehrenamtlichen Wer­ degang bis heute begleitet. Seine Vielseitig­ keit in einem nicht kleinen Spektrum ehren­ amtlichen Engagements bestätigt das bisher angeführte. So war er 40 Jahre lang Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und erhielt dafür die goldene Auszeichnung. Es mag daran lie­ gen, daß er aufgrund seines Berufes 15 Jahre als Vorstand der örtlichen Milchgenossen­ schaft tätig war und darüber hinaus viele Jahre als Mitglied im Verwaltungsrat die Richtlinien dieser Genossenschaft mitbe­ stimmte. Auch sportlich betätigte sich Ernst Roth­ weiler als aktiver Turner im Turnverein Donaueschingen von 1943 bis 1959 und wurde dafür mit der goldenen Ehrennadel ausgezeichnet. Uber diese Tätigkeiten hinaus haben der Name und der Mensch Ernst Rothweiler aber ganz besonders in der Kommunalpoli­ tik sowie in der Brauchtumsgesellschaft einen ausgesprochen guten Klang. Im Jahre 1969 wurde er als stellvertreten­ des Mitglied in den Verwaltungsrat des größ­ ten Kreditinstituts von Donaueschingen, der Bezirkssparkasse, gewählt, seit 1980 ist er ordentliches Verwaltungsratsmitglied. 213

der Scheuer des landwirtschaftlichen Anwe­ sens der Familie Rothweiler die ersten Fast­ nachtswagen für den großen Umzug gebaut. Die große Zeit des Ersten Zunftmeisters Ernst Rothweiler begann 1969. Diese ehren­ volle und arbeitsreiche Tätigkeit zum Wohle der Narrenzunft und zur Pflege der Fast­ nacht übte Ernst Rothweiler über 22 Jahre aus, womit er der dienstälteste Erste Zunft­ meister der Narrenzunft Frohsinn 1853 Donaueschingen seit deren Bestehen war. Ernst Rothweiler war in dieser relativ langen Zeit ein ausgezeichneter Steuermann des Frohsinn-Narrenschiffes. Er hat dieses Schiff auch bei hohen Seegängen hervorragend gesteuert. Man denke hier unter anderem an die anfänglich nicht einfache Zusammen­ arbeit mit den Vereinen der Stadtteile nach der Gebietsreform, an oft sehr schwierige Finanzsituationen, an das Große Narrentref­ fen der Vereinigung schwäbisch-alemanni­ scher Narrenzünfte 1976, an die Jubiläums­ veranstaltungen 1978 anläßlich des 125jähri­ gen Bestehens der Zunft, an das große Weiß­ narrentreffen der Landschaft Baar innerhalb der Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte 1989 im Rahmen der Jubi­ läumsveranstaltungen aus Anlaß des llOOjährigen Bestehens der Stadt Donau­ eschingen und schließlich zur Beendigung seiner Tätigkeit als Erster Zunftmeister die Fertigstellung der Zunftkammer im ehema­ lig fürstlich fürstenbergischen Eishaus. Im Rahmen eines Persönlichkeitsbildes alles das vorzustellen, was Ernst Rothweiler geleistet hat, ist schier unmöglich. Die weni­ gen Daten, die hier aufgezeigt sind, belegen aber, mit wieviel Engagement Ernst Roth­ weiler die ihm übertragenen Tätigkeiten aus­ geübt und mit wieviel Leben er die verschie­ denen Bereiche in seiner Heimatstadt erfüllt hat. Für seine umfassenden Verdienste um das Gemeinwohl wurde Ernst Rothweiler mit der goldenen Ehrennadel der Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte, mit der Ehrennadel des Landes Baden-Würt­ temberg und am 22. November 1991 im Auf- Seine langjährige Tätigkeit im Kommu­ nalparlament der Stadt Donaueschingen begann Ernst Rothweiler im Jahre 1975 als Stadtrat für die Christlich-Demokratische Union. Sicherlich waren nicht nur die höch­ sten Stimmenzahlen für diese Partei, die Ernst Rothweiler bei den Kommunalwahlen auf sich vereinen konnte, Ausschlag dafür, daß er seit 1980 Erster Bürgermeisterstellver­ treter in Donaueschingen ist. Seine Mitar­ beit in verschiedenen Ausschüssen des Kom­ munalparlamentes ist sowohl bei seinen politischen Freunden als auch bei seinen politischen Kontrahenten beliebt und aner­ kannt. Mag sein, daß die ihm eigene Art der Umsetzung von Gewußtem, von Wissen und von dem Fürsichbehalten oder Weiter­ geben an andere, vor allem an die, die ihm geholfen und ihn unterstützt haben, manch­ mal etwas schwer verständlich war; der Sache kam sie aber zugute. Lange Jahre übte er das Amt des Ersten Zunftmeisters der Narrenzunft Frohsinn 1853, Donaueschingen, aus; in die Zunft trat Ernst Rothweiler 194 9 ein. Im gleichen Jahr­ es war übrigens das Jahr der Gründung der Bundesrepublik Deutschland – wurden in 214

trage des Bundespräsidenten durch den Landrat des Landkreises Schwarzwald-Baar, Herrn Dr. Rainer Gutknecht, mit dem Ver­ dienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausge­ zeichnet. Der Bürgermeister der Stadt Donau­ eschingen, Dr. Bernhard Everke, überreichte Ernst Rothweiler für seine kommunalpoliti­ sche Arbeit nicht nur den kleinen und den großen Wappenteller der Stadt Donau­ eschingen, sondern er traf zu Recht die Fest­ stellung: »Die Welt lebt von den Menschen, die mehr tun als ihre Pflicht.“ Werner Riegel Helmut Pietsch Pädagoge aus Überzeugung Nur wenige Blumberger, echte und rein­ geschmeckte, dürfte es geben, die den lang­ jährigen Rektor der Blumberger Realschule Helmut Pietsch nicht kennen. Sei es vom Sehen im Ort, vom Schulbesuch und dort erfolgtem Unterricht oder von Kursen in der Volkshochschule Baar, Außenstelle Blum­ berg. In den letzten Jahren seines aktiven Schuldienstes unterrichtete Helmut Pietsch schon Kinder seiner ehemaligen Schüler. 1923 in Oppenau geboren, kam Helmut Pietsch 1945 aus Krieg und Kriegsgefangen­ schaft zurück. In diese Turbulenzen wurde er 1940 direkt nach dem Abitur verwickelt, und nach 1945 stellte sich für den jungen Mann die Frage, wie es denn nun weiter gehen sollte. In diesen ersten Nachkriegsjahren wurden dringend im Land überall Lehrer gebraucht und Helmut Pietsch nahm das Kursangebot für ein verkürztes Studium an. Begleitet von autodidaktischen Studien legte er in der Pädagogischen Akademie in Lörr­ ach 1949 und 1950 die Prüfungen ab, unter­ richtete aber schon 1949 in der Volksschule in Unterbaldingen. 72 Schüler forderten damals von dem jungen Pädagogen vollen Einsatz. Nicht viel anders sah es in der Schule in Vöhrenbach aus, wo Helmut Pietsch geistig und organisatorisch voll gefordert war. 1952 erfolgte seine Versetzung an die Victor-von-Scheffel-Schule in Blumberg. Französisch wurde dem Pädagogen als Unterrichtsfach angeboten und dann die Übernahme einer Sprachklasse. „Mich hat die Sprache immer interessiert und aus die­ sen Anfängen entwickelte sich 1955 der Mit­ telschulzug und danach 1960 der Realschul­ zweig,“ erinnert sich Helmut Pietsch. Die Realschullehrerprüfung hatte er schon 1957 in Freiburg abgelegt und 1968 übernahm er die Leitung der neuerbauten Realschule als Rektor. Dreimal sechs Jahre lang war Helmut Pietsch durchgehend Klassenlehrer, was ihm die Möglichkeit ununterbrochener Entwick­ lungsbeobachtung gab, eine Aufgabe, die für jeden Pädagogen ungemein reizvoll und spannend ist. Bis 1970 war Helmut Pietsch zusätzlich zu seinem Schuldienst in der Aus- 215

bildung junger Lehrer als Fachberater für Geschichte tätig, und 1970 bis 1974 vertrat er als Personalratsvorsitzender des Schulkreises Villingen-Schwenningen die Interessen von über 1500 Lehrern. 1974 wurde er dann geschäftsführender Schulleiter in Blumberg und koordinierte all die Aufgaben, die über diejenigen der einzelnen Schulen hinaus gehen. In der Lehrerausbildung war er zudem bis 1980 Kursleiter für Schulrecht. Alle diese vielfältigen Verpflichtungen wurden von Helmut Pietsch zusätzlich zum Unterricht in Deutsch und Geschichte, wie dem Neigungsfach Französisch bewältigt. Neben dem notwendigen Einsatz für Schüler war dem überzeugten und engagier­ ten Pädagogen die Arbeit mit Erwachsenen wichtig und so übernahm er 1958 die Leitung des schon seit 1954 bestehenden Volksbil­ dungswerkes in Blumberg. Nach der Um­ strukturierung 1975 blieb er dem neube­ nannten »Kind“ Volkshochschule Baar als umsichtiger und erfahrener Außenstellenlei­ ter erhalten. Esprit, pädagogische Methodik und ein feines Gespür für den Menschen prägten Helmut Pietsch ein Leben lang. So kann er nicht nur auf eine Vielzahl von erfolgreichen Kursen und Fachvorträgen zurückblicken, sondern auch auf die intensive Begegnung mit Menschen, Kursbesuchern und Referen­ ten unterschiedlichster Couleur. Ein Lichtbildervortrag des Hüfinger Arz­ tes Dr. Sumser war 1954 das erste Angebot des Volksbildungswerkes unter der Leitung von Helmut Pietsch. ,,Im Blumenparadies der Baar“ war sicher für viele Besucher hoch­ interessant, war das Fernsehen in diesen Jah­ ren noch eine Rarität. Über lange Jahre hin­ weg verstand es Helmut Pietsch das Vortrags­ angebot interessant und abwechslungsreich zu gestalten. Reiseberichte und Gesell­ schaftsfragen, Fachvorträge zu bestimmten Themen, Politisches und Künstlerisches wechselten mit medizinischen Referaten und Beiträgen zum mathematisch, naturwis­ senschaftlichen Bereich ab. Immer war auch die rasant fortschreitende Technologie ein 216 fester Bestandteil im Themenangebot der von Helmut Pietsch geführten VHS-Außen­ stelle. Zum festen Standardangebot an Kur­ sen im sprachlichen oder auch kreativen Bereich kamen spezielle Langzeitreihen, hochinteressant besonders für Blumberger Bürger die Reihe: ,,Öffentliche Einrichtun­ gen und Aufgaben im Blickpunkt.“ Ebenso interessant und sehr gefragt sind die von ihm begonnenen Reihen „Technik im Wandel“ und „Altes Handwerk“. Fest integriert in die Erwachsenenarbeit der VHS unter der Lei­ tung von Helmut Pietsch waren die jähr­ lichen, sachverständigen Führungen durch die Blumberger Kunstausstellung und die darin eingebundene Autorenlesung. Im Mai 1991 gab Helmut Pietsch die Lei­ tung der VHS-Außenstelle ab und, bezeich­ nend für den Naturfreund, endete er seine Arbeit mit einem Naturbeitrag. „Das Monta­ fon“, ein Vortrag von Lothar Buck, schloß die erfolgreiche Arbeit in der Leitung der Außenstelle Blumberg der Volkshochschule Baar für Helmut Pietsch ab. 1991 erhielt Helmut Pietsch für sein lang­ jähriges und vielseitiges Engagement für den Menschen die „Ehrenurkunde des Landes­ verbandes der Volkshochschulen in Baden­ Württemberg“ und beim Neujahrsempfang der Stadt Blumberg die neugeschaffene ,,Ehrenurkunde“ der Stadt. Christiana Steger AugenBlicke sonniger Huflattich in vorjährigem Grün unwirkliche Nuancen im grautonigen Wald filigranes Schattenspiel in letzten Schneeresten Träume von rosenduftenden Farben Vorfrühling Christiana Steger

In memoriam Wilhelm Haug Ein Leben für die Mitmenschen Am 21. 1. 1992 wurde Wilhelm Haug auf dem Triberger Bergfriedhof zur letzten Ruhe gebettet. Siebenundsiebzig Jahre alt ist er geworden. Wer war Wilhelm Haug? Er wurde am 14. 3.1914 in Triberg geboren und wuchs mit fünf Geschwistern auf, mit drei Brüdern und zwei Schwestern. Der Vater Wilhelm Haugs war ein armer Fuhrmann; die sechs Kinder mußten schon früh für ihren Lebensunterhalt arbeiten. Ab Ostern 1920 besuchte Wilhelm Haug in Triberg die damals so benannte Volks­ schule. Er drückte aber auch -sommers über – die Schulbank in Schonach und Grem­ melsbach. Er verdiente sich als Schüler sein Essen, wie es für seinesgleichen damals im Schwarzwald üblich war: er war Hütejunge bei Bauern. Nach der Volksschule kamen drei Jahre Gewerbeschule in Triberg. Zu dieser Zeit erlernte Wilhelm Haug in der Jahresuhren­ fabrik Triberg den Beruf eines Mechanikers für Stanzen- und Maschinenbau. Um einer drohenden Arbeitslosigkeit zu entgehen, schulte Wilhelm Haug auf den Feinmechanikerberuf um und produzierte in der Uhrmacherei der ,Juba“ Tischuhren. Von April bis September 1935 diente er freiwillig im Arbeitsdienst, danach bis Sep­ tember 1937 bei der Wehrmacht, bei der Nachrichtentruppe in Bad Cannstatt. Nach seiner Entlassung ging Wilhelm Haug am 3. Oktober 1937 als Mechaniker zur Firma Anton Tränkle KG in Triberg. Noch während seiner Lehrzeit kommt Wilhelm Haug mit Gewerkschaftsfunktio­ nären des Metallarbeiterverbandes zusam­ men. Kaum hat er die Lehrjahre hinter sich, schließt er sich als Siebzehnjähriger der Gewerkschaft an. Er ist Zeit seines Lebens ein überzeugter Gewerkschafter geblieben, da- bei stets das Wohl seiner Mitmenschen im Auge behaltend. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges kam Wilhelm Haug über Bad Waldsee nach Polen und von dort nach Trier; der Frank­ reichfeldzug hatte begonnen. Dort erreichte ihn die UK-Entscheidung; er war der einzige Lehrenbauer in der Firma Tränkle KG. Er kehrte in seine Firma zurück. Sein Arbeitsge­ biet war künftig die Fertigung. Später wech­ selte er in den umfangreichen Bereich Arbeitsvorbereitung. Er beendete seinen beruflichen Lebensweg als technischer Angestellter im Jahre 1977 im Alter von 64 Jahren. Die Firma Tränkle ehrte ihn für vier­ zigjährige Betriebstreue. Am 25. 7. 1941 heiratete Wilhelm Haug Else Weber von Triberg. Der Ehe entspros­ sen ein Sohn und eine Tochter. Im Sommer 1991 konnten Haugs ihre Goldene Hochzeit feiern. In Wilhelm Haug steckte schon sehr früh der Wunsch, sich auf kommunaler Ebene für seine Mitmenschen einzusetzen. Die mei­ sten Feierabende waren mit Kommunalpoli­ tik, Gewerkschaftsarbeit und Vereinstätigkei­ ten ausgefüllt. Von 1948 bis 1979 gehörte er während einunddreißig Jahren ununterbro­ chen dem Triberger Stadtrat an. Nach fünf- 217

undzwanzigJ ahren ehrenamtlicher Tätigkeit im Stadtrat erhielt Wilhelm Haug aus der Hand des damaligen Bürgermeisters Alfred Vogt den Goldenen Ehrenring der Stadt Tri­ berg. Die SPD-Rathausfraktion hat ihn bereits 1953 zu ihrem Fraktionsvorsitzenden bestellt. 1958 war Wilhelm Haug außerdem zum Bürgermeisterstellvertreter gewählt worden; er ist es einundzwanzig Jahre lang geblieben. Die erste Bürgermedaille in Gold Im Herbst 1979 zog sich Wilhelm Haug nach über dreißig Jahren ununterbrochener Tätigkeit im Gemeindeparlament aus dem Gremium zurück. In einer Sondersitzung des Gemeinderates zeichnete Bürgermeister Alfred Vogt den verdienten Stadtrat mit der Triberger Bürgermedaille in Gold aus. Er wurde damit der erste Träger ilieser seltenen Auszeichnung. Von 1957 bis 1973, mithin sechzehn Jahre, war Wilhelm Haug Vorsitzender des Orts­ vereins der SPD in Triberg und war während fünf Jahren gleichzeitig stellvertretender Kreisvorsitzender. Er war lange Jahre in der Arbeiterwohl­ fahrt tätig, bekleidete in der Ortsgruppe Tri­ berg -seit 1950 -verschiedene Ämter in der Vorstandschaft, war während dreiunddrei­ ßig langen Jahren ihr Vorsitzender. Mehr noch: Von 1973 bis 1982 war er außerdem Kreisvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt im Verband Schwarzwald-Baar und Mitglied des Bezirksausschusses Südbaden der AWO. Wilhelm Haug hat sich unermüdlich für die sozial schwächeren Bürgerinnen und Bürger eingesetzt. Er hat Erholungsaufenthalte für Kinder und erholungsbedürftige Mütter sowie für alte Menschen vermittelt. Im Herbst 1982 gab er aus gesundheitlichen Gründen den Vorsitz beim Triberger A WO­ Verein ab und wurde dabei zum Ehrenvorsit­ zenden des Ortsvereins Triberg ernannt. Zahlreiche Ehrenämter Wilhelm Haug bekleidete zahlreiche Ehrenämter. Er war Arbeitnehmervertreter 218 bei der AOK Triberg, Mitglied des Kreistages des ehemaligen Landkreises Villingen, Vor­ sitzender der AOK Villingen (heute Schwarzwald-Baar-Kreis), Betriebsratsvorsit­ zender bei der Firma Tränkle KG in Triberg, Mitglied des Verwaltungsrates der Sparkasse Triberg, Mitglied des Beirates der Bezirks­ sparkasse Villingen, Beisitzer im Vorstand des MGV „Sängerlust“, Triberg, von 1969 bis 1974 Gründer und Vorstandsmitglied des Kreisjugend-Sportrings. Er war jahrelang ehrenamtlicher Richter beim Verwaltungs­ gericht Freiburg und Mitglied des Gutachter­ ausschusses des Landkreises Schwarzwald­ Baar. Lange Jahre war Wilhelm Haug aktiver Spieler beim Fußballclub Triberg, dabei von 1957 bis 1973, mithin sechzehn Jahre, dessen Vorsitzender. Er besitzt die Goldene Ehren­ nadel des Südbadischen Fußballverbandes, war von 1966 bis 1972 dessen stellvertreten­ der Vorsitzender. Am 23. 9. 1977 häniligte Landrat Dr. Rai­ ner Gutknecht Wilhelm Haug das Bundes­ verdienstkreuz am Bande aus, das ihm Bun­ despräsident Walter Scheel seiner besonde­ ren Verdienste wegen verliehen hatte. Wilhelm Haug war ein stiller, überzeugter protestantischer Christ. Die unübersehbare Trauergemeinde hörte aus dem Munde von Pfarrer Theodor Berggötz jenes Wort, das Wilhelm Haug vor vierundsechzigJahren als Konfirmationsspruch mit auf den Weg in sein Leben gegeben wurde: ,,Alle, die gottes­ fürchtig leben wollen in Christus Jesus, müs­ sen Verfolgung leiden. Du aber bleibe in dem, was Du gelernt hast.“ Dies sei ein Auf­ ruf zu lebenslanger Treue zu Christus gewe­ sen. Pfarrer Theodor Berggötz: ,,Wilhelm Haug ist diesem Aufruf nie untreu gewor­ den.“ Privatmann ist Wilhelm Haug auch in sei­ nem Ruhestand nicht geworden, er blieb im öffentlichen Bereich tätig: ,,Wenigstens noch zwei, wenigstens noch ein einziges Jährchen für uns allein“ seufzte seine getreue Gattin Else. Es blieb ein unerfüllter Wunsch – und manchesmal schmerzte es. So blieb

für ihn auch kaum Zeit für Hobbys. Die ihm allseits entgegengebrachte Hochachtung und Wertschätzung, die besonders seiner untadeligen Persönlichkeit galt, wurden an seiner letzten Ruhestätte deutlich, als der Solotrompeter das Lied „vom guten Kamera­ den“ intonierte, die Häupter sich entblößten und die Trauergemeinde Wilhelm Haug ein letztes Valet bekundete. Alexander Jäckle Claus Blum Ein bekannter Hotelier und Gastronom mit einer guten Nase für Chancen Müßiggang? – nein, den kennt er nicht. Wer Claus Blum einmal gemütlich im Sessel sitzend erlebt, darf nicht dem Trugschluß verfallen, hier einen entspannten, dem Ich zugekehrten Menschen zu erleben. Der Wahl-Triberger ist gerade dann, wenn er äußerlich zur Ruhe kommt, am aufmerksam­ sten. Und das nicht nur zum eigenen Wohle. Ihm liegt viel mehr am Herzen als das private und berufliche Umfeld. Der Hotelier -ihm gehört und er betreibt das weit über die Gren­ zen des Schwarzwaldes hinaus bekannte Parkhotel „Wehrle“ -ist im ganzen ein um­ triebiger Mann. Mittelgroß, eher asketischen Wuchses ist er; in bescheidener Zurückhal­ tung sehen die hellwachen Augen vieles -die Stadt Triberg, ihr Fremdenverkehr und der des Schwarzwald-Baar-Kreises profitieren davon. Er kann sich auch rühmen -was er nicht tut -an der Annäherung der Nachbar­ länder Frankreich und Deutschland nach dem Krieg aktiv mitgearbeitet zu haben. Claus Blum feierte im Januar 1992 seinen 65. Geburtstag – Grund für viele, ihm ihre Aufwartung zu machen. Und wenn er an die­ sem Tage nicht „plötzlich“ verschwunden wäre, hätte es noch viel mehr Ehrenbezei­ gungen gegeben. Aber das ist nicht die Sache von Claus Blum. Der persönliche Einsatz weit über den eigenen persönlichen Nutzen hinaus, wenn er dann am Ende auch Erfolg verspricht, das gehört zu Claus Blum, ist Teil seiner selbst und von keiner Altersgrenze abhängig. Das bringt ihm Begeisterung, aber auch Ablehnung, Anerkennung, aber auch Miß- verständnisse, denn leicht ist es nicht, Claus Blum einzuschätzen. Dabei kennt er die Menschen, kennt die Stärken und Schwä­ chen; ,,es menschelt“ sagt er, wenn wieder mal eine Situation aus den Fugen gerät. Ent­ sprechend nuanciert ist sein Verhalten, aber nie von der professionellen Freundlichkeit durchsetzt, die gern langjährigen Gastrono­ men so eigen ist. Claus Blurn wurde 1927 im Rheinland geboren. In seinen Kinder- und Jugend­ jahren lernte er Frankreich kennen und lie­ ben. Diese Liebe prägte sein Leben.1943 ver­ schlug es ihn in den Schwarzwald nach Tri­ berg. Landwirtschaft hat er gelernt, gibt er – nicht ohne Stolz – zu, Autodidakt war er, 219

mußte er auch wohl sein in den Kriegswirren. Wo hatte da ein junger Mann schon eine Chance? Die große Chance bekam Blum zu Ostern 1949. Das Parkhotel „Wehrle“, schon vor dem Krieg ein bekanntes Haus am Marktplatz in Triberg (Hemingway soll in den zwanziger Jahren auf seinem Europa­ Trip dort gewohnt haben), wurde von der damaligen französischen Militärregierung für den Fremdenverkehr wieder freigegeben. Und Claus Blum war mit von der Partie, stieg ins Hotelfach ein, lernte von der Pike auf – und heiratete dann die Tochter Wehrle. Inzwischen hat sich privat einiges für ihn verändert. Er hat vier Kinder, ist zum zweiten Mal verheiratet – aber das ist nun wirklich sein Privatleben, das abzuschirmen er auch immer gewillt ist. Ohnehin gibt es den „pri­ vaten“ Claus Blum kaum. In den fünfziger Jahren lud er sich neben der Fortführung des Hotels und der Steigerung des guten Rufs durch Service und Küche einiges auf. Er engagierte sich kommunalpolitisch, und er gehörte zu den ersten Mitgliedern des in Tri­ berg gegründeten Kurausschusses. Den Freien Wählern gehört heute noch seine Sympathie. Für sie ging er in den Gemeinde­ rat, dem er 1956 bis 1957 und von 1965 bis 1971 angehörte. Mehrere Bürgermeister erlebte er. Und die Geschichte des Kurhau­ ses Triberg, eine schier unrühmliche, denn das Haus belastete in seiner architektoni­ schen Verbautheit den Triberger Haushalt derart, daß nur ein Abriß oder eine grund­ legende Sanierung (wie sie vor zwei Jahren geschah) helfen konnte. Claus Blum über­ nahm zeitweilig das damals noch vorhan­ dene Kurhaus-Restaurant, das kein Pächter gewinnbringend bewirtschaften konnte. Schwankende Frequentierung, schwan­ kende Umsatzzahlen und zuviel Personal führten zu häufigem Pächterwechsel. Im Hotel- und Gaststättenverband in Tri­ berg ist Claus Blum seit Bestehen des Orts­ verbandes dabei. Von 1966 bis 1989 war er dessen Vorsitzender, heute ist er Ehrenvor­ sitzender. Er nahm sein Amt ernst, wies die Berufskollegen auf Möglichkeiten zur Ver- 220 besserung des Fremdenverkehrs am Ort und somit auch der eigenen Verdienstmöglich­ keiten hin. Blum, der auch heute seine Nase immer wieder in alle Richtungen hält, Trends sieht und Chancen wittert, riet zu investieren. Die neue Kurgast-Generation sollte durch mehr Komfort an den tradi­ tionsreichen Kurort Triberg gebunden wer­ den. Etagentoiletten und -bad schaffte Blum frühzeitig ab, baute in seinem Haus Naßzel­ len ein, baute an, um, erweiterte und inve­ stierte in schallschluckendes Fensterglas. Sta­ bile Preispolitik im eigenen Haus – und die Zusammenarbeit mit der Kurverwaltung, das waren und sind ihm heute noch Anliegen. Doch Blum stieß oft auf Skepsis; daß Häuser später schlossen, war ihm keine Genug­ tuung. Daß er für sein Haus attraktive Angebote suchte und auch heute noch findet – von einem Arbeitgeber mit 68 Angestellten erwartet man das.,, Wandern ohne Gepäck“, das Angebot beruht auf einer Idee von ihm, entwickelte sich zum Renner. Auf einer wunderschönen Wanderroute durch den Schwarzwald können Wanderer unbe­ schwert ihr Tagespensum absolvieren, abends in gepflegter Atmosphäre speisen und wohnen. Für die beteiligten Schwarz­ waldorte ist das nicht nur eine zusätzliche Einnahme-, sondern auch Werbequelle, was Kurverwaltungen dankbar vermerken. Kein Wunder also, daß sich Politiker jed­ weder Couleur bei Claus Blum einfinden, wenn es um Fremdenverkehr und neue Kon­ zepte geht. Claus Blum ist Vorsitzender des Fremdenverkehrsausschusses Schwarzwald­ Baar-Heuberg. Er denkt darüber nach, wie man den Fremdenverkehr aus seiner Schwer­ fälligkeit lösen und ihm einen unternehmeri­ schen Touch verpassen könnte -und findet darin Mitstreiter. Denn längst ist der Frem­ denverkehr nicht eine Angelegenheit einiger Hoteliers und gut betuchter Urlaubsreisen­ der, sondern ein eigener Betriebszweig geworden. Denn – so erkennt nicht nur Blum – immer mehr Freizeit will sinnvoll verbracht werden. Kurverwaltungen zu pri-

vatisieren, das kann sich der Triberger Hote­ lier durchaus vorstellen. Traurig ist BI um dar­ über, daß seine Ideen oft daran scheitern, daß sich Hoteliers und Gastronomen mehr Konkurrenten sind als gemeinsame Streiter für eine Verbesserung der Situation. Kennt man den privaten Claus Blum schon kaum, so kennt man aber seine Pas­ sion: seine Liebe zu Frankreich. Sie schlägt sich natürlich auch in seinem Hause nieder: nach Frankreich fährt er mit seinem Chef­ koch einkaufen, aus Frankreich holt er sich Anregungen für neue Rezepte, anderen Ser­ vice. Die Lebensart der Nachbarn, deren „Savoir vivre“, wird auch in Deutschland geschätzt. In Triberg spürt man immer wie­ der etwas davon. So ist es also nicht verwunderlich, daß Claus Blum auch einer der Aktiven war, wel­ che vor nahezu dreißig Jahren eine Städte­ Partnerschaft Tribergs mit einer französi­ schen Stadt unterstützten. Schneefall hatte Ende der fünfziger Jahre den Vater des heuti­ gen Bürgermeisters von Frejus, Gerard Leo­ tard, in Triberg am Weiterreisen durch den Schwarzwald gehindert. Leotard gefiel es in Triberg so sehr, daß er Jahre später seinen Sohn Franc;ois zum Deutsch-Lernen in die Kurstadt schickte. Als Konrad Adenauer die Versöhnung der beiden Völker empfahl, da wuchsen durch diese persönlichen Verbin­ dungen die Stadt an der Cöte d’Azur und die Stadt im Schwarzwald zusammen. Claus Blum wurde Vorsitzender des Partner­ schaftskomitees. Er unterstützt auch heute noch (als „Briefkasten-Onkel“ bezeichnet er sich) die Partnerschaft mit allerlei Vermitt­ lungen und Ratschlägen. Unzählige Triber­ ger Schüler waren in Frejus, französische in Triberg, Berufspraktika hier wie da sind an der Tagesordnung. Und wenn es an der fran­ zösischen Sprache hapert oder aus Frank­ reich einfach keine Nachricht kommt: Claus Blum und sein Fernschreiber helfen. Als diese Partnerschaft 25 Jahre alt wurde, feierte Triberg mit seinen Partnern drei Tage lang im Schwarzwald. Daß dazu auch der damalige Ministerpräsident Baden-Würt­ tembergs, Lothar Späth, anreiste, verwun­ derte viele. Hatte da wieder Claus Blum, der schon viele bekannte Persönlichkeiten beherbergte, seine Hand im Spiel? Auf sol­ che Fragen schmunzelt der agile Mittsechzi­ ger nur. Diskretion ist ihm oberstes Gebot. Er will kein Aufhebens seine Person und seine Aktionen betreffend. ,,Die Hauptsache ist doch das Ergebnis, nicht wahr?“ Renate Bökenkamp Georg Jourdan Dem Gemeinwohl verpflichtet Georg Jourdan ist eine bekannte Persön­ lichkeit in seiner Heimatstadt Triberg und weit darüber hinaus. Unermüdlich enga­ giert, sowohl im kommunalen, als auch sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Bereich, vielfach geehrt und ausgezeichnet, ist er auch heute noch sehr aktiv, stets hilfs­ bereit und geduldig beim Zuhören. Sein Rat ist von vielen -weil überlegt und besonnen – auch heute gefragt. Georg Jourdan ist am 5. Januar 1928 in Darmstadt geboren worden. Zusammen mit einer Schwester und zwei Brüdern ist er auf­ gewachsen. Sein Vater war ein gelernter Bauer, die Eltern bewirtschafteten einen landwirtschaftlichen Betrieb und einen Mol­ kereibetrieb. GeorgJourdan besuchte die Grundschule in Darmstadt-Wixhausen und war dann anschließend von 1938 bis 1942 auf einer Internatsschule. Nach Hause zurückgekehrt, absolvierte er eine zweijährige, verkürzte Lehrzeit zum Industriekaufmann, besuchte die Handelsschule, legte nach zwei Jahren 221

Lehrzeit die Gehilfenprüfung ab. ,,Verkürzte Lehrzeit“ deshalb, ,,weil ich immer die besten Zeugnisse hatte“. In dem Unternehmen, in dem er lernte, wurde er bereits mit sechzehn Jahren selbst Ausbilder fur andere Lehrlinge. Georg Jourdan meldete sich 1944 kriegs­ freiwillig und wurde am 16. März 1944 einge­ zogen. Am 25. März 1945 ist er in amerikani­ sche Kriegsgefangenschaft geraten – für einen Tag; danach floh er. Er kam bis nach Hause. Seine Mutter versteckte ihren Sohn im elterlichen Haus bis Mitte Mai 1945. Sein älterer Bruder war gefallen, sein Vater war in Jugoslawien am 21. April 1945 in Gefangen­ schaft geraten und ist dort verstorben. In dieser tristen Nachkriegssituation mußte GeorgJourdan die heimatliche Land­ wirtschaft übernehmen, er wurde „der Mann des Hauses“. Er hat mit Pferden gepflügt, geeggt und gesät, mußte mit Ochsenfuhr­ werken umgehen und lernte melken. Diese Tätigkeiten beschäftigten GeorgJourdan bis zum Ende des Jahres 1946. Er wollte nicht Bauer werden, das sei nicht sein Ziel gewesen. Die Mutter zeigte Ver­ ständnis. GeorgJourdan ging auf die Suche und fand eine Tätigkeit in der Verwaltung der DEMAG (Deutsche Maschinen AG) in Darmstadt. Die Aufgabe befriedigte ihn nicht. GeorgJourdan brauchte (Originalton Jourdan) mehr „Bewegung, Leben, Aktion“. Es zeigte sich, daß die DEMAG im aufkom­ menden Exportgeschäft findige und fähige Köpfe suchte. GeorgJourdan war ein solcher Kopf. Schnell erkannte er die vielfältige Pro­ blematik dieses Unternehmensbereiches und nach wenigen Monaten war er zum Stellvertreter des Exportchefs avanciert; er leitete selbständig die umfangreiche Ver­ sandabteilung. Bald darauf kamen -in Perso­ nalunion -die Unternehmensbereiche Auf­ tragsbuchhaltung und Auftragsabwicklung hinzu. Daneben konnte GeorgJourdan wäh­ rend seiner Arbeitszeit Vorlesungen und betriebswirtschaftliche Seminare besuchen und studierte drei Semester Betriebswirt­ schaft. 222 Dennoch: Die Tätigkeiten schienen ihm mit der Zeit „schematisch“ zu werden. Zeit­ weise war Georg Jourdan bei SIEMENS in Erlangen – dort war er als Koordinator im Bereich Export zwischen DEMAG und SIE­ MENS tätig. Doch dann wechselte die Szene: Große Zeitungen warben um kompetente Fachkräfte -und GeorgJourdan griff zu. Am 1. Oktober 1952 begann er seine Tätigkeit bei der Firma Gebr. Bühler, Nachfolger, Furt­ wängler KG in Triberg. Es wurde seine beruf­ liche Lebensstellung, neununddreißigJahre lang. Schwerpunkt seiner beruflichen Arbeit war wiederum der Versand. Gleichzeitig wid­ mete sich Georg Jourdan erfolgreich Ratio­ nalisierungsbemühungen und der Verbesse­ rung der Organisation. ,,Dies ist mir gelun­ gen, den Betriebsfluß zu verbessern“, stellt er heute zufrieden fest. 1991 ist er in den „ver­ dienten Ruhestand“ eingetreten. Viele Ämter und Würden Auf vielen Ebenen wurde Georg J ourdan ehrenamtlich tätig. So war er von 1968 bis 1989, einundzwanzig Jahre lang, Stadtrat in Triberg, von 1976 bis 1984 Fraktionsvorsit-

zender seiner SPD-Fraktion, von 1979 bis 1989 Bürgermeister-Stellvertreter. Er war von 1972 bis 1989 Mitglied des Gemeindeverwal­ tungsverbandes Raumschaft Triberg und des Abwasserverbandes Raumschaft Triberg und von 1976 bis 1982 erster Vorsitzender des SPD-Ortsvereins. Die Arbeiterwohlfahrt Triberg sieht Georg Jourdan seit 1974 als Vorstandsmit­ glied des Ortsvereins. Er ist seit 1965 Verwal­ tungsratsmitglied der Kurklinik für krebser­ krankte Kinder bei der „Katharinenhöhe Schönwald“. Seit 1975 ist er erster Vorsitzender der Stadt- und Kurkapelle Triberg, Gründer der großen Weihnachtskonzerte und der Raum­ schaftskonzerte Tri berg-Schonach-Schön­ wald-N u ßbach-Gremmelsbach. Der vielbeschäftigte Georg) ourdan ist seit 25 Jahren Mitglied des Arbeitskreises Ver­ kehr bei der Industrie- und Handelskammer des Schwarzwald-Baar-Kreises. Von 1970 bis 1982 war er Schöffe beim Amtsgericht Villin­ gen und beim Landgericht Konstanz. Und von 1969 bis 1974 war er Vorsitzender des Elternbeirates am Schwarzwald-Gymnasium in Triberg. Georg Jourdan – mit der Geschichte ver­ woben GeorgJourdan freut sich, daß es natürlich auch „persönliche Ereignisse“ in seinem Leben gibt: Er hat am 3. August 1953 seine Frau Anita, geb. Ott, geheiratet. Der Ehe ent­ sprossen drei Kinder; zwei Töchter, ein Sohn. Hat er Hobbys? ,,Hobby heißt für mich Arbeit“, lächelt Georg Jourdan. Er liebt Geschichte, Weltgeschichte, deutsche und vor allem französische Geschichte, ,,das ist mein Steckenpferd“. Er deutet auf eine imponierende Bücherwand: ,,Deswegen habe ich darüber auch eine ganze Menge Literatur“. Er schaut dabei natürlich auch auf seine Abstammung; da stand die französische Geschichte Pate. Sein Name -Jourdan (spr.: ,,Schurdan“) – klingt und ist französisch. Sein Ur-ur-ur-Großvater, damals ansässig im savoyardischen Gebiet (dem Valdenserge­ biet, traditionell protestantischen Bekennt­ nisses), ist von dort geflohen aus Glaubens­ treue. Er wurde nach Rorschach verschlagen. Georg Jourdans Vorfahren stammen aus Savoyen (Chambery bis Aosta-Tal), dort sind seine Wurzeln. Von der Geschichte zur Gegenwart: Georg Jourdan legt betonten Wert darauf, seine vieljährige ehrenamtliche Tätigkeit bei der Arbeiterwohlfahrt festzuhalten, ,,weil es mit ein Schwerpunkt meiner ehrenamtli­ chen Tätigkeiten über die Jahre hinaus gewe­ sen ist“. In dieser Aufgabe – hauptsächlich bei der „Katharinenhöhe“ – sieht er (auch heute) eine Möglichkeit, anderen Menschen in besonderem Maße zu helfen. Bei der ,,Katharinenhöhe“ sind es die krebserkrank­ ten Kinder, die ihm besonders am Herzen liegen. Georg Jourdan ist außerdem Vorsit­ zender beim „Erholungswerk Zell am Har­ mersbach“; federführend ist die Arbeiter­ wohlfahrt. Dort werden Erholungsmaßnah­ men sowohl für Deutsche als auch für Men­ schen aus dem einstigen Oberschlesien durchgeführt. Viele Ehrungen wurden Georg Jourdan zuteil „Für Verdienste um Bürger und die Stadt Triberg vom Gemeindetag Baden-Württem­ berg“ wurde Georg Jourdan ausgezeichnet. Er besitzt das schwere, vergoldete Stadt-Sie­ gel von 1501 der Stadt Triberg im Schwarz­ wald, ihm verliehen „für besondere Ver­ dienste im kommunalen Bereich“. 1989 wurde ihm diese hohe Auszeichnung bei sei­ nem Ausscheiden nach einundzwanzig Jah­ ren aus dem Stadtparlament zuteil. Für seine besonders harmonische Unterstützung der partnerschaftlichen Beziehungen während zwanzig Jahren mit der Patenstadt Frejus an der Cote d’Azur wurde GeorgJourdan vom dortigen Partnerschaftskomitee mit der ver­ goldeten Medaille mit stilisierter Galeere 223

und fliegenden Möwen (eine besondere Ehrung) ausgezeichnet, was ihn mit beson­ derer Befriedigung erfüllt. Im Herbst 1991 hat Bundespräsident Richard von Weizsäcker den hochverdienten GeorgJourdan mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausge­ zeichnet. Landrat Dr. Rainer Gutknecht überreichte ihm die hohe Auszeichnung im Rahmen einer Sondersitzung des Gemeinde­ rates. Alexander Jäckle Manfred Hornstein Große Verdienste um das Gemeinwohl „Sie hinterlassen eine große Lücke in unserer Stadt!“ Selten waren sich die Spre­ cher der im Vöhrenbacher Gemeinderat ver­ tretenen Fraktionen derart einig wie bei der Verabschiedung des langjährigen Vöh­ renbacher Bürgermeister-Stellvertreters und CDU-Fraktionschefs Manfred Hornstein. Über zwanzig Jahre lang gehörte der 52jäh­ rige Forstoberamtsrat dem Gemeinderat der Stadt Vöhrenbach an. Über zwanzig Jahre lang hatte er sich intensiv, mit Leidenschaft und Sachkompetenz, für die Belange seiner Heimat�tadt engagiert und deren Entwick­ lung entscheidend mitbestimmt. Die Vöh­ renbacher Bürgerinnen und Bürger dankten dem CDU-Politiker sein großes kommunal­ politisches Engagement bei den Kommunal­ wahlen: Hornstein fungierte hierbei nicht nur als Spitzenkandidat seiner Partei, son­ dern auch als deren fleißigster Stimmen­ sammler. Ende März 1991 verließ Manfred Hornstein mit seiner Familie Vöhrenbach, um in Heiligenberg am Bodensee eine Revierleiterstelle im dortigen Fürstlich Für­ stenbergischen Forstrevier zu übernehmen. Leicht ist Manfred Hornstein sein Ab­ schied aus der kleinen Schwarzwaldstadt nicht gefallen. Schließlich war er auf vielfäl­ tige Weise mit dem Geschehen in Vöhren­ bach und seinem Ortsteil Hammereisen­ bach verwachsen.1966 war der damals 26jäh­ rige Hornstein nach Hammereisenbach gekommen, um eine Stelle beim Fürstlich Fürstenbergischen Forstrevier anzutreten. Schnell fand der frischgebackene Diplom­ Forstwirt (FH) Kontakt, schon bald wirkte er aktiv im Vereinsleben seiner neuen Heimat- 224 gemeinde mit. Bereits am 1. Januar 1969 wurde er in den Hammereisenbacher Pfarr­ gemeinderat gewählt, dessen Vorsitz er bis 1990 innehaben sollte. Unter seiner Regie wurden viele wichtige Errungenschaften rea­ lisiert: die Kirchenrenovierung, die Instand­ setzung der Friedhofskapelle, die Einrich­ tung und der Erweiterungsbau des Kinder­ gartens sowie die Begegnungsnachmittage für die Bewohner des Heims „Fischerhof‘. 1971 kandidierte Hornstein, der mittler­ weile der CDU beigetreten war, erstmals für den Vöhrenbacher Gemeinderat und gleich auf Anhieb gelang ihm mit einem beachtli­ chen Wahlergebnis der Sprung in dieses Gre­ mium. Der CDU-Gemeinderatsfraktion war das politische Talent ihres „Newcomers“ nicht entgangen: Sie ernannte Hornstein

zu ihrem stellvertretenden Vorsitzenden. Schon bald machte er sich als umsichtiger und verantwortungsvoller Kommunalpoliti­ ker, der nicht nur in Haushaltsangelegenhei­ ten große Sachkompetenz an den Tag legte, einen guten Namen. So verwundert es nicht, daß ihn die CDU-Fraktion 1980 zu ihrem Fraktionsvorsitzenden wählte. Auch über die Fraktionsgrenzen hinweg erwarb sich Hornstein Respekt und Anerkennung für seine kommunal politische Arbeit und so war es nur folgerichtig, daß er 1984 erstmals mit einem guten Stimmergebnis zum ersten Bür­ germeister-Stellvertreter gewählt wurde. In dieser Funktion war Manfred Hornstein eine wichtige Stütze für Vöhrenbachs Bürgermei­ ster Karl-Heinz Schneider. War dieser ver­ hindert, wußte er seine Amtsgeschäfte stets in guten Händen. Selbst Haushaltsberatun­ gen, die in einer finanz-und strukturschwa­ chen Stadt wie Vöhrenbach naturgemäß zu den kniffligsten Dingen des kommunalpoli­ tischen Tagesgeschäftes gehören, verstand Hornstein kompetent und umsichtig zu lei­ ten. In seiner mehr als zwei Jahrzehnte langen Stadtrattätigkeit hat Manfred Hornstein zahlreiche kommunalpolitische Entschei­ dungen mit auf den Weg gebracht, die das Gesicht Vöhrenbachs nicht nur nachhaltig veränderten, sondern der kleinen Stadt im Oberen Bregtal auch beachtliche Entwick­ lungsperspektiven eröffneten. Mit großem Nachdruck und Beharrlichkeit hat sich Man­ fred Hornstein beispielsweise für die Erschließung der Baugebiete „Burg“ und ,,Hagenreute“, den Bau attraktiver Sportstät­ ten in Vöhrenbach und Hammereisenbach, die Errichtung der Verbandskläranlage, die Stadtkernsanierung, die Verbesserung der Trinkwasserversorgung und die Sanierung von Altern Schulhaus und des Rathauses ein­ gesetzt. Viel lag ihm auch an der Pflege der Städte­ partnerschaft mit dem französischen Mor­ teau, die er mitbegründet hatte. Seinen gro­ ßen kommunalpolitischen Sachverstand brachte Manfred Hornstein auch im Finanz- und Personalausschuß des Gemeinderates und im Abwasserzweckverband Eisenbach­ Vöhrenbach ein. Beiden Gremien gehörte er viele Jahre lang an. Außerdem war Manfred Hornstein 15 Jahre lang im Hammereisenba­ cher Ortschaftsrat aktiv. Für kurze Zeit nahm er hier auch das Amt eines kommissarischen Ortsvorstehers wahr. Und zu guter Letzt war der agile Kommunalpolitiker von 1976 bis 1984 auch ehrenamtlicher Beisitzer der Prü­ fungskammer für Kriegsdienstverweigerer im Wehrbereich V Karlsruhe. Natürlich engagierte sich Manfred Horn­ stein auch auf vielfältige Weise im Vereinsle­ ben Vöhrenbachs und Hammereisenbachs. Zwei Jahrzehnte lang war er Mitglied des Elferrates der Heimatgilde „Frohsinn“ Vöh­ renbach, er sang im Hammereisenbacher Männerchor und war schließlich auch lei­ denschaftlicher Fußballspieler. Beim Ham­ mereisenbacher Fußballclub wirkte er auf dem -seinem vorwärtsdrängendem Naturell allerdings entgegenstehenden -Vorstopper­ posten. Manfred Hornsteins große Verdienste um das Gemeinwohl wurden bei seiner Ver­ abschiedung von den Vertretern des gesell­ schaftlichen, politischen und wirtschaftli­ chen Lebens Vöhrenbachs gewürdigt. In Heiligenberg erwartete Manfred Hornstein, den Fürst Joachim zu Fürstenberg aus Anlaß seines Dienststellenwechsels und in Aner­ kennung seines bisherigen Wirkens zum Forstoberamtsrat befördert hatte, eine ebenso anspruchsvolle-wie reizvolle Auf­ gabe. Als Revierleiter in Heiligenberg ist er nicht nur für die gesamte Forst-und Jagdver­ waltung zuständig, sondern er spielt auch als eine Art Botschafter des Hauses Fürstenberg eine herausragende gesellschaftliche Rolle in der 1800-Seelen-Gemeinde. Karlheinz Schiede! 225

Gerlinde Hoffärber Ein Leben für die Mitmenschen in Ein Jahr fehlt der Blumberger CDU­ Stadträtin Gerlinde Hoffärber noch an rund 30 Dienstjahren im Deutschen Roten Kreuz, dessen Kreisbereitschaftsführerin sie jetzt seit zehn Jahren ist. Diese Führungsposition bedeutet eine intensive Betreuung von 300 Rot-Kreuz-Schwesternhelferinnen 14 Ortsvereinen. Da muß für die beruflich in der Schweiz arbeitende und dazu kommu­ nalpolitisch im Blumberger Gemeinderat tätige Fünfzigerin die Freizeit zwangsläufig klein geschrieben werden. Die von geübter Kameradschaftlichkeit getragene Nächsten­ liebe dieser allseits geschätzten Helferin muß in der Familie liegen, denn ihre ältere Schwester Hedwig Stegk (vergl. Almanach 92, Seite 149/150) steht seit 43 Jahren in vor­ bildlicher Einsatzbereitschaft bei derselben Hilfsorganisation und ist seit langem Bereit­ schaftsführerin des Blumberger DRK-Orts­ vereins. Auch ihre in den USA verheiratete Schwester Wilma war vorher im Roten Kreuz tätig. So darf das Geburtshaus in Blumbergs Bergmannstraße zutreffend als ,,Dreimäderlhaus der Nächstenliebe“ apo­ strophiert werden. „Ohne Kameradschaft und Verständnis für alle in Not geratenen Nächsten geht es nicht“, meinte die in schwierigsten Situatio­ nen menschlich wie fachlich erprobte Ger­ linde Hoffärber bei einem Gespräch. Die ihr schon eingefleischte Kameradschaft hat nichts mit einer zweifelhaften Kameraderie zu tun, sondern wird von ihr als Mit- und Füreinander verstanden, als helfendes und damit entscheidend stärkendes Eintreten für den Mitmenschen in einer Zeit, die viele Hilfeleistungen immer mehr als zweckdien­ lich propagiertes und daher berechnendes Politikum sieht und einsetzt. Für Gerlinde Hoffärber, die sich auch in Katastrophenfäl­ len und in der praktizierten „Rumänien­ Hilfe“ dank Einsätzen „vor Ort“ auskennt, 226 beginnt die kameradschaftliche Hilfelei­ stung an der Basis, um von dort aus -verant­ wortungsbewußt und entsprechend geschult – in die Selbstverständlichkeit hineinzu­ wachsen. Deshalb übernahm sie bald nach ihrem 1964er Eintritt in den Ortsverein des DRK und dort gefestigten Kenntnissen in der geforderten Nächstenhilfe die verantwor­ tungsvollen Pflichten einer Ausbilderin und für zehn Jahre die Leitung der Jugend des DRK-Ortsvereins. Zehn Jahre fuhr sie als Begleiterin im Krankenwagen mit. Absol­ vierte Kurse und Aufgabenbereiche füllen einen ganzen Katalog. Wie unter anderem „Methodik und Didaktik“, ,,Ausbilder der Unterführerausbildung“, für „Führungs­ kräfte“ oder im „Betreuungsdienst“ die aus­ bildende soziale Betreuung im Katastro­ phenfall. Hier kommt es auf die umfassen­ den Kenntnisse in Sachen „Belegungspläne und Evakuierungs-Organisationen“ an. Der Aufgabenkatalog einer Kreisbereitschafts­ führung beinhaltet zur Zeit 27 Aufgabenbe­ reiche. Diese folgen kontinuierlich erweiter­ ten, modernsten Erkenntnissen und sind auch die Schwerpunkte in Gerlinde Hoffar-

bers Arbeit als Kreisbereitschaftsführerin. Sie schließen Kurse der „Sofortmaßnahmen am Unfallort“ für Anwärter des Führer­ scheins ebenso ein wie die umfassenden Ein­ weisungen in die „Erste Hilfe“. Hier leistete und leistet Gerlinde Hoffärber jene wichtige Basisarbeit, die in die solidarische Sicht für das Allgemeinwohl führt. Letzteres beinhal­ tet die Anteilnahme an jedem einzelnen Wohlergehen. Das bedeutet für sie auch überzeugte und überzeugende Zuwendung in den Bereichen der Kinder-, Jugend- und Altenhilfe. Hier kann sie als Mitglied des Gemeinderates mit ihrer eingebrachten Stimme initiativ wer­ den. Bei aller Anerkennung der von Kirchen und Arbeiterwohlfahrt geleisteten Altenar­ beit möchte sie diese mittels eines stadtei­ genen Alten- und Pflegeheimes weiter ver­ stärkt sehen. ,,Alle Bürger, die in Blumberg alt wurden und werden, sollten ihren Lebensabend auch hier verbringen dürfen.“ So ist sie, die im eigenen Lebensbereich mit der als selbstverständlich aufgefaßten Pflege ihrer betagten Mutter beispielhaft voran­ geht, gegen jede „Abschiebung“ in auswär­ tige Heime und eine damit verbundene, schmerzliche Entwurzelung. ,,Wo die Pflege im womöglich zu engen Haushalt nicht gewährleistet ist, sollten bei einem örtlichen Heim die wichtigen familiären Kontakte gewahrt bleiben.“ Gerlinde Hoffärber denkt dabei nicht an sich, obwohl auch sie allein ist, denn ihre verheiratete Tochter wohnt in Stuttgart. ,,Das alles hätte ich ohne die Unterstützung seitens meiner Mutter nicht leisten und durchstehen können.“ Hier klingt Dankbarkeit für eine grundsätzliche Erziehung zur Mitmenschlichkeit an. Seltene Erholungen vom umfassenden Dienst findet sie in ihren Hobbys. Wenn es ihre ausgefüllte Zeit erlaubt, dann fährt sie mit dem Wohnwagen an den Bodensee zu ihrem Standort Überlingen. Oft sind Toch­ ter und Enkel dabei. Sie wandert gern, und wenn sie außer der Fachliteratur einmal ein Buch zur Hand nimmt, dann bevorzugt sie Remarque oder Saint-Exupery. Doch vor­ rangig lebt sie „auf dem Sprung“, denn jedes Läuten des Telefons könnte sie zur Dienst­ ausübung rufen. Dann ist nur noch die Kon­ zentration auf den dringenden Einsatz gefragt. Sozusagen „rund um die Uhr“. Wie gut, daß es heutzutage noch solche Einsatz­ bereitschaft gibt. Jürgen Henckell Karl Bäurer Ein Baaremer Bauer von echtem Schrot und Korn 25 Jahre bekleidete er das Ehrenamt des Vorsitzenden des Kreisverbandes Donau­ eschingen des Badischen Landwirtschaft­ lichen Hauptverbandes (BLHV). Sechs Mal hatte ihn die Kreisversammlung der Ortsver­ einsvorsitzenden einstimmig dazu berufen. Als es auf seinen 70. Geburtstag zuging, nahm er Abschied aus dieser Berufung und zog sich -wie dies zuvor in seinem Betrieb auch schon geschehen ist – aufs Altenteil der bäuerlich-berufsständischen Verbands­ arbeit, der Interessenvertretung von rund 2000 Verbandsmitgliedern und ihren Fami­ lien zurück: Landwirtschaftsmeister Karl Bäurer aus Donaueschingen-Aasen, nun vom Präsidenten des BLHV, Wendelin Ruf, zum Ehrenvorsitzenden „seines“ Kreisver­ bandes ernannt. Mit dem Ausscheiden aus der berufsstän­ disch-agrarpolitischen Aktivitas sagte Karl Bäurer auch Valet seiner ebenfalls 25 Jahre währenden Tätigkeit in Führungsgremien der Landwirtschaftlichen Sozialversiche­ rung Badens, dem Vorstand beim Milchwerk Radolfzell, dem er 15 Jahre lang angehörte, und im Verwaltungsrat der badisch-württem­ bergischen Tierseuchenkasse. 19 Jahre hatte er sein Mandat als Vorsitzender der Teilneh- 227

vermag. Sich einmal mit großem Fleiß sach­ kundig gemacht, stritt er für ihre Belange, wo und wann immer dies notwendjg war, mit beachtlichem Durchsetzungsvermögen, ja mit Härte, aber doch auch flexibel und immer fair gegenüber seinen Kontrahenten. Dabei verstand es der freisinnige, fort­ schrittlich-konservativ eingestellte und christlich-katholisch geprägte Bauersmann, der sich keiner pohtischen Partei angeschlos­ sen hat, sachnotwendige Verbindungen zu Verhandlungs- und Gesprächspartner aus vielen Verwaltungen und politischen Ent­ scheidungsgremien zu knüpfen und zu festi­ gen. Immer getragen von einer intakten Familie kreisten die wesenthchsten Fragen, um die es ihm dabei ging, um die Zukunft der Land- und Forstwirtschaft in den von Natur aus benachteiligten Gebieten, -in „seinem“ Verbandsbereich um die Existenz der bäuer­ lichen Familienbetriebe im Ostschwarz­ wald, auf der Baar und Teilen des Randen, der Alb und des Heuberg im Blick auf die EG und ihre Agrarpolitik. Nicht wenjger nach­ haltig verwandte er sich für die Schaffung der gesetzlichen Regelung der Krankenversiche­ rung für die Landwirte, für die verbessernde Fortschreibung der Altershilfe und der land­ wirtschaftlichen Unfallversicherung sowie für eine gesetzliche Regelung einer sozialen Besserstellung der Bäuerin im Familien- und Berufsleben. In seinem Engagement in dje­ sen „Sachen“ ließ er sich von kaum jemand übertreffen. Angesichts der Tatsache, daß die Land­ wirtschaft in unserem gesellschaftljchen und staatlichen Gefüge im Verlaufe der Jahre in eine „Diaspora“-Situation geraten ist, war ihm klar, daß die Agrarpolitik, eingeschlos­ sen die Umweltschutz-und dje Sozialpolitik, zwar eine ganz besondere „Kunst des Mögli­ chen“ geworden ist, mehr eigenthch aber doch ein unvergleichEch mühsames Geschäft. Dies gar, nachdem diese Landwirt­ schaft in den letzten Jahren durch die Aus­ wirkungen eines übertriebenen Umwelt­ schutz- und Öko-Denkens in eine breite und tiefe Verunsicherung hineingeraten ist. Sein früheren mergemeinschaft des Flurbereinjgungsver­ fahrens selbstänrugen Gemeinde Aasen ausgeübt. Auch in diesen Aufgabenbereichen hatte ihn ein großes und breites Vertrauen begleitet und getragen, rue hohe Leistungsbereitschaft, Selbstlosigkeit und Gewissenhafugkeit verlangten. Er hat dieses Vertrauen nie enttäuscht. seiner Karl Bäurer, von dem seine Berufskolle­ gen wußten, daß er seinen Hof meisterlich und mjt großer Passion führte, war weit über seinen speziellen beruflichen Bereich hjnaus hochgeschätzt als ein exzellenter landwirt­ schaftlicher Fachmann. Seine besonderen Begabungen und Interessen lagen auf dem weiten Feld der Veredlungswirtschaft, näher­ hin auf der Rinderhaltung, der Milchwirt­ schaft und der Schweinemast. Als fachhch sehr versiert galt er auch in allen Fragen des Getreidebaus und der Grünlandwirtschaft und auch des Hackfruchtbaus. Aber man wußte auch, daß er dazuhin noch mehr „auf der Pfanne“ hatte, daß er sich leidenschaft­ lich sowohl für das Wohl des ländlichen Raumes und seiner Kommunen als auch für seine Berufskollegen und ihre FamiEen auf allen Gebieten der beruflichen, agrar- und sozialpolitischen Förderung einzusetzen 228

hoher Sachverstand und seine reiche Erfah­ rung und seine Zähigkeit ermöglichten es ihm jedoch, bei Mißerfolgen die Flinte nicht ins Korn zu werfen und bei Erfolgen nicht übermütig zu werden, sondern in beiden Situationen weiter „hart am Mann“ zu blei­ ben, gerade Wege zu gehen, seiner Überzeu­ gung folgend, mal bewahrend, abwehrend, vorwärts drängend, immer jedoch sach- und zeitgerecht orientierend. Karl Bäurer, aus einem alten Bauernge­ schlecht stammend, ist ein ausgesprochenes alemannisch-baaremer Gewächs. Dem sehr aufgeweckten Bauernbub war an der Wiege nicht gesungen, daß er einmal ein Bauer wer­ den wird. Aber er wurde es, er liebte diesen Beruf, und liebt ihn noch auf dem Altenteil. Ja, er würde ihn wieder ergreifen, EG-Agrar­ politik hin oder GATI (Internationales Zoll­ und Handelsabkommen) her. Nur dies eine sollte es seiner Ansicht nach nie und nimmer geben: Ein weiteres Absinken der bäuerli­ chen Einkommen, ein Stillstand in der land­ wirtschaftlichen Sozialpolitik und eine �ei- tere Verunsicherung dieses seines Berufs­ standes. Der sollte in der Lage sein und blei­ ben, zur Sicherung der Ernährung der Bevöl­ kerung mit hochqualifizierten und preiswür­ digen Produkten beizutragen, ein wesentli­ cher Faktor der Landeskultur und der Land­ schaftspflege zu sein und obendrein ein beachtliches, stabilisierendes Element der gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung. Was macht nun der Altenteiler Karl Bäu­ rer jetzt in seinem Ruhestand? Nun, er kann sich daheim in seiner Familie sehr wohlfüh­ len, was ihm sehr wichtig erscheint. Der immer noch schaffige und tierliebende Bau­ ersmann hilft im Betrieb seines Sohnes mit und zeigt sich besorgt um das Wohlergehen des Tierbestandes. Er liest leidenschaftlich gerne und zeigt sich brennend interessiert an den großen und kleinen Geschehnissen der Politik. Im übrigen bringen es seine fünf Enkel allemal fertig, daß er Brille und Buch weglegt und sich mit den Fragen auseinan­ dersetzt, die diese beschäftigen. Dr. Clemens Seiterich In memoriam: Dr. med.Joachim Jancke Königsfeld war der Ort seines segensreichen Wirkens Er war mehr als ein ausgezeichneter Medi­ ziner. Er war Arzt aus Berufung, Landarzt aus Leidenschaft. 14 Jahre war ich gerade alt, als ich ihn ken­ nenlernte. Nicht wissend, welche Rolle er in meinem weiteren Leben noch spielen sollte, imponierte er mir durch sein fröhliches Wesen, seine oft unkonventionelle Art im Umgang mit seinen jugendlichen Patienten, die er, ebenso wie mich, im Internat behan­ delte. Und er lag meist richtig mit seiner Mei­ nung und seinem Tun, man merkte, daß er einem nicht nur als Arzt, sondern auch als väterlicher Freund gegenübertrat. Doktor Jancke war im Ort ein Begriff, ja, eine Institution. Er gehörte mit seinem VW-Cabriolet ganz einfach zum Ortsbild. Und wenn auf der Straße ein Unfall pas­ sierte, rief man ganz selbstverständlich den ,,Unfallarzt“, der zu jeder Tages- und Nacht­ zeit zur Stelle war. In seiner Praxis in der Königsfelder Wald­ straße saß er mir mit übereinandergeschlage­ nen Beinen gegenüber, hielt das markante, von einem unübersehbaren Schmiß gekenn­ zeichnete Gesicht halb schräg und hörte sei­ nen kleinen Patienten zu. Ja, Zuhören war auch eine seiner Tugenden. Wenn ich „bera­ ten“ war, konnte ich von dannen gehn mit dem Gefühl, ernst genommen worden zu sein. Später haben wir oft darüber gespro­ chen, welche Wirkung ein Arzt auf seine 229

spielsweise zusammen mit dem unvergesse­ nen Guido Pfrunder aufbaute. Dazu gehör­ ten auch die Organisation von Kohlespen­ den für Bedürftige und später der Aufbau einer Sanitätsbereitschaft in den sechziger Jahren. Die Jugend lag ihm stets am Herzen. Viele Jahre betreute er neben seiner Landarztpra­ xis Jugendliche in einem Heim in Buchen­ berg. Und für die Jugend in der örtlichen Rotkreuzbereitschaft war er Motor, väter­ licher Ratgeber und aktiver Mitstreiter in einem. So blieb es nicht aus, daß er sich Jahr­ zehnte als Bereitschaftsarzt fordern ließ und maßgeblich am Aufbau des Königsfelder Roten Kreuzes mitgearbeitet hat. Dabei stan­ den nicht Satzungen, Vorschriften und Ord­ nungen im Vordergrund, sondern vielmehr der gesunde Menschenverstand und das Wissen um das Notwendige und Machbare. Manche Entscheidung war unkonventionell und deshalb auch richtungsweisend für die Menschen, denen geholfen werden mußte. Daß das Rote Kreuz keinem Selbstzweck dient, bewiesJoachimJancke 1967, als er im Vorstand des DRK-Ortsvereins den Kauf eines eigenen Krankenwagens anregte und durchsetzte. Dies war für den kleinen, finanzschwachen Ortsverein durchaus ein Wagnis, das er durch persönliches Engage­ ment minimierte. Der Auf- und Ausbau einer eigenen Rettungsstation für den klei­ nen Kurort Königsfeld erschien damals man­ chem als unnötig und überzogen, die Zukunft aber gab seiner Überzeugung in wei­ tem Umfang recht. Die DRK-Rettungswa­ che in Königsfeld ist zu einem festen Bestandteil der öffentlichen Gesundheits­ versorgung geworden, die es heute sicher nicht gäbe, wenn er nicht so hartnäckig das Ziel mitverfolgt hätte. Seine Art im Umgang mit den meist jun­ gen Rotkreuzlern, seine Fachkenntnis und sein Engagement hat sich auch über die Grenzen des Ortsvereins Königsfeld hinaus herumgesprochen. Kein Wunder also, daß er zum Kreisbereitschaftsarzt gewählt wurde, ein verantwortungsvolles Amt, das er 32 Patienten haben muß. Und ich merkte, daß seine Ausstrahlung etwas Besonderes war. Sein Humor, seine Güte, sein Wissen und seine Zuverlässigkeit habe ich in den vielen gemeinsamen Jahren immer wieder bestätigt bekommen. Dr.Joachim Jancke kam während des Krieges ins Königsfelder Lazarett und über­ nahm die chirurgische Abteilung. In der Fol­ gezeit war er bis 1953 bei dem Landarzt Dr. med. August Heisler in der Praxis und in der „Kinderweide“ tätig. Danach hat er sich in seiner eigenen Praxis ungezählten Patien­ ten gewidmet, bis sein Tod seinem segensrei­ chen Wirken ein Ende setzte. Neben seiner ärztlichen Tätigkeit galt sein Denken und Tun aber auch in besonderem Maße der politischen Gemeinde und einem Verein, dem er sehr verbunden war: Das Deutsche Rote Kreuz. Als nach dem Krieg das Badische Hilfs­ werk im Roten Kreuz wiedergegründet wurde, war Joachim Jancke Gründungsmit­ glied. Zwei Anliegen für das Rote Kreuz in der damaligen schweren Zeit waren die Volksküche und Schulspeisung, die er bei- 230

Jahre ausfüllte. Hier galt es in erster Linie, die Ausbildung der freiwilligen Helferinnen und Helfer zu verbessern und im Katastrophen­ schutz mitzuwirken sowie den DRK-Kreis­ verband Villingen aus ärztlicher Sicht zu beraten. Unterstützung fand Joachim Jancke in seiner Arbeit als Rotkreuzarzt vor allem bei seiner Ehefrau Dr. med. Irmgard Jancke. Später führte sein Sohn Ernst-Artur, nun selbst Landarzt in Königsfeld, die Arbeit bis zum heutigen Tage weiter. Als kleines Zeichen des Dankes wurde Dr.Joachim Jancke zum Ehrenmitglied des DRK-Ortsvereins Königsfeld ernannt. Und damit reihte sich diese Ehrung ein in eine Reihe von Auszeichnungen und Ehrungen, die ihm auch für sein unermüdliches ehren­ amtliches Wirken außerhalb des Roten Kreuzes zuteil wurden. Für viele aktive Rotkreuzler war und ist Dr. Joachim Jancke ein Vorbild. Für die Rot­ kreuzarbeit in Königsfeld war er ein Glücks­ fall. Er starb am 23.Juni 1988, einen Tag nach seinem 71. Geburtstag. Nicht nur für das Rote Kreuz bleibt er unvergessen. Hans Rohrbach Erich Rissler Verdienste um Vöhrenbach Mit allgemein großem Bedauern, den­ noch mit Verständnis und Respekt vor der Entscheidung, nahmen die Bürgerinnen und Bürger Vöhrenbachs die Niederlegung des Gemeinderatsmandates von Erich Riss­ ler zur Kenntnis. Aus gesundheitlichen Gründen war es dem allseits beliebten Kommunalpolitiker nach 27jähriger Tätig­ keit im Gemeinderat nicht mehr länger möglich, dieses Amt als Mitglied der Frak­ tion der Bürger- und Wählervereinigung (kurz: BWV) zu bekleiden. Anläßlich der Verabschiedung von Erich Rissler aus dem Vöhrenbacher Gemeinderat am 9. Dezem­ ber 1991 drückte BWV-Fraktionssprecher Klaus Fürderer aus, was mancher so deutlich nicht eingestehen würde: ,,Der Sachverstand Erich Risslers in kommunalen Angelegen­ heiten wird der Fraktion und dem Gemein­ derat fehlen.“ Erich Rissler ist in seiner Heimatstadt schon von jeher kein Unbekannter. Nach dem Besuch der Grund- und Hauptschule (1932-1940) wechselte er zur Pflichthandels­ schule (heute Wirtschaftsschule) in Furtwan­ gen, woran sich eine dreijährige kaufmänni­ sche Lehre als Buchhalter bei der Firma Möbel Hohbach in Vöhrenbach anschloß. Dort fand er nach Krieg und französischer Gefangenschaft auch wieder Arbeit. Von 19 SO an wirkte er bei der Firma Amann, ebeh­ falls ein Vöhrenbacher Möbelhaus. Kommunalpolitisch aktiv war der gebür­ tige Vöhrenbacher (geb. 1928) schon lange vor seiner Zeit im Gemeinderat, die am 27. April 1964 begann.1956 trat er in die Freie Wählervereinigung (FWV) ein, in der er beratendes Mitglied der Kommission Stra­ ßen, Wege, Plätze wurde. 1962 kandidierte er erstmals für den Gemeinderat, wobei er auf Anhieb das zweitbeste Stimmenergebnis auf 231

der FWV-Liste für sich verbuchen konnte. Aufgrund dieses Resultates, das das schon damals recht hohe Ansehen R.isslers unter­ malt, rückte er 1964 für den erkrankten Ger­ hard Boenig in den Gemeinderat nach. Neben seiner Funktion als Referent der Bau­ kommission war er im Ausschuß Kirche, Schule und Sport. Bereits 1965 nahm er die Aufgaben des stellvertretenden Bürgermeisters wahr: zunächst als zweiter Stellvertreter und schon drei Jahre später als erster. Fast 20 Jahre lang vertrat er die Stadtoberhäupter, die da hie­ ßen: Friedrich Neininger, Heinrich Wolf und Karl-Heinz Schneider. In dieser Funk­ tion hatte er beim Bürgermeisterwechsel 1973 sogar mehrere Monate lang die Amtsge­ schäfte des Bürgermeisters wahrzunehmen. Ebenfalls ab 1965 war er bis zu deren Zusammenschluß mit der Bürgervereini­ gung zur Bürger- und Wählervereinigung (BWV) Fraktionssprecher der Freien Wäh­ lervereinigung (FWV). Die zwei parteilosen Fraktionen des Gemeinderates hatten seiner­ zeit den Zusammenschluß gesucht, um an Stärke zu gewinnen und sich nicht auch noch gegenseitig zu „bekriegen“. An dieser Fusion war Erich R.issler maßgeblich betei­ ligt. Von 1975 bis 1984 war er schließlich auch Fraktionssprecher der BWV. „Mein Ziel war immer die kooperative Zusammenarbeit mit dem gesamten Gemeinderat, dabei die Beendigung der Streitereien innerhalb des Gremiums herbei­ zuführen und den politischen Gegner als Mitarbeiter zu achten.“ So sieht Erich Rissler auch heute noch sein einstiges kommunal­ politisches Wirken. In den Anfangszeiten, so erinnert sich R.issler, hatten ihn die harten Fronten zwi­ schen den einzelnen Fraktionen am meisten beschäftigt. Hier wollte er Abhilfe schaffen und den landläufigen Ruf Vöhrenbachs beseitigen, der nach den Worten Risslers lau­ tete: ,,D’Vöhrenbacher kenne Feschtle fiere un Fasnet mache und sunsch stritte si s’ganz J ohr.“ Die Realisierung seiner Ziele, für mehr ,,Frieden“, Toleranz und gegenseitige Ach- 232 tung zu sorgen, wurde durch die Wahl zum Bürgermeisterstellvertreter ein erhebliches Stück vorangebracht. Besonders am Herzen liegt Erich Rissler die Erhaltung des Vöhrenbacher „Kranken­ hauses“ in Form einer vollständigen Umwand­ lung in ein Alten- und Altenpflegeheim, die Instandsetzung der Linachtalsperre und das Gewerbegebiet „Auf der Werthe“ unter Mit­ einbeziehung von Bauhof und Feuerwehr­ gerätehaus. In all den Jahren als Stadtrat blieb Erich Rissler so manche Enttäuschung nicht er­ spart. Die schon immer angespannte finan­ zielle Lage Vöhrenbachs erweise sich als ständige Belastung für eine fortschrittliche kommunale Arbeit. Stets habe es selbst für das Notwendigste am Geld gefehlt. Und den­ noch: Es wurde im Laufe der 27 Jahre Gemeinderatszeit einiges geleistet, wovon Erich Rissler nicht zu Unrecht mit Stolz berichtet. Stolz deshalb, weil sein Beitrag und sein Einsatz in die Entwicklung der Stadt im positiven Sinne rniteingeflossen sind. So beispielsweise bei der Ortskanalisa­ tion, bei der Ortsdurchfahrt, bei der Erschließung der Baugebiete Hagenreute, Burg und Ochsenberg, sowie bei der Stadt­ kernsanierung. Sein Engagement brachte er auch beim Schulhausbau und der Sanierung der Grundschule, beim Bau der Freizeitan­ lage beim Schwimmbad und der Sportplatz­ anlage ein. Förderlich war sein Wirken auch bei den Eingemeindungsverträgen mit Ham­ mereisenbach, Langenbach und Urach. Die Städtepartnerschaft mit dem französischen Morteau stand stets hoch bei ihm im Kurs. Das Engagement R.isslers für die Belange der Vöhrenbacher Bevölkerung war mit sei­ nem Wirken im Gemeinderat noch lange nicht erschöpft. Schließlich hatte ihn einst sein reges Vereinsleben zur Kommunalpoli­ tik hingeführt, um insbesondere für die ört­ lichen Vereine etwas zu bewegen. Der Lauf der Dinge brachte es mit sich, daß er Mit­ glied vieler Vöhrenbacher Vereine, ja sogar teilweise deren „Geburtshelfer“ wurde. So war er 1948 wesentlich an der Umwandlung

der vor dem Zweiten Weltkrieg existierenden Karnevalsgesellschaft in die heute die Vöh­ renbacher Fasnacht organisierende und prä­ gende Heimatgilde Frohsinn beteiligt. Obwohl noch blutjung, war er einer der Gründungsmitglieder und war somit als Elferrat in den ersten Stunden der Heimat­ gilde dabei. 1954 übernahm er das Amt des Elferratspräsidenten von seinem Vater und garantierte sodann für die Fortführung der traditionellen Fasnacht – und das 22 Jahre lang. 1971 fungierte er zudem als Prinz. Aus einer alteingesessenen Fasnachtsfamilie stammend kamen Erich Rissler in seiner Amtsausübung im Rahmen der Heimatgilde wie auch in all seinen anderen Ämter und Funktionen rhetorischen Künste zugute. Seit 1990 ist er Ehrenmitglied der Heimatgilde. seine Doch damit nicht genug: seit 1951 ist er Mitglied des Fußballclubs (damals noch Spielervereinigung), wobei er auch hier von 1958 bis 1969 den Vorsitz inne hatte (Abtei­ lung Fußball).1966 erhielt er für sein Wirken die Ehrennadel des Südbadischen Fußball- Hans-Georg Müller-Hanssen · In Hochemmingen bundes, 1977 wurde er Ehrenmitglied. Seit 1954 ist er außerdem Mitglied der Stadtkapelle, für die er sich als passiver Beisit­ zer 32 Jahre lang einsetzte. Mit ein paar Unterbrechungen war er zudem aktives Mit­ glied im Gesangverein „Concordia“, dessen Ehrenmitgliedschaft er 1989 übertragen bekam. Des weiteren ist sein Name in den Mitgliedskarteien folgender Vereinigungen zu finden: Kegelclub „Adieu Huet“ (Ehren­ mitglied), DRK-Ortsverein (bis 1990 einige Jahre Mitglied im Verwaltungsrat), Harmo­ nikaverein, Ski-Club, Kraftsportverein und Tischtennisclub. Selbst im Ortsteil Urach ist er zwei Vereinen beigetreten: dem Musikver­ ein und dem dortigen Ski-Club. Hervorzuheben ist sein jüngster Wir­ kungskreis im „Förderverein Vöhrenbacher Alten-und Altenpflegeheim“, dessen Vorsitz er seit der Gründung im März 1992 inne hat. Ziel des Fördervereins ist es, die dringend notwendige Sanierung und Renovierung der kürzlich in „Luisenhaus“ umbenannten Einrichtung ideell und materiell zu unter­ Isolde Grieshaber stützen. 233

Kirchen, Glocken Die Evangelische Kirche in Triberg – eine Baugeschichte Die in den Jahren 1983 bis 1985 gründlich sanierte und renovierte evangelische Kirche in Triberg wurde 1897 /98 erbaut. Fast auf den Tag genau 19 Jahre nach ihrer Gründung im Jahre 1879 konnte die junge evangelische Gemeinde die neue Kirche einweihen. Der Kirchenbau und seine Vorgeschichte Bereits 1887 wurde die Absicht, in naher Zukunft eine Kirche zu bauen, an den Evan­ gelischen Oberkirchenrat in Karlsruhe her­ angetragen. Die Antwort war bei allem Ver­ ständnis und trotz der erkannten Notwen­ digkeit ablehnend, weil so gut wie keine Finanzierungsmittel vorhanden waren. Der Oberkirchenrat empfiehlt in seinem Schrei­ ben vom 25.10.1887 weiter: ,, … dafür aber mit allem Eifer auf die Vermehrung des noch sehr geringen Kirchenfonds hinzuwirken und so die Mittel zur Erbauung eines eige­ nen Gotteshauses nach und nach zu sam­ meln.“ Erst 1890 wurde der Kirchenvorstand wie­ der aktiv mit der Bitte an den Gemeinderat der Stadt Triberg um geschenkweise Überlas­ sung eines geeigneten Bauplatzes. Am 13.12.1890 antwortete der Gemeinderat ablehnend: ,,Im neuanzulegenden Stadt­ theile im Prisenthal hat die Gemeinde kein Eigenthum, sondern kauft nur, was sie zur Straßenanlage nöthig hat. In der Nähe des Wasserfalls darf nicht gebaut werden und wir sind deshalb kaum in der Lage, einen Platz abzutreten.“ Jetzt machte sich die evangeli­ sche Gemeinde selbst auf die Suche nach einem geeigneten Gelände. 1892 konnte sie von Stadtbaumeister Eisele einen Platz von 28 mal 18 m im Prisental Getzt Schulstraße) für 2000 Mark erwerben. Eine erneute Bitte um Bauzuschüsse an den Oberkirchenrat bleibt ohne Erfolg. 234 1894 bot die Stadt der evangelischen Gemeinde den alten Friedhof (heute Platz der Realschule) kostenlos als Bauplatz an. Der evangelische Kirchenvorstand vermu­ tete 3 Gründe für den Sinneswandel der poli­ tischen Gemeinde: 1. Der geplante Neubau einer Turnhalle war nur unter Miteinbeziehung des Kirchen­ bauplatzes möglich. 2. Die Kosten für die Wiederherstellung des ziemlich verwahrlosten alten Friedhofs und der Kapelle konnten so eingespart werden. 3. Die politische Gemeinde war moralisch verpflichtet, für einen Kirchenbau eine namhafte Summe beizusteuern, nach­ dem sie der nur im Sommer aktiven engli­ schen Hochkirche im Hofwald einen Bauplatz kostenlos überlassen hatte. Zum Erwerb kam es nicht, obwohl die Evangelische Kirchenbau-Inspektion den alten Friedhof für einen besseren Bauplatz hielt als das im Prisental erworbene Grund­ stück. 1895 schenkte Albert Rotzinger, der Besit­ zer des Hotels „Bellevue “ (inzwischen abge­ brochenes Krankenhaus), der evangelischen Gemeinde ein Grundstück an der Geut­ schenstraße Getziger Standort der Kirche). Die Vorplanungen liefen an. Am 22. 5.1896 gab der Oberkirchenrat trotz Bedenken end­ lich grünes Licht für den Kirchenbau. ,, … wollen wir dem Vorhaben nicht weiter entge­ gen treten und ermächtigen den Kirchenvor­ stand, auf Grund der Planskizzen nunmehr die endgültigen Pläne und eine eingehende Kostenberechnung von der Ev. Kirchenbau­ inspektion dafür fertigen zu lassen.“ Der Anfang war geschafft. Bereits am 11.11.1896 lieferte die Kirchenbauinspektion die Pläne nebst detailliertem Kostenvoranschlag. Die Berechnungen beliefen sich auf insgesamt

Evangelische Kirche 1985, neuer Dachaufbau 40.000 Mark, wovon 20.000 Mark bar vor­ handen waren, während jeweils 10.000 Mark bei Banken und Privaten aufgenommen wer­ den sollten. Im Januar 1897 erteilte der Ober­ kirchenrat die endgültige Bauerlaubnis für eine kreuzförmige Kirche in neugotischem Stil nach den Plänen von Kirchenbauinspek­ tor Burkhardt. Zur selben Zeit spendeten die StadtTriberglOOO Mark und die Witwe Kern aus Oberprechtal 2000 Mark für den Bau. Zuvor schon konnte der 1892 erworbene Bauplatz im Prisental für 3500 Mark an die Stadt verkauft werden. Nachdem der Archi­ tekt Ammann zum örtlichen Bauleiter bestellt worden war, konnten am 10. 2.1897 die Arbeiten an die Wenigstbietenden verge­ ben werden. Die bezirksamtliche Baugeneh­ migung war mit nur zwei baupolizeilichen Auflagen verbunden: Die Bauflucht muß mit der Straßenflucht parallel liegen und die Türen müssen nach außen aufgehen. Im Rahmen einer schlichten Feier wurden am 20. 6.1897 außer der Urkunde mit der bis­ herigen Entwicklung der evangelischen 235

Mittelschiff mit Empore und Orgel, sichtbarer Dachstuhl mit Vierung Gemeinde und der Vorgeschichte des begon­ nenen Kirchenbaus auch eine biblische Geschichte, ein Gesangbuch, ein Katechis­ mus, ein Leitfaden der Kirchengeschichte und ein Führer durch Triberg und Umge­ bung in den Grundstein eingelegt. Bereits im September 1897 konnte das Richtfest gefeiert werden und bis zum Wintereinbruch waren der Rohbau fertig gedeckt und der Turm bis zur Gesimshöhe ausgeführt. Die folgenden Bau- und Ausbauarbeiten kamen so gut voran, daß für Oktober 1898 mit der Fertig­ stellung der Kirche gerechnet wurde. Es war eine Kirche in zeitgemäßem Stil 236

entstanden, deren Äußeres sich mit Aus­ nahme des Daches bis heute nicht verändert hat; auch das Innere ist im wesentlichen gleich geblieben. Insbesondere die erwäh­ nenswerte, wahrscheinlich einmalige Gestal­ tung des größtenteils sichtbaren Dachstuhls wurde nicht verändert: Das Gebälk vermit­ telt dem Betrachter den Eindruck, den die Spitzbogengewölbe eines klassisch goti­ schen Bauwerks hinterlassen; ebenso die bleiverglasten Spitzbogenfenster mit gemal­ ten Bordüren und Bogenschlüssen (Roset­ ten). Drei gemalte Fenster – gestiftet von Friedrich Schön, München – wurden mit eindrucksvollen Darstellungen versehen: Das mittlere Chorfenster zeigt den auf­ erstandenen Christus und die beiden gemal­ ten Fenster in den Seitenschiffen stellen die Väter der beiden reformatorischen Kirchen, aus denen 1821 die Badische Landeskirche entstanden war, Martin Luther und Ulrich Zwingli, dar. Die drei Glocken mit der Ton- Altarraum der evangelischen Kirche 1985 folge As -C -Es wurden bei der Glockengie­ ßerei Chr. Bachert, Dallau, gegossen und konnten zur Einweihung läuten. Ihre Finan­ zierung erfolgte überwiegend aus Spenden der Großherzoglichen Familie und der evan­ gelischen Kirchengemeinde Hornberg als ehemaliger Muttergemeinde. Auch die von der Firma H. Voit und Söhne in Durlach gebaute Orgel mit röhrenpneumatischer Traktur, zwei Manualen und einem Pedal konnte die Einweihungsfeier am 13.11.1898 mitgestalten. In der Triberger Zeitung „Echo vom Wald“ vom 14.11.1898 lesen wir über die Einweihungsfeier: ,,Begünstigt von schönster Witterung fand gestern die feier­ liche Einweihung der neuerbauten evangeli­ schen Kirche hier statt. Um 12 Uhr kündeten Böllerschüsse die Feier an; fast alle Häuser waren beflaggt. Aus der näheren und weite­ ren Umgebung trafen überaus zahlreiche Teilnehmer hier ein.“ Nach einer Zusammenstellung der Evan- 237

Ev. Kirche, Triberg Choifenster: Christus gelischen Kirchenbau-Inspektion vorn 23. 5.1899 beliefen sich die Baukosten, ohne Glocken, Uhr und Orgel, auf insgesamt 37.220,06 Mark. Spätere Veränderungen Elektrische Beleuchtung gab es in der Kir­ che zunächst nicht. Doch nur eineinhalb Monate nach der Einweihung wurde am Sil­ vestertag 1898 die neue Kirche erstmals von elektrischem Licht erleuchtet. Dagegen wurde die vorgesehene Uhr am Turm nie gebaut. Die Kirchenheizung bestand aus zwei Koks-Öfen, deren Funktion sich von jeher als ungenügend erwies und nie den Erwar­ tungen entsprach. Sie wurden in den fünfzi­ ger Jahren durch eine leistungsfähigere elek­ trische Heizung ersetzt, die wiederum im Rahmen der Generalsanierung 1983-1985 einer modernen Elektro-Warmluft-Kom­ paktstationsheizung weichen mußte. 238 Ev. Kirche, Triberg Luther-Fenster im rechten Seitenschiff Die Fenster konnten bis heute erhalten werden. Frau Mina Wehrle vom Parkhotel Wehrle stiftete 1951 zwei weitere gemalte Fenster, die in die Fensterzeile unter der Empore eingebaut wurden und die Grab­ legung und Geiselung Christi darstellen. Alle gemalten Fenster erhielten bei der Gene­ ralsanierung eine äußere Schutzverglasung. Die beiden kleineren Glocken des ursprünglichen Geläutes mußten 1917 für Kriegszwecke abgegeben werden. Die beiden fehlenden Glocken wurden 1922 ersetzt. 1934 konnte eine elektrische Läutemaschine angeschafft werden. Als 1942 die beiden für Rüstungszwecke beschlagnahmten größeren Glocken bei Eis und Schnee vom Turm geholt wurden, verunglückte Zimmermei­ ster August Kienzler tödlich. Das 1955 ange­ schaffte neue Geläute von nunmehr 4 Glok­ ken wurde auf die D-Glocke des Krieger­ ehrenmals abgestimmt. Die vier Glocken, von denen die Stadt Triberg die kleinste

Glocke stiftete, wurden bei Bachert in Karls­ ruhe gegossen. Die Orgel versah ihren Dienst bis 1940. In diesem Jahr wurde sie von der Firma Walk­ ker, Steinsfurt, umgebaut. 1929 hatte sie ein elektrisches Gebläse erhalten. Bereits 1953 mußte sie von der Firma E. Kemper & Sohn in Lübeck total umgebaut werden, so daß ein gänzlich neues Instrument entstand. Nach der Generalsanierung in den achtziger Jah­ ren wurde festgestellt, daß die Orgel erhebli­ chen Schaden erlitten hatte. Man entschied sich für ein neues Instrument, weil die Repa­ raturkosten unverhältnismäßig hoch veran­ schlagt worden waren. Die von Orgelbau­ meister Peter Vier aus Friesenheim-Ober­ weier gebaute neue Orgel wurde am Pfingst­ sonntag 1991 festlich eingeweiht. Die Witterungsverhältnisse und Baumän­ gel hatten im Laufe der Jahre – besonders während des Zweiten Weltkrieges und in der Nachkriegszeit, wo notwendige Reparaturen wenn überhaupt nur notdürftig ausgeführt werden konnten – der Kirche erheblich zu­ gesetzt. In den Jahren 1950/51 konnte das Gebäude von Grund auf instandgesetzt wer­ den. Die Dachkonstruktion wurde verein­ facht: Das Kirchen- und das Turmdach wur­ den tiefer heruntergezogen und erhielten Dachüberstände; das Treppentürmchen und beide Kamine wurden abgetragen. Damit konnten weniger verwinkelte Dachflächen erreicht werden, die den schwarzwälder Kli­ maverhältnissen besser gerecht wurden. Nach der Trockenlegung des Mauerwerks konnte der Innenputz erneuert werden. Dank großzügiger Spenden von privater und öffentlicher Seite sowie der Unterstützung der Evangelischen Landeskirche konnten die Arbeiten nach den Plänen von Dipl.-Ing. Berthold Haas, St. Georgen, zügig durchge­ führt werden. Am 28.10.1951 wurde die Kir­ che wieder ihrer Bestimmung übergeben. Etwa 30 Jahre später war erneut eine Ge­ neralsanierung des Kirchengebäudes fällig, nachdem Steine vom Sims des Kirchturms heruntergefallen waren. Bei statischen Untersuchungen mußte man dann feststel- ausgewaschene len, daß die Standfestigkeit des Kirchturms stark gefährdet war: Als Ursache wurden erheblich Fundamente ermittelt. Aber auch das Kirchengebäude bedurfte einer gründlichen Außen- und Innenrenovierung. Nach Genehmigung durch den Evangelischen Ober-Kirchenrat wurde Architekt Reiber, Triberg, in Abstim­ mung mit dem Kirchenbauamt in Karlsruhe mit der Planung und Leitung der Renovie­ rungsarbeiten betraut. Die Außeninstandset­ zung umfaßte die Sanierung der Funda­ mente, des Dachstuhls, des Dachs, des Glok­ kenstuhls und des Verblendmauerwerks. Im Rahmen der Innenrenovierung wurde der schadhafte Fußboden durch einen Steinplat­ tenbelag ersetzt. Altar, Kanzel, Türen und Bänke wurden restauriert, neue Beleuch­ tungskörper letztendlich erhielten der Chorbogen, die Gewölberip­ pen im Chor die Balkenauflagen für die sichtbare Dachkonstruktion eine vom Lan­ desdenkmalamt vorgeschlagene ornamen­ tale Bemalung. Für das rundum gelungene Werk waren rund DM 850.000,- erforder­ lich. Dieser Betrag wurde durch Eigenmittel, Spenden, Darlehen, Zuschüsse der Landes­ kirche und des Landesdenkmalamts aufge­ bracht. Das instandgesetzte Gotteshaus, das trotz aller Umbaumaßnahmen im wesentli­ chen seinen ursprünglichen Charakter behalten hat, wurde am 17. 3.1985 mit einem Festgottesdienst eingeweiht. installiert und Wolfgang Müller Literaturverzeichnis 1. Archiv der evangelischen Kirchenge­ meinde Triberg. 2. Wilhelm Maier/Karl Lienhard: Ge­ schichte der Stadt Triberg im Schwarz­ wald, Freiburg 1964. 3. Bernd Steinseifer: Evangelische Kirchen­ gemeinde Triberg im Schwarzwald, Chro­ nik anläßlich des lOOjährigen Bestehens der Gemeinde am 16. November1979, Tri­ berg 1979. 4. Archiv des Verfassers. 239

Die St. Hubertuskapelle (alte Gutenkapelle) in Schönwald Nach der Restaurierung _,)(..- — / , / / ,.J / / Wer durch das land­ schaftlich reizvolle Gebiet von Furtwangen -Fürsatz – Tiefenbach kommend in Richtung Geutsche -Tri­ berg oder in umgekehrter Richtung wandert, begegnet auf halbem Weg einem schmucken Kleinod, der heutigen St. Hubertuskapel­ le. Der untere Gutenhof stand mit einer Mühle und Kapelle im Talgrund. Der Hof brannte 1876 mit Mühle bis auf die Grund­ mauern nieder. Die Hofka­ pelle blieb durch den Brand verschont. Der Hof wurde nach dem Brandunglück nicht wieder aufgebaut. Die stehengebliebene Hofkapelle überdauerte fast 80 Jahre, bis sie, dem Verfall nahe, durch den passionier­ ten Jäger und verstorbenen Ehrenbürger Alfred Dold und seinen Jagdfreunden erstmals renoviert wurde. Mangels finanzieller Mittel konnte eine grundlegende Restaurierung nicht durch­ geführt werden, so daß die Kapelle immer mehr zu zer- Keine Grundsteinurkunde gibt Auskunft über den Tag und das Jahr, in dem die alte Gutenkapelle – heute St. Hubertuskapelle – erbaut wurde. Mit Sicherheit und aufgrund der Aufzeichnungen im Heimatbuch von Richard Dorer ist anzunehmen, daß das kleine Kirchlein die Hofkapelle zum unteren Gutenhof war und in den Jahren der Hofer­ stellung 1480 erbaut worden sein dürfte. fallen drohte. Als im September 1988 der Vorsitzende des Heimatvereines, Steinmetzmeister Alois Kaiser, dem Gemeinderat den Vorschlag unterbreitete, die St. Hubertuskapelle von Grund auf zu restaurieren, war der Gemein­ derat sich seiner Verantwortung voll bewußt, dieses für die Gemeinde geschichtlich so wichtige Kulturgut zu erhalten. Gemeinde- 240

rat und Heimatverein waren sich darüber einig, daß die St. Hubertuskapelle in ihrer Eigenart erhalten bleiben muß. Zimmermei­ ster Hans Göppert wurde beauftragt, für die Restaurierung Kostenvoranschläge und Pläne zu erarbeiten und die Bauleitung zu übernehmen. Die Mitglieder des Heimatvereines und andere freiwillige Helfer gingen mit Eifer an die Arbeit. Die fremden und neuzeitlichen Baustoffe, die man in den fünfziger Jahren bei den Reparaturarbeiten verwendet hatte, wurden entfernt. Das starke Findlingsmauer­ werk der Außenwände wurden trocken gelegt und der innere Sockelverputz aus Zement abgeschlagen. Innen wurden die Wände mit Kalkrestaurationsputz, der das Mauerwerk atmen läßt, versehen. Ein neuer Fußboden aus gesägten Sandsteinplatten wurde auf Sand verlegt. Der Dachstuhl mußte stabilisiert und restauriert werden. Auf das alte Schindeldach wurde ein neues Schindeldach gezogen. Der Dachreiter mußte ebenfalls erneuert werden. Das alte Blechkreuz wurde durch ein handgeschmie­ detes vergoldetes Kreuz ersetzt. Die neue Holzdecke aus breiten von handgehobelte Brettern, mit einer kleinen Zierleiste verse­ hen, könnte fast aus der damaligen Zeit stam­ men. Der kleine Vorbau, aus Wetterschutz­ gründen wohl nach dem Brand des Hofes angebracht, mußte vollständig erneuert wer- den. Kapelleneingangstüre und Bänke wur­ den in gediegener handwerklicher Arbeit gefertigt. Der Altar erhielt eine Holzabdeckplatte. Der Gekreuzigte wurde durch Zufall wieder gefunden, nachdem er zuvor entwendet wor­ den war. Das Kreuz wurde restauriert und lädt zum Gebet und zur Meditation ein. Die beiden gemalten Bilder stammen vom ein­ heimischen Holzbildhauer Robert Dold und stilisieren die Frömmigkeit der Jäger und Hirten. Die Glocke und das Läutewerk wurden überholt und tragen die Inschrift: ,,Gutenka­ pelle -St. Hubertus 1956 -.“ Am 4. November 1990 konnten der Orts­ geistliche, Pfarrer Karl Hansmann, und der zu dieser Zeit aus Südafrika hier weilende Bürgersohn Pater Weimann die instandge­ setzte Kapelle weihen. Dem Heimatverein Schönwald, an der Spitze Alois Kaiser, und seinen vielen Hel­ fern und Gönnern sowie Bauleiter Zimmer­ meister Hans Göppert sei gedankt für ihre uneigennützige Leistung. Dank gilt Herrn Bürgermeister Schmidt und seinem Gemeinderat für die finanzielle Unterstützung. Besonderer Dank gilt dem Landkreis und dem Landesdenkmalamt für die finanzielle Hilfe. Dadurch war es mög­ lich, in unserer Gemeinde ein weiteres wert­ volles Kultur- und Denkmalgut zu erhalten. Emil Rimmele Die Glockenlandschaft der Baar Die Glockengießerdynastie der Grüninger Die Gießerfamilien Reble und Grüninger prägten über einen Zeitraum von mehr als 350 Jahren den Glockenguß im Südwesten von Deutschland. In der Glockenlandschaft der Baar suchen wir heute vergeblich – wenige Ausnahmen werden später beschrie­ ben – nach herausragenden Glocken und Geläuten. In der Heimat der Grüningers, in der Zähringerstadt Villingen, ist heute keine einzige Glocke dieser bedeutenden Gießer­ familie mehr zu hören. Das einzige Exem­ plar auf dem Turm des Ursulinenklosters stammt von den Vorgängern der Grüninger Glockendynastie, der Familie Reble. Die Geschichte des Propheten, der in seiner Hei­ mat nichts gilt und dessen Glanz nur aus der 241

Glocke von Hans Raeblin gemeinsam mit Martin Stehe/in, 1590. Die Abbildung zeigt ein Kruzifixus über dem Wappen von Österreich und dem Stadt­ wappen Riedlingen Feme auf die Heimatstadt strahlt, erhält im Falle Grüninger eine eindrucksvolle Bestäti­ gung. Um heute bedeutende Glocken dieser erfolgreichen Glockengießerfamilie zu hö­ ren, müssen wir in die Feme schweifen. Davon später mehr. Die Anfänge der Glockengießerei Grü­ ninger in Villingen geht auf das Jahr 1580 zurück. In diesem Jahr begründete der 1552 in Villingen geborene Hans Raeblin (Reble) eine Glockengießerdynastie, die erst Mitte unseres Jahrhunderts enden sollte. Diese Gießerei soll in der Nähe der Käferburg an der westlichen Stadtmauer gelegen haben. Die früheste aus dieser Gießerei erhaltene Glocke aus dem Jahre 1590 mit einem für diese Zeit beachtlichen Durchmesser von 129 cm läutet bis zum heutigen Tage in der katholischen Stadtpfarrkirche St. Georg in Riedlingen nahe der Stadt Saulgau. 1601 goß Raeblin für das Villinger Münster eine heute nicht mehr erhaltene Glocke, die an Größe und Gewicht die Riedlinger weit übertroffen haben muß. Ihre ganze Inschrift wiederzuge­ ben, würde an dieser Stelle zu weit führen. Ein Auszug daraus sei dennoch zitiert: – «gott zvo lob vnd seiner werden mvetter rvm avch gantzem himmlischen here genvgen zv rvm vnd ehr ainem wolweisen rath dvrch stevr vnd hilf gantzer bvrgerschaft bin ich gegossen vnnd gemacht zv villingen in der beriemten statt als man zalt sechzehenhvn­ dert ain iar den xxii monats novembris fv (=ü) war darvmb geb gott allen denen die an 242

Christoph Reble, Villingen, kath. Pfarrkirche St. Nikolaus, Schluchsee, 1614 Ursulagwcke der Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt in Hinterzarten mich gestevrt das wahre leben deren aller namen geschriben sinnd in aim neven bvoch.» Der 1591 geborene Sohn von Hans Reble, Christof, hat offensichtlich schon in jungen Jahren in der Gießerei des Vaters gearbeitet. Im Alter von 23 Jahren goß er 1614 für den Abt von St. Blasien eine Glocke für die kath. Pfarrkirche St. Nikolaus in Schluchsee. Im Todesjahr seines Vaters schuf er ein kleines Glöckchen für das Bickenkloster in Villin­ gen, heute Ursulinenkloster, mit der Inschrift «AVE MARIA GRATIA PLENA DOMINUS TECUM M CD A V C P». Auf der Flanke der Glocke sind ein Kruzifixus, zwei Heiligenfiguren und ein Marienrelief eingegossen. in Hohenzollern sind je eine Glocke von ihm erhalten: in der St. Pelagiuskirche in Rott­ weil-Altstadt und in der St. Annakirche in Jungnau, in Baden eine Glocke in der Pfarr­ kirche St. Laurentius in Wolfach und in St. Nikolaus zu Achdorf. In Württemberg und Im Übergabejahr seiner Gießerei an sei­ nen Schwiegersohn Joachim Grieninger goß er für die kath. Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt in Hinterzarten die Ursulaglocke mit einer für Reble sehr typi­ schen dezenten Glockengestaltung mit besonders flachem Relief. Johann Joachim Grieninger, 1624 als Sohn des Hammerschmieds Veit Grieninger geboren, heiratete die verwitwete Tochter seines Meisters Christof Reble. Obwohl die Übergabe der Gießhütte bereits 1645 statt­ fand, tauchen die ersten Glocken von Joa­ chim Grieninger erst etwa 10 Jahre später auf. Ein besonders schönes Exemplar goß er für die katholische Pfarrkirche St. Johannes Bap­ tista in Moosheim bei Saulgau im Jahre 1657, auf der die Passion Christi in außergewöhn­ lich schönen kleinen Reliefs dargestellt ist. Die gleiche Darstellung finden wir auf einer Glocke aus dem Jahre 1664 in der katholi­ schen Pfarrkirche St. Katharina in Güten- 243

Johann Joachim Grieninger, 1657. Passionsglocke in der kath. Pfarrkirche St.Johannes Baptista in Moosheim bach. Nur fehlen dort zu den Reliefs die ver­ bindenden Schmuckornamente. Zuvor hatte er im Jahre 1660 für das Münster Unse­ rer Lieben Frau in Villingen eine kleine Glocke gegossen, die heute im Franziskaner­ museum in Villingen steht. Die Reliefs all dieser Glocken sind so vorzüglich gearbeitet, daß sie auf Stichvorlagen oder – was wahr­ scheinlicher ist – auf Vorlagen von Bild­ schnitzern zurückzuführen sind. Nach dem Tode von Joachim Grieninger im Jahre 16 7 6 übernahm sein Sohn Matthäus die Gießerei in Villingen. Bei ihm bestätigen sich wie schon bei seinem Vater die engen Beziehungen zur Lindauer Gießhütte, wo sie vermutlich als Gesellen gearbeitet haben. Beleg hierfür ist vor allem eine Glocke für St. Martin in Gengenbach, im Jahre 1689 kurz nach dem Stadtbrand gegossen, und das Martinus-Glöckchen, heute in den Fürsten­ bergischen Sammlungen in Donaueschin- 244 gen. Indes erreichte Matthäus Grieninger nicht die Bedeutung seiner Vorgänger. Von seinen Söhnen Jakob Pelagius und Meinrad Anton sind weder innerhalb noch außerhalb von Baden bedeutende Geläute oder Glok­ ken erhalten. Eine Ausnahme bildet die 1726 für die ehemalige Zisterzienser-Klosterkir­ che in Friedenweiler gegossene Glocke mit dem Wappen der Äbtissin Guglin von Rot­ tenburg. Eine Blütezeit erlebte die Villinger Gieße­ rei im späten Barock. Franz Joseph Grünin­ ger (1735-1795) goß einige herausragende Glocken, vor allem in Baden. Hier auch nur die wichtigsten aufzuzählen, würde den Rah­ men einer solchen Betrachtung sprengen. Deshalb seien zwei Glocken und Geläute stellvertretend genannt. Im Jahre 1767 goß er für das ehemalige Reichsstift St. Georg in Villingen ein Geläute, vom dem vier Glok­ ken nach Aufhebung des Stiftes im Jahre

J:farrkirche St. Katharina, Gütenbach,Jochem Grieninger, 1664. Vereinfachte Zier der Moosheimer Glocke 1806 auf großherzoglichen Befehl in die evangelische Stadtkirche nach Karlsruhe kamen. Eine Glocke davon wurde vermut­ lich bereits Opfer des Ersten Weltkriegs, zwei Glocken fielen der Zerstörung von Karlsruhe im Zweiten Weltkrieg zum Opfer. Eine Glocke dieses Geläutes blieb uns erhalten und hängt heute in Karlsruhe in der Kleinen Kirche beim Marktplatz. Die mit außerge­ wöhnlich schönen Reliefs gestaltete Glocke läßt ahnen, welch wunderbares Geläute der Stadt Villingen durch die Säkularisation und durch die Kriege verlorenging. Ein zweites Geläute goß er für die Klosterkirche in Schuttem im Ortenaukreis. Eine Glocke aus diesem Geläute blieb uns bis heute in der katholischen Pfarrkirche St. Maria in Phi­ lippsburg erhalten. Die künstlerisch heraus­ ragende Gestaltung dieser Glocken läßt auf die Mitwirkung renommierter Bildhauer schließen. Die teils als Chronogramm ver- faßten Inschriften nennen einige geistliche und weltliche Fürsten dieser Zeit. In der Baa­ remer Glockenlandschaft läutet von Franz Josef Benjamin Grieninger nur noch eine einzige kleine, sehr reich geschmückte Glocke in der evangelischen Friedenskirche zu Hüfingen. Sie ist geschmückt mit einem Kruzifix und dem Wappen von J osefFürst zu Fürstenberg. Sie ist im Jahre 1787 gegossen. Bei der Belagerung der Stadt Villingen durch die Schweden wurde die außerhalb der Stadtmauer in der Nähe der Käferburg gelegene Gießerwerkstatt völlig zerstört. Spä­ ter lesen wir dann vom Umzug der Glocken­ gießerfamilie ins Glockenhüsle, einem halb­ runden Bau an der Stadtmauer in der Nähe des Romäusgymnasiums. Seit dem Jahre 1783 und bis zum Tode sei­ nes Vaters Franz Josef Benjamin Grieninger half sein Sohn Nicolaus Meinrad beim Guß von großen Glocken mit. Seit 1772 gehörten 245

Johann Joachim Grieninger, 1660. Glocke für das Villinger Münster, heute im Franziskaner-Museum Giefshütte Grieninger, 1704, Fürstenbergische Sammlungen, Donaueschingen die Äbte von St. Blasien zu den Kunden von Franz Josef Benjamin Grieninger. Er profi­ tierte davon, daß die Waldshuter Gießhütte nach lSOjähriger Tradition ihre Arbeit einge­ stellt hatte. Aus der gemeinsamen Schaffens­ periode mit seinem Sohn Nicolaus Meinrad überlebten nur die ebenfalls vom Abt von St. Blasien bestellte Glocke, für die Pfarrkir­ che in Schluchsee 1787 gegossen, und eine Glocke aus der Pfarrkirche St. Verena und Gallus in Hüfingen aus dem Jahre 1789 sowie einige Glocken im Württembergischen. Nikolaus Meinrad Grieninger übernahm nach dem Tod seines Vaters im Jahre 1795 die Gießerei. Im Laufe seiner Schaffensperiode änderte er seinen Namen von Grieninger in Grueninger um. Eine von ihm allein gegos­ sene Glocke im Schwarzwald-Baar-Kreis läu­ tet in der katholischen St. Stephanskapelle in Beckhofen im Brigachtal. Die Glocke ist im 246 Jahre 1802 gegossen, ihre Zier noch ganz in der Tradition des Vaters Franz Josef Benja­ min. In diesen Jahren verlor die Gießerei Grüninger sicher auch infolge der Säkulari­ sierung an Bedeutung. Von den gemeinsa­ men Arbeiten von Nicolaus Meinrad und seinem Sohn Severin Benjamin Grüninger ist nur noch eine einzige Glocke aus dem Jahre 1799 auf der Friedhofskirche von St. Blasien erhalten. Nach dem Tod des Vaters übernahm Severin Benjamin Grünin­ ger im Jahre 1818 im Alter von 36 Jahren die Villinger Glockengießerei, in der in dieser Zeit fast ausschließlich kleine Kapellenglok­ ken in Auftrag gegeben wurden. Die einzige von ihm erhalten gebliebene Glocke läutet in der katholischen Filialkirche St. Bartholo­ mäus in Münchingen bei Wutach. Beim Guß einiger nicht mehr erhaltener Glocken half ihm sein ältester Sohn Lukas Meinrad.

Matthäus Grieninger, 1726. G!.ocke in der ehern. Zisterzienserklosterkirche in Friedenweiler. Das Bild zeigt das Wappen der A’btissin Maria Ursula Guglin von Rottenburg, Äbtissin in Friedenweiler von 1723 bis 1736 Seine Nachfolge aber trat der jüngere Sohn Benedikt Benjamin Grüninger (1821-1879) an, von dem nur noch wenige Kapellenglocken erhalten sind. Ein sehr schönes Exemplar aus dem Jahre 1850 läutet in der Kapelle des Käppelehofes in Tennen­ bronn, ‚eines in der kath. Pfarrkirche zu Hon­ dingen, ein weiteres Glöckchen steht im Franziskaner-Museum in Villingen. Es kam aus der Schleifenkapelle ins dortige Museum. Als Benedikt Benjamin Grüninger seit 1872 gemeinsam mit seinen beiden Söhnen Josef Benjamin (1844-1912) und Georg Adelbert {1852-1918) die Glockengießerei betrieb, Franzjosef Griininger, 1767. Einzige erhaltene Glocke aus dem ehern. Reichsstift St. Georg in Villingen, heute in der evang. Kleinen Kirche in Karlsruhe 247

Benedikt Benjamin Grüninger, 1850. Das Bild zeigt die Glocke der Kapelle des Käppelehefes in Tennenbronn auf dem Glockenfriedhof in Ham­ burg, wo sie die Kriegsjahre überstand 248 Pfarrkirche Hondingen, Benedikt Benjamin Grüninger, 1865 führte er die Firmenbezeichnung Grüninger und Söhne ein. Nach dem Tod ihres Vaters im Jahre 1879 führten die beiden Söhne die Firma unter den verschiedensten Bezeich­ nungen weiter, bis im Jahre 1897 Josef Benja­ min Grüninger (1873-1927), Sohn des gleich­ namigen Vaters mit diesem gemeinsam die Gießerei übernahm. Aus dieser Zeit ist uns ein kleines Glöckchen aus der Pfarrkirche in Tannheim aus dem Jahre 1899 erhalten, ein Glöckchen in der Pfarrkirche Dauchen aus dem Jahre 1905, das 1908 gegossene Franzis­ kusglöckchen in Unterkirnach und das wohl bedeutendste Geläute, das je aus dem Hause Grüninger kam, das achtstimrnige Geläute für die kath. Stadtkirche St. Bernhard in Benedikt Benjamin Grüninger, Glocke aus der Schleifenkapelle, heute im Franziskaner-Museum in Villingen

den beiden Weltkriegen blieben in der Baare­ mer Glockenlandschaft nur ein Glöckchen in Hubertshofen und in der Pfarrkirche Hochemrningen, beide aus dem Jahre 1922, und eine Glocke in der Pfarrkirche St. Martin in Hondingen aus dem Jahre 1923 erhalten. Das bedeutendste Geläute goß Benjamin Grüninger nach dem Zweiten Weltkrieg für die kath. Stadtkirche Mariä Geburt in Gengenbach. Für die Glockenlandschaft der Baar goß er 1950 für die Pfarrkirche in Tannheim drei Glocken in Ergänzung der zuvor erwähnten Glocke aus dem Jahre 1899. Das Geläute der kath. Stadtkirche St.Johan­ nes in Donaueschingen ergänzte er 1950 mit zwei Glocken. Villingen-Rietheim erhielt im Jahre 1952 ein recht ansprechendes Dreiergeläute. Das schönste Geläute im Schwarzwald-Baar-Kreis aus dem Hause Grüninger läutet in der kath. Pfarrkirche Franziskusglöckchen aus Unterkimach von Josef Benjamin Grüninger 1908 gegossen. 249 Josef Benjamin Grüninger, 1899. Glocke für die kath. Pfarrkirche St. Gallus in Tannheim Karlsruhe, gegossen im Jahre 1902, mit einem Gesamtgewicht von ca. 11.500 kg. Mit diesem Geläut meldet sich das Haus Grünin­ ger, nachdem jahrzehntelang nur unbedeu­ tendere Glocken gegossen wurden, ein­ drucksvoll in der Spitze der deutschen und europäischen Glockengießerelite zurück. Die vier Jahre später gegossenen Glocken für das Münster zu Villingen wurden Opfer des Krieges. Bis zum Ersten Weltkrieg wurden in der neu erbauten Glockengießerei in Villin­ gen über 2000 Glocken gegossen, von denen nur wenige die gnadenlose Auslese der bei­ den Weltkriege überdauert haben. Eine Blüte erlebte die Gießerei nochmals unter dem Sohn von Josef Benjamin, Franz Josef Benjamin Grüninger (1901-1963), der der Gießerei in Villingen zu einem zuvor nur in der Barockzeit und unter seinem Vater gekannten Höhenflug und zu überregiona­ ler Bedeutung verhalf. Aus der Zeit zwischen

Kath. Pfarrkirche St. Bernhard in Karlsruhe. Detail auf der Bernhardusgl.ocke, 1902 gegossen St. Martin in Brigachtal-Kirchdorf. Das fünfstimmige Geläute aus dem Jahre 1950 kommt in Ausdruckskraft und Klangfülle nahe an die Glanzleistung von Gengenbach heran. Den Untergang der Glockendynastie der Grüninger läutete ausgerechnet seine Hei­ matstadt Villingen ein. Als Ersatz für die im Krieg zerstörte Gießerei suchte Benjamin Grüninger sofort nach dem Zweiten Welt­ krieg ein Ersatzgelände. Vergeblich, wie wir heute wissen. Unter größten finanziellen Schwierigkeiten war er gezwungen, seine Gießerei 1948 nach Neu-Ulm zu verlegen, wo er bereits Mitte der Fünfzigerjahre den finanziellen und wirtschaftlichen Zusam­ menbruch erlebte.Und hier schließt sich der Kreis der Geschichte des Propheten, der bekanntlich im eigenen Land, in der eigenen Stadt nur wenig gilt. Benjamin Grüninger widerfuhr aber auch außerhalb seiner Hei­ matstadt, vor allem in Baden in den Sechzi­ gerjahren, lange Zeit Unrecht. Verständli­ cher Ärger über seinen wirtschaftlichen Ruin und den damit verbundenen betrügerischen Bankrott, der den Kirchengemeinden in Baden Verluste in Millionenhöhe bescherte, führte dazu, daß viele Glocken als musika- 250

lisch minderwertig eingestuft und vielerorts auch umgegossen wurden. Abgesehen von wenigen Weißbronze-Geläuten, die in Metall und Klang minderwertig waren, bestand dieser schlechte Ruf des Hauses Grüninger zu unrecht, wie sich Laien und Fachwelt heute einig sind. Die Geläute von Gengenbach und Brigachtal sind hierfür nicht die einzigen eindrucksvollen und klangreichen Beweise. Eine Glockengießertradition von 375 Jah­ ren wie die des Hauses Grüninger ist im süd­ deutschen Raum einmalig, in Deutschland und Europa gibt es nur wenig vergleichbare Traditionen. Die Glocken aus dem Hause Grüninger waren von den Anfängen an mit wunderbarem bildhauerischem Dekor geziert. Klangliche Höchstleistungen wur­ den vor allem um die Jahrhundertwende und nach dem Zweiten Weltkrieg erzielt. Die bildhauerische Qualität der Grüninger­ Glocken ist sehr hoch anzusiedeln. Deshalb verdiente es weiterer Nachforschungen, um die Bildhauer kennenzulernen, die fur das Haus Grüninger diese hervorragenden Arbeiten in Wachs geschnitten und geformt haben. Musikalisch und bildhauerisch ver­ mochten vor allem drei Gießer sich aus dem guten Gesamtbild des Hauses Grüninger hervorzuheben: Franz Josef Benjamin Grie­ ninger (1735-1795) mit den Geläuten fur das Kloster St. Georg in Villingen und fur das Kloster Schuttern sowie fur die ehemalige Abteikirche in St. Blasien. Josef Benjamin Grüninger mit dem Geläute für Karlsruhe St. Bernhard und dem nicht mehr erhalte­ nen Geläute des Münsters in Villingen. Den reichsten Glockennachlaß verdanken wir Josef Benjamin Grüninger mit Sohn Franz Josef Benjamin, 1922, Ifarrkirche Hochemmingen St. Ga/Zus in Tannheim, 1950, Darstellung der Dreifaltigkeit 251

St. Gallus m Tannheim, 1950, Kreuzigungs- gruppe St. Gallus in Tannheim, 1950, Christi Geburt Glockenkrone von Benjamin Grüninger, an vie­ len Glocken verwendet Glockenkrone von Benjamin Grüninger, an vie­ len Glocken verwendet Franz Josef Grüninger (1901-1963), dem letz­ ten Glockengießer dieser Dynastie, dem die Anerkennung seines großen Werkes zu sei­ nen Lebzeiten versagt blieb, der aber heute in Fachkreisen weit über Süddeutschland hinaus in einem Atemzug mit den bedeu­ tendsten Glockengießern des 20. Jahrhun­ derts genannt wird. Auf einer 1932 für das Mesnerhäusle in Triberg gegossenen Glocke ließ Grüninger als Inschrift die zeitlose Bot­ schaft für seine Glocken eingießen: «NEU GEBOREN MÖCHT‘ ICH LÄUTEN NEUEN MENSCHEN BESSREN ZEI- Kurt Kramer TEN». Altjahresabend Nacht des Wissens um alle nicht gehaltenen guten Vorsätze – Nacht neuer Besserungsideen wiederum nicht haltbar – Nacht in der roter Wein Kälte überdeckt und Gelächter mit Feuerwerk Disharmonien singt – Nacht leiser Gespräche die Zärtlichkeit nennt und Weiterleben möglich macht Neujahrsnacht Christiana Steger 252

Heiteres aus dem Klosterleben St. Ursula in Villingen Das nicht erreichte Tagesziel •·. I – ··· -�·- r:� 0 0 – �- �‘!:III,,,: IJl‘.A. , • •(,, .;:. Als Dank für ihr eifriges Wirken im Dienste der Kirche gewährt die Superiorin Eva-Maria von St. Ursula ihren Kloster­ frauen – wenn auch nicht alljährlich, so doch mit Sicherheit jedes zweite Jahr in der Woche nach dem hl. Pfingstfest – einen „verlängerten Betriebsausflug“. Ist es doch so, daß selbst frommen Gottesdienerinnen ein Tapetenwechsel wohl bekommt, zumal auch ihnen danach die Arbeit wieder leichter von der Hand geht. Das geographische Ziel dieses Unterneh­ mens ist zwar stets dasselbe, nämlich das herrliche Südtirol; seine Programminhalte jedoch sind wegen der dort anzutreffenden unerschöpflichen Möglichkeiten jedesmal andere. Für die Auswahl der „Kostbarkeiten“ dieses blühenden Landes sorgen der zustän­ dige Reiseleiter und auch eine geistliche Assi­ stenz, welche vorwiegend die seelsorgerische Betreuung innehat. Ein kurzes Wort noch zum gleichbleiben­ den Ausflugsziel: Ohne Ausnahme sind sämtliche Teilnehmerinnen mit diesem ein­ verstanden. Wen wundert’s? Hat doch die Leiterin von St. Ursula während ihres akti­ ven Schuldienstes das Kleinod Südtirol bei zahlreichen Schullandheim-Aufenthalten mit ihren Schülern kennen und lieben gelernt. Sie hat es ihren Klosterfrauen weiter­ empfohlen, und seit deren ersten Aufenthalt in dieser herrlichen Bergwelt sind alle begei­ stert von dem schönen „Garten Gottes“. Sie teilen die Aussage der Südtiroler Schriftstel­ lerin Annelies Mittermayr, die in einem ihrer reizvollen Werke verrät, daß es dem Herrgott nach der Vertreibung von Adam und Eva doch „ein bisse!“ leid getan hätte, als er die beiden von oben so in ihrem Kummer und ihrer Not gesehen habe. Er ließ sich deshalb schnell seinen Schöpfermantel bringen und streute da und dort „Schönheit“ auf ein paar „Erdenfleckerln“, und dazu gehörte auch das Land Südtirol. Wörtlich führt die Autorin fort: „Und wer’s erleb’n darf, der woaß in sein Leb’n konn’s nix Schönres, Beglückenderes mehr geb’n als dies blühende Land mit die Burgen und Schlösser, die alten Häuser, den Wein in de Fässer. Herrgott, i dank Dir über die Maßen für das Glück, daß’d uns doch noch a Stück von Deim Paradies hast lassen.“ Ja – und zu diesem „Stück!“ Paradies ge­ hört noch etwas, das der Villinger „Kloster­ flor“ daselbst am 16. Mai 1989 entdeckt hat. 253

Es handelt sich hierbei um eine wahre ,,Fundgrube“, die eine solch magische Wir­ kung besitzt, daß sie selbst fromme und sonst recht standhafte Ursulinen regelrecht zu verwirren und sie sogar von den gesteck­ ten Tageszielen abzubringen vermag. Was aber ist das nur? Es ist die „Tessitura Artistica FRANZ“, eine Leinen-Kunstweberei in der ,,Via M. Pacher“ im altehrwürdigen Städt­ chen Bruneck. Hören Sie, lieber Leser, wie es in dieser Sache weitergeht: 254 Der Leinendeckchenkauf in Südtirol Im Pustertal zu Bruneck schön, ist dies‘ Spektakulum gescheh’n: Kaum hat der Bus da angehalten, die Klosterfrauen gleich entfalten typisch feminine Züge und werden dabei gar nicht müde.­ Die Reiseleitung bleibt allein, derweil die Nonnen kaufen ein bei „FRANZ“, dem „Webetuch-Artist“, der Spezialist für Deckehen ist. Gleich gibt’s ein Hin und auch ein Her ein Deckehen weg, ein andres her eines mit Fransen, ein’s mit Rand ein’s für den Tisch, ein’s für die Wand, das eine kurz, das andre schmal, fürs Mobiliar im großen Saal; ein’s als Präsent für Kaplan Meier und als Ersatz ein’s für den Schleier, eines oval, das andre rund, ein’s als Serviette für den Mund, solche für Bänke, Blumenvasen und weitere für Tanten, Basen; dreißig Meter lang, das längste, und Meister FRANZ bekommt schon Angste. Ein Deckehen weg, ein andres her, rfrr „Klosterflor“ braucht immer mehr.­ Su geht das über fast sechs Stunden; die Reiseleiter drehen Runden zwölfmal schon um die Stadt herum, da wird es denen doch zu dumm; mit Riesenschritten geht’s zum Bus, ärgerlich und voll Verdruß. Dort demonstrieren sie „Sit-in“, ergeben sich dem Schicksal hin und lassen ihre Häupter hängen, ausgeliefert solchen Zwängen. – Die Damen, jedoch hochentzückt, kommen langsam angerückt, beladen schwer mit „Webeschätzen“, man hört sie schnattern und laut schwätzen, vergessen sind die Reiseziele, dafür hat man Deckehen viele! – Und die Moral von der Geschicht‘: Ein Ziel ist festgelegt recht leicht, doch oftmals wird es nie erreicht!- .. Helmut Groß

Monsignore Adalbert Simon – Ein frommer und humorvoller Priester mit einem Herz für die Kinder der Straße Adalbert Simon war gebürtiger Villinger­ und darauf war er zeitlebens stolz. Geboren wurde er am 31.Juli 1910 als jüngster Sohn des Stellwerkmeisters Josef Simon und dessen Frau Marianna, geb. Efinger, aus Marbach. Kaum fünfjährig, starb seine Mutter, und der Vater heiratete drei Jahre später die Aasener Bürgerstochter Berta Röttler. Sie war den vier aus erster Ehe stammenden Kindern eine vorbildliche und liebevolle Mutter. Beson­ ders den Jüngsten, den kleinen Adalbert, hatte sie in ihr Herz geschlossen. Aufgewachsen ist der „Adel“ -so nannten ihn seine Spielgefährten – in der Villinger Güterbahnhofstraße, dem sogenannten „Frei­ amt“. Die Verhältnisse waren bescheiden, aber dennoch erlebten die Kinder eine frohe und glückliche Zeit, an die sich der Monsi­ gnore stets gerne erinnerte. Er war ein echter Villinger Schlingel, und war wieder einmal ein Streich gespielt, so hieß es im Elternhaus: „ Wer war dabei? -Klar, de Karle, de Erich, de Olli -auch de Bocherle, ’s Anneli und selbst­ verständli de Adel!“ Nach dem Besuch der Volksschule begann Adalbert eine Schreinerlehre bei der Villinger Firma Jordan. Als zünftiger Geselle begab er sich -das war damals Ehrensache – auf die Walze und landete schließlich bei einer angesehenen Tischlerei in Grafenhau­ sen. Dort setzte eine schwere Krankheit sei­ nem beruflichen Werdegang ein jähes Ende. Die Krankenhausärzte zweifelten an seinem Durchkommen und hatten ihn schon aufge­ geben. Aber entgegen aller Befürchtungen wurde der „Adel“ wieder gesund. Der Gene­ sene stellte jetzt die Weichen für die Zukunft auf ein anderes Gleis und beschloß, sich von nun an in den Dienst Gottes zu stellen und Priester zu werden. Als Spätberufener begann der Neunzehn­ jährige seine theologischen Studien zu- nächst auf Schloß Hersberg am Bodensee und setzte diese dann in der Diözese Leitme­ ritz (Tschechoslowakei) fort. Zwei weitere Studienjahre folgten bei den Benediktinern in Saö Bento, Brasilien, wohin er durch einen niederländischen Pater gekommen war. Die Schiffsreise von Antwerpen. nach Rio de Janeiro dauerte auf dem belgischen Ozeandampfer „Prinzessin Astrid“ 21 volle Tage, vom 30. 4. bis 20. 5. 1938. Am 21. Dezember 1941 wurde Adalbert Simon dann in „Barra do Pirai“ zusammen mit einem Schweizer und zwei weiteren Deutschen zum Priester geweiht. Zunächst fand der Neupriester ein seelsorgerisches Betätigungsfeld auf einer dem Festland vor­ gelagerten Atlantikinsel. Seine erste Amts­ handlung als Vikar war dort die Bestattung einer 114 Jahre alten Schwarzafrikanerin. Beim Trauergottesdienst nahmen auch noch zwei hochbetagte Töchter der Verstorbenen teil, die eine zählte 91, die andere 89 Jahre. 255

Wenige Monate später wurde ihm dann auf dem Kontinent die Pfarrei „Sacra Familia do Tingua“ zugewiesen, rund 100 km südlich von Rio de Janeiro. Neben der Seelsorge erwartete hier den jungen Priester eine Menge Arbeit: Die Renovierung der Kirche, den Bau eines großen Gemeindesaals und die Leitung einer „Ackerbauschule“, einem Internat für heimatlose und schwererzieh­ bare Kinder. Die acht- bis sechzehnjährigen „Waisen“ wurden als „Straßenkinder“ in der Hauptstadt Rio aufgegriffen, in Auffanglager gebracht und in diese Schule eingewiesen. Bis zum Jahre 1991, dem Jahr seiner Pensio­ nierung, stand Adalbert Simon dieser Pfarr­ gemeinde vor und trug die schwere Verant­ wortung für die Internatsschützlinge. Für seine hohen Verdienste wurde er am 30. 9. 1984 vom Heiligen Stuhl zum Monsignore ernannt. Während des Zweiten Weltkriegs und auch noch in der Nachkriegszeit gab es für den Geistlichen keinerlei Verbindung zu sei­ ner Heimat. Erst 1946 erhielt der Vater des Priesters in Villingen über den damaligen Berliner Kardinal Preising ein erstes Lebens­ zeichen von seinem Sohn aus Brasilien. Am 22. Mai 1949 konnte dann Adalbert Simon anläßlich seines ersten Besuchs in Deutsch­ land seine Heimatprimiz in St. Fidelis zu Vil­ lingen feiern. Mit ihm war auch Heinrich Heizmann, ein gebürtiger Wolfacher, ge­ kommen, der sein Nachbarpriester von ,,Sacra Familia“ war. Leider verunglückte die­ ser nach der Rückkehr bei der Ausübung sei­ ner Missionstätigkeit tödlich mit dem Motorrad, das ihm seine Heimatgemeinde geschenkt hatte – für Adalbert Simon ein schwerer Schlag. Im letzten Jahrzehnt besuchte der Monsi­ gnore fast alljährlich seine Villinger Heimat­ stadt. Während der Aufenthalte wohnte er im Kloster St. Ursula. Hier konnte er sich erholen, die tägliche Morgenmesse lesen, und wenn es die Zeit zuließ, auch in der Pfarrfiliale Rietheim sowie den Pfarreien Pfaffenweiler und Tannheim aushelfen. Auch hatte er Gelegenheit, seine Freunde 256 und Schulkameraden im „Städtle“ zu treffen und mit ihnen bei einem guten „Viertele“ über seine Erlebnisse in fernen Ländern zu plaudern. Woran der geistliche Herr aber besonderen Gefallen fand? Reisen mit unse­ ren modernen Zügen, dem „Interregio“, dem „Intercity“ und beim letzten Besuch sogar mit dem Star der Deutschen Bundesbahn, dem superschnellen „ICE“. Wenn er aber einmal so richtig genießen wollte, zog er sich ins klösterliche Domizil zurück und „studierte“ den neuesten Alma­ nach, und wie freute er sich herzlich, als er sich selbst in der „92er Ausgabe“ in einer Bildgeschichte verewigt fand. Um sieben Ecken herum ließ er den Texter und Zeich­ ner wissen, er wolle doch noch einmal in einer solch illustrierten Bildfolge, die sich wirklich zugetragen hat, im Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises erscheinen. Er beabsichtigte, dieses dann den Angehöri­ gen seiner vor einigen Jahren gestorbenen Haushälterin „Pasqualina“ und seinem Fah­ rer ,Jose“, beide Schwarzafrikaner, mitzu­ bringen. Wir wollen dem Monsignore diesen Wunsch gerne erfüllen. Leider kann er das Präsent selber nicht mehr überreichen. Adal­ bert Simon, der sein Leben hauptsächlich in den Dienst der „Straßenkinder“ von Rio stellte, ist am 22. März 1992 gestorben und auf dem Friedhof „Nossa Senhora da Con­ ceicäo“ seiner brasilianischen Pfarrei bestat­ tet. Am 21. Dezember 1992 hätte er sein Gol­ denes Priesterjubiläum in der Klosterkirche St. Ursula zu Villingen feiern können. Helmut Groß Eine „Heilige“ aus Villingen oder Das Teepüppchenpräsent Siehe nachfolgende Bildgeschichte

Ada/hel“f-1 Herr Monsig,.noPe, mad)r i-n BRAS/l/A.. „Mordsf_urore; eiri TeeP.üp�f!.en von „M1we ScJ;mi�t bringt tin Jo’ffert:J;en ef‘ mit-! – Er sl-ellt es biibs,c!) zured;tqemafl;l„ ln Y,’l(t’nger ,, Altjungfer,t“tf!atl;f “ auf .seinen TtschJ an lem er ifj,f. ])of’f fot’lan iSuppcj;ens Pläüd)en, ist • 257

NacJ; orei Sturioen u’tt- zutiücH. .Adathe.rt – tt‘ .scJ;welg_f ittt Gtüclf. – vom ti�bet un’i> vom ‚.Sft.,1,,bier.e,,:i, mö1:9t er Jetzt .seinen .Jee Pf’Obie,f,en, ! 258

�uf derSchwel/e macht er halt, f!A’blidfd burch oef‘ :Tüfte Spalt ,, Pasqu al ina „; .sie lfnie’f da , .schlägt ‚i)as Kreuz – halle!uja. t Um) sie sp_ricl;t: ,,.Jon Monsigwre I oo gew-uftl‘ , iler� P-rofessore, baf> fern giJJt/s in Almania $b()O /Jetta Santa Femina !! “ – 259

Kreuze im Schwarzwald-Haar-Kreis Die Wegkreuze im Schnabelstal Wenn man die Stadt Furtwangen nach Westen Richtung Freiburg verläßt und dann links in die Straße nach Linach einbiegt, kommt man zunächst am Bregstadion und an der Landessiedlung vorbei, die auf der rechten Seite der Straße liegt. Etwa 300 m nach der Landessiedlung zweigt links eine schmale Teerstraße ab, die ins Schnabelstal führt. In diesem Tal befanden sich einst 3 der 54 Furtwanger Lebenshöfe: Am Eingang zum Tal der Sägenhof, der der 10. Hof in der Breg war; etwas weiter tal­ aufwärts der mittlere Schnabelshof, der 11. Hof in der Breg, und am Ende des Tals, dort wo der Weg steiler ansteigt, liegt der Schnabelshof, der 12. Hof in der Breg. Der mittlere Schnabelshof wurde schon 1300 als „Schnabels Gut“ bezeichnet, später als „das halbe Gut im Schnabelstal“, wäh­ rend der 12. Hof in der Breg, der Schnabels­ hof, das andere halbe Gut im Schnabelstal war. E. Nied meint, daß der Name der Höfe vom Namen des Besitzers herkommt und legt Schnabel als „Schnabler, Schwätzer“ aus. Demzufolge würde also der Hofname, der auch dem Tal den Namen gab, auf einen Übernamen eines Hofbesitzers zurückge­ hen. Der Name könnte aber auch von der Form des Tales herrühren. Das Schnabelstal liegt auf der Gemarkung von Furtwangen. So ist es bereits auf der Karte „Die Vogtei Furtwangen“ vom 28. März 1783 verzeichnet. Biegt man nun von der Straße nach Linach nach der Landessiedlung links ins Schnabelstal ab, so steht auf der linken Seite ein gut erhaltenes, wohl vor nicht allzu lan­ ger Zeit renoviertes Kreuz. Ursprünglich stand das Kreuz etwas vom heutigen Platz entfernt, aber als die Straße nach Linach aus- 260 gebaut wurde, mußte das Kreuz den Bau­ maßnahmen weichen und wurde am heuti­ gen Standort neu errichtet. Das Holzkreuz ist mit einem nach oben spitz zulaufenden Dach versehen. Auch links und rechts vom Längsbalken ist das Kreuz durch Holzwände vor Verwitterung geschützt. Diese Holzwände weisen Verzie­ rungen auf, die auf eine liebevolle Gestal­ tung des Kreuzes hindeuten. Der wuchtige Korpus ist ocker gefärbt und um seine Hüften ist ein Lendentuch geschlungen, das rechts verknotet ist. Die Figur des Gekreuzigten trägt braun gefärbte Haare mit einer Dornenkrone; auch der Bart hat eine braune Färbung. Über dem Korpus auf dem Längsbalken unter dem Spitzdach ist wie bei vielen Feld­ kreuzen die Kreuzesinschrift I N R I ange­ bracht. Das Wegkreuz ist ein markanter, weithin sichtbarer Punkt bei der Gabelung zwischen dem Mäderstal und dem Schnabelstal und grüßt jeden, der vorüberkommt, schon von weitem. Da das Kreuz in der Nähe des Sägehofes steht, ist anzunehmen, daß dieses Kreuz, wie viele Feldkreuze, zum Schutz für Haus, Hof und die gesamte Flur errichtet wurde. Mit diesem Ausdruck des Glaubens wollte man den Segen Gottes erflehen. Ein besonderer Anlaß für die Errichtung des Kreuzes ist nicht bekannt. Wenn man nun in das Schnabelstal ein­ biegt, gelangt man nach etwa 300 m an den Sägehof, der links von der Straße steht. Nach weiteren 200 m erblickt man ebenfalls links von der Straße ein schlichtes Holzkreuz. Das graue Holzkreuz trägt einen Korpus aus Holz, der weiß gestrichen ist. Im Unter­ schied zu vielen anderen Wegkreuzen ist der

J Das Kreuz am Eingang zum Schnabelstal geschnitzte Lendenschurz des Gekreuzigten vorne verknotet. Auch hier ist am Stammende über dem Gekreuzigten die Kreuzesinschrift IN R I auf einer Holztafel angebracht. Obwohl das Kreuz nicht sehr auffällig ist, kann man es doch schon von weitem erken­ nen. Es steht am Rande einer Wiese ganz frei. Gegenüber dem Kreuz befindet sich im Schatten eines mächtigen Baumes eine Ruhebank, die den Vorübergehenden zur Betrachtung des Leidens Christi einlädt. Geht man auf der Straße weiter, kommt man nach ca. weiteren 200 m zum Anwesen Kuner, Schnabelstal, Haus Nr. 2. Zu diesem Anwesen gehört auch dieses Kreuz. Folgt man der Straße, an dem Anwesen Kuner vorbei, so erblickt man beim Haus Nr. 3, Ganter Frieda, ein weiteres Holzkreuz. Es steht ebenfalls links neben der Straße an einem ziemlich steilen Hang, so daß man, Kreuz beim Anwesen Kuner, Schnabelstal Haus Nr.2 um das Kreuz zu sehen, den Blick nach oben richten muß. Der Längsbalken des Kreuzes ist unten mit zwei Pfählen gestützt, die dem Kreuz mehr Halt geben sollen. Längs-und Q!ierbalken des Kreuzes sind spitz auslau­ fend. Über dem Korpus des Gekreuzigten, der in schlichter Bauernkunst gestaltet ist, hängt am Längsbalken wieder die Kreuzesinschrift IN RI. Der Korpus selbst ist weiß bemalt auf einem Holzgrund. Auffällig ist bei diesem Kreuz, daß der Gekreuzigte keine Dornen­ krone trägt. Auffallend ist ferner auch das Lendentuch, das golden bemalt ist und mit einem Strick zusammengehalten wird. Am Gekreuzigten ist deutlich sichtbar die Seitenwunde, die rechts gemalt ist und an der rote Blutstropfen zu sehen sind. Dies soll an den TodJesu erinnern, als aus seiner Seiten­ wunde Blut und Wasser floß. Im Zusammenhang mit dem Tod Jesu 261

Geht man weiter talaufwärts bis die Teer­ straße zu Ende ist, dann kommt auf der rech­ ten Seite der Schnabelshof. Bei diesem Hof führt links ein Feldweg ziemlich steil zu einer Anhöhe hinauf, die man Schnabelseck nennt. Unter diesem Namen ist diese Anhöhe, die 1018 m ü. M. liegt, auch in den Wanderkarten eingetragen; denn hier führen am Waldrand mehrere Wanderwege vorbei, so der Höhenzugangs­ weg, auf dem man von Furtwangen aus sowohl nach Vöhrenbach wie auch nach Urach gelangen kann. Dort, wo der Weg vom Schnabelstal her­ auf auf diese Anhöhe gelangt und wo sich dann die beiden Wanderwege, der nach Vöh­ renbach und der nach Urach, gabeln, steht das Schnabelskreuz. Von dieser Stelle aus hat man einen schönen Blick auf das Schna­ belstal und den Schnabelshof. Das schlichte Kreuz, das hier errichtet ist, grüßt weithin ins Tal. Bei der Betrachtung des Kreuzes fällt nichts Außergewöhnliches auf: das Kreuz endet oben bei den Q!ierbalken spitz zulau­ fend. Auch der Korpus, der aus Metall ist, ist schlicht gestaltet. Er trägt einen Lenden­ schurz, der rechts verknotet ist. Auch hier befindet sich über dem Korpus am Längsbal­ ken die Kreuzesinschrift IN R I auf einer höl­ zernen Tafel. Da das Kreuz an einer exponierten Lage errichtet ist, ist es Wind und Wetter ausge­ setzt. Diese Tatsache führte dazu, daß sich das Kreuz allmählich in einem schlechten Zustand befand. Auch war es aufgrund der Wegführung schwierig, mit einem Lang­ holzfuhrwerk ins Tal herab zu gelangen, ohne daß man am Kreuz streifte. Auch dadurch ist das Kreuz schon beschädigt wor­ den. Auf Initiative von Prof. Dr. Aßbeck von der Fachhochschule Furtwangen und unter Zustimmung des Schnabelshofbauern Klaus Kuß entschloß man sich schließlich, das Kreuz zu restaurieren. Durch die Zusammenarbeit verschiede­ ner Furtwanger Bürger entstand so ein voll- Kreuz im Schnabelstal bei Haus Nr. 3 wird oft auch an seine Mutter Maria gedacht, die bei seinem Kreuz stand. Dies wird bei Wegkreuzen oft dadurch zum Ausdruck gebracht, daß am Kreuzesstamm unterhalb des Gekreuzigten in einer Nische eine Marienfigur aufgestellt ist. So ist auch hier im mittleren Teil des Stammes eine Nische mit einer Marienfigur zu sehen, die zu einem Gruß an die Gottesmutter einlädt. Leider ist die Farbe am Korpus bereits stark abgeblättert, so daß das Kreuz renovie­ rungsbedürftig ist. Denn es sollte durchaus darauf geachtet werden, daß solche Denk­ mäler der Volkskunst und Volksfrömmig­ keit, die unsere Vorfahren aus ihrem Glau­ ben heraus errichtet haben, nicht verfallen und dann verschwinden. Auch dieses Kreuz ist wie alle Kreuze im Schnabelstal Ausdruck des Glaubens an den Gekreuzigten, verbunden mit der Bitte um Segen und Schutz für Flur, Mensch und Vieh. 262

Das Schnabelskreuz vor der Renovierung 1991. Blick zum Schnabelbauernhof und ins Schna­ belstal kommen neues Schnabelskreuz: Herbert Bliestle hat das Holz für das Kreuz besorgt und das Kreuz geschaffen. Den Korpus restaurierte Jürgen Wentworth, der auch die Fundamente anfertigte. Die Erdarbeiten und die Einbetonierung des Kreuzes führte Gün­ ter Maier durch. In der Gestaltung des Kreuzesstammes wurden gegenüber dem alten Kreuz kleine Änderungen angebracht: Die Befestigung im Boden ist durch zwei Eisenträger, an denen der Kreuzesstamm festgeschraubt ist, sehr massiv; auch die Kan­ ten des Kreuzes sind durch das Anbringen kleiner Rillen etwas abgeflacht. Der Standort wurde so gewählt, daß das Kreuz durch ein Langholzfuhrwerk nicht mehr beschädigt werden kann. Am 25. 9.1991 konnte schließlich das neu Das renovierte Schnabelskreuz errichtete Kreuz wieder geweiht werden. Die Weihe, an der die Schnalbelshofbäuerin Frau Kuß und ihre Tochter sowie eine kleine Gemeinde und auch die Arbeiter teilnah­ men, nahm Pater Link vom Don-Bosco­ Heim Furtwangen vor. In einer schlichten, aber sehr würdigen Feier wurde dabei an die Bedeutung des Kreuzes für unser Leben erin­ nert. Man kann sagen, daß durch dieses Ge­ meinschaftswerk mehrerer Bürger dieses Wegkreuz vor dem Verfall gerettet wurde. Es grüßt so wieder den Wanderer aus nah und fern. Hans Hieb) 263

Denkmalpflege, Ortssanierung Das Hüfinger Rathaus Ein gelungenes Werk Am 22.123. 2.1992 wurde das neuerbaute Hüfinger Rathaus in einer Feierstunde offi­ ziell seiner Bestimmung übergeben. Ein Bauwerk, das nach über 3jähriger Bauzeit fer­ tiggestellt wurde und einschließlich Einrich­ tung, Inventar und Kunst am Bau rund 8,5 Mio. DM kostete. Durch eine modellhafte Altstadtsanie­ rung, initiiert von Altbürgermeister Gilly, wurden in der inzwischen 6800 Einwohner zählenden Bregstadt Hüfingen die Voraus­ setzungen für höhere städtebauliche An­ sprüche geschaffen. Die bauliche Substanz und das Raumprogramm des alten Rathau­ ses waren nicht mehr zeitgemäß. Deshalb ließ sich der Gemeinderat 1986 davon über­ zeugen, daß neu gebaut und ein öffentlicher Wettbewerb für das Rathaus ausgeschrieben werden müsse. 42 Arbeiten wurden von verschiede.nen Architekten abgegeben. Aus dem Wettbe­ werb ging das Architekturbüro Harter & Kanzler aus Haslach im Kinzigtal als Sieger hervor. Im Juli 1987 .erteilte das .Landratsamt des Schwarzwald-Baar-Kreises die Baugenehmi­ gung. Mit Fertigstellung des Rohbaus im Spätsommer 1988 konnte das Richtfest gefei­ ert werden. Den Richtspruch sprach Lukas Riedlinger, ein weit über die Stadt hinaus angesehener Kommunalpolitiker und selb­ ständiger Zimmermann (vgl. Almanach 1991, Seite 132 f). Nun galt es, dem Bau eine „Seele“ zu 264

geben. Zwischenzeitlich war Bürgermeister­ wahl. Auf dem Chefsessel im Rathaus hatte nun Bürgermeister Anton Knapp die Verant­ wortung für Innenausbau und Gestaltung übernommen. Der Rathausneubau paßt sich nahtlos in die alte Umgebung ein. Trotz seiner neuen, modernen Elemente wirkt er vertraut. Das liegt daran, daß im Neubau Strukturen des früheren Rathauses aufgegriffen wurden. Innen jedoch ist das Verwaltungsgebäude gekennzeichnet durch Transparenz, Klarheit und praktische Eleganz. Das Gebäude präsentiert sich in hellen Farben, in einer zeitlosen Architektur. Es wurde viel Glas verwendet. An der vorderen und rückwärtigen Front des Gebäudes ebenso, wie zwischen den einzelnen Büros, deren Trennwände im oberen Teil aus Glas­ flächen bestehen und dadurch viel Licht in die Räume bringen. Das Treppenhaus ist offen aus Stahlträgern und hellem Holz, es gestattet genügend „Durchblicke“, z.B. zum Hüfinger „Baptistle“, auf dem Platz hinter dem Rathaus, aber auch nach vorne zur 265

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Hauptstraße hin, zum achteckigen, restau­ rierten Stadtbrunnen. Auch der Aufzug ist mit Glas verkleidet. Der Benutzer erlebt somit das Gebäude. Im Dachgeschoß konnte das gesamte alte Gebälk des Dachstuhls erhalten werden. Es ist sichtbar und gibt dem darunterliegenden Saal eine besondere Note und Atmosphäre. In diesem Saal fand auch die offizielle Ein­ weihungsfeier statt. Auf einer Gesamtfläche von 2436 Q!ia­ dratmetern, von denen 630 auf das alte, sanierte Rathaus, 1565 auf das neue Rathaus und 240 auf die im Erdgeschoß unterge­ brachten Dienst- und Schalterräume der Post entfallen, sind die Räume der Hüfinger Verwaltung untergebracht. In über 25 Büro­ räumen findet sich nun genügend Platz. Der durchgehende Stil, die konsequente Bauphilosophie und Materialstruktur sind zusammen mit den Architekten ein Ver­ dienst des Bürgermeisters und seines Ge­ meinderates. Beim immer sehr ausführlich diskutierten Planungsfortgang konnte sich 268 jedoch trotz unterschiedlicher Geschmacks­ richtungen letzten Endes immer die einheit­ liche architektonische Linie durchsetzen. Änderungen, die das Gesamtbild gestört hät­ ten, konnten so vermieden werden. Im Sitzungssaal, in einigen Büros und an den Wänden der Gänge schmücken Bilder des in Fürstenberg lebenden bekannten Kunstmalers Emil Kiess das Rathaus. Der Gemeinderat beschloß diese zu erwerben, da die Gemälde sich hervorragend in das Gesamtbild integrieren und nicht mehr weg­ zudenken sind. Es scheint, sie seien allein für das Rathaus geschaffen worden. Viel Lob gab es bei der offiziellen Rat­ hauseinweihung auch von den zahlreich erschienenen Ehrengästen. Bürgermeister Knapp würdigte das Hüfinger Rathaus als ein gutes Beispiel moderner, auf alten Werten aufbauender Architektur. Es setzte einen unübersehbaren, positiven, städtebaulichen Akzent. Im Inneren überwiege nüchterne und sachliche Zweckmäßigkeit, in seiner erlebbaren Atmosphäre, die ohne ü herzogen

zu sein, auch dem Anspruch eines repräsen­ tativen Gebäudes gerecht würde. Das neue Hüfinger Rathaus sei, so der Hausherr, sicherlich auch ein Aushängeschild, auf das die Stadt Hüfingen und ihre Bürger stolz sein dürfen. Die Richtigkeit dieser Worte bestätigte sich schon bald. Der Rathausneubau der Stadt Hüfingen erhielt Ende des Jahres 1991 von der Architektenkammer Baden-Würt­ temberg eine viel beachtete Auszeichnung. Wilhelm Butschle Zur Restaurierung der Kirchdorfer Martinskirche Nach dreizehnjährigen Restaurierungsar- führt hat. Sie wurden ergänzt von den Beob- achtungen der Restauratoren Ernst Lorch und Rüdiger Rotermund sowie den vielen archivalischen Hinweisen, die Friedrich Itta aus Kirchdorf aus den Pfarrbüchern beisteu- erte. Diese Kenntnisse bestimmen das heu- tige Bild der Martinskirche und begründen ihren Wert als wichtiges alamannisches beiten wurde die Kirchdorfer Martinskirche am 15. September 1991 wieder eingeweiht (Abb. 1/2). In unserer kurzlebigen Zeit ist dies eine lange Zeit, in der rund 2000 Jahre alten Geschichte dieses Platzes und seiner Kirche aber nur ein Augenblick. Auch fällt es uns schwer, einen solchen Zeitraum zu über- schauen. Das Alte ist uns fremd geworden Geschichtszeugnis (Abb. 3). und muß in seiner Eigenart aufs neue erkannt werden. Diesem Zweck dienten die Untersuchungen, die der Verfasser als Bau- forscher in den Jahren 1978-1982 durchge- Wie vielen Kirchen in Süddeutschland geht auch der Martinskirche ein Siedlungs- platz der Römer voraus. Dies ist durch Zie- gel, Mörtelreste und eine Münze des Kaisers Abb. 1: Kirchdorf, St. Martin vor der Restaurierung 1984 270

Abb. 2: Kirchdorf, St. Martin nach der Restaurierung 1991 Nerva (96/98 n. Chr.) belegt. Die Fund­ stücke gehören wahrscheinlich zu einem Gutshof oder einer Straßenstation im Umfeld der Kirche. Heute können sie zusammen mit weiteren Funden aus der Kir­ che im Heimatmuseum Überauchen besich­ tigt werden. Der römischen· Ansiedlung folgt ein Begräbnisplatz der Alamannen. In einem zentralen Grab finden sich zahlreiche Beiga­ ben, Lanze, Schildbuckel, Spatha (Lang­ schwert) und Sax (Dolch), die den Toten als einen alamannischen Adeligen ausweisen. Aus weiteren umliegenden Erdgräbern kom­ men eine bronzene Schmuckscheibe, ein sil­ berner Beschlag mit Tierornament und meh­ rere Bruchstücke von Knochenkämmen, die alle dem 6./7.Jahrhundert zuzurechnen sind. Wahrscheinlich handelt es sich um die Gräber einer Familie aus dem alamanni­ schen Ortsadel, die bei der Landnahme den alten, römischen Siedlungsplatz übernom­ men hat. Nach einigen Generationen nimmt sie den christlichen Glauben an, wie aus dem aufgefundenen Bruchstück eines Silberkreu­ zes hervorgeht, und errichtet in der Nordost­ ecke des heutigen Kirchenschiffs eine kleine Grabkapelle, die dem 8.Jahrhundert zuzu­ ordnen ist (Periode I). Die kleine Grabkapelle wird schon bald durch eine große Saalkirche mit Vorhalle ersetzt und ist nach Bautyp und Mauertech­ nik dem 8./9.Jahrhundert zuzuschreiben (Periode II). Diese größere Kirche . hängt wohl mit dem Vordringen der Franken und der von ihnen geförderten Volksmission zusammen, die Versammlungsräume benö­ tigt. Auf diesen Zusammenhang verweisen insbesondere das Patrozinium des St. Mar­ tin, des fränkischen Hausheiligen, und meh­ rere zeitgleiche Stiftungsurkunden an das Kloster St. Gallen, einem damaligen Zen­ trum der iro-schottischen Mission, dem Kirchdorf über Jahrhunderte verbunden bleibt. In einer Ausbauphase, wahrschein­ lich um 1000, wird an das Kirchenschiff 271

, ‚ ‚ ‚ ‚ / ,.,. V. r. ll. lll. / ( ‚ ‚ ‚ ‚ ‚ / ‚/ IV. Abb. 3: Bauphasen der Martinskirche: I (8. Jh.); II (8.-9. jh.); III (um 1000); IV (um 1200); V (17.jh.); VI (um 1715); VII (1819) 272

gegen Osten em Rechteckchor angebaut (Periode III). Mit einem Neubau über den Fundamen­ ten der fränkischen Gemeindekirche und dem ursprünglich freistehenden Turm schafft St. Gallen um 1200 das bis heute bestehende kirchliche Wahrzeichen des Brigachtales (Periode IV). Einen Eindruck von der damaligen Pracht dieses Bauwerks vermittelt die durch die Renovierung freige­ legte Vorhalle. Großformatige und sorgfältig bearbeitete Kalksteinquader für Wände, Türen und Treppe prägen den Raum. An der Nordwand hat sich die ursprünglich die Innenwände bedeckende Malerei in einer geschlossenen Fläche erhalten. In den bei­ den Figuren sieht die Freiburger Kunsthisto­ rikerin Dagmar Zimdars eine Opferszene Abb. 4: Vorhalle der hochromanischen Martinskirche (um 1200): 1 Reste der Westwand; 2 Nordwand mit Wandmalerei; 3 Deckenabschluß mit Mäanderfries; 4 ursprünglich effener Nordeingang; 5 Zwi­ schenwand Vorhalle/Kirchenschiff mit Treppenanlage und Türschwelle; 6 jüngere Wandmalerei (1616/17); 7 jüngeres Rundbogenfenster (18.]h.). 273

Abb. 5: Freigelegte romanische Vorhalle nach der Restaurierung 1991 (Kain und Abel?). Diese ursprüngliche Raumfassung wird im weiteren Verlauf des Mittelalters durch große Spitzbogenfenster und neue Farbfassungen den gotischen Formvorstellungen angepaßt (Abb. 4/5). Die neuzeitlichen Veränderungen begin­ nen in der Martinsk.irche mit dem Umbau des Innenraumes im 17.Jahrhundert (Peri­ ode V). Die tieferliegende Vorhalle wird auf­ gefüllt und nach Abbruch der Zwischen­ wand mit dem Kirchenschiff zu einer großen Halle vereinigt. Dazu gehören eine neue dreizonige Ausmalung, unter der Decke ein Totentanz-Zyklus, zwischen den Fenstern Apostel, denen Sätze des Credo zugeordnet sind, und darunter mehrere Bildtafeln mit Szenen aus der Heilsgeschichte. Laut Inschrift sind sie 1616/17 entstanden und erst jetzt, nach Jahrhunderten durch die Restau­ rierung wieder sichtbar gemacht worden (Abb. 6). 274 Mit dem Neubau von Chor und Sakristei, anstelle des alten romanischen Rechteck­ chors, und dem Einbruch neuer großer Rundbogenfenster erhält der Baukörper nach 1700 sein heutiges Erscheinungsbild (Periode VI). Im Innenraum wird die Wand­ malerei von 1616/17 mit einer weißen Kalk­ schlämme überstrichen. In dem nüchternen Raum setzt die teilweise bis heute erhaltene Ausstattung mit Empore, Beichtstühlen und Kanzel sowie den Altären und Skulpturen neue Schwerpunkte. Abb. 6 (rechts): Nördliche Innenwand der Mar­ tinskirche vor der Restaurierung 1984: 1 Rest des romanischen Fenstergewände (um 1200); 2 Go­ tisches Spitzbogenfenster; 3 Renaissance-Rund­ fenster (1616/17); Wandmalerei von 1616/17: 4 Bildfeld mit Sündenfall; 5 Aposteljudas Thad­ däus mit Keule und Matthias mit Beil; 6 Toten­ tanzsune mit Tod und Wucherer.

Mit einer Verlängerung des Kirchen­ schiffs nach Westen wird die Martinskirche 1819 der wachsenden Gemeinde angepaßt (Periode VII). Die Entwicklung des Baukör­ pers ist damit abgeschlossen und die kom­ menden Generationen beschränken sich auf Renovierungen im jeweiligen Zeit­ geschmack. Gleichzeitig erhält der Innen­ raum eine neue, zurückhaltendere farbliche Raumfassung in gelblichem Ton, wie sie den damaligen klassizistischen Vorstellungen entspricht. Eine umfassende Renovierung der Grün­ derzeit wird 1906 abgeschlossen. In ihr lebt das Mittelalter wieder auf. Am Baukörper werden „Eckquadersteine“ in Putz nachge­ bildet. Und der Turm erhält neue Fensterfas­ sungen und Staffelzinnen in mittelalterli­ cher Form aus auffälligem roten Sandstein. Ebenfalls nach mittelalterlichem Vorbild werden die Wände und die Decke farben- prächtig gefaßt. Die Motive aber kommen nicht mehr aus der Heilsgeschichte, sondern zeigen mit aufgemalten Steinquadern und Blumengirlanden Elemente der Natur. Die heute noch bestehenden bunten Glasfenster werden eingebaut und mit den barocken Seitenaltären sowie dem neuen Hauptaltar von 1906 in ein Farbkonzept eingebunden (Abb. 7). Die nächste Renovierung, um 1938 durch­ geführt, macht die „Farbenpracht“ der Jahr­ hundertwende wieder rückgängig. In Anleh­ nung an die Raumfassung von 1819 werden die Innenwände erneut in einem neutralen graubeigen Ton gestrichen, der die bunten Glasfenster und Altäre dämpft. Im Chor wird in einem Deckenbild der Patron der Kir­ che zeittypisch, in kraftstrotzender Manier dargestellt. Außerdem hält ein bisher nie dagewesener Komfort seinen Einzug in die Kirche, eine Heizung (Abb. 8). Abb. 7: Innenraum von St. Martin nach Abschluß der langjährigen Renovierungsarbeiten 1906 276

Abb. 8: Innenraum von St. Martin nach der Renovierung von 1938 Ein weiterer Umbau kommt dann wieder in den 70er Jahren ins Gespräch. Chorhaus und Turm sollen als Wahrzeichen der alten Kirche erhalten bleiben. In einem zeitgemä­ ßen Kontrast dazu ist, anstelle des alten Kir­ chenschiffs, ein größerer Gemeinderaum in einer modernen zeltartigen Form geplant. Erst die mit den Baumaßnahmen verbunde­ nen Voruntersuchungen machen dann das hohe Alter des Kirchenschiffs bewußt und führen schließlich zu einem Umdenken. Die Martinskirche wird in ihrer Gesamtheit als ein erhaltungswürdiges Geschichtszeugnis anerkannt. Für die heutigen Bedürfnisse der Pfarrei aber wird mit dem Neubau der Kirche Allerheiligen ein modernes Gemeindezen­ trum errichtet. Solche tiefen baugeschichtlichen Er­ kenntnisse sind nicht mehr nur durch die genaue Beobachtung möglich, sie erfordern auch zerstörende Eingriffe, wie das Aufbre­ chen von Boden- und Putzflächen. Sie sind in diesem Umfang nur bei einem vom Abbruch bedrohten Baudenkmal gerechtfer­ tigt. Auch sind sie nur vertretbar, wenn alle Beobachtungen schriftlich und zeichnerisch 277

festgehalten und die Funde sichergestellt werden. Eine solche Dokumentation macht die Geschichte der alten Martinskirche in ihren vielfältigen Phasen wieder gegenwärtig und fördert das Verständnis für ihren Erhalt. Die Restaurierung von St. Martin erfolgt in den Jahren 1984-1991 in enger Zusammen­ arbeit des Verfassers als Konservator mit dem Architekten Hermann Hupfer aus Villingen, dem Restaurator Ernst Lorch aus Sigmarin­ gen und dem aus dem Schwarzwald stam- menden Drechsler Johannes Rieber, der in Lommedalen/Norwegen die neue Treppe und die Balustraden gefertigt hat. Das denk­ malpflegerische Konzept versucht in beson­ derem Maße den geschichtlichen Werde­ gang des Bauwerks, wie er sieh aus den Unter­ suchungen ergibt, aufzugreifen und aufzu­ zeigen (Abb. 9/10). Ein Pflegen und Konservieren der jüng­ sten Phase von 1938 scheidet danach aus. Dies ist begründet durch die Tatsache des Abb. 9: Innenraum von St. Martin nach Abschluß der Bauuntersuchung 1982 278

Abb. 10: Innenraum der Martinskirche nach Abschluß der Restaurierung 1991 Abbruchantrags und der nachfolgenden Bauuntersuchung, die einem solchen Kon­ zept sowohl die geistige als auch die mate­ rielle Grundlage entzogen hat. Auch die Rekonstruktion eines älteren Zustandes, zum Beispiel des 12.Jahrhun­ derts, würde weitere wertvolle jüngere Schichten, wie die Malerei von 1616/17, aus­ löschen. Außerdem machte sie die Kirche zu einem zwar historischen, aber weitgehend hypothetischen Anschauungsmodell, das den Lauf der Geschichte leugnet und wenig mit dem Leben der heutigen Gemeinde zu tun hätte. Nur eine Renovierung, die die Martinskir­ che kritisch fortschreibt, nimmt die histori­ sche Kontinuität ernst. Sie fügt den vorhan­ denen historischen Schichten eine weitere moderne Schicht zu, die aber in den vorher­ gehenden Phasen wurzelt und so den histo­ rischen Prozeß fortsetzt. Altes aus verschie­ denen Epochen wird deshalb in seinem Bestand nach Möglichkeit nur gepflegt und in seinem gealterten Zustand sichtbar erhal­ ten. Auch Schadhaftes wird anerkannt und mit heutigen Mitteln nur ausgebessert, ohne den alten Bestand zu gefährden. Das Feh­ lende aber wird mit neuen Elementen 279

280

ergänzt, die Vorhandenes aufgreifen und fortschreiben. Daraus ergeben sich vielfäl­ tige Überlagerungen von Alt und Neu, die in Funktion und Form, in Material und Bau­ technik die alte Martinskirche neu aufleben lassen. In ihrer Funktion dient St. Martin weiter­ hin als Gotteshaus, aber in Art und Maß wird diese Nutzung dem alten Gebäude ange­ paßt. So führt der Weg von der kleinen ala­ mannischen Grablege über die große fränki­ sche Gemeindekirche zur heutigen räumlich unterteilten Kirche für werktägliche Gottes­ dienste und religiöse Feiern zu den indivi­ duellen Lebensabschitten wie Taufe, Hoch­ zeit und Tod. Ihre neue Funktion als Geschichtszeugnis aber, die der Kirche durch die Bauuntersuchung zugewachsen ist, tritt dahinter zurück. Die freigelegten historischen Schichten machen sie nicht zum Museum. Sie verdeutlichen nur die weit zurückliegenden sakralen Wurzeln dieses Gotteshauses. Auch in ihrer Form werden die alten Schichten der Martinskirche aufgegriffen, selbst wenn sie nur noch in Bruchstücken auf uns gekommen sind. So bietet der Baukörper aus der Feme das seit 1819 bestehende geschlossene Bild. Doch in der Nähe zeich­ nen sich die Spuren seiner Geschichte in den verschiedenen Fensterausbrüchen der Nord­ seite und am Südportal ab (Abb.11/12). Auch im Innern bleibt der in Jahrhunderten gewachsene langgestreckte Kirchenraum erfaßbar, zeigt aber auch in den freigelegten Raumabschnitten seine geschichtliche Ent­ wicklung. Die wiedergeöffnete romanische Vorhalle vermittelt in ihren Mauer- und Malereiresten etwas von der Pracht und Sorgfalt des 12.Jahrhunderts. Im Kirchen- Abb. 11 (links): Nordfassade mit ursprünglichen Öffnungen: 1 Romanisches Rundbogenfenster um 1200; 2 Gotisches Spitzbogenfenster; 3 Renais­ sance-Rundfenster von 1616/17; 4 Kanzelauf gang vor 1680; 5 Baracke Rundbogenfenster um 1715. schiff wird die romanische Malerei über­ deckt von den Resten der farbenfrohen Renaissance-Malerei. Sie selbst wird überla­ gert von den Fenstern und der Ausstattung des 18. und 19.Jahrhunderts. Nur der Chor zeigt noch die jüngste Raumfassung von 1938. Diese Reste vergangener Zeiten werden nicht zu einem Gesamtkunstwerk verein­ heitlicht, sondern als Fragmente anerkannt und an den Nahtstellen zusammengebun­ den. So verdeutlichen die leichten Balustra­ den und die Treppe die Raumabschnitte, ohne den gewachsenen Gesamtraum zu unterbrechen. In den neuen durchlaufenden Plattenboden aus Marbacher Oolith ist die freigelegte romanische Vorhalle eingeschnit­ ten und der „barocke“ Sandsteinboden der Altarzone eingehängt. Mit dem modernen Kalkglättputz der Wände sind die Reste der Wandmalerei des 12. und 17.Jahrhunderts facettenartig verwoben. Und die barocke Kassettendecke überspannt in ihrer neuen graugrünen Fassung, die sich an einem Befund von 1819 orientiert, die verschiede­ nen Raumabschnitte. Die neuen Elemente, die Treppe, die Türen, Balustraden und Stühle ordnen sich den Bruchstücken aus vergangenen Zeiten unter und weisen den­ noch eigenständige Formen unserer Zeit auf (Abb.13). Selbst das Material, aus dem das Gebäude besteht, bezeugt in seinen Eigenschaften, seinem Verfall und seinen Schäden eine geschichtliche Entwicklung, mit der es zu leben gilt. An den alten Mauern, Wandmale­ reien und Ausstattungsstücken bleiben des­ halb die Spuren und Wunden einer früheren Nutzung und deren Eingriffe sichtbar und werden -soweit möglich-gepflegt. Nur ver­ fallene Teile werden durch neues Material ergänzt, das aber in seinen Werkstoffeigen­ schaften und seinem Alterungsverhalten, weniger in seiner Oberfläche, dem alten glei­ chen muß. So werden in die alte Vorhallen­ wand aus Marbach er Oolith neue Steine der­ selben Lage aus dem Klengener Steinbruch eingefügt, obwohl sich diese von den alten durchgeglühten Q!iadern in Struktur und 281

Abb. 13: Freigelegte romanische Vorhalle mit moderner Emporentreppe und Balustraden; Trep­ penpodest aus Marbacher Oolith, Treppenaufbau aus schichtverleimten und gewachsten Eichenholz Farbe unterscheiden. Auch moderne Bau­ stoffe werden eingesetzt. Sie müssen aber altern können und sich pflegen lassen, so daß sie sich in den baugeschichtlichen Pro­ zeß einfügen. Das wird an den Fassaden mit dem Außenputz in Kalle und den verzinkten Eisenteilen erreicht. Sie patinieren leicht und lassen sich durch Anstriche erhalten. Auch die Einbauten aus Eiche und Buche haben gewachste Oberflächen, die durch Pflege angenehm altem (Abb.14/15). Abb. 12 {links}: Romanisches Südportal nach der Freilegung mit ergänzten Steinquadern und modernem Türeinbau von 1991; darüber ver­ mauertes Portal des 17.Jahrhunderts Abb. 14: Emporentreppe mit Austritt auf die Empore und Rückblick in die Vorhalle 283

Abb.15: Freigelegter Treppenaufgang in den Kirchenraum; Romanische Türschwelle mit eingearbeiteten Türangeln und modernen Steinergänzungen Ebenso gilt es die Bautechnik des alten Bauwerks mit ihren Eigenarten und ihren handwerklichen Bearbeitungsspuren zu be­ wahren. Dies bedeutet, sich mit ihrer gegebe­ nen und eventuell reduzierten Leistungsfä­ higkeit abzufinden. Neue Anforderungen werden durch zusätzliche moderne Bauglie- Abb.16: Südwand auf der Empore nach der Frei­ legung 1984 der, möglichst ohne Eingriffe in das Alte, gelöst. So fehlt im alten Mauerwerk eine Sperrschicht gegen aufsteigende Feuchtig­ keit, die wird jetzt ohne Eingriffe in die Mau­ ersubstanz allein durch eine Drainage, eine geeignete Bepflanzung des Mauerfußes und den neuen Kalkputz abgeführt. Auch die überhängende Nordwand, die durch zu schnelles Aufmauern im 12.Jahrhundert bedingt ist, kann nach einer kurzfristigen Sicherung während der Bauzeit erhalten wer­ den. Und im Dachstuhl genügt es, die geschädigten Holzteile durch zusätzliche Teile zimmermannsmäßig zu verstärken. Ebenso bleiben in der Vorhalle am romani­ schen Mauerwerk die Bearbeitungsspuren mit dem Steinbeil weiterhin sichtbar. Die ergänzenden neuen Quader aber setzen sich bewußt davon ab und sind, wie heute üb­ lich, gesägt und sandgestrahlt. Konsequent besteht auch der neue Steinboden aus 284

Kirchengemeinde wider. Dazu gehören die Kanzel und Seitenaltäre des 18.Jahrhunderts und der Hochaltar von 1906, aber auch die Statue des St. Martin aus dem 16.Jahrhun­ dert auf dem linken Seitenaltar sowie die zahlreichen Skulpturen der nachfolgenden Jahrhunderte. Diese Ausstattung hat der Restaurator dokumentiert und wie die Wandmalerei in ihrem „Ist-Zustand“ restau­ riert. Ihre Aufstellung folgt alten Photogra­ phien und steigert sich dem angestrebten Ordnungskonzept folgend vom Westein­ gang zum Chor mit seiner Altargruppe. Dort wird dann auch der neue Zelebrationsaltar mit Ambo seinen Platz finden (Abb.16/17). Die Bauausführung dieses vielschichtigen und denkmalverträglichen Konzeptes ist mehreren günstigen Umständen zu verdan­ ken. Das Restaurierungskonzept wird von einer genauen Kenntnis des Gebäudes getra­ gen, die sich aus der baugeschichtlichen Analyse ergibt. Der langsame Baufortschritt ermöglicht es, die Detailfragen und ihre Lösungen am Bauwerk selbst, Schritt für Schritt, zu erarbeiten. Die Voraussetzung dafür schafft der gleichzeitige Bau der neuen Pfarrkirche. Dadurch erst wird die Gemeinde in die Lage versetzt, für diese langwierige Arbeit Verständnis aufzubringen. Dazu kommt eine jahrelange vertrauensvolle Zusammenarbeit von Kirchengemeinde, Erzbischöflichem Ordinariat, Landesdenk­ malamt, Architekturbüro und Restaurator mit den vielen einheimischen Handwerkern, die alle mit Begeisterung daran mitgewirkt haben. Hannes Eckert Quelle: Hannes Eckert / Friedrich Itta / Rüdiger Rotermund / Dagmar Zimdars, Zur Bau­ und Kunstgeschichte von St. Martin, in: Pfarrgemeinde Brigachtal (Hg.), Fest­ schrift zur Wiedereröffnung der Kirche St. Martin, Villingen 1991, S.1–67. 285 Abb. 17: Südwand auf der Empore nach der Restaurierung des freigelegten Rundfansters und der Wandmalerei von 1616117: Totentanzszene mit Krüppel; Kopf des Apostels Philippus mit Credo-Artikel „(von) dann(en) er kommen wirdt Zu Rich(ten) ( die) Lebendig(e)n und die todten „; Rundfanster mit Rankenfassung; Jüngere Raum­ fassungvor 1700: Rundfanster mit Fruchtgehänge und Putto unter der Decke; Fenstervermauerung im 18.jahrhundert; Hacklöcher aus dem 19. Jahrhundert mit moderner Kalkmörte!füllung; Moderner Wandüberzug in Kalkglätte. genormten und modern bearbeiteten Plat­ ten, die aber zu einem lebendigen Teppich zusammengesetzt sind. Und in der neuen Treppe, den Balustraden und Stühlen ver­ bindet sich die Tradition der Schwarzwälder Drechselkunst mit dem modernen Verfah­ ren der Schichtverleimung. Unter der Ausstattung finden sich eben­ falls Altäre und Skulpturen aus den verschie­ densten Stilepochen und spiegeln sehr anschaulich das wechselnde Leben der

Die Villa Grüninger im Stadtbezirk Villingen Die Jugendstilvilla erstrahlt in neuem Glanz Die Villa Grüninger in der Güterbahnhofstraße 3 im Stadtbezirk Villingen ist.für die Villinger ein bekanntes Haus. Mit der Glockengiefserdynastie der Grüninger ist es aufs engste verbunden. Der Glok­ kensachverständige des Erzbistums Freiburg, Kurt Kramer, hat in dieser Ausgabe des Almanach, Seite 241 ff., die Entwicklung der Glockengiefserei Grüninger nachgezeichnet. In den nachfolgenden Ausfüh­ rungen soll die Renovierung des Gebäudes, das unter Denkmalschutz steht,festgehalten werden. Die Villa Grüninger wurde im Jahre 1989 von den Eheleuten Horst und Edeltraud Scherzinger erworben. Eigentümer war damals der Schwarzwald-Baar-Kreis. ,,Ein Glück, daß wir die Villa nicht abreißen lie­ ßen“ erklärt gelegentlich der Landrat, wenn das Gespräch auf die Villa Grüninger kommt. Horst Scherzinger, der sich in Lahr zum Restaurator im Malerhandwerk ausbilden ließ, kam mehr durch Zufall an die Villa. Bei einem Spaziergang wurden er und seine Frau auf das Haus aufmerksam und fingen Feuer. „Hier stellte sich uns eine lohnende und anspruchsvolle Aufgabe“, erinnern sich die neuen Besitzer. Im Herbst 1989 wurde mit der Sanierung begonnen. Rund um das Gebäude mußte das Haus bis unter die Fundamente ausgegra­ ben werden. Weil die Mauern sehr naß waren, mußte eine Drainage gelegt werden. Die Arbeit an dem Gebäude erwies sich als sehr schwierig: – Der Hauseingang wurde unter Verwen­ dung der alten Maße entfernt und neu gesetzt. – Sämtliche alte Leitungen (Gas, Wasser, Strom) mußten entfernt und neu gelegt werden. – Das Haus mußte dreimal umgerüstet wer­ den. Einmal für die Natur- und Sandstein­ arbeiten. Die Natur- und Sandsteine wurden am ganzen Haus gereinigt, mit Kieselsäureester in mehreren Arbeitsgän­ gen gefestigt und mit Natursteinersatz ergänzt. – Ein anderes Mal wurde das Gerüst für die Reparatur des Naturschieferdaches und 286 Hauswappen die neuen Ablaufrohre umgesetzt. Das Naturschieferdach ist noch das Original aus dem Jahre 1899. Es wurde vorläufig nur ausgebessert, steht aber in einigen Jah­ ren zu einer Restauration an. Die heutigen Umwelteinflüsse verursachen immer schnellere und größere Schäden. Ein Naturschieferdach mit den verspielten Türmchen ist nicht ganz einfach zu dek­ ken, weil es nur noch wenige Dachdecker gibt, die diese diffizile Arbeit beherr­ schen. Die Kuppeln für die Türmchen

A Ostseite nach der Scheinarchitekturmalerei Südseite nach der Restauration l‘ 287

Hinweis auf den Erbauer Benjamin Crüninger haben zum Teil gefehlt oder waren undicht. Sie wurden in Handarbeit wie­ derhergestellt und mit 24 Karat Gold­ auflage versehen. Viele Holzteile an den Wehrtürmchen mußten nachgeschnitzt werden, weil sie durch die Umweltein­ flüsse abgefault waren. – Viel Aufwand verursachte auch die Re­ konstruktion und Restauration der ur­ sprünglichen Fassadenmalereien an der Süd- und Nordseite. Die Ostseite als frü­ here Rückseite des Hauses war nicht zu sehen; das Haus war deshalb nur verputzt und gestrichen worden. Wenn man heute vom Sitzungssaal des Landratsamtes auf die Ostseite der Villa Grüninger blickt, merkt man an der Außenfassade keine großen Unterschiede mehr. Es wurde vom Eigentümer eine Scheinarchitektur­ malerei ausgeführt, die sich gut an die drei anderen Seiten des Hauses anpaßt. Nicht nur außen, auch innen erwartete den Restaurator eine Menge Arbeit. Der Stuck an den Decken war in jedem Zim­ mer abgebrochen und oft überhaupt nicht mehr vorhanden. Wie ein Stukka­ teur‘ wurde nachgeformt, restauriert und ergänzt. Eine unvorstellbare Arbeit, wenn man weiß, wie schwer Stucknaturgips an Decken ist. – Auf jedem der drei Stockwerke wurde eine Etagenheizung eingebaut. Die Löcher, die für die Leitungen hineingeschlagen werden mußten, wurden wieder zugegipst. 288

Jugendstilornament an der Südseite nach der Restaurierung – Auch die Terrazzoböden wurden mit erheblichem Aufwand von einem Terraz­ zomeister aus Rottenburg abgeschliffen. Parkettböden mußten ganz herausge­ nommen werden, weil der Boden schief war und an der Süd- und Westseite stark aufgefüllt werden mußte. Die Panelen wurden einzeln herausgenommen, gesäu­ bert und für die Neuverlegung numeriert. Einige Wochen Arbeit für den Schreiner! – Alle alten Türen wurden gerichtet und restauriert. Weil das Haus früher von Tip­ pelbrüdern und Einbrechern, auch von Jugendlichen aus der Umgebung oft heimgesucht wurde, entstand an den Türen großer Schaden. Die Türen waren aufgebrochen und oft durch Feuer ver- sengt oder verkohlt und die Türschlösser waren herausgerissen. Nun erstrahlt alles Holz grau seidenmatt gestrichen, schöner vielleicht als früher. Im Treppenhaus wurden die alten Eichen­ tritte abgeschliffen, gerichtet und gelackt. Seine Wände wurden nach alten Vorlagen zum Teil mit Bordüren schabloniert und in Wickeltechnik wiederhergestellt. Insgesamt wurden in Eigenarbeit ca. 9 .500 bis 10.000 Stunden aufgebracht. Sie haben sich gelohnt! Das Haus ist so geworden, wie wir es haben wollten. Ohne Idealismus hät­ ten wir uns dieser zeitraubenden und auf­ wendigen Arbeit nicht annehmen können. Horst und Edeltraud Scherzinger 289

Museen Ein neues Museum im Schwarzwald-Baar-Kreis Das Uhren-Industriemuseum in Schwenningen An historischem Ort – in der ältesten Uhrenfabrik Württembergs -wird ein neues Museum entstehen, das sich im Reigen der Uhrenmuseen des Schwarzwaldes einer jün­ geren Epoche und vor allem ganz anderen Museumsgegenständen widmen wird: den Maschinen und Werkzeugen aus der indu­ striellen Uhrenproduktion vorwiegend des frühen 20. Jahrhunderts. Die Uhrenindustrie hat die Geschichte, das Leben und damit das Stadtbild Schwen­ ningens wie auch vieler anderer Orte der mittleren Schwarzwaldregion stark beein­ flußt. Schon in der Hauptphase der sog. ‚Uhrenkrise‘ in den 70er Jahren, als immer mehr Fabriken mechanischer Uhren die Pforten schlossen, hat es deshalb erste Initia­ tiven zur Einrichtung eines Museums oder wenigstens einer Museumsabteilung zu die­ sem Industriezweig gegeben. Doch erst jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ‚alles‘ zusammenpaßt: Die Räumlichkeiten sind vorhanden, Museumsgegenstände sind ge­ sammelt, Geld für eine Museumseinrich­ tung ist in Aussicht gestellt und es haben sich eine ganze Reihe von Leuten und Institutio­ nen bereit- und zusammengefunden dieses Projekt tatkräftig umzusetzen. Am 30. Januar 1992 war die Gründungsversammlung des Trägervereines „Uhrenindustriemuseum Vil­ lingen-Schwenningen“. Oberbürgermeister Dr. Gebauer repräsentierte die Stadt, die das Projekt zu einem guten Teil finanziert, und wurde zum ersten Vorstand des Vereines gewählt. Landrat Dr. Gutknecht sichert durch seine Vorstandsmitgliedschaft im Ver­ ein die Unterstützung des Projektes von sei­ ten des Schwarzwald-Baar-Kreises. Schon mehrere Jahre war und ist der „Förderkreis lebendiges Uhren-Industriemuseum e. V.“ 290 Die „ Württembergische“ im fahr 1968 aktiv, dessen erklärtes Ziel die Einrichtung eines solchen Museums ist und durch dessen Sammlungs- und Rettungsaktionen der Grundstock der Museumssammlung bislang aufgebaut wurde. Aus eigener Finanzkraft dieses über 100 Mitglieder zählenden Ver­ eines kann allerdings ein solches Projekt nicht bewältigt werden. Deshalb mußten vom Förderkreis zunächst die ‚Stadt‘ und der ‚Landkreis‘ aber auch zahlreiche Sponsoren aus der ‚freien Wirtschaft‘ -wie z.B. der Ver­ band der Uhrenindustrie und die IHK – gewonnen werden. Zuschüsse vom Land Baden-Württemberg für ein solches Unter-

nehmen können ebenfalls erwartet werden. Ein spezielles, dem langsamen Entstehungs­ prozeß des Museums angepaßtes Kultur­ sponsoringkonzept wurde dabei von der fin­ digen Vorstandschaft des Förderkreises ent­ wickelt, dieses bindet die Geldgeber aus der Industrie durch Patronatschaftsverträge über mehrere Jahre an das Projekt an. Mit jähr­ lichen Einzelbeträgen können sie so das Pro­ jekt auf die sinnvollste Weise fördern. Eine wissenschaftlich fundierte Rahmen­ konzeption, in der die thematisch-museale Umsetzung der Museumsideen in die Muse­ umsräume vorgedacht war, lag ebenfalls schon zum Zeitpunkt der Vereinsgründung vor. Die Kultur- und Museumswissenschaft­ ler der Dusslinger Forschungsgruppe Kul­ turgeschichte und Sachgut (Fokus) hatten bereits im Auftrag und in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung Villingen-Schwen- ningen, den ehrenamtlichen Förderkreismit­ gliedern und dem Leiter des Schwenninger Archivs und Heimatmuseums, Dr. Reinartz, eine erste Kostenschätzung des Projektes wie auch die räumliche Umsetzung der inhaltli­ chen Ideen formuliert. Sie sollen auch wei­ terhin die Realisierung planen und betreuen. Auf über 500 Quadratmetern Ausstel­ lungsfläche wird das Hauptthema, die indu­ strielle Fertigung von Uhren, vorgestellt wer­ den. Die künftigen Besucherinnen und Besucher des Museums sollen bei einem Gang durch das Museum einen Einblick erhalten, wie im ‚Zeitalter der mechanischen Uhr‘ eine Uhrenfabrik funktionierte, wie die Arbeitsplätze damals dort aussahen. Ja, an verschiedenen im Museum aufgebauten historischen Fabrikarbeitsplätzen soll rich­ tiggehend ein mechanischer Wecker – in einer sehr kleinen Stückzahl allerdings -pro- Blick in die Fertigung (Metallverarbeitung) der Württembergischen Uhrenfabrik um 1900 291

duziert werden. Einige Arbeitsschritte dieses Herstellungsablaufes, der in einer Uhrenfa­ brik in über hundert Einzelprozesse aufge­ teilt war, werden im Museum mit Hilfe der ehrenamtlichen Kräfte des Förderkreises und einem hauptamtlichen Museumstech­ niker dem Publikum richtiggehend vorge­ führt werden, so daß sozusagen ein hautna­ her Eindruck von der Arbeit unserer Vorvä­ ter und -mütter in solchen Produktionsräu­ men entstehen kann. Ganz auf dem Niveau der heutigen Museumspräsentation sollen neben den personalen Vorführungen, die professionell museumspädagogisch betreut werden, auch erläuternde Bilder und Texte die technikgeschichtliche und die sozialge­ schichtliche Dimension der vorgestellten Objekte und Maschinen aufscheinen lassen. Zusammen mit diesen werkenden Ma­ schinen und Menschen wird noch eine wei­ tere Sehenswürdigkeit zu finden sein: Es gibt eine Serie von über 20 Stereofotografien, die in dreidimensionaler Illusion die reale Situa­ tion in der Schwenninger Urgos-Fabrik in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts doku­ mentieren. Die Stereofotografie selbst ist ja schon eine technikgeschichtliche Rarität. Um diese wertvollen Bilder nun, ohne ihnen Schaden zuzufügen, vielen Besuchern vor­ führen zu können, muß eigens noch ein spe­ zielles Vorführgerät entwickelt werden. Unglaublich breit ist die Palette der Pro­ dukte aus der Uhrenindustrie. Laien staunen zunächst, wenn sie ein erstes Mal mit dieser Vielfalt, die auch ‚technische Uhren‘ um­ faßt, konfrontiert werden. Die Sammlung des Uhrenindustriemuseums ist jedoch in diesem Bereich noch nicht so weit ausge­ baut, daß die Gesamtheit aus eigenen Beständen bestritten werden kann. Hier wer­ den die städtischen Museen Villingen­ Schwenningens mit Leihgaben einspringen. Die Idee ist, in einem Raum einen -auch historischen -Qierschnitt der Produktviel­ falt dieser Branche zu bieten: von der Nacht­ wächterkontrolluhr des ersten Uhrenfabri­ kanten Bürk über die Parkuhr mit Strafzettel zum ‚Kiss-kiss-Wecker‘. 292 Doch soll nicht nur gestaunt werden in diesem Museum. Ein Erlebnisraum in Form eines riesenhaft vergrößerten Weckerwerks, das die Besucher durchschreiten können, ist vorgesehen, wie auch verschiedenste Appa­ raturen und Gerätschaften, die ’sinnreich‘ die Funktionsweise einer Uhr und ihrer ein­ zelnen Elemente ‚begreifen‘ helfen. Dort darf und soll dann durchaus auch mal etwas angefaßt werden, denn die stabilen ‚Lehrmit­ tel‘ sollen dazu dienen, daß durch die sinn­ liche Erfahrung auch technische Laien den ‚Durchblick‘ in der Uhrentechnik erringen. Fabriken wurden nicht nur von den Fabrikherrn betrieben und auch nicht nur von der Arbeiterinnen und Arbeitern, bei­ den Gruppen aber soll im Museum ein Ehrenplatz eingeräumt werden. In zeitlich wechselnder Abfolge sollen Gegenstände und biografische Zeugnisse jeweils einzelner Uhrenarbeiter oder Fabrikanten ausgestellt werden. Interessante Biografien und lebens­ geschichtliche Zeugnisse stehen in Aussicht. Welche Abteilungen eine solche Fabrik insgesamt besaß, was noch an Verwaltungs­ und Distributionsbereichen dazugehörte und wie diese miteinander in Verbindung standen, woher überhaupt die Kraft, die Energie zum Betrieb eines solchen Kom­ plexes kam, das wird direkt am Fuße des gro­ ßen Schornsteins im Kesselhaus der Fabrik vorgestellt werden können. Das Fabrikgebäude der „Württembergi­ schen Uhrenfabrik“, das in seinen ersten Bauabschnitten schon in den 1860er Jahren von Johannes Bürk, dem bedeutendsten Schwenninger Uhrenfabrikanten, erbaut worden war, ist natürlich ein idealer Ort zur Ausstellung der Industriegeschichte der Region. Zugleich wird durch das Museums­ projekt auch der Erhalt eines der letzten Fabrikschornsteine Schwenningens und des Kesselhauses dieser Anlage ermöglicht, Gebäudeteile, die schwer einer anderen Nutzung zugeführt werden könnten. Durch einige Um-und Anbauten werden diese frei­ stehenden Museumsbereiche an das Fabrik­ gebäude angebunden. Die Baumaßnahmen

werden noch von der jetzigen Besitzerin, einer städtischen Wohnbaugesellschaft, durchgeführt und sollen dem Publikum einen museumsgerechten Rundgang ermög­ lichen. Allen Beteiligten des Projektes ist klar, daß nur eine kontinuierliche Weiterarbeit auch nach der Eröffnung eine solche Einrichtung auf Dauer attraktiv hält. Dies und die selbst­ kritische Erkenntnis, daß ein solches Museum immer nur Ausschnitte und Ein­ blicke in die historische Wirklichkeit zeigen kann, mündete darin, daß von Anbeginn an ein Wechselausstellungsraum eingerichtet werden wird, dessen Größe und Ausstattung auch später, wenn die Museumsprofis nicht mehr finanziert werden, noch häufig Wech­ selausstellungen zu den verschiedensten Themen um die Uhrenindustrie der Region ermöglicht. Im Verein selbst sind einige her­ ausragende Industriegeschichtsforscherin­ nen und -forscher aus der Region aktiv und das Museum kann ein Forum werden, wo die neuesten historischen Erkenntnisse ausge­ tauscht und auch einer breiten Bevölke­ rungsschicht vorgestellt werden können. Eine ganze Reihe an Ideen für Wechselaus­ stellungen wurde schon formuliert, sie reicht von der Darstellung der Fabrikarchitektur auf den Firmenbriefköpfen bis hin zur Vor­ stellung der Restaurierungsmethoden der Spezialisten aus dem Museumsförderkreis. Angestrebt wird eine Eröffnung noch im Jahr 1993. Die Fördervereinsmitglieder, die Mitarbeiter der städtischen Museen und die beauftragte Forschungsgruppe Kulturge­ schichte und Sachgut sollen zusammen die­ ses Projekt in den Räumlichkeiten der älte­ sten Uhrenfabrik Württembergs in Schwen­ ningen realisieren. Jederzeit willkommen sind dem Projekt immer noch weitere Spen­ der und Sponsoren, denn ehrgeizige Projekte sind teuer, aber man kann damit auch -und man kann dort wirkungsvoll – repräsentie- ren. Frank Lang M.A. Bartholomäus Zeitblom in den Fürstlich Fürstenbergischen Sammlungen in Donaueschingen Das Bild von Mariä Heimsuchung (Die Visitatio) Luk 1, 39.45 Wer die Kunstsammlungen der fürst­ lichen Familie der Fürstenberger in Donau­ eschingen besucht, der kann das erleben, was man eine Begegnung nennt. Hunderte von Bildern in großen Sälen und langen Gängen begrüßen den Besucher ohne Worte, doch mit stillem Leuchten. Und irgend eines der vielen Bilder, die der Gast betrachtet hat, wird ihm sicher für lange Zeit im Gedächtnis bleiben; ist es so, so hat er eine echte Begegnung erlebt, und er wird vielleicht danach trachten, diese Begegnung nach kurzer Zeit wieder von neuem zu erle­ ben. Heute wollen wir uns einem Bild zuwen­ den, das selbst eine Begegnung zum Inhalt hat. Nachdem wir den strahlenden Farb- glanz des Meisters von Meßkirch hinter uns gelassen haben, empfängt uns ein kleines Kabinett mit den Bildern von Bartholo­ mäus Zeitblom. Eines davon gehört zu den großen Kostbarkeiten der Sammlungen, es ist die Darstellung des Besuches von Maria bei ihrer Base Elisabeth, im religiösen Sprachgebrauch „Mariä Heimsuchung“ genannt. Kein dramatisches Bild spricht zu uns, sondern ein Bild, erfüllt von beredter Stille und doch voller prophetischer Kraft. · Zwei Mütter begegnen sich, die ihre im voraus angekündigten Söhne erwarten: Jesus und Johannes der Täufer, den Vorläufer J esu. Von hier erklären sich alle Sinnzusammen­ hänge des Bildes. In diesem Bild mischen 293

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sich Theologie, Heilsgeschichte, Mensch­ lichkeit und im Hintergrund auch höchste religiöse Dichtung zu einer unzertrennli­ chen Einheit zusammen. Viele solcher Heimsuchungsbilder kennt die Kunstgeschichte, und von allen hebt sich das Donaueschinger Bild ab. Zwei Frauen begegnen sich und legen in unendlicher Zartheit ihre Hände zum Gruß ineinander. Keine stürmische Umarmung wird gezeigt, sondern nur der Händedruck der beiden Frauen. Die höchste Konzentra­ tion des Bildes auf das Wesentliche gelingt Zeitblom ohne Pathos. Er verzichtet auf jeg­ liches perspektivisches Beiwerk, das er auf einem Bild des gleichen Motivs im Ulmer Museum einbaut. Der Hintergrund besteht nur aus zwei Farben, in der Mitte Gold, in der Höhe Dunkelblau. Davor stehen die zwei Personen. Das ist der ganze „Aufwand“. Damit zeigt sich sofort das darstellerische Interesse Zeitbloms: nämlich die Darstel­ lung von Personen. Auf unserem Bild arbeitet er mit seinem ureigensten Können: „Ausgezeichnete Cha­ rakterköpfe hat Zeitblom geformt“, sagt Alfred Stange. Außer von den Händen lebt unser Bild von den beiden Gesichtern. Zuge­ wandt sind sich die beiden Frauen, doch sie schauen sich nicht gegenseitig ins Gesicht. Ihr Blick geht in weite Femen. Ihr Gesichts­ ausdruck ist ernst und der von Elisabeth fast schwermütig. Viele Zeitblomsche Figuren zeigen diese Schwermut. Im Antlitz der hl. Elisabeth blicken uns in ihrem tiefen Ernst die Züge einer gereiften Frau an. Ein solch kraftvoller Ausdruck der dargestellten Per­ son in ihrer ureigensten Individualität findet sich sonst kaum noch in den Bildern der Fürstenbergischen Sammlungen aus dieser Epoche. Weil das Bild für den Betrachter falsch herum hängt, kommt das Gesicht der Maria erst zur Geltung, wenn der Besucher ganz dicht vor dem Bild steht. Er entdeckt dann ein wunderbar klares, ernstes Mädchenge­ sicht, von dem ein feiner Liebreiz ausgeht. Der Ernst der Gesichter der beiden Frauen symbolisiert die Bedeutung dieser Begeg­ nung. Ließe sich nicht mit Stefan Zweig von einer „Sternstunde der Menschheit“ spre­ chen? Für den religiösen Menschen besteht hier kein Zweifel, und er fühlt sich bestätigt durch den Text des „Magnificats“, das Lukas Maria in diesem Augenblick in den Mund legt. Für den historisch denkenden Men­ schen ist dieser Moment, in dem sich zwei kommende Führergestalten der Menschheit auf besondere Weise begegnen, der Beginn einer Epoche, deren Nachhall nun schon fast zweitausend Jahre anhält. Die Größe und Feierlichkeit des Augen­ blicks weiß Zeitblom auch durch andere malerische Mittel sichtbar zu machen. Maria ist in ein dunkles Blau gekleidet, in das so häufige „Marienblau“, das sie mit dem Himmelsblau in Verbindung bringt und sie als Himmelskönigin kennzeichnet. Elisabeth trägt ein weißes Kopftuch und ein Gewand von einer ungewöhnlichen fast rostbraunen Farbe, die dem ganzen Bild Kraft und Wärme verleiht. Besonders großartig ist auf diesem Bild die Faltenführung der Gewänder. Mit der Logik von Kristallen verlaufen die Linien der reichen Gewänder. Schon das Kopftuch der Elisabeth zeigt, wie ein Lehrbeispiel, alle Eigenarten der spätgotischen Faltenführung und -knickung. Besondere Aufmerksamkeit erweckt die Gewandfalte unter dem linken Arm der Elisabeth. Der Mantel ist unter den Arm gezogen. Die entstehende Falte be­ kommt eine Plastizität und Tiefenwirkung, die ganz außerordentlich ist und ein ein­ drucksvolles Beispiel spätgotischer Linien­ führung darstellt. Die malerische Genialität und Größe die­ ses Bildes macht es zu einem besonderen Schatz der Fürstlich Fürstenbergischen Gemäldesammlung in Donaueschingen. Bartholomäus Zeitblom war, wie man­ cher andere deutsche Künstler des späten Mittelalters, vollkommen vergessen, bis ihn der schwäbische Dichter Justinus Kerner 1816 wieder entdeckte. Zeitblom wurde zwi­ schen 1455 und 1460 in Nördlingen geboren. 295

1482 wurde er Bürger der Stadt Ulm. Dort unterhielt er eine große Werkstatt. Zahlrei­ che Altäre von seiner Hand sind noch erhal­ ten. Die Tafeln in den Donaueschinger Sammlungen werden zu seinen Frühwerken gezählt. Zeitblom starb um 1520 oder -22. Ich wünsche meinen Lesern eine beglük­ kende Begegnung mit seinem Bild. Martin Hermanns Hildegard Mutschlers Puppenmuseum in Gütenbach Ein Besuch in Hildegard Mutschlers Pup­ penmuseum in Gütenbach gehört nicht zu den alltäglichen Museumsgängen. Schon der Anblick des Museumsgebäudes ist unge­ wohnt: Anstatt in einem architektonisch ausgefeilten Kunstbau ist die Sammlung in einem Haus untergebracht, das sich nicht im geringsten von den üblichen Eigenheimen unterscheidet. Selbst das Kassenhäuschen fehlt. Stattdessen befindet sich zur rechten Seite des Eingangs eine Bäckerei, mit der Hil­ degard Mutschler und ihr Mann ihren Lebensunterhalt verdienen. Doch wer glaubt, daß sich hinter dieser eher unscheinbaren Fassade nichts Sehens­ wertes verbirgt, irrt sich. Das Puppenmu­ seum auf dem Dachboden ist zwar keine Sammlung, die in sterilen Glaskästen unter­ gebracht ist. Wer das erwartet, sollte sich den Weg nach Gütenbach sparen. Dafür bietet der Dachboden im Hause der Mutschlers den Anblick einer großen Zahl von geschmackvoll aneinandergereihten Puppen mit fein gearbeiteten Kleidern. Einige der Zelluloid-, Keramik- oder Blechexemplare hat Hildegard Mutschler zu kleinen Szenen zusammengestellt. So zum Beispiel zwei Teepflückerinnen, die ihrer Arbeit nachge­ hen. Auch eine Mädchen-Puppe, die gerade ihr Glück am Rechenschieber versucht, gehört zur Sammlung. Und in einem der Puppenhäuser sitzen mehrere „Damen“ gemeinsam am Kaffeetisch. In den Kostümen spiegelt sich der „Zeit­ geist“ der jeweiligen Epoche und der Herstel­ lungsländer wider. Hildegard Mutschler kann leicht die französischen Puppen von 296 ihren deutschen Pendants unterscheiden. Die „belle epoque“ feiert fröhliche Wieder­ auferstehung, wenn man die nach den Ent­ würfen unserer Nachbarn produzierten Pup­ pen genauer in Augenschein nimmt. In ihren langen Röcken und mit den großen Hüten wirken sie wie kleine Damen, die gerade die Blüte ihres Lebens genießen. Ganz im Gegensatz dazu die deutsche Puppe: Sie steht aufrecht und stramm und scheint in ihrem Matrosenanzug ganz den Geist des wilhelminischen Zeitalters zu verkörpern.

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Neben dem „Zeitgeist“ kann der Besucher auch dje technische Entwicklung im Spiel­ zeugbereich während der vergangenen hun­ dert Jahre an den Puppen nachvollziehen. Vor dem Ersten Weltkrieg nutzten die Pup­ penhersteller bei der Produktion vor allem Blech. Es hatte den Nachteil, gegen Rost anfällig zu sein, was die Hersteller dazu veranlaßte, fortan den Kunststoff Zelluloid zu verwenden. Das leicht brennbare Ma­ terial mußte schließlich weniger gefährli­ chen Kunststoffen weichen, die heute das Bild bei der Puppenproduktion prägen. Bei Reproduktionen alter Puppen finden auch noch Keramikmaterialien Verwendung. Solche Kopien alter Originale können im Gütenbacher Puppenmuseum ebenfalls be­ wundert werden. Sie hat Hildegard Mutsch­ ler in Eigenarbeit angefertigt. Allerdings stel­ len sie nur einen kleinen Teil der Mutschler­ Sammlung dar, zu deren Schmuckstücke Produkte solch renommierter Firmen wie „Schildkröt“ und „Storch“ zählen. Mit dem Puppenmuseum hat sich Hildegard Mutsch­ ler das erfüllt, was ihr in ihrer Kjndheit wäh­ rend der entbehrungsreichenJahre des Krie­ ges verwehrt blieb, nämlich die Puppen zu besitzen, die sie sich wünschte. Die Sammelleidenschaft beschränkt sich allerdings nicht auf dje kleinen menschli­ chen Ebenbilder, vielmehr liegt der heimat­ verbundenen Frau alles „Alte“ am Herzen. Unter den Begriff „Altes“ fallen bei der Gütenbacherin sämtjjche Gegenstände, mit denen unsere Vorfahren im Alltag umgegan­ gen sind. Und so kann der Interessierte auf Mutschlers Dachboden alte Küchen­ schränke, Blechdosen, Spirituskocher, Gips­ osterhasen und sogar einen Nachttopf ent­ decken. Einen ganzen Schrank füllt das Spielzeug, das die Antiquitätenliebhaberin zusammen­ getragen hat. Zu den Exponaten zählen neben einer gut erhaltenen Dampfmaschjne eine große Zahl von alten „Steiff-Tieren“ auch eine ganze Reihe von Kjnderbüchern, die vor dem Zweiten Weltkrieg gedruckt wur­ den und heute in Neuauflagen erscheinen. 298

Besonders stolz ist die Museumsbesitzerin auf eine „Puppenschule“ aus der Zeit vor 1914. Sie enthält Schulhefte für die verschie­ denen Fächer und einen kleinen Atlas mit den Ländergrenzen der damaligen Zeit. Eine besondere Rarität ist ein kleines Käst­ chen mit homöopathischen Pillen aus dem Jahre 1890. Sie wurden von einem Heilkun­ digen, den bevorzugt arme Leute bei Krank­ heiten in Anspruch nahmen, verabreicht, ehe dieser Berufsstand gänzlich von der Bild­ fläche verschwand und die Homöopathie von der herkömmlichen Schulmedizin in den Hintergrund gedrängt wurde. Inzwi­ schen stößt die Homöopathie als Heilver­ fahren bekanntlich wieder auf verstärkten Zuspruch und ebenso die Präparate. Die neuen homöopathischen Medikamente be­ stehen aus den Ingredienzen, die auch Grundlage der Pillen in ihrem Kästchen sind, wie Hildegard Mutschler von einem Muse­ umsbesucher erfahren hat. Gestoßen ist Hildegard Mutschler auf ihre Exponate bei Trödlermärkten, mittels Tausch oder über Beziehungen. Nicht zu vergessen die „goldene Fundgrube“ des Sperrmülls, bei dem die Bäckersfrau so man­ ches gute Stück vor dem Weg in die Entsor­ gung retten konnte. Mittlerweile wird es allerdings immer schwieriger, Gegenstände „mit Altertums­ wert“ zu erhalten. Die Trödlermärkte sind abgegrast und die Speicher der alten Häuser werden zunehmend leerer. Was die Preise für echten Trödel aber wohl noch mehr in die Höhe treibt als die bereits erwähnten Dinge, ist der Bewußtseinswandel bei der Bevölke­ rung. Das, was einst als unnütz und altmo­ disch verschrien war, gilt heute als schick. Von dieser Entwicklung kann Hildegard Mutschler ein Lied singen. Vor 25 Jahren, als sie anfing zu sammeln, lachten die Leute die Museumsbesitzerin noch aus, als sie auf den Speichern nach Gegenständen suchte, die nun ihr Museum zieren. Heute würde es dagegen manch einer bereuen, daß er die Hinterlassenschaft seiner Vorfahren auf den Müll geworfen habe. Die neue Lust am Alten kommt nicht von ungefähr. In einer von den Begriffen Effi­ zienz und Rationalität dominierten Welt drängt es den Menschen der modernen Industriegesellschaft wohl immer mehr zu denjenigen Dingen, die nicht von den sich gleichenden Linien der Massenproduktion gekennzeichnet sind, sondern vom Finger­ spitzengefühl und den persönlichen Präfe­ renzen des Herstellers zeugen. Genau diese Gegenstände kann der Besucher in Hilde­ gard Mutschlers Puppenmuseum in Güten­ bach entdecken. Bernd Kramer Heimatlied Ich würde barfuß laufen und würde niemals müd. Könnt ich mir so erkaufen, der Heimat trautes Lied. Ich würd‘ auf Händen gehen durch dick und dünn. Könnt ich die Heimat sehen, wo ich geboren bin. Ich würde alles geben, mein Hab und Gut. Könnt ich dort wieder leben, wo meine Mutter ruht. Ich möcht‘ begraben sein, wenn mich der Tod ereilt, am Hang, am Wiesenrain, wo ich vor langer Zeit, gesungen und gespielt als kleines Kind. Das traute Heimatlied, verweht im Wind. Margot Opp 299

Kunst und Künstler Jürgen Palmtag Bilder gegen die Eindimensiooalität des Sehens Die Frage nach der „Natur“, nach „Natur­ formen“ in den Bildern des Jürgen Palmtag ist fast unvermeidlich. Auch alte Freunde aus Schwenningen, wo er 1951 geboren wurde, die ihn doch eigentlich besser kennen müß­ ten, stellen die Frage immer wieder. Meistens handelt es sich dabei nicht einmal mehr um eine Frage, eine Feststellung ist das. Sand und Staub, aus Steinbrüchen gesammelt, als Beimischung zur Farbe, die Verwendung von Harzen und Teer, die erdigen Töne der frühen Bilder, wie geologische Schichtungen sah das aus. Ganz zwangsläufig stellte sich beim Betrachter die Assoziation von gefalte­ ten Gebirgszügen, von Steinbrüchen ein. Und es waren Landschaften, aber Landschaf­ ten im Umbruch: ,,Suche nach einer ehema­ ligen Erzgrube“, ,,Lehmgrubenpanorama“ – Landschaften, die durch geologische Pro­ zesse oder menschliche Eingriffe ihren Cha­ rakter verändert hatten. Nicht um Kritik ging es dabei, um Lamentieren über einen Ver­ lust, Palmtag war Dokumentarist, der diese Veränderungen beobachtete. Im Prinzip hat sich daran nichts geändert. Die langen, strei­ fenförmigen Bilder heute an der Wand -ver­ wunderlich ist es nicht, daß dabei zuerst an Panoramablicke gedacht wird. Ein Künstler, der abseits, fast zurückgezogen von den Metropolen lebt, Hüfingen, Sölden oder 300

heute Schörzingen, mitten in der „Land­ schaft“ also, der muß in den Augen anderer ein „Landschaftsmaler“ sein, seien die For­ men, die er verwendet, auch noch so abstra­ hiert. Schließlich leben wir nicht mehr im 19. Jahrhundert. Die Fotografie hat die ursprüngliche Aufgabe dieser Künstler über­ nommen. Aufgabe heute ist nicht mehr das augentäuscherische Abbild, sondern das Auffinden von Strukturen, das Rekonstruie­ ren der Wandlungen des Lichts. Kaum zu sagen, wie oft sich Jürgen Palm­ tag schon gegen diese Einschätzung zur Wehr gesetzt hat. Natürlich sei „Natur“ für ihn wichtig, auf langen Spaziergängen notiere er Eindrücke, aber nicht mit dem Fotoapparat, auch Skizzen entstehen bei die­ sen Spaziergängen nicht. Natur wird regi­ striert einzig und allein mit dem „visuellen Gedächtnis“. „Im Grunde genommen hat das überhaupt nichts mit Landschaft zu tun.“ Meditativ werden Eindrücke gesam­ melt, aber das gilt schließlich für jeden gei­ stig arbeitenden Menschen, das muß kein Maler sein. „Mit Landschaft haben meine Bilder immer weniger zu tun“, wird Jürgen Palmtag nicht müde zu beteuern. Vielleicht liegt das Mißverständnis ganz einfach daran, daß der Betrachter nach schnellen, schlüssi­ gen Erklärungen sucht. Sich zufrieden gibt, wenn er eine scheinbar logische Erklärung gefunden hat. „Mit Architektur hat das schon eher zu tun. Gebautes im Bild. Ich wollte ja von der illusionistischen Malerei, die ich früher so getrieben hab‘, zu einer flächenhaften Dar­ stellung kommen und trotzdem Raum dar­ stellen.“ Braunrote Töne als vorherrschende Farbe. Kubistische Formstrukturen, die die Bildfläche immer weiter aufsplittem. Ein Steinbruch oder ein Stück Architektur? „Da habe ich wirklich etwas gebaut. Und zwar hab‘ ich aus Milchtüten, die auf dem Tisch standen, hab‘ ich ein Foto gemacht. Mittels Foto und Fotokopierer hab‘ ich das dann so lange verfremdet, bis ein anderes Motiv dar­ aus wurde. Alles Halbliter- und Liter-Milch­ Tüten.“ Nichts ist von den Milchtüten mehr zu sehen. ,,Ich habe lange gebraucht, um die 301

fotografische Brille hinter mir zu lassen. Man muß sich wirklich davon lösen können, daß man nämlich die Bilder wirklich selber macht, aus Zeichnungen und Konstruktio­ nen, dann wird’s spannend. So lange man noch sehr stark am Foto klebt, wird man von dem Medium überwältigt und kriegt nix Ori­ ginäres raus“. Jürgen Palmtag analysiert nicht, er gestaltet. Und man hüte sich bei den Arbeiten vor eindeutigen Zuweisungen, vor eindimensionalem Sehen. Eigentlich ist es schon falsch, zu wissen, daß es sich einmal um Milchtüten gehandelt hat, denn dieses Wissen kann den Blick verstellen für das, was jetzt Bildinhalt ist. Auf einem anderen Bild ein farbiger Untergrund, der die Pinselstriche sichtbar werden läßt. Die Vorstellung von Räumlich­ keit stellt sich ein, von Weite und Tiefe, ohne daß das Auge diesen Raum präzise erfasse!! könnte, ein Raum, der in ständiger Bewe­ gung zu sein scheint. Davor liegt das Motiv, eingezeichnete Bildelemente, Schattenrisse fast. Manchmal hat man das Gefühl, der Bildgrund liege still und das Motiv sei in Bewegung, manchmal scheint es gerade umgekehrt zu sein. Ein langgestrecktes Format, Motive, die sich schier unendlich in der Breite verlän­ gern ließen. Steht der Betrachter direkt vor dem horizontalen Bild, füllt es den gesamten Blickwinkel aus. Wenn man sich auf das Zentrum konzentriert, dann läuft die Bewe­ gung in Richtung der Ränder aus. Die senk­ rechte Anordnung dagegen zwingt das Auge, auf-oder abwärts zu wandern, selbst die Bewegung des Bildes nachzuvollziehen. ,,Es gibt schon ein paar Wand-oder Decken­ friese, die kann man sich beliebig verlängert vorstellen.“ Jürgen Palmtag ist gerade dabei, Druck­ walzen zu entwickeln, die bestimmte Figu­ ren schier endlos auf ein Blatt Papier übertra­ gen. Spannend wird die Grenzziehung: Wann wird eine solche Reihe zum bloß dekorativen Ornament, das er natürlich nicht will. Nicht Monotonie von Ornamen­ ten ist das Ziel, sondern Spannungen, Höhe­ punkte in der Wiederholung. ,,Und das zu machen, ist unheimlich schwierig.“ Auch wenn die „Bildbänder“ nur kurz sind, möchte er den Eindruck erwecken, daß es weitergehe. ,,Auch wenn an bestimmten Stellen eine Schwergewichtigkeit der Kom­ position zweifellos drin ist.“ „Spielzeug-Objekte“ sind in der letzten Zeit entstanden. Wahrscheinlich auch des­ wegen, um sich selbst über die angestrebte Problematik klar zu werden: Schaukelpferd­ artige kleine, schwarze Guckkästen, in die vorne ein negativer „Scherenschnitt“ als Öff­ nung dient, eine Art Emblem, bei der ein 302

Betrachter sofort figürliche Assoziationen anstellt. Aus einem Schriftbild ist diese Form heraus entwickelt worden. In Schaukelbewe­ gung gesetzt, überschneiden sich ausge­ schnittene Figur und Hintergrund immer wieder neu. Blickwinkel verschieben sich, Ansichten, Eindrücke werden ständig neu erfahrbar. ,, Was läßt dieser Hintergrund je nach Neigung zu, wie weit spielen andere Formen im Hintergrund mit in die Betrach­ tungsweise hinein? Ich wollte eine Art Lese­ pultsituation, eine Art aufgeschlagenes Buch.“ Ein Buch, in dem man blättern kann, die Instabilität des Objektes, das Durch­ scheinen des Lichtes und seiner Veränderun­ gen – all das gehört zusammen, dient dazu, Eindeutigkeit zu vermeiden. Die Gefahr, daß ein Betrachter nur noch das „Spielzeug“ sieht, daß er in der Mehr- und Vieldeutigkeit Beliebigkeit vermutet, ist groß. Dabei liegt Jürgen Palmtag nichts so weit entfernt wie Beliebigkeit. „Ich leg‘ wichtige Kompositionspunkte fest, die mir aber zulassen, ein Doppel zu fer­ tigen, wo ich eine weitere Variationsmög­ lichkeit habe, die nicht ganz gleich aussieht, so daß ich das in ganz geringem Maß ändern kann – damit spiele ich dann.“ Ein spielerischer Ausgangspunkt ist das auf alle Fälle. ,,Spiel“ ist ein Wort, das bei Jür­ gen Palmtag immer wieder vorkommt. „Spiel“ mit Formen und Farben, das immer weiter fortgesetzt werden kann. Die Skizzenbücher scheinen gar nicht dazu zu passen. Zeichnungen in Schulheften, von beiden Seiten gleichzeitig und in stetem Wechsel mit Zeichnungen und Bildern rand­ voll. Das erinnert an Schule und Disziplin und ist wohl auch ein Zeichen dafür. Ist ein Heft voll, werden die Seiten aus dem Heft herausgetrennt. Was einmal fest gebunden war, wird jetzt zur losen Folge von Blättern. Was einmal chronologische Ordnung hatte, kann jetzt neu zusammengesetzt werden. Nichts scheint ihn mehr zu stören, als et- 303

was Fertiges, Abgeschlossenes, Eindeutiges. Es gibt viele, die eine „Nachlässigkeit“ der Arbeiten Jürgen Palmtags beklagen. Ohne Rahmen sind viele Blätter einfach an der Wand befestigt. Die Farbe wandelt sich im Lauf der Zeit. Vor hochwertigem Papier hat er geradezu eine Abneigung. ,,Für mich hat alles Skizzencharakter“, betont er. Weil es keine endgültigen Lösungen für ihn gibt, gibt es nur das ständige Experimentieren, die ständige Weiterarbeit. In dem Augenblick, wo Jürgen Palmtag glaubt, sich mit einer Arbeit einem Ziel zu nähern, sich festzule­ gen, bricht er diese Arbeit ab. Weit entfernt ist das von der Kopflastig­ keit des Sehens unserer Zeit. Wenn dieser Begriff nicht so belastet wäre, könnte man die Arbeitsweise Jürgen Palmtags fast als na­ iven Umgang mit den Formen, Farben, Materialien und Bewegungen bezeichnen. Neugier ist ein dazugehörender Charakter­ zug, Sinnlichkeit, die Bereitschaft, sich vor­ urteilsfrei auf ungewohnte Erfahrungen ein­ zulassen. 304 „Ich arbeite ja so zwischen Abstraktion und Realität. Es sind immer wieder Anhalts­ punkte für Leute drin, die jetzt interpretati­ onssuchend unterwegs sind, die nach ver­ trauten Formen und Inhalten suchen. Ich will dem entgegenarbeiten. Ich möchte eigentlich den völlig unbelasteten Blick, daß jemand die Sache anguckt als die, die sie ist, nicht mit vorgefaßtem Blick auf der Suche nach etwas, woran er sich festklammern kann. Ich selber betrachte Bilder niemals nach Erklärung suchend. Das ist für mich eine wichtige Sehweise, daß man so etwas noch kann.“ Ein Sehen und Malen gegen die alther­ gebrachte Betrachtungsweise. Besonders schwierig ist das, wenn sich Jürgen Palmtag dabei auf Figuren einläßt, die eigentlich ver­ traut sind. Signets, die sich auf Kartons für Sprengstoff befinden, Zeichen für Explo­ sion, daran arbeitet er gerade. Das bekannte Motiv wird in einer ganzen Serie vom Aus­ druck her verändert, daß man zwar sofort den Ursprung erkennt, die Bedeutung aber

so vielfältig wird, daß das Motiv nicht mehr ohne weiteres zuordenbar ist. „Vom Bildlichen male ich erst einmal Strukturen hinein, die nie drin waren, dann ist die Bedeutung nicht mehr festgelegt.“ Um eine Bildreihe geht es dabei nicht, nicht um eine Veränderung des Motivs, wobei der Ausgangspunkt immer erhalten bliebe oder nachvollziehbar sein würde. Das „Explosi­ onszeichen“ jetzt steht allein, ist in sich viel­ deutig. Es könnte für „Sonne“ stehen, ,,nicht nur für Gewalt oder Kraftfreisetzung, son­ dern zum Beispiel auch für etwas Schönes“. Wie kann man ein Motiv „umbiegen“, ohne es von der Form her zu verändern, einfach nur dadurch, daß es in einen anderen Kon­ text gestellt wird, das ist die gestellte Auf­ gabe. Dabei wird deutlich, daß es Jürgen Palmtag nicht auf das Motiv ankommt, auch nicht auf den veränderten Kontext, sondern auf das Verunsichern des Betrachters. Verun­ sicherung aber ist die Voraussetzung dafür, ein Motiv neu und anders zu sehen. Einfach­ ste Art dieser Verfremdung wäre die Umset­ zung von Schwarz-Weiß in Farbe und umge­ kehrt. Die Farben haben einmal Signalcha­ rakter gehabt, und dieser Charakter muß jetzt neu definiert werden. Oder die Verän­ derung des Formats: der horizontale Verlauf der Bildzeichen wird vertikal umgesetzt. Die einfache Umsetzung der Zeichen in ein Landschaftsrelief muß revidiert werden. „Es hat mal einer geschrieben, ich würde in meinen Bildern die Umwelt verschleiern, das hat mir als Tenor nicht gefallen; ich will nicht unsere Realität verschleiern. Ich möchte vielleicht eher die Gegenstände, das was uns umgibt, und das geht ja bis ins gesprochene Wort hinein, in seiner Vieldeu­ tigkeit aufdecken.“ Sensibler soll der Betrachter wieder werden, offener. Das „Du sollst Dir kein Bildnis machen“ wird zurück­ geführt auf seine eigentliche Bedeutung. Das heißt nicht Verzicht aufBilder, sondern Ver­ zicht auf Vor-Bilder, auf Vor-Urteile. „Meine Arbeitssituation hat für mich im Moment etwas Provisorisches, eine Situa­ tion oder ein Zustand, in dem ich mich ganz wohl fühle“, hat Jürgen Palmtag in einem In­ terview 1985 gesagt. Das erinnert an den Schweizer Schriftsteller Robert WaJser, den Jürgen Palmtag vor einiger Zeit für sich ent­ deckte. Auch er „ein Spaziergänger an den Peripherien“, ein Beobachter, der alles quasi im Vorbeigehen in sich aufsaugt und gestal­ tet. ,,Ich lese zur Zeit mit großer Begeisterung den Robert Walser und entdecke unglaub­ lich viel Gemeinsamkeit. So, wie er schreibt, das ist eigentlich meine Vorstellung vom Malen, daß in die Kunst Leben ‚rein muß.“ Kein zielgerichteter Spaziergänger auf der Suche nach Bekanntem. Fragmentarisch und sprunghaft ist sein Blick, immer offen für das Neue, das sich Wandelnde, das Nicht-Eindeutige. Und das findet sich nicht nur in der Landschaft, das findet sich überall. Uwe Conradt 305

Manfred Merz Bildhauer und Schemenschnitzer Leidenschaft entwickelt der Alemanne – je nach Landstrich und Wohnort – bei der Kehrwoche, im Beruf des Handwerkers, im Verein und an der Fasnet. Läßt man jedoch die zumeist schwäbisch übertriebene Diszi­ plin der belanglosen Arbeit mit „Kehrwisch un Schufel“ rund um’s Haus außer Acht und kümmert sich um Ordnung am Arbeitsplatz, um allerfeinste Ergebnisse im Beruf des Bild­ hauers, läßt dabei individuelle Entwicklun­ gen zu, die trotz allem Volksgut und Brauch­ tum sichern, schnitzt „Schemen“, daß diese eine einzigartige Handschrift markieren, dann kommt man dem Verständnis des Manfred Merz ganz nahe.] enem gebürtigen Villinger, von dem schon 1950 (!) ein Kunst­ gelehrter schreibt: ,, … und es ist ein Genuß, ihm zuzusehen, wie er ohne Modell die sub­ tilsten Nuancen herausholt … “ Für die Fasnet und ihre lokale Geschichte in der Zähringerstadt ist derzeit wohl keiner kundiger als der heute 64jährige Manfred Merz, der an „Geist und Ideen viel für die Fasnet geopfert hat“ (Merz über Merz). Seine Lehre als Holzbildhauer begann der 14jährige in der Villinger Warenburgstraße bei Karl Keck, wo er sein zeichnerisches Talent aus Schülerzeiten ins Plastische umsetzen konnte. Aus reiner Freude an der bildhaften Darstellung malte der Merze­ Manne Portraits auf dem Zeichenblock, ent­ warf später Studien, für die ihm Vater Eugen die Wirkung von Schattierungen erklärte und ihm Onkel Karl, der Baarmaler, ein wichtiges Vorbild war. Manfred Merz ist der zweite Sohn einer Familie, deren Großvater in Unterbaldingen Zimmermeister war. Vater Eugen kam schon 306

Morbili und Surhebel von Manfred Merz während seiner Lehre nach Villingen, wo ihm später die Söhne in der Schnitzerwerk­ statt wertvolle Unterstützung waren: freie Gestaltung in profaner und sakraler Kunst, Kruzifixe, Madonnen, Heiligenfiguren und Holz-Grabmale bestimmten den berufli­ chen Alltag, das Künstlerherz und den Erwerb. Die starke Beziehung zur Villinger Fasnet und ihren Masken, den Schemen, baute sich fur Manfred Merz auf, als er erstmals nach dem Krieg 1947 wieder ins Häs schlüpfte und in ihm der Wunsch stark wurde, sich seine eigenen Scheme zu schnitzen. Der „Ölmüller“ hatte ihn fasziniert, klas­ sisches Vorbild aus der Hand des Bildhauers Dominikus Ackermann (1779-1835), das dieser als glatte, heitere Narro-Maske geschaffen hatte und deren Nachbildung 150 Jahre später dem barocken Stil entsprechen sollte. Sein „Erstling“ empfing wohl den ganzen ,,mystischen Zauber“ einer bis dahin tradi- tionsgebundenen Maskenkunst, die der junge Manfred Merz als junger Narro mit seiner Begabung ausdrückte, was ihm sofort die Anerkennung bei damals ältesten und besten Kennern der Villinger Fasnet ein­ brachte. Und so entstand schon ein Jahr spä­ ter sein erster Surhebel, im Sinne der Por­ trait-Scheme, fur die in den Jahrzehnten zuvor Schemenschnitzer Robert Neukum eigenwillig und streng, fast dämonisch, sei­ nen Surhebel-Masken erschreckendes Äuße­ res ins Antlitz gegeben hatte. Manfred Merz schuf jedoch aus der Intui­ tion über die erlebte Wirkung von Neukum­ Schemen beim „Strählen“, dem ironisch­ gespotteten Aufsagen der unrühmlichen Eigenarten von Zeitgenossen, eine neue Generation von Surhebel. ,,Nicht bärbeißige Grimassen“ sind die „Sauertöpfe“ des Man­ fred Merz, sondern solche mit eigentlich zwei Gesichtern: eines offen, spottlüstern, ironisch zur Schau getragen, das andere ver­ ständnisvoll-versöhnlich, mit dem Augen- 307

zwinkern eines Gegenübers, das um die menschlichen Schwächen weiß … Manfred Merz bedauert nicht, ein Leben nur“ in Villingen ansässig gewesen zu lang “ sein, ist doch seine Heimatstadt eine solche zum Wohlfühlen mit jeder Menge Erinne­ rungen an frühere Zustände. Unterstützung bei allen Zweifeln und Eindrücken zu sakralen Arbeiten oder denen zur Fasnet fand Manfred Merz nach 1956, als er Ursula Thoma heiratete. Er, der 1948 Mit­ glied der Historischen Narrozunft Villingen wurde und 1954 bereits als Ratsherr wirkte, hat in Ehefrau Ursula auch „die Ratsfrau“ gefunden, die den Sinn und das Gefühl für die Fasnet „verdoppelte“. Heute ist Manfred Merz Ehrenratsherr, nicht zuletzt für seine Initiative des Mäsch­ gerle-Obeds -seit 1950 mit jährlicher Wie­ derholung. Und so hat in den vergangenen 40 Jahren auch das „Morbili“ eine Entwicklung erfah- ren, die das weibliche Pendant zum Surhebel nach Merz’scher Auffassung „weniger lät­ schig“ machte – jedoch weiterhin „kowäs und allefänzig“. Und so weiß Manne Merz, daß der Blick in den Spiegel jedem einzelnen selbst beweist, welchen Eindruck er mit sei­ ner Mimik auf die Person des Gegenüber macht. Mit Leidenschaft, Herzblut und großer Liebe arbeitet Manfred Merz seit Jahren für die Belange der Fasnet, ohne die figürlichen Arbeiten seiner Kunst zu vernachlässigen. Auch in Zukunft wird er seine eigene Mei­ nung zu verschiedenen Dingen der Fasnet behalten, die er in einigem auch revidiert hat. Und während er seine Dokumentatio­ nen über „die Fasnet im Spiegel der Kunst und des Handwerks“ sehr ernst nimmt-die Alben sind akribisch gefüllt -nimmt er aus der zeitlichen Distanz vieles auch weniger ernst. Wolfgang Bräun German Hasenfratz ·Junge Donau 308

Brauchtum Vom Ritterpatron zum Bauernjörg Der Georgitag im Schwarzwald-Baar-Kreis „Ein Übergang vom Winter zum Sommer fehlt fast ganz. Rasch tritt der Sommer in seine Rechte, wenn der Winter oft bis in den Mai herein Hausrecht behalten hat.“ So Her­ mann Sernatinger, der unvergessene Trach­ tenpfarrer, 1922 über die Jahreszeiten in der Baar. Und nichts bis heute hat sich daran geändert. Der Frühling wird diesem Hoch­ land vorenthalten. Erst um Georgi (23. April) ist der Sieg des Sommers über den Winter endgültig. Von diesem Tag an durften -oder mußten – die Kinder auf der Baar und im Schwarzwald barfuß laufen. Nach Georgi geht man nicht mehr ungestraft über die Wiesen und den fremden Acker. Am Georgitag – so erinnert sich der aus Aasen stammende Volkskundler Eugen Fehrle -fangen viele der alten Maisitten an, bei denen es immer um den Sieg des Som­ mers über den Winter geht. Bereits in einem Bauernkalender des 16. Jahrhunderts heißt es: ,,Sant Jörg, der edel Ritter schon, Der bringet uns den maien, Daß die frawen und die man Gen mit einander raien“ (= tanzen). Mit Donaueschingen ist der volkstümli­ che Heilige durch den Georgimarkt verbun­ den. Jahreszeitlich gesehen, ist es der erste der vier Jahrmärkte, die sich bis heute erhal­ ten haben. Nur in der Zeit des Spanischen Erbfolgekriegs (1701-1714), als jeweils im Frühsommer die verbündeten französischen und bayrischen Truppen rund um den Sehel­ lenberg ihr mehrtägiges Standquartier hat­ ten, gab es eine Unterbrechung. Doch 1775 führten die Donaueschinger den Georgi­ markt, der „noch bei Mannsgedenken“ -laut einer Fürstenbergischen Urkunde -abgehal­ ten worden war, wieder ein. Das Oberamt in Hüfingen hatte von der Genehmigung abge- Der hl. Georg, von einem oberschwäbischen Mei­ ster um 1520. Einst im Besitz des Klosters St. Georgen/Schwarzwald; heute: Staatliche Kunst­ halle Karlsruhe. 309

raten. Fürst Joseph Wenzel, reformfreudig und auf die Mehrung der Steuern für seine notleidenden Kassen bedacht, gab den Donaueschingern, unbekümmert um die Frühjahrsmärkte in Hüfingen und Bräunlin­ gen, das Placet. Fromme Darstellungen von dem kecken Reitersmann, der den Kampf mit dem Dra­ chen bestand, finden sich in zahlreichen Kir­ chen und Kapellen auf der Baar. In Unadin­ gen ist er Patron, und auch in Mundelfingen verdrängte er den altehrwürdigen Titelheili­ gen St. Gallus. Das war 1439. Keine Frage, daß die Ritter von Grünburg, die auf der Veste an der Gauchach saßen, ihre Hand mit im Spiele hatten. Eine St.-Georgs-Kaplanei erhielt die Stadt Hüfingen 1383. Gestiftet hat sie Burkard von Blumberg, der letzte Stadt­ herr seines Geschlechts, als ihn der Tod ereilte. Kaiser Heinrich II, der Heilige, bereitete dem Offizier im römischen Heer, der in Kleinasien um 303 den Martertod erlitt, den Weg ins Abendland. Im Jahr 1005 schenkte der fromme Regent dem Kloster in Stein am Rhein bedeutenden Grundbesitz. Noch im selben Jahrhundert schlug die Sternstunde für den nachmaligen Marktflecken St. Geor­ gen im Schwarzwald. Auf dem „Scheitel Ale­ manniens“, wie der Raum um Brigachquelle, Sommerau und St. Georgen im Mittelalter genannt wird, beginnen im April 1084 Mön­ che aus Hirsau mit dem Bau einer Kapelle und Unterkünften für die „Cella St. Geor­ gius in nigra silva.“ 14 Monate später wird das Kloster durch Bischof Gebhard von Kon­ stanz geweiht. Über das Kloster St. Georgen kam der Drachentöter als Patron nach Mühlhau en bei Schwenningen und in die Fürstenbergi­ schen Frauenklöster Amtenhausen (1107) und Friedenweiler (1123) sowie in das St. Georgener Priorat in Rippoldsau im oberen Kinzigtal. Unweit davon steht auf dem Roß­ berg, der Fürstlich Fürstenbergischer Besitz ist, die altehrwürdige St.-Georgs-Kapelle – frommes Wahrzeichen aus dem Jahrhundert der Reformation, als unter dem Grafen Wil- 310 St. Georg in Form einer phantasievollen S-Initi­ ale in einer Handschrift um 1230 aus der Kloster­ Ma/schule im Bistum Hildesheim; einst im Besitz der F.F. Hofbibliothek Donaueschingen. heim von Fürstenberg das Gebiet im oberen Kinzigtal evangelisch geworden war. An älteren Patrozinien in unserer Heimat fehlt es nicht. Eines der frühesten haben wir in der St-Georgs-Kirche in Oberzell auf der Reichenau, deren Krypta mit den Reliquien des Heiligen in die Zeit um 890 angesetzt wird. War St. Georg im hohen Mittelalter Patron der Ritter, so avancierte er im späten Mittelalter unter die „14 Nothelfer.“ Und als Bauernjörg tritt er im 16. Jahrhundert den Siegeszug auch in die ländlichen Gemein­ den und bäuerlichen Hofkapellen im Schwarzwald an. Er gilt als ein Freund der Handwerker und der Bauern. Sein Name ist griechischen Ursprungs und bedeutet: Land­ mann. Literarische Parallelen aus der Ritterdich­ tung und aus germanischen Sagen haben die Legende von St. Georgs Kampf mit dem Dra-

chen beeinflußt. Sie berichtet von einem gif­ tigen Untier, das in einer Felsenkluft haust, dem Lämmer und später auch Kinder geop­ fert werden. Als das Los -so die Legende – auf des Königs Töchterlein fällt, springt Georg herbei und tötet den Lindwurm. Vom Drachen zur Schlange, dem Sinnbild des Teufels, war es nun nur noch ein Schritt. Vor allem in der Zeit des Barocks wurde Georg zum irdischen Mitstreiter des Erzengels Michael. Noch vor dem Jahr 1000 gibt es Darstel­ lungen von dem furchtlosen Drachentöter. Sie zeigen einen bartlosen Jüngling mit aske­ tischen Zügen. Um 1100 rückt im Abendland der Kampf mit dem Drachen in den Vorder­ grund. Wir sehen einen jugendlichen Hel­ den, vielfach zu Pferde, bisweilen auf einem Schimmel, mit Schild und Schwert, gele­ gentlich mit Fahne und rotem Kreuz – oft aber auch zu Fuß, wie er standhaft und unverzagt das Untier angeht. So die Darstellung in Form einer S-lnitiale in einem Prachtbrevier aus der Zeit um 1230. Die kunstvoll gestaltete Handschrift zählte zu den Kostbarkeiten der Hofbibliothek in Donaueschingen. Fast unscheinbar im Ver­ gleich zu dem riesigen Ungeheuer erscheint der, einem jungen Mönch ähnliche Streiter, der mit gebuckeltem Schild sich gegen die Fänge des Untiers schützt, während die Rechte das kurze blanke Schwert in die Weichteile des geflügelten Drachen stößt. Viele der alten Georgitagsbräuche gehö­ ren inzwischen der Vergangenheit an. Nur da oder dort pflegt man noch die Umritte. So vor allem in ausgesprochen ländlichen Gegenden, in denen der Bauernjörg als Pfer­ depatron verehrt wird. ,,St. Georg, der Schirmherr der Berittenen, schafft Sicher­ heit in allen Stürmen“ liest man als Spruch auf alten windzerzausten St.-Georgs-Fah- nen. Dr. Lorenz Honold Die Baaremer Tracht lebensvoll ins Bild gebannt Ölgemälde des Schwarzwaldmalers Curt Liebich im Schwenninger Bären ,,Die Schwenninger sind mir nicht fremd. . .. In der Knabenzeit habe ich schon Gele­ genheit gehabt, die schöne Tracht der Schwenningerinnen mit den roten Strümp­ fen, dem kurzen Rock“ -der werktags getra­ gene reichte kaum über die Knie, was man­ cher Maid männliche Bewunderung eintrug – ,,und dem kleinen bändergeschmückten Käppchen an den Markttagen in Hasle zu bewundern.“ Dem die Hippen so gefielen, ist kein geringerer als Heinrich Hansjakob, der für den württembergischen Marktflecken in seinen „Sonnigen Tagen“ nur gute Worte findet. Fremd blieben sie auch einem begab­ ten Künstler nicht, der die Stuttgarter Aus­ gabe dieses Werkes aus dem Jahr 1906 illu­ strierte: Professor Curt Liebich hielt die be­ staunte Hippentracht-die Röcke des Sonn­ tagshabits waren „von züchtiger Länge“ und reichten bis zu den Knöcheln herab – im Bilde fest. Geboren 1868 in Wesel, wuchs der nach­ mals berühmte Künstler im elsässischen Col­ mar auf, wo er mit Albert Schweitzer die Schulbank drückte. Beide Männer gingen ihren Weg. Beiden wurde er nicht leichtge­ macht. So prophezeite der Kunsterzieher dem verkannten Talent: ,,Liebich, du wirst das Zeichnen nie erlernen“ -und untermau­ erte seine Überzeugung mit einer Fünf im Zeugnis. Die Geschichte ist voll der Irrtü­ mer, die Schulmeister begehen; glücklich zu preisen, wer die Kraft hat, mit Fehlurteilen zu leben – und sich über sie hinwegzusetzen. Liebich hatte sie. Der „schlechte Zeichner“ studierte die Bildenden Künste gründlich in Berlin und Weimar, machte dort von sich reden, kam schließlich, mit einer Empfeh- 311

Jung des Großherzogs von Sachsen-Weimar an den Gutacher Kunstprofessor Wilhelm Hasemann, in den Schwarzwald. Gutach sollte ihm zur wahren Heimat werden; wie nur wenige hat er das Volksleben seiner Zeit eingefangen und der Nachwelt erhalten: ein Verdienst, das ihn in die Nähe Hansjakobs rückt. Was dieser mit der Feder festhielt, erzählte jener mit Pinsel und Stift: Curt Liebich wurde zu einem der berühmte­ sten Schwarzwaldmaler, der sich auch als Buchillustrator von Werken Johann Peter Hebels, Victor von Scheffels und Heinrich Hansjakobs einen Namen machte. Mit letz­ terem verband ihn der gemeinsame Kampf um die Erhaltung der heimischen Trachten. An ebendiesen hatte auch die zahlungs­ kräftige Schwenninger Brauerfamilie Braun­ müller ihre Freude. Liebich, der als Werbe­ graphiker manchen Auftrag aus Schwennin­ gen erhielt, aber auch manches Kunstwerk von bleibendem Wert für die erste Neckar­ stadt schuf, wurde -nicht zuletzt infolge der gemeinsamen Vorlieben – bald zum geschworenen Freund des Hauses. Von der fruchtbaren Verbindung, die Kunst und 312 Kapital eingingen, zeugen heute noch acht Ölgemälde Liebichs in der schmucken Gast­ stube des Brauereiausschankes „Zum Bären“. Der im Auftrag des erfolgreichen Unternehmers gefertigte Bilderzyklus zeigt Trachten der engeren und weiteren Heimat in ihrer vergangen-unvergänglichen Herr­ lichkeit. Trachtenträger aus Schwenningen, Söhnstetten, Betzingen und aus dem Amt Rottweil, aus Lehengericht, Schappach, Gutach und Donaueschingen sind zu sehen, Württemberger und Badener, Protestanten und Katholiken im Grenzort auf der Baar friedlich vereint -im Bilde zumindest. Farben lieben die Donaueschingerin­ nen, die anmutig die weite Hochfläche der Baar vor dem Fürstenberg durchwandeln. Ihr Festtagsgewand aus der Mitte des 19.Jahr­ hunderts verrät es zur Genüge: die samtene silberfadenbestickte „Brust“ mit ihren Blu­ men- und Rankenmotiven, der reich bestickte „Vorstecker“, das Goller mit Steh­ krägchen und roten Bändern, das seidene verschiedenfarbige Fürtuch über dem schwarzen Rock, dessen Saum rote Längs­ streifen zieren; dazu die erhöhende Backen-

haube, die nicht allein ihrer Stickereien wegen Respekt abnötigt. Größere Strenge, wenn nicht düsteren Ernst verraten die Schwenninger Hippen, denen der eng gefältelte, geriefelte Rock den Namen gab. Doch sollte die dunkle Grund­ stimmung, die gewiß etwas vom evangeli­ schen Geist verrät, nicht darüber hinwegtäu­ schen, daß auch Prächtigeres und Farbenfro­ heres an Neckars Qiell seine Freunde hatte: Die Mieder waren nicht in jedem Falle aus schwarzem Samt gefertigt, sondern auch hellblaues oder grünes Tuch mit scharlachro­ ter Einfassung fand Verwendung, gelegent­ lich buntgemusterter Samt nicht minder; über Jahrzehnte hinweg schmückte ein hoher Strohzylinder die stattlichen Frauen, die zum Kirchgang hinwieder meist stark mit Pelz verbrämte Mützen trugen -während die schwarzen Häubchen aus breiten Seiden­ bändern den Mädchen vorbehalten blieben; die Vermöglicheren ließen ihren (Besitz-) Stand nur allzu gerne am breiten Silbergürtel erkennen, der sich um die Hüften schmiegt. Und die leuchtend roten Strümpfe gefielen Heinrich Hansjakob nicht nur; die benach­ barten Villinger verloren nicht selten Herz und Verstand ob solcher Augenweide; selbst manch Schwenninger Bürger, gleich ob Handwerker oder Bauersmann (wie ihn das Bild an seiner Tracht zu erkennen gibt), mag, von solchem Reize angelockt, freudig seine Schritte von der Alb der Heimat zu beschleu­ nigt haben -der schönen Mädchen wegen. Die sind immer noch zu finden. Nur die Tracht ging mit der Zeit: Heimatvereine, Trachtengruppen und manchenorts (vor allem in den katholischen Baargemeinden, gut einhundert Jahre lang aber auch im pro­ testantischen Ursprungsort des schönsten Schwabenflusses) die Fasnet(sbräuche) hal­ ten sie (oft mühsam genug) am Leben -nicht immer ohne modische Zugeständnisse an die Modeme. Die acht Ölgemälde Curt Lie­ bichs im Sitzungssaal des Schwenninger „Bären“ aber zeigen die „Volkstrachten“ lebenserfüllt in ihrer Zeit; in ihrer Pracht und Herrlichkeit: wenig beachtete Kleinode; Zeugnisse einer vergangenen Zeit, Zeugnisse auch seines Könnens. Der Schwarzwaldma­ ler hatte sein Handwerk gelernt; der Zeichen­ lehrer sich geirrt. Michael Zimmermann ,,._ ,, Frühling Draußen wehen linde Lüfte, Frühling wird’s bald wieder sein. Erstes Veilchen, zarte Düfte, läuten diesen Frühling ein. Zauberhaft die grünen Triebe, die dem Leben neu geweiht. Aus dem Boden, aus der Tiefe grünes Blätterwerk erscheint. Bald werden die Blumen blühen, bunt wird leuchten Farbenpracht. Frühlingslüfte werden ziehen durch den Tag und durch die Nacht. Alles wird ganz neu erwachen. nach des Winters Schnee und Eis, werden froh die Blüten lachen und es kommt die schönste Zeit. Neues Leben will sich regen, will erwachen und wie schön ist dies neue frohe Streben, ist die Wiesen grünen sehn. Auch nach Trauer, auch nach Tränen fängt ein neues Leben an. Neu erwacht das alte Sehnen, neu erwacht der Liebeswahn. Alles endet und beginnet, das ist unsrer Erde Lauf. Das ist gehn, das ist gewinnen, was geschieht, hält keiner auf. Nehmen wir den Sinn des Lebens, als gegeben, als bekannt. Keines Tages Sinn vergeben ist in unsrem ganzem Land. Margot Opp 313

Sagen der Heimat Der Bruggener Haldengeist Die Verijffentlichung von Sagen der Heimat wird in dieser Ausgabe des Almanach mit einem Beitrag fortgesetzt, der aus der Feder unseres bekannten Heimatschriftstellers Max Rieple stammt. Der Text wurde dem Buch „Die vergessene Rose‘; 2. Auflage 1961, entnommen. Die Redaktion dankt an dieser Stelle dem Verlag Stähle & Friedel Stuttgart,für die.freundliche Abdruckgenehmigung. Der Bruggener Haldengeist war ein Wald­ kobold. Am Sehellenberg über Donau­ eschingen hausend, neckte er die Geizigen, schreckte die Faulen und versteckte sich in allerlei Gestalt. Er tat aber auch gern Gutes, wo Not war. Da soll einmal ein armes Bäuer­ lein noch spät in der Nacht nach Bruggen hinunter gemußt haben. Ein tüchtig Päck­ chen Sorge trug es auf dem Rücken. Das drückte schwerer, als wenn der schlaffe Ruck­ sack voll von Eiern gewesen wäre. Das Bäuer­ lein seufzte ein paarmal gehörig, denn es dachte an den kranken Bub daheim und an das Unglück im Stall. Da trat auf einmal der Haldengeist hinter einem Baum hervor, ver­ stellte den Weg und sagte: ,,Schau, dort drü­ ben den Haufen Laub mußt du in deinen Rucksack tun!“ Der Bauer tat’s halb aus Angst, halb aus Neugier. Tapfer schritt er aus, aber der Ruck­ sack wurde schwerer und schwerer. Zu Haus angekommen, stülpte er den Sack um, und heraus rollten lauter funkelnde Goldstücke. Da hatte die Not ein End‘, und noch heut sollen die Enkel des Bauern den stattlichsten Hof zu Bruggen haben. Die Geschichte vom armen Bäuerlein, dem der Geist geholfen hatte, war auch einem alten reichen Geizhals zu Ohren gekommen. Der Neid hatte ihn so lange gezwickt und gezwackt, bis er schließlich eines Abends selber an die Halde ging, um dem Geist zu begegnen. Dort keuchte und jammerte er, daß es zum Erbarmen war und Hasen und Vögel auf und davon gingen. Doch der Haldengeist wußte, wo Barte! den Most holt. Schon stand er neben dem Geiz- 314 hals und zeigte ihm tief im Walde versteckt einen Haufen morsches Holz, der zu leuch­ ten begann wie lauteres Gold. Gierig raffte der Mann zusammen, was er auflesen konnte. Ein tüchtiges Bündel schleppte er heim, und ein paarmal war er nahe daran, unter der Last zusammenzubrechen, denn zu allem hin hatte der Geist ihn auch im Dik­ kicht umhergeschickt, das ihm tüchtig den Bart raufte und die Haut zerkratzte. Halb tot kam er im Frühlicht heim. Doch als er den Sack umstülpte, da fiel lauter morsches Holz heraus, das dem Geizhals noch eine gehörige Tracht Prügel von seinem Weib eingetragen haben soll. Ebenso schlimm erging es einst einer gei­ zigen Bäuerin, die, beladen mit einem Korb voller Eier, über den Sehellenberg zum Donaueschinger Markt wollte. Ein schwüler Tag war’s, und die dicke Frau mußte ein paar­ mal haltmachen und verschnaufen. Schon ging der Weg bergab, als sie ein letztes Mal auf einem alten Baumstumpf, der einladend am Wegrande stand, ausruhen wollte. Aber, o Schreck, kaum hatte sie sich stöhnend und seufzend niedergelassen, machte der ver­ meintliche Baumstumpf, der kein anderer als der Bruggener Haldengeist selber war, einen Satz, und sie purzelte mitsamt den Eiern kopfüber ins Gras. Als sie sich endlich mühsam erhob und schimpfend sich den Dotter der zerbroche­ nen Eier von Kleidern und Händen wischte, sah sie den Bruggener Haldengeist im Gebüsch verschwinden. Und lange noch klang sein schadenfrohes Kichern durch den Tann. Max Rieple t

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Die Sage von der Laubwaldkapelle Völlig abseits, im Wald versteckt, steht auf Schonacher Gemarkung zwischen den bei­ den Gewannen „Im Holz“ und „Sägloch“ eine kleine Kapelle. Sie wird als „Holzkäp­ pele“ oder „Laubwaldkapelle“ bezeichnet. Unmittelbar neben dem kleinen Gotteshaus entspringt eine Quelle, deren Wasser als wundertätig angesehen wurde. So war das Kirchlein besonders im 18.Jh. Ziel vieler Wallfahrer, sehr zum Mißfallen der zustän­ digen Stellen, die den „abergläubischen Kult“ schließlich verboten. Trotzdem erlosch die Wallfahrt nie ganz. Die jetzige Kapelle wurde 1870 erbaut. Noch heute ist sie Ziel vieler Wanderer und auch Gläubiger, wie zahlreiche Votivgaben im Innenraum beweisen. Vor einigen Jahren hat man das Kirchlein wieder hergerichtet und dabei auch den Brunnen mit Kreuz und mehr­ strahligen Wasserspendern in die Arbeiten mit einbezogen. Interessant ist auch der Volksglaube, der sich um die stille Kapelle spinnt: Dort, wo heute die Laubwaldkapelle steht, stand frü­ her einmal ein stattliches Schloß. Lange Jahre waren die Inhaber ihren Untertanen gute und treusorgende Herren gewesen. Mit der Zeit wurde der Wohlstand jedoch immer größer. Die Herren verloren ihre edle Gesin­ nung und lebten in Saus und Braus. Beson­ ders die letzte dort ansässige Generation kannte nur noch das Vergnügen. Die Unter­ tanen mußten hohe Abgaben bezahlen, um den Lebenswandel ihrer Herren zu bezahlen. Des öfteren fanden wüste Gelage statt und selbst die christlichen Feste waren ihnen nicht mehr heilig. Einst in einer Christnacht trieben sie es besonders toll. Mit ausgehöhlten Wecken an den Füßen, die als Tanzschuhe dienten, führten sie unbekleidet Tänze auf. Gejohle und wildes Geschrei hallte in die Winter­ nacht hinaus. Nur eine fromme Dienstmagd beteiligte sich als einzige nicht an dem 316 Wegweiser zur Laubwaldkapelle (Schonache-r Gemarkung) wüsten Treiben. Wiederholt hatte sie die anderen vor dem Strafgericht des Himmels gewarnt, war jedoch nur ausgelacht und ver­ höhnt worden. Immer toller wurde das Trei­ ben und immer greller zuckten die Blitze eines aufziehenden Gewitters. Da bekam es die Dienstmagd aJJmählich mit der Angst zu tun und flüchtete in die Winternacht hinaus. Kaum hatte sie die Schloßtüre hinter sich zugemacht, fuhr ein Blitz in das alte Gemäuer, das bald in hellen Flammen stand. Von seinen Bewohnern konnte sich nie-

Laubwaldkapelle, Schonach

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mand mehr retten. Die Überreste des Schlos­ ses versanken mitsamt der Schloßkapelle bald in Grund und Boden. Ihre Glocken will man aber auch später noch in der Christnacht läuten gehört haben. Die Sage berichtet, daß sobald ein Hahn auf dem benachbarten Jungbauernhof das Alter von 7 Jahren erreiche, dieser die Spitze des Kirchleins aus dem Boden schar­ ren werde. Wiederholt wurde jedoch behauptet, daß noch kein Hahn auf besag­ tem Bauernhof volle 7 Jahre alt geworden sei. Auch wird berichtet, daß einmal ein Tier dieses Alter annähernd erreicht habe. Dieses habe darauf hin von sich aus an der Stelle zu scharren angefangen, sei dann jedoch plötz­ lich verendet. Darauf hätten einige Männer versucht, am gleichen Platz weiterzugraben. Dabei hätte sich aber einer schwer verletzt. Dies wurde als Fingerzeig des Himmels ange­ sehen und die Männer ließen sofort von ihrem Tun ab. Die fromme Schloßmagd, die dem Brand entkommen war, will man noch häufig mit einem Schlüsselbund im Gürtel zur Adventszeit und an Vorabenden zu Marien­ festen am Bach im Sägloch gesehen haben. Dort soll sie ihre Haare gekämmt und sich zur bevorstehenden Feier gerüstet haben. Sie soll überaus schön und anziehend ausgese­ hen haben und habe herrlich singen können. Wer sie aber nach ihrem Namen und dem Grund ihres Aufenthalts fragte, dem ver­ schwand sie unter Wehklagen aus den Blik­ ken. Ein Hirtenmädchen vom Holzbauer soll sie hin und wieder angetroffen haben. Oft kam es dann zu spät nach Hause. Als Grund wurde dann das schöne Fräulein mit ihrem wunderbaren Gesang genannt. Oft brannte auch abends noch Licht in der Laubwaldkapelle, wenn die Türe längst verschlossen war. Engelsharmonien drangen aus dem Marienheiligtum, aber wer neugie­ rig die Türe öffnete, dem wehte aus dem · dunklen Gemäuer nur ein kalter Luftzug ent­ gegen. Zum Schluß sei noch die Geschichte erwähnt, die sich um ein Kapellenfenster rankt. Auf einem solchen soll nämlich eine Zeitlang aus unerfindlichen Gründen ein Kreuz zu sehen gewesen sein. Daraufhin ließ man das Fenster ausbauen und durch ein neues ersetzen, doch das Kreuz war auch auf der neuen Scheibe deutlich zu erkennen. Der kleinen friedlichen Kapelle freilich sieht man von den abenteuerlichen Ge­ schichten, die sich um sie ranken, nichts an. Der Mensch unserer Zeit hat ihre ruhige Lage schätzen gelernt. Jochen Schultheiß Lang ist‘ s her Am frühen, hellen Tag, wenn die Vögel singen, erwachet Wald und Hag. Ist das ein Klingen. Ist das die Melodie, das Lied des Glücks? Es tönt, als hätt‘ ich nie verlor’n dies Lied. Ich träume still und leis, von alten Tagen, von Wind und Sonnenschein und stell‘ mir Fragen. Wo es mir gut gefällt, warum ich Abschied nahm? Wo nirgends auf der Welt, es schöner je sein kann. Ich kehrte gern zurück nochmals ins Elternhaus, suchte nach Kinderglück und nach dem Wiesenstrauß, den mir der Liebste gab. Lang, lang ist’s her. Er ruht im kühlen Grab, er lebt nicht mehr. Margot Opp 319

Verkehrswesen ,, City-Bahn Freiburg-Donaueschingen-Villingen­ Schwenningen Wunschtraum oder realistische Möglichkeit?“ Über die Höllentalbahn wurde aus Anlaß des 100ahrigen Jubiläums im Almanach 1988, Seite 233 ff., berichtet. Unsere Bemühungen um eine bessere Verbindung zwischen den Oberzentren Freiburg und Vil­ lingen-Schwenningen konzentrieren sich auf das Ciry-Bahn-Konzept: umsteigefrei im Einstundentakt sollen die Fahrgäste zwischen den beiden Städten fahren können.Als Bestandteil des Ciry-Bahn-Projekts sehen wir auch die Strecke von Villingen nach Rottweil. Wo Licht ist, ist auch Schatten. Daß dies in besonderem Maße auf die Bundesbahn zutrifft, die mittlerweile verstärkt für Inter­ regio-, Intercity- und ihre neuen Hochge­ schwindigkeitszüge wirbt, mußten in den vergangenen Jahren die Gemeinden entlang der oberen Höllentalbahn zwischen Neu­ stadt, Donaueschingen und Villingen­ Schwenningen erleben. Denn den attrakti­ ven Städteverbindungen zwischen den gro­ ßen Ballungsgebieten stehen fortgesetzte Rationalisierungen und ein auf breiter Ebene vonstatten gehender Rückzug aus den ländli­ chen Gebieten gegenüber. City-Bahn In zähen Verhandlungen und unter finan­ zieller Beteiligung der Landkreise und Kom­ munen gilt es nun, die Nachteile wieder wett­ zumachen. In Villingen-Schwenningen wurde am 11. März eine Interessengemein­ schaft gegründet, die sich die Einrichtung einer Freiburg-Villingen­ Schwenningen zum Ziel gesetzt hat: eine schnelle, umsteigefreie Verbindung zwi­ schen den beiden Oberzentren im Einstun­ dentakt. Wo derzeit noch alle zwei Stunden ein Dieseltriebwagen nach Neustadt fahrt, um dort seine Fahrgäste auf die elektrifizierte Höllentalstrecke umsteigen zu las en, soll alsbald eine durchgehende Oberleitung stär­ keren Loks freie Fahrt gewähren und die Rei­ sezeit, die momentan zwischen den beiden Oberzentren bei rund 110 Minuten liegt, auf maximal 90 Minuten verkürzen. 320 Allein mit der Regionalschnellbahn (RSB), die im Mai 1988 ihren Betrieb auf­ nahm, wollen die Bewohner der Baar nicht so recht warm werden. Einerseits war der im Laufe der vergangenen hundert Jahre immer wieder stiefmütterlich behandelte Abschnitt vor nunmehr vier Jahren im Zweistunden­ rhythmus „vertaktet“ und mit bequemeren Dieseltriebwagen der Reihe VT 628, jeweils 2,5 Millionen Mark teuren, 45 Meter langen und 520 PS starken Zugeinheiten ausgestat­ tet worden. Der Reisende konnte sich fortan in wesentlich bequemeren Sitzen räkeln, die fast schon an den Komfort eines Intercity herankamen. Außerdem konnte der Fahr­ gast nun damit rechnen, in den Knoten­ punkten Ulm, Offenburg oder Freiburg pro­ blemlos Anschluß an die IC- und Interregio­ Züge zu bekommen. Andererseits aber wurden gerade zugun­ sten dieser Verbesserungen andere Haltestel­ len schlichtweg gestrichen. Damit, daß unrentable Strecken wie die 1976 stillgelegte Trasse zwischen Kappel-Gutachbrücke und Bonndorf wieder in Betrieb genommen wür­ den, hatte natürlich niemand ernstlich gerechnet. Aber daß nun weitere Halte­ punkte wegfielen, wurde vielen erst so richtig bewußt, als die schmucken neuen Triebwa­ gen vor ihren erstaunten Augen tatsächlich vorbeirauschten, ohne ihre Fahrt zu unter­ brechen. Bachheim, Unadingen, Hausen vor Wald und Hüfingen mußten dran glau-

Zielpunkt Freiburg. Wer von Donaueschingen oder Villingen-Schwenningen aus die City-Bahn benutzt, kann im Rheintal mit kurzen Wartezeiten in den JC oder ICE Hamburg-Basel-Zürich umsteigen. Noch allerdings befindet sich der Einstundentakt zwischen den Oberzentren in der Planungs­ phase. ben. In Hausen vor Wald organisierten die Eltern mehrerer Dutzend Schulkinder, die nun auf einen völlig überfüllten Schulbus umsteigen sollten, sogar eine Demonstra­ tion. Die fand zwar in den Medien ein leb­ haftes Echo. Das war’s dann aber auch schon. Hatte die Bundesbahn zwischen Neu­ stadt und Donaueschingen ohnehin nur noch um die 1300 Fahrgäste gezählt, so san­ ken die Zahlen jetzt auf die magische Tausen­ der-Grenze zu, bei der die Bahn Strecken stillzulegen pflegt. Sollte die Gewerkschaft der Eisenbahner Recht behalten, die ange­ sichts der Streichung von Neudingen, Grü­ ningen und Gutrnadingen die auf die Baar verlängerte Höllentalbahn bereits 1982 auf der „Abschußliste“ sah? Schließlich konnte man die Triebwagen ja auch einfach irgendwo anders einsetzen. Tatsache blieb auch, daß Bahnreisende, die bis dahin tagsüber in einigen Zügen, ohne umzusteigen bis in die Breisgaumetro­ pole hatten durchfahren können, nun in Neustadt auf den auf der anderen Seite des Bahnsteigs einfahrenden Anschlußzug war­ ten mußten. Die umständliche Art der Bahnreise von der Baar in die Breisgaumetropole ist natür­ lich keine Erfindung der „Neuzeit“, sondern untrennbar mit der Entstehungsgeschichte des Schienenverkehrs in diesem Teil des Hochschwarzwalds verknüpft. Die Pioniere der Eisenbahngeschichte im August 1845 Freiburg an die „Badische Hauptbahn“ an. Dann jedoch bekam im damaligen Großherzogtum Baden die Schwarzwaldüberquerung via Offenburg über Villingen und Donaueschingen nach Konstanz den Vorzug. Wer Richtung Schaff­ hausen wollte, der nahm ohnehin den Weg über Basel und Waldshut, und so konnte schlossen 321

jede weitere Strecke zwischen diesen beiden Linien nur noch untergeordnete Bedeutung haben. Trotzdem begann sich bereits in die­ sen frühen Jahren eine Initiative zu formie­ ren, die man auch als eine Art „historischen Vorläufer“ der heutigen Interessengemein­ schaft zur Einrichtung der City-Bahn Frei­ burg-Villingen-Schwenningen bezeichnen könnte. Zunächst waren es die Gemeinden der Amtsbezirke Bonndorf und Stühlingen, und nur wenig später, ebenfalls noch im Jahr 1845, auch die Gemeinden des Bezirks Neu­ stadt, die beim „Großherzoglichen Staatsmi­ nisterium“ wegen einer Bahnlinie durch das Höllental vorstellig wurden. Die „Großher­ zogliche Oberdirektion des Wasser- und Straßenbaues“ prüfte die Angelegenheit, und legte 1846 ein Gutachten vor, das sehr ungünstig ausfiel. 1863 war man schon wei­ ter, und die Zahl der interessierten Gemein- den auf 50, im Jahr 1869 schon auf 150 ange­ wachsen. Mit der Erfindung der Zahnrad­ bahn durch den Schweizer Riggenbach eröffneten sich neue Möglichkeiten einer kostensparenden Trassierung -denn gespart werden mußte: die Schwarzwaldbahn zwi­ schen Offenburg und Konstanz verschlang den für damalige Verhältnisse bereits unge­ heuren Betrag von 60 Millionen Mark. Unter den Folgen dieses schon mehr als ein­ hundert Jahre zurückliegenden Sparzwangs leidet die Höllentalbahn noch heute. Am 23. Mai 1887 wurde die Höllental­ strecke in Betrieb genommen, am 10. August 1891 mit dem Gleisbau zwischen Neustadt und Donaueschingen begonnen. 23 Bahn­ wärterhäuschen gehörten zum Inventar, gußeiserne und gemauerte Brücken, wie man sie sonst nur noch auf originalgetreuen Modellbahnanlagen oder im Bilderbuch fin­ det. Am 20. August 1901 wurde die 37,04 Die eingleisige Strecke – hier zwischen Neustadt und Rötenbach auf der Kappel-Gutachbriicke- wartet mit landschaftlichen Reizen auf. Die Baumeister der Jahrhundertwende paßten sich bezüglich der ver­ wendeten Materialien an die Umgebung an. 322

Bahnübergang Allmendshofen – zweimal am Tag rauscht hier bislang auch noch der diese/bespannte E-Zug von Freiburg nach München durch. Kilometer lange Strecke Neustadt und Hüfingen eingeweiht, die 2,84 Kilometer lange Strecke von Hüfingen nach Donau­ eschingen in den Staatsbetrieb übernom­ men. Ganz im Gegensatz zu den Anstrengun­ gen, die heute unternommen werden müs­ sen, um die derzeitige Benachteiligung die­ ses später erstellten Streckenabschnittes wie­ der auszugleichen, hatte die Eisenbahn zwi­ schen Neustadt und Donaueschingen eine wesentlich günstigere, weil bei weitem nicht so steile Trassierung bekommen. Möglich wurde dies durch zahlreiche Kunstbauten und die Bögen über Bachheim und Hausen vor Wald. Allein vier Tunnels durchziehen auf 6, 7 5 Kilometern Länge den verwitterten Granit zwischen Kappel­ Gutachbrücke und Rötenbach. Der 535 Meter lange Dögginger Tunnel zwischen Unadingen und dem heutigen Stadtteil Bräunlingens durchquert bekanntlich die europäische Hauptwasserscheide zwischen Rhein und Donau, und somit zwischen Nordsee und Schwarzem Meer. Doch der ursprüngliche Vorteil verkehrte sich ins Gegenteil, als in den dreißiger Jahren die Höllentalstrecke für eine versuchsweise Elektrifizierung mit einem heute bei Ober­ leitungen gar nicht mehr gebräuchlichen System auf SO-Hertz-Basis auserkoren wur­ de. Wegen der für dieses Experiment nur begrenzt zur Verfügung stehenden Kapazitä­ ten konnte nur ein Teil der Gesamtstrecke, nämlich der von Freiburg nach Neustadt und Seebrugg elektrifiziert werden. Erst 1960 wurde die Strecke auf die allgemein übliche 16-Zwei-Drittel-Hertz Hochspannung um­ gestellt. 1977 wurde die Schwarzwaldbahn von Offenburg nach Konstanz elektrifiziert. Übrig blieb der zwischen beiden Trassen lie­ gende, rund 40 Kilometer lange Abschnitt zwischen Neustadt und Donaueschingen. Eine „Diesel-Insel“, wie sie die Bahner fortan 323

Kreuzungspunkt Hüfingen: auf der eingleisigen Strecke könnten die Züge der City-Bahn hier im Ein­ stundentakt im Begegnungsverkehr aneinander vorbeifahren. zu stehen: auf einhundert Millionen Mark kam die Bahn mit ihren Berechnungen. Die Preissteigerungen der vergangenen Jahre miteingerechnet, käme man heute sogar auf rund zweihundert Millionen Mark Bauko­ sten. Damit mochte man sich beim Pla­ nungsverband Schwarzwald-Baar-Heuberg nicht zufriedengeben. Der gordische Kno­ ten jedoch schien erst durchschlagen, als sich die Erkenntnis durchsetzte, daß es nicht darum ging, die City-Bahn so schnell wie möglich zwischen den beiden Oberzentren Villingen-Schwenningen und Freiburg ver­ kehren zu lassen, sondern nach dem von den Schweizern vorexercierten Fahrplanprinzip nur „so rasch wie nötig“, um die besten Anschlüsse an den jeweiligen Endpunkten der Fahrtstrecke zu erreichen. Schlagartig reduzierten sich die Kosten, als die in Auf­ trag gegebene Studie sich an der neuen Vor­ gabe orientierte. Nahverkehrsexperte Ulrich Grosse, der sich mit den Fahrplänen befaßte, nannten, denn aufgrund des auf dieser Länge fehlenden Fahrdrahtes mußten jetzt ständig die Lokomotiven gewechselt werden. Von Freiburg fuhren und fahren auch heute noch die kräftigen E-Loks nach Neustadt, und dort wird dann die schwächere Diesellok vorge­ spannt, um bis nach Donaueschingen und zur wieder elektrifizierten Trasse der Schwarzwaldbahn zu kommen. So rasch wie nötig Dabei ist schon vor elfJahren erstmals die Hoffnung aufgekommen, daß die eingleisige Strecke auf absehbare Zeit mit einer Oberlei­ tung ausgestattet werden könnte: In Zusam­ menhang mit den Bemühungen zum Aus­ bau der B 31 ließ die Bundesbahndirektion in einer Studie die Elektrifizierung und eine Begradigung im Abschnitt zwischen Kappel­ Gutachbrücke und Döggingen mit drei Tun­ nels prüfen. Allein, der finanzielle Aufwand schien in keinem Verhältnis zur Zielsetzung 324

und das Tuttlinger Ingenieurbüro Breinlin­ ger (Bautechnik) leisteten gute Arbeit. Die Tuttlinger hatten einige Jahre zuvor schon einmal ihre „Visitenkarte“ abgegeben. Als die Bahn die Strecke Villingen-Schwen­ ningen-Rottweil stillegen wollte, weil ihr zwei Millionen Mark für eine neue Brücke bei Deißlingen zu viel waren, kam der Pla­ nungsverband mit einem Gegengutachten der Ingenieure, die eine einwandfreie Sanierung vorschlugen, auf nur 116.000 Mark. Die Stille­ gung war somit vom Tisch. Wie würde es dies­ mal aussehen, wenn es um die City-Bahn ging? Im Herbst 1990 war die 50.000 Mark teure Untersuchung fertig. Das Geld dafür erwies sich tatsächlich als gut angelegt, denn auch hier wurde es billiger. Favorisiert wurden nun die Einrichtung des bislang fehlenden Fahrdrahtes und der Bau einer Doppelspur­ insel zwischen Neustadt und Kappel­ Gutachbrücke. Ganze 22 Millionen Mark blieben von den vormals einhundert Millio- nen noch übrig. Lediglich bei einer Optimie­ rung der Reisezeit durch einen Tunnel zwi­ schen Kappel-Gutachbrücke und Röten­ bach kämen weitere 50 Millionen hinzu. Der allerdings ist für ein Funktionieren des Kon­ zeptes nicht unbedingt erforderlich. Interessengemeinschaft gegründet Trotzdem sollten nochmals anderthalb Jahre anstrengender Verhandlungen mit der Bundesbahn, dem Land Baden-Württem­ berg und den zu beteiligenden Kommunen vergehen, bis zumindest über die Grund­ sätze des neuen Verkehrskonzeptes Einver­ nehmen erzielt werden konnte. Am 11. März 1992 konnte man sich endlich an die Grün­ dung der Interessengemeinschaft City-Bahn wagen. Landrat Dr. Rainer Gutknecht wurde an diesem denkwürdigen Tag zum Vorsitzen­ den gewählt, Rainer Kaufmann vom Re­ gionalverband Schwarzwald-Baar-Heuberg zum Geschäftsführer bestellt. Bahnhof Kappel-Gutachbrücke: nach den Vorstellungen des Regionalverbandes wäre hier eine zweite Ausweichstrecke möglich. 325

Bald wieder mit Wendezügen, Oberleitung und E-Loks? Die Strecke Freiburg-Villingen-Schwenningen ist bislang lediglich zwischen Freiburg und Neustadt elektrifiziert. Der Abschnitt Neustadt-Donau­ eschingen soll folgen. Nun galt es die nächsten Hürden zu neh­ men: wer zahlt in einer Zeit, in der die öffent­ liche Hand zunehmend um die Deckung ihres Finanzbedarfes und die Bewältigung der dringendsten Aufgaben besorgt sein muß? Die Betreiber des City-Bahn-Projektes hatten mit weiteren Schritten nicht zuletzt auf die Neufassung des Gemeindeverkehrs­ finanzierungsgesetzes (GVFG) warten müs­ sen. Das sah nach der im Bundesrat verhan­ delten Umverteilung der Steuergelder jetzt auch die intensive Förderung_ des Öffentli­ chen Personennahverkehrs (OPNV) außer­ halb von Verdichtungsräumen vor. Wer die seit den siebziger Jahren Zug um Zug ausgebauten $-Bahnsysteme großer Bal­ lungsräume wie Stuttgart, München oder Hamburg vor Augen hatte, der hatte sich angesichts der -zig Millionen, die dort flos­ sen, über die stiefmütterliche Behandlung 326 der ländlichen Gebiete ohnehin nur wun­ dern können. Widersprach der hier angetre­ tene Rückzug doch im Grunde einer Struk­ turpolitik, die zum Ziel haben mußte, in wei­ ten Teilen des Landes annähernd gleiche Lebensbedingungen herzustellen. Jetzt, nach der Neufassung des GVFG, kämpft die Bahn zwar immer noch ums Überleben. Aber Zweckverbände, denen schon seit längerem angeboten wurde, doch Wagenmaterial und Strecken einfach von der Bahn zu mieten, haben jetzt die Mög­ lichkeit, sich an den Investitionen zu beteili­ gen. Trumpf der City-Bahn: übernimmt das Land die Kosten für die Elektrifizierung, wie auch auf dem Abschnitt Singen-Schaffhau­ sen, ist der Löwenanteil bereits abgedeckt. Dafür spricht die Aufnahme des Projektes in den Bundesverkehrswegeplan und in das Schienenkonzept des Landes Baden-Würt­ temberg. Selbst wenn die Investitionen für

die günstigste Variante der City-Bahn, wie von der Bundesbahn immer wieder behaup­ tet, von 22 auf 32 Millionen steigen, hätten die Gebietskörperschaften und Gemeinden immer noch eine reelle Chance, das Projekt zu verwirklichen. Kosten-Nutzen-Analyse Nicht zuletzt nämlich haben sich die Gut­ achter der City-Bahn-Studie die Mühe einer aufwendigen Kosten-Nutzen-Analyse ge­ macht. Die im Vergleich zum Dieseltriebwa­ gen höheren Betriebskosten einer E-Lok mit Wendezugeinheit samt Personalkosten wur­ den hochgerechnet, 350.000 Mark für den behindertengerechten Umbau eines Wag­ gons samt Mini-Kiosk, und sogar die Kosten für die tägliche Wagenreinigung und -kon­ trolle miteinbezogen. Die Volkszählung von 1987, bei dei unter anderem auch ermittelt wurde, wer an wel­ chem Ort arbeitet und welches Verkehrsmit- tel für die Anfahrt nutzt, wurde konsequent ausgewertet, um zu erfahren, wieviele Men­ schen die City-Bahn nutzen könnten, wenn sie nur attraktiv und schnell genug wäre. Rein statistisch gesehen kamen die Nahver­ kehrsexperten auf einen potentiellen Kun­ denkreis von 3587 zusätzlichen Interessen­ ten. Weil sich bei einer besseren Bedienung der Strecke weitere Fahrgäste aus dem Raum Konstanz-Singen das Umsteigen auf die Schiene überlegen könnten, würde es even­ tuell schon genügen, wenn nur 180 Pendler ihren eigenen fahrbaren Untersatz gegen den freundlichen Zug der Bahn eintauschen. Kommt hinzu, daß das City-Bahn-Projekt um die Strecke von Villingen-Schwenningen nach Rottweil verlängert werden soll, der Einzugsbereich sich also nochmals vergrö­ ßert. Klaus Koch Der Text wurde unter freundlicher Mitwirkung von Rainer Kaufmann, Geschäftsführer der Interessengemeinschaft City-Bahn, erstellt. Blick von der Eisenbahnbrücke in Donaueschingen Richtung Osten: hier mündet die obere Höllental­ bahn von Neustadt kommend in die Schwarzwaldbahntrasse Offenburg- Konstanz (links). 327

Heimische Tierwelt, Umwelt Das Damwild Seine Entwicklung Unter all den bei uns vorkommenden Wildarten hat das Damwild in der Baar eine hohe Bedeutung und eine weit zurückrei­ chende Geschichte. Durch fossile Geweih­ funde wird nachgewiesen, daß das Damwild in den letzten beiden Zwischeneiszeiten in Mitteleuropa gelebt hat und mit der letzten Eiszeit zurückgedrängt wurde nach Klein­ asien. Somit war diese Wildart aus Europa verschwunden. Doch die Wiedereinbürge­ rung des Damwildes begann schon in früh­ geschichtlicher Zeit im Mittelmeerraum. Später brachten es die Römer nach Mittel­ europa und die Kreuzritter, hauptsächlich wegen dem Geschmack des guten Wildprets, nach England, wo heute noch das größte Damwildvorkommen zu finden ist. Vom Mittelalter ab wurde das Damwild in zunehmendem Maße in herrschaftlichen Wildparks gehalten. Über die Gehegehal­ tung, für die sich diese Wildart besser als jedes andere Schalenwild eignet, kam auch die Einbürgerung in die freie Wildbahn, so daß wir heute lokale Damwildvorkommen in vielen Landesteilen Deutschlands und in fast allen europäischen Ländern vorfinden. In der Bundesrepublik hat das Damwild vor allem in den letzten 20 Jahren sprunghaft zugenommen. Das meiste Damwild findet man in Schleswig/Holstein und Niedersach­ sen. Das bedeutendste Damwildrevier in Europa ist Gyulay in Ungarn. Die zunehmend geförderte Verbreitung dieser Wildart ist in erster Linie darin begründet, daß es weniger Schaden anrichtet an Forstkulturpflanzen wie z.B. das Rotwild. Schälschäden wurden bisher nur bei über­ höhter Wilddichte festgestellt. Der Lebens­ raum des Damwildes ist nicht an große geschlossene Waldungen gebunden, er ent­ spricht etwa dem des Rehwildes. 328 Weißes Damwild wird verhältnismäßig sehr sel­ ten geboren. Wenn, wird es im Jugendalter erlegt, um den Bestand in den Wildfarben zu erhalten. Schwarzes Damwild wirkt in der freien Wild­ bahn nicht störend und wird,je nach Güte und Gesundheitszustand, gehegt.

Damwild im Unterhölzer Wald Die Jagd auf Damwild wird oft von den Jägern unterschätzt, da viele Jäger diese Wildart nur als Gatterwild kennen. In freier Wildbahn weiß das Damwild seine scharfen Sinne zu gebrauchen und macht es dem Jäger schwer, auf das richtige Stück zu jagen. Wie erwähnt, so geht auch das Damwild­ vorkommen an der oberen Donau auf ein Gatter zurück. 1781 wurde im Unterhölzer Wald ein etwa 320 ha großes Gatter angelegt, der sog. kleine Tiergarten. Der ausgesetzte Bestand wuchs schnell an und zählte 1810 bereits 150 Stück. 1812 wurde das Unterhöl­ zer Gatter auf 500 ha erweitert. Diese Gestalt und Größe ist im wesentlichen bis 1918 erhal­ ten geblieben.1902 wurden 200 Damhirsche und 310 Kahlwild (weibliche) gezählt. Im Dezember 1918 durften zurückziehende Truppen, die sich in den umliegenden Dör­ fern einquartiert hatten, für ihre Versorgung einige Stücke Damwild erlegen. Dieses Ent­ gegenkommen wurde aber in einem Maß ausgenützt, daß nur wenige Stücke übrigblie­ ben. Diese konnten durch den beschädigten Zaun fliehen und sich in den umliegenden Wäldern heimisch machen. 1935 entstand auf dem Wartenberg erneut ein kleines Gat­ ter, in das man 10 Stück Damwild, darunter Wildfarbener Damwildspießer, einjährig, mit sehr guter Veranlagung. Im Mai zeigt diese Altersgruppe bereits sein vo[lständiges, aber noch nicht vom Bast befreites Ersllingsgeweih. Ein außerordentlicher Damschaujler, erlegt in der Baar. Die Jagd ist Auslese und Grundlage für die Erhaltung des Damwildes in der Region. Sie dient dem Wild, der Land- und Forstwirtschaft. Im Juni werden, meist an ruhigen Plätzen in Alt­ hölzern mit angrenzenden Wiesen, die Kälber gesetzt. 329

Dort kam es mit dem Rest des früheren Bestandes zusammen und war hauptsäch­ lich im Gebiet des Unterhölzer Waldes zu beobachten. Damit begann die Neuge­ schichte des freilebenden Damwildes in unserer Region. Mit zunehmender Siedlungsdichte drängte das Damwild ab Mitte der fünfziger Jahre im zeitigen Frühjahr in die Reviere auf den Baldinger und Geisinger Bergen, dem Amtenhausener Berg und in die Reviere lmmendingen-lppingen sowie Öfingen. Im Herbst kehrt der größte Teil auf die Brunft­ plätze und die Wintereinstände im Unter­ hölzer Wald zurück. Auf Grund seiner bewährten Vorzüge war man bemüht, die­ sem Wild eine Daseinsberechtigung in den Wildbahnen zu schaffen und es maßvoll zu hegen. Diese Bemühungen kamen zunächst darin zum Ausdruck, daß das ehemalige Kreisjagdamt Donaueschingen alljährlich eine besondere Abschußplan-Besprechung für diese Wildart durchführte, zu der alle Reviere, sei es auch nur mit gelegentlichem Damwildvorkommen, eingeladen waren. Das Hegeziel ist, gesundes und starkes Wild für die Wildbahn zu erhalten. einen schwarzen Schaufler, einsetzte. Dieses Gatter wurde 1945, auf Grund der Erfahrung aus dem 1. Weltkrieg, vor dem Zusammen­ bruch aufgelöst und das Damwild in die freie Wildbahn entlassen. Rufend hält der Platzhirsch das Brunftmdel zusammen. 330 1973 folgte die Gründung einer einheitli­ chen Hegegemeinschaft für das gesamte Damwildverbreitungsgebiet im oberen Donautal. Die jährlichen Zusammenkünfte dienten dem Austausch von Erfahrungen, Beobachtungen und der Erweiterung des Wissens um das Damwild. Angestrebt wird durch die Bejagung ein Geschlechterverhält­ nis von 1:1, eine Altersgliederung, die nach­ haltig einen genügenden Anteil erfahrener Muttertiere und reifer Hirsche gewährleistet. Der gute Schaufler sollte mindestens 8 -10 Jahre alt werden. Betrachtet man die verhält­ nismäßig kleine Damwildpopulation im Unterhölzer Wald, so werden die qualitati­ ven Möglichkeiten dieser Wildart mit eini­ gen erlegten Weltspitzenhirschen dokumen­ tiert. Abgesehen von dieser Trophäenbewer­ tung, die für einen gesunden Zustand des Wildes spricht, bringt das Damwild mit jedem Stück eine erfreuliche und wohl ver­ tretbare Bereicherung unserer Wildbahnen.

Hirschrudel im Sommer mit Bastgeweih. Zur Brunftzeit im Oktober trennen sich für die Zeit der Brunft die Kälber von den Alttieren. Hirschrudel im Frühsommer mit Bastgeweih. 1975 steht über der weiteren Entwicklung dieser Wildart ein großes Fragezeichen mit der im Dezember in Betrieb genommenen, entlang des Unterhölzer Waldes verlaufen­ den Autobahn. Diese durchschneidet die in die Frühjahrs-und Sommereinstände und die zurückführenden Wechsel des Damwil­ des. Das Autobahnamt wurde durch alle Alttiere mit ihren Kälbern. möglichen Instanzen darauf aufmerksam gemacht. Nach langen Bemühungen wur­ den auf Grund einer bundesweiten Regelung Wildschutzzäune zwischen Unterbaldingen und Geisingen aufgestellt. Der Wilddurch­ lass an der Kötach ist nicht wildgerecht und wurde nicht angenommen. So entsteht eine neue Grundlage für das Damwild im Unter-331

hölzer Wald. Dem Damwild wurden die Wechsel zu den großen Waldungen der Gei­ singer Berge genommen. Da e im Sommer höher gelegene Landschaft bevorzugt, weicht es jetzt auf den Wartenberg aus, wo es erheblichen Schaden an den landwirtschaft­ lichen Nutzpflanzen bringt. Wildschutz­ maßnahmen und ein der Revierfläche ange­ paßter Wildbestand hat dem Damwild seine Existenz gesichert. Der derzeitige Frühjahrs­ bestand wird auf ca. 100 bis 120 Stück geschätzt. Verhalten des Damwildes Waldungen mit angrenzenden Feldern und Wiesen ist der Lebensraum dieser Wild­ art. Damwild lebt gerne gesellig, meist sind Hirsch- und Kahlwildrudel getrennt. Es ist ein sehr tagaktives Wild. Der Gesicht sinn übertrifft alle bei uns vorkommenden Wildarten. Besonders die Alttiere, die sich für das Rudel verantwort­ lich fühlen, sichern sehr oft beim Äsen. Leittier ist immer ein Kalb führendes Alt­ tier. Verliert es ihr Kalb, tritt das nächste füh­ rende Tier als Leittier an dessen Stelle. Markant beim Damwild ist der sich immer in Bewegung befindende schwarze Wedel. Die Körperlänge eines Hirsche beträgt ca. 1,40 m, seine Schulterhöhe ca. 1,20 m. Beim Damwild sind die Farbvarianten schwarz-weiß und wildfarben zu erwähnen. Weißes Damwild ist in der freien Wildbahn nicht erwünscht. Die Brunftzeit des Damwildes fällt in die letzten Tage des Oktobers bis Mitte Novem­ ber. Vor der Brunft trennen sich nach dem Verfegen des Bastgeweihes die Hirsche aus dem Sommerrudel, um sich in der Feistzeit im September für die Brunft zu stärken. Die Schaufler werden zu Rivalen und kämpfen untereinander, um Platzhirsch auf den Brunftplätzen zu werden, wo Alt- und Schmaltiere sich einfinden. In unserer dichtbesiedelten Landschaft findet die Brunft hauptsächlich in den frü­ hen Morgen- und späten Abendstunden statt. Der Brunftbetrieb beim Damwild ist sehr lebhaft. Rufend, mit immer wippendem Haupt, versucht der Platzhirsch das Kahl­ wildrudel zusammen zu halten. Durch wie­ derholtes Eindringen der Beihirsche in das Rudel, kommen auch diese manchmal schwächeren Hirsche zum Beschlag der Tiere. Nach der Brunft bilden sich wieder Hirsch-und Kahlwildrudel über den Winter. Im April beginnt die Abwurfzeit der Geweihe. Die alten Hirsche werfen ihre Geweihe zuerst ab, die jüngeren folgen. Bis Mitte Mai beginnen die Hirsche mit dem Neuaufbau ihres Schaufelgeweihes, das bis zum August wieder vom Bast, der den Auf­ bau gewährleistet, befreit ist. Im Juni werden die Kälber geboren. Zu dieser Zeit trennen sich die Alttiere, um nur für ihren Nachwuchs zu sorgen. Erich Marek Der Bienenlehrstand in der Retsche in Triberg Der Platz hätte nicht besser gewählt wer­ den können, er liegt in unmittelbarer Nähe der Stadt Triberg, im Naherholungsbereich und doch in herrlicher Abgeschiedenheit, eine Oase der Ruhe ist man versucht zu sagen. Ein Glücksfall, daß der „Linden­ grund“ als städtisches Gebiet zur Verfügung gestellt werden konnte. Doch ist freier Flug in einsame Gefilde nicht die einzige Bedin­ gung für das Wohlbefinden der Bienen und ihr Gedeihen. Eine reiche, überreiche Flora der Wiesen in der Umgebung erwartet sie. Wo wäre auch eine Stelle zu finden, wo Hasel, Weide, Ahorn, Eiche, Birke, Ulme, Zitterpappel, Fichte, Tanne, Kiefer und Dou­ glasie auf engem Raum beieinanderstehen 332

und als Bienenweide genutzt werden kön­ nen. Für weitere „Bienenpflanzen“ haben die Imker um den Lehrbienenstand herum gesorgt. Beste Grundlage dafür stellt -weni­ gen nur bekannt – die besondere Triberger Geologie dar, verursacht durch die Kessel­ bergverwerfung, einen Nährboden für die vielfältige Botanik. Immer noch nicht genug. Auch die Bienen brauchen Wasser und selbst daran hat die Natur gedacht. So war zu erwarten, daß die Bienenvölker, die 1986 dort probeweise aufgestellt wurden, ihre „Heimat“ annehmen würden. Das Ergebnis des dreijährigen Experiments ließ den Gedanken Wirklichkeit werden, in der Retsche den Imkern die Möglichkeit der Zusammenkunft zu bieten, eine gemein­ same Betriebsweise zu finden und das Leben der Bienen zu demonstrieren. Bei der Wahl des Platzes erhielt der Bezirksimkerverein 1864 e. V. Triberg maßgebliche Unterstüt­ zung durch Revierförster Forstamtmann Berthold King und dem Naturschutzbeauf­ tragten Oberforstdirektor Ludwig Heneka vom Staatlichen Forstamt Triberg. Die Idee stammte von Franz Nock, dem „Steinfranz“, dem Vorstand des Imkervereins Triberg. Der langjährige, erfahrene Imker wollte zeigen, daß die Biene keine „Horroreinrichtung der Natur“, wie er selbst formulierte, ist, sondern ein höchst menschenfreundliches Wesen. Sie bringt den Honig, erzeugt das Wachs, verklebt die Ritzen mit Propolis (das neuer­ dings zu Heilzwecken verwendet wird) und übernimmt vor allem die Bestäubung der Pflanzen. Die Idee eines Vereinsstandes, einmal in der Welt und von allen Vereinsmitgliedern getragen, wurde in die Tat umgesetzt. Das Bauwerk mußte wie ein Wohnhaus alle Sta­ dien von der Planung bis zur Genehmigung durchlaufen. Den Plan fertigte nach den Vor­ gaben von Franz Nock Zimmermeister Her­ mann Schwer. Der Bauantrag wurde vom Gemeinderat Triberg gutgeheißen, der Plan erfuhr durch Bezirksbaumeister und Land­ schaftsbeauftragten seine Genehmigung, freilich verfügten sie eine landschaftsge- 333

1965 die „Malerklause“ stand. Das Gebäude war aufgegeben und auf Veranlassung der Stadtverwaltung abgebrochen, das Gelände eingeebnet worden, aber irgendwo mußte noch der alte granitene Brunnentrog tief im Erdreich verborgen sein. Man suchte, suchte mit dem Bagger (Friedolin Müller stellte ihn kostenlos zur Verfügung) und entdeckte ihn in zwei Meter Tiefe an der Kellerwand des damaligen Gebäudes. Das Heben des Trogs mußte mit besonderer Sorgfalt geschehen. Es gelang ohne Beschädigung unter der sach­ kundigen Führung von Alfred Hug. Jetzt ruht er auf einer stabilen Betongrundlage. Damit ist er seinem ursprünglichen Zweck wieder zugeführt – zur Freude eines jeden Besuchers. Den hölzernen Brunnenstock stiftete Paul Schwer. Die Quelle ist von üppi­ ger Ergiebigkeit und versiegt auch in trocke­ nen Sommern nicht. Von der Leitung aus wird auch eine Bienentränke unterhalten. Große Anstrengung kostete die Wasserfüh­ rung, die O!iellfassung, das Ausgraben mit dem Bagger, die Restaurierung des Haupt­ reservoirs, in dem das Backsteingewölbe ein­ gebrochen war, zusätzlich waren zur Sicher­ heit zwei Ringe aufzubringen. Das Graben für die Wasserrohre mußte zu einem Viertel der Strecke bis zum Brunnenstein von Hand erfolgen -Paul Schwer und Peter Reuter leg­ ten sich ins Zeug – die alte Leitung wurde stillgelegt. Die biologische und chemische Wasseruntersuchung erbrachte ein einwand­ freies Ergebnis. Um das Gelände wieder ein­ zuebnen und mit Humus (70-80 Kubikme­ ter) abzudecken, stellte Alfred Hug seinen Traktor zur Verfügung, nachdem sich her­ ausgestellt hatte, daß die Arbeit mit dem Schubkarren zu langsam vor sich ging und zu mühsam war. Für den Garten hatte er einen Wagen voll Stallmist aus Gremmels­ bach angefahren. All dies bedeutete für den „harten Kern“ von Nocks Mitarbeitern (Paul Schwer, Alfred Hug, Peter Reuter, Josef Schwarz, Josef Kuner, Ewald Paul, Robert Pretzer, Konrad Brucker, Stefan Hug) Schwerstarbeit am „Feierabend“ und am Samstag, die bis an den Rand der Erschöp- rechte Bauweise, das hohe Satteldach als Hausform – eine teurere Lösung, als sie der Verein vorgesehen hatte. Bauen oder nicht bauen, das war jetzt die Frage. Im Vertrauet‘ auf die Mitarbeit aller, auch auf Geld- und Materialspenden, nahm der Verein die große finanzielle Belastung, Vorstand Nock die Verantwortung auf sich. Ohne Idealismus und Begeisterung für ein hohes Ziel wäre das Werk in der Planung steckengeblieben. 4000 freiwillige Arbeitsstunden leisteten Mitglie­ der und Freunde des Vereins von der Aus­ schachtung bis zur Einweihung. Da wurde gesägt, genagelt, betoniert, gemauert unter der Leitung von Maurerpolier i. R. Erwin Salinger. Der Holzaufbau lag in der Regie von Zimmermeister Schwer, beim Abbinden und Aufstellen wurden 15 Mann gebraucht. Dabei kamen dem Verein Holzspenden der Mitglieder von insgesamt 22 fm zugute. Noch erinnerte man sich daran, daß exakt an der Baustelle in früheren Jahrzehnten ein­ mal das Gasthaus „Lindengrund“, später bis 334

fung ging. JosefKuner schnitt für die Innen­ räume die Platten zu und verlegte sie. Das Tüpfelchen auf dem i ist aber ein Steingarten vor der Flugwand des Bienenhauses und ein Blumengarten um das Haus -die Arbeit von Frau Tilly Nock und Frau Rosa Hug. Und bei jeglicher Arbeit waren Franz Nock und sein Stellvertreter Paul Schwer anwesend, jeder­ zeit tatkräftig zupackend. So ist ein Werk geschaffen worden mit dem Gemeinsinn und der Mühe vieler, ein Werk, das nun Früchte trägt. Wem es nicht möglich war selbst Hand anzulegen, der machte eine Geld- oder Holzspende. Einge­ richtet ist der Bienenstand für 16 Bienenvöl­ ker (Wirtschaftsvölker} und 20 Jungvölker (Ableger, Schwärme). Bereits 18 Bienen­ stöcke sind aufgestellt, und das erste Ertrags­ jahr brachte schon eine gute Honigernte. Eingeführt ist die „Carnica“-Biene, eine Züchtung, die vom sprichwörtlichen Bie­ nenfleiß geprägt ist und sich durch Sanft­ mut, also verminderte Stechlust auszeich­ net, aber gerade deswegen gegen Krankhei­ ten nicht in erwünschtem Maß resistent ist. Die Bienen wohnen nicht nur in herkömmli­ chen Bauten, sondern auch in denkbar fort­ schrittlichen Wohnungen. Das ist kein Witz! Franz Nock hat in siebenjähriger Experi­ mentierarbeit ein Magazin entwickelt, das bahnbrechend sein dürfte. Bis zu fünf Zar­ gen werden übereinandergestellt und stabil miteinander verbunden, so daß der Imker auch mit ihnen „wandern“ und der Sturm ihnen nichts anhaben kann. Besonders zweckmäßig hat Nock den „Futtergang“ im Innern des Stockes ausgetüftelt und dabei die Wärme im Bienenvolk berücksichtigt, ohne die es Schaden nehmen müßte. Die Futterschale faßt 81. Für die Größe des Wabenrähmchens wählte Nock das alte Freudensteinmaß, ver­ hältnismäßig kleine Waben, da diese in kür­ zerer Zeit gefüllt sind, der Honig schneller reift und geschleudert werden kann. Das Allerpraktischste aber dürfte das Flug­ schild in seiner Dreiecksform sein. Die je ver­ schiedene, sehr helle Farbe erleichtert den Bienen die Orientierung vor dem Stand. Je nach Drehung der Platte sind neben dem totalen Verschluß vier Größen der Flugöff­ nung einschließlich Winterstellung (Mäuse­ sicherung} möglich. Seine Neuentwicklung hat er als Patent und Gebrauchsmuster ange­ meldet. Vorstand Nock sieht für die Bienenzucht in der Raumschaft Triberg eine vielverspre­ chende Zukunft voraus. Nicht nur, daß junge, aktive Mitglieder zum Verein gesto­ ßen sind, er ist sicher, daß unabhängig von der wirtschaftlichen Konjunktur der gute Schwarzwaldhonig immer seine Liebhaber und Käufer finden wird. Die Sensibilität für die Erhaltung der Natur ist in der Gesell­ schaft geweckt, so auch das Interesse an der heimischen Fauna und Flora. Nock sieht im „Lindengrund“ einen „Wallfahrtsort für Naturbeobachter“ (er ist selbst einer der auf­ merksamsten) voraus, denn mit zunehmen­ dem Hecken- und Staudenbestand wird man in Ruhe aus der Nähe die Welt der Insekten 335

betrachten können. Schon jetzt wird ein ver­ mehrtes Hummel- und Schmetterlingsauf­ kommen um das Bienenhaus festgestellt, die reiche Bienenweide deckt auch ihren Tisch. Bestärkt wird Nock in seinem Optimismus noch durch Imkerfeste im „Lindengrund“, die in der Einwohnerschaft freundlichen Zuspruch fanden. Organisiert wurden sie von Vereinsmitglied Ludwig Herr. Da jetzt die Zufahrt immer instandgehalten wird, wird sie auch von Radfahrern benützt, Rent­ ner machen ihren Spaziergang zum „Lin­ dengrund“, Hundehalter führen ihre Lieb- linge aus, junge Mütter kommen mit Klein­ kindern, auch Kurgäste haben diese Zufahrt als Wanderweg entdeckt. So kann man ohne Übertreibung von einem weiteren gern ange­ nommenen Naherholungsgebiet für Triberg sprechen. Nock rechnet auch mit dem Besuch von auswärtigen Imkervereinen, von Schulklassen aller Schularten im Bienen­ haus, selbst von Kindern im Kindergarten­ alter. Wer auch immer sich aus Interesse ein­ findet, er ist willkommen. Karl Volk Die Energie kommt von der Sonne Energiesparen ist zum Motto der 90er Jahre geworden. Ständig werden in Zeitun­ gen und im Fernsehen Tips gegeben, wie jeder einzelne im Haushalt und beim Auto­ fahren Energie einsparen kann. Auch Politi­ ker appellieren immer wieder, mit der wert­ vollen Energie aus Rohstoffen sparsam umzugehen. Trotzdem ist der Energiever­ brauch in der Bundesrepublik in den letzten Jahren ständig gestiegen, ist der C02-Aus­ stoß vergrößert worden und das Ozonloch demzufolge bedrohlich gewachsen. Ernstgemacht mit dem Energiesparen hat dagegen das St. Georgener Lehrerehepaar Hacker mit seinen zwei Kindern, das es nicht nur bei kleinen Versuchen belassen, sondern möglichst in der Praxis alle Tips ausprobie­ ren wollte. So wurde mit privaten Geldmit­ teln und fast nur in Eigenleistung das ältere Wohnhaus mit verschiedenen Anlagen zu einem „Halbenergiehaus“ umgebaut, das heißt, die Familie Hacker will mit ihren Anlagen versuchen, den Energiehaushalt zu halbieren, ohne auf den gewohnten Komfort zu verzichten. Nach drei Jahren der Planung, vieler Tests und auch Mißerfolgen ist es ihnen fast gelungen, dabei werden jährlich einige Tonnen an Abgasen eingespart. Nach der Heizungsmodernisierung fiel dem Hausherrn auf, daß der Kessel im Som- 336 mer immer wieder ansprang, wenn nur wenige Liter Warmwasser erzeugt werden mußten, also auch der neue Kessel im Som­ mer wenig umweltfreundlich arbeitete. Auf Messen, in Fachzeitschriften und im TÜV­ Test informierte sich das Ehepaar nun über Warmwasser-Solaranlagen, die von den jeweiligen Herstellern zum Teil übertrieben gepriesen wurden. Nach einem Reinfall mit einem preiswerten Messemodell entschied man sich dann für eine Flachkollektor­ Anlage, die im TÜV-Test mit einem besten Preis-Leistungsverhältnis ausgezeichnet wor­ den war. Durch Selbstmontage konnte der Anlagenpreis mit Speicher bei 10.000 DM gehalten werden, was eine baldige Amortisa­ tion ermöglicht. Diese Warmwasser-Solaran­ lage übernimmt im Sommer die Aufwär­ mung des Brauchwassers zu 90 %, selbst im Winter unterstützt sie an Sonnentagen die Heizanlage. Dabei werden pro Jahr 1,5 Ton­ nen Abgase weniger abgegeben, was der Schwarzwaldluft zugute kommt. Nach den guten Erfahrungen in den ersten beiden Jahren mit der Sonnenenergie beschlossen Hackers, nun auch einen Teil ihres Stroms von der Sonne erzeugen zu las­ sen. Eine Batterieanlage schied aus Umwelt­ gründen aus, daher mußte die Photovoltaik­ anlage ans öffentliche Netz angeschlossen

vielen wasserspeichemden Pflanzen bewach­ sen ist. Regenwasser wird so der Kanalisation vor­ enthalten und an Trockentagen wieder in die Natur zurückgegeben; außerdem wirken die im Frühjahr üppig blühenden Pflanzen für viele Insekten wie ein Biotop. Im Gewächshaus, das mit der Abwärme aus dem Heizungskeller beheizt wird, wächst schon im Februar der Salat, die Fassade des Hauses wird von Efeu und echtem Wein geschützt, der sogar im Herbst den Kindern Trauben beschert. Künstliche Schwalbenne­ ster und andere Nisthöhlen helfen den Vögeln, die den Garten von Insekten freihal­ ten sollen. Im Gartenteich pausieren im Frühjahr Kröten auf der Durchreise, im Schnellkornposter reift aus Abfall die Erde für die Blumen heran. All dies wollte die Familie Hacker nicht allein für sich behalten, deshalb öffnete sie Haus und Garten immer wieder an Wochen­ enden für Besucher, die sogar von weither kamen, um sich beraten zu lassen. So sind mittlerweile durch die Aktivitäten des Ehe­ paares im Schwarzwald-Baar-Kreis über 50 Solaranlagen eingebaut worden; mit Freun­ den mußte ein „Solarteam“ gegründet wer­ den, um allen Anfragen nach Beratung nach­ kommen zu können. Belohnt wurde dieser Umwelteinsatz des Teams mit einem Preis beim Umweltwett­ bewerb des Kreises 1990. Wer sich für die beschriebenen Anlagen interessiert, kann sich zwecks eines Besuchs mit Familie Hacker unter der Telefonnum­ mer O 77 24/73 77 in Verbindung setzen. Günther Hacker 337 werden. Mit der EGT (Triberg) wurde ein Vertrag gemacht, und seither fließt der von den 10 Solarmodulen auf dem Dach und den 10, die im Garten der Sonne nachgeführt werden, erzeugte Strom ins öffentliche Netz, wenn er nicht selbst von der vierköpfigen Familie verbraucht wird. Nun werden bei Hackers möglichst bei Sonnenschein die großen Stromverbraucher wie Waschma­ schine und Spülmaschine (die übrigens auch mit warmem Solarwasser versorgt werden) eingeschaltet, um viel vom recht teuer selbst erzeugten Strom zu verbrauchen. Aber auch bei Regen freut sich die Familie Hacker, weil dann im Keller die Regenwas­ sertanks vollaufen, die die Toilette über ein Pumpsystem mit Wasser versorgen. Das spart kostbares Trinkwasser ein und entlastet beim Regenguß die Kläranlage, weil die Was­ sertanks wie kleine Regenrückhaltebecken wirken. Den gleichen Effekt hat das mit Lavagestein bedeckte Garagendach, das mit

Gastronomie Gastronomie-Nachwuchs in Bad Dürrheim im Wettbewerb: Von der feinen Art des Bedienens Gewinner sind nicht immer sympathisch, wer’s jedoch im Gastronomie beruf zum Sie­ gertypen bringen will, der muß schon Kön­ nen, Wissen, Charme, Motivation und Erfahrung einsetzen, um gar im Wettbewerb mit Gleichgesinnten den Pokal zu gewinnen. Eben grad so wie Rene Emmenegger aus Kreuzlingen, der den l. Junioren-Wettbe­ werb 1992 für den Nachwuchs in der Gastro­ nomie gewann, den der Verband der Servier­ meister und Restaurantfachkräfte (VSR) Sek­ tion Schwarzwald zu Beginn des Jahres zu einem außergewöhnlichen Ereignis werden ließ. Eine solche Veranstaltung läßt man sich nicht mehr nehmen – darüber waren sich Organisatoren, Veranstalter und Jurymit­ glieder nach zwei Tagen einig, und deshalb soJI auch 1993 die Wiederholung stattfinden. Und weil auch das Team um Hans-Ulrich Lochar, Karl-JosefWolfert, Karl Windhaber und Klaus Hofmann während mehrerer Monate alles daran gesetzt hat, Bedingungen und Voraussetzungen für einen Wettbewerb zu schaffen, bei dem nicht nur Leistung son­ dern auch Ablauf und Ausstattung große Bedeutung haben, wird wohl das Bad Dürr­ heimer Haus des Bürgers künftig jährlich Hummer im Wettbewerb: bei den 1. Internationalen Nachwuchs-Meisterschaften für den Serviceberef gehörte das Servieren und Anrichten eines Hummers zur sch1oierigen Pflichtaufgabe. 338

Winter im Schwarzwal.d: noch vor den lukullischen Genüssen kann das Augegenieflen, wenn im Wett­ bewerb um den Schwarzwald-Bodensee-Pokal beim Wettbewerb des Service-Nachwuchses die Tische ‚verzaubert‘ werden. einmal Treffpunkt für den internationalen Gastro-Nachwuchs sein. Damit wird auch der Schwarzwald­ Bodensee-Pokal, gestiftet von Landrat Dr. Rainer Gutknecht, zu einem attraktiven Symbol für die allerbesten Nachwuchskräfte aus Hotels und Restaurants in Frankreich, Belgien, Österreich, der Schweiz und der Bundesrepublik. Bei 20 Teilnehmern wäre dann die Zahl erreicht, die eine starke Jury als ‚Kapazität‘ leisten kann. Denn nicht nur Wettbewerber sind einzuladen, sondern auch Fachleute aus der Gastro-Szene, denen das Flair des „Haut­ gout“ anhaftet-feine Umgangsformen und Tischmanieren selbstredend inbegriffen … ! Da ist dann GrafErwein Matuschka Greif­ fenclau, Präsident der Charta Weingüter im Rheingau, genauso willkommen wie Agnese Broggini aus dem Tessin, die als eine der besten Köchinnen der Schweiz gilt. Aus der ‚Schicki-Micki-Szene‘ wird sich sicher auch wieder DetlefPrzybla aus Essen sehen lassen, der mit Stars und Sternchen auf ‚Du-und­ Du‘ ist, und aus Paris steht Henry Schimpf als Juror zur Verfügung, der beruflich die Fördergemeinschaft für französische Agrar­ produkte vertritt. Doch auch aus Baden sind Gastronomen vertreten, wenn der VSR-Sek­ tions-Chef Lochar um die Standesvertreter bittet, die sich der Jugendarbeit verpflichten: Berthold Siber vom „Seehotel“ in Konstanz oder auch Bärbel Martin vom „Ochsen“ in Schönwald, die 1988 bei den Weltmeister­ schaften der Restaurantfachleute Vizemei­ sterin wurde (vgl. Almanach 1989, Seite 262). Wettbewerb vor Publikum Am Prüfungstag heißt es dann: fünf Durchgänge in sechs Disziplinen, denn die erste wurde schon am Vorabend erledigt: das Eindecken eines Tisches für sechs Personen, 339

Strahlender Sieger: Rene Emmenegger aus dem nahen Kreuzlingen war der erste Sieger beim Nach­ wuchswettbl!’werb des VSR,für den der Landrat den Wanderpokal stiftete. für dessen Ausstattung der Prüfling selb t das „Reisebesteck“ und die Tischwäsche mit­ bringen muß … Bis zu drei Stunden kann dauern, was dem Gast allerfeinste Stimmung vermittelt – auch wenn er selbst die Regeln fürs Tischdek­ ken nicht parat hat. Da sind dem Gast und eben auch dem Juror begleitende Dinge ver­ trauter. In den Kategorien ‚Hummer‘, ‚Des­ sert‘, Dialog mit Gästen und Weinservice, Zigarren-Service und schließlich dem Tropi­ cal-Mixgetränk wird nämlich gewertet. Beim ‚Hummer‘ werden Arbeitsweise und Anrichteweise, die Wirtschaftlichkeit und das Mise en place bewertet, beim ‚Dessert‘ geht es um Sauberkeit, Präsentation und Kreativität, um Warenkenntnis und Geschmack, und wer auch selbst nicht raucht, muß bei der ‚Zigarre‘ deren Tabak, Provenienz und Produktbezeichnung ken­ nen. Gerät das „Anzündeln“ nach allerfein­ ster Manier, geschieht dies in der Hand des Servier-Fachmannes und der -Fachfrau mit Zündhölzern aus Zedernholz. 340 Wer vor Publikum nicht aus der Ruhe kommt und beim Getränke-Mix die erwarte­ ten Füllmengen im Glas serviert, hat dann die Arbeitsproben hinter sich und die Geduldsprobe vor sich. Spannung kommt schließlich auf, wenn die Juroren ‚Kür und Pflicht‘ in Punkten addieren: Preise für Mühen, Fleiß und zwei­ felsfreies Können sind dann wohl auch in den kommenden Jahren attraktive Reisen für die Erstplazierten an die Standorte für die Herstellung hochwertiger Genußgüter: Cog­ nac, Champagne, Bordeaux … Bleibt für die Tagesgäste bei der erstklassi­ gen Veranstaltung, sich auch künftig von Profis der Kochkunst verwöhnen zu lassen. Denn VSR und Verein der Köche Schwarz­ wald liegen im Verständnis um den Berufs­ stand ganz dicht beieinander und die Bri­ gade von Dieter Girg paßt ganz gut zu den Besten im Service! Wolfgang Bräun

Ein Michelin-Stern und Altendorf-Kulturpreis für den „Engel“ in Vöhrenbach Der „Engel“ in Vöhrenbach hat Tradition. Seit acht Generationen befindet sich das Haus in den Händen derselben Familie und seit jeher wird die exzellente Küche weit über die Grenzen Vöhrenbachs hinaus gelobt (vgl. Almanach 1984, Seite 228 ff.). Bis vor wenigen Jahren noch als „Geheimadresse“ in Gourmetkreisen gehandelt, hat die zeitge­ mäße, leichte Küche von Ursula und Rein­ hold Ketterer, basierend auf dem, was die Landschaft Baden einem Koch bietet, nun einen Bekanntheitsgrad und Standard erreicht, der Auszeichnungen der wichtig­ sten Fachzeitschriften und Restaurantführer nach sich zog. Eine über 13jährige Arbeit fand mit der Verleihung eines Michelin­ Sterns, der Aufnahme in die publizistische Förderung der Altendorf-Kulturstiftung Freudenstadt und einer „VIF-Eule“ die ver­ diente Würdigung. „Für einen Koch ist das das höchste, was er bekommen kann“, kommentiert Reinhold Ketterer seinen Michelin-Stern, der den „Engel“ schmückt, weil Ketterer zusammen mit seiner Frau Ursula gelang, was in Deutschland und darüber hinaus selten anzutreffen ist: Eine hohe �alität in Küche und Service und das konstant über Jahre hin­ weg. Seit zehn Jahren nämlich hat der Michelin über seine Kartenauszeichnungen die Arbeit der beiden Gastronomen gewür­ digt und ihr nun mit dem ersten Stern wei­ tere Motivation verschafft. Nun gehört der „Engel“ zum Kreis der gerade 200 Häuser in ganz Deutschland, die in die Michelin­ Spitzenklasse aufsteigen konnten. Ursula und Reinhold Ketterer mit Personal aus Service und Küche 341

Beide, Ursula und Rein hold Ketterer, sind darüber hinaus Ausbilder von Format. Wer ihre Schule durchläuft, das hat sich mittler­ weile herumgesprochen, gewinnt neben soli­ dem Fachwissen jenes ,Know-how‘, das für eine gastronomische Laufbahn unerläßlich i t. Der ,Engel‘ ist kein Luxusrestaurant. Er blieb und bleibt auch in der Stadt Vöhren­ bach integriert. Das hindert die Ketterers und ihre Mitarbeiter nicht daran, dem Gast hochgepflegte Gastronomie zu bieten. Die Region um Vöhrenbach weiß das zu schät­ zen. Der Feinschmecker ebenfalls.“ Soweit die Altendorf-Kulturstiftung in ihrer Würdigung. Mit 16 von 20 möglichen Gesamtpunkten schneidet der „Engel“ je­ doch auch im Te t der gastronomischen Zeitschrift „Vif Gourmet-Journal“ hervorra­ gend ab. Diese außerordentliche Einstufung sichern dem „Engel“ und Vöhrenbach inter­ nationales Renommee, denn der VIF­ Restaurantführer er cheint in einer Auflage von 50 000 Exemplaren in ganz Europa. Neben der herausragenden Küche Rein­ hold Ketterers, entdeckten auch die Vif­ Tester die �alitäten der Vinologin Ursula Ketterer und loben die Weinkarte, die 180 Gewächse aus deutschen, französischen, ita­ lienischen, spani chen und österreichischen Anbaugebieten enthält. Der „Engel“ macht international von sich reden und die Land chaft Schwarzwald-Baar freut sich mit Ursula und Reinhold Ketterer. Wilfried Dold Derweil die Michelin-Tester die Küche genießen und schweigen, denn mehr als die Verleihung des Sterns, an sich ja auch Aus­ zeichnung genug, ist von dem bekanntesten Restaurant-Führer in Europa zur Küche der getesteten Restaurant nicht zu vernehmen, würdigt hingegen die Altendorf-Kulturstif­ tung die Kochkunst der Ketterers in einer ausführlichen Laudatio. Irmeli und Wolf­ gang Altendorf schreiben: ,,Die heutige Jugendstilfassade wurde von den Ketterers liebevoll herausgeholt. Die 9. Generation ist vorhanden, selten wird ein gastronomisches Unternehmen auf diese Kette von Genera­ tionen zurückblicken können. Auch von daher sind sich Ursula w1d Reinhold Kette­ rer ihrer kulturellen Verantwortung bewußt. Von der jüngsten Geschichte verlautet, daß der ,Engel‘ stet eine gute Adresse war. Speise und Trank rangierten im Vergleich zur kulinarisch ohnehin bedeutenden Region weit oben. Alte Speisekarten zeugen davon. Heute zählt das Gasthaus auch für den verwöhnten Gourmet; man hat es ,endlich‘ entdeckt. Reinhold Ketterers unbeirrte Richtung von der �alität hin zur eigenen, erkennbaren Handschrift hat sich gelohnt. Die Auszeich­ nungen der wichtigsten Fachzeitschriften und Restaurantführer blieben nicht aus. Wer die kulinarischen Besonderheiten einer Region, ins Hochfeine stilisiert, studieren möchte, findet hier die herausragende Mög­ lichkeit. Das internationale Niveau zeigt sich in der Intelligenz der Menus und in ihren geschickt aufeinander abgestimmten De­ tails. Das lockt auch ausländische Gäste au dem nahen Elsaß. Ketterer vertraut im wesentlichen auf seine Intuition. Wer die ganze Palette seines Könnens ausloten will, sollte ihm freie Hand lassen. Zum reizvollen Ambiente kommt der Service von Ursula Ketterer. Sie ist eine ,Vinologin‘ von Rang. Ihre Weinkenner­ schaft verblüfft nicht weniger als ihre Wein­ behandlung. Das alles erfüllt die Vorausset­ zung für ein gastronomisches Erlebnis, wie e sich der Kenner wünscht. 342

Sport und Wettkämpfe In Donaueschingen vom 27. September bis 6. Oktober 1991 Weltmeisterschaften im Gewichtheben 54 Nationen beim Weltkongress – 49 Nationen dann an der Hantel, so sah es aus bei den 64. Weltmeisterschaften der Männer und der 5. Weltmeisterschaft der Frauen. Donaueschingen rief und alle kamen. Die Donauhalle war Schauplatz eines Sport­ ereignisses, wo nicht weniger als 22 Weltre­ korde purzelten. Dabei war das „schwache Geschlecht“ gleich 19mal erfolgreich. Zehn Tage, vom 27. September bis 6. Oktober 1991, wurde erbittert um jedes Kilo gekämpft und gleich vorweg: ein Superpublikum half mit unvergleichlicher Atmosphäre man­ chem Athleten zu neuer Bestleistung. Ging es bei den ganz leichten Klassen noch verhältnismäßig ruhig zu, so traute wohl mancher brave deutsche Zuschauer sei­ nen Augen und Ohren kaum, als in der Klasse bis 60 kg der türkische Olympiasieger von Seoul an die Hantel ging. Naim Suley­ manoglu, mit 24 Jahren hat er bereits 13 Goldmedaillen als Senior und 2 als Ju­ nior bei Weltmeisterschaften eingeheimst, brachte die Halle zum Kochen. Die türki­ schen Fans, zum Teil aus Deutschland, aber auch viele aus der Türkei angereist, explo­ dierten nach jedem guten Versuch ihres Idols förmlich. Was wäre wohl passiert, wenn er nicht gewonnen hätte? Mit dem Gewicht der Athleten stieg auch das Interesse der Zuschauer. Ab der Klasse bis 82,5 kg war volles Haus angesagt. Schon Tage bevor die „Dicken“ an die Hantel gin­ gen, war diese Veranstaltung ausverkauft. Bombenstimmung herrschte im Saal, als es um die Krone im Superschwer ging. Insge­ heim hoffte man ja immer noch auf Gold für Manfred Nerlinger, der zusammen mit Mar­ tin Zawieja die deutschen Farben vertrat. Dreimal Silber und einmal Bronze waren trotz der kleinen Entäuschungen um das ver­ lorene Gold ein sehr gutes Resultat. Sieger in der Königsklasse wurde einmal mehr der Olympiasieger von Seoul Alexander Kurlo­ vich. Der am 27.Juli 1961 in Grodno in Weißrußland geborene Modellathlet, er brachte 130,6 kg auf die Waage, erreichte mit 455 kg im Zweikampf ein Spitzenresultat. Schon im Reißen hatte er mit seinen gültigen 205 kg einen deutlichen Vorsprung vor der Konkurrenz. 250 kg im Stoßen blieben von den anderen Athleten unangetastet. Zur Ehrenrettung von Manfred Nerlinger sei gesagt, daß er bereits beim Warmmachen sich eine schmerzhafte Verletzung am Arm zuzog, die in jeder Disziplin nur noch Sicherheitsversuche zuließen. Kurlovich ist zu noch höheren Leistungen fähig. Martin Zawieja brachte die Volksseele zum Kochen. Beim Reißen war er mit 180 kg stolzer Dritter. Sein Anhang aus dem Ruhr­ gebiet feierte diesen Erfolg mit allerlei Instru­ menten: Fahnen, Trommeln und Trompe­ ten begleiteten jeden Versuch. Doch dann schien die Halle unter einem Pfeifkonzert der Fans zu bersten. Nach einem guten ersten Versuch mit 220 kg im Stoßen stei­ gerte Martin auf 227,5. Er konnte das Gewicht auch Stoßen, doch die Kampfrich­ ter gaben ungültig. Minutenlang konnte man das eigene Wort nicht mehr verstehen. Der dritte Versuch mit der gleichen Last war dann zu schwer. So gingen mit einer zweifelhaften Wer­ tung der Kampfrichter gleich zwei Medaillen verloren. Im Zweikampf mußte er den Koreaner Kirn Tae-Hyun mit gleicher Lei­ stung von 400 kg auf Grund des leichteren Körpergewichtes an sich vorbeilassen und mit dem vierten Platz vorliebnehmen. Im 343

Stoßen, wo ebenfalls Bronze schon sicher schien, reichte es gar nur zum sechsten Platz. Die Deutsche Mannschaft machte insge­ samt eine gute Figur. Mit dem vierten Platz in der Nationenwertung hinter der UdSSR, China und Bulgarien, wurde ein hervorra­ gendes Ergebnis erzielt. Insgesamt wurden neun Medaillen erkämpft und der Optimismus hat sich auch in Barcelona gerechtfertigt. Die deutschen Frauen konnten in der Nationenwertung den zehnten Platz ergat­ tern, was vorher bestimmt keiner erwartet hatte. Zu einer Einzelmedaille reichte es allerdings noch nicht. Hier stellen die Asia­ ten, vor allem die Chinesinnen, die in neun Gewichtsklassen 23 Gold und vier Silberme­ daillen mit nach Hause nahmen, für die näch­ sten Jahre eine unüberwindliche Hürde dar. 344

schatten lchthfeben eschi119 n Noch einmal zu den Leistungen der Deut­ schen Männer. Insgesamt holte man sich sechs Silbermedaillen und drei Mal Bronze. In der Klasse bis 110 kg stand ein Deutscher an der Hantel, dem man vor einem Jahr nie­ mals zutraute, überhaupt noch eine Hantel vom Boden zu bekommen. Ronny Weller, mehrfacher Juniorenweltrneister, verun­ glückte mit seinem Auto an Weihnachten 89. Seine Freundin war sofort tot und Weller lag Wochen im Koma. Erst Ende 90 war er wieder soweit, ganz leicht trainieren zu kön­ nen. Und in Donaueschingen holte er sich dreimal Silber! Ein Sieg über sein Schicksal. In der gleichen Klasse ein Medaillengewin­ ner aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis. Zwar lebte er schon einige Zeit in St. Ilgen, doch geboren, aufgewachsen und seine ersten 345

Die Macher der WM von links: H.j. Biihler, Bürgermeister Dr. Everke, Präsident des OK Kurt Weg­ mann, Präsident des BVDG Dr. Manfred Poigne und H. P. Probst, Leiter des Verkehrsamtes Erfolge im Gewichtheben hat er in Furtwan­ gen gemacht: Frank Seipelt holte sich im Sto­ ßen mit 215 kg die Bronzemedaille. Um ein Sportereignis von diesem Stellen­ wert einigermaßen reibungslos zu inszenie­ ren, bedarf es vieler Hände. Über 200 ehren­ amtliche Helfer standen während der gesam­ ten Zeit zur Verfügung. Über 90 0/o rekrutier­ ten sich direkt aus Donaueschingen und den StadtteiJen, der Rest aus der näheren Umge­ bung. Nur ganze acht Spezialisten mußten von auswärts geholt werden. Sie waren als Sprecher sowie als Versuchsermittler einge­ setzt. Alles andere war „made in Donau­ eschingen“. Drei Jahre der Vorbereitung waren not­ wendig, um den hohen Ansprüchen gerecht zu werden. Am Pfingstsamstag 1988 fiel die Entscheidung über den Austragungsort beim Treffen der IWF-Funktionäre in Athen. Gleich drei Bewerber gab es und Mailand 346 sowie Barcelona gaben im Vorfeld schon manche Party, um Stimmen zu gewinnen. Donaueschingen schlug die beiden Groß­ städte und den Ausschlag gab wohl die Juniorenweltmeisterschaft 1986, die man am Donauquell durchgeführt hatte. Daß die Seniorenweltmeisterschaft ein ganz anderes Kaliber war, merkten die Ver­ antwortlichen sehr bald. Als dann auch noch die Frauenweltmeisterschaft nach Donau­ eschingen vergeben wurde, war der Spaß zu Ende. Jetzt galt es erstmal, eine solide Finanzie­ rung mit Bund, Land und der Stadt aufzu­ stellen. Alle zogen mit und als man dann noch ein gutes Unternehmen für die Ver­ marktung der Fernsehrechte und der Wer­ bung binden konnte, ging es richtig los. Daß die ganze Sache einen runden Abschluß fand, ist in hohem Maße der Stadt Donaueschingen zu verdanken. Bürgermei-

Willi Daume, links, Gotifried Schödl We/Jpräsident in Donaueschingen ster Dr. Everke, der auch als Veranstaltungs­ präsident fungierte, stellte alle Einrichtun­ gen der Stadt zur Verfügung. Ohne die groß­ zügige Unterstützung in finanzieller und organisatorischer Hinsicht wäre die WM nicht möglich gewesen. Auch der Kreis half im Rahmen der Mög­ lichkeiten zum Gelingen. Die Bühnengestal­ tung, in enger Zusammenarbeit mit dem ZDF gestaltet und von den Medien beson­ ders gelobt, konnte nur durch die Hilfe des Schwarzwald-Baar-Kreises realisiert werden. Die gesellschaftlichen Höhepunkte wa­ ren einmal mehr durch das Haus Fürsten­ berg geprägt. Seine Durchlaucht, Joachim Fürst zu Fürstenberg zusammen mit seiner charmanten Gattin, verstand es ausgezeich­ net, der internationalen Gewichtheberfami­ lie hervorragende und großzügige Gastgeber zu sem. Donaueschingen rief-und die intematio- nale Sportwelt kam! Über 200 Journalisten berichteten in die ganze Welt, sie hatten sich ihren großen Boss mitgebracht. Frank Taylor aus Kanada, Präsident des internationalen Sportjournalistenverbandes, war genauso anwesend wie sein Stellvertreter Togay Bay­ atli aus der Türkei. Dr. Bach, Olympiasieger im Fechten, Pal Schmitt ebenfalls Olympiasieger und IOC Member kam aus Ungarn, der legendäre Judoweltmeister Anton Gesink aus den Nie­ derlanden waren „Gäste“, aber auch der Sekretär des IOC Mister Felli aus Luzern gab sich die Ehre. Willi Daume hielt eine Rede zum einhundertjährigen Jubiläum der Gewichtheber. Hans Hansen, Präsident des DSB, vertrat sein Haus persönlich, genau wie Walther Träger, Generalsekretär des Natio­ nalen Olympischen Komitees von Deutsch­ land. Am Ende stand von allen Seiten viel Lob 347

Frank Seipelt, links, Ronny Weller, rechts,freuen sich über ihre Medaillen. Ronny Weller hat bei den O{ympischen Spielen 1992 in Barcelona in seiner Disziplin die Goldmedaille gewonnen. Gewichtheberverbandes stand als Über­ schrift über dem WM-Bericht: Sth Womens and 64th Mens World Championships -Small town hosts colossal event. Kurt Wegmann für die ausgezeichnete Organisation. Das Organisationskleeblatt, angeführt von Kurt Wegmann, ein in vielen Gewichtheber­ schlachten ergrauter OK-Chef, Hans Jürgen Bühler, sein Stellvertreter und SVD Präsi­ dent, sowie Hans Peter Probst, der auch für die Organisation der alljährlichen Reittur­ niere in Donaueschingen verantwortlich zeichnet, wurden mit viel Lob überschüttet. Nach all der enormen Arbeit und den zehn schönen Wettkampftagen mit den vie­ len Rekorden und Bestleistungen blieb am Ende doch etwas Wehmut bei den Verant­ wortlichen. Jeder wußte, als die vielen Freunde in ihre Heimatländer zurückfuhren, daß man so ein Heberfest in Donaueschin­ gen in der nahen Zukunft nicht wiederholen kann. Bleibt den Organisatoren und Helfern der Stolz, etwas außergewöhnliches geleistet zu haben. Im Magazin des Internationalen 348

CHI Donaueschingen 1991 mit der Europameisterschaft im Dressurreiten Nach Berichten über das Donaueschinger Reitturnier in den Almanachs 1979 (S.114.ff) und 1990 (S. 281.ff) wird das Thema im Hinblick auf die Europameisterschaft im Dressurreiten im Jahre 1991 wieder aufgenommen. Seit vielen Jahren nimmt das Donau­ eschinger Reitturnier einen festen Platz im Terminkalender des internationalen Reit­ sports ein. Ursprünglich als ländliches Turnier zur Erinnerung an den im Alter von 24 Jahren tödlich verunglückten Prinzen Kari zu Für­ stenberg entstanden, entwickelte sich das Donaueschinger Turnier inzwischen zum zweitgrößten Freilandturnier in Deutsch­ land. Seit 1965 als CHI (Concours Hippique International) ausgeschrieben, besagt dies, daß in Donaueschingen in den Sparten Springen, Dressur und Viererzugfahren in den höchsten internationalen Prüfungen gewertet wird. Darüber hinaus wurden im Laufe der inzwischen 35jährigen Turnierge­ schichte von Zeit zu Zeit Deutsche Meister­ schaften, Europameisterschaften und Offi­ zielle Internationale Championate, so z.B. das Offizielle Internationale Dressur-, Spring- und Fahrturnier der Bundesrepublik Deutschland (CHIO) im Jahre 1986, ausge­ tragen. Sah es im Jahre 1991 zunächst so aus, als würde das Donaueschinger Turnier vom 12. bis 15. September als internationales Turnier mit den zusätzlichen Europameisterschaften der Jungen Reiter stattfinden, so änderte sich 349

S. D. Fürst zu Fürstenberg (Mitte links) in Begleitung von Prinzessin Anne (Mitte rechts) dies am 2. Juli schlagartig. Aufgrund der poli­ tischen Lage in Jugoslawien wurden die für Lipica zum gleichen Zeitpunkt geplanten Europameisterschaften der Dressurreiter durch Beschluß der Internationalen Reiter­ lichen Vereinigung nach Donaueschingen vergeben. Vorausgegangen waren vier Wochen zähes Ringen und Verhandeln um mögliche Finanzierung, technische Durch­ führung und Fernsehübertragungen. So standen dem Veranstalter, nämlich der Fürstenberg Reit-und Fahrturniere GmbH mit den Gesellschaftern Fürstenhaus, Stadt Donaueschingen und dem Reit-und Fahr­ verein Schwenningen, gerade noch 9 Wochen Vorbereitungszeit zur Verfügung. In dieser Zeit galt es, zusätzlich zum eigent­ lichen Reitturnier ein komplett neues Dres­ surturnier von Grund auf zu organisieren. Dazu zählten insbesondere, eine neue inter­ nationale Ausschreibung zu erstellen, eine 350 gezielte Werbung für den Dressurteil zu in­ szenieren, ein eigenes Dressurstadion mit e;nem Fassungsvermögen von 5000 Besu­ chern zu erstellen, Einrichtungen für Presse, Teilnehmer, Offizielle und VIPs zu schaffen und einen Stallbereich mit hohen Sicher­ heitsauflagen für die wertvollen Pferde auf­ zubauen. Dies alles geschah innerhalb kürzester Zeit dank der Mithilfe aller verant­ wortlichen Stellen und eines großen Kreises ehrenamtlicher Helfer, wobei hier insbeson­ dere die deutschen und französischen Solda­ ten der in Donaueschingen stationierten Brigade große Dienste leisteten. Zusätzliche Aufgaben im Sicherheitsbe­ reich entstanden den Veranstaltern, als bekannt wurde, daß Ihre Königliche Hoheit, Prinzessin Anne, in ihrer Eigenschaft als Prä­ sidentin der Internationalen Reiterlichen Vereinigung das Turnier besuchen wird. Als die Verlegung der Europameister-

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schaft bekannt wurde, standen die Telefone im Städtischen Verkehrsamt nicht mehr still. Karten- und Qiartierwünsche aus ganz Europa gingen täglich ein, und es kostete erhebliche Anstrengungen, allen Wünschen gerecht zu werden. Günstig wirkte sich dabei der hohe Qualitätsstandard des Betten­ angebotes im Schwarzwald-Baar-Kreis aus, aber auch die Kooperationsbereitschaft der Hoteliers. Von Vorteil war aber auch das rei­ bungslose Zusammenspiel aller mitwirken­ den Behörden, Hilfsorganisationen und Handwerksbetriebe bei der Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung. Hervorragend schließlich war auch das Meldeergebnis der Dressurreiter und -reiterinnen aus 12 europäischen Nationen, an der Spitze das komplette deutsche Dres­ surteam mit lsabell Werth, Nicole Uphoff, Klaus Balkenhol und Sven Rothenberger. Dabei waren Mannschafts- und Einzeltitel sowohl in der klassischen Tour als auch erstmals in der Kür zu vergeben. Bei schönem Wetter und vor einer herrlichen Zuschauerkulisse vor dem Schloß kam es zu spannenden und teilweise überraschenden Ergebnissen. Gewann erwartungsgemäß das deutsche Team den Mannschaftswettbe­ werb, so siegte bei den Einzelmeisterschaf­ ten in der klassischen Tour „Grand Prix Spe­ cial“ überraschend Isabell Werth auf Gigolo vor Nicole Uphoff mit ihrem sensiblen Rembrandt. In der erstmals ausgetragenen Kür siegte Sven Rothenberger auf Andiamo vor Klaus Balkenhol auf Goldstern, was aller­ dings ein Großteil der Zuschauer gerade umgekehrt gesehen haben wollte. Großartige Stimmung herrschte auch an allen Turniertagen im Reiterstadion bei den Springreitern und Viererzugfahrern, die eine Steigerung zum Abschluß am Sonntagnach­ mittag erhielt, als in der Pause des großen Preises sich die frischgebackenen Europa­ meister und Ihre Königliche Hoheit, Prinzessin Anne, dem dortigen Publikum zeigten. Insgesamt sahen rund 40 000 Besucher an vier Turniertagen herrlichen Pferdesport in 352 der für Donaueschingen bekannten familiä­ ren Atmosphäre, zu der auch das Fürsten­ haus durch glanzvolle Empfänge beitrug. Die Stadt Donaueschingen hat mit die­ sem hochrangigen Pferdesportereignis ihren Ruf als sportfreudige Stadt wieder einmal deutlich unterstrichen. So wurde vier Stunden live im Fernsehen von diesem Ereignis berichtet, und die Sportpresse zeichnete im nachhinein die Europameisterschaft der Dressur als best­ organisierte Meisterschaft des Jahres 1991 aus. So wird das Jahr 1991 mit seinen sport­ lichen Höhepunkten in die Geschichte der Stadt Donaueschingen eingehen, zumal wenige Wochen nach dem Reitturnier auch noch die Weltmeisterschaften im Gewicht­ heben stattfanden, und auch dort war die internationale Presse des Lobes über Donau­ eschingen als Austragungsort voll. Hans-Peter Probst Guet troffe Früeh am Marge kunnt de Välli ussem Bäre wacklig uus, nimmt si Krucke und de Karre, lortschet gmüetli noo doruus. Uff de Bruck, do schtoht sin Moaschter, korzet glii de Välli a. Seit ihm Lump, versoffne Kerli, ninnt kinn mer mit ihm halt ha. … ,,Miini Rüschli clont versorre, wo ech ha vu Ziit zu Ziit. Doch du bischt en Siech en dumme. Stroßemoaschter … und seil bliibt!“ Gottfried Schafbuch

Prosa aus unserer Heimat Großmutters Feinschmeckerti.ck Wie jedes Abenteuer, so ist auch das Abenteuer der Kochkunst mit Risiken behaf­ tet, denn gekocht wird immer nur mit beschränkter Haftung. So gab es im Leben der jungen Ursula schon manche „Koch­ Pannen“, die ihre Großmutter nun zu behe­ ben versucht. ,,Dreißig Jahre stand ich im Feinschmek­ kerlokal ,Zur Alten Post‘ am Herd, mein Kind; nun willst Du heiraten, Dein Oli braucht eine Frau – er braucht aber auch eine gute Köchin.“ „Du sagst es, Großmutter.“ ,,Von Deiner Mutter hast Du einige Grundkenntnisse gelernt, doch die Kunst des feinen Kochens fehlt noch.“ ,,So ist es, Großmutter.“ ,,Vier­ undzwanzig bist Du, habe ich recht“ – ,,Du hast recht, Großmutter.“ ,,In Deinem Alter war ich schon zweifache Mutter, aber in der heutigen Zeit . .. “ ,,Großmutter“, fällt ihr Ursula ins Wort, ,,komm bitte zur Sache.“ ,,Ich bin dabei, mein Kind. Mein Anton, Gott hab ihn selig, sagte immer . . . “ ,,Ich weiß, was er sagte“, Ursula sieht mürrisch auf ihre Armbanduhr, ist ärgerlich, daß die Omi immer so weit ausholt, bevor sie ihre Fein­ schmeckertips preisgibt. ,,Ich habe heute abend noch Yoga.“ Großmutter kneift die Augen zusammen, denkt angestrengt nach. ,,Du meinst dieses neumodische Dingsda …!‘ Ursula lacht. ,,Dieses neumodische Dingsda tut mir ungemein gut, Großmütterlein, und außerdem macht es Spaß.“ ,,Woran merkst Du, daß es Dir Spaß macht?“ ,,Großmutter! Es tut eben gut, deshalb macht es auch Spaß.“ „Hinterher . . . ?“ fragt sie die Enkelin zögernd. Es ist zum Verrücktwerden, denkt Ursula, weiß aber auch, daß es zeitlich schon kaum mehr reichen wird, am Yoga-Abend teilzunehmen. ,,Ich habe vorher, nebenher- und hinterher Spaß“, entgegnet Ursula unge­ halten. ,,Och -“ haucht die Großmutter gekränkt, „wenn es wenigstens wegen dem Oli gewesen wäre, daß Du gehen willst, das hätte ich ja noch verstanden; aber so . . . “ Ursula bläst die Luft zwischen den Zäh­ nen hervor, lehnt sich im Stuhl zurück und zischt: ,,Ich bleibe – Du hast gesiegt.“ ,,Ach Du, mein Liebes.“ Jetzt versagt der Groß­ mutter fast die Stimme. Flink zieht sie sich eine Schürze über, wird geschäftig, hantiert im Kühlschrank, läuft zum Herd, stellt eine Flasche Wein auf den Tisch. ,,Du“, verkün­ det sie mit glänzenden Augen, ,,wir könnten Kalbsvögerl auf Blattspinat, oder auch Kar­ toffelknödel mit Hirschsahne-Ragout zube­ reiten; was magst Du lieber, Schätzch … “ ,,Ich weiß, daß Du es gut meinst“, unter­ bricht Ursula den Redeschwall der Groß­ mutter, ,,aber das ist doch alles zu viel für den Abend.“ ,,Dann machen wir eben nur Käse­ spätzle mit Salat und hinterher . .. “ ,,Keine Käsespätzle und auch nichts hin­ terher“, fällt Ursula der Großmutter ins Wort, ,,ich muß schließlich auf meine Figur achten.“ Die alte Dame pflanzt sich vor ihrer Enkelin auf, stemmt die Hände in die Hüf­ ten. ,,Sag nur, daß Du abnehmen willst! An Dir ist sowieso nichts dran; wo kann sich denn ein Mannsbild festhalten, wenn die Frauen vorne genauso glatt sind wie hinten?“ Die Großmutter ist richtig in Fahrt gekommen, und eigentlich gefällt sie Ursula in dieser Pose ganz gut. ,,Der Oli hat sich noch nie beschwert“, kichert sie boshaft. Die Großmutter denkt kurz nach, dann sagt sie mit einer Stimme, die keine Widerrede dul­ det: ,,Gut. Machen wir eine schöne Eier­ pfanne mit Pfifferlingen, essen nur Holz­ ofenbrot dazu. Das ist Dir doch recht, mein 353

Kind, ja?“ Diesen hoffnungsvollen Blick der Großmutter darf Ursula nicht enttäuschen. Sie schlägt die Eier in die Schüssel, fügt Salz und Pfeffer bei, schaut zu, wie Omi Butter in die Pfanne gibt-,,Darf die Butter braun wer­ den“, fragt Ursula. ,,Hellbraun. Und jetzt hole die geschliffenen Gläser aus dem Schrank, wenn ich Besuch habe, mein Kind, dann geht’s immer ganz korrekt zu.“ Ursula stöhnt: ,,Wie leicht habe ich mir den Haus­ halt immer vorgestellt; aber was so alles drum und dran hängt . .. , also ich glaube fast, daß ich mit dem Oli ins Abo gehen muß.“ „Du wirst dich beherrschen können!“ Die Großmutter seufzt. Sie setzt sich ihrer Enke­ lin gegenüber, füllt die Teller, prostet Ursula zu. Im selben Augenblick läutet das Telefon. ,,Ist das der Oli“, fragt die Großmutter. „Sicher nicht. Mein Schatz hat keine Ahnung, daß ich bei Dir bin“. Die alte Dame nimmt den Hörer ab und Ursula denkt: Sie platzt noch aus allen Näh­ ten, wenn sie nicht endlich ihren Fein­ schmeckertick bremst -,,Ach, Herr Rudolf“, hört Ursula die Großmutter flöten, ,,das ist aber nett, daß Sie anrufen. Stellen Sie sich vor, meine Enkelin ist zu Besuch bei mir -es ist wie Weihnachten für mich . .. Sie denken noch an mein Essen? Ach, was Sie nicht sagen, hat es Ihnen so gut geschmeckt? Wun­ derbar. Wenn Sie wiederkommen, richte ich den marinierten Hasenrücken -oder kennen Sie meine ,Hammelkeule Bäckerinnenart‘ schon? Ich verspreche Ihnen auch einen herrlichen Nachtisch, Apfelküchle mit Kirschwasser beträufelt . . . “ ,,Großmutter!“ „Lieber Herr Rudolf, meine Enkelin hat jetzt Vorrang. Entschuldigen Sie bitte“. ,,Du bist ja eine ganz schlimme Oldtimer­ Dame“, gurrt Ursula, ,,bekochst fremde Her­ ren, verwöhnst sie, was soll ich nur denken?“ ,,Herr Rudolf ist ein ganz lieber Mensch“, entgegnet die Großmutter mit glänzenden Augen, ,,er ist dreiundachtzig – zwei Jahre älter als ich – und lebt im Altenheim. Ich beobachte ihn schon eine ganze Weile, lade ihn manchmal zum Essen ein.“ 354 ,,Du hast ja Zeit“, sagt die Enkelin sarka­ stisch. ,,Das sage ich mir auch. Weißt Du, es ist schön, wenn man verehrt . . . , ich meine, wenn man immer noch gebraucht wird.“ ,,Du denkst doch nicht etwa ans heiraten, Großmutter?“ „Ursula! Ich gebe doch Antons Rente nicht auf.“ Ursula schüttelt den Kopf. Sie ist eine alte Frau, denkt sie; wenn ihr auch nie­ mand ihre einundachtzig Jahre ansieht, so schätzt man sie immerhin auf anfangs sieb­ zig. ,,Da fällt mir ein“, ruft die Großmutter plötzlich, ,,daß ich noch Schwarzwälder Kirschtorte habe. Du mußt sie unbedingt probieren, anschließend verrate ich dir das Rezept.“ ,,Du willst mich wohl mästen“, sagt Ursula finster. ,,Meinst Du, daß ich genau so auseinander gehen will wie .. . “ „ Wie ich, wolltest Du sagen.“ Ihre Stimme ist gütig und warm. ,,Aber ich fühle mich wohl, und das ist doch die Hauptsache, oder?“ ,,Ach, Omilein, der Kuchen schmeckt wirklich vorzüglich; Du bist die beste Köchin der Welt.“ Ursula greift zu, freut sich, weil sich die Großmutter freut. Doch dann entdeckt sie den Kirschfleck auf ihrer neuen weißen Bluse und wird stinksauer. ,,Das habe ich nun von der ganzen Fresserei“, schimpft sie. Die Großmutter übergeht Ursulas Ärger, findet ihn grundlos. Sie ißt mit Hingabe, trinkt ihr Weinehen, ist zufrieden mit sich und der Welt. ,,Ein schönes Essen, auch wenn es einen Fleck zurückläßt, ist eine Gabe Gottes. Bejahe Speise und Trank, dann bejahst du dich selbst.“ Ursula ist wütend. „Ich bejahe mich auch so“, brüllt sie, ,,ohne diese lukullische Fresserei, die Dich so faszi­ niert!“ Ursula springt auf, hat die Nase gestrichen voll. Dieser Feinschmeckertick der Groß­ mutter, das blöde Geschwätz über Gaumen­ freuden, der Fleck auf ihrer neuen Bluse, jetzt wird’s ihr zuviel. Sie wirft die Tür hinter sich zu, rennt die Treppe hinunter, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Die Treppe ist lang und eigentlich viel zu steil für eine Frau von achtzig Jahren. Den Oli brauche ich

wohl nicht mehr zu besuchen, denkt sie, die Bluse, von der ich ihm vorgeschwärmt habe, ist ohnehin im Eimer. Plötzlich stockt ihr Schritt. Ursula ist sauer auf die Großmutter, aber auch über sich selbst. Angelehnt am Treppengeländer, beginnt sie zu überlegen, was mit ihr los ist. In ihr tobt ein Streit, ein jäher Wandel vollzieht sich. Ganz langsam, Stufe um Stufe, beginnt sie wieder aufwärts zu steigen. Jetzt denkt sie ernsthaft darüber nach, wie es wohl sein wird, wenn sie selbst 40, 50 oder gar 60 Jahre älter ist, wenn sie das Alter von Großmutter erreichte. O mein Gott, denkt sie, wie wird das sein, wenn ich nicht mehr die Treppe hinauf- und hinunterflitzen kann, wenn ich atemholend stehen bleiben muß, an Hüftgelenkschwund leide oder Arthrose in den Knien habe … Die Gedanken sind frei, und sie sind nicht immer schön. Ursula hat plötzlich Angst, daß ihr später, wenn sie alt ist, keiner mehr zuhört, weil keiner mehr für sie da ist. Sie fürchtet sich davor, alleine essen zu müssen, alleine schlafen zu gehen. Eine echte Sorge kriecht in ihr hoch, als sie daran denkt, daß sie eines Tages vielleicht nicht mehr geliebt wird … Ursula ist, in ihre Gedanken versun­ ken, wieder umgekehrt, steht nun wieder auf der untersten Treppenstufe. So ist das Leben, denkt sie, es geht rauf und runter. Aber es hat Gerechtigkeit fürs N egerle kein Geländer, das Leben; man kann sich nir­ gends festhalten. Einer plötzlichen Einge­ bung folgend steigt sie die Treppe ebenso rasch wieder hinauf, wie sie hinunter geeilt ist -als sie vor Großmutter die Flucht ergrif­ fen hatte. Sie läuft wie eine Furie, hinter der etliche Teufelchen her sind, die ihre flat­ ternde Seele stehlen wollen. ,,Großmutter!“ ruft sie und drückt anhaltend auf den Klin­ gelknopf, ,,mach auf, ich muß Dir etwas Wichtiges sagen!“ Ungläubig steht die Groß­ mutter im Türrahmen, füllt ihn fast aus. ,,Du kommst zurück, Ursula?“ Die Enkelin fällt der alten Dame um den Hals, küßt sie mit einer fast vergessenen Zärtlichkeit, streicht behutsam eine schneeweiße Haarsträhne aus ihrem Gesicht, drückt ihren Kopf an den börtchenverzierten Stehkragen, der den wel­ ken Hals so majestätisch abschirmt, wischt sich die Tränen aus den Augen und sagt schlicht: ,,Ich habe Dich sehr, sehr lieb.“ Die Großmutter strahlt über das ganze Gesicht. ,,Bist Du zurückgekommen, mir das zu sagen?“ ,,Nur deshalb „, entgegnet Ursula mit gesenktem Blick. Ergriffen schaut die Großmutter der Enkelin nach, wie diese nun, eher bedächtig, die vielen steilen Stufen der Treppe hinunter steigt. Einander gut sein, denkt sie, darauf kommt es an. Annemarie Armbruster Nenne man dies naiv, nenne man es nostalgisch, ich habe Schlimmeres überlebt. Als eine Kuriosität wird heute vielfach emp­ funden und entsprechend behandelt, was einmal einem guten Zweck dienen sollte. Wie zynisch und gnadenlos verfährt man heutzutage mit dem Negerle, jenem kaum 20 cm großen Figürchen in der äußersten Ecke der Weihnachtskrippe in der Kirche über dem Sammelkästchen, in dessen Schlitz wir vor Gottweißwievieljahren geschenktbe­ kommene, ersparte, und wenn der Verlierer nicht ermittelt werden konnte, auch gefun­ dene Münzen warfen. Und die Allerklein- sten glaubten genau zu wissen, ihr Scherflein dem Christkind persönlich gebracht zu haben, wenn an seiner Stelle der kleine Neger, der übrigens in vorbildlicher, andäch­ tiger Haltung betete, nicht bettelte, mit sei­ nem schwarzen Köpfchen nickte, für eine Mark heftiger als für einen Pfennig, für jede, auch die kleinste Gabe nickte, und da wir ihn gern nicken sahen, sorgten wir für möglichst viele, möglichst kleine Münzen, überzeugt, daß viel Weniges auch ein Viel ergibt. Der Schwarze paßte zum König aus dem Moh­ renland, er war vor dem Dreikönigstag da und kündigte ihn sozusagen an. Was wir sonst 355

schwarzen, braunen und gelben Brüderlein und Schwesterlein unseres kleinen Helden gemäß dem einfachen Lehrsatz im Katechis­ mus: ,,Dein Nächster ist jeder Mensch.“ So wurde im fernsehlosen Zeitalter der Blick global geweitet, eine andere Möglichkeit gab es auf dem Lande damals kaum, eine kindge­ mäßere schon gar nicht. Einern Kind Mas­ senelend zu erklären, das versuche man ein­ mal. Das Mitleid läßt sich durch Zahlen nicht verstärken, es ist angesichts von tau­ send Leidenden nicht zehnmal stärker bewegt als von hundert, mit einem einzelnen weinen, das kann auch ein Kind. Und selbst wenn es nur der „innige, herzgeborene Irr­ tum“ (Werner Bergengruen) des Kindes gewesen wäre, das mit dem Löffel das tiefe Meer in ein Grübchen am Strand erschöpfen wollte – eine Begegnung, die dem großen Augustinus zu einer wesentlichen Erkennt­ nis verholfen haben soll, wenn ein Kind gemeint haben sollte, es könne mit einem Groschen alle Not der Welt in Wohlstand verwandeln, so könnte dies nur ein unedler Geist verwerfen. Mindestens eine Ahnung von Verantwortung für die Welt wurde in das junge Herz gesenkt, die sich dort verfestigen und entwickeln konnte und den Charakter des Menschen bilden half. Ich bin mir beinahe sicher, daß neben dem sozialen noch ein zweiter, pädagogi­ scher Gedanke beim Opfer fürs Negerle Pate stand: ,,Sag, Vergelt’s Gott, wenn du etwas kriegst!“ Mit seinem Nicken sagt dir ja auch dieser Arme seinen Dank. Nur kann’s der nicht anders. ,,Vergelt’s Gott“ wurden wir zu sagen gelehrt, was ja auch ein guter Wunsch war, dem Geber solle in reichem Maße ver­ golten werden – in dieser und sogar in der andern Welt. Jedenfalls sollte der Schen­ kende noch großherziger, als er selbst es war, belohnt werden. Das profane „Dankscheen“ war in unserem Verständnis für eine Gabe in jedem Betracht zu wenig. Für den Weiterden­ kenden entwertete es sogar das Geschenk, ja es entzog dem Spender den göttlichen Segen und ließ ihn mit der Frage allein: War es am Ende eines rechten Dankes nicht wert? noch dachten, was uns zu Hause dazu gesagt wurde? (Daß es nämlich im Religionsunter­ richt Gegenstand irgendwelcher Betrachtun­ gen gewesen wäre, vermag ich mich nicht mehr zu erinnern.) Die Belehrungen von Mutter und Großmutter waren frei von jeder historischen Kenntnis und aller Wissen­ schaft, ganz zu schweigen davon, daß sie mit einer Ideologie belastet gewesen wären. Laß allen Hintersinn fahren, nicht immer ist eine scheinbar gescheite Lösung die rieb tige ! Was wußten Menschen früher schon vom Unrecht, das Deutsche, Europäer, den Bewohnern ferner Kontinente vom Beginn der Neuzeit bis zum Ende des Kolonialismus angetan hatten? Es bedeutete ja schon etwas, daß man wußte, es leben auf der weiten Welt Menschen, die ohne Hilfe in ihrer Not ver­ zweifeln müßten. Und ihnen galt an Tagen besonderen Glücks und überirdischer Freude das Gedenken. Auch Kinder sollten sich solidarisch fühlen mit den vielen 356

Deshalb brauchte es schon viel Phantasie, in diesem Figürchen ein Spielzeug wie jedes andere zu sehen, mit dem man umgehen könne wie mit einem Pferdchen aus der Spielzeugkiste. Dagegen sprach schon der Ort, an dem es stand. Und noch weniger kam jemand auf die Idee, der Neger sei ein „Nig­ ger“, mit dem man umspringen dürfe wie die Konquistadoren Cortez und Pizarro mit den Indianern. Der Exot gehörte zur Krippe, also zu uns. Wir liebten ihn. Was will man mehr? Kein Gedanke an Demütigung oder Verhöh­ nung! So wäre unser Negerle gewissermaßen im Bereich der Folklore anzusiedeln gewe­ sen, an der auch schon die Kleinsten nicht nur zuschauen, sondern aktiv teilnehmen konnten. (Wo war übrigens die Empörung, als wir „Negerküsse“ ganz selbstverständlich „Mohrenköpfe“ nannten und sie ebenso selbstverständlich-gedankenlos-genüßlich verspeisten? Auch verwies es uns niemand, als wir in hungrigen Jahren eine Schokola­ densoße, die die Schulspeisung ausgab – ein . wahrer Luxus -, respektlos „Negerschweiß“ nannten.) Und die Verwendung der Spenden? Eines der vielen Beispiele für die Ironie der Ge­ schichte! Es ging ja gar nicht anders, als daß der Missionar sie projektgebunden einsetzte – exakt die Methode, die heute staatliche Entwicklungshilfe nach diversen Umwegen als die wirkungsvollste erkannt hat und prak­ tiziert. Die grenzenlose Not wurde damit natürlich nicht behoben, aber ein Hemd oder eine Hose konnte für einen Bedürftigen wohl besorgt werden, eine Hütte für einen Obdachlosen konnte wohl gebaut werden. Also mehr als nichts. Heutzutage ist dieses schwarze Figürchen größtenteils verschwunden, mit ihm ein Stückchen Folklore wie der Nikolaus aus den Familien oder sonst mancher alte Brauch, und es ist anzunehmen, daß diese einstige Bereicherung im jungen Leben in 50 Jahren das Gedächtnis der Menschen verlassen haben wird. Nachdem das Negerle wegkriti­ siert worden war, trat ein Miniglobus an seine Stelle, der sich drehte, fiel ein Gro- sehen in den Schlitz vor ihm. Seine Symbo­ lik, wie man mir sagte: ,,Mit deiner Spende bewegst du die Welt.“ Spotten kann man über alles: ,,Mit einem Groschen willst du die Welt bewegen? Gott erhalte dir deinen Kin­ derglauben!“ Wie man’s macht, ist’s falsch. Also alles sein lassen? Punkt. Aus. Amen. Wie ich dies weglege, um es später noch einmal zu überlesen, höre ich, das Negerle sei gar nicht überall auf dem Gerümpel gelandet, das Figürchen werde vielmehr nach wie vor hergestellt und behaupte seinen Platz. Wenn das wahr ist, wird es ein wenig mehr Gerechtigkeit erwarten dürfen, wenn’s möglich ist, sogar Liebe. Karl Volk Kleines Lied von der Veränderung Ich singe dir mein schönstes Lied und geb den Sommer hin und mich dazu du merkst es nicht Ich weine einen Tränensee verkaufe den Mond und mich dazu du merkst es nicht Ich setze das Haus in Brand Garten und Wald und mich dazu du merkst es nicht Ich spucke in den Wind und pfeif auf dich gehöre nur mir selbst jetzt liebst du mich Christiana Steger 357

Verschiedenes Personen und Fakten Erwin Teufel ist am 11. 6.1992 wieder zum Ministerpräsidenten des Landes Baden­ Württemberg gewählt worden. Der Abge­ ordnete des Wahlkreises Villingen-Schwen­ ningen steht nunmehr einer großen Koali­ tion von CDU und SPD vor. Dr. Klaus Sommer, Leiter des Staatli­ in Villingen­ chen Gesundheitsamtes Schwenningen, ist mit Wirkung vom 30.12.1991 in den Ruhestand getreten. Seine Nachfolgerin, Frau Dr. Karin Flick, hat ihren Dienst am 1.1.1992 aufgenommen. Wolfgang Scherge! wurde am 10. 5.1992 zum Bürgermeister der Stadt St. Georgen im Schwarzwald gewählt. Er setzte sich mit 53,42 0/o im ersten Wahlgang gegen mehrere Mitbewerber durch. Der bisherige Amtsinhaber, Günter Lauffer, hat sich nach 24jähriger Tätigkeit als Rathauschef nicht wieder zur Wahl ge­ stellt. Der neue Bürgermeister hat am 1. 8. 1992 sein Amt angetreten. Thomas Möll ist der Leiter des neuen Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes (Amt für Arbeits- und Immissionsschutz), das am 9. 6.1992 eingeweiht wurde. Das Amt ist in unmittelbarer Nachbarschaft zum Landrats­ amt des Schwarzwald-Baar-Kreises auf dem Hoptbühlgelände im Stadtbezirk Villingen gelegen und ist zuständig für die Kreise Kon­ stanz, Rottweil, Schwarzwald-Baar und T utt­ lingen. Walter Klumpp wurde am 24. 5.1992 zum Bürgermeister von Tuningen wieder­ gewählt. Unter den drei Bewerbern setzte er sich mit 930/o bei einer Wahlbeteiligung von 680/o durch. Die zweite Wahlperiode hat am 15. 8.1992 begonnen. Oberstudiendirektor Gerhard Walther, seit 1. 8. 1973 Leiter der Kaufmännischen Schulen I im Stadtbezirk Villingen, ist mit Wirkung vom 1. 8. 1992 in den Ruhestand getreten. Nachfolger wurde der langjährige Stellvertreter Hans:Jürgen Haußler. Heinz Krug, seit 1. 2.1982 Verwaltungs­ leiter im Kreiskrankenhaus Donaueschin­ gen, ist mit Wirkung vom 30. 4.1992 in den Ruhestand getreten. Nachfolger wurde Günter Walter, der bisher stellvertretender Verwaltungsleiter gewesen ist. Er hat sein neues Amt am 1. 5.1992 angetreten. Peter Neher, Leiter des Straßenbauamtes Donaueschingen, ist mit Wirkung vom 1.10.1991 zum Abteilungsleiter beim Regie­ rungspräsidium Freiburg ernannt worden. Sein Nachfolger, Baudirektor Joachim Laute, der bisher schon als stellvertretender Amtsleiter im Straßenbauamt tätig war, hat die Amtsleitung mit Wirkung vom 27.1.1992 übernommen. 358 Polizeidirektor Helmut Kohler, Leiter der Polizeidirektion Villingen-Schwennin­ gen, ist mit Wirkung vom 31. 8. 1992 in den Ruhestand getreten. Nachfolger wurde Poli­ zeidirektor Robert Wölker, der zuletzt in Hiltrup/Westfalen eine Lehrtätigkeit aus­ geübt hat, in den Jahren von 1979 bis 1989 an der Polizeifachhochschule in Villingen­ Schwenningen unterrichtete und von 1989 bis 1990 Leiter der Schutzpolizei bei der Poli­ zeidirektion Villingen-Schwenningen war. Regierung direktor Horst Berdolt, seit 1. 6. 1988 Leiter des Kreiswehrersatzamtes Donaueschingen, ist mit Wirkung vom 1. 7. 1992 zum Leiter des Kreiswehrersatzamtes Offenburg ernannt worden.

Orden, Medaillen Nachstehende Personen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis wurden seit Juni 1991 aus­ gezeichnet: a) mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland: (Abkürz.: BVK 1. Kl. = Bundesverdienstkreuz 1. Klasse BVK a. B. = Bundesverdienstkreuz am Bande) Georg] ourdan Ernst Rothweiler ] osef Zieglwalner Alexander Graf Karl Dilger Willi Vollmer 15. 7.1991 27. 8.1991 10. 9.1991 14. 2.1992 28. 2.1992 27. 3.1992 BVKa. B. BVKa. B. BVKa. B. BVKI. Kl. BVKa. B. BVKa. B. Triberg Donaueschingen Villingen-Schwenningen Bad Dürrheim Donaueschingen Donaueschingen b) mit der Zelter-Plakette: Männergesangverein Sunthausen c) mit der Wirtschaftsmedaille: 23. 5. 1992 (Aushändigung) Herbert Waldmann 27.3.1992 Villingen-Schwenningen Bevölkerungsentwicklung Stand der Wohnbevölkerung 31.12. 1990 31. 12.1991 7737 Bad Dürrheim 7712 Blumberg 7715 Bräunlingen 7734 Brigachtal 7735 Dauchingen 7710 Donaueschingen 7743 Furtwangen i. Schw. 7741 Gütenbach 7713 Hüfingen 7744 Königsfeld i. Schw. 7733 Mönchweiler 7732 Niedereschach 7742 St. Georgen i. Schw. 7741 Schönwald i. Schw. 7745 Schonach i. Schw. 7740 Triberg i. Schw. 7201 Tuningen 7731 U nterkirnach 7730 Villingen-Schwenningen 7741 Vöhrenbach 11.129 10.295 5.653 4.952 2.951 19.341 10.314 1.531 6.643 5.966 2.994 4.936 14.250 2.822 4.584 6.130 2.400 2.768 78.218 4.148 11.170 10.504 5.752 5.038 2.989 19.805 10.623 1.532 6.834 6.084 3.072 5.023 14.515 2.766 4.530 6.042 2.463 2.986 80.121 4.327 Kreisbevölkerung insgesamt 202.025 206.176 Veränderungen in Zahlen 1 78 87 41 99 86 38 + + 209 + + + + 464 + 309 + + 191 + 118 + + + 265 + + 218 + 1.903 + 179 + 4.151 56 54 88 63 in 0/o + 0,37 + 2,03 + 1,75 + 1,74 + 1,29 + 2,40 + 3,00 + 0,07 + 2,88 + 1,98 + 2,61 + 1,76 + 1,86 + 2,63 + 7,88 + 2,43 + 4,32 + 2,05 1,98 1,18 1,44 359

Ausländer in Zahlen Gemeinde Ausländer davon insgesamt Türken Jugo- slawen Italiener Sonstige Jahr: 1991/92 Ausländer- anteil in 0/o Bad Dürrheim 596 Blumberg 1.388 Bräunlingen 642 Brigachtal 364 124 Dauchingen Donaueschingen 1.789 1.081 Furtwangen 85 Gütenbach 718 Hüfingen 315 Königsfeld 267 Mönchweiler Niedereschach 286 1.927 St. Georgen 61 Schönwald 312 Schonach 570 Triberg 262 Tuningen 247 Unterkirnach Villingen- Schwenningen 12.221 616 Vöhrenbach 24 479 397 60 10 395 249 3 311 20 26 70 274 10 48 185 51 76 2.269 232 Gesamt 23.871 5.189 186 343 25 36 36 315 290 16 109 72 129 46 658 17 134 108 23 30 97 26 40 44 15 383 276 59 153 19 44 17 639 7 76 93 107 59 289 540 180 224 63 696 266 7 145 204 68 153 356 27 54 184 81 82 4.558 166 7.297 2.058 134 4.346 3.336 84 7.039 5,3 13,3 11,2 7,2 4,2 9,1 10,2 5,6 10,6 5,2 8,7 5,8 13,3 2,2 6,9 9,2 10,7 8,3 15,5 14,3 11,7 Arbeitslose in Prozentzahlen Stichtag Schwarzwald-Baar-Kreis Land Bundesgebiet 3,70/o 3,50/o 4,50/o 3,90/o 3,40/o 4,20/o West 6,90/o 9,5 0/o 5,6 0/o 30. 6.1990 30. 6.1991 30. 6.1992 360

Ergebnisse der Wahl zum Landtag von Baden-Württemberg am 5. 4.1992 Wahlvorschläge: Wahlkreis 54 Wahlkreis 55 Villingen-Schwenningen Tuttlingen-Donaueschingen Wahlberechtigte 118.632 116.998 Wähler insgesamt 83.326 70,200/o 68,40 0/o 80.016 818 ungültige Stimmen 1.180 1,00 0/o 1,40 0/o gültige Stimmen 79.198 82.146 98,60 0/o 99,00 0/o 38.248 CDU 48,30 0/o 38.466 46,800/o 19.727 24,000/o 20.972 SPD GRÜNE 26,50 O/o 5.638 7,10 0/o 5.231 6,40 0/o FDP/DVP 4.274 5,40 0/o 6.219 7,60 O/o Deutsche Liga 3.752 3,00 0/o 2.369 4,60 0/o GRAUE 723 0,90 O/o REP NPD ÖPD 4.605 5,80 O/o 5.119 6,20 0/o 781 1.011 1,00 0/o 1,20 O/o 1.396 1,80 0/o 1,60 0/o 1.332 PBC Gewählt wurden: 915 1,20 0/o 566 0,70 0/o im Wahlkreis 54 im Wahlkreis 55 Villingen-Schwenningen Tuttlingen-Donaueschingen Erwin Teufel (CDU) Dreifaltigkeitsbergstr. 44, 7205 Spaichingen Roland Ströbele (CDU) Am Täle 4, 7203 Fridingen Julius Redling (SPD) Ernst Pfister (FDP/DVP) Hansjakobweg 7, 7733 Mönchweiler Achauer Straße 20, 7218 Trossingen Bewertungsergebnisse Mit „sehr gut“ (alphabetische Reihenfolge) Gremmelsbach 800,-800,-800,-800,-800,- Geldpreis Grüningen DM Kappel Mönchweiler Mit ,,Auszeichnung“ für den Kreissieger Mühlhausen Niedereschach 800,-800,- Fischbach 1.000,- Schabenhausen Mit Auszeichnung für den 2. Platz 7.500,-361 900,- Buchenberg Kreiswettbewerb 1992 „Unser Dorf soll schöner werden“

Farbaufnahmen und Fotonachweis Die Farbaufnahmen der Titel- und Rück­ seite stammen von German Hasenfratz, Hüfingen. Motiv Titelseite: Neubau Landratsamt. Motiv Rückseite: Turmuhr im Foyer des Landratsamtes. Abbildungsnachweis zur Seite 36: Manfred Reinartz, ,,Villingen-Schwenningen und Umgebung in alten Karten und Plänen“, Band 1, 1987 (1. Auflage), Seite 39. Fotonachweis: Soweit bei den einzelnen Beiträgen die Bildautoren nicht namentlich hier angeführt werden, stammen die Fotos jeweils vom Verfasser des betreffenden Bei­ trages. Mit Fotos sind ferner im Almanach vertreten (die Zahlen nach der Autorenan­ gabe beziehen sich auf die jeweilige Text­ seite): Jochen Hahne 4; Archiv Landratsamt 7; Ger­ man Hasenfratz 5, 12/13, 14, 16, 17, 18, 22, 25, 28, 29, 30, 31, 34, 246 links, 249 unten, 264, 265, 266, 267, 268, 269; Valentin Wormbs 19, 27, 33; Archiv Stötzer und Partner 21; Foto Schönborn 23, 24; Gerhard )anke 26, 248 unten; Otto Kritzer 32; Helmut Groß 40/41,240,253,254,257,258,259,315,316, 317, 318; Haus der Geschichte Stuttgart, Sammlung Metz 42; Stadtarchiv St. Geor­ gen, Sammlung Cekade 43; Stadtarchiv St. Georgen, Schwabenbild 44; Rainer Rosen­ crantz 49; Burckhard Cramer 63; Dieter Ehnes 64; Archiv IHK Schwarzwald-Baar­ Heuberg 67; Archiv Fachhochschule Furt­ wangen 70, 71, 72, 73; Ingo Bullermann 75; Pressestelle der Fernuniversität Hagen 76, 77; Ausbildungszentrum „Turmgasse“ 79; Archiv Steine! 85, 86, 87; Archiv ismet­ Werke 88, 89; Archiv Stahlbau Münch GmbH 90, 91; Archiv Ernst Reiner GmbH & Co. KG 93, 94, 96, 97; Archiv IEF Werner GmbH 99, 100, 101; Archiv Kammerer 362 Gewindetechnik GmbH 103, 104, 106, 107; Foto Schultheiß 111; Archiv Schwarzwälder Metallwarenfabrik 115, 117, 118; Archiv LDA Baden-Württemberg 120, 121, 122, 123, 128, 129, 131, 134, 135, 136, 138, 139, 140, 141, 271, 272, 273, 275, 278, 280, 282, 284 unten; Archiv Rolf Roschlaub 143, 144; Susanne Huber-Wintermantel 158; Foto-Maier 191, 192, 197; Roland Sigwart 199; Foto Carle 237, 238; Germanisches Nationalmuseum Nürn­ berg 242, 244; Archiv Glockeninspektion Erzbistum Freiburg 243, 245, 247, 248 oben, 249 oben, 250, 251, 252; Georg Goerlipp 246 rechts, 310; Archiv Universität Karlsruhe 270; Iris Geiger 274, 279,283, 284 oben, 285; Gesellschaft für Altertums- und Brauch­ tumspflege Brigachtal 276; Friedrich Itta 277; Archiv Städt. Heimatmuseum Villin­ gen-Schwenningen 290, 291; Jürgen Wis­ ckow 306; Manfred Merz 307; Foto-Studio Grill 344/345, 346, 347, 348, 349, 350, 351. Reproservice Rolf Kötz, VS-Schwenningen

Die Autoren unserer Beiträge Albicker, Josef, 7713 Hüfingen-Hausen vor Wald (verst.) Armbruster, Annemarie, Prälat-Fries-Straße 11, 7740 Triberg i. Schw. Beistier, Herbert, Römerstraße 18, 7480 Sigmaringen-Laiz Binder, Hermann, Fichtenstraße 25, 7734 Brigachtal Bökenkamp, Renate, Redakteurin, Schwarzwaldstraße 4, 7742 St. Georgen i. Schw. Bräun, Wolfgang, Dipl. rer. pol., Auf der Wanne 55, 7730 Villingen-Schwenningen Butschle, Wilhelm, Rathaus, 7713 Hüfingen Ciz, Dr. Carl Heinz, Stadtarchiv, 7742 St. Georgen i. Schw. Conradt, Uwe, Friedrichstraße 36, 7737 Bad Dürrheim Dold, Wilfried, Waldstraße 13, 7741 Vöhrenbach Dorer, Bernhard, Bernhardenhof, 7743 Furtwangen i. Schw. Duffner, Heinrich, Werkzeugmaschinenfabrik Bernhard Steine! GmbH & Co., Albertistraße 16, 7730 Villingen-S chwenningen Eckert, Hannes, Universität Karlsruhe, Sonderforschungsbereich 315, Parkstraße 17, 7500 Karlsruhe Eisenbeis-Trinkle, Petra, Torfstraße 1, 7250 Leonberg Friese, Klaus-Peter, Pforzheimer Straße 25, 7730 Vill ingen-Schwenningen Grieshaber, lsolde, Weiberstraße 11, 7743 Furtwangen i. Schw. Groß, Helmut, Am Schwalbenhaag 1, 7730 Villinge n-Schwenningen Guggenberger, Götz, Dipl.-Ing., Architekten Auer +Weber+ Partner, Königsträßle 2, 7000 Stuttgart 70 Gutknecht, Dr. Rainer, Landrat, Am Hoptbühl 2, 7730 Vi llingen-Schwenningen Hacker, Günther, Kühlbrunnenweg 17, 7742 St. Georgen i. Schw. Haller, Johann, Buchenberger Straße 30, 7744 Königsfeld i. Schw. Haugg, Albert, Schwarzwälder Metallwarenfabrik, Hauptstraße 24 a, 7740 Triberg i. Schw. Henckell, Jürgen, Schriftsteller und Grafiker, Buchbergstraße 3, 7712 Blum!J.erg Hengstler, Konrad, Ortsvorsteher, Unterdorfstraße 7, 7737 Bad Dürrheim-Ofingen Hermanns, Martin, Oberer Sonnenbühl 23, 7730 Villingen-Schwenningen, Stadtbezirk Pfaffenweiler Hieb!, Hans, Weiherstraße 40, 7743 Furtwangen i. Schw. Honold, Dr. Lorenz, Talstraße 41, 7710 Donaueschingen Huger, Werner, Oberstudiendirektor, Färberstraße 1, 7730 Villingen-Schwenningen Huth, Dr. Volkhard, Erbprinzenstraße 20, 7800 Freiburg i. Br. Jäckle, Alexander, Bergstraße 10, 7740 Triberg i. Schw. Jakobs, Dr. Peter, Donaueschinger Straße 9, 7820 Titisee-Neustadt Kaufmann, Rainer, Geschäftsführer der Interessengemeinschaft City-Bahn, beim Regionalverband Schwarzwald-Baar-Heuberg, 7730 Villingen-Schwenningen Koch, Klaus, Journalist, Danziger Straße 12 a, 7710 Donaueschingen Kögler, Barbara, Pressereferentin der Firma Mannesmann Kienzle GmbH, Heinrich-Hertz.Straße, 7730 Villingen-Schwenningen Kornwachs, Prof. Dr. Klaus, Fraunhofer-Institut IAO, Nobelstraße 12, 7000 Stuttgart 80 (Vaihingen) Kramer, Bernd, Am Heumarkt 3, 6900 Heidelberg Kramer, Kurt, Glockeninspektion Erzbistum Freiburg, Ständehausstraße 4, 7500 Karlsruhe 1 Kubach, Dr. Rudolf, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heu­ berg, Romäusring 4, 7730 Villinge n-Schwenningen Lang, Frank, M. A. Forschungsgruppe Kulturgeschichte und Sachgut, Alte Schulstraße 30, 7143 Vaihingen/Enz Liebetrau, Alfred, Präsident der Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg, Romäus­ ring 4, 7730 Villinge n-Schwenningen Limberger, Klaus, Stankertstraße 37, 7730 Villingen-Schwenningen, Stadtbezirk Tannheim Linde, Horst, Prof. Dr. h. c., Schlierbergstraße 33, 7800 Freiburg i. Br. Marek, Erich, Tierfotograf, Hans-Sachs-Straße 12, 7730 Villingen-S chwenningen Martin, Dr. Manfred, Mitarbeiter des Geologischen Landesamtes Freiburg, Hochstraße 29, 7710 Donaueschingen Mohn, Johannes, Dohlenweg 9 a, 5000 Köln 50 Müller, Hans, Reinemannstraße 3, 7712 Blumberg 363

Müller, Hans-Martin, Hermann-Köhl-Weg 2, 7560 Gaggenau Müller, Wolfgang, Dipl.-Volkswirt, Ringmauerweg 15, 7740 Triberg i. Schw. Münch, Josef, Arenbergstraße 3, 7734 Brigachtal Oehmichen, Gaetano, Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Kiel, Johanna-Mestorf-Straße 2�. 2300 Kiel Opp, Margot, Weierweg 10, 7800 Freiburg i. Br. Probst, Hans-Peter, Hindenburgstraße 22, 7710 Donaueschingen Reinart.z, Dr. Manfred, Museumsleiter, Beroldingerstraße 27, 7732 Niedereschach Renn, Wendelin, Städtische Galerie, Kaiserring 2, 7730 V i 11 in ge n-Schwenningen Riegel, Werner, Suntheimstraße 22, 7710 Donaueschingen-Aufen Rieple, Max, Donaueschingen (verst.) Rimmele, Emil, Bürgermeister i. R., Ludwig-Uhland-Straße 8, 7741 Schönwald Rohrbach, Hans, Wölblinstraße 58, 7850 Lörrach Roschlaub, Rolf, Am Kohlwald 1, 7732 Niedereschach-Schabenhausen Schafbuch, Gottfried, Hüfingen (verst.) Scherzinger, Horst und Edeltraud, Wolfstiegweg 5, 7730 Villingen-Schwenningen Schiede!, Karlheinz, Rohrbacher Straße 2, 7743 Furtwan�en-Schönenbach Schnibbe, Prof. Klaus, Ilbenstraße 50, 7743 Furtwangen 1. Schw. Schultheiß, Jochen, Blauenweg 25, 7742 St. Georgen i. Schw. Seiterich, Dr. Clemens, Hansjakobstraße 5, 7815 Kirchzarten Steger, Christiana, Birkenweg 8, 7712 Blumberg Sturm, Dr. Joachim, Baarstraße 12, 7710 Donaueschingen-Pfohren Vogel, Peter, Birkenweg 2, 7800 Freiburg i. Br. Volk, Karl, Realschuloberlehrer, Untertal 19, 7740 Triberg-Gremmelsbach Warrle, Lydia, Wöschhalde 15, 7730 Villingen-Schwenningen We�mann, Kurt, Fuchsweg 34, 7710 Donaueschingen We1ss, Julia, Villinger Straße 15, 7737 Bad Dürrheim-Unterbaldingen Weissenberger, Otto, Bürgermeister i. R., Bahnhofstraße 4 c, 7737 Bad Dürrheim Zahradnik, Prof. Dr. Walter, Fachhochschule Furtwangen, Gerwigstraße 11, 7743 Furtwangen i. Schw. Zimmermann, Michael, Karlstraße 119, 7730 Villingen-Schwenningen 364

Inhaltsverzeichnis Impressum Ehrenliste der Freunde und Förderer Heimat und Friede/Landrat Dr. Rainer Gutknecht Aus dem Kreisgeschehen Kreispolitik 1992/Landrat Dr. Rainer Gutknecht Das Kreishaus auf dem Hoptbühl in Villingen-Schwenningen … . . . aus der Sicht des Planers Eine offene Gebäudekonstruktion trägt zur Bürgernähe der Verwaltung bei/ Prof. Dr. Horst Linde … aus der Sicht des Architekten – Das Bauwerk ist ein Spiegelbild der Eigenart des Landkreises/ Götz Guggenberger, Architekten Auer + Weber + Partner – Architektur und Natur bilden eine sinnvolle Symbiose/Redaktioneller Beitrag … aus der Sicht der Kunst am und im Bau – Albert Hien -Anmerkungen zur „Kuckucksuhr“/Wendelin Renn – Das Klang-Tryptichon im Foyer/Peter Vogel … aus der Sicht des Bauherrn !deale Einheit zwischen der Architektur des Gebäudes und dem Erscheinungsbild des Landratsamtes als Dienstleistungsbehörde/Landrat Dr. Rainer Gutknecht 1 2 3 4 11 15 20 22 26 28 35 … aus der Sicht des Historikers Der geschichtliche Standort des neuen Landratsamtes/Werner Huger Unsere Städte und Gemeinden, Wappen 40 100 Jahre St. Georgen/Dr. Carl Heinz Ciz Das Wappen der Stadt St. Georgen im Schwarzwald/Prof. Klaus Schnibbe 45 Tannheim -Siedlungsgeschichte, Gegenwart und Ausblicke in die Zukunft/Klaus Limberger 48 Das Wappen von Tannheim/Prof. Klaus Schnibbe 52 Epfenhofen -Markantes Wahrzeichen: Eisenbahnviadukt der Strategischen Bahn/Hans Müller 52 55 Baarwanderung/Gedicht von Christiana Steger Das Wappen von Epfenhofen/Prof. Klaus Schnibbe 56 Li nach -Ein kleiner Ort im Schwarzwald mit einem regen Gemeinschaftsleben/Bernhard Dorer 56 61 Qas Wappen von Linach/Prof. Klaus Schnibbe Ofingen -das sonwge Dorf der Baar/Lydia Warrle und Konrad Hengstler 62 Das Wappen von Ofingen/Prof. Klaus Schnibbe 65 Organisationen 125 Jahre Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg/ Alfred Liebetrau, !HK-Präsident Bildungseinrichtungen Die Fachhochschule Furtwangen an beiden Standorten Furtwangen und Villingen-Schwenningen/ Prof. Dr. W. Zahradnik Abend an der Breg/Gedicht von Josef Albicker Fernstudienzentrum Villingen-Schwenningen -Universität vor der Haustür/Julia Weiss Wanderburschen -eine alte Idee und ein neues Modell in der beruflichen Ausbildung/ Prof. Dr. Klaus Kornwachs Herbstlied/Gedicht von Josef Albicker Wirtschaft und Gewerbe Der Europäische Binnenmarkt -Auswirkungen auf die Industrie im Schwarzwald-Baar-Kreis/ Dr. Rudolf Kubach Steine! Werkzeugmaschinen Villingen-Schwenningen – 69 74 75 66 78 81 82 365

Werksverlagerung ins Industriegebiet Ost abgeschlossen/Heinrich Duffner 84 Die ismet-Werke -eine elektrotechnische Fabrik in Villingen-Schwenningen/Dr. Joachim Sturm 88 Stahlbau Münch GmbH in Brigachtal-Kirchdorf/Josef Münch 90 Ein bedeutendes mittelständisches Unternehmen: Die Firma Reiner, Furtwangen – Marktführer in der Herstellung von Stempel-, Numerier- und Codiergeräten/Wilfried Dold Positionieren -Steuern -Löten -Dosieren – !EF WERNER GmbH Furtwangen/ Dr. Joachim Sturm Kaffeehaus-Gedanken/Gedicht von Christiana Steger Firma Kammerer Triberg Gewindetechnik GmbH/Emil Rimmele 98 102 103 92 Wirtschaftsgeschichte Gebrüder Schultheiß: St. Georgener Pioniere der Emailtechnik/Hans-Martin Müller Erkenntnis/Gedicht von Christiana Steger 100 Jahre Schwarzwälder Metallwarenfabrik in Triberg, Fortschritt mit Tradition/ Albert Haugg Archäologie Ausgrabungen im alamannischen Reihengräberfeld von Schwenningen, „Auf der Lehr“, unter besonderer Berücksichtigung der Grabungskampagne 1989-1991/Gaetano Oehmichen Der römische Gutshof von Fischbach -ein Resümee zu den bisherigen Ergebnissen aus den jüngsten archäologischen Untersuchungen/Dr. Peter Jakobs Hi torischer Bergbau auf Gemarkung Niedereschach … . . . aus der Sicht des Geologen/Dr. Manfred Martin … aus der Sicht des Projektleiters/Rolf Roschlaub Geschichte „Vor uns liegt ein glücklich Hoffen … “ – Aspekte der Revolution von 1848/49 in unserem Kreisgebiet/Dr. Volkhard Huth Der Schwarzwald-Baar-Kreis in Farben (Einlage) 109 113 114 120 133 143 145 156 160 (in Fortsetzung des Kapitels „Geschichtej Dr. Karl Theodor Huber -unvergessener Obervogt in Triberg/ Alexander Jäckle Entdeckt: der Publizist Kurt Tucholsky weilte 1919 im Schwarzwald/Renate Bökenkamp Traum/Gedicht von Christiana Steger Das Notgeld im Gebiet des heutigen Schwarzwald-Baar-Kreises in der Zeit von 1918 bis 1922/ Hermann Binder Die blaue Blume/Gedicht von Josef Albicker Das „Naturwunder“ des Kirchhofes zu Buchenberg/Johann Haller „Wenn ich komm vor meine Herren … “ – Zwei Protestlieder des armen TaglöhnersJakob Palmtag aus Schwenningen/Dr. Manfred Reinartz 184 161 165 168 169 182 183 Per önlichkeiten der Heimat Der „Löwe der Baar“ -Ein Mann in seiner Zeit – Otto Weissenberger – Bürgermeister und Kurdirektor i. R., Ehrenbürger der Stadt Bad Dürrheim/Johannes Mohn Hans Frank -Bürgermeister aus Berufung/Wilfried Dold Ursula Bartilla -das Leben hat sie nicht verwöhnt/Herbert Beistier In memoriam -Werner Gerber -Ein Kommunalpolitiker aus Berufung/Jürgen Henckell Max Ernst Haller -Eine Unternehmerpersönlichkeit mit Visionen/Petra Eisenbeis-Trinkle Langjähriger Geschäftsführer der Mannesmann Kienzle GmbH -Herbert Kleiser – Garant des Fortschritts und der Weiterentwicklung/Barbara Kögler Dr. Klaus Sommer -der langjährige Amtsarzt im Ruhestand/Wolfgang Bräun Ernst Strom -seine Persönlichkeit und die Landschaft der Baar bilden eine Einheit/ Klaus Peter Friese 366 187 190 198 200 203 205 207 209

Erna Hirt -stets bereit, immer dabei/Otto Weissenberger Ernst Rothweiler -ein Leben für:. die Gemeinschaft/Werner Riegel Helmut Pietsch -Pädagoge aus Uberzeugung/Christiana Steger AugenBlicke/Gedicht von Christiana Steger In memoriam -Wilhelm Haug-Ein Leben für die Mitmenschen/Alexander Jäckle Claus Blum -ein bekannter Hotelier und Gastronom mit einer guten Nase für Chancen/ Renate Bökenkamp Georg Jourdan -dem Gemeinwohl verpflichtet/ Alexander Jäckle Manfred Hornstein – Große Verdienste um das Gemeinwohl/Karlheinz Schiede! Gerlinde Hoffärber -Ein Leben für die Mitmenschen/Jürgen Henckell Karl Bäurer -ein Baaremer von echtem Schrot und Korn/Dr. Clemens Seiterich In memoriam – Dr. med. Joachim Jancke – Königsfeld war der Ort seines segensreichen Wirkens/Hans Rohrbach Erich Rissler – Verdienste um Vöhrenbach/lsolde Grieshaber Kirchen, Glocken Die evangelische Kirche in Triberg -eine Baugeschichte/Wolfgang Müller Die St. Hubertuskapelle (alte Gutenkapelle) in Schönwald nach der Restaurierung/ Emil Rimmele Die Glockenlandschaft der Baar -Die Glockengießerdynastie der Grüninger/Kurt Kramer Altjahresabend/Gedicht von Christiana Steger Heiteres aus dem Klosterleben St. Ursula in Villingen Das nicht erreichte Tagesziel/Helmut Groß Der Leinendeckchenkauf in Südtirol/Gedicht von Helmut Groß Monsignore Adalbert Simon – ein frommer und humorvoller Priester mit einem Herz für die Kinder der Straße/Helmut Groß Eine »Heilige“ aus Villingen oder Das Teepüppchenpräsent/Helmut Groß Kreuze im Schwarzwald-Baar-Kreis Die Wegkreuze im Schnabelstal/Hans Hieb! Denkmalpflege, Ortssanierung Das Hüfinger Rathaus -ein gelungenes Werk/Wilhelm Butschle Zur Restaurierung der Kirchdorfer Martinskirche/Hannes Eckert Die Villa Grüninger im Stadtbezirk Villingen -die Jugendstilvilla erstrahlt in neuem Glanz/ Horst und Edeltraud Scherzinger Museen Ein neues Museum im Schwarzwald-Baar-Kreis – Das Uhren-Industriemuseum in Schwenningen/Frank Lang Bartholomäus Zeitblom in den Fürstlich Fürstenbergischen Sammlun!$en in Donaueschingen – Das Bild von Mariä Heimsuchung-(Die Visitatio) Luk 1, 39.45/Martm Hermanns Hildegard Mutschlers Puppenmuseum in Gütenbach/Bernd Kramer Heimatlied/Gedicht von Margot Opp Kunst und Künstler Jürgen Palmtag -Bilder gegen die Eindimensionalität des Sehens/Uwe Conradt Manfred Merz -Bildhauer und Schemenschnitzer/Wolfgang Bräun Brauchtum Vom Ritterpatron zum Bauernjörg -Der Georgitag im Schwarzwald-Baar-Kreis/ Dr. Lorenz Honold 211 213 215 216 217 219 221 224 226 227 229 231 234 240 241 252 253 254 255 256 260 264 270 286 290 293 296 299 300 306 309 367

Qie Baaremer Tracht lebensvoll ins Bild gebannt – Olgemälde des Schwarzwaldmalers Curt Liebich im Schwenninger Bären/Michael Zimmermann 311 Frühling/Gedicht von Margot Opp 313 Sagen der Heimat Der Bruggener Haldengeist/Max Rieple Die Sage der Laubwaldkapelle/Jochen Schultheiß Lang ist’s her/Gedicht von Margot Opp Verkehrswesen City-Bahn Freiburg-Donaueschingen-Villingen-Schwenningen – Wunschtraum oder realistische Möglichkeit?/Klaus Koch Heimische Tierwelt, Umwelt Das Damwild – seine Entwicklung/Erich Marek Der Bienenlehrstand in der Retsche in Triberg/Karl Volk Die Energie kommt von der Sonne/Günther Hacker Gastronomie Gastronomie-Nachwuchs in Bad Dürrheim im Wettbewerb: Von der feinen Art des Bedienens/ Wolfgang Bräun Ein Michelin-Stern und Altendorf-Kulturpreis für den „Engel“ in Vöhrenbach/Wilfried Dold Sport und Wettkämpfe In Donaueschingen vom 27. September bis 6. Oktober 1991 – Weltmeisterschaften im Gewichtheben/Kurt Wegmann CHI Donaueschingen 1991 mit der Europameisterschaft im Dressurreiten/Hans-Peter Probst Guet troffe/Gedicht von Gottfried Schafbuch Prosa aus unserer Heimat Großmutters Feinschmeckertick/ Annemarie Armbruster Gerechtigkeit fürs Negerle/Karl Volk Kleines Lied von der Veränderung/Gedicht von Christiana Steger Verschiedenes Personen und Fakten Orden, Medaillen Bevölkerungsentwicklung Ausländer in Zahlen Arbeitslose in Prozentzahlen Ergebnisse der Wahl zum Landtag von Baden-Württemberg am 5. 4. 1992 Bewertungsergebnisse des Kreiswettbewerbs 1992 „Unser Dorf soll schöner werden“ Farbaufnahmen und Fotonachweis Die Autoren unserer Beiträge Inhaltsverzeichnis 368 314 316 319 320 328 332 336 338 341 343 349 352 353 355 357 358 359 359 360 360 361 361 362 363 365