Almanach 1994

Almanach 94 Schwarzwald-Baar-Kreis Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 18. Folge Herausgeber: Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis Redaktion: Dr. Rainer Gutknecht, Landrat Dr. Joachim Sturm, Kreisarchivar Karl Volk, Realschuloberlehrer Für den Inhalt der Beiträge sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Nachdrucke sind nur mit Einwilligung der Redaktion und unter Angabe der Fundstelle gestattet. Verlag, Druck und Gestaltung: Todt-Druck GmbH, Villingen-Schwenningen

Ehrenliste der Freunde und Förderer des Almanach 1994 ANUBA-Beschläge X. Heine & Sohn GmbH, Donaueschinger Straße 2-6, Vöhrenbach Vermessungsbüro Dipl.-Ing. Viktor Mandolla, Villingen-Schwenningen Auer + Weber, Freie Architekten Dipl.-Ing. BDA, Königsträßle 2, Stuttgart-Degerloch Dr. Hanno Augstein, Hüfingen Bad Dürrheimer Mineralbrunnen GmbH + Co. Heilbrunnen, Bad Dürrheim Baden-Württembergische Bank AG, Filiale Villingen-Schwenningen MEKU Metallverarbeitungs-GmbH, Dauchingen Leopold Messmer, Dipl.-Ing. FH, Freier Architekt, Bühlhofstraße 8, Furtwangen MODUS Gesellschaft f. berufliche Bildung GmbH, Vöhrenbach Dr. med. Paul Obergfell, Villingen-Schwenningen Alfred Bausch, Rosen-Apotheke, Blumberg Dr. Peter Pfaff, Villingen-Schwenningen Barbara und Albert Buchholz, Albany, N.Y., USA Guido Rebholz, Architekt, Zehntstraße !, Bad Dürrheim lng.-Büro für Haustechnik Budde & Oberle, Ostbahnhofstraße, Villingen-Schwenningen Burger Industriewerk GmbH & Co. KG, Schonach EGT Elektrotechnik GmbH, Steinkreuzweg 6/1, Villingen-Schwenningen Claus Eller, Zahnarzt, Neue Heimatstraße 2, Vöhrenbach Helmut W. Falk, Wirtschafts- und Unterneh­ mensberater, Fürstenfeldbruck Emil Frei GmbH & Co., Lackfabrik, Bräunlingen-Döggingen Lars Frykman, Zahnarzt, Vor Weiden 25, Blumberg S. D. Joachim Fürst zu Fürstenberg, Donaueschingen Walter Glatz, Blumberg Dipl.-Ing. Theo Greiner, Bodelschwinghstr. 22, Donaueschingen Dr. med. Egon Hochmann, Triberg Hock GmbH, Schönwald-Triberg Institut Dr. Jäger, Friedrichstraße 9, Villingen-Schwenningen Kraftwerk Laufenburg, Laufenburg Kundo-SystemTechnik, St. Georgen ERNST REINER GmbH & Co. KG, Furtwangen RICOSTA GmbH & Co. Schuhfabriken, Dürrheimer Straße 43, Donaueschingen Dipl.-Ing. Eckart Rothweiler, Freier Architekt, Donaueschingen SCHMIDT Feintechnik GmbH, St. Georgen S. Siedle & Söhne Telefon- und Telegrafenwerke Stiftung & Co., Bregstraße !, Furtwangen Sparkasse Donaueschingen Sparkasse Villingen-Schwenningen mit Hauptanstalt in Villingen, Zweiganstalten in Schwenningen, St. Georgen und Triberg, Haupt­ zweigstellen in Bad Dürrheim, Königsfeld, Schonach und Vöhrenbach und weiteren 48 Geschäftsstellen Günther Stegmann, Donaueschingen STRAUB-Verpackungen GmbH, Bräunlingen TRW Motorkomponenten GmbH & Co. KG, Präzision im Motor, Blumberg Buchhandlung F. K. WIEBELT, Bickenstraße 6-8, Villingen-Schwenningen Dr. med. Fritz Wilke, Villingen-Schwenningen Johann Wintermantel Verw. GmbH & Co. KG, Kies- und Betonwerke, Donaueschingen Gertrud Zeitler, Königsfeld Liapor-Werk, Tuningen Udo Zier GmbH, Verpackungen, Furtwangen MAICO Elektroapparate-Fabrik GmbH, Steinbeisstraße 20, Villingen-Schwenningen 9 weitere Freunde und Förderer des Almanach wünschen nicht namentlich genannt zu werden. 2

Heimat und Europa Dem Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 1994 zum Geleit Mit dem am 1.Januar 1993 in Kraft getretenen Europäischen Binnenmarkt, der für 340 Millionen Europäer die zwischen den Ländern der Europäischen Gemeinschaft noch bestandenen Zollschranken aufhob, sind wir der Schaffung eines geeinten Europas wieder einen Schritt näher gekommen. Weitere Ziele sind die Wirtschafts- und Währungsunion und schließlich die Politische Union. Auch bei uns in Deutschland gibt es Diskussionen, die Unbehagen über das Tempo der europäischen Einigungsbemühungen zum Ausdruck bringen. Was soll aus Europa werden? Ein Bundesstaat oder ein loserer Staatenbund? Wird die künftige europäische Währung stabil sein? Eine weitere Befürchtung ist, daß ein zentralistisches Europa entsteht, das in großen anonymen Organisationen alles bis in die kleinsten Einzelheiten regeln will und der Bezug zu den Besonderheiten der einzelnen Länder verloren geht. Die Angst, im Blick auf Europa heimatlos zu werden, ist nicht nur auf einige wenige beschränkt. Wir wünschen, daß die europäische Einigung gelingt. Das wiedervereinigte Deutschland ist in dieses Ziel fest eingebunden. Aufgrund seiner geographischen Lage befindet sich Deutschland in einer Art Brückenfunktion zu den Ländern des europäischen Ostens. Die europäische Einigung erschöpft sich nicht nur in gemeinsamer Wirtschaftspolitik, sondern ist vor allem auch in der gemeinsamen europäischen Kultur begründet. Nur wer fest in seiner Heimat verwurzelt ist, kann auch für Europa aufgeschlossen sein. Heimat ist zunächst der engere Lebensraum, aber auch das Vaterland. Es ist kein Wider­ spruch, Deutscher und gleichzeitig ein überzeugter Europäer zu sein. In dieser Zeit kommen viele Menschen aus anderen Kulturkreisen zu uns, die in unserem Land und somit auch in Europa Heimat und Geborgenheit suchen. Damit sind nicht selten schwierige rechtliche und persönliche Probleme verbunden. Totz der schlimmen Ereignjsse, die uns bedrücken, sollen unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger wissen, daß der weitaus größte Teil unserer Bevölkerung bestrebt ist, ihnen mit Mitmenschlichkeit zu begegnen. Das Heimatjahrbuch möchte durch seine Beiträge die Verbindung zum Schwarzwald­ Baar-Kreis wecken und befestigen, aber auch den Blick über unsere engeren Grenzen hinaus weiten. Das Leben im Schwarzwald-Baar-Kreis spielt sich nicht auf einer „Insel der Seligen“ ab, sondern ist in das Geschehen europa- und weltweit eingebunden. Ich rufe alle Mitbürgerinnen und Mitbürger auf, den europäischen Gedanken zu pflegen und besonders unsere Jugend für ein friedliches Miteinander in Europa zu begeistern! Ich danke auch in diesemJahr unseren Freunden und Förderern, die erneut die Herausgabe eines preiswerten Bandes ermöglicht haben. Möge auch die neue 18. Folge die Einwohner des Landkreises und viele Freunde in Europa und aller Welt erfreuen! Dr. Rainer Gutknecht Landrat 3

Aus dem Kreisgeschehen 20 Jahre Schwarzwald-Baar-Kreis Aus Anlaß des I0ahrigen Bestehens des Schwarzwald-Baar-Kreises wurde im Almanach 1982, Seilen 4 – 6, eine Zwischenbilanz gezogen. Der nachfolgende Beitrag gibt aus Anlaß des 20;ahrigen Jubiläums des Schwarzwald-Baar­ Kreises einen Rück- und Ausblick. Der am 1.1.1973 durch die kommunale Gebietsreform errichtete Schwarzwald-Baar­ Kreis hat sich in den letzten 20 Jahren zu einem stattlichen „Jüngling“ entwickelt. Die zurückliegenden Aufbaujahre waren zwar nicht immer einfach, wurden aber alles in allem gut genutzt. In die nüchterne Verwal­ tungssprache übertragen heißt dies, daß der Schwarzwald-Saar-Kreis seinen Aufgaben nachgekommen ist. Rückblick Tm Vordergrund unserer Bemühungen im Investitionsbereich standen viele Jahre die Bauvorhaben im Schulbereich. Diese Auf­ gabe beschäftigt uns bis zum heutigen Tage. Die Beruflichen Schulen in der Träger­ schaft des Landkreises wurden an den Stand­ orten Villingen-Schwenningen und Donau­ eschingen ausgebaut. Im Bau befinden sich die Beruflichen Schulen in Furtwangen, die zusammen mit dem Land Baden-Württem­ berg neu errichtet werden. Unsere Bemühungen galten auch dem Ausbau des Sonderschulwesens. Die Son­ derschule für Geistigbehinderte im Stadtbe­ zirk Villingen (Carl-Orff-Schule) war die erste Schule, die der neue Landkreis gebaut und vollendet hat. Ein besonderes Anliegen war uns der Bau der Schule für Körperbehin­ derte. Der provisorische Anfang war in einer kreiseigenen Schule in den 70er Jahren in St. Georgen, der Neubau wurde im Jahre 1985 im Stadtbezirk Villingen erstellt. Die 4 jetzt in der Trägerschaft der drei Landkreise Rottweil, Schwarzwald-Saar und Tuttlingen stehende Schule wurde um den Therapiebe­ reich (Turnhalle und Therapiebecken) erwei­ tert. Voraussichtlich in der zweiten Jahres­ hälfte 1993 wird mit der Sanierung des Mis­ sionskonviktes in Donaueschingen begon­ nen, in das die in Donaueschingen beste­ hende Schule für Geistigbehinderte (Karl­ Wacker-Schule) untergebracht werden soll. Wenn die genannten Schulbauprojekte abgeschlossen sein werden, wird der Land­ kreis den Betrag von 128 Mio. DM (brutto), nach Abzug der Landeszuschüsse 81 Mio. DM (netto), in den Schulbau investiert haben. Neu kam auf den Landkreis die Abfallbe­ seitigung zu. Wenn ich gefragt werde, wel­ che Aufgabe uns in den zurückliegenden 20 Jahren am meisten beschäftigte, dann ist die Antwort eindeutig: Es war der Abfall! Schon Anfang der 70er Jahre war es nicht ein­ fach, ein Deponiegelände zu finden. Auch in Tuningen gab es Widerstand. Zum Glück haben wir in Tuningen (später in Talheim) und in Hüfingen bis ins nächste Jahrtausend noch Deponiegelände. Trotz Vermeidung und Wiederverwertung von Müll wird ein Restmüllaufkommen übrig bleiben, das thermisch behandelt werden muß (Müll­ verbrennung oder auf der Grundlage des Thermo-Select-Verfahrens). Mit den Nach­ barkreisen Rottweil und Tuttlingen wollen wir dieses Problem gemeinsam angehen und hoffentlich auch lösen. Ein weiterer Schwerpunkt im Investiti­ onsbereich war der Kreisstraßenbau. Er ist Rechts: Impressionen in Batik: Blick vom neuen Kreishaus auf den Stadtbezirk Villingen Helga Rudo!fAstfäller

die einzig flächendeckende Baumaßnahme im Landkreis. In den Jahren von 1973 bis 1993 haben wir hierfür 110 Mio. DM (brutto) und 55 Mio. DM (netto) ausgegeben. Mehr und mehr traten hierbei ökologische Ge­ sichtspunkte in den Vordergrund. Die größte Einzelinvestition in der Grö­ ßenordnung von 46 Mio. DM ist das neue Landratsamt auf dem Hoptbühlgelände im Stadtbezirk Villingen. Das Kreishaus ist der bauliche Mittelpunkt des Landkreises und eine städtebauliche Bereicherung von Villin­ gen-Schwenningen. Der Bau selbst ist in sei­ ner Konstruktion von Glas und Holz sowie in seiner Durchsichtigkeit unverwechselbar. Das Gebäude hat sich in der relativ kurzen Zeit seiner Benutzung in jeder Weise be­ währt. Der Landkreis bemühte sich in den ver­ gangenen 20 Jahren, auch seinen laufenden Verpflichtungen nachzukommen: Erwäh­ nen möchte ich im klassischen Aufgaben­ bereich des Landratsamts als Untere Ver­ waltungsbehörde das Straßenverkehrsamt sowie das Bauamt. Weniger bekannt in der Öffentlichkeit sind die Aufgaben des Landkreises als örtlicher Träger der Sozial­ und Jugendhilfe. Im Jahre 1993 geben wir für die soziale Sicherung 50 0/o des Verwal­ tungshaushaltes aus – und dies mit steigen­ der Tendenz! Dazu kamen neue Aufgaben: Hier ist nochmals das Thema Abfall zu nen­ nen, das uns außer in bezug auf die Beseiti­ gung auch unter dem Gesichtspunkt der Abfallwirtschaft mehr und mehr beschäf­ tigt. Neue Aufgaben sind ferner die Ver­ besserung des Öffentlichen Personen­ nahverkehrs (ÖPNV) und die Schüler­ beförderung. Ein weiterer Schwerpunkt war und ist die Förderung des Kreises im sozialen Bereich: In der offenen Altenhilfe unterstützen wir seit Jahren die Sozialstatio­ nen und in der stationären Altenhilfe kon­ zentrieren sich unsere Bemühungen auf die finanzielle Mithilfe zum Bau von Alten­ pflegeheimen und neuerdings auch auf die Bereitstellung von Kurzzeit- und Tages­ pflegeplätzen. 6 Am Beispiel der Sozialpolitik läßt sich der Übergang zum freiwilligen Tätigkeitsbe­ reich des Landkreises darstellen. Im Hin­ blick auf die demographische Entwicklung unserer Bewölkerung, d. h. die zunehmend höhere Lebenserwartung, muß der ambu­ lante Hilfebereich weiter ausgebaut werden, um den älteren Menschen möglichst lange den Aufenthalt in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Zum sog. Freiwilligkeitsbe­ reich gehört auch die Tätigkeit des Landkrei­ ses im kulturellen Bereich. Unsere Kreis­ ergänzungsbücherei, die wir zusammen mit der Stadtbibliothek im Stadtbezirk Schwen­ ningen betreiben, erfordert Jahr für Jahr nicht unbeträchtliche Zuschüsse. Vor zwei Jahren wurde das Kreisarchiv errichtet. Zu­ schüsse gibt der Landkreis ferner zur Förde­ rung der Denkmalpflege, der Volkshoch­ schulen sowie der Musikschulen. Die Lei­ stungen des Landkreises auf diesem Gebiet mußten sich in verhältnismäßig engen Gren­ zen bewegen, da die beschränkten finanziel­ len Mittel mehr nicht zuließen. Aus dem eben dargestellten Aufgabenbe­ reich des Landkreises folgt, daß der Land­ kreis als Verwaltungsebene heute nicht mehr wegzudenken ist, ja, er wird immer wichtiger, vor allem im kreiskommunalen Bereich. Das neueste Beispiel aus unserem Landkreis ist die Rückdelegation des Einsammelns von Müll von den Gemeiden auf den Landkreis. Die Einsicht setzt sich immer mehr durch, daß eine einheitliche Durchführung beim Landkreis die bessere Lösung ist. Der Landkreis als kommunale Gebiets­ körperschaft ist heute gleichberechtigter Partner innerhalb der kommunalen Familie. Dies war nicht immer so. Lange Zeit kannte man den Landkreis vor allem als staatliche Verwaltungsebene, neben der der kommu­ nale Aspekt in den Hintergrund trat. Die letzten 20 Jahre haben auch bei uns eine Ver­ änderung zugunsten der kommunalen Auf­ gaben gebracht. Der Landkreis wird sein Bemühen fortsetzen, mit seinen Gemeinden zu emer fairen Aufgabenabgrenzung zu kommen.

Die Jubiläumsbetrachtung hat auch den Stand der Kreisintegration miteinzubezie­ hen. Die Ausgangslage hat zweierlei zu berück­ sichtigen: Der Schwarzwald-Baar-Kreis ist wie die anderen Landkreise ein künstliches Gebilde, d. h. mangels gewachsener Gren­ zen ist es oft schwierig, die Politik auf ein­ heitliche, kreisbezogene Ziele auszu­ richten. Im Schwarzwald-Baar-Kreis wurden im wesentlichen zwei früher selbständige Landkreise, nämlich Villingen und Donaueschingen, zusammengefügt. Erinnern wir uns an die Anfange vor 20 Jahren: Villingen-Schwenningen als auszubauen­ des Oberzentrum mußte in den Landkreis integriert werden. Gelegentliche Span­ nungen zwischen Stadt und Land mußten und müssen ausgehalten werden. Donaueschingen trauerte dem verlore­ nen Kreissitz nach. Das Nord-Süd-Gefalle, von dem man gelegentlich sprach, war im Grunde ein Problem des Zusammenwachsens der ehemaligen Kreise Villingen und Donaueschingen. Aus Anlaß des 85. Geburtstages von Herrn Altlandral Dr.Josef Astfäller gab Landrat Dr. Rainer Gutknecht am 2. Oktober 1992 im Landratsamt einen Empfang. Links im Bild der Jubilar. 7

Wie sieht es heute aus? Der Prozeß des Zusammenwachsens ist sicher nicht been­ det, aber man darf sicher auch feststellen, daß wir eine gute Wegstrecke zu diesem Ziel zurückgelegt haben. Gefragt ist auch hier Bescheidenheit: Die Integration des Land­ kreises wird immer loser sein, als die der Gemeinden, zu denen der Bürger immer ein engeres Verhältnis haben wird. Konkret auf unseren Landkreis bezogen kann man nach 20 Jahren feststellen: Villingen-Schwenningen ist der unbe­ strittene Mittelpunkt des Landkreises. Die ehemaligen Landkreise Villingen und Donaueschingen sind heute eine kommu­ nalpolitische Einheit im neuen Kreisge­ bilde. Der Zentralitätsverlust von Donaueschin­ gen ist mehr als ausgeglichen. Ab 1. 7. 93 ist Donaueschingen Große Kreisstadt und der bisherige Bürgermeister führt den Titel „Oberbürgermeister“. Es gibt auch ungelöste Aufgaben, die wir in die kommenden Jahre hinübernehmen. So bedaure ich die weithin zu beobachtende Unkenntnis über den Landkreis und seine Aufgaben, obwohl jahrelange Bemühungen mit entsprechender Öffentlichkeitsarbeit diesem Mangel abhelfen sollten. Unter dem Gesichtspunkt der Kreisinte­ gration sehe ich auch die Herausgabe von Kreisliteratur: Die Monographie über den Schwarzwald-Baar-Kreis, den Bildband (inzwischen in der 3. Auflage erschienen), den Kunstführer sowie das seit dem Jahre 1977 jährlich herausgegebene Heimatjahr­ buch (Almanach). Politische Unterschiede in den Auffassun­ gen über bestimmte kreispolitische Fragen wird es immer geben. Ja, ein Gremium wie der Kreistag lebt von der politischen Ausein­ andersetzung. Insgesamt gesehen geht es jedoch moderat zu. Das Bemühen um Sach­ lichkeit auf allen Seiten ist sicher eines der Kennzeichen unseres Kreistages. 8 Ausblick Wie geht es weiter? Ich bin sicher kein Prophet, aber soviel läßt sich sagen, daß in finanzieller Hinsicht einige schwierige Jahre auf uns zukommen werden. Im Investitionsbereich muß die laufende Bauinvestition für die Beruflichen Schulen in Furtwangen zu Ende geführt werden. Fer­ ner müssen wir die Sanierung der Sonder­ schule für Geistigbehinderte in Donau­ eschingen durchführen. Der Straßenbau wird sicher in den nächsten Jahren auf Spar­ flamme zurückgeführt werden müssen. Als Auswirkung der wirtschaftlichen Rezession werden die Ausgaben der Sozial­ hilfe einschließlich der Jugendhilfe weiter ansteigen. Auf der anderen Seite werden die Einnahmen geringer und zusammen mit den höheren Ausgaben zu einer kritischen Haushaltslage beitragen. Sparen ist angesagt! Und dies sicher in allen Bereichen. Ich habe jedoch die Zuversicht, daß bei gutem Willen und allseitigem Verständnis die kritischen kommenden Jahre bewältigt werden kön­ nen. Zum Ausblick gehören auch die Auswir­ kungen der landesweit geführten Diskussion um die Stärkung der Kreisebene. In die Land­ ratsämter sollen die Gesundheitsämter, die Veterinärämter sowie die Ämter für Wasser­ wirtschaft und Bodenschutz eingegliedert werden. Besonders um letzteres ist eine hef­ tige Diskussion entbrannt. Die Eingliede­ rung wäre – bei Aufrechterhaltung der For­ derung nach Kostenausgleich – m. E. die bessere Lösung, da die fachtechnische Prü­ fung und die Verwaltungsentscheidung in einer Behörde gebündelt würden, was letzt­ lich auch für den Bürger im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens von Vorteil ist. Die Stellung der Landkreise wird auch von der Diskussion über den „Umlandver­ band Region Stuttgart“ berührt. Die Berei­ che Siedlungsentwicklung, Abfall, ÖPNV sowie weitere regionale Aufgaben, wie das Messewesen, sollen künftig vom Umland­ verband der Region Stuttgart wahrgenom-

men werden. Wenn auch für Stuttgart ein „Maßanzug“ geschneidert wird, wird dieses Modell auf die anderen Regionen m. E. Aus­ wirkungen haben. Ich bin zuversichtlich, daß, gleichgültig wie die Diskussion weitergeht, auf die Ver­ waltungsebene Landkreis nicht verzichtet Kreispolitik 1993 Der kreispolitische Rückblick auf das Jahr 1993 ist gekennzeichnet durch eine drama­ tisch zu bezeichnende Verschlechterung unserer finanziellen Lage. Die „goldenen Jahre“, wenn sie überhaupt da waren, sind zunächst einmal vorüber. Die finanziellen Schwierigkeiten sind nicht „hausgemacht“, sondern das Spiegelbild der sogenannten großen Politik. Auf der Ausgabenseite drük­ ken uns die im Vergleich zu 1992 um 20 0/o gewachsenen Kosten der Sozial- und Jugend­ hilfe, die der Landkreis aufzubringen hat. Die wirtschaftliche Rezession schlägt auf den Kreishaushalt insofern voll durch, als die arbeitslos gewordenen Mitbürgerinnen und Mitbürger – mit 8,2 0/o Arbeitslose (Stand: Juli 1993) haben wir nach dem Arbeitsamts­ bezirk Mannheim die zweithöchste Arbeits­ losenquote im Lande Baden-Württemberg­ nach Beendigung der finanziellen U nterstüt­ zung durch die Arbeitsverwaltung Anspruch auf Sozialhilfe haben. Bemerkenswert ist, daß auch die Ausgaben der Jugendhilfe zu den erheblichen Kostenüberschreitungen beitragen. Auf der anderen Seite bleiben die Einnah­ men weit hinter den zwangsläufigen Ausga­ ben zurück. Die Kosten der Deutschen Ein­ heit mindern auch die Einnahmen der kom­ munalen Haushalte. Dies und die rückläufi­ gen Steuereinnahmen machen auch unse­ rem Kreishaushalt zu schaffen. Sparen ist angesagt! Finanzielle Eingriffe, die weh tun, werden sich nicht vermeiden lassen. Auf diesem Hintergrund müssen wir finanziell kürzer treten. Die erste Auswir- werden kann. Sie hat sich in den vergange­ nen 20 Jahren bewährt. Bleibt zu wünschen, daß der Schwarz­ wald-Baar-Kreis eine weitere gute Ent­ wicklung nehmen möge! Landrat Dr. Rainer Gutknecht kung betraf den Beginn der Umbauarbeiten des Missionskonvikts in Donaueschingen, in das die Schule für Geistigbehinderte untergebracht werden soll. Anstatt im zeiti­ gen Frühjahr soll mit den Arbeiten erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1993 begonnen werden. Die Kosten für den Umbau betragen voraussichtlich 5,98 Mio. DM. Die Bauarbeiten für die Beruflichen Schulen in Furtwangen, die in der Träger­ schaft des Landes Baden-Württemberg und des Schwarzwald-Baar-Kreises stehen, gehen planmäßig weiter. Das Richtfest konnte am 1. Juli 1993 begangen werden. Der Neubau wird voraussichtlich im Jahre 1994 in Betrieb genommen werden können. Erfreulich zu berichten ist, daß der Er­ weiterungsbau der Schule für Körperbe­ hinderte in Villingen-Schwenningen am 4. März 1993 eingeweiht werden konnte. In einem eigenen Beitrag dieser Ausgabe (vgl. Seiten 50-52) wird darüber berichtet. Als weitere Schwerpunkte der Kreispolitik 1993 soll die Fortentwicklung der Abfallwirt­ schaft, der Sozialpolitik und des Öffentli­ chen Personennahverkehrs (ÖPNV) fest­ gehalten werden: Abfallwirtschaft Die Entwicklung der Abfallwirtschaft hat 1993 erheblichen Schwung bekommen. Damit geht ein Rückgang des Auffüllvo­ lumens in 1993 um über 20 0/o gegenüber den Vorjahren einher. Ein weiterer deut­ licher Mengenrückgang ist absehbar. Die Verwertung von Bauschutt konnte in Zusammenarbeit mit der heimischen 9

Bauwirtschaft begonnen werden. Auf 3 Plätzen in Pfohren, Klengen und im Groppertal werden Bauabbruchmateria­ lien wieder aufbereitet und der neuerli­ chen bautechnischen Verwendung zuge­ führt. Auch gemischte Abfalle von Baustellen können inzwischen in einer Baumüllsor­ tieranlage soweit sortiert werden, daß nur unverwertbare Teilmengen auf den Depo­ nien abgelagert werden müssen. Nach vollständiger Umsetzung dieses Konzeptes können weitere 30 0/o des Abfallaufkommens von den Mülldepo­ nien des Kreises in Verwertungsbahnen umgeleitet werden. Auch die Einführung des Dualen Systems hat zu wesentlichen Fortschritten geführt. In jeder Kreisgemeinde steht inzwischen für rund 500 Einwohner ein Container­ standort zur Verfügung. Dazu hat jeder Haushalt die Möglichkeit, seine Verpak­ kungsabfalle durch Nutzung des „Gelben Sackes“ der Verwertung zuzuführen. Das Engagement der Bürger ist so groß, daß die erwarteten Sammelmengen um rund 40 0/o übertroffen werden. Diese aus­ geprägte Bereitschaft zur Mitarbeit beim Recycling ist bundesweit zu beobachten. Eine Folge davon ist, daß es zu erhebli­ chen Engpässen bei der eigentlichen Ver­ wertung der Kunststoffe kommt. Das Land hat die Aufgabe, die ordnungsge­ mäße Verwertung zu überwachen. Der Kreis überwacht ständig die Deponien, um sicherzustellen, daß dort keine Sam­ melware abgelagert wird. Neue bundesgesetzliche Regelungen grei­ fen tief in das abfallwirtschafi:liche Ge­ schehen in unserem Kreis ein. So wurde am 1. 6. 1993 die Technische Anleitung Siedlungsabfall in Kraft gesetzt. In ihr Neubau der Beruflichen Schulen in Furtwangen 10

Richtfest der neuen Beruflichen Schulen in Furtwangen am 1. 7 1993 werden umwelttechnische Regelungen für den Deponiebetrieb festgeschrieben, die zwangsläufig zu einer weiteren deutli­ chen Verteuerung des Deponiebetriebes führen werden. Der Kreis muß als verant­ wortlicher Betreiber der Deponien in Hüfingen und Tuningen die Auflagen umsetzen und hat nur geringe Möglich­ keiten, die daraus resultierenden Gebüh­ renerhöhungen abzuwenden. In der Technischen Anleitung Siedlungs­ abfall wird weiter geregelt, daß zukünftig nur noch Rohstoffe deponiert werden dürfen, die nicht mehr chemisch oder bio­ logisch reagieren. Damit ist der Weg für die thermische Behandlung des Restmülls vorgezeichnet. Welches Verfahren hierzu in unserer Region angewendet wird – ob Müllverbrennung oder Thermoselect -, muß der Kreistag 1994 entscheiden. Es ist beabsichtigt, zur Kostendämpfung eine Regionalanlage gemeinsam mit den Nachbarkreisen Rottweil und Tuttlingen einzurichten. Um die Restmüllmenge, die dann ther­ misch zu behandeln ist, weiter zu reduzie­ ren, müssen noch etliche Verwertungs­ möglichkeiten aufgebaut werden. Stich­ worte hierzu sind die Grüngut- und Bio­ müllkompostierung, die kreisweite Ein­ richtung von Wertstoffhöfen oder das Recycling von Elektrogeräten. Schließ­ lich müssen auch noch Regelungen zur Entsorgung der kommunalen Klär­ schlämme getroffen werden. Um alle Recyclingwege zentral organisie­ ren zu können, übernimmt der Kreis ab 1994 die Müllabfuhr, die seither durch die Städte und Gemeinden organisiert wurde. Lediglich Villingen-Schwenningen betreibt vorerst mit eigenem Fuhrpark die Abfuhr selbst weiter. Dabei orientiert sich die Stadt an den organisatorischen Vorgaben des Landkreises. 11

Sozialpolitik Einen hohen Stellenwert in der Kreispoli­ tik besitzt seit langem die Alten- und Behindertenhilfe. Neben dem Ausbau und der Qualifizierung der ambulanten Hilfen in den Sozialstationen, Nachbar­ schaftshilfen und mobilen sozialen Hilfs­ diensten bedarf es auch unter Berücksich­ tigung des Grundsatzes „ambulante Hilfe vor stationärer Hilfe“ nach wie vor eines bedarfsgerechten Angebots an Heimplät­ zen für unsere älteren Mitbürger. Mit För­ dermitteln des Kreises über 1,3 Mio. DM sowie der Gemeinden und des Landes konnten die ambulanten Dienste in den 9 Sozialstationen im Landkreis ihren Per­ sonalbestand seit 1990 um mehr als 25 O/o auf jetzt 122 Stellen erweitern. Dies kommt unmittelbar den hilfebedürftigen Menschen im Kreis zugute. Probleme gibt es derzeit allerdings noch mit dem Auf­ bau der geplanten Informations-, Anlauf­ und Vermittlungsstelle als ergänzenden Service für ratsuchende pflegebedürftige Bürger und ihre Angehörigen. Bei den möglichen Trägern gibt es Vorbehalte hin­ sichtlich der Finanzierung, aber auch hin­ sichtlich der Notwendigkeit eines solchen umfassenden Beratungs- und Vermitt­ lungsangebots. Eine Ende 1992 durchgeführte Fortschrei­ bung des Kreisaltenplans ergab aufgrund neuester statistischer Daten zur Pflegebe­ dürftigkeit der älteren Bevölkerung ein weiteres Fehl über rund 500 Pflegeheim­ plätze im Kreis. Dabei sind jedoch bereits 115 Plätze beim F. F. Landesheim in Hüfingen und dem Heim St. Lioba im Stadtbezirk Villingen im Bau. Für weitere 240 Pflegeplätze bestehen Planungen vor­ handener Träger. Seit 1988 ist es mit Zuschüssen des Landkreises mit über 2,5 Mio. DM gelungen, das Angebot an Pflegeplätzen im Kreis um 45 0/o auf jetzt 875 Plätze zu erweitern. Als dritte Säule neben ambulanten und stationären Hilfen setzt der Kreis auf vermehrte Angebote im teilstationären 12 Bereich, d. h. in der Kurzzeit- und Tages­ pflege. Während sich die Kurzzeitpflege mit ihrem dezentralen Angebot von 14 über das Kreisgebiet verteilten Plätzen seit 1989 mit erheblicher Förderung des Land­ kreises fest etabliert hat und gut angenom­ men wird, gilt es, in der Tagespflege Neu­ land zu beschreiten. Trotz eines nicht ge­ glückten Versuchs in Donaueschingen ist der Kreis weiter bemüht, gemeinsam mit den Sozialstationen und Heimen auf der Grundlage seines Förderprogrammes auch dieses Angebot im Schwarzwald­ Baar-Kreis zu einem Regelangebot für die älteren Menschen und ihre pflegenden Angehörigen zu machen. Erfreuliches gibt es über die für die Reali­ sierung aller Angebote in der offenen und stationären Altenhilfe notwendige Perso­ nalausstattung zu berichten. Laut einer Umfrage des Landratsamtes im Dezem­ ber 1992 sind in den ambulanten Dien­ sten 98,5 0/o und in den Heimen 97,3 0/o aller Planstellen auch tatsächlich besetzt. Zusammen mit der guten Belegung der Altenpflegeschulen bedeutet dies, daß im Kreis keinesfalls von einem „Pflegenot­ stand“ gesprochen werden kann. In der Hilfe für psychisch Kranke und seelisch Behinderte ist die 1992 eröffnete Werkstätte im Stadtbezirk Schwenningen gut angenommen worden. Mittlerweile sind dort ca. 20 Personen beschäftigt. Die ebenfalls 1992 in Betrieb genommene betreute Wohngemeinschaft in Donau­ eschingen mit 5 Plätzen ist voll belegt. Weitere 8 Plätze sollen im Stadtbezirk Schwenningen eingerichtet werden. Der Bau des vorgesehenen therapeutischen Wohnheims für psychisch Kranke und seelisch Behinderte im Stadtbezirk Villin­ gen konnte wegen baurechtlicher Pro­ bleme und Widerstände der Nachbar­ schaft {noch) nicht in Angriff genommen werden. Nach mehreren Anläufen ist es nun gelungen, im April 1993 das Angebot der Telefonseelsorge im Schwarzwald-Baar-

Kreis zu realisieren. Alle Kreiseinwohner haben nunmehr die Möglichkeit und die Gewißheit, zum Ortstarif und rund-um­ die-Uhr einen Ansprechpartner für per­ sönliche Probleme und in Krisensituatio­ nen zu finden. Für die neuen Aufgaben nach dem Betreuungsgesetz (früher Vormundschaf­ ten und Pflegschaften) konnte im Be­ richtsjahr ein vom Sozialdienst katholi­ scher Männer getragener Betreuungs­ verein für den Schwarzwald-Baar-Kreis gegründet werden. Diesem Verein, der ganz erheblich vom Landkreis finanziell unterstützt wird, ist es gelungen, in nur kurzer Zeit eine Anzahl ehrenamtlich arbeitender Bürger zu finden, die die vom Vormundschaftsgericht angeordnete Be­ treuungen für hilfebedürftige Menschen im Kreis übernehmen. Neuland betritt der Kreis derzeit im Bereich der Jugendhilfe. Mitte des Jahres 1992 wurde im Landratsamt eine Jugend­ hilfefachkraft eingestellt, deren Aufga­ benfeld die Jugendhilfeplanung sowie die jugendpflegerische Arbeit auf Kreisebene umfaßt. Als erstes soll in Zusammenarbeit mit einem Planungsbeirat, in dem Vertre­ ter der freien Träger der Jugendhilfe sowie der Kreistagsfraktionen vertreten sind, eine Jugendhilfeplanung für das Städte­ dreieck Donaueschingen, Hüfingen und Bräunlingen erarbeitet und dabei neue Konzepte im Hinblick auf ein präventives Jugendhilfeangebot umgesetzt werden. Große Sorgen bereitet derzeit die Ent­ wicklung der Sozial- und Jugendhilfe­ kosten im Kreisetat. In nur 5 Jahren stieg der vom Kreis allein zu finanzierende Aufwand von rund 50 Mio. DM um 50 0/o auf nunmehr 75 Mio. DM. Damit wird mehr als jede zweite Mark im gesamten Verwaltungshaushalt des Landkreises für soziale Zwecke ausgegeben. Unter dem Eindruck dieser Entwick­ lung und der Tatsache vorhandener ergän­ zender Angebote des Bundes und des Landes hat der Kreistag im Dezember 1992 den Ausstieg aus dem 1986 einge­ führten Programm „Mutter und Kind“ beschlossen. Ab 1993 erfolgen keine Neu­ aufnahmen mehr. Auslaufen wird das Programm Ende 1996. Der Kreis erhofft sich insoweit ab 1996 Einsparungen über rund 600 000 DM jährlich. 1995/ Anfang Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) Die Citybahn-Studie, Hoffnung der Region für eine zeitgerechte Verbindung zwischen den beiden Oberzentren Freiburg und Villingen-Schwenningen, wurde im Berichtszeitraum fortentwik­ kelt. Die Regiokarte Freiburg, die als Pilot­ projekt vom Land Baden-Württemberg finanziell erheblich unterstützt wird, hat zu einer erhöhten Nachfrage auf der unte­ ren Höllentalstrecke geführt. Folge ist, daß der Einsatz der geplanten Stadtbahn­ wagen dieser Nachfrage nicht mehr gerecht wird. Die Interessengemeinschaft Citybahn hat deshalb zusammen mit der Deutschen Bundesbahn eine Alternative entwickelt, bei der elektrische Wendezüge zum Einsatz kommen, die regelmäßig entsprechend dem Fahrgastaufkommen in Titisee gestärkt bzw. geschwächt wer­ den. Der aus dem Bereich Villingen­ Schwenningen verkehrende Zug wird in Titisee mit dem in der Gegenrichtung fah­ renden Wagenmaterial vestärkt, so daß im Bereich Villingen-Schwenningen-Titisee der Wendezug mit einer geringeren Kapa­ zität verkehrt. Die Planungen zur City-Bahn werden zunehmend durch die Überlegungen des Landes im Rahmen des „Integralen Takt­ fahrplanes Südwestraum“ beeinflußt. Diese Konzeption sieht ebenfalls Ände­ rungen auf der Strecke Villingen-Schwen­ ningen-Freiburg vor. Abzuwarten ist, ob diese Vorschläge eine gleichwertige Alter­ native zu den Wünschen der Region im Hinblick auf die Überlegungen der „City­ bahn-Studie“ darstellen. 13

Fortschritte konnte bei unseren Bemü­ hungen, den Hintervillinger Raum neu zu organisieren, erreicht werden. Die Unternehmer konnten in Gesprächen und Verhandlungen davon überzeugt werden, daß die angestrebten Verbesse­ rungen auch in ihrem Interesse sind. Die Verwaltung geht davon aus, daß die Kon­ zeption zum Fahrplanwechsel umgesetzt werden kann. Mittelfristiges Ziel im Landkreis muß es sein, die Haustarife der verschiedenen Unternehmer in ein kreiseinheitliches Tarifgefüge (Flächenzonentarif) einzu­ binden, damit dem Benutzer attraktive und transparente Tarife angeboten wer­ den können. Zu diesem Zweck soll das Kreisgebiet in verschiedene Tarifzonen eingeteilt werden. Je nach Zonenauswahl des Bürgers kann dieser mit einem Fahrschein das gesamte ÖPNV-Angebot benutzen, ohne daß es entscheidend ist, welcher Busunternehmer die individuell ausgewählte Linie bedient. Voraussetzung zur Einführung dieses Zonentarifes ist es, daß die Einnahmen der jeweiligen unter­ nehmerischen Leistung zugeordnet wer­ den können, welches durch den Einsatz von elektronischen Fahrscheindruk­ kern sichergestellt werden soll. Unter erheblichem Einsatz von Landes- und Kreismitteln sollen die notwendigen Busse im Kreisgebiet mit dieser Technik ausgestattet werden, damit die Grundlage für die Einführung eines einheitlichen Kreistarifes geschaffen werden kann. Dr. Rainer Gutknecht, Landrat Blick zum Feldberg Zeichnung: Helga Rudo!fAsifäller – ,- 14

Unsere Städte und Gemeinden, Wappen Donaueschingen wurde Große Kreisstadt Am 15. 2. 1993 hat der Ministerrat des Landes Baden-Württemberg die Stadt Do­ naueschingen mit Wirkung vom 1. 7. 1993 zur Großen Kreisstadt erklärt. An der Spitze der Stadt steht künftig ein Oberbürgermei­ ster. Die Rechtsaufsicht wird nicht mehr vom Landratsamt des Schwarzwald-Baar­ Kreises, sondern vom Regierungspräsidium Freiburg ausgeübt. Voraussetzung zur Erhebung der Stadt Donaueschingen zur Großen Kreisstadt war, daß am maßgeblichen Stichtag, das war der 30. 6.1992, mehr als 20 000 Einwohner nach­ gewiesen werden konnten. Mit der Verleihung des Prädikats „Große Kreisstadt“ an die Stadt Donaueschingen wurden ihr nicht nur Rechte, sondern auch neue Pflichten übertragen. Als Große Kreisstadt hat Donaueschingen künftig – mit einigen Ausnahmen – in ihrem Wir­ kungsbereich die bisher dem Landratsamt übertragenen Aufgaben der Unteren Verwal­ tungsbehörde wahrzunehmen: Der Stadt Donaueschingen sind als Un­ tere Baurechtsbehörde weitere Kompeten­ zen im Bereich der Landesbauordnung, des Denkmalschutzes aber auch im Gaststätten­ recht und nach dem Wohnungsbaugesetz erwachsen. Selbstverantwortliche Entschei­ dungen nach dem Waffengesetz, dem Sprengstoffgesetz, dem Versammlungsge­ setz u. a. haben den Aufgabenkatalog als Kreispolizeibehörde spürbar erweitert. Im Gewerberecht sind ebenso neue Zuständig­ keiten zu verzeichnen wie im Gesundheits­ wesen, im Veterinärwesen, im Namensände- Ministerpräsident Erwin Teufel (rechts) übergab am 2. 71993 Oberbürgermeister Dr. Bernhard Everke (links) die Urkunde zur Erhebung von Donaueschingen zur Großen Kreisstadt 0()11� 15

rungsgesetz, im Jugendschutzgesetz und im Wehrpflichtgesetz. Als Untere Verkehrsbe­ hörde kann die Stadt Verkehrszeichen selbst anordnen, Straßen sperren und Umleitun­ gen einrichten. Für die Verfolgung und Ahn­ dung von Ordnungswidrigkeiten ist sie als Bußgeldbehörde ebenso selbst zuständig wie für Maßnahmen als Ausländerbehörde und Wohngeldstelle. Die Stadt Donaueschingen verbleibt je­ doch nach wie vor im Schwarzwald-Baar­ Kreis und nimmt dieselbe Stellung wie die anderen 19 kreisangehörigen Gemeinden ein. Die dem Landkreis als Selbstverwal­ tungskörperschaft zukommenden Aufgaben und Ausgleichsfunktionen werden durch die Erhebung zur Großen Kreisstadt nicht berührt. Der Landkreis hat zum Beispiel als örtlicher Träger nach wie vor auch für den Bereich der Stadt Donaueschingen die Kosten für die Hilfe nach dem Bundes­ sozialhilfegesetz (BSHG) und dem Kinder­ und Jugendhilfegesetz (KJHG) zu tragen. Zum Ausgleich dieser und anderer Leistun­ gen des Landkreises ist Donaueschingen wie bisher zur Zahlung der Kreisumlage ver­ pflichtet. Die junge „Große Kreisstadt Donau­ eschingen“ begleiten alle guten Wünsche. Heinz Heckmann 1994: Ein Jahr der Ortsfeste und Jubiläen Urkundliche Erstnennungen sind nicht nur Quellen der Geschichte, sondern auch Grundlagen für Feste ganz besonderer Art. Dauchingen, Erdmannsweiler, Fischbach, Neuhausen, Rietheim, Unterkirnach und Vöhrenbach sind es, die aufgrund solcher schriftlichen Zeugnisse 1994 ein Jahr hin­ durch ihrer Freude Ausdruck geben, daß ihr Gemeinwesen seit fast tausend Jahren Bestand hat. Ersterwähnungen stehen oft im Zusam­ menhang mit größeren geschichtlichen Ereignissen. Wen wundert es daher, wenn die überlieferten frühesten Zeugnisse der genannten Orte gleichzeitig wichtige Hin­ weise zur Geschichte des Klosters Sankt Georgen und der Vorgeschichte des Hauses Fürstenberg darstellen? Diese beiden Terri­ torialmächte waren zur fraglichen Zeit die bedeutendsten Herren auf dem Gebiet des heutigen Landkreises. Den größten Anteil an den diesjährigen Festen hat ohne Zweifel das einst mächtige Benediktinerkloster Sankt Georgen. In dem uns in einer Abschrift aus dem 17.Jahrhun­ dert überlieferten Gründungsbericht, betref­ fend die Jahre ab 1084, der in Latein abgefaß­ ten „Notitia fundationis“, sind zahlreiche Ortsschenkungen aus unserem Raum ge- 16 nannt. Zehn Jahre nach der Niederlassung auf dem Schwarzwald, im Jahre 1094, erhielt das Kloster unter anderem zur Ausstattung Grundbesitz in und bei Dauchingen, Erdmannsweiler, Fischbach, Neuhausen und Rietheim. Deshalb können sich die genannten Orte in diesem Jahr einer neun­ hundert Jahre währenden ununterbroche­ nen Existenz erinnern. Die Stadt Vöhrenbach hinwiederum darf sich 1994 ihrer 750 Jahre zuvor erfolgten „Grundsteinlegung“ erfreuen. Am 28.Januar 1244 nämlich beschlossen die Grafen Kon­ rad, Heinrich, Gebhard und Gottfried zu Freiburg auf ihrem Gut zu Vöhrenbach eine Stadt zu erbauen. Günstig im oberen Bregtal gelegen, hat sie trotz der Konkurrenz des nahen und damals zum Kloster Sankt Georgen gehörenden Furtwangen bis heute ihren Stadtstatus und ihr Eigenleben bewah­ ren können. Die in der gleichen Urkunde genannte Leibeigene „Adelheidim de Kvrna“ ist übrigens auch Anlaß für das Unterkirnacher Ortsjubiläum zur Namens­ nennung der Gemeinde. Auf eine Besonderheit bleibt allerdings hinzuweisen. Die Erwähnungen, auf die sich die Festlichkeiten beziehen, betreffen nur bei wenigen Orten die Erstnennung als voll-

ausgebildete Gemeinwesen. So spricht der Gründungsbericht Sankt Georgens von „vil­ lam Tuchingen“ (1094 Jan 22) also vom ,,Dorf“ Dauchingen, von der „villa“ Neuhau­ sen wie in der Stadtgründungsurkunde von 1244 von einer „civitas“ Vöhrenbach, also einer Stadt. Erdmannsweiler, Fischbach, Rietheim und Unterkirnach erscheinen nicht mit die­ sem Status, sondern im Zusammenhang mit der Lokalisierung von ritterlichem Grund­ besitz, der Herkunft von Ministerialen oder Leibeigenen. So schenken die (Edel-)Freien Manegold und sein Bruder Gotescalh Sankt Georgen ein Prädium (ein herrschaftliches Stück Land außerhalb der Dorfmark) nahe „loco qui dicitur Ortinswilere“, also nahe einem Erdmannsweiler genannten Platz (1094 Apr 2). Fischbach wird in einer ähnlichen Weise genannt. Unter vielen Zeugen, die am 23. April 1094 eine größere Anzahl von Güterschenkungen nördlich Villingens be­ kräftigen, findet sich auch ein „Alker de Fispach“. Rietheim steht ebenfalls nur in der Ver­ bindung mit den Namen „Cozpret [und] Waltere de Rietheim“ (1094 Apr 23) in einer Urkunde geschrieben, also als Herkunftsort zweier Dienstmannen, wahrscheinlich des alamannischen Grafen Manegold. Unter­ kirnach zuletzt erscheint als Herkunftsort einer Abhängigen der Grafen von Freiburg (1244 Jan 28). Was bedeutet dieser Unterschied zwi­ schen der Bezeichnung „villa“ (Dorf) wie für Dauchingen oder dem Hinweis „loco“ (Ort) bei Erdmannsweiler? Vermutlich be­ saß der letztgenannte Ort zum Zeitpunkt dieser Nennung noch keinen so hohen Organisationsgrad, daß der Urkunden­ schreiber sie als vollentwickeltes Dorf mit einer Dorfgenossenschaft bezeichnen wollte oder konnte. Erdmannsweiler stand in diesem Moment vielleicht erst am Beginn einer Entwicklung zur inneren Autonomie, wie wir sie von den Dörfern des Mittelalters her kennen? Siegel des Konvents von St. Georgen 1325, in dessen Gründungsbericht die erwähnten Orte genannt werden (Bad. GLA Karlsruhe 121453) Fischbach und Rietheim sind selbst hier nicht einzuordnen. Sie sind wirklich nur namentliche Kenntlichmachung zweier Ministerialen in einer langen Zeugenreihe und stehen nicht wie die vorhergehenden in einem Zusammenhang mit der Lokalisie­ rung eines Grundstückes. Und trotzdem sind es am Ende Ortsbezeichnungen. Die genannten Ministerialen haben ja auf keinen Fall alleine gelebt, sondern besaßen von ihnen abhängige Personen, die ihnen dien­ ten oder ihr Land bebauten. Damit bestand auch eine kleine Ansiedlung, und sei es auch nur ein größeres Gut mit darum gruppierten Gebäuden. Wären diese Plätze damit jünger als die schon damals als Dörfer erscheinenden Dau­ chingen und Neuhausen? Dies ist nicht der Fall. Einzel/Streufunde der Merowingerzeit (Dauchingen) oder gar Reihengräberfried­ höfe bei Neuhausen (im abgegangenen Ebenhausen als Vorgängersiedlung) oder das vermutlich spätmerowingerzeitliche Riet­ heim sind Hinweise auf eine ununterbro­ chene Besiedlung seit dem 7. /8.Jahrhun­ dert. Aufgrund der mangelnden Zeugnisse (Funde/Urkunden) wird sich aber wohl nie 17

klären lassen, welcher Ort denn nun der ältere ist. Vöhrenbach muß in dieser Betrachtung ausgeklammert werden, da es einen Sonder­ fall darstellt. Hier ist vor der Stadtgründung unzweifelhaft schon etwas Land bebaut wor­ den und hat es einige Hofstellen in der Nähe gegeben. Eine weiterentwickelte Siedlung bestand nach heutiger Kenntnis nicht. Vöh­ renbach ist somit eine wirkliche Neugrün­ dung. So haben am Ende alle genannten Orte ein gutes Recht, mit Stolz auf ihr langes Bestehen zu blicken. Und wenn sie dabei das Jahr 1994 als ihr Festjahr gewählt haben, so im Bewußtsein, daß das gefeierte Jahr der Erstnennung nicht das ihrer Geburt, son­ dern das ihres Nachweises als funktionieren­ des mittelalterlichen Gemeinwesens ist. Und noch drei weitere Gemeinden dürfen mitfeiern, wenngleich auch nur ein weniger rundes Jubiläum: Weilersbach, Almends­ hofen und Nußbach, da ihr Namen erstmals 764, 1224 und 1284 zu Pergament gebracht wurde. Welches Datum jedoch immer auch gefei­ ert werden mag: es führt ein gerader Weg zum heutigen, lebendigen und demokrati­ schen Gemeinwesen, das die Hürde der Zei­ Dr.Joachim Sturm ten genommen hat. 900 Jahre Schabenhausen Eine kleine Gemeinde mit bewegter Vergangenheit Die ehemals selbständigen Gemeinden Schabenhausen, Fischbach und Kappel bil­ den seit der Gemeinde- und Kreisreform zusammen mit Niedereschach die Gesamt­ gemeinde Niedereschach. Die Teilortsgemeinden Schabenhausen und Fischbach können im Jahre 1994 auf die 900jährige Wiederkehr ihrer ersten urkund­ lichen Erwähnung zurückblicken. Das be­ deutende Jubiläum soll im Rahmen einer entsprechenden Veranstaltungsreihe würdig begangen werden. Um der Nachwelt einen Beitrag zur Geschichte von Schabenhausen zu leisten, wurde in mühevoller jahrelanger Arbeit von einer kleinen Arbeitsgemeinschaft eine Orts­ chronik erstellt. Die Chronik wird aus Anlaß des Jubiläums vorgestellt werden können. Hier einige interessante Beiträge zur Geschichte: Die Buntsandstein-Muschelkalk-Grenze, seit Jahrtausenden konstante Siedlungsbar­ riere zwischen Schwarzwald und Baar, durchzieht den Schwarzwald-Saar-Kreis in nord-südlicher Richtung. Der Os.ten des Landkreises, die Baar, war schon in der Jung­ steinzeit besiedelt, die Besiedlung des west- 18 liehen Kreisgebiets, des Schwarzwaldes, fand erst im Verlaufe des Hochmittelalters statt. Schabenhausen liegt auf der Grenze zwi­ schen Schwarzwald und Baar, die geologi­ sche Grenze zwischen Buntsandstein und Muschelkalk verläuft quer durch die Gemar­ kung. Besiedlungsgeschichtlich ist Schaben­ hausen als frühmittelalterlicher Ausbauort einzuordnen, d. h. lange vor der ersten urkundlichen Erwähnung war das Tal ent­ lang des Schlierbachs besiedelt. Schaben­ hausen wurde erstmals im Jahre 1095 urkundlich erwähnt: Am 10. Januar 1095 übergibt „Udalricus de Husen et privignus eius Burchardus“ (Ulrich von Hausen und sein Stiefsohn Burchard) Gott und dem heiligen Georg (Kloster St. Georgen) den ganzen Besitz, den besagter Burchard von Erbrechts wegen bei dem Dorf „Scheiben­ hausen“ besessen hat. Allerdings stoßen wir bereits im Jahre 1086 auf den besagten „Udalricus de Husen“. In der „Notitiae fundationis et traditionum monasterii Sancti Georgii in Nigra Silva“, den Aufzeichnungen über die Gründung des Klosters St. Georgen auf dem Schwarzwald,

wird u. a. davon berichtet, daß am 13. Januar 1086 die feierliche Verkündigung der Schen­ kungen zur Klostergründung in St. Georgen stattgefunden habe. Zeuge dieser feierlichen Handlung war u. a. auch der vorgenannte ,,Udalricus de Husen“ (Ulrich von Hausen). Eine örtliche Adelsfamilie hat in Scha­ benhausen bereits zu diesem Zeitpunkt exi­ stiert, jedenfalls war sie bis zum Jahre 1344 im Besitz der Ortsherrschaft. 1139 hat das Kloster St. Georgen Besitzun­ gen in Schabenhausen. 1319 sind Johann und Heinrich von Scha­ benhausen als Vögte und Lehens­ nehmer bekannt. Der Rottweiler Bürger Ambrosius Herr­ mann kauft den „Zwickenhof“ (Oberen Hof) am 22. 4. 1482 sowie den „Mäßlinhof“, den späteren sogenannten „Unteren Hof“, am 9. 8. 1482. Am 8. Juli 1483 verkauft die Gemeinde Niedereschach ganz Schabenhausen an Ambrosius Herrmann, Bürger zu Rottweil. Am 16. Januar 1494 verkauft Ambrosius Herrmann fast ganz Schabenhausen an Heinrich von Buwstetten von Hor­ gen, dazu das Bad und den Badbrun­ nen. Am 9.Juni 1502 verkauft Heinrich von Buw­ stetten das DorfSchabenhausen an das Kloster St. Georgen. 1528 Das Kloster St. Georgen verleiht von nun an seine Besitztümer in Schaben­ hausen als Lehen an sogenannte Lehensbauern. Das Lehen besteht aus zwei Höfen mit insgesamt etwa 1100 Morgen. Nach Einführung der Reformation durch Württemberg in St. Georgen (1555) lassen sich Abt und Konvent in Villingen nieder und gründen dort das Benediktinerkloster St. Georg. In St. Georgen werden lutherische Äbte eingesetzt. Das Klosteramt verwaltet nun die Klosterbesitzungen bis zur Säkulari­ sierung im Jahre 1810. Das württembergische Herrscherhaus führt die Oberaufsicht über die Klosterbesitzungen. 19

Mondnacht über der Villinger Altstadt Am 13. 10. 1633 wird das Kloster in St. Georgen durch kriegerische Handlungen zerstört. Während des „30jährigen Krieges“ (1618-1648) hatten die Schabenhausener besonders zu leiden: Sie hatten dem lutherischen Abt Severus Bersinus zu St. Georgen gehuldigt. Durch Vermittlung von Abt Georg Michael Gais­ ser II vom Benediktinerkloster St. Georg in Villingen übernahm Österreich den Schutz der Schabenhauser. Dieser Zwiespalt brachte den Schabenhausern aber mehr Ungelegen­ heiten als Schutz. Die Schabenhauser waren Feinde der Württemberger, weil sie sich nach Villingen zum katholischen Kloster St. Ge­ org, besonders zu Abt Georg M. Gaisser II orientierten, sie waren jedoch auch Feinde der Villinger, weil sie Württemberger waren. Die Folge waren Überfälle der Württem­ berger, der Villinger, der Rottweiler, der Franzosen, der Kroaten, der Schweden und der Bayern. Am Ende des „30jährigen Krie­ ges“ war das Dorfgroßteils vernichtet. Am 4. 9.1663 wird Schabenhausen in zwei Lebenshöfe geteilt (Oberer Hof/ Unterer Hof). Im Verlaufe der nächsten zwei Jahr- 20 hunderte wechseln die Lehensbauern immer häufiger. Die Höfe werden durch Verkauf von Grundstücken -die Lehensbauern wa­ ren stark verschuldet -immer kleiner. Am 18.6. 1800 erhalten die Lehensbauern durch eine „Herzogliche Spezial-Resolution“ die Erlaubnis, ihre Lehensgüter zu verkaufen. Seit 1771 war dies durch Dekret des württem­ bergischen Herrscherhauses nur bedingt möglich gewesen und wenn, dann nur zum Verkauf an lutherische Interessenten. Auf diese Weise nahm der katholische Bevölke­ rungsanteil ständig ab, der evangelische Be­ völkerungsanteil langsam zu. 1790 waren bereits 20 Hofbesitzer, die zu­ sammen mit 7 Lebensbauern die Ge­ markung bewirtschafteten. 1791 erhält Schabenhausen eine eigene Ge­ richtsbarkeit, seither waren Jahr-und Ruggericht gemeinsam mit Kappel in Kappel abgehalten worden. 1806 schließt da Benediktinerkloster St. Ge­ org zu Villingen seine Pforten. Der letzte evangelische Abt zu St. Georgen verwaltet das Klostergut von Alpirs­ bach aus. Der klösterliche Besitz wird verweltlicht.

1810 Das Klosteramt St. Georgen wird auf­ gelöst, der letzte katholische Abt stirbt in Villingen. Schabenhausen wird nach 244jähriger Zugehörigkeit zu Würt­ temberg badisch. 1822 bzw. 1838 werden die Zinsen und Zehnten abgelöst. Die Ablösesummen werden vom badischen Staat verein­ nahmt. Im 18. und 19. Jahrhundert führten die Fol­ gen kriegerischer Ereignisse, Mißern­ ten und Hungerjahre zu weit verbreite­ tem Elend, auch in unserer Gemeinde. Um der Not zu entgehen und um sich in der Fremde eine neue Existenz auf­ bauen zu können, wanderten 60 Scha­ benhauser Einwohner um die Mitte des 19. Jh. nach Amerika aus. Seit 1810 gehört Schabenhausen zum Landkreis Villingen, seit 1973 zum Schwarzwald-Baar-Kreis. Eine Kirche wird bereits 1275 in den Ur­ kunden benannt. Sie lag beim damaligen Ortszentrum „Auf den Höfen“. Dort ist von einem „Plebanus (Leutepriester) in Schai­ benhausen in decanatu Kurnbach“ die Rede. Zwischen 1360 und 1370 gehören Pfarrei und Kirche zu Schabenhausen zum Dekanat Oberndorf. 1411 brannte die Kirche ab. 1498 gehört die Kirche zu Rottweil und erst 1502 werden alle Rechte an das Kloster St. Georgen verkauft, nachdem das Kloster den Flecken Schabenhausen und die beiden Höfe gekauft hatte. In der Reformation hört die Pfarrei Schabenhausen auf zu bestehen. Im 30jährigen Krieg werden Dorf und Kirche vollständig zerstört. Anscheinend wurde die Kirche wieder aufgebaut, denn nach der Aktenlage wurde die Kirche um 1750 aufge­ geben. Ein Klösterle bzw. eine Klause in der Nähe der Kirche wurde bereits vor dem 30jährigen Krieg aufgegeben. Um die Kirche lag der alte Friedhof, der damals aufgegeben wurde. 1866 beschloß die Gemeinde die Anlage eines neuen Friedhofs. In der Zwischenzeit waren die evangelischen Verstorbenen auf dem Friedhof in Weiler, die katholischen Verstorbenen auf dem Friedhof in Kappel beerdigt worden. Die Neuanlage des Fried­ hofs sah Bestattungen für Angehörige aller Konfessionen vor. Im Jahre 1980/81 wurde der Friedhof erweitert und im Jahre 1991 durch eine neue 21

architektonisch sehr schöne Einsegnungs­ halle komplettiert. Nach Einführung der Reformation in Württemberg wurde Schabenhausen zur evangelischen Pfarrei Weiler eingemeindet, seit 1979 zur neuen evangelischen Jakobus­ gemeinde in Niedereschach. Die katholi­ schen Bürger wurden früher durch die Pfarrei Weilersbach bzw. Kappel versorgt, heute gehören sie zu der Pfarrei St. Mauritius nach Niedereschach. Am 8. April 1779 beantragen Schaben­ hauser Bürger beim Herzog Karl von Würt­ temberg die Einrichtung einer eigenen Schule. Die katholischen Schüler waren seit­ her in Kappel unterrichtet worden, die evan­ gelischen Schüler während des Winters pri­ vat in Schabenhausen. Am 22. Dezember 1779 wurde die Genehmigung erteilt. Da die räumlichen Bedürfnisse dies erforderten, kaufte die Gemeinde am 16. April 1840 ein ehemaliges Wohnhaus „Auf den Höfen“ und baute dies zum Schul- und Rathaus um. Mit der Zeit wurde ein Neubau erfor­ derlich, der an der Straßenkreuzung in der heutigen Ortsmitte 1907 /08 zur Ausführung kam. Ab 1. Dezember 1966 wurden die Haupt­ schüler im Rahmen der Schulreform der Grund- und Hauptschule Niedereschach zugeordnet, ab 1. August 1972 folgten die Grundschüler. Das damalige Schul- und Rathaus dient heute, nach entsprechendem Umbau, als Kindergarten. Die Gemarkungsfläche von rund 340 ha wurde von alters her land- und forstwirt­ schafi:lich genutzt, heute sind ca. 260 ha der Gemarkungsfläche landwirtschaftliche Nutz­ fläche, ca. 72 ha sind Wald. Die durchschnittliche Niederschlags­ menge liegt bei rund 750 mm/Jahr, die mitt­ lere Jahrestemperatur bei + 5,8 °C. Der höchste Punkt der Gemarkung liegt mit 723,4 m ü. M. im Gewann „Bühl“, der tiefste Punkt mit 641 m ü. M. an der Stelle, wo der Schlierbach die Gemarkungsgrenze in Rich­ tung Niedereschach überquert. 22 Bedingt durch seine geschichtliche Ent­ wicklung war die Einzelhoflage bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs die hier ver­ breitete Siedlungsform. Ein eigentlicher Ortskern, um das damalige Schulhaus gele­ gen, entstand erst durch die Erschließung des Neubaugebiets „Billingeräcker I“ (1962), weitere Neubaugebiete im Gewann „Billin­ geräcker II“, ,,Badäcker“ und „Schlierbach­ weg“ folgten. Ein Neubaugebiet „Lohäcker“ wurde zur Bebauung freigegeben, die Erschließungsarbeiten sind im Gange. Die Einwohnerzahlen von Schabenhau­ sen hatten sich zwischen 1852 und 1955 kaum verändert (durchschnittlich 320 Ein­ wohner). Ein starker Anstieg war mit Beginn der Bautätigkeit zu verzeichnen. Heute (1993) hat Schabenhausen 530 Einwohner. Im Rahmen des Strukturwandels in der Landwirtschaft und Forstwirtschaft nahm die Zahl der Betriebe in den vergangenen Jahren rapide ab. 1987 /88 waren immerhin noch 23 Betriebe, die im Haupt- oder Ne­ benerwerb Landwirtschaft betrieben, regi­ striert. Heute wird die landwirtschaftliche Nutzfläche von 4 hauptberuflichen und 7 nebenberuflichen Landwirten bewirtschaf­ tet. Diese Arbeit zu bewältigen, wird durch die starke Mechanisierung der Betriebe ermöglicht. Die zahlreichen nebenberufli­ chen Landwirte und Nichtlandwirte fanden im Dorf oder außerhalb Arbeit und Brot. Mehrere Jahrhunderte lang boten die bedeutenden Sandsteinbrüche auf dem Nordufer des Schlierbachs Verdienstmög­ lichkeiten. Zeitweilig arbeiteten dort nach Aussage der Gemeindeprotokolle bis zu 40 Arbeiter in den Steinbrüchen (1875). Der letzte Betrieb wurde in den 20er Jahren auf­ gegeben. Das Industriezeitalter war auch an Scha­ benhausen nicht spurlos vorübergegangen. Außer handwerklichen Betrieben hatten sich Zulieferer zur Uhrenindustrie in Scha­ benhausen seßhaft gemacht. In vielen Häu­ sern wurden bis in unsere neuere Zeit hinein Uhrenteile gefertigt, die dann nach St. Geor­ gen, Königsfeld, Niedereschach, Villingen

oder Schwenningen geliefert wurden. Die für die Uhrenindustrie Beschäftigten waren als sogenannte Triebdreher tätig. Einige Uhr­ macher im landläufigen Sinne und Uhren­ händler brachten ihre Fertigfabrikate bis nach Amerika. Heimarbeiter waren bis in die Mitte der 60er Jahre unseres Jahrhunderts in der industriellen Fertigung tätig. Für das leibliche Wohl sorgen von alters her in Schabenhausen die Gaststätten: Das Gasthaus „Hirsch“ (früher auch „Bad­ wirtshaus“ genannt) wird bereits 1765 urkundlich erwähnt. Davor muß eine Gast­ stätte bereits bestanden haben, die bis 1750 betrieben wurde. Das Gasthaus zum ,,Hirsch“ bestand bis 1957. Eine Bier- und Branntweinwirtschaft ohne Schildgerechtigkeit wird 1794 erstmals urkundlich benannt. Die Wirtschaft bestand bis 1863. Das „Gasthaus zur Krone“ wurde Anfang 1860 erbaut und hatte mehrere Besitzer. Heute befindet sich im Gasthaus der „Krone­ treff‘. Das Gasthaus und Cafe „Sonneck“, erbaut Anfang der 60er Jahre unseres Jahrhunderts, Eröffnung am 14. 9. 1962, entspricht allen Anforderungen, die der heutige Gast an einen solchen Betrieb stellt. Im Zuge der Gemeindereform schloß sich die vorher selbständige Gemeinde Schaben­ hausen dem größeren Niedereschach an. Eine Bürgeranhörung vom 14. 11. 1971 erbrachte eine Mehrheit für den Zusam­ menschluß. Der freiwillige Zusammen­ schluß mit Niedereschach erfolgte mit Wir­ kung vom 1. 12. 1971. Nach einer gewissen Umstellungsphase hatten sich die Bürger an den Zusammen­ schluß mit Niedereschach gewöhnt. Einen besonders schmerzlichen Einschnitt für das dörfliche Leben und damit der Wegfall wich­ tiger Kommunikationspunkte bedeutete die Auflösung der Poststelle (Ende 1972) und die Aufgabe des einzigen Dorfladens (Herbst 1989). Besondere Bauvorhaben und wirtschaft­ bche Unternehmen der Gemeinde: 1919 beginnt man mit dem Bau der Strom­ versorgung. 1920 wird das Stromnetz offi­ ziell in Betrieb genommen. Da sich anfangs der 70er Jahre das Stromnetz in einem über­ holungsbedürftigen Zustand befand, die Gemeinde jedoch die Kosten für eine Erneuerung nicht aufbringen konnte, wurde das Ortsnetz an das Kraftwerk Laufenburg verkauft. Jahrelange Bemühungen seit 1928 bezüglich des Baus einer zentralen Ortswasserversor­ gung konnten aus finanziellen Gründen erst zwischen 1961 und 1964 verwirklicht werden. Mitte der 60erJahre wurde das Neubaugebiet ,,Billingeräcker I“ erschlossen und bebaut. 1965/66 erfolgte eine Teilkanalisation in die­ sem Baugebiet. Die Gemeinde baute (1964-1972) mehrere Kilometer Feldwege aus und verbesserte die Dorfstraßen (Gehwege/Straßenbeleuchtung). Nach der Eingemeindung nach Nieder­ eschach (1971) wurde die „Schlierbachhalle“ (1973-1975) erbaut. Damit hatte Schaben­ hausen eine Festhalle, die auch als Probelo­ kal für die Vereine dient. Im Rahmen der Baumaßnahmen wurde ein Feuerwehrhaus mit der Festhalle verbunden. 1973 wurde nach Umbau des ehemaligen Schul- und Rathauses ein Dorfkindergarten errichtet. 1974 baute die Gemeinde einen Bolzplatz für die fußballbegeisterte Dorfjugend. 1980/81 Erweiterung des Friedhofs. Erschließung weiterer Baugebiete, z.B. ,,Bil­ lingeräcker II“, ,,Badäcker“, ,,Schlierbach­ weg“, in den letzten 20 Jahren. Mit der Übergabe des Klärwerks Horgen des ,,Zweckverbandes Abwasserreinigung“ am 7. Mai 1993 hat eine aufwendige (45,2 Mill. DM), doch notwendige Maßnahme ihren Abschluß gefunden. In der Anlage Horgen werden die Abwässer von 22 Verbandsge­ meinden geklärt. Schabenhausen schloß in den Jahren 1976 bis 1979 an den Verbandskanal an. Um eine gleichmäßige Versorgung mit gutem Trinkwasser zu gewährleisten, wurden die Ortswasserversorgungen aller Gemeinde- 23

teile zu einer Ringwasserversorgung zusam­ mengeschlossen. Schabenhausen ist seit 1980 mit der Ringwasserversorgung verbun­ den. Bau einer Einsegnungshalle auf dem erweiterten Friedhofsgelände im Jahre 1991. Für das gesellschaftliche und kulturelle Leben von großer Bedeutung in der Gemein­ de sind die örtlichen Vereine. Folgende aktive Vereine üben ihre Tätig­ keit derzeit erfolgreich aus: Der Gesangverein „Liederkranz“ e. V. (gegr. 1920). Die Freiwillige Feuerwehr (gegr. 1940), Vor­ läufer war eine örtliche Löschmannschaft seit 1866. Musikverein und Trachtenkapelle e. V. (gegr. 1950). Der Kindergartenverein e. V. (gegr. 1972) als Träger des Kindergartens. Finanziert wird der Verein durch Personalkostenzuschüsse des Landes, durch Zuschüsse der Gemeinde, durch die Elternbeiträge, durch die Beiträge der Mitglieder, durch Spenden und Erlöse bei jährlichen Veranstaltungen des Vereins. Die „Schlierbach narren “ e. V. (gegr. 1975). Die „Forschungs- und Arbeitsgemeinschaft für historischen Bergbau Niedere chach e. V.“ (gegr.1991). Durch die Arbeit der „FAG Bergbau“ konnten in den Jahren 1989 bis 1992 zwei ehemalige alte Bergwerksstollen auf der Gemarkung Schabenhausen wieder­ entdeckt, wissenschaftlich untersucht und gesichert werden (vgl. Almanach 1993, S. 143 ff.). Der Gemeinschaftsgeist der Vereine untereinander und im Dorf, der sich gerade im erfolgreichen Wirken der Vereine zeigt, bildete in der Vergangenheit bis heute die Basis für gemein ame Bemühungen zum Wohle der Gemeinde und ihrer Bewohner. Dies kommt immer wieder bei größeren Ver­ anstaltungen im Dorf zum Ausdruck, wo jeder jedem hilft. In gemeinsamer Arbeit erstellten die Vereine mit Unterstützung der Gemeinde ein Vereinsheim in der Fischba­ cher Straße sowie einen Grill- und Spiel­ platz, der Kindergartenverein einen Spiel­ platz beim Kindergarten in der Dorfmitte. In diesem vorbildlichen Gemeinschafts­ geiste werden die Vereine, unterstützt durch die Dorfbewohner und die politische Ge­ meinde, auch das Dorfjubiläum im Jahre 1994 durch ihre Beiträge organisieren und gestalten. Bruno Weber Das Wappen von Schabenhausen Wappen: In Silber auf ach! (2:3:2:1) grünen Hügeln je ein silbernes Haus mil rolem Dach. Schabenhausen kam erst 1810 von Würt­ temberg zum neugebildeten Großherzog­ tum Baden. Im ersten bekannten Siegel der VOGTEI SCHABENHAUSEN stand 1811 das damalige Wappen des Großherzogtums. Nach 1830 kam dann ein Siegel in Gebrauch mit einem Haus, umgeben von Palm- oder Lorbeerzweigen. Das Wappen mit den für den Gemeinde­ namen „redenden“ Häuschen geht zurück auf einen Vorschlag des großherzoglich badischen Generallandesarchivs Karlsruhe von 1902. Da der Gemeinderat zu timmte, 24 wurde es seit 1903 geführt. Die Farbe des Schildgrundes war zunächst blau. Erst 1960, anläßlich der Vorbereitung für das Wappen­ buch de (ehern.) Landkreises Villingen, wurde von Dr. Zier vorgeschlagen, das un­ heraldische Zusammentreffen von Blau und Grün dadurch zu beheben, daß die

Neukirch Vom Uhrmacherdorf zum Luftkurort Schildfarbe in Silber geändert wird. Damit war die Gemeinde einverstanden, und das Innenministerium Baden-Württemberg be­ stätigte diese Farbänderung mit Datum vom 23. März 1961. Die Acht-Zahl der Häuschen dürfte etwas willkürlich gewählt sein; nach Krieger be­ stand die Gemeinde um 1900 aus sieben Wei­ lern und etlichen Zinken, Einzelgehöften und Häusern. Am 1. Dezember 1971 wurde Schabenhau­ sen in die Gemeinde Niedereschach einge­ meindet, damit ist das Wappen für den amt­ lichen Gebrauch erloschen. Prof. Klaus Schnibbe Trotz seines Namens und seines übeiwie­ gend aus Neubauten bestehenden Ortskerns ist Neukirch viele Jahrhunderte alt. Um das Jahr 1200 ist sein Gebiet im „Rotulus San­ petrinus“ als unter der Herrschaft des Klosters St. Peter stehend eiwähnt. Von dort aus wur­ de es auch besiedelt und in 19 Hofbereiche aufgeteilt mit der Hofstelle an günstigem Platz mitten in dem geschlossenen Lehens­ gut. So war Neukirch von Anfang an mit Ausnahme des späteren Pfariwidums reines Bauernland und es herrschte über das ganze Gebiet verteilt die Streusiedlung vor. Noch bis zur letzten Jahrhundertwende bestand der Ortskern aus kaum einem Dutzend Häu­ ser, die sich lose um die Pfarrkirche gruppier­ ten. In Höhenlagen von 660 Metern bei Dreistegen mit seiner bekannten „Hexen­ lochmühle“ (vgl. Almanach 90, Seite 65 ff.) bis zum auf 1100 Metern gelegenen Fernhof am Fuße des 1142 Meter hohen Steinbergs wohnten die Neukircher verstreut in ihren „Löchern und Döbeln“ und nur wenige Höfe besaßen ebene Felder, viele aber meist schwer zu bewirtschaftende Steilhalden. Der Ortskern des „kleinen echten Schwarz­ walddorfes“, wie es um 1900 der Heimat- Quellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Gemeindshu/digungen, Amtsbez. Villingen. – GLA Wappenakten, Amtsbez. u. Landkr. Villingen. – GLA Wappenkarlei Schwarzwa/d-Baar-Kreis. – GLA Siegel­ kartei Schwarzwald-Baar-Kreis. – A. Krie­ ger, Topographisches Wörterbuch des Großher­ zogtums Baden, 2. Band, 2. Aufl., Heidelberg 1905 (Reprint 1972). – H. G. Zier, Wappen­ buch des Landkreises Villingen, Stuttgart 1965. schriftsteller Heinrich Hansjakob in seiner Reisebeschreibung „Sonnige Tage“ charakte­ risiert, liegt in 956 Metern Höhe in einer fla­ chen Mulde. Wenn man von einem um 1160 in einer Urkunde eiwähnten „Liutold von Nuchilse“ absieht, ist die früheste sichere Ortsbezeichnung im Jahre 1356 „daz meyer­ tumb z der Newenkilchen“. Über „Neu­ külch“ (1377) ist der Ort erstmals im Jahre 1486 in der heutigen Schreibweise eiwähnt, in den seit etwa 1612 erhaltenen Personen­ standsbüchern der Pfarrei gelegentlich auch lateinisch als „Neo Templo in Silva Nigra“. Von Anfang an hatte Neukirch zwei Her­ ren, als Grund-und Pfandherrn das Kloster St. Peter und als Schirmherrn und damit weltliche Obrigkeit die Herrschaft Triberg und deren Rechtsnachfolger. Diese Herr­ schaften wechselten, aber immer blieb Neu­ kirch ein Grenzort. Einst südlichste Tribergi­ sche Vogtei und zugleich äußerstes Sankt­ Petrisches Lehensgut, liegt Neukirch bis heute an der jeweiligen Kreisgrenze, jetzt zu Breisgau-Hochschwarzwald und Emmen­ dingen. Auch heute noch prägt die Streusiedlung das Landschaftsbild, wenn auch der Orts-25

In eineßache Geländemulde eingebettet ist der Ortskern von Neukirch kern seit Kriegsende kräftig gewachsen ist. Immerhin sind von den ursprünglich 19 Hö­ fen noch 16 erhalten. Die drei andern sind im Wagnerstal und Wolfloch verschwunden und heute Staatswald, den es erst seit etwa hundert Jahren in Neukirch gibt. Vorher gab es nur Bauernland und auch die Gemeinde erwarb erst vor etwa 80 Jahren ihren ersten Waldbesitz. Vier kleinere Höfe sind im Laufe der Jahre durch Neuaufteilung dazu gekom­ men, meist als Zuerwerbsbetriebe. Heute noch haben sieben Höfe ihre eigene Jagd, sind also über 75 Hektar groß, der Unterheu­ bachhof als größter sogar über 100 Hektar. Einige Bauerngeschlechter sitzen seit 500 Jahren auf ihren Höfen, seit über 400 Jahren die Kirner auf dem Kirnerhof und fast eben­ so lang die Seng auf dem Sengenhof. Seit­ dem der Wald immer weniger Ertrag abwirft, ist die Milchwirtschaft Existenzgrundlage der Höhenlandwirte geworden und die Vor­ zugsmilch der Breisgau-Milchzentrale, de- ren höchste Güteklasse, kommt auch aus Neukircher Bauernhöfen. Einen herausragenden Platz nimmt Neu­ kirch in der Geschichte der Schwarzwälder Uhrmacherei ein. Immerhin kommt der er­ ste sichere Hinweis – neben allerhand sagen­ haften Erzählungen – von dem Neukircher Pfarrer Franz Steyrer in seinem 1796 erschie­ nenen Buch „Geschichte der Schwarzwälder Uhrmacherkunst“. Zur Pfarrei Neukirch ge­ hörte damals auch Waldau mit dem dortigen Glashof, seit 1426 nachweisbar, wo die ersten Holzuhren gefertigt wurden, deren eine schon um 1667 ein Pater Kalteisen, Kapitular von St. Peter und Pfarrverweser in Neukirch, besaß. Auf den oft sehr kinderreichen Höfen konnte nach dem schon damals geltenden Erbrecht nur der jüngste Sohn, der „Lebsit­ zer“, auf eine gesicherte Existenz als Hof­ nachfolger vertrauen. Die übrigen Söhne wurden bestenfalls mit einem Stück Land abgespeist und mußten anderweitig ihren 26

Lebensunterhalt erarbeiten. Da auch auf den Höfen selbst im Winter die Uhrmacherei als Zuerwerb betrieben wurde, lag es für sie na­ he, in der Leibgedingswohnung, sofern sie frei war, oder in einem zum Hof gehörenden Nebenhaus Uhren oder Bestandteile zu ferti­ gen. Hatten sie ein eigenes Stück Land erhal­ ten, so konnten sie darauf an günstiger Stelle ein Haus erbauen, wobei Sonneneinstrah­ lung und das Vorhandensein einer Brunnen­ quelle ausschlaggebend waren. Bis vor weni­ gen Jahrzehnten waren die Uhrmacherhäu­ ser noch an den langen Fensterbändern, meist über eine Hausecke reichend, zu erkennen, die das nötige Licht an die Werkbänke bringen mußten. Diese Bautätigkeit erstreckte sich über das ganze Gemeindegebiet von 1804 Hektar mit Ausnahme des Ortskerns, denn dort gab es kaum Brunnenquellen. Neukir­ cher Uhrmacher und Uhrenhändler gingen in die ganze Welt hinaus. Lang ist die Liste derer, die oft in jungen Jahren in der Fremde starben, aber auch derer, die in England, Schottland oder Amerika eine neue Existenz aufbauten und deren Nachkommen heute nach ihren Schwarzwälder Vorfahren for­ schen. Noch im vorigen Jahrhundert waren außer den wenigen Bauern und Taglöhnern die meisten Neukircher Uhrmacher, Gestell­ macher, Glockengießer, Zeiger- oder Ton­ federmacher. Doch mit dem Aufkommen der Uhrenfabriken verloren viele Familien, sofern sie nicht eine kleine Landwirtschaft hatten, die ihnen das Lebensnotwendigste sicherte, ihre Existenzgrundlage, zogen in die Städte oder wanderten ganz aus. Ihre Häuser wurden vom Staat aufgekauft. Durch Brand zerstörte Häuser wurden nicht mehr erstellt, andere abgerissen und das Gelände aufgeforstet. So entstand der mehrere hun­ dert Hektar große Staatswald. Einst dicht bevölkerte Ortsteile wurden fast menschen- Höhenlandwirtschafl aufllOO Metern am Fuße des 1142 Meter hohen Steinbergs: Der Fernhof, einer der 19 Höfe, die das Landschaflsbild prägen und für dessen O.ffenhaltung sorgen 27

leer und die Einwohnerzahl sank von über 1100 in der Blütezeit der Uhrmacherei bis auf 670 vor dem Zweiten Weltkrieg und reicht jetzt wieder an die Tausendergrenze heran. Die Aufwärtsentwicklung begann um 1950 mit dem Bau der ersten Wasserversor­ gung und der damit ermöglichten Bautätig­ keit im Ortskern unter Bürgermeister Albert Fehrenbach, der von 1920 bis 1967 mit kurzer Unterbrechung nach dem Krieg die Ge­ schicke Neukirchs leitete. Ein Feuerwehr­ gerätehaus und dann zehn Siedlerstellen mit 20 Wohnungen machten den Anfang. Wei­ teres Baugelände wurde erworben und er­ schlossen, die Wasserversorgung erweitert. 1964 kam ein neues Schulhaus mit Gym­ nastiksaal hinzu, das alte wurde an eine Uhrenfabrik verkauft, die Arbeitsplätze im Ort schuf. Eine mechanisch-biologische Kläranlage und die Ortskanalisation im Trennsystem wurde 1965 in Betrieb genom­ men. Bürgermeister Fehrenbach begann noch mit dem Bau eines Rathauses mit drei Lehrerwohnungen, mußte aber 1967 aus Altergsründen zurücktreten, so daß sein Nachfolger Alfred Dilger den Bau vollenden und 1968 beziehen konnte. Er setzte die Ent­ wicklung der Gemeinde zielstrebig fort. So wurde eine neue ergiebige Quelle erschlos­ sen und eine Pumpstation erstellt. Auch der Fremdenverkehr wurde von ihm weiter auf­ gebaut. Die Gemeindereform brachte auch für Neukirch das Ende seiner Selbständigkeit und am 1.Juli 1971 wurde die Gemeinde nach langen Verhandlungen und Abstimmungen ein Stadtteil von Furtwangen. Bürgermeister Alfred Dilger wurde Ortsvorsteher. Schon im darauffolgenden Jahr verstarb er, wenige Monate nach seinem Vorgänger Albert Fehrenbach. Seitdem lenkt Ortsvorsteher Florian Rombach die Geschicke seines Hei­ matdorfes, soweit ihm das die gesamtstädti­ schen Interessen ermöglichen. Die im Ein­ gliederungsvertrag versprochene Turnhalle wurde als Mehrzweckhalle erstellt und ist oft der repräsentative Schauplatz auch überört­ licher Veranstaltungen. 28 Auch als Stadtteil von Furtwangen wird die Entwicklung des Ortes zielstrebig weiter betrieben. Die Entwicklung des Fremden­ verkehrs steht hierbei mit im Vordergrund. Im Jahre 1978 wurde Neukirch anerkannter Luftkurort. Da der Drang von den Außen­ bezirken zum Ortskern nicht abreißt, wur­ den immer neue Baugebiete erschlossen und bebaut. Auch einstige Feriengäste ließen sich auf Dauer hier nieder. Als die Schulreform nach und nach das neue Schulhaus entleerte, wurde das Gebäude an eine Ingenieurfirma vermietet. Praktisch im letzten Moment vor dem Verkauf schwenkte die Schulpolitik von der Zentralisierungssucht um und ließ wie­ der Dorfschulen zu. Sofort ergriffen Ortsvor­ steher und Ortschaftsrat den winkenden Strohhalm und setzten alle Hebel in Bewe­ gung, auch Neukirch wieder zu seiner Grundschule zu verhelfen, verbunden mit der Möglichkeit, im Hause auch einen Kin­ dergarten einzurichten und so das Herum­ transportieren schon der Dreijährigen zu vermeiden. Während die Einrichtung eines Kindergartens allgemein unbestritten war, gab es für die Wiedereinrichtung einer Grundschule erst nach langen Bemühungen eine hauchdünne Mehrheit. Zum Schuljah­ resbeginn 1990/91, dreizehn Jahre nach der Schließung, konnte die Grundschule zu­ nächst mit zwei Klassen wieder ihren Betrieb aufnehmen und im Erdgeschoß des Hauses öffnete der Kindergarten „St. Andreas“ mit zwei Gruppen seine Pforten. Seit Herbst 1992 ist die Grundschule mit vier Klassen voll ausgebaut und Schulleiterin Gabriele Sutter wurde die erste Neukircher Rektorin. Inzwischen sind Grundschule und Kinder­ garten aus dem dörflichen Leben nicht mehr wegzudenken und arbeiten kooperativ ver­ trauensvoll zusammen. Zweites Standbein des Dorflebens sind die örtlichen Vereine, besonders auf sport­ lichem Gebiet sind sie sehr aktiv: die „Ski­ zunft“, die schon Olympiateilnehmer und Deutsche Meister stellte und die internatio­ nalen Langläufe „Rund um Neukirch“ aus­ richtet, die „Sportfreunde“, inzwischen in

Das „Zimberhäusle“ im romantischen Hexenloch, ein letztes Zeugnis der einstigen Uhrmacherhäuser die Landesliga aufgestiegen. Der Geselligkeit dient der „Narrenclub“ und dem Naturschutz und der Wanderbewegung der Schwarzwald­ verein. Auf kulturellem Gebiet hat sich die ,,Sängerrunde“ seit über 70 Jahren erhalten, während der Musikverein dem Zweiten Weltkrieg und der Kirchenchor der Schul­ reform zum Opfer fiel, die ihm den Chor­ leiter nahm. Blasmusikbegeisterte Neukir­ cher haben jedoch in der Trachtenkapelle Glashütte eine musikalische Heimat gefun­ den, die auch an kirchlichen Festen die Rolle einer örtlichen Musikkapelle übernimmt. Die „neue Kirche“, die dem Ort von An­ fang an ihren Namen gab, war und blieb bis heute Wahrzeichen und Mittelpunkt des Ortes. Um das Jahr 1430 wurde ein Neubau erstellt, wofür es sogar beim Konzil von Basel 1435 einen Ablaß gab. Bis etwa 1500 kam zum Gottesdienst an Sonn- und Feiertagen ein Mönch aus St. Peter angeritten, dann nahm ein Pater seinen ständigen Wohnsitz in Neukirch. Für seinen Unterhalt sorgten die Erträgnisse seines Widums mit Feld und Wald sowie festgelegte Abgaben. Seit 1809 hat Neukirch Weltgeistliche als Seelsorger, manche nur kurze Zeit, einzelne aber auch über Jahrzehnte, so den jetzigen Ortspfarrer Josef Nock, inzwischen über 80 Jahre alt, der seit vier Jahrzehnten die Neukircher seelsor­ gerlich betreut und mit ihnen sein Goldenes Priesterjubiläum feiern konnte. Die Pfarrkirche wurde im Jahre 1910 erwei­ tert, fiel aber am 20. April 1945 einem Flieger­ angriff zum Opfer. Gerettet werden konnten nur die wertvollen Figuren des Neukircher Barockbildhauers Matthias Faller (vgl. Alma­ nach 80, Seite 128 ff.). Schon vor der Wäh­ rungsreform begann unter Pfarrer Leonhard Schmid der Wiederaufbau und 1946 konnte Richtfest gefeiert werden. Pfarrer Nock konnte 1952 wieder vier Glocken weihen und 1956 erklang auch wieder eine neue Orgel. Eine Heizung, in 960 Metern Höhe sicher 29

kein Luxus, wurde installiert und nach dem Konzil der Altarraum neu gestaltet, wobei die geretteten Faller-Figuren wieder Haupt­ altar und Nebenaltäre schmücken. Eine Gedenktafel an der Kirche erinnert, zum 200. Todestag angebracht, an den Schöpfer dieser Figuren. Neukirch, einziger Furtwanger Stadtteil im Einzugsgebiet des Rheines, hat auch nach Verlust seiner Selbständigkeit sein Eigen- leben weitestmöglich bewahrt und als Schwerpunkt des Fremdenverkehrs seinen Platz in der Gesamtstadt gefunden. Ein reges Vereinsleben fördert den Zusammenhalt unter Einheimischen und Neubürgern. Aus­ druck dieses Zusammenhalts ist der jährliche Dorfhock, ein Familienfest aller derzeitigen und früheren Neukircher. Wilhelm Dotter Das Wappen von N eukirch Wappen: In Blau, auf grünem Boden (Schildfuß) stehend eine silberne Kirche mit roten Dächern und schwarzen Öffnungen, Turm (heraldisch) rechts. Als die Vogtei (= Gemeinde) Neukirch nach dem Übergang an das neue Großher­ zogtum Baden 1806 erstmals ein eigenes Siegel führen durfte, beschaffte sie zu­ nächst ein schlichtes Petschaft, das im Hochoval unter einer Blumengirlande die sechszeilige Inschrift aufwies: VOGTEI / NEUKJRCH /HERRSCHAFT/TRIBERG/ IM SCHWARZ / WALD. In den Dreißiger­ jahren des vorigen Jahrhunderts wurde dann ein kleines, fast rundes Siegel eingeführt, das über einer Rankenverzierung und der Inschrift NEUKJRCH eine gemauerte Kirche zeigte, neben deren Turm vorn noch ein schlanker Baum aufwuchs -wohl zur Raumfullung. Die­ ses schön gravierte Siegel benutzte die Gemeinde bis 1895. – Damals regte das groß­ herzoglich badische Generallandesarchiv in Karlsruhe an, ein Wappen mit Kirche, also ein Um die Farben dieses Wappens wurde vor „redendes“ Wappen anzunehmen. Dem mitgeschickten Entwurf stimmte der Ge­ meinderat zu, und so bekamen die Neu­ kircher zu Anfang des folgenden Jahres ein Siegel und einen Farbdruckstempel mit dem Wappen geliefert. etwa 30 Jahren eine heftige Diskussion geführt. Dem Wappenentwurf von 1895 war keine Wappenbeschreibung mitgegeben 30 worden. Die Wappenzeichnung war zwar farbig angelegt – jedoch unheraldisch mit hellblauem Grund, hellgrünem Boden, die Kirche mit hellroten Mauern und roten Dächern. – In den tempeln war durch heraldische Schraffur ein blauer Grund und ein grüner Boden angedeutet – die Kirche blieb jedoch ohne Farbangabe. Als 1961 die Bezirkssparkasse in ihrem Neubau in Furtwangen die Wappen aller beteiligten Gemeinden anbringen wollte, forderte der Neukircher Bürgermeister Albert Fehrenbach in Karlsruhe eine farbige Vorlage an und schickte noch eine Zeich­ nung der Neukircher Pfarrkirche mit. – Er bekam eine heraldisch einwandfreie Wap­ pendarstellung, deren Farben sich aus der alten Zeichnung herleiteten: In Silber auf grünem Boden eine rote Kirche. Eine gelungene Lösung, die man noch auf der schönen Keramikplatte im Treppenhaus der Bezirkssparkasse Furtwangen sehen kann. – Doch fiel nach einiger Zeit jemand der Unterschied zur „blauen“ Schraffur des

Quellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Gemeindshuldigungen Amtsbez. Triberg. – GLA Wappenakten Amtsbez. Triberg u. Lkr. Donaueschingen. – GLA Wappenkartei Schwarzwald-Baar-Kreis. – GLA Siegelkartei Schwarzwald-Baar-Kreis. – Gern. Amtsbl. Baden-Württ. 13 (1965) S. 360. – K. Schnibbe, Gemeindewappen im ehern. Landkreis Donaueschingen, in: Schrif ten d. Vereins/ Gesch. u. Naturgesch. d. Baar in Donaueschingen, Bd. 33 (1980). – K. Schnibbe, (Das Wappen von) Neukirch, in: VHS „Oberes Bregtal“ e. V Furtwangen, Tri­ mesterplan 111983. Stempelwappens auf, und e1mge Bürger monierten sogar, ihre Dorfkirche sei „nie­ mals rot gewesen“. – In der Heraldik ist jedoch die Farbe völlig unabhängig von natürlichen Vorbildern – es gibt z.B. blaue Löwen oder rote Adler. Und auch ihre Form erscheint auf ein Symbol abgekürzt; in unse­ rem Fall also einfach „Kirche“ und nicht „die Pfarrkirche von Neukirch“! – Gegen diese Grundsätze wird leider immer wieder versto­ ßen, was dann meist zu unzulänglichen Ergebnissen führt. – Die rote Kirche könnte hier beispielsweise auch als Symbol für ,,neue Kirche“ (also den Ortsnamen) stehen! Der Gemeinderat beschloß einen for­ malen Wappenänderungsantrag und am 23. April 1965 verlieh das Innenministerium Baden-Württemberg das eingangs beschrie­ bene Wappen. Es ist mit der Eingemeindung Neukirchs in die Stadt Furtwangen am 1.Juli 1971 für den amtlichen Gebrauch erloschen. Prof. Klaus Schnibbe Hammereisenbach-Bregenbach Ein liebenswerter Ort im oberen Bregtal Hammereisenbach-Bregenbach ist mit 643 Einwohnern der größte Ortsteil der Stadt Vöhrenbach. Der Ort liegt an der engsten Stelle des sich dann wieder auswei­ tenden oberen Bregtales. Seine Gemarkungs­ fläche beträgt 1511 ha. Die Hammereisen­ bach-Bregenbach umgebenden Berge und Höhen erreichen 1012 m. Bis 1896 waren Hammereisenbach und Bregenbach zwei selbständige Gemeinden. Durch ein Gesetz vom 7. Mai 1896 wurde der Ort Bregenbach aufgelöst und mit Hammereisenbach zu einer Gemeinde verbunden. Seit dieser Zeit führt die Gemeinde den Namen Hammer­ eisenbach-Bregenbach. Am l.Juli 1971 wurde Hammereisenbach-Bregenbach als Stadtteil nach Vöhrenbach eingemeindet. Der Ortsname Hammereisenbach wird abgeleitet vom Eisenbach, einem Gewässer, an dem der Ort liegt. Das Wort Hammer kam hinzu, weil hier eines der ältesten Ham­ merwerke im südlichen Schwarzwald stand. Dieses Eisenwerk wurde 1523 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Die Entstehung des Eisenwerks lag aber schon in früherer Zeit, da bei der urkundlichen Erwähnung die Bergbauanlagen schon vorhanden waren. Im Jahr 1867 wurde das Werk wegen Unwirt­ schaftlichkeit stillgelegt. Heute sind von die­ sem ehemaligen Werk, das am Zusammen­ fluß der Urach und des Eisenbaches stand, kaum noch Spuren zu erkennen. Bregenbach bekam seinen Namen wahr­ scheinlich von den „Höfen links der Breg“. Erwähnt wurde es schon im 13. Jahrhundert als „Pregin“, 1366 dann als „Brägen“, 1487 als „Bregen“ und 1505 als „Pregen“. Die Gemeinde Bregenbach war im Besitz der 31

Hammereisenbach um 1991 Zähringer und kam, nach deren Aussterben im Jahre 1218, als Erbe zum Haus Fürsten­ berg. Der Ort be tand damals aus einigen Höfen, darunter der Krumpenhof, der Fischerhof, der Forpenhof, der Weiß­ kopfenhof, der Winterhof und der Bernreu­ tehof, welcher seit 1523 im Besitz der Familie Heini ist. Auf einem Felssporn über der Zusammen­ mündung des Breg-Tales und des Eisenbach­ Tales, also ganz in der Nähe dieser Höfe, stand die Burg „Neufürstenberg“. Sie wurde 1381 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Sie soll ursprünglich „Bregburg“ geheißen haben, weil ihr damals das gesamte Bregtal unterstand. Ihre Entstehungszeit dürfte jedoch schon das beginnende 13. Jahrhun­ dert gewesen sein. Darauf lassen die bau­ handwerklichen und festungstechnischen Merkmale schließen. Dies sind insbe ondere die charakteristi chen Bossenquader an den Ecken der heute noch sichtbaren Schild­ mauer. Die Schildmauer ist noch nahezu in 32 voller Höhe erhalten. Sie ist etwa 22 m lang, hat eine Stärke von 4,50 m und eine Höhe von bis zu 15 m. Die Steinkonsolen dicht unter der Mauerkrone auf der Außenseite zeigen, daß lediglich der Wehrgang abgängig ist. Daran schließen die chwächeren und niedrigeren Mauern der Wohngebäude an. Auf der Hangseite, zum Eisenbach hin, ver­ läuft die noch etwa 3 m hohe Zwingermauer. Die Burg wurde hauptsächlich au dem Granit­ material der Umgebung, meist aus Flußge­ röllen errichtet. Nur die Gebäudedecken und Gliederungselemente bestanden aus groß­ formatigen �adern. Eine Schildmauerburg von solchen Ausmaßen war im südlichen Schwarzwald einzigartig. Große Bedeutung kam ihr hinsichtlich der Verkehrswege zu. Sie diente als Sperrfestung an den beiden Flußläufen, die die Talwege über den Schwarzwald ins Rheintal kontrollierte. Wei­ tere Bedeutung erhielt sie im 14. Jahrhundert als Schutzwehr für die im Eisenbachtal im Aufbau befindlichen fürstenbergischen

Eisenwerke. Im Bauernkrieg, am 8. Mai 1525, wurde die Burg Neufürstenberg zerstört. Die Ruine Neufürstenberg wurde 1953 als Kul­ turdenkmal von besonderer Bedeutung in das Denkmalbuch eingetragen. In den sieb­ ziger Jahren ging sie aus dem Eigentum des Hauses Fürstenberg in Landesbesitz über. Die erste Kirche in Bregenbach wurde schon 1446 unter dem Namen „Unser Frauen Capell gen Bregen unter der Newen Fürstenberg“ erwähnt. Damals ließ Graf Egon zu Fürstenberg eine Glocke aus dem durch die Pest ausgestorbenen Ort Waldhau­ sen nach Bregenbach bringen. Im Jahr 1466 wurde eine Kapelle in Bregenbach urkund­ lich erwähnt und 1488 wird von der Kapelle zu „Unser Frowen zu Bregen“ berichtet. Die Seelsorge übernahmen schon vor 1500 die Pauliner aus Tannheim. Ab Mitte des 17. Jahrhunderts war für die Bregenbacher Höfe und den größer gewordenen Ort Hammer­ eisenbach die Pfarrei Urach zuständig, doch die Pauliner besorgten weiterhin die Seel- Hammereisenbach um 1900 sorge. Im Jahr 1724 wurde an der Hammer­ eisenbacher Landstraße in Bregenbach eine neue Kapelle gebaut. Sie hatte, wie auch die heutige Kirche,Johannis Baptista als Patron. Auch hier versahen die Pauliner weiterhin die Seelsorge, bis Hammereisenbach im Jahr 1785 eine selbständige Kaplanei erhielt.1887 wurde Hammereisenbach dann selbständige Pfarrei. Im Jahr 1901 wurde mit dem Bau einer neuen Pfarrkirche begonnen, die dann 1912 feierlich eingeweiht wurde. In den Jah­ ren 1966 bis 1975 erfolgte eine gründliche Außen- und Innenrenovation der Kirche. Bis 1966 war Hammereisenbach-Bregenbach eine selbständige Pfarrei. Dann wurde sie von den Pfarreien Eisenbach und Vöhren­ bach aus betreut. Seit 1974 wird die Pfarrei – wie einst – von der Pfarrei Urach aus mitbe­ treut. Ein eigener Friedhof wurde für die Gemeinden Hammereisenbach und Bre­ genbach im Jahr 1834 angelegt. 1906 er­ folgte der Bau der Friedhofskapelle, die vor einigen Jahren mit viel Eigeninitiative der 33

Erste Dampflokomotive der Bregtalbahn vor dem Bahnhof Hammereisenbach im Jahre 1892 Hammereisenbacher Bevölkerung renoviert wurde. Das erste Schulhaus wurde von den bei­ den Gemeinden in den Jahren 1823/24 nahe der Ortsmitte gebaut. Durch den Anstieg der Schülerzahlen war 1910 der Bau eines neuen Schulhauses nötig. Als auch dieses Gebäude nicht mehr den Anforderungen entsprach, wurde 1962 mit dem Bau eines größeren Schulhauses am Sommerberg begonnen. Das ehemalige Schulgebäude wurde danach Sitz der Gemeindeverwaltung und der Post. Durch die Schulreform wurde die Schule nach und nach geschlossen. Die Jahrgangs­ stufen 8 und 9 besuchen seit 1967 die Nach­ barschaftsschule in Vöhrenbach. Die rest­ lichen Hauptschulklassen folgten im Jahr 1971. Die Grundschule Hammereisenbach bestand noch bis zum Jahr 1974. Das nun leerstehende Gebäude wurde zur Festhalle umgestaltet. 1976 wurde dann der Kindergarten im ehemaligen Schulgebäude eröffnet. Im letztenJahr wurde ein Anbau als zweiter Gruppenraum für den Kindergarten fertiggestellt. Nach langen Verhandlungen erfolgte 1892 der Bau der Eisenbahnlinie von Donau­ eschingen nach Furtwangen. Im September des gleichen Jahres traf der erste Zug der Bregtalbahn in Hammereisenbach ein. Damit war der Ort an das Eisenbahnnetz angeschlossen, was für die Holz- und Forst­ wirtschaft – einzige Arbeitgeber außer der Landwirtschaft im Ort – das Transportpro­ blem verringerte. Im Jahr 1972 wurde die Bregtalbahnlinie schon wieder stillgelegt. Lange Zeit hatte jedes Haus in Hammer­ eisenbach und Bregenbach seine eigene Brunnenstube mit einer Quelleitung. So sah sich die Gemeinde erst im Jahre 1961 genö­ tigt, eine gemeindeeigene Wasserleitung zu bauen. Dazu wurde im Bereich Fahlenbach (Gemeinde Urach) einige Quellen gefaßt, die eine ausreichende Wassermenge liefern. 34

Als der Abwasserzweckverband Eisen­ bach-Vöhrenbach im Bereich des Fischer­ hofes eine Kläranlage baute, wurde auch Hammereisenbach angeschlossen. Die HAUS AM BERG GmbH aus Bad Urach erwarb 1965 ein Gebäude des Fischer­ hofes – das heutige Haus Weiherberg – und baute es zu einem Heim für Behinderte um. Ein Jahr später wurde landwirtschaftliches Gelände vom Land zugepachtet und das Anwesen bis 1973 als landwirtschaftlicher Betrieb weitergeführt. Zwischenzeitlich wurde ein weiteres Gebäude – das Haus Forbental – als Wohnheim für seelisch behinderte Männer errichtet. Nach Über­ gabe des Gebäudes vom Fischerbeckenhof durch Herrn Direktor Stäbler an die HAUS AM BERG GmbH entstanden in diesem Haus – dem Haus Haselnußhalde – Werk­ stätten und Räume für eine Wohngruppe. 1988 erfolgte der Bau eines Mitarbeiterwohn­ hauses für den Heimleiter. 1990 begann die Planung für ein neues Werkstattgebäude, das noch in diesem Jahr fertiggestellt werden wird. Heute läuft die Planung für ein Ge­ bäude in Hammereisenbach, in dem Wohn­ gruppen eingerichtet werden sollen. Im Heim Fischerhof stehen zur Zeit 84 Heim­ plätze zur Verfügung. Das Heim ist ein Bau­ stein in der gemeindenahen Versorgung und will mit seinen Angeboten einen beschüt­ zenden Lebensraum für geistig behinderte und psychisch kranke Menschen zur Verfü­ gung stellen, die ihre sozialen Bindungen, aus welchen Gründen auch immer, verloren haben. Die Zielsetzung des Heimes ist es, den Menschen dabei zu helfen, mit ihrer Krankheit oder Behinderung selbständiger und eigenverantwortlicher umzugehen. Die neue Werkstatt und die geplanten Wohnun­ gen sollen der Auflockerung der Wohn- und Arbeitsverhältnisse im Heim Fischerhof dienen. Innerhalb des Schwarzwald-Baar­ Kreises hilft die HAUS AM BERG GmbH mit dem Heim Fischerhof mit, die psychia­ trische Versorgung zu verwirklichen. Es soll mit anderen Trägern der psychosozialen Versorgung im Kreis darauf hingewirkt Ruine Neufürstenberg um 1900 werden, daß ambulante Dienste und Ein­ richtungen bedarfsgerecht zur Verfügung stehen. Während früher die Land- und Forstwirt­ schaft sowie einige holzverarbeitende Betrie­ be Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl zur Verfügung stellten, so ist heute die große Mehrzahl der Erwerbstätigen gezwungen, ihren Lebensunterhalt in den Städten und Gemeinden der Umgebung zu verdienen. In Hammereisenbach bieten nur noch die Forstwirtschaft, einige Handwerksbetriebe und das Heim Fischerhof Arbeitsplätze für die einheimische Bevölkerung. In der Hammereisenbacher Dorfgemein­ schaft haben die Vereine einen hohen Stel­ lenwert. Die Feuerwehr, der Musikverein, der Sportverein, die Burgzunft, der Angel­ sportverein und der Sportkegelclub entfal­ ten vielfältige Aktivitäten und vertreten selbstbewußt ihren Heimatort. Karl Elsäßer 35

Das Wappen von Hammereisenbach-Bregenbach hätte auch – gehalten in den fürstenbergi­ schen Farben – zu einem Wappen getaugt (etwa folgendermaßen: In Blau ein silbernes Hammereisen). Die frühere Gemeinde B r e­ g e n b a c h dage­ gen führte im 19. Jahrhundert im Siegel ein gekrön­ tes (!) Wappen, das man folgen­ be­ dermaßen schreiben kann: In Gold rote Schrägleiste, unten begleite/ von einer aujgerichte­ len roten Rechthand. Vermutlich ist hier das seit 1830 gültige badische Wappen gemeint­ unter Zusatz der Hand als Ortszeichen (?). Die Bedeutung der Hand (Schwurhand) ist heute nicht mehr auszumachen. Sie kam auch in anderen Gemeindesiegeln der Um­ gebung vor (z.B. Eisenbach, Friedenweiler, Schollach, Schwärzenbach und Kappel bei Lenzkirch). – Hier bleibt noch etwas zu erforschen! eine Nach dem Zusammenschluß wünschte der Gemeinderat der neuen Gemeinde H a m m e r e i s e n b a c h -B r e g e n b a c h ein Wappen, ,,womöglich unter Beibehaltung des Zeichens der bisherigen Gemeinde Hammereisenbach.“ Vom Generallandes­ archiv Karslruhe wurde jedoch vorgeschla­ gen, da der Hammer in der bisherigen Form „nur schwer kenntlich“ sei, ihn mit einem Stiel zu versehen. Der Gemeinderat wählte darauf aus den vorgelegten Ent­ würfen das zu Anfang wiedergegebene Wappen aus. Und so wurde es von 1897 bis 1971 geführt. So richtig populär ist dieses Wappen jedoch nie geworden. – War schon die perspektivische Darstellung unheral­ disch, so entartete die Zeichnung in den Gemeindestempeln mit der Zeit zu einer Art ,,Steinbeil“. Wappen: In Blau ein aujgerichle/er silberner Hammer mit goldenem Stiel. Am 1. Januar 1896 wurde die Gemeinde Hammereisenbach mit der kleinen Bregtal­ gemeinde Bregenbach zur neuen Gemeinde Hammereisenbach-Bregenbach vereinigt. Die alte Gemeinde H a m m e r e i s e n ­ b a c h , benannt nach dem schon 1523 genannten fürstenbergischen „Hammer am Eisenbach“, besaß kein Wappen. Sie führte jedoch im 19. Jahr­ hundert ein iegel mit der Umschrift GEMEINDE HAM­ EISEN­ MER BACH, das, von Lor­ beerzweigen umge­ ben, ein Hammer­ eisen zeigt. So kann man es auch heute noch am bald 400 Jahre alten Wirtshaus „zum Hammer“ sehen. – Es handelt sich bei diesem einprägsamen Zei­ chen um die Darstellung des Eisens eines sog. Schwanz­ hammers, das an langem „Baum“ in S c h w a r z w ä l d er Hammerwerken im Einsatz war, und wie man einen noch heute z. B. im Sensen­ museum Achern erleben kann. Es 36

Immer wieder regte sich in der Gemeinde der Wunsch, das alte Zeichen des Hammer­ eisens wieder ins Wappen zu nehmen. Auf einen Vorstoß des Bürgermeisteramts 1966 schlug das Generallandesarchiv schließlich vor, das Wappen wie folgt zu gestalten: In Blau ein goldenes Hammereisen. – Da eine ent­ sprechende Rückäußerung des Gemeinde­ rats indessen ausblieb, kam eine Verleihung dieses Wappens nicht zustande. Durch die Eingemeindung in die Stadt Vöhrenbach zum 1.Juni 1971 ist das zu Anfang dargestellte Wappen erledigt. Prof. Klaus Schnibbe Q.yellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Wappenakten, Amtsbez. Neustadt und Landkr. Donaueschingen. – GLA Wappenkarte1; Schwarzwald-Baar-Kreis. – GLA Siegelkartei, Schwarzwald-Baar-Kreis. – K. Schnibbe, Gemeindewappen im ehern. Landkreis Donaueschingen, in: Schrifi.en des Vereins/ Geschichte u. Naturgesch. d. Baar in Donaueschingen, Band 33 (1980). – K. Schnibbe, Wappen Hammereisenbach-Bre­ genbach, in: Volkshochschule „ Oberes Bregtal“ e. V, Furtwangen, Trimesterplan 1/1982. – G. Goerlipp, Der Bergbau im Tal des Eisen­ bachs, in: Almanach Schwarzwald-Baar­ Kreis, 11. Folge (1987), wg. Wirtshausschild ,,zum Hammer“. Baar bei Neudingen German Hasenfratz • � �- . .. � ��,-·,..;‘. �- ,· # : … 1! • ··��· ….. 37

Behörden und Organisationen 40 Jahre ÖTV-Kreisverwaltung Villingen-Schwenningen 40 Jahre ÖTV – ein sehr langer Weg, ein mühsam erkämpfter Erfolg im gesellschafts­ politischen Bereich unserer Stadt, den damaligen Kreisen Rottweil, Tuttlingen, Donaueschingen und Villingen bis hin zum (als Gewerkschaftsgrenze vereint und damit lange vorher vorweggenommenen) Schwarz­ wald-Baar-Heuberg-Bezirk. 40 Jahre ÖTV kann man aber auch so sehen: Es war die Wiedergeburt einer freien Gewerkschaftsbewegung nach Verbot und Zerschlagung 1933 mit der anschließend befohlenen „Gleichschaltung“. In dieser von Not, Hunger und Elend geprägten Nach­ kriegszeit waren es zwei Männer, die eine 38 vormals so starke Schwenninger Gewerk­ schaft wieder zu neuem Leben erweckten: Adelbert Wiser und Eugen Müller (zum letz­ teren vgl. auch Almanach 94, Seite 150). Wer also könnte die Chronologie der Ereignisse besser und überzeugender darstel­ len als eben dieser Eugen Müller, der erste ÖTV- Kreis-Geschäftsführer? Hören wir ihm also zu, denn sein weit gespannter Ge­ schichtsbogen ist Vergangenheit und Zu­ kunft, Erinnerung und Lehre zugleich: Der Glaube an die gl’Werkschaftliche Tradition ging aus 12jähriger Unterdrückung und Ve,fol­ gung letztlich gestärkt hervor durch Männer wie Steigerwald, Kaiser, Arnold, Böckler, Tarnow und Wisse/. Sie waren die „ Geburtshe!fer“ der Einheitsgewerkschaft in Deutschland. Für den i.iffentlichen und priva­ ten Dienstleistungsbe­ reich wurde die Gewerk­ schaft ÖTV gegründet, mit den Verwaltungs­ stellen Ravensburg und Reutlingen in Südwürt­ temberg. Der Zustrom zur neuen ÖTV im heuti­ gen Bereich der Region S chwarzwald-B aar­ Heuberg war das Si­ gna/für den Schwennin­ ger ÖTV-Vorsitzenden Adelbert Wiser, beim Hauptvorstand Kum­ mernuss mit Nachdruck für die Schaffung einer Verwalt1mgsstelle!Kreis­ verwaltung einzutreten.

Schon im Frühjahr 1952 trug Wiser’s Idee Früchte- der Hauptvorstand beschloß eine Kreis­ verwaltung mit Silz in Rollweil einzurichten. Stellenausschreibung, Bewerbung und die ent­ scheidende Delegierten-Konferenz in der Rottwei­ l.er Bahnhefsgasts/älle (!), 7 Bewerber, geheime Wahl und die meisten Stimmen kürten den ,,Eugen „zum ersten ÖTV-Kreis-Geschäftiführer. Mit Büro im Nebenzimmer der Rollweiler Gast­ stätte „zur Torstube“! Soweit Eu gen Müller über die ersten Stun­ den – samt Geburtshilfe – bis zu seinem Arbeitsantritt am 1. Oktober 1952. Der ohnehin nicht leichte Beginn seiner Arbeit wurde natürlich durch die Nach­ kriegsumstände noch erschwert. Heute undenkbar, damals selbstverständlich war das Reisen mit der Bahn, dem Postbus und – oft und viel mit dem Fahrrad. Zunächst galt es, Ortsvorstände, Betriebs- und Personalver­ tretungen, die zur neuen Kreisverwaltung gehörten, kennenzulernen, Referate und Vorträge zu halten. Eine Sisyphus-Arbeit, mit heutigen Verhältnissen nicht nachvoll­ ziehbar. Und auch nur verständlich, wenn der Beruf zur Berufung wird … Zwei positive „Umstände“ halfen Eugen Müller endlich, seine sich immer mehr häu­ fenden Funktionen und Pflichten in über­ schaubare und damit effektivere Bahnen zu leiten: Zum einen bekam er einen ausgemu­ sterten Ford Taunus zur Verfügung gestellt und zum zweiten beschloß 1954 eine Dele­ gierten-Konferenz die Verlegung der Kreisge­ schäftsstelle von Rottweil nach Schwenningen. In diesem Zusammenhang ist es interes­ sant sich zu erinnern, daß die heutige ÖTV­ Kreisverwaltung Villingen-Schwenningen als erste Institution im Südweststaat mit ihrem Organisationsgebiet -die Kreise Rott­ weil, Tuttlingen, Donaueschingen und Vil­ lingen umfassend – die alten Grenzen zwi­ schen Baden und Württemberg überwand! Doch damit wurde aber auch die Tarifgestal­ tung schwieriger, denn Südbaden und Südwürttemberg-Hohenzollern blieben im kommunalen Bereich bis in die 60er Jahre unterschiedliche Tarifgebiete. Stolzes Fazit: Die Gewerkschaft ÖTV war durch die Gestaltung des Tarifrechts ein wirt­ schaftlich, gesellschaftlich und sozialer Ord­ nungsfaktor ersten Ranges geworden. Und ein verlässlicher Partner dazu! Natürlich waren auch Voraussetzungen erkämpft worden, die über Jahre das gewerkschaftliche Fundament stetig und anhaltend verstärkten: der bun­ desweite ÖTV-Streik 1974 mit dem unter dem ÖTV-Vorsitzenden Heinz Kluncker eine zweistellige Lohn- und Gehaltserhö­ hung gelang und, daß die Tarifgestaltung für die Arbeiter und Angestellten im öffentli­ chen Dienst Grundlage für die Entwicklung des Beamten- und Besoldungsrechts des Bundes und der Länder wurde. Sicherlich würde es den Rahmen dieses Abrisses sprengen, wollte man akribisch Auf­ stieg und Erfolge der Gewerkschaft ÖTV, die sich Jahr für Jahr im ganzen Bundesgebiet einstellten, auflisten. Hören wir deshalb nocheinmal unserem ,,ewig jungen“ Eugen Müller zu: Meine Bemühungen, zusammen mit den Mit­ arbeiterinnen auf dem Büro und den viel.en ehren­ amtlichen Kolleginnen und Kollegen dra1efsen „vor Ort“für unsere ÖTV eine Vertrauensbasis zu schaffen, waren letztlich der eigentliche Garant für den guten Ruf unserer Verwaltungsstelle und – die nahezu vie,fache Steigerung der Mitglieder­ zahl. Dabei ha!f mir immer eine ganz einfache Lebens- und Arbeits-Philosophie aus einem Semi­ nar des Heidelberger OB Prof Weber: ,,Sorgt dafür, daß Gerechtigkeit Recht und Recht Gerech­ tigkeit wird“! Eine emotionale und rationale Ver­ pflichtung gleichermaßen fiir all meine Aktivitä­ ten in der Gewerkschaftsarbeit wie fiir die ehren­ amtlichen Afaben in den Selbstverwaltungs­ organen der Ortskrankenkassen und Arbeits­ ämter sowie als Mitglied des Gemeinderats und Kreistages Rouweil und danach auch im Schwarzwald-Baar-Kreis. Als Schwerkriegsbeschädigter und Gewerk­ schaftler zugleich halte ich es für meine lflicht, tag­ täglich für Frieden, Freiheit und soziale Gerechtig­ keit, heule und noch mehr für morgen einzutreten. Warum, so frage ich, ist die Menschheit nicht bereit, zur Lösung der sozialen Probleme in 1mse- 39

rer Weil die finanziellen Mille/ aufzubringen, wie dies für kriegerische Auseinandersetzungen der Fall ist!! Darf ich hierzu Peter Ustinov zitieren: Noch niemals hat mich aief der Straße jemand aufgefordert, für Kernwaffen Geld zu spenden. Offenbar deshalb, weil die Regierungen für Wef­ Jen stets genug Geld zur Verfügung haben. So bleibt mein Wunsch: eine Weil, ein Land, wo alles auf das Maß des Menschen zurück­ geführt wird. Eduard Krohn Neue Rettungs- und Feuerwehrleitstelle des Schwarzwald-Baar-Kreises Die neue Rettungs-und Feuerwehrleit­ stelle des Schwarzwald-Baar-Kreises wurde am 13. November 1992 in den Räumen des DRK-Kreisverbandes Villingen-Schwennin­ gen in Betrieb genommen. Seit diesem Zeit­ punkt werden sämtliche Feuerwehreinsätze über die EDV eingegeben. Der Computer erstellt nach einem Alarmstichwort den Ein­ satzvorschlag und über einen Tastendruck wird die entsprechende Feuerwehr über Funk alarmiert. Rettungsleitstelle Im Rettungsdienstgesetz vom 10. 6. 1975 regelte der Landtag von Baden-Württemberg die Aufgaben der Rettungsleitstelle. Vor die­ sem Zeitpunkt hatten die einzelnen Ret­ tungswachen die Hilfeersuchen selbst ent­ gegengenommen. Hierfür mußten sie rund um die Uhr einen Telefondienst unterhal­ ten. Seit November 1975 wurde für den Ret­ tungsdienstbereich Schwarzwald-Baar-Kreis die Rettungsleitstelle in Villingen eingerich­ tet und durch den DRK-Kreisverband Villingen-Schwenningen betrieben. Nach und nach wurden alle Rettungswachen aus dem ehemaligen Landkreis Villingen fern­ meldetechnisch zur Rettungsleitstelle auf­ geschaltet. Mit der Stationierung des Rettungshub­ schraubers Christoph 11 im Jahre 1978 (beim Krankenhaus Schwenningen) übernahm die Rettungsleitstelle auch die Alarmierung des Hubschraubers für den gesamten Einsatz­ bereich des Hubschraubers (Radius 50 km). 40 Gesonderte Standleitungen zwischen der Rettungsleitstelle und der Hubschrauber­ wache wurden eingerichtet. Ab Februar 1988 erfolgten die Aufschaltungen der Rettungs­ wachen aus dem ehemaligen Landkreis Donaueschingen. Seit dem 16. 1. 1989 sind die Rettungsdienste des Deutschen Roten Kreuzes im Schwarzwald-Baar-Kreis nur noch über die bundeseinheitliche Rufnum­ mer 19222 erreichbar. Die Aufgaben der Rettungsleitstelle sind im wesentlichen die Annahme von Notru­ fen und Meldungen sowie die Lenkung und Koordinierung der Einsätze des Rettungs­ dienstes. Folgende Aufgaben sind besonders zu erwähnen: Annahme von Hilfeersuchen und Alar­ mierung der Rettungsmittel Lenkung der Rettungsdiensteinsätze Alarmierung weiterer Organisationen wie Malteser Hilfsdienst, DRLG und Berg­ wacht Zusammenarbeit mit Kliniken, Ärzten und Zahnärzten. Feuerwehrleitstelle Mit einer Änderung des Feuerwehrgeset­ zes Baden-Württemberg 1978 erhielten die Landkreise als Pflichtaufgabe zugewiesen, eine ständig besetzte Einrichtung zur An­ nahme von Meldungen (Notrufe) und zur Alarmierung der Feuerwehren (Leitstelle für die Feuerwehren) zu schaffen und zu betrei­ ben.1979/1980 wurde die Feuerwehrleitstelle

für den Schwarzwald-Baar-Kreis in den Räu­ men der Rettungsleitstelle aufgebaut und am 3.11. 1980 in Betrieb genommen. Mit dem DRK-Kreisverband Villingen-Schwen­ ningen wurde eine Vereinbarung geschlos­ sen, wonach der DRK-Kreisverband als Betreiber der Rettungsleitstelle auch die Feu­ erwehrleitstelle betreibt. Für diese Entschei­ dung (eine integrierte Leitstelle zu betreiben) waren zunächst wirtschaftliche Überlegun­ gen maßgebend, aus heutiger Sicht sprechen auch zahlreiche einsatztaktische Gründe für eine integrierte Leitstelle. Mit der Inbetriebnahme im November 1980 wurde lediglich für die Ortsnetze Villin­ gen und Schwenningen der direkte Notruf 112 eingeführt. Für sämtliche andere Orts­ netze im Schwarzwald-Baar-Kreis wurde der 41

möglich, zudem sollte in das Abfrage- und Alarmierungssystem die elektronische Da­ tenverarbeitung Einzug halten. Parallel zu dieser Entscheidung hat auch der Vorstand des DRK-Kreisverbandes Villingen-Schwenningen die Erneuerung seiner Rettungsleitstelle ins Auge gefaßt, nachdem diese veraltet und störanfällig war sowie die Lieferung von Ersatzteilen zuneh­ mend Schwierigkeiten bereitete. Zum Zeitpunkt des Beschlusses des Umwelt- und Technischen Ausschusses lag bereits ein Konzept zur technischen Lösung einer gemeinsamen Rettungs- und Feuer­ wehrleitstelle vor. Grundlage für dieses Kon­ zept waren technische Vorgaben des Innen­ ministeriums und des Sozialministeriums Baden-Württemberg zur Ausstattung von Rettungs- und Feuerwehrleitstellen. Die Erfahrungen anläßlich der Hoch­ wasserkatastrophe im Februar 1990 führten nochmals zu einem Überdenken der techni­ schen Ausstattung und so entstand die Ein­ richtung eines dritten Arbeitsplatzes für Großeinsätze. Weitere Überlegungen, die Einsatzabwicklung und Einsatzunterstüt­ zung mit Hilfe der EDV zu unterstützen, wurden konkretisiert. Dasselbe gilt für die Informationsverarbeitung von Betrieben und Anlagen mit gefährlichen Stoffen und Gütern. Hier sollte insbesondere eine Ver­ knüpfung des Alarmsystems mit vorhande­ nen Sonder- und Feuerwehreinsatzplänen geschaffen werden. Die von der Behörde zur Verfügung gestellten betriebsbezogenen Daten zu Ge­ fahrgutstoffen ergeben eine umfangreiche Gefahrgutdatei und der Disponent der Ret­ tungs- und Feuerwehrleitstelle kann den Ein­ satzleiter und den Notarzt umfassend bera­ ten. Nach der Ausschreibung im Januar 1991 beschlossen der Umwelt- und Technischer Ausschuß und der Vorstand des DRK-Kreis­ verbandes Villingen-Schwenningen im Sep­ tember 1991 die Auftragsvergabe für die Rettungs- und Feuerwehrleitstelle an einen Generalunternehmer. Die Unterbringung sogenannte unechte Notruf geschaltet, dies bedeutete, daß zunächst der Anruf eines Hil­ fesuchenden beim jeweiligen Polizeirevier ankam und das Gespräch über eine Standlei­ tung zur Feuerwehrleitstelle weitergeschaltet wurde. Aufgaben der Feuerwehrleitstelle: Annahme von Hilfeersuchen und Alar­ mierung der zuständigen Feuerwehr Unterstützung des Einsatzleiters Unterrichtung von Behörden (z.B. Amt für Wasserwirtschaft und Bodenschutz) Überörtliche Hilfe der Feuerwehr anfor­ dern Nachrichtensammelstelle phenfall Alarmierung von Einheiten des Katastro­ phenschutzes. im Katastro­ Neukonzeption der Rettungs- und Feuerwehrleitstelle Am 15.1. 1990 hat der Umwelt- und Tech­ nischer Ausschuß des Kreistages beschlos­ sen, die technische Einrichtung der Feuer­ wehrleitstelle zu erneuern und den direkten Notruf ll2 im gesamten Landkreis einzufüh­ ren. Eine Erneuerung der technischen Ein­ richtung war altersbedingt notwendig, der Ausbau des Feuerwehrnotrufes 112 als direk­ ter Notruffür den gesamten Landkrei konn­ te mit der vorhandenen Technik nicht rea­ lisiert werden. Der Ausbau der Fernsprech­ und Nebenstellenanlage war ebenfalls nicht 42

Das neue Saatbauamt stellt sich vor der neuen Leitstelle erfolgte im ehemaligen Ausbildungsraum des DRK-Ortsvereins Villingen. Nach entsprechenden Umbauar­ beiten wurden der technische Aufbau der Leitstelle im April 1992 durchgeführt. Die Notrufleitungen wurden auf die neue Ret­ tungs-und Feuerwehrleitstelle am 4. 8. 1992 umgeschaltet und die vollständige Inbetrieb­ nahme, verbunden mit einer offiziellen Ein­ weihung, war im November 1992. Das Land Baden-Württemberg hat die gesamte technische Erneuerung der Ret­ tungs-und Feuerwehrleitstelle maßgebend gefördert, so daß für die Notrufabfrage ·Feuerwehr heute 16 Notrufleitungen 112 aus 14 Ortsnetzen -4 Standleitungen zu den Polizeirevieren Eine Sonderbehörde, die im ganzen Lande Baden-Württemberg einmalig ist, hat seit nahezu 50 Jahren ihren Sitz in Donau­ eschingen: das Saatbauamt. Als staatliche landwirtschaftliche Untersuchungsanstalt – Teil der Landesanstalt für Pflanzenbau in Forchheim bei Karlsruhe -hat dieses Amt im Bewußtsein der städtischen Bevölkerung sicherlich keinen so hohen Bekanntheits­ grad wie etwa das Rathaus, das Gesundheits­ amt oder gar das Finanzamt. Dennoch erfüllt es sehr wichtige Funktionen. Sein Arbeitsge­ biet liegt nämlich weniger im direkten Umfeld Donaueschingens, sondern weit darüber hinaus im ganzen Lande. Im Jahre 1946 gegründet und ursprünglich für den ehemaligen Landesteil Südbaden zentral in Donaueschingen stationiert, wurde mit der Bildung des Südweststaates 1952 die Zustän­ digkeit auf ganz Baden-Württemberg ausge­ dehnt. So ist das Saatbauamt wohl auch die einzige Behörde im Schwarzwald-Baar­ Kreis, deren spezielles Tätigkeitsfeld vom Bodensee bis nach Tauberbischofsheim und von Karlsruhe bis nach Ulm reicht. In den alten Bundesländern gibt es nur zwei weitere -1 Standleitung zum Kreisbrandmeister vorhanden sind. Der Rettungsdienst verfügt über 14 Not­ rufleitungen 19222, eine Leitung zu den Notrufsäulen, zwei Leitungen für die Ärzte­ vermittlung und eine Leitung für das Gehör­ losentelefon. Die Arbeit der Disponenten der Leitstelle werden mit 2 PC-Arbeitsplät­ zen unterstützt, ein Microfiche-Gerät steht zur graphischen Darstellung zur Verfügung und ein PC wird für die Fahrzeugzustands­ anzeige sämtlicher Einsatzfahrzeuge vorge­ halten. Diese neue Einrichtung und neue Struk­ tur hat sich bereits an konkreten Notstands­ lagen bewährt. Manfred Pfeffinger solcher Untersuchungsanstalten, nämlich in Hannover und in Freising-Weihenstephan. In den Nachkriegsjahren bestand eine vordringliche Aufgabe darin, die Ernährung unserer Bevölkerung sichern zu helfen. Dies war durch große Kartoffel-Erntemengen am ehesten möglich. Deshalb stand die Verbes­ serung der Produktionstechnik in den land­ wirtschaftlichen Betrieben – speziell im Speisekartoffelanbau -im Mittelpunkt aller Bemühungen. Gleichzeitig galt es, eine lei­ stungsfahige Pflanzkartoffelerzeugung in den Höhengebieten des Schwarzwaldes, der Baar, im Linzgau und im Schwäbischen Oberland aufzubauen, da die traditionellen Liefergebiete in Ostdeutschland verlorenge­ gangen waren. Bis in die zweite Hälfte der Fünfzigerjahre war deshalb die Produktion von Nahrungsmitteln oberstes Gebot. Seit­ her haben sich die Verhältnisse stark gewan­ delt und damit auch die Aufgaben der Dienststelle. Als einer Außenstelle der Lan­ desanstalt für Pflanzenbau Forchheim, wo sämtliche pflanzen baulichen Aktivitäten im Lande zusammenlaufen, werden in Donau­ eschingen Saatgutprüfungen durchgeführt 43

Die Versuche mit dem Anbau von Heil- und Gewürzpflanzenfinden großes Interesse Fachkundige Begutachtung von Kartoffelpflanzen im Gewächshaus: Amtsleiter Zenz, Staatssekretär Reddemann, Finanzamtchef Müller (von rechts) 44

Ka1offelsorfen Die derzeit empfohlenen Qualitäts-Speisekartoffelsorten Im Vordergrund das moderne Labor- und Lagergebäude, dem sich die Gewächshäuser zum Verwal­ tungsgebäude hin anschliißen 45

sowie alle Fragen des Kartoffelbaues landes­ weit und ein Großteil der Anbauversuche mit Heil- und Gewürzpflanzen insbesondere für die Höhengebiete bearbeitet. Es handelt sich dabei um sehr spezielle Aufgaben, wie z. B. ein sehr umfangreiches pflanzen bauliches Versuchswesen mit jährlich zwischen 2500 und 3000 Einzelparzellen auf meh­ reren eigenen Versuchsfeldern und in Praxisversuchen die laufende Überprüfung neu zugelasse­ ner oder bereits eingetragener Kartoffel­ sorten. Allein im Bundesgebiet gibt es heute 165 und im jetzt vollzogenen Gemeinsamen EG-Markt 550 verschie­ dene Kartoffel orten, die dem Verbrau­ cher und dem Erzeuger die Qual der Wahl erschweren die Durchführung von Virusuntersu­ chungen für Pflanzkartoffeln im Rahmen der amtlichen Saatenanerkennung mittels Augenstecklingsprüfung und ELISA-Test. In diesem Bereich werden jährlich rund 185.000 Einzeluntersuchungen durchge­ führt die Untersuchung von ca. 4000 Boden­ proben im Jahr auf Kartoffelnematoden die Ausführungn von nahezu 700 Koch­ und Geschmacksprüfungen mit Kartof­ feln und etwa 200 Sortenechtheitsbestim­ mungen im Jahr eine große Zahl von amtlichen Zulas­ sungsprüfungen im Bereich der Pflanzen­ schutzmittel landesweite wöchentliche Kontrolle der virusübertra­ genden Blattlauspopulation während der Vegetationszeit und schließlich die Auswertung von unvorstellbar vielen Zahlen und Daten für die Beratung der einschlägigen land­ wirtschaftlichen Betriebe in Baden-Würt­ temberg mit einer Kartoffelanbaufläche von derzeit ca. 16.000 Hektar. In den genannten Untersuchungen wer­ den viele Tausende von Kleinproben geprüft. Dies setzt eine sehr spezielle Maschinen- und Gebäudeausstattung vor- sowie die 46 aus. Da das Amt bis zur Mitte der Sechziger­ jahre in zwei weit auseinanderliegenden Gebäuden untergebracht war und auch danach mit vielen baulichen Provisorien leben mußte, wurde im Zentralitätserhal­ tungsprogramm der Landesregierung bereits 1971 festgelegt, da Saatbauamt Donau­ eschingen durch entsprechende Baumaß­ nahmen in die Lage zu versetzen, seine besonderen Aufgaben zu erfüllen. Seit dieser Grundsatzentscheidung sind viele Jahre ver­ gangen. Endlich 1989 konnte in einem ersten Bauabschnitt eine Maschinenhalle und ein Laborgebäude mit Lagerraum und Kühllager erstellt und schließlich 1992 im zweiten Bau­ abschnitt eine moderne Gewächshausanlage geschaffen sowie die Bausanierung des beste­ henden Dienstgebäudes durchgeführt wer­ den. Am 19. März 1993 fand die endgültige Übergabe der neuen bzw. renovierten Gebäude durch das Staatliche Hochbauamt Rottweil im Rahmen einer kleinen Feier­ stunde statt. Aus Richtung Grüningen kommend bie­ tet sich dem Betrachter nun am Ortseingang Donaueschingen ein ansprechender Bau­ komplex dar. Der Verbindung zur heimi­ schen Land- und Forstwirtschaft entspre­ chend, wurden die verwendeten Baumateria­ lien im wesentlichen aufHolz und Kalksand­ stein beschränkt. Die Form der Baukörper mit Flachdächern sind nach dem Kopfbau der Anlage, dem Dienstgebäude aus dem Jahre 1960, ausgerichtet. Dabei konnte die Planung genau auf die Funktion der Dienst­ stelle abgestimmt werden, beginnend mit der Probenannahme, dem Lagerraum mit Kühlraum, 2 Vorkeimräumen, 4 Test- und Laborräumen und einer Gewächshausfläche von 400 m2, so daß die Arbeitsräume „maß­ geschneidert“ auf die dienstlichen Erforder­ nisse zugeschnitten sind. Modeme Büro­ räume in Verbindung mit hellen Innenhöfen schaffen eine von Natur und Licht durchflu­ tete freundliche Atmosphäre. Die Gewächs­ häuser mit modernster technischer Einrich­ tung entsprechen insbesondere auch ener­ giewirtschaftlich den hohen Ansprüchen

Viele Tausende von Einzelproben müssen getrennt e,faßt, gelagert, geprüft und beurteilt werden unserer Zeit. Und als ökologisch interessan­ tes, wichtiges Detail wurde die Bewässe­ rungsanlage der Gewächshäuser nach dem Ebbe-Flut-Prinzip in der Weise gestaltet, daß in einem Erdtank mit 8000 Liter Fassungs­ vermögen das Regenwasser der Gewächs­ hausdächer gesammelt, in einem bestimm­ ten Zeittakt auf den Gewächshaustischen geflutet und danach wieder in den Erdtank zurückgeleitet wird. Dies spart nicht nur Geld, sondern kostbares Wasser. Das Saatbauamt Donaueschingen verfügt somit nach langen Jahren der Vorbereitung und mehreren Jahren Bauausführung über moderne, ansprechend gestaltete, funktio­ nell ausgereifte Dienst- und Arbeitsräume für seine vielfaltigen Aufgaben im Dienste der Landwirtschaft und der Verbraucher. Eindrucksvoll konnte dies einer breiten Öffentlichkeit mit einem „Tag der offenen Tür“ am 21. März 1993 bei außerordentlich großem Besucherinteresse vorgestellt wer­ den. Beinahe 50 Jahre seit Gründung der Dienststelle sind ins Land gegangen, ehe die baulichen Voraussetzungen zur Durchfüh­ rung der speziellen pAanzenbaulichen Untersuchungsverfahren optimal geschaf­ fen werden konnten. Die Zeit der Proviso­ rien ist nun vorbei; das Saatbauamt ist für die zukünftigen Aufgaben bestens gerüstet. Wolfgang Zenz 47

Schulen und Bildungseinrichtungen 125 Jahre Gewerbliche Schulen in Donaueschingen G. Besenfelder, in seinem Grußwort zum Schuljubiläum u. a.: „Die Lebenswirklichkeit verlangt von einem mündigen Mitarbeiter mehr als nur Kenntnisse und Fertigkeiten. Neben den fachlichen, spielen allgemeine übergreifende Qualifikationen eine zunehmende Rolle und ersetzen diese tendenziell. Es muß die Fähigkeit zum Problemlösen in einer sich dynamisch verändernden Arbeitswelt sowie die soziale Befähigung in vielfältigen Gruppen­ strukturen gelehrt werden. Mehr als jeder andere schulische Bildungs­ bereich sind die beruflichen Schulen einem stän­ digen Anpassungsprozefs an den Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft unterworfen. Die Beschäjiigten in Industrie und Handwerk müssen sich ebenfidls auf neue veränderte Gegebenheiten Am 14. und 15. Mai 1993 feierten die Gewerblichen Schulen Donaueschingen, die in der Trägerschaft des Schwarzwald­ Baar-Kreises stehen, ihr 125jähriges Beste­ hen. Mit einem gelungenen Festakt und einem „Tag der offenen Tür“ präsentierten sich alle Berufsfelder, die an dieser Schule unterrichtet werden, von ihrer besten Seite. In sechs wichtigen Berufsfeldern erhalten knapp 1300 Lehrlinge aus dem Schwarzwald­ Baar-Kreis, aber auch aus den benachbarten Landkreisen Rottweil und Tuttlingen, ein hervorragendes Rüstzeug für ihre berufliche Zukunft. Diese berufliche Zukunft zu er­ halten und zu sichern, ist eine der Aufgaben der beruflichen Schulen. So schreibt auch der Leiter der Schule, Oberstudiendirektor Festakt am 14. Mai 1993 48

einstellen. Hier ist das Berufsbildungssystem neu gefördert. Es muß jedem Auszubildenden die Chance eröffnen, sich auf dem Arbeitsmarkt qua­ lifizieren zu können.“ In diesem Sinne wird an den Gewerb­ lichen Schulen Donaueschingen hervor­ ragende Bildungs- und Erziehungsarbeit geleistet und diese wird auch den zukünf­ tigen Anforderungen in unserer schnell­ lebigen Zeit standhalten. Ein Blick in unsere Schulgeschichte Maßgebend für die Gründung der Ge­ werblichen Schulen Donaueschingen war eine Verordnung des Großherzogs Leopold von Baden von 1834 über die Errichtung von Gewerbeschulen. So bestimmte „Leopold von Gottes Gnaden“, daß ab sofort in allen gewerbereichen Städten des Großherzog­ tums Gewerbeschulen eingerichtet werden sollten. Das war auch gleichzeitig der Start­ schuß für die vielgerühmten badischen Gewerbeschulen. Am 18. Mai 1868 wurde also der Unter­ richt an der neugegründeten städtischen Gewerbeschule im Knabenschulhaus in der Karlstraße aufgenommen. Ein eigens von Walldürn nach Donaueschingen versetzter Gewerbelehrer Haug begann seinen Unter­ richt mit einer Schülerzahl von 23 ! Heinrich Ganter, Bürgermeister von Donaueschin­ gen, wurde zum Gewerbeschul-Vorstand ernannt. Er bot vor allem arbeitslosen jugendlichen im Winter Kurse in Zeichnen und Modellieren an, um sie auf eine even­ tuelle Berufstätigkeit vorzubereiten. Erst 1872 wurde der Gewerbeschulbesuch für die Lehrlinge Pflicht und die Lehrherren aufgefordert, den Schulbesuch zu ermög­ lichen. Einige Jahre später wurden amtliche Prüfungen für die Lehrlinge eingeführt, dadurch verbesserte sich der Ausbildungs­ stand erheblich. 1892 erhöhte sich die Schülerzahl auf 60. Deswegen erhielt die Schule ein neues Gebäude an der Max-Egon-Straße (heutige 49

Arbeitsamt-Außenstelle). Nach dem 1. Welt­ krieg stieg die Zahl der Lehrlinge sprunghaft an, so daß die Schule wieder umziehen mußte, jetzt in die Wöhrdenstraße 10. Hier wird der Unterricht in Fachabteilungen abgehalten: (192 Schüler in den Abteilungen Metall, Bau, Holz, Ausstattungs-und Kunst­ gewerbe, Nahrungsmittel; darunter befan­ den sich 16 Mädchen!). Das Dritte Reich erschütterte auch die Gewerblichen Schulen in Donaueschingen. Begründet durch die NS-Ideologie tauchten neue U nterrichtsfacher auf oder wurden umbenannt und mit „neuem Gedankengut“ versehen. Der Schulleiter war gleichzeitig Propagandabeauftragter für seine Schule und war für staatskonforme Meldungen an die Presse verantwortlich. 1935 wurde die Schule in eine Bezirks­ gewerbeschule umgewandelt und ging in die Trägerschaft des Kreises über. Nach dem 2. Weltkrieg konnte der Unter­ richt nur unter schwierigsten Umständen wieder aufgenommen werden. Kaum Lehr­ kräfte, kein geeignetes Lehrmaterial und explodierende Schülerzahlen (1947: 300 Schüler, 1952: 540 Schüler). 1955 durfte der damalige Schulleiter Ernst Rosenstiel mit seiner Schule in die Schulstraße 11 (heutiges Haus des Handwerks) umziehen. Nachdem Es war ein langer Weg von den Anfängen der Schule für Körperbehinderte in St. Geor­ gen und der Inbetriebnahme des Therapie­ bades und der Turnhalle in der Schule für Körperbehinderte auf dem Hoptbühl im Stadtbezirk Villingen. Die Vollendung des 2. Bauabschnittes fand im Rahmen einer kleinen Feierstunde am 4. 3.1993 statt, an der die Schulträger, das Oberschulamt, die Eltern und Kinder sowie die Lehrkräfte teil­ genommen haben. in Die Schule für Körperbehinderte Villingen-Schwenningen wurde in den Jah- 50 durch den Schulentwicklungsplan II, der eine Neugestaltung und Konzentrierung der beruflichen Bildung vorsah, neue Abteilun­ gen eingerichtet (Holz und Farbe) und andere Abteilungen aufgestockt wurden (z.B. Nahrung), platzte die Schule schon wieder aus allen Nähten. So zog die Schule unter Leitung des damaligen Direktors Josef Grieninger in die neue Gewerbeschule an der Eichendorffstraße um.1982 konnte dann der Nachfolger von Direktor Grieninger, Ober­ studiendirektor Hermann Barth, den Erwei­ terungsbau der Schule einweihen. Seither stehen nun genügend Unterrichtsräume und Einrichtungen für den Unterricht in den Berufsfeldern Metalltechnik, Kfz-Technik, Elektrotechnik, Holztechnik, Bautechnik, Farbtechnik und Ernährung und Hauswirt­ schaft zur Verfügung. Verschiedene neue Bildungsgänge, z.B. Berufskolleg zur Erlangung der Fachhoch­ schulreife, Bautechnikerschule, Berufsfach­ schulen in verschiedenen Berufsfeldern, run­ den das vielfältige Bildungsangebot der Ge­ werblichen Schulen Donaueschingen ab. Schülerzahlen im Jubiläumsschuljahr 1992/93: Vollzeitschüler: 147 Teilzeitschüler: 1123. Volker Müller ren 1984/85 erbaut. Der Schulbetrieb wurde mit Beginn des Schuljahres 1985/86 auf­ genommen (vgl. Almanach 1988, Seiten 42-45). Der Bau des Sport-und Therapie­ bereichs wurde damals aus Kostengründen zurückgestellt. Aufgeschoben war nicht aufgehoben! Ende der 80er Jahre begannen die Bemühun­ gen, die Absicht zum Bau der Turnhalle und des Therapiebeckens in die Tat umzusetzen. Außer dem Bau des Therapiebades und der Turnhalle wurde die Schule um vier neue Unterrichtsräume und zwei Gruppenräume Schule für Körperbehinderte in Villingen-Schwenningen nunmehr komplett

erweitert. Dies war notwendig, weil inzwi­ schen auch der Kreis Tuttlingen seine Bereit­ schaft erklärt hat, sich der öffentlich-rechtli­ chen Vereinbarung der Landkreise Schwarz­ wald-Baar und Rottweil anzuschließen und sich an den Baukosten anteilig zu beteiligen. Mit dem Bau von Turnhalle, Therapiebad und Schulräumen wurde im Spätsommer 1991 begonnen. Die Schulräume konnten zum Schuljahresbeginn 1992/93 bezogen werden, im Januar 1993 wurden Turnhalle und Therapiebad übergeben. Die Kosten des 2. Bauabschnittes belau­ fen sich auf 8,3 Mio. DM. Zusammen mit den Kosten für den 1. Bauabschnitt in Höhe von 10,1 Mio. DM wurden 18,4 Mio. verbaut. Bei der Einweihung des 2. Bauabschnittes bezeichnete Landrat Dr. Gutknecht die Schule für Körperbehinderte als „die schön­ ste Schule im Landkreis“. Sie ist ein architek­ tonisches Meisterstück der FAI (Freier Archi­ tekten und Ingenieure) Baisch und Frank aus Stuttgart und hat die besondere Note des 1. Bauabschnittes, nämlich Transparenz und Wärme zu vermitteln, in gelungener Weise aufgenommen und fortgeführt. Mit der Vollendung des Gesamtprojekts ist eine optimale Bildungs- und Schulungs- arbeit möglich. Derzeit finden in einer behindertengerecht ausgestatteten Lernum­ gebung 96 Schüler Raum für die vielfaltigen Aktivitäten, die das Schulleben im Rahmen einer Ganztagesschule kennzeichnet. Von den 96 Schülern kommen 62 aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis, 21 aus dem Landkreis Rottweil, 12 aus dem Landkreis Tuttlingen, 1 aus dem Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald und 1 aus dem Landkreis Waldshut. Die Schule für Körperbehinderte verei­ nigt unter ihrem Dach folgende Bildungs­ gänge: – Grund- und Hauptschule, – Förderschule und – Schule für Geistigbehinderte. Die Schule bietet außerdem therapeu­ tische Dienste an, die in vielen Fällen eine Teilnahme am täglichen Unterricht erst möglich machen. Kinder, Eltern und Mitarbeiter sind froh und dankbar, daß die Schule nun komplett ist. Möge ihr eine gute Zukunft beschieden sein! Robert Faller 15 Jahre Rudolf-Steiner-Schule Villingen-Schwenningen Mit der Einweihung der Turnhalle sind die Baumaßnahmen vorläufig abgeschlossen Die Freie Waldo,fschule wurde unter Teilaspekten im Almanach 1987, Seiten 30-32, und Alma­ nach 1991, Seiten 54-56, vorgestellt. Der nachfol­ gende Beitrag schließt den derzeitigen A usbauzu­ stand ab. Die Rudolf-Steiner-Schule – Freie Wal­ dorfschule – konnte im Jahre 1993 zusam­ men mit der festlichen Einweihung der Turn- und Festhalle auch das 15jährigeJubi­ läum der Schule feiern. In langer Aufbauarbeit ist eine Schulland­ schaft mit verschiedenen Gebäuden, mit Wegen und Plätzen, GrünAächen und Baumgruppen, Sportanlagen und Spielek­ ken entstanden. Einige Jahre lang diente das Haus Schön­ blick in der Frühlingshalde als anfanglicher Standort Sehr chnell wurde aber deutlich, daß ein eigenes Schulgelände gefunden werden mußte, auf dem sich die Schule, ihren eige­ nen waldorf-spezifischen Bedürfnissen ent­ sprechend, entwickeln könnte. Dankenswerterweise stellte die Stadt Vil­ lingen-Schwenningen dem Schulverein ein 52

schön am Waldrand gelegenes Grundstück im Westen Schwenningens in Erbpacht zur Verfügung. Kein am ersten Spatenstich Beteiligter hätte im Novemberl983 ahnen können, daß aus dem wildverwachsenen Stück Land (größtenteils aufgefüllte ehemalige Lehm­ grube) innerhalb von 10 Jahren ein so vielfäl­ tig gestaltetes Schulgelände entstehen würde. Zwei Bauabschnitte des Schulhauses, der nahegelegene Kindergarten und nun der langgestreckte Bau der Turnhalle, prägen die entstandene Schullandschaft. Neben dieser großen äußeren Aufbau­ leistung wuchs die Schule aus kleinen Anfangen (im August 1978 waren es 77 Schü­ ler/innen in drei Klassen – wobei die 3. Klasse eine kombinierte 3. und 4. Klasse war – und sieben Lehrer/innen)Jahr für Jahr um eine Klasse. 1987 war sie mit der ersten 13. Klasse vollständig ausgebaut. Das erste Abitur wurde 1988 erfolgreich bestanden. Seit einigen Jahren hat die Schule ihre angestrebte Größe erreicht (Stand Mai 1993: 429 Schüler/innen in 13 Klassen, 40 Kinder im Kindergarten). Das jetzt entstandene Sporthallenge­ bäude gliedert sich in einen Eingangs- und Umkleidebereich mit direkter Verbindung zum Sportplatz sowie den Sport- bzw. Mehr­ zweckbereich mit anschließenden Geräte­ räumen. Der Sportbereich besteht aus einer 15 x 27 m große Sporthalle und einer 15 x 11 m großen Gymnastikhalle, welche um 95 cm höher liegt und durch eine verschließbare Öffnung mit der Sporthalle verbunden ist. Dadurch wurde eine Nutzung der Halle als Festsaal mit einer Bühne erreicht. Unter der Bühne ist Platz für die Hallenbestuhlung vorhanden. Der Umkleidebereich liegt direkt neben dem Sportplatz. Die Umkleide-, Wasch-und Geräteräume stehen sowohl der Halle als auch dem Sportplatz zur Verfügung. 53

Bei Veranstaltungen können in diesen Räu­ men die Besucher-und Bühnengarderoben untergebracht werden. Trotz der Möglichkeit der zusätzlichen Nutzung als Festsaal wurde die Halle, als Sporthalle gebaut, sparsam und schlicht gestaltet. Die gewünschte Bühneneinrichtung ist planerisch berücksichtigt, kann aber erst spä­ ter und überwiegend in Eigenarbeit verwirk­ licht werden. Der Sportplatz wird durch eine Weit­ sprung-und Kugelstoßanlage erweitert. Die Gestaltung der Sporthalle wurde dem Stil der Schule angepaßt. Durch die Einbin­ dung der Gebäudeteile in das Hanggelände konnte das äußere Bauvolumen kompakt gestaltet und harmonisch mit der Umge­ bung verbunden werden. Der Bau der Sporthalle war nur mit enor­ men finanziellen Anstrengungen realisier­ bar. Eine große Unterstützung war dabei die Elternarbeit am Bau. Seit über zehn Mona- 54 ten haben viele Eltern ihre Freizeit an Wochenenden dafür eingesetzt und mit ihrem großen Engagement spürbare Einspa­ rungen erreicht. Unzählige Sträucher und Bäume wurden von Eltern und Freunden der Schule geschenkt und an Wochenenden einge­ pflanzt. Die neue Turn-und Festhalle eröffnet der Schulgemeinde viele neue Möglich­ keiten: Die neuen ersten Klassen können nun in der eigenen Halle empfangen und aufge­ nommen werden. Die Monatsfeiern, Klassenspiele und die anderen großen kulturellen Veranstaltun­ gen der Schule werden in ihr stattfinden. Der Sportunterricht hat sein eigenes Ge­ bäude erhalten. Burkhard Hirsch/ Leonid Prokopowitsch

Wirtschaft und Gewerbe Konsequentes Kostenmanagement und Innovation erforderlich Schwarzwald-Baar-Heuberg, Die Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland befindet sich, erstmals auch stärker in Baden-Württemberg und in der Region in schwierigem Fahrwasser. Nach der Früh­ jahrsprognose der sechs führenden Wirt­ schaftsforschungsinstitute wird das Brut­ toinlandsprodukt (die Summe der im Inland erzeugten Güter und Dienstleistungen) im Jahr 1993 um 1,5 % sinken. Nach zehn Jahren guter Konjunktur, noch verstärkt durch den Sondereinfluß im Zuge der Wiedervereini­ gung, haben vor allem die Industrieunter­ nehmen mit harter internationaler Konkur­ renz zu kämpfen. Die Region Schwarzwald-Baar-Heuberg steht mit ihrer hohen industie- und export­ orientierten Struktur inmitten dieses Ver­ drängungswettbewerbs. Betroffen von dieser Entwicklung sind vornehmlich die Zweige Maschinenbau, Elektrotechnik sowie der Zulieferbereich – allesamt Herzstücke der hiesigen Wirtschaftsstruktur. Wie sieht es nun in diesem Wirtschafts­ raum aus? Betrachtet man die Umsatzent­ wicklung im Verarbeitenden Gewerbe (Be­ triebe mit 20 und mehr Beschäftigten), so erkennt man, daß die Erlöse in der Region erstmals seit 1982 wieder rückläufig sind. Im Vergleich zu 1991 haben die Unternehmen 0,2 % verloren. Gesunken ist im Verarbeiten­ den Gewerbe auch die Zahl der Beschäftig­ ten. In 1992 betrug der Anteil 85.407. Dies sind 3086 Beschäftigte bzw. 3,5 % weniger als ein Jahr zuvor. Was den Betrieben zu schaffen macht, ist bei diesen nach wie vor arbeitsintensiven Produktionsformen das Mißverhältnis von Erlösen zu Kosten. War die letzte Wirtschaftskrise in diesem Raum, vor allem technologisch durch den Wandel von der Mechanik zur Elektronik bedingt, so Prof Dr. Dr. Michael Ungethüm, neuer /HK-Präsident befinden wir uns dieses Mal vor allem in einer „Kostenkrise“, d. h. wir sind gegenüber den Hauptwettbewerbern, insbesondere aus Fernost, zu teuer. Dieser Kostendruck erzwingt daher auch in Zukunft Anpassungen auf dem industriel­ len Sektor. Deshalb ist es wichtig, daß sich der Dienstleistungsbereich in der Region weiter entwickelt. Er war in den letzten Jah­ ren der Bereich mit den größten Arbeitskräf­ tezuwächsen, vor allem in den wirtschaftsna­ hen und unternehmensspezifischen Berei­ chen, wie z.B. Rechts-, Steuer- und Wirt­ schaftsberater, Softwarebüros und Werbe­ agenturen. Ein nicht unerheblicher Teil die- 55

ses Wachstums ist unmittelbar durch den Bedarf der Industrie ausgelöst. Auch zukünf­ tig muß das hauptsächliche Augenmerk auf dem industriellen Sektor liegen, denn auf dieser Grundlage kann sich der Dienstlei­ stungsbereich verstärkt entwickeln. Wie kann die Wirtschaft den aktuellen Herausforderungen begegnen? Hier ist nach unserem marktwirtschaftlichen System vor allem der Unternehmer selbst gefordert: „Kostenmanagement“ und die Umsetzung all dessen, was man unter ,,lean“ versteht, ist vorrangig notwendig. Die Unternehmen müssen in ihren Stukturen schlanker und produktiver werden. Dazu gehört auch eine gewandelte Einstellung zum Produktions­ faktor Arbeit. Die Flexibilisierung der Ar­ beitszeit erhält eine neue Dimension. Zudem müssen weitere Anstrengungen unternom­ men werden, um das Entwickeln und Ferti­ gen technologisch anspruchsvoller Produkte zu garantieren. Denn gerade auch in diesem Bereich hat die hiesige Wirtschaft mit harter Konkurrenz zu kämpfen. Alle diese Bemühungen können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß der den Unternehmen verbliebene Spielraum eng ist. Denn die Standortnachteile der Bundes­ republik sind gravierend: extrem hohe Arbeitskosten, zu kurze Arbeitszeiten mit einer vergleichsweise nachhinkenden Pro­ duktivität, eine drückende Steuer-und Abga­ benlast für die Betriebe sowie hohe Umwelt­ aufwendungen, zuviel staatliche Regulie­ rung und zuwenig Flexiblilität. Zur Lösung diese Problematik sind die politisch Verant­ wortlichen gefordert. Verwirrende Auseinan­ dersetzungen über die Wirtschafts- und Finanzpolitik und fehlendes Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik führen zu Konjunkturpessimismus und allgemeiner Verdrossenheit. Die Politik muß wieder mehr Orientierung bieten durch eine über­ zeugende und marktwirtschaftlich ausge­ richtete Strategie. Auch in der Region müssen alle Kräfte gebündelt werden. Einrichtungen wie die Berufsakademie, die Fachhochschule und 56 das Institut für Mikro-und Informations­ technik können verstärkt Impulse geben. Die Nutzung der hier vorgehaltenen For­ schungskapazitäten hilft der heimischen Industrie, ihre technische Spitzenstellung zu behaupten und den durch den technischen Wandel und die Globalisierung der Märkte hervorgerufenen Strukturwandel erfolgreich zu bestehen. Sie muß diese Möglichkeiten aber auch nutzen. Die !HK hält sich zugute, an der Schaf­ fung dieser Einrichtungen wesentlich mitge­ wirkt zu haben und sie hat durch ihr eigenes, breites Bildungsangebot sowie durch die Technische Akademie für Weiterbildung (TAW) und die Technologieberatung zusätz­ liche Akzente gesetzt. Die Kammer ist sich bewußt, daß weitere Anstrengungen zur strukturellen Entwick­ lung der Wirtschaft in der Region notwendig sind. Erste Gespräche mit den Spitzen von Kommunen und Landkreisen zur Verbesse­ rung der regionalen Standortfaktoren haben bereits stattgefunden. Nur durch gemein­ same Anstrengungen aller Verantwortlichen wird dieser Wi1tschaftsraum langfristig er­ folgreich sein können. Prof. Dr. Dr. Michael Ungethüm !HK-Präsident Vor der Ernte Hochsommerzeit! Mein Acker trägt sein Königskleid. Das Ährenmeer wogt leis und lind Und wird liebkost vom lauen Wind. Ich schreite durch die Sommerstille, Derweil im Korne geigt die Grille. Es rauscht und reift, Wie weit mein Auge schwelgend schweift; Denn Sonnengold und Ährengold Verschmelzen sich so wonnehold, Als flössen wie in Liebesflammen Der Himmel und mein Feld zusammen. Josef Albicker t

Ein Jahrzehnt St. Georgener Technologiezentrum (1983-1993) heute ,,Neue Technolo­ gien, Innovation und Transfer – vor allem diese drei Begriffe spie­ len für unsere Wirt­ schaft und zukünftig eine aus­ schlaggebende Rolle. Und dies gilt insbeson­ dere für die mittelstän­ dische Industrie, da sie die größten Probleme beim notwendigen Strukturwandel bewäl­ tigen muß.“ – So vor 10 Jahren Professor Dr. Johann Löhn, der Regierungsbeauftragte für Technologietransfer des Landes, in seinem Beitrag zum Almanach 1984, Seite 41-44. IBM und Daimler­ Benz – dies sind zwei Namen, die für tech­ nologischen Fortschritt stehen und das Bundes­ land Baden-Württem­ berg weltweit als Zen­ trum für High-Tech aus­ weisen. Allerdings fin­ det High-Tech nicht nur bei IBM und Daim- ler-Benz und nicht nur im Großraum Stutt­ gart statt, wo von der Landesregierung seit einem Jahrzehnt Impulse ausgehen, die auf Erfindergeist und Zukunftsdenken setzen. Impulse sind Anstöße, die von den Men­ schen im Land in Taten umgesetzt werden müssen. In der Bergstadt St. Georgen im Schwarzwald ist dergleichen geschehen und geschieht täglich weiter. Das Technologie­ zentrum St. Georgen wurde nicht nur aus einer beispielhaft geprägten privaten Initia- tive heraus gegründet, es hat sich seither auch ständig so weiterentwickelt unter Bei­ behaltung des Elans und der Begeisterung der ersten Stunde. Ende 1983 begann hier Professor Dr. Wolf-Dieter Goedecke von der Techni­ schen Universität Aachen mit zwei Mitarbei­ tern in einem 25 Q!iadratmeter kleinen Raum. Heute finden seine Roboter und Pro­ dukte der Fertigungsautomation internatio­ nal Beachtung. 57

Im gleichen Tempo ist auch das Technolo­ giezentrum St. Georgen gewachsen. Mitte 1993 beleben rund 185 überwiegend hoch­ qualifizierte Mitarbeiter mit einem großen Anteil an Wissenschaftlern, Ingenieuren, Technikern und Kaufleuten in 22 Firmen das Zentrum. Weitere 5 hier gegründete Firmen nahmen zwischenzeitig Standortverände­ rungen vor. Die Denkfabrik, wie das Zentrum von Bürgern auch respektvoll genannt wird, hat sich zu einem Schwerpunkt für die Entwick­ lung neuer Technologien gemausert. Ein kurzer Blick auf die Firmenschilder am Ein­ gang des „TZ“ verrät, was in der Leopold­ straße geschieht. Es beginnt bei Software­ Design, geht weiter mit Robotik, setzt sich fort über Meßtechnik, Elektronik, Umwelt­ technik, Geographische Informationssy­ steme, Bio-Pharmazie hin bis zur Symbol­ mathematik. Nur teilweise lassen die Fir­ mennamen erkennen, daß sich dahinter auch H igh-Tech-Entwicklungsabteilungen potenter Unternehmen verbergen. Einer der Väter der St. Georgener Innova­ tionsschmiede ist Hans Ringwald. Der Stutt­ garter Rechtsanwalt übernahm 1982 die Kon­ kursverwaltung über das Vermögen der Firma Dual Gebrüder Steidinger GmbH & Co., einem Unternehmen, das es mit seinen Plattenspielern und HiFi-Geräten zur Welt­ geltung gebracht hatte. Ringwalds weitblik­ kenden Vorgaben und seiner Beharrlichkeit ist es zu verdanken, wenn die schon früher abgetrennte Besitzge ellschaft der Dual­ Gruppe, die Firma Perpetuum-Ebner KG, kurz PE genannt, außerhalb der Strudel des Dual-Konkurses gehalten werden konnte. Die Aussonderung dieser Vermögensmasse, in die alle Grundstücke und Gebäude der Gruppe einbezogen incl, ermöglichte in Abstimmung mit der Landesregierung deren Überleitung in eine Gesellschaft mit Stif­ tungscharakter und der klaren Aufgabenstel­ lung: ,,Arbeitsplätze erhalten und neue schaffen. “ Dieses Ziel verfolgte und verfolgt die Gesellschaft beharrlich. Unter Einsatz ihres 58 Vermögens schuf sie in 60 Firmen über 1.000 neue Arbeitsplätze. Und-zurück zum Tech­ nologiezentrum -mit ihrem Vermögen und dem ehemaligen Dual-Verwaltungsgebäude stellte sie als Trägergesellschaft auch die Vor­ aussetzungen für die St. Georgener Denk­ fabrik. Der Anstoß kam vom Land Baden-Würt­ temberg und nicht zuletzt von Professor Dr. Löhn. Die Initiatoren hatten erkannt, daß es jungen technologieorientierten Un­ ternehmensgründungen zunehmend Pro­ bleme bereitete, den Anschluß an den rasen­ den technologischen Fortschritt zu halten und die schwierige Startphase durchzuste­ hen. Technologiezentren sind ein Weg, diese Probleme zu mindern und Abstürze tun­ lichst zu vermeiden. Sie stellen den Grün­ dern nicht nur kostengünstige Räume und ihre gesamte Infrastruktur zur Nutzung zur Verfügung. Mindestens gleiche Wichtigkeit kommt der begleitenden Vermittlung von Beratungen, Informationen und praktischer Serviceleistungen auf voller Bedarfsbreite zu. Erst die Bündelung aller dieser Starthil­ fen bewirkt gleich einer schützenden Glas­ �.locke eine nachhaltige Verbesserung der Uberlebens- und Erfolgschancen der über­ durchschnittlich risikoreichen Unterneh­ mensgründungen. Die St. Georgener handelten damals schnell und gründeten 1984 die Betreiber­ gesellschaft ihres Technologiezentrums, an der sich die Stadt St. Georgen, PE, die In­ dustriegemeinschaft St. Georgen und zwei heimische Geldinstitute beteiligten. Neben Karlsruhe gilt St. Georgen heute als das am besten funktionierende Technolo­ giezentrum im Land Baden-Württemberg. Das Zentrum wäre nichts ohne den Opti­ mismus der Menschen, die in ihm ihre Ideen in Produkte oder Dienstleistungen umset­ zen. Was löst die Faszination aus, die jeden in ihren Bann zieht, der Einblick in das so pul ierende Leben im Zentrum gewinnt? – Es ist vor allem der Beitrag der dem Fort­ schritt verschriebenen nachwachsenden jungen Generation, die ihren Aktivitäten

Konstruktionsbüro den ihr eigenen Stempel aufdrückt. In stets drängender Aufbruchstimmung kann sie sich hier bei leidenschaftlichem Engage­ ment und nimmermüdem Pioniergeist selbst voll verwirklichen. Dabei entwickelt sie eine enorme Dynamik, die konventionelle Bar­ rieren überspringen läßt und völlig neue Wege angeht. Nicht wenige der Ingenieure und Informatiker, die vor einigen Jahren ihr Berufsleben nach Absolvierung einer Fach­ hochschule bei einer Firma im Zentrum begannen, stehen heute dort selbst in der Geschäftsführungsverantwortung und neh­ men inzwischen teilweise Inhaberpositio­ nen em. Manchmal bedarf es nur eines zufälligen Anstoßes und des Zusammenspiels unortho­ dox handelnder Partner, um erneut eine Gründerfirma aus der Taufe zu heben. Eines Tages sah sich der Geschäftsführer des „TZ“ mit Altkontaminationen im Erdreich seines Zentrumsgeländes konfrontiert. Sein nun intensives Befassen mit dieser Materie weckte in ihm die Erkenntnis, daß in Umweltschadensfallen von einem zuneh­ menden Bedürfnis der Öffentlichkeit auf professionelle Beratung und Bearbeitung auszugehen war. Marktanalysen bestätigen dies. Darauf aufbauend fiel 1986 der Ent­ schluß, eine „Umwelttechnik GmbH“ zu gründen mit der Zielsetzung, mit einem interdisziplinären Team von Geologen, Biologen, Chemikern, Verfahrens- und Umwelttechnikern Dienstleistungspakete zur Lösung von Umweltproblemen auf 59

großer Breite anzubieten. Also einen Full­ service, der in diesem Umfange am Markt bislang noch fehlte. Die Gründung gelang durch das Zusam­ menwirken einiger, dem gleichen Ziele Ver­ schriebener. o übernahm PE, die Trägerge­ sellschaft des Zentrums, allein die Aufbrin­ gung des Startkapitals. Über Existenzgrün­ derdarlehen konnten die erforderlichen Anfangsinvestitionen finanziert werden. Da für die Firmenleitung kein gleichzeitig tech­ nologisch und kaufmännisch versierter Geschäftsftihrer zur Verfügung stand, sprang der TZ-Geschäftsführer mit ein und über­ nahm in den Startjahren die kommerzielle Verantwortung. Der Start fiel in eine günstige Epoche. Die Einbindung in Landesprogramme zur Erkundung von Altdeponien sowie der Labor wachsende Bedarf der Industrie festigten rasch die Existenzgrundlagen der neuen Aktivität. Heute sieht sich das im Aufbau zusam­ mengeschweißte Team von 10 jungen Mitar­ beitern in der Region als gefragter Fachpart­ ner von Kommunen, Behörden, Unterneh­ men, Immobiliengesellschaften, Architek­ ten und Privaten. Gefragt wegen seiner kom­ petenten Dienstleistungen Beratung, Pro­ bennahme, Analytik, Bewertung, Begutach­ tung und Sanierung in den Schadensberei­ chen Boden-und Grundwasser, Abbruch und Umbau, Abfall, Abwasser und Abluft. Auch die innovative Weiterentwicklung und Erprobung von Entsorgungsanlagen und -komponenten kommt dabei nicht zu kurz. Der Juniorgeschäftsführer der ersten Stunde leitet die Firma inzwischen selbständig. 60

Auditorium Über eine ihm ermöglichte Kapitalbeteili­ gung ist sie nunmehr auch „sein Unter­ nehmen“ geworden. Wer etwas Besonderes aufzuweisen hat, was andere erst noch anstreben, sieht sich schnell in die Rolle des gefragten Ratgebers gedrängt. So erging es auch dem TZ und der Firma PE nach der Wiedervereinigung bei­ der deutscher Staaten. Galt es doch, dort in aller Eile den Zusammenbruch des maroden ostdeutschen Wirtschaftsgefüges abzufan­ gen und mit zeitgemäßen marktwirtschafi:li­ chen Strukturen neues Leben zu erwecken. Manchem im Osten schien da der St. Geor­ gener PE-Industriepark mit eingebettetem Technologiezentrum ein nachahmenswertes Beispiel. Die Stationen der Vermittlung St. Georgener Know-hows und der persön- liehen Engagements konzentrierten sich schließlich auf eine Forschungs-GmbH in Freiberg/Sachsen, eine Strukturförderungs­ gesellschaft in der Lutherstadt Wittenberg und auf die nach baden-württembergischem Vorbild neu errichtete Berufsakademie in Bautzen. Neben der erforderlichen Engels­ geduld, den steten Wechsel von „Stop and Go“ mit langen Rotphasen durchzustehen, mußte sich die St. Georgener Beratung auf ganz anders geartete Rahmenbedingungen einstellen und darauf aufbauen. Entstanden die Zentren im Westen innerhalb einer aus­ gebauten und eingespielten Infrastruktur, z.B. von Zulieferanten, Beratungs-, Finan­ zierungs- oder Fördereinrichtungen, ist ein solches Umfeld im Deutschen Osten noch kaum bzw. nicht vorhanden. Deshalb müs- 61

nologiezentrums überzeugend von selbst. Auch die von Professor Dr. Löhn geforderte Folgekomponente, Transfer des kumulierten technologischen Wissens in die umliegende Region und darüber hinaus, fließt in stetiger Breite und bewirkt bei den Empfängern viel­ fältige Nutzeffekte. Die Personalentwicklung des Zentrums zeigt gleichfalls auf, welche positiven Wir­ kungen gebündelte innovative Kräfte zu bewirken vermögen. Rundherum retardiert gegenwärtig die Wirtschaft wegen schlechter konjunktureller Bedingungen und mangeln­ der Wettbewerbsfähigkeit. Personalabbau ist an der Tagesordnung. Ganz im Gegensatz dazu das Zentrum. Hier geht es stetig weiter aufwärts. Wohl auch deshalb, weil sich in ihm schon seit Jahren ein Zukunftsdenken breitmachte, das sich voll mit dem Leitmotiv der Hannover Messe 1993 deckt: ,,Besser heute neue Technologien aufgreifen, als morgen Däumchen drehen“. Die 7.000 m2 der Denkfabrik sind inzwi­ schen ausgebucht. Ist damit die gestellte Auf­ gabe erfüllt oder werden nun ergänzend noch andere in die Zukunft gerichtete Akti­ vitäten angegangen? Die Synergieeffekte, die sich allein durch informelle Kontakte der lnnovatoren im Zentrum einstellen, wirken sich nicht nur für diese selbst animierend und wachstums­ fördernd aus. Sie bilden auch eine wesent­ liche Grundlage dafür, das Zentrum in die Richtung einer regionalen Informations­ und Kontaktdrehscheibe in Fragen neuer Technologien hinzulenken. So will es sich zukünftig auch als anspruchsvoller „Tech­ nologieknoten“ präsentieren, der über das Technologiezentrum hinaus technologie­ orientierte Unternehmen unterstützt und Impulse für deren Förderung vermittelt. Der Start in diese Zukunftsvision hat im Juni 1993 mit den „St. Georgener Mikrotechnik­ tagen“ begonnen, einer Gemeinschaftsver­ anstaltung des Institutes für Mikro- und Informationstechnik der Hahn-Schickard­ Gesellschaft e. V. in Villingen-Schwennin­ gen mit dem St. Georgen er Technologiezen- Bodenuntersuchung durch ,, Umwe/1/echnik GmbH“ sen dort sogenannte Technologiezentren auch Aufgaben im Bereich der Wirtschafts­ förderung, des Technologietransfers sowie der Aus-und Weiterbildung mitüberneh­ men. Inzwischen greifen die ersten empfoh­ lenen Maßnahmen, die auf die dortigen Möglichkeiten zugestutzt sind. Die Partner blicken wieder vertrauensvoller in die Zukunft. Beglückendstes und brückeschla­ gendes Erlebnis, als nach einem mehrwö­ chentlichen Praxisaufenthalt von 5 Studen­ ten der Bautzener Berufsakademie bei St. Georgener Firmen alle gastgebenden Unternehmer einhellig bekundeten: ,,Die hätten wir sofort auch genommen, die dür­ fen wiederkommen“. Ein Jahrzehnt St. GeorgenerTechnologie­ zentrum -Anlaß genug, eine Zwischenbi­ lanz zu ziehen, Soll und Haben zu verglei­ chen: Alle Erwartungen wurden weit über­ troffen. Vergessen sind heute die von den Initiatoren des Zentrums eingegangenen Risiken. Der in den Gründerfirmen auf den Feldern „Neue Technologien und Innova­ tion“ freischöpfende Erfindergeist hat nach­ haltige und weithin anerkannte Erfolge aus­ gelöst. Damit beantwortet sich die ursprüng­ liche Frage nach der Berechtigung des Tech- 62

trum unter Förderung durch die PE-Stiftung. Ziel ist es, in der Region ansässige mittelstän­ dische Industrieunternehmen an die Zu­ kunftstechnologie „Mikrotechnik“ heranzu­ führen, ihnen in einer Folge von Schulungs­ veranstaltungen das informationstechnische Grundwissen zu vermitteln und sie schließ­ lich zu einer Realisierung neuer Produkte und deren Markteinführung anzuregen und zu befähigen. Technologieförderung auf verbreiteter Basis bei gleichbleibender Intensität – mit dieser Leitlinie geht das St. GeorgenerTech­ nologiezentrum in sein zweites Jahrzehnt. Dr. Walter Karrer Identa Die Schwenninger Firma liefert weltweit Sicherheitsausweise Davor, eine Fußballweltmeisterschaft zu organisieren, hatte DFB-Chef Hermann Neuberger keine Angst. Dennoch plagte ihn vor der WM 1974 im eigenen Land ein Alptraum: daß sich ein Attentat wie zwei Jahre zuvor bei der Münchner Olympiade wiederholen könnte. Der Auftrag – und die Verantwortung -, alle unerwünschten Be­ sucher fernzuhalten, gingen an eine Firma, die erst seit fünf Jahren existierte: die Identa aus der Schwenninger Karlstraße. Deren Chef glaubte an einen Scherz, als ihn 1972 jemand im Namen des DFB anrief und von der Sicherung der bevorstehenden WM sprach. Da aus Schwenningen keine Antwort kam, reiste der Sicherheitsbeauf­ tragte einfach an den Neckar, um persönlich vorzusprechen. Als die Identa am 6. Oktober 1967 von der Familie Haller gegründet wurde, handelte es sich eher um eine Geburt aus der Not heraus. Ihre „Mutter“, die Friedrich Ernst Benzing GmbH (heute Benzing Zeit + Daten), machte zwar immer bessere Geschäfte mit rechnenden Zeitkontrollgeräten – und hatte doch große Mühe, einen Hersteller für die dazugehörigen maschinenlesbaren Aus­ weise zu finden. Von Max Haller zehn Jahre zuvor entwickelt, wurde dieser Ausweis aus Plastik gebohrt und ausgestanzt und bei Ben­ zing produziert. Der eine Sohn, Max Ernst, hatte die Idee einer Extra-Firma, die speziell Ausweise her­ stellen und vermarkten sollte. Der andere Frühe Werbeanzeige für Produkt „Avant‘: erste Hä!fte Siebzigerjahre Sohn, Peter, packte mit drei Mitarbeitern die Aufgabe als Geschäftsführer an. Das Kind erhielt den Namen „Identa“ – abgeleitet von seinem Daseinszweck, der „Identifikation“. In jenen frühen Jahren dachte noch keiner an ausgeklügelte elektronische Systeme. 63

Selbst Großkunden wie Siemens, Krupp oder Klöckner-Humbold-Deutz waren zufrieden, wenn ihre Mitarbeiter an der Pforte einen einfachen Betriebsausweis zück­ ten. 1970 begegnete Max Ernst Haller auf einer Japan-Reise die Zukunft: er entdeckte eines der ersten Zugangskontrollsysteme; ein deutscher Begriff für „access control“ exi­ stierte noch gar nicht. Haller sicherte sich die deutsche Vertretung einer US-Firma namens Rusco, deren Ausweise auf ferromagneti­ scher Basis funktionierten. Die Identa hatte ihr ganz spezielles Feld gefunden. In den frühen Siebzigern entstanden die ersten Verkaufsbüros, baute man Vertretun­ gen auf und konzentrierte sich darauf, Aus­ weise in Dienstleistung herzustellen und die US-Systeme zu vermarkten. 1974 war nicht nur das Jahr der Fußball­ WM. Damals gelang auch die erste rich­ tungsweisende Eigenentwicklung der jungen Firma: der Induktiv-Ausweis, heute Stan­ dard in der Branche. Neu daran war, daß erstmals die Codierung unsichtbar war und trotzdem von allen Seiten gelesen werden konnte. Anfang der Achtzigerjahre wagte die Firma den entscheidenden Schritt, um völlig auf eigenen Beinen zu stehen. Benzing hatte für Siemens ein eigenes, kleines Zugangskon­ trollsystem entwickelt, weil Rusco wenig Bereitschaft zeigte, auf spezielle europäische Kundenwünsche einzugehen. Nun kündigte die Identa den Vertriebsvertrag mit Rusco und bot ihren Kunden eigene Systeme an. Entwickelt wurden sie aus Komponenten der Benzing-M utter. Das begann mit einem kleinen System, ausgelegt fürlOOO Mitarbeiter und 4 Leseran­ schlüsse. Heute reicht die Palette bis zu 200 angeschlossenen Lesegeräten und einer Spei­ cherkapazität von rund 20.000 Personen. Seit 1986 sind auch Systeme im Programm, die Zugangskontrolle mit Zeiterfassung – der Spezialität von Benzing – kombinieren. Die Betriebsausweise – mit Firmenlogo, Name und aufgeklebtem Paßbild -, mit 64 denen sich Unternehmen vor 20 Jahren zufriedengaben, taugen heute eher fürs Museum. In den Neunzigern kann der sicherheitsbewußte Kunde zwischen vielen Techniken wählen: Induktiv-, Magnetstrei­ fen-, Barcode- und Infrarotausweise oder eine Mischung aus mehreren dieser Techni­ ken. Seit einigen Jahren werden Ausweise und modernste Videotechnik gekoppelt. Um einen Ausweis herzustellen, wird die Person zunächst mit einer Videokamera aufgenom­ men und das Bild – Paßformat – auf dem Bildschirm wiedergegeben. Dann wird es digitalisiert und wandert in den Speicher. Gleiches geschieht mit der Unterschrift und dem Layout des Ausweises, der individuell nach den W ünschen des Kunden gestaltet werden kann. Darauf wird alles aus dem Speicher aufge­ rufen – Layout, Firmenlogo, Name, Unter­ schrift, Konterfei – und auf dem Schirm kombiniert. Per Tastendruck belichtet der Drucker eine Polyesterfolie mit dem Ent­ wurf; die Folie wird anschließend noch auf eine millimeterdünne Plastikkarte aufge­ schweißt – fertig ist der Ausweis. Ganze 80 Sekunden dauert die Prozedur. Der US-Filmriese Kodak kam als erster damit auf den Markt. Auf einer Messe in Amerika entdeckte Haller ein ähnliches System von einem kleineren Hersteller – und gab den Gedanken an einen Vertrieb gleich wieder auf, als es in der Praxis nicht funktionierte. Kurz darauf meldete sich ein anderer Riese bei ihm: die deutsche Agfa, die zwar das „Secucard“-System entwickelt hatte, aber nicht recht wußte, wie sie es vermarkten sollte. Haller nahm das Angebot, im deutschsprachigen Raum für den Vertrieb zu sorgen, an: ,,Eine Eigenentwicklung auf die­ sem hochspezialisierten Gebiet kam für die ldenta nicht in Frage, da damit Investitionen in mehrfacher Millionenhöhe verbunden sind. Außerdem ist es für den Kunden von entscheidender Bedeutung, das Know-how einer Weltfirma gesichert zu wissen.“

Alter Sichtausweis für Fa. Trinkaus, ca. /970, zeigt ,Jugendbildnis“ von Max Ernst Haller .,. “ C.G.Trinkaus 4473 Alter Sich/ausweis, ca. 1970, ,Jugendbildnis“ Peter Haller ,ant 65

Als erster Secucard-Kunde erwies sich kein geringerer als der Bonner Bundestag. Zunächst wurde der Polizeisicherungsdienst damit ausgerüstet, danach die Bundespresse­ stelle und schließlich erhielten auch die 650 Abgeordneten ihr Kärtchen mit Konterfei. Die Anforderungen der Kunden an Fäl­ schungssicherheit grenzen allmählich an die Anstrengungen der Bundesdruckerei für Personalausweise und Banknoten; da kam es der ldenta nur gelegen, daß das Bundeskri­ minalamt nach eingehender Prüfung ihr das Prädikat ,,für einen Sichtausweis praktisch falschungssicher“ verlieh. Wegen des digitalen Druckverfahrens kann die Karte kaum fotografisch nach­ geahmt werden. Das Laminat läßt sich nicht entfernen, ohne die Karte zu beschädigen. Der Sicherheitsaufdruck auf dem Papier, der Magnetcode sowie ein Streifencode schüt­ zen weiter gegen Mißbrauch. Auch die Daten sind geschützt. Sie sind auf einer auswechselbaren Festplatte gespei­ chert, die z.B. im Panzerschrank deponiert werden kann. Durch Vergabe von Paßwör- tern erhalten nur Befugte Zugriff; wird das System eine gewisse Zeit nicht benutzt, schaltet es automatisch auf „Sicherung“, und das Paßwort muß erneut eingegeben werden. Für die KSZE-Außenministertreffen in Berlin, Kiew und Moskau setzte Identa noch eine Sicherheitsstufe drauf: Erst 24 Stunden vor Beginn der Politikerkonferenzen wurde das genaue Aussehen der Ausweise festge­ legt, um Fälschern weniger Zeit für ihr Hand­ werk zu lassen. Gefahr drohte in Moskau allerdings eher von dem Anti-Gorbatschow­ Putsch; der Identa-Mann wurde in seinem Hotel von Leibwächtern abgeschirmt und per gepanzerter Limousine zum Arbeitsplatz chauffiert. Mehr als 4000 Sicherheitsausweise muß­ ten beim Münchner Weltwirtschaftsgipfel für die Delegationen, Techniker, Übersetzer, Fahrer, Kellner und Anwohner hergestellt werden. Über eine Woche lang war ein Team aus sechs Personen fast rund um die Uhr damit beschäftigt. Zu den „Extras“ gehörten eingedruckte Flaggen je nach Nationalität Bildschirm/Terminals, Produkte der Firma ldenta 1993 66

Aufnahmen für Secucard-System und nach Befugnis blau, gelb oder rot abge­ stufte Ausweise. Ausgerechnet die höchst­ rangigen Diplomaten erhielten die rote Karte . .. Doch selbst bei den großen Politikerauf­ trieben hat die Identa noch nicht den aller­ letzten Stand der Sicherheitstechnik gezeigt. Die nächste Generation von Ausweisen funktioniert berührungslos, d. h., muß nicht mehr in Schlitze gesteckt werden. Von der Benzing Zeit+ Daten (und deren Schweizer Eignerin Kaba Bauer) entwickelt, müssen die Legic-Karten nur in bestimmtem Abstand am Lesegerät vorbeigeführt werden; zwischen Gerät und Karte baut sich ein Hochfrequenzfeld auf, das die notwendigen Informationen austauscht, um dem Karten­ inhaber Zugang zu gewähren – oder auch nicht. Mit drei Mitarbeitern hat die Identa vor einem Vierteljahrhundert angefangen. Heute peilt sie mit 42 Leuten die Zehn-Mil­ lionen-Umsatzgrenze an. Zu den Kunden gehören BMW, die Bremer Vulkan-Werft, das Kernforschungszentrum Jülich und das KKW Würgassen, das Versandhaus Quelle, die Flughäfen von Nürnberg und Dresden sowie das Amadeus-Rechenzentrum in München. Auch beim Compaq-Grand-Prix, dem höchstdotierten Tennisturnier der Welt, haben Identa-Ausweise Stich, Edberg, Lend! & Co. schon ungebetene Besucher vom Hals gehalten. Ansonsten läßt Peter Haller aber die Finger von Sportveranstaltungen: ,,Viele eiwarten, daß man einen Sponsor mitbringt, oder selbst als Sponsor auftritt und alles umsonst macht.“ Wer’s sicher haben möchte, muß auch dafür zahlen: Systeme kosten zwischen 5000 und 100.000 Mark. Hanns-Georg Rodek 67

Straub-Verpackungen, Bräunlingen Gerüstet für’s Jahr 2000 Im Almanach 1980 Seile 52-54, wurde zum ersten Mal über die Firma Slraub berichlet. Die Erweiterung des Firmengebäudes in Bräunlingen ist Anlaß, den Bericht auf den neuesten Stand zu bringen. Im Juni 1992 konnte die Firma STRAUB die offizielle Übergabe einer neuen Produk­ tionshalle feiern. Ein Familienunternehmen mit langer Tradition in Bräunlingen konnte mit dieser großen Investition (25 Mio. DM) den Weg ins nächste Jahrtausend ebnen. Es begann vor 170 Jahren mit dem Kauf der Stadtmühle durch Franz Anton STRAUB, dem sich ein langer Weg von der Schlüsselübergabe durch A rchilekt E. Schafbuch (Mille) und die Geschäflifiihrer Wo!fram Wiirth (links) und Friedrich Wiirth (rechts). 68 ehemaligen Mühle bis zum heutigen Indu­ striebetrieb mit 340 Beschäftigten anschloß. Einige markante Meilensteine über die Entwicklung von STRAUB: Der Mühlenbetrieb mit Mehlhandel wird bis 1911 aufrecht erhalten. Das Bindeglied von der Mühle zu den heutigen Wellpappen-und Würipor-Ver­ packungen stellt die 1905 aufgenommene Holzwolle-Produktion dar. Sie wird 1950 eingestellt. Bereits 1925 erfolgt die Aufstellung der 1. Wellpappen-Maschine noch im 4. Stock des Wohnhauses der Familie STRAUB. 1936: Bau des 1. großen Fabrikgebäudes neben der alten Mühle. 1952 wird eine neue Produktionsstätte erstellt und die neue Wellpappen­ maschine mit über 100 m Länge -im Wolksmund „di lang Maschii“ genannt – wird in Betrieb genommen. In diese Zeit fallt die Beteiligung an der Papierfabrik Vreden mit Ausbau. Ursprünglich wurde dort aus Weizen-/Roggenstroh Papier für die Welle hergestellt. Heute ist dort der alleinige Rohstoff „Altpapier“. 1960-68: Bau des neuen Werkes in Blum­ berg in drei großen Abschnitten. 1967: STRAUB schafft sich ein 2. Stand­ bein. Aufnahme der Produktion von Würipor-, Schaumstoffverpackungen. 1969: Einzug in das neue Verwaltungsge­ bäude. 1985: Kauf der Firma Efkadruck in Tros­ smgen. Die beengten räumlichen Gegebenheiten zwischen der Bahnlinie, dem Gewerbekanal, der Breg und Landstraße ließen auf Dauer keine rationelle Fertigung und Produktions­ ablauf mehr zu. Die Wettbewerbsfähigkeit war dadurch stark in Mitleidenschaft gezo­ gen und für die Zukunft gefahrdet. Als bereits konkrete Aussiedlungsüberlegungen

angestellt wurden, ergab sich 1989 die Mög­ lichkeit, das Graf’sche Anwesen käuflich zu erwerben. Jetzt bestand endlich die Chance, den Material- und Fertigungsprozeß dem heute geforderten industriellen Niveau anzupassen. Die Geschäftsleitung hat ohne zu zögern das Gelände erworben. Aufgrund recht stürmischer wirtschaftli­ cher Entwicklungen und veränderten Markt­ verhältnissen ergab sich der Zwang zu kurz­ fristigen Entscheidungen und Baumaßnah­ men. Für die Planung, Bauantrag und Bau­ beginn verblieben nur kurze Zeiträume. In einer Bauzeit von rund 2 Jahren ent­ stand eine Erweiterung der bisherigen Nutz­ fläche von 6500 qm auf insgesamt 20.500 qm. Die Planung, Durchführung und Überwa­ chung der Baumaßnahme wurde dem Archi­ tekturbüro Emil Schafbuch in Hüfingen übertragen. Hierbei mußten vor allem fol­ gende vorgegebenen Grundsätze verarbeitet werden. An einem natur- und städtebauli­ chen markanten Standort mußte eine in sich profilierte Glasarchitektur mit rhythmisch gestalteten Baukörpermassen erstellt wer­ den. Diese transparente Außenarchitektur sichert freundlich helle Arbeitsräume mit wertvollem Sichtkontakt zur Natur und ist zugleich im Verbund mit der verwendeten hochwärmedämmenden Isolierverglasung und des solaren Energiegewinnes heizwär­ meverbrauchssenkend. Die zusätzlich har­ monisch ansprechende Gestaltung mit den Farben Verkehrspurpur, Türkisblau mit Gelb und Goldgelb charakterisiert in prägnanter Form die verschiedenartige Nutzung der ein­ zelnen Baukörper und ist im Außen- und Innenbereich speziell auf die eingesetzten Hauptbaustoffe Holz, Stahl und Beton abge­ stimmt. Unseres Erachtens entstand dabei durch kreative Inspirationen, entgegen der üblichen Monotonie von Industieanlagen, ein äußerst ansprechender und gelungener Baukomplex. Besonders erwähnenswert ist, daß die Betonmengen von 8200 cbm vorwiegend 71

wegen der hohen maschinellen Gewichtsbe­ lastungen für Decken und Boden verwendet wurden. Ebenfalls wurden die Erfahrungen aus dem Hochwasser des Jahres 1990 berück­ sichtigt. Für die Dachkonstruktion wurde einheimisches Holz für die großdimensio­ nierten Holzleimbinder verwendet; der anfallende Erdaushub wurde überwiegend im eigenen Gelände wieder verwendet. Für Personenschutzmaßnahmen entstanden große Aufwendungen, u. a. für den Bau eines Fluchttunnels. Bei der Durchführung haben alle Baufirmen hochqualifizierte und termingenaue Leistungen erbracht und das gesamte Projekt unfallfrei und einsatzfreudig gemeistert. Ein vorrangiger Gedanke bei der gesam­ ten Bau-, Modernisierungs-und Investiti­ onsmaßnahme war die Humanisierung der Arbeit durch Wegfall schwerer körperlicher Belastungen. So mußten beispielsweise frü­ her täglich rund 100.000 kg Wellpappe an der Wellpappenanlage von Hand abgenommen, 72 bewegt und auf Paletten umgesetzt werden. Letztere mußten anschließend manuell mit Handhubwagen zu und von den einzelnen Verarbeitungsmaschinen transportiert wer­ den. Diese körperlich schwere Arbeit wurde durch eine vollautomatische Ablage und durch ein fast vollautomatisches Rollbahn­ transportsystem abgelöst. Die Firma STRAUB-VERPACKUNGEN produziert in der Gesamtheit (Werk Bräun­ lingen und Blumberg) arbeitstäglich aus 190.000 kg Papier rund 330.000 qm Well­ pappe in -je nach Anforderung-ein-, zwei­ und dreiwelligen Qualitäten und verarbeitet diese Mengen zu Verpackungen. Dabei han­ delt es sich um ein Produkt, welches zu 90 0/o aus recycelten Rohstoffen besteht und selbst zu 100 0/o wieder verwertet werden kann. Damit kommt die besondere Umwelt­ freundlichkeit der Wellpapp-Verpackungen zum Ausdruck. Der Transport zu den Kun­ den erfolgt überwiegend durch den eigenen Fuhrpark mit 22 Lastzügen. Eckart Eckert

Firma goetz HOLZBAU, Bad Dürrheim Mit diesem Namen verbinden sich an­ derthalb Jahrhunderte Tradition und eine Firmengeschichte mit historischen Gegen­ sätzen, wie diese noch heute unseren Land­ kreis charakterisieren. Die Gründung des Unternehmens er­ folgte 1845. In jenem Jahr erhielt der aus dem württembergisch-protestantischen Oberbai­ dingen stammende Zimmermann Mathias Götz (1808-1881) im nahen badisch-katho­ lischen Villingen seinen Meisterbrief. Die Kenntnisse und Fertigkeiten, welche er sich bis dahin bereits erworben hatte, sind be­ achtlich. Als Geselle bei der Großherzog­ lich-Badischen Salinenverwaltung sowie als Zimmererpolier und Metalldreher bei der Maschinenfabrik Sylvester Heine war er mit frühen industriellen Fertigungsmethoden in Berührung gekommen. Angesichts der Mög­ lichkeit, bei zahlreichen Bauvorhaben der Soleförderung ein gutes Auskommen zu fin­ den, entschloß er sich, seinen Zimmerplatz an der Josefstraße in Bad Dürrheim zu errich­ ten. Erst 1912, im Zuge anstehender Erweite­ rungen, verlegte man den inzwischen größer gewordenen Betrieb an den heutigen Platz an der Riedstraße 7. Von Anbeginn an tat sich die Firma auf jenen Gebieten hervor, die bis heute ihre Spezialität geblieben sind: der Kirchenbau und die öffentlichen Gebäude, insbesondere die Kuranlagen Bad Dürrheims. Auch hier war es Gründer Mathias Götz – erst 1930 wurde der Name in Goetz abgeändert -, der als erster protestantischer Bürger Dürrheims (sein Bild hängt im Haus der Begegnung neben der ev. Johanniskirche in Bad Dürr­ heim) Hand mitanlegte beim Bau der katho­ lischen Kirche Sankt Johann 1857. 1909 half man bei der Errichtung der ersten evangelischen Kirche. 1935 erstellte das Unternehmen das Turmgerüst der Pfarr­ kirche, 1953/54 übernahm man die Zim­ merarbeiten bei dem evangelischen Pfarr­ und Gemeindehaus in der Ludwigstraße, Gründer Mathias Götz 1808-1881 1960-61 beim Bau der Johanniskirche und dem Gemeindezentrum „Haus der Begeg­ nung“ mit Pfarrer- und Hausmeisterwoh­ nung im Johanniterweg und 1969-70 die Holzarbeiten bei der Kirche in Marbach. Im öffentlichen Bauwesen begann es mit der Herstellung der ersten Dürrheimer Turn­ geräte und der Deichelwasserleitung 1845/ 46. Es folgten die zahlreichen Bauten und Umbauten für die Saline (Salinenwirtshaus und Solbad 1867). Salinen umbau/ Abbruch des ersten Siedhauses 1931-33 und den Kur­ bereich (Umbau Parkhotel Kreuz, Erho­ lungsheim der Eisenbahnerkrankenkasse, Kurgarten-Cafe, Strand-Cafe, Strandbad, alle 1926-27. Kurhausbau 1936, Erweiterung Landessolbad 1953/54 bis hin zum Bau des Kurmittelhauses und der Wandelhalle 1957 / 58). Damit hat die Firma goetz HOLZBAU 73

Bau der Kirche in Marbach 1969-70 74

den Kurort Bad Dürrheim im wahrsten Sinne des Wortes „mitgezimmert“. Jahrzehntelang von Vater zu Sohn und in der Familie weitergegebene Kenntnisse, ver­ bunden mit der Offenheit für neue Techno­ logien im Holzbau, haben dem Unterneh­ men jene solide Grundlage gegeben, mit der es auch schwierige Zeiten meistern konnte. Durch die Bildung von Arbeitsgemeinschaf­ ten mit anderen Zimmerbetrieben überstand man in gegenseitiger Hilfe und trotz finan­ zieller Verluste Krieg und InAation. Der Kasernenbau nach 1933 unterstützte die Er­ holungsphase nach der Wirtschaftskrise. Neuen Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg verschaffte der Bau von Flücht­ lingswohnungen 1948 im Auftrag der Neuen Heimat, der Erzdiözese Freiburg und der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft. So kräftig war die Auftragslage, daß die Werk- statt vergrößert und zahlreiche Lehrlinge ausgebildet werden konnten. Und war es nicht ein Zeichen des Auf­ bruchs in die moderne Zeit der Medien und ihrer neuen Spezialbauten, daß man das Sen­ dergebäude des Südwestfunks Baden-Baden miterrichten durfte? Seit 1986 wird der Betrieb von dem Ehe­ paar Gustav und Sonja Goetz geführt, nach­ dem der im gleichen Jahr mit dem „Golde­ nen Meisterbrief“ ausgezeichnete Vater Karl sich nach über fünfzigjähriger Tätigkeit aus dem Betrieb zurückgezogen hat. Bis heute ist die Firma goetz HOLZBAU ein Unter­ nehmen geblieben, dessen handwerkliche Qualität am Ort und auf der Baar geschätzt wird (neuestes Projekt: Narrenschopferwei­ terung). Dies verspricht weitere 150 Jahre gute Zimmererarbeit. Dr. Joachim Sturm Die Firma Förderer Söhne GmbH Neue Produktionsräume im Gewerbegebiet von Niedereschach Die Firma Förderer Söhne GmbH, Nieder­ eschach, wurde aus Anlaß des IOOjährigen}ubi­ läums im Jahre 1986 im Almanach 1989, Seite 54-57, vorgestellt. Inzwischen hat die Firma neue Produktionsräume im neuen Gewerbegebiet in Niedereschach bezogen. Dieser Einschnill in der Entwicklung der Firma rechifertigt es, das Thema erneu/ aufzugreifen. Die Gründung der Firma Förderer er­ folgte im Jahr 1886 durch den Nieder­ eschacher Uhrmacher Johannes Förderer. Als Zulieferer für die Uhrenindustrie wurden Metallteile gefertigt. Die Firma entwickelte sich so gut, daß bereits um die Jahrhundert­ wende eine neue Betriebsstätte errichtet wurde. 1909 erfolgte mit dem Neubau des bis zur Aussiedlung im März 1992 benutzten Fir­ mengebäudes in der Niedereschacher Orts­ mitte eine erste wesentliche Erweiterung. 1919 trat Max Aschenbrenner als Schwieger­ sohn in die Geschäftsleitung ein. Sein ausge­ prägtes Fortschrittstreben führte die in der Zwischenzeit gegründete Firma Johs. Förde­ rer Söhne in neue Bereiche. War zunächst nur die Uhrenindustrie Hauptabnehmer, so waren es in den späteren Jahren Branchen wie der Radio- und Elektro­ sektor, die Automobilindustrie und der Maschinenbau. Die Patente von Max Aschenbrenner prägten das Fertigungspro­ gramm: Stecker, Kupplungen, Schalter, Pro­ dukte zur Steuerungs- und Regelungstechnik. In dieser Zeit expandierte die Firma sehr stark. 1935 wurde in Deißlingen ein Zweigbe­ trieb eröffnet. Nach Ende des Zweiten Welt­ krieges wurde die Entwicklung des Unterneh­ mens gestoppt. Die von der französischen Mili­ tärregierung verfügte Demontage (80 0/o der Anlagen wurden abgebaut) erschwerte den Wiederaufbau der Firma. 75

Erst zu Beginn der SOer Jahre, verbunden mit der neuen Antennenproduktion, erholte sich das traditionsreiche Unternehmen. Nach Radio- und Fernsehantennen wurden ab 1960 vorwiegend Teleskopantennen pro­ duziert. Eine weitere Produktionsgruppe, Magnet­ spulen, wurde von 1976 an aufgebaut. Daß diese Entscheidung der Unternehmenslei­ tung richtig war, zeigt sich heute, wo die Firma hauptsächlich als Zulieferer von Spu­ len für den Automobilbereich tätig ist. Mit rund 90 Beschäftigten ist die Firma einer der größten Arbeitgeber in der Gesamtgemeinde. Um die verschiedenen Produktionsab­ läufe zu verbessern, nutzte die Firmenlei­ tung die sich bietende Chance, im Nieder­ eschacher Gewerbegebiet im Jahre 1992 eine neue Produktionsstätte mit Bürotrakt zu erstellen. Ein Bauwerk, das rundherum gelungen ist und von der Gruppe 70, freie Architekten BOA – VS-Schwenningen, geplant wurde. Die Firma ist im Jahre 1992 in die neu errichteten Produktionsräume im Gewerbe­ gebiet eingezogen. Dort ist mit einem um­ fangreichen, modernen Maschinenpark eine noch wirtschaftlichere Produktion möglich. Qualität wird groß geschrieben! Insofern blicken die beiden ge chäftsfüh­ renden Gesellschafter, Helmut Aschenbren­ ner und Thomas Grüninger, optimistisch in die Zukunft, wenngleich sich am Wirt­ schaftshimmel des Landes dunkle Wolken abzeichnen, und die Jahre 1993/94 sicher schwere Jahre für alle Industriebetriebe wer­ den. Als kompetenter Partner, der stets garan­ tiert, daß die Wünsche der Kunden reibungs­ lo umgesetzt werden, und der im Bereich der Spulen auch komplette Bausätze fertigt, genießt die Firma bei den vielen Kunden, darunter Großkonzerne und Großfirmen, einen hervorragenden Ruf und großes Ver­ trauen. Auch individuelle Kundenwünsche werden, falls möglich, erfüllt. 76

Das Leistungsangebot umfaßt die Lösung konstruktiver Probleme sowie die Umset­ zung in den verschiedenen Fertigungsabtei­ lungen: Werkzeug- und Vorrichtungsbau, Stanzerei, Galvanik, thermoplastischer Spritzguß, Wickelei und den Einsatz speziel­ ler Montagetechniken, wie zum Beispiel löten, crimpen, schweißen, bandagieren und bedrucken. Die FirmaJohs. Förderer Söhne, die 1986 auflOOjährige erfolgreiche Firmengeschichte zurückblicken konnte, betrachtet die Inve­ stition im Gewerbegebiet auch als Verpflich- tung und Ansporn für die Zukunft zu noch aufgeschlossenerer Bereitschaft für indivi­ duellen Service und zu noch höherer Lei­ stung im Dienst am Kunden. Das Streben nach Fortschritt und die Eröffnung neuer Märkte, seit Generationen das Ziel des Betriebes, wird auch in den neuen Räumen ein Garant für �alität und Erfolg bleiben. Die Firma Johs. Förderer Söhne GmbH & Co. KG wird auch künftig zu den besten Adressen gehören, wenn es um Spulen und Qualitätsarbeit geht. Albert Bande Design als Firmenphilosophie Europäischer Design-Preis 1992 für S. Siedle & Söhne, Furtwangen Siedle, das ist ein Name, der heute weit über Deutschlands Grenzen hinaus für Design steht. Daß Siedle in Deutschland mit weitem Abstand der Marktführer für Gebäu­ dekommunikation ist und inzwischen auch in einigen europäischen Ländern die füh­ rende Rolle spielt, das wissen nur die wenig­ sten Verbraucher und auch nicht alle Fach­ leute. Die Siedle-Produkte sieht man an und in Millionen Häusern, und was sich einprägt, ist die vollendete Form. Wo immer Siedle auftritt, ob auf Messen, in Ausstellungen oder Anzeigen, stets präsentiert sich das Unternehmen im einheitlichen Erschei­ nungsbild. Das Design ist zur Identität des Unternehmens geworden, und Siedle und sein Designer Eberhard Meurer haben für diese Leistung seit Jahren immer wieder höchste Auszeichnungen erhalten. Design als Strategie für den Markt der Zukunft Wer je die Gelegenheit hatte, hinter die Kulissen der Entwicklung von Design-Pro­ dukten und Unternehmens-Erscheinungs­ bildern – in der Marketingsprache Corporate Mit der Entwicklung und dem Ausbau des Vario-Systems gewann Design zunehmende Bedeutung. Die Langlebigkeit des Systems ver­ langte eine zeitlose Gestaltung die Q}talität aus­ strahlt. 77

Identity genannt und mit CI abgekürzt – zu schauen, der hat sicher eines erfahren: Design in hoher Qualität kostet Geld, viel Geld sogar. Nur aus Verliebtheit in die schöne Form wird kein ordentlicher Kauf­ mann diese Investition dulden. Warum also investiert Siedle seit Jahren so konsequent in das Design, wo doch parallel dazu auch große Summen in eigene technische Ent­ wicklungen und Patente fließen? Um diese Frage zu beantworten, muß man sich den Markt der Gebäudekommuni­ kation etwas genauer anschauen. Als Horst Siedle 1970 die alleinige Führung des Unter­ nehmens antrat, beschäftigte Siedle rund 135 Mitarbeiter, die vorwiegend Klingelanlagen, elektrische Türöffner und Türsprechanlagen produzierten. Die Architekten und die Bau­ herren hatten gleichermaßen wenig Interesse an diesem Teilbereich des Hausbaus. Der Elektriker, zuständig für die Installation, legte zwar Wert auf zuverlässige Qualität, um sich späteren Ärger zu ersparen, war aber auch nicht unbedingt auf Siedle angewiesen. Höchste Design-Auszeichungen erhielt das Tele­ fan-System 611, das erstmals 1991 vorgestellt wurde. Das Bild zeigt das Telefonsystem T 6JJ-/O, das Tür-, Haus- und Amtstelefonie in einem Gerät integriert, in Verbindung mit dem Video­ monitor. 78 Ganz neu ist das Komforttelefon T 611-0, das sowohl als Amtstelefon am eirifachen Hauptan­ schluß wie auch in Verbindung mit einer kleinen Zentrale als Kleinst-TK-Anlage mit oder ohne Tiirkommunikation genutzt werden kann. Wo die Auswahl groß ist, beginnt jedoch der Preiskampf, und das hat Horst Siedle früh­ zeitig erkannt. Sein Ziel war es deshalb, ein unverwechselbares Produkt zu schaffen, eine Marke, die dem Verbraucher bekannt ist und die er verlangt. Heute ist diese Zielsetzung aktueller denn je, denn der Elektrogroß­ handel, traditioneller Vertriebspartner von Siedle, erlebt eine Konzentration, die die Einkaufsentscheidungen und damit die Marktmacht in immer weniger Hände legt. Dieser Prozeß geht weiter und tritt jetzt in europäische Dimensionen ein. Gesichts­ losen Produkten, die beliebig austauschbar sind, droht damit ein existenzgefährdender Preisverfall. Mit exquisiter Technik allein ist dieser Gefahr nicht zu begegnen. Und des­ halb steht Horst Siedle persönlich hinter der Entscheidung, dem Unternehmen und seinen Produkten durch das Design einen Markencharakter zu geben, der die Nach­ frage ebenso langfristig sichert wie aus­ kömmliche Preise. Ein langer Weg solider Entwicklung Design wird allerdings nicht durch einen Federstrich zum tragenden Element der Unternehmensphilosophie. Denn wenn die schöne Form hohl bleibt, verwässert sie ent-

Dieser konsequente Systemansatz stellte seine eigenen Forderungen an die Produkt­ gestaltung. So unterstützt das Design den hohen �alitätsan pruch in Funktion und Produktion. Es macht die volle Anwen­ dungsbreite sichtbar und berücksichtigt die Handhabung und Bedienbarkeit. Innovative Vorteile werden durch das Design erlebbar und neue Technologien führen zu neuen Formen. Bei all dem muß das Design frei sein von allzu modischen Gestaltungstrends, denn System-Produkte sind langlebige Pro­ dukte von einigem materiellen Wert. Mit der Entwicklung der Produkte und der Erfahrung im Markt wuchs auch die Bedeutung des Designs für das Unterneh­ men. So war es schließlich ein logischer Schritt, das Produkt-Design auch im Gra­ phik-Design und in der Architektur fortzu­ setzen. Heute sind deshalb bei Siedle die Bereiche visuelle Kommunikation, Produkt­ design, Firmenarchitektur und Graphik­ design in einer Abteilung zusammengefaßt und direkt der Geschäftsführung unterstellt. Diese Abteilung arbeitet mit Design-Kon­ stanten auf allen Gebieten. Drucksachen, Messestände, Fahrzeuge, Architektur, In­ nenarchitektur, Arbeitsplätze, audiovisuelle Medien, Verpackung, Anzeigen, Schriftver­ kehr und Formulare tragen immer die glei­ che Handschrift. Produkt-Design und Un­ ternehmens-Design ergänzen und verstär­ ken sich so gegenseitig zum Siedle-Erfolg. Möglich war dieser Erfolg nur, weil Horst Siedle persönlich hinter dem hohen An­ spruch steht, was national und international immer wieder hohe Anerkennung fand. So konnte Horst Siedle 1992 auf der Weltaus­ stellung in Sevilla den Europäischen Design­ Preis entgegennehmen, der alle zwei Jahre nach nationalen Ausscheidungen an jeweils nur drei Unternehmen aus der gesamten EG verliehen wird. Ausgezeichnet wurde mit diesem angesehenen Preis die gelungene Unternehmenspolitik, die Design zum un­ trennbaren Bestandteil des Namens Siedle werden ließ. Eberhard Meurer 79 ! .- 1 • 1 • – � � – –= – – – – -· ‚“·{�� Ebenfalls neu im Siedle-Telefonsystem ist das schnurlose Telefon SCT 611-0. Es kann am ein­ fachen Hauptanschluß angesteckt werden oder wahlweise mit der kleinen Zentrale oder dem Tele­ fonsystem T 611-10 verbunden werden. sprechend schnell. Bei Siedle hat sich das Gewicht des Designs langsam und logisch entwickelt. Begründet wurde dieser Weg Ende der siebziger Jahre mit der Entschei­ dung, nicht mehr einzelne Produkte herzu­ stellen, sondern offene Systeme, die nach dem Baukastenprinzip funktionieren. Zu­ einander passende Module erlauben dem Bauherren die Zusammenstellung der Tech­ nik nach seinen Wünschen.1981 wurde nach diesem Prinzip das Vario-System für die Kommunikation am Hauseingang erstmals vorgestellt. In einem einheitlichen Rahmen wurden waagrecht oder senkrecht quadrati­ sche Module installiert, wie z.B. Klingelta­ ste, beleuchtete Hausnummer und Lautspre­ cher. Mit dem Fortschritt der Technik kamen immer mehr Bausteine hinzu. Heute sind es insgesamt 26, bis hin zur Videokamera und zum elektronischen Schließsystem Easikey. Ergänzt wird das Vario-System durch Brief­ kästen und durch Informations-Module. Im Haus bietet Siedle ein ausgefeiltes Telefon­ system, vom Tür- und Haustelefon über das Komforttelefon und das schnurlose Telefon – beide für den einfachen Hauptanschluß – bis zum integrierten Tür-, Haus- und Amts­ telefon mit bis zu 2 Amtsleitungen und 10 Nebenstellen.

Eine mittelalterliche Wüstung im Aitrachtal Archäologie Aitlingen Die mittelalterliche Besiedlung der Baar bietet dem Betrachter ein äußerst differen­ ziertes Bild. Meist stehen die zentralen Orte von Adel und Bürgertum, die Burgen und Städte, im Blickpunkt. Darüber übersieht man leicht, daß wir über die ländlichen Sied­ lungen dieser Zeit, obwohl sie viel zahlrei­ cher sind, weit weniger wis en. Dörfer, Wei­ ler und Einzelhöfe waren im Mittelalter wesentlich dichter über die Kulturlandschaft verteilt als heute. [hre Spuren finden sich nicht nur im Bereich der heutigen Dorf­ kerne, verschiedenartige Indizien weisen auf verlassene Siedlungen, sogenannte Wüstun­ gen, in Waldgebieten und Ackerland hin. Im Rahmen der Listenerfassung der Kultur­ denkmale der Archäologie des Mittelalters im Schwarzwald-Baar-Kreis erfolgt die Erfas­ sung und Lokalisierung dieser Siedlungs­ wüstungen. Von den zahlreichen abgegange­ nen Orten der Baar, die die Grundlage der mittelalterlichen Feudalwirtschaft bildeten, soll ein besonders bemerkenswertes Bei piel vorgestellt werden. Der Ort Aitlingen lag auf der Gemarkung Riedöschingens im Aitrachtal, er gehört zu den am besten durch Urkunden zu erschlie­ ßenden Wüstungen der Baar. Der auf ,,-ingen“ endende Ortsname läßt eine Grün­ dung in alamannischer Zeit vermuten und Luftbild der Molle Unler Ried 80

Die mittelalterliche Wüstung Aitlingen bei Riedöschingen, Stadt Blumberg. 1 Ortsburg, 2 Aitlingen, 3 Stellen beim längehaus, 4 Unter Stellen ist wohl mit dem Flußnamen der Aitrach ver­ bunden. Die erste urkundliche Nennung erfolgte erst im Jahr 1409. Indirekt ist der Ort seit 1297 durch den nach ihm benannten Ortsadel, den Herren von Aitlingen, bezeugt. Die fürsten bergische Dienstmannenfamilie begegnet uns in dich­ ter urkundlicher Überlieferung bis 1494. Trotz der zahlreichen Urkunden bleibt der Ursprung des Ortes unklar, doch ist sein Ende umso besser beleuchtet. Der offenbar blühende Ort begann seit dem frühen 15. Jh. zu schrumpfen. Ursache hierfür war, neben allgemeinem wirtschaftlichen Niedergang, Kriegs- und Seuchengefahr im Spätmittel­ alter, der Sog der um 1390 neu angelegten Stadt Blumberg. Bereits 1414 wird eine „Wüsthub“, ein verlassener Bauernhof, in Aitlingen genannt. In der zweiten Hälfte des 15.Jh. ist mehrfach Gütererwerb durch Bauern 81

aus Riedöschingen belegt, was den Abzug der früheren Besitzer vermuten läßt. Nach der Zerstörung Aitlingens 1499 im Schweizer Krieg siedelten die Bewohner in das 1,5 km entfernte Riedöschingen über. Sie brachten neben ihrer Habe auch den Kir­ chenschatz und die „Aitlinger Madonna“, die um 1430 entstand, mit. Die Felder und die früheren Siedlungsareale wurden nun von den neuen Heimstätten au bewirtschaf­ tet. Im Jahr 1511 empfing Hans von Landau Aitlingen „mit Gerichten, Zwingen und Bän­ nen, Fischenzen und aller Zubehör“. Noch nach 1529 galt Aitlingen als eigenständige Gemarkung, erst um 1552 ist der Aitlinger Bann für 12 Gulden an Riedöschingen gefal­ len. Neben den Urkunden geben ferner die Flurnamen und Parzellenstrukturen im Bereich der ehemaligen Siedlung beredtes Zeugnis von dem Ort. Im Gewann „Aitlin­ gen“ zeichnet sich der ehemalige Siedlungs­ kern ab, die mutmaßlichen Siedlungsareale ,,Stetten beim Längehaus“ und „Unter Stet­ ten“, das zum Teil auf der Gemarkung Leip­ ferdingens liegt, scheinen sich darauf zu beziehen. Der Flurname „Untere Furtwiese“ im Verlauf der heutigen Straße deutet auf einen alten Aitrachübergang an dieser Stelle hin, der Name „Schleife“ belegt eine von Wasserkraft betriebene Schleifmühle. Ge­ wannamen wie „Aitlinger Feld“, ,,Aitlinger Hau“, ,,Allmend“ und „Herrenwiese“ weisen auf die ehemalige wirtschaftliche Nutzung einzelner Areale hin. Auf den Anhöhen bei­ derseits der Aitrach zeigen die Flurnamen „Kohltal“ und „Kohlgärten“ ein intensiv betriebenes Köhlergewerbe an. Diese archivalischen Belege waren der Ausgangspunkt für eine weitere Beschäfti­ gung mit der Siedlung Aitlingen. Durch Feldbegehungen und Luftbilduntersuchun­ gen sollte die Ausdehnung und soweit er­ schließbar die Struktur des Ortes Aitlingen geklärt werden. Aus dem Bereich „Aitlingen“, einem sanft nach Süden ansteigenden Hang östlich des Kauten Täle, ist schon seit längerem ein 82 Münzfund des 13.Jahrhunderts bekannt. Bei den jüngsten Begehungen fanden sich neben Ziegeln, glasierten Fliesen und spätmittel­ alterlicher Geschirrkeramik auch Konzentra­ tionen von Eisenschlacke. Ein klareres Bild ergab sich im Gewann „Stetten“ um die Gaststätte Längehaus an der Abzweigung der Ortszufahrt Ried­ öschingen von der Landstraße 185. Nördlich der Aitrach fanden sich hier am Ausgang des Wassertales mehrere Anhäufungen von zum Teil ortsfremden Bruchsteinen und Ziegeln, die ehemalige Hausstellen markieren. Eine zumindest teilweise aufwendige Ausstattung der Wohngebäude belegen die Funde von Fenstergla und Ofenkacheln des 15. Jh. aus diesen Bereichen. Keramikfunde weisen auf eine Besiedlung im hohen und späten Mit­ telalter hin. Ähnliche Beobachtungen waren im Be­ reich „Unter Stetten“ möglich. Auch hier waren im Wiesengelände in den Hang ein­ gearbeitete Wohnpodien mit Bruchstein­ konzentrationen zu beobachten. Im Gewann „Unter Ried“ ist durch Luft­ bilder eine Niederungsburg sicher zu lokali­ sieren. Die Anlage, eine sogenannte Motte, ist rund, der Durchmesser des äußeren, etwa 4 m breiten Grabens beträgt etwa 100 m. Im Zentrum erhob sich ursprünglich der mit Erde aufgeschüttete Turmhügel mit einem Durchmesser von 30 m. Er war möglicher­ weise von einem weiteren Graben umgeben. Südwestlich ist eine kleine Vorburg ange­ schlossen. Die Burg liegt in der Talaue zwischen Aitrach und dem Homberggraben, einem vermutlich als Gewerbekanal genutztem Zufluß. Die benachbarten Gewanne „Hof­ graben“ und „Herrenwiese“ deuten auf die herrschaftliche Verfügungsgewalt über die­ sen Bereich der Siedlung. Das Areal ist heute Wiesengelände, der Turmhügel ist durch die landwirtschaftliche Nutzung verflacht. Die Motte war vermutlich Sitz der Herren von Aitlingen, die seit 1297 urkundlich faß­ bar sind. Der „burgstall zu Aitlingen“ wird 1473 urkundlich erwähnt. Das Alter der

Anlage reicht jedoch weiter zurück, als Schriftquellen zu erkennen geben. Mit dem Bau von Burgen vom Typ Motte ist in unse­ rem Raum um 1100 zu rechnen. Die Bewohner Riedöschingens haben die Legende von einem Schloß bewahrt, das wohl mit unserer Befestigungsanlage gleich­ gesetzt werden darf: Der Graf dieser Burg sei in eine Fehde verwickelt gewesen und gefan­ gen fortgeführt worden. Bei der Martinskir­ che von Riedöschingen angekommen, habe er den Hut abgenommen und in ihn sein Testament hineingeschrieben: ,,Dir Marti­ nus schenk ich meinen Hut, samt all mein Geld und Gut.“ Dann habe er ihn über die Mauer geworfen und so das Gotteshaus zum Erbe seiner Güter gemacht. Die Sage greift offensichtlich bildhaft die historischen Begebenheiten der Ortsverlage­ rung nach 1499 auf. Fassen wir die Ergebnisse zusammen, zeichnet sich die topographische Situation des Ortes Aitlingen klarer ab als bei den mei­ sten anderen uns bekannten Wüstungen. In verkehrsgünstiger Lage an einer Furt er­ streckte sich die Siedlung über eine Länge von etwa 2,5 km im Aitrachtal. Die locker gestreuten Gebäude verteilten sich in drei Bereichen um die zentrale Ortsburg. Zwi­ schen den überschwemmungsfreien Wohn­ arealen lagen vor allem in der Niederung Wiesengelände und Felder. Die Lage und das Patrozinium der überlieferten Kirche kann nicht bestimmt werden. Die Ursprünge der Siedlung sind im Früh­ mittelalter zu vermuten. Die Motte bestand sicherlich seit dem 11. Jahrhundert. Im hohen Mittelalter erlebte das Dorf nach der Fundverbreitung zu urteilen seine größte Ausbreitung. Ein Niedergang und Bevölke­ rungsschwund ist aufgrund der Urkunden seit der Mitte des 15. Jahrhunderts zu erschließen. Das Ende der Besiedlung kam im Jahr 1499 mit der Zerstörung im Schwei­ zerkrieg. Die Restbevölkerung siedelte nach Riedöschingen über, die früheren Siedlungs­ areale wurden seither von dort wirtschaftlich genutzt. Bertram Jenisch M. A. L i t e r a t u r h i n w e i s e : K. S. Bader: Burg, Dorf, Stadt und Herr­ schaft Blumberg (1950), 22. ders.: Das mittelalterliche Dorf als Frie­ dens- und Rechtsbereich, Weimar 1950, 22. F. L. Baumann: Abgegangene und umbe­ nannte Orte der badischen Baar und der Herrschaft Hewen. Schriften des Vereins f. Gesch. u. Naturgesch. der Baar III, 1880, 51. A. Krieger: Topographisches Wörterbuch des Großherzogtums Baden!; Heidelberg 1903, Sp. 28, 29. A. Schey: Die abgegangene Siedlung Ait­ lingen, in: Die Heimat. Bll. für Baar u. Schwarzwald, 1932, 67 f. ). C. Tesdorpf: Die Wüstungen im Hegau und ihre Bedeutung für die Siedlungsfor­ schung. Hegau 26, 1969, 79-82. Die Mutter Erde Die Mutter Erde, die braunen Krumen, ewiges Werden, immerwährendes Suchen. Alles birgt sie in ihrem Schoß. Es wächst und gedeiht, alles Kleine wird groß. Alles bricht auf, um zu keimen, zu treiben, zu blühen, zu duften, im Wind sich zu neigen, Samen zu bilden, um ewig zu leben, um immer wieder aus der Scholle zu brechen und Früchte zu schenken köstlich und fein. Oh, Mutter Erde – auch ich bin dein. Margot Opp 83

Geschichte Historische Spuren des Klosters St. Peter im Gebiet des Schwarzwald-Baar-Kreises Von freien Bauern und gelehrten Äbten In unserer jubiläumsgesättigten Festkul­ tur gerade des letzten Jahrzehnts war und ist es schwer, auch nur einigermaßen den Über­ blick zu wahren. Wer nicht professionell mit der organisatorischen Vorbereitung und Gestaltung solcher Kalenderereignisse be­ traut ist bzw. als Historiker dazu beiträgt, Institutionen oder Gebietskörperschaften markante Daten „ihrer“ Geschichte in Erin­ nerung zu rufen, hat zumeist auch wenig Anlaß, darüber ins Grübeln zu kommen. Es sei denn, er ist gerade als Bürger eines Jubi­ läumsortes, Politiker oder, bei· Firmenfesten, als Betriebsangehöriger davon unmittelbar betroffen. Ansonsten hält man allenfalls nach gewissen Highlights des Veranstal­ tungskalenders Ausschau, die mitunter über ein ganzes Jahr hinweg die örtliche Szene beleben und längst auf alle nur denkbaren Publikumsinteressen zugeschnitten sind. Freilich setzt die Misere der öffentlichen Haushalte wie auch die schlechte Konjunk­ turlage mit ihrer merklich dämpfenden Wir­ kung auf die Ausgabenbereitschaft der Unternehmen solchen Anstrengungen mitt­ lerweile engere Grenzen – von wenigen renommeeträchtigen Großprojekten einmal abgesehen. In beeindruckender Weise dürfte sich davon abheben, was sich die kleine Schwarz­ waldgemeinde St. Peter 1993 zu ihrer 900- Jahr-Feier geleistet und womit sie zweifellos auch ihren Bekanntheitsgrad über die Gren­ zen der Region hinaus gesteigert hat. Alleine die herrliche Lage auf einer Hochfläche süd­ lich des Kandels und die barocke Pracht der alles überragenden Kirchen-und (ehemali­ gen) Klosteranlage ziehen seit jeher Ferien­ gäste, Tagestouristen und Wanderer an.1993 84 wartete man aber, neben dem üblichen Ensemble von Jubiläumsfeierlichkeiten, mit einer Reihe von hochwertigen Kulturveran­ staltungen auf, die zahlreiche Besucher nicht nur aus dem verwöhnten Freiburg und den Anrainergebieten des Schwarzwaldes an­ lockten. Dazu gehörten eine vielbeachtete wissenschaftliche Vortragsreihe, die zum Teil gänzlich neue Aspekte der Geschichte und Kunstgeschichte des Klosters erschloß, ebenso wie die glänzenden Orgelkonzerte international geschätzter Interpreten oder die -in diesem Rahmen fast schon sensatio­ nell zu nennende -Ausstellung „Das Ver­ mächtnis der Abtei“, der es gelang, für ein­ einhalb Monate (17. 7. – 29. 8.1993) die herrlichen Schätze der 1806 aufgelösten Benediktinerabtei St. Peter wieder an ihrem einstigen Aufbewahrungsort und in ihrem ursprünglichen Wirkungszusammenhang zu präsentieren. Damit ist schon die bestimmende Größe genannt, an der sich zum einen die 900-Jahr­ Feier ausrichtete, in deren Glanz sich zum andern noch heute die kleine Gemeinde son­ nen kann: das Kloster des hl. Petrus, dessen erste Kirche am 1. August 1093 geweiht wor­ den war. Die Klostergeschichte wiederum strahlt nicht nur auf eine Anzahl von Schwarzwaldorten ab, die einst der Grund­ herrschaft des Klosters unterlagen. Diese erstreckte sich auch auf Güter und Rechte im Breisgau, auf der Baar, im Neckargau (im Raum um Weilheim a. d. T.) und in der heu­ tigen Westschweiz. Zugekommen war diese Besitzmasse dem Kloster durch die Familie seiner Gründer, der Herzöge von Zäh ringen, durch deren Verwandte und Vasallen. Ja, die Existenz des Klosters war in dessen früher

Phase auf das Engste mit dem Schicksal der Herzöge von Zähringen verknüpft, eines der mächtigsten Fürstengeschlechter des Rei­ ches, dessen letzter männlicher Angehöriger der Hauptlinie, Berthold V., 1198 sogar die Königskrone angetragen bekam. Doch schon zwanzig Jahre später wurde mit Berthold V. Tod das mächtige Herzogsge­ schlecht zu Grabe getragen. Erst seit dem 18.Jahrhundert begannen sich die Markgra­ fen und späteren Großherzöge von Baden auf jene Vorfahren zu besinnen und sich selbst von den Zähringem abzuleiten. Von dieser Zähringertradition hoffte auch noch einmal St. Peter als zähringisches Haus­ kloster zu profitieren – vergeblich. Im Jahre 1806 erfolgte die Aufhebung des Klosters. Allerdings dient es nun immerhin schon wieder anderthalb Jahrhunderte geistlichen Zwecken, ist doch in den einstigen Kloster­ gebäuden seit 1842 das Priesterseminar der Erzdiözese Freiburg etabliert. Die Bindungen des Klosters St. Peter auch in den Raum des Ostschwarzwaldes und der Baar, also zum Gebiet des heutigen Schwarz­ wald-Baar-Kreises, sind selbst geschichtskun­ digen Einheimischen kaum geläufig, gleich­ wohl sehr beziehungsreich. Das betrifft ein­ mal die Klosterüberlieferung als zentralen Quellenbestand für die mittelalterliche Lan­ desgeschichte des Schwarzwaldes und der westlich wie östlich anstoßenden Regionen. Als Kern dieser Überlieferung ist der soge­ nannte „Rotulus Sanpetrinus“ anzuspre­ chen, eine aus 16 aneinandergenähten Perga­ mentblättem bestehende, gerollte Hand­ schrift. Die Texte wurden von Mönchen des Schwarzwaldklosters etwa von der Mitte des 12. bis ins frühe 13.Jahrhundert verfaßt. Sie halten in abschriftlicher Form bzw. in Aus­ zügen die Liegenschaften und Rechte fest, die dem Kloster seit seiner Gründung ge­ schenkt oder von ihm – im Tauschwege – erworben worden waren. Diese Aufzeich­ nungen verfolgten also eigentlich den Zweck, die klösterlichen Einkünfte und Ansprüche zu dokumentieren. Ihren großen Wert für die Geschichtsforschung erhalten 85

sie dadurch, daß sie eine Vielzahl von Orts­ und besonders Personennamen überliefern, die der hochmittelalterlichen Geschichte unseres Raumes kräftigere Konturen verlei­ hen, vor allem im Hinblick auf das Herr­ schaftsgefüge der Herzöge von Zähringen. In dieses einzuordnen ist die Vielzahl von Schenkern und Zeugen, die uns der „Rotu­ lus“ nennt, unter ihnen eben auch eine ganze Reihe von Personen, die zu den am frühesten bezeugten unseres Kreisgebietes zählen. Das gilt vor allem für die heutige Kreisstadt, näherhin: für die zähringische Stadtgrün­ dung Villingen. Zwar tritt uns das alemanni­ sche Dorf rechts der Brigach in der schrift­ lichen Überlieferung schon für das Jahr 817 in einer Urkunde des Klosters St. Gallen ent­ gegen, und von herausragender Bedeutung für die Geschichte des Ortes ist natürlich die Verleihung des Marktrechtsprivilegs durch Kaiser Otto III. an den Grafen Berthold, in dem wir einen Zähringervorfahren sehen dürfen. Die erste größere Gruppe namentlich be­ kannter Villinger, aber auch von Einwoh­ nern der näheren Umgebung tritt indes erst im „Rotulus Sanpetrinus“ zutage. Aus der Zeit des Zähringerherzogs Berthold III. (1111-1122) etwa haben wir Kenntnis von einem „freien Mann“ (/iber homo) namens Eberhard von Villingen, der dem Petrus­ kloster einen Hof samt Haus und „was auch immer er zu Suntheim besaß“ schenkte; Suntheim war ein im späteren Mittelalter abgegangener Ort auf der Gemarkung des heutigen Donaueschinger Stadtteiles Aufen. Gleichfalls Besitz in Suntheim hatten Herolt und seine Gattin Ocila inne, den sie zusam­ men mit ihrem Villinger Besitz „dem heili­ gen Petrus“ vermachten. Auch hören wir von einem Villinger, der – zwischen 1122 und 1152 – im Breisgau begütert war: Werner von Villingen schenkte damals „für sein Seelen­ heil“, wie ausdrücklich gesagt wird, ein Stück Land in Gundelfingen (nördlich von Frei­ burg) an St. Peter. Er ist möglicherweise iden­ tisch mit einem für 1111/1122 belegten Wer­ ner von Villingen, der über erhebliche Mittel 86 verfügt haben muß, hatte er doch dem Schwarzwaldkloster aus seinem eigenen Ver­ mögen eine Marienkapelle stiften können, die er nachträglich gemeinsam mit seiner Ehefrau weiter ausstattete.Jeden falls gehörte dieser Werner wie auch die vorgenannten und andere hier nicht einzeln aufzuzählende Personen aus Aasen, Bräunlingen, Grünigen, Klengen, Marbach, Neudingen, Pfohren oder Rietheim zu jener ansehnlichen Zahl von freien Bauern auf der Baar, die uns noch für das 12.Jahrhundert durch den „Rotulus“, aber auch durch die Traditionsnotizen des Klosters St. Georgen bekannt sind. Mit gutem Grund hat man ihr Vorhandensein mit dem Gerichtsort Aasen, einem Graf­ schaftssitz, in Verbindung gebracht. Dem kleinen Ort, 1972 nach Donaueschingen ein­ gemeindet, kam in der bewegten Epoche des Investiturstreites als regionales Zentrum der Zähringerherrschaft eine wichtige Rolle zu. Diese Rolle wird in einem neuen Buch zur Ortsgeschichte näher beleuchtet, das im Zusammenwirken von Fachleuten und enga­ gierten Einheimischen um Ortsvorsteher Otto Maus entstand und dessen Erscheinen zu Weihnachten 1993 geplant ist. Nicht nur materiell haben Menschen aus unserem Kreisgebiet einst zum Wohlerge­ hen des Klosters St. Peter beigetragen. Schon unter den Mönchen des 12. Jahrhunderts fin­ det sich mit Sicherheit ein Baaremer, der sich entschloß, hinter den Klostermauern ein gottgefälliges, dienstbares Leben zu führen: Bicco von Allmendshofen, der mit seinem Klostereintritt zugleich sein Gut am Hoch­ first einbrachte. Er war der Erste einer ganzen Reihe von Konventualen aus der Gegend zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb, die den Personenbestand des Klosters in seiner über siebenhundertjährigen Geschichte sichern halfen. Aus diesen ragen gleich meh­ rere gebürtige Villinger heraus, die es zum höchsten Klosteramt brachten. Sie verdie­ nen in diesem Zusammenhang eine Würdi­ gung, handelt es sich doch durchgängig um Persönlichkeiten, mit denen sich wichtige Vorgänge im Kloster verbinden.

Werner von Villingen stattet zusammen mit seiner Gemahlin die von ihm errichtete Marienkapelle des Klosters St. Peter aus (llJI/Il22). Außer der Stiftung des Werner (verzeichnet zu Beginn der unteren Seitenhälfte in leicht verblaßter Schrift) hälL diese Seite aus dem „Rotulus Sanpetrinus“ eine Reihe weiterer Schenkungen von Leuten aus Villingen und Umgebung an das Schwarzwaldkloster fest. Drei Zeilen über der Werner-Notiz wird auch ein Gut des Klosters zu Schwenningen eniJähnt (Bad. GLA Karlsruhe 14/lb). 87

Daß wir über die Frühphase St. Peters überhaupt in einigen Grundzügen Bescheid wissen, verdanken wir, neben den erwähnten Notizen des „Rotulus“, den Aufzeichnun­ gen des aus Villingen stammenden Abtes Petrus (111.) Gremmelspach, der 1496 zu die­ ser Würde erwählt wurde. Unter seiner Ägide schloß man auch den Wiederaufbau der über ein halbes Jahrhundert zuvor niederge­ brannten Klosterkirche ab. Seinem Kloster sicherte er in Freiburg ein Grundstück, auf dem man später den klostereigenen Wirt­ schaftshof in der vorderösterreichischen Hauptstadt errichtete, den sogenannten „Peterhof“. Dessen barockes Hauptgebäude ist heute in die Universität integriert. Für das religiöse Volksbrauchtum des mittleren Schwarzwaldes setzte Gremmelspachs Ab­ batiat einen bedeutsamen Akzent: Auf seine Veranlassung hielten seit 1509 Benediktiner­ mönche von St. Peter in der Muttergottes­ kapelle auf dem Lindenberg an Marienfesten den Gottesdienst ab, womit die bis heute anhaltende Wallfahrt auf den Höhenzug südlich von St. Peter anheben konnte. Mit einem im äußersten Westen des heutigen Schwarzwald-Baar-Kreises gelegenen Ort, der noch zur Herrschaft des Klosters St. Peter zählte, verknüpft sich eine besondere Erinnerung an Abt Gremmelspach. Die Gemeinde Neukirch, ein Stadtteil von Furt­ wangen, hatte den Abt gebeten, ihr zur Gewährleistung einer dauerhaften und regel­ mäßigen Seelsorge einen Geistlichen zu schicken. 1502 entsprach Gremmelspach dieser Bitte und entsandte einen Mönch von St. Peter, der sich in Neukirch niederließ und in seinen Pfarraufgaben auch das nahe Wal­ dau mitversah. Bei dieser Gelegenheit wurde festge tellt, daß „die kürch zu Newkilch alß ein filial und dochter der pfarr zue St. Petern sambt der ca pell zu Waldaw dem alles mitel in handen und verwaltnuß stehet Petters abbten und seines convents deß gottshauß St. Peters“. Hier in Neukirch sollte übrigen im 18. Jahrhundert durch die Förderung des Klosters St. Peter die Herstellung hölzerner Uhren in Blüte stehen. 88 Johannes (IX.) Held stieg 1612 zur Abts­ würde in St. Peter auf und hat sich hier als Reorganisator der klösterlichen Disziplin einen Namen gemacht. Doch fiel in die Amtszeit des gebürtigen Villingers auch ein düsteres Ereignis, das den Schwarzwaldbau­ ern der Umgebung jahrhundertelang im Gedächtnis haften blieb – und wohl auch haften sollte. Denn 1613 wurde unter der Regierung des Abtes Held der Neukircher Bauernknecht Martin Heitzmann, der als ,,Wagensteiger Bauernleutnant“ eine Ver­ schwörung gegen die Herrschaft angezettelt hatte, enthauptet. In jenem Jahr, in dem der Bauernführer Heitzmann unter dem Henkersbeil starb, wurde zu Bräunlingen Placidus Rösch gebo­ ren, der 1659 das Amt des Abtes von St. Peter übernahm. Aus der Regierungszeit des Abtes Rös h, der sich als kirchlicher Schriftsteller ebenso rege betätigte wie als „Manager“ der Klosterökonomie, sticht ein Ereignis heraus, das dem Stiftergedenken im Kloster maßgeb­ liche neue Impul e verliehen haben dürfte: 1659 ließ Rösch die Zähringergräber in der Klosterkirche öffnen und untersuchen. Röschs Nachfolger als Abt des Petrus­ klosters wurde 1670 der gerade erst 29 Jahre alte Villinger Paulus Pastor, der über die mei­ ste Zeit seines bis 1699 währenden Abbatia­ tes hinweg das Kloster durch harte Kriegszei­ ten und Katastrophen zu steuern hatte. Zer­ störungen durch marodierende französische Soldaten, ein Großbrand der Klosterge­ bäude und wiederholte Evakuierungen des Konvents waren zu bewältigen. Es grenzt an ein Wunder, daß der leidgeplagte Abt ausge­ rechnet in jenen Jahren noch die Energie zu weitreichenden wirtschaftlichen Unterneh­ mungen zugunsten seines Klosters fand. Allerdings kam es damals auch zu heftigen KonAikten mit klösterlichen Untertanen, die ohnehin unter erdrückenden Kriegs­ lasten zu leiden hatten. 1694 strengten die Gemeinden Rohr, Oberibental und Esch­ bach sogar bei der vorderösterreichischen Regierung einen Prozeß gegen die klöster­ liche Herrschaft an. Auch von dieser Seite

her mag man ermessen, was es hieß, wenn man Abt Pastor, der sich auch nicht scheute, klösterliche Lehensvögte abzusetzen, ein ,,unerschrockenes Gemüt“ nachsagte. Die Reihe der „Baaremer“ Äbte des Klo­ sters St. Peter beschloß überaus wirkungsvoll der Villinger Ulrich Bürgi (1719-1739). Seine zwanzigjährige Regierungszeit erscheint vor allem durch bedeutende Bauvorhaben ge­ prägt. An erster Stelle ist hier natürlich auf den Neubau der Klosterkirche zu verweisen, deren imposante Silhouette noch heute das weithin sichtbare Wahrzeichen des Dorfes bildet. Mit der Ausführung des Baus betraute Abt Bürgi den berühmten Vorarlberger Barockbaumeister Peter Thumb. 1727 konnte die neue Kirche geweiht werden und wurde in den folgenden Jahrzehnten mit zum Teil prunkvollen, andererseits aber auch volks­ tümlichen Kunstwerken ausgestattet. Von besonderem Interesse sind die sich auf die Klostergründer, also die Zähringer, bezie­ henden Bildwerke, Plastiken und Monu­ mente. Von der Hand Joseph Anton Feucht­ mayers stammen die unter Abt Bürgi in Auf­ trag gegebenen Stifterbildnisse (1728-31) an den Wandpfeilern des Kirchenlanghauses – also an jener Stelle, wo sich in anderen Kirchen (wie z.B. auch im Freiburger Mün­ ster) üblicherweise die Apostelbilder befin­ den! Grundlegend neugestaltet wurde unter Abt Bürgi auch die Dorfanlage, in der sich bereits das heutige Ortsbild im Kernbereich spiegelt. In diesen Maßnahmen, aber auch in seinen Repräsentations- und Hofhaltungs­ gewohnheiten gibt sich Abt Bürgi als selbst­ bewußter barocker Kirchenfürst zu erken­ nen. Das stand seinem geistlichen Auftrag durchaus nicht im Wege. Und auch als Geschichtsschreiber seiner Abtei hat sich Ulrich Bürgi hervorgetan. Zu nennen ist hier sein schon 1718 noch unter Abt Höß fertigge­ stelltes „Rete documentorum“, eine histori­ sche Quellensammlung, die uns in zwei handschriftlichen Fassungen vorliegt. Sogar gedruckt wurde das angeblich auch von ihm konzipierte Werk „Festum Cathedrae S. Pe- tri“ (Rottweil 1731), dessen Hauptteil sich besonders der Weihe der neuen Kloster­ kirche im Jahre 1727 annimmt. Dieses Fest hatte immerhin volle acht Tage gedauert! Kurzum: Überblicken wir diese viel­ schichtigen, oft eher untergündigen Bezie­ hungen des Schwarzwaldklosters St. Peter zu unserem Raum, so erweisen sie sich bei näherem Zusehen als recht eindrucksvoll. Sie unterstreichen ein weiteres Mal, welch‘ bedeutsames Ferment die geistlichen Zen­ tren gerade im regional so stark zersplitterten deutschen Südwesten in kultur-, aber auch wirtschaftsgeschichtlicher Hinsicht darstell- ten. Dr. Volkhard Huth Nichts geht ganz verloren Bannkreis aus verbrannter Träume Asche um das letzte Gartenland gezogen – Doch es kümmert Wind des Aschenstaubes Botschaft nicht, die in den Augen brennt. Er pflückt die Samen aus dem Kreis für morgen übermorgen neue Aschen. Eingekreist von der verbrannten Träume Asche, wird dir Trost: Nur das, was dich entflammte, kann verbrennen. Selbst als Asche geht nichts ganz verloren. Sieh, wie schön die Brennesseln und Disteln blühen – Jürgen Henckell 89

Das Notgeld im Gebiet des heutigen Schwarzwald-Baar-Kreises in den Jahren 1922 und 1923 Schon bald nach dem Notgeldverbot, das die bunten Kleingeld cheine beseitigte, mußte der Staat den Druck von Notgeldaus­ gaben zu 100, 250, 500 und 1000 Mark zulas­ sen, die bis zum Ende des Jahres 1922 wieder durch Drucke der Reichsbank ersetzt und eingezogen wurden. Nur die Stadt Furtwangen gab als einzige Stadt im Landkreis am 12. Oktober 1922 drei Nominale über 100, 250 und 500 Mark her- Im Almanach 1993, Seite 169 wurde angekündigt, daß das Notgeld-Thema wegen des umfangreichen Materials in zwei Beiträgen dargestellt wird. Im dies;rihrigen Almanach folgt der zweite Abschnill. aus. Der Schein von 100 Mark ist ein relativ einfacher Druck mit leerer Rückseite. Die Rückseite des 250 Mark Scheines zeigt eine Schwarzwaldlandschaft mit Uhrenträger und Strohflechterin. Die Uhr am oberen Rand der Umrandung zeigt 10 vor zwölf. Möglicherweise eine Interpretation des Künstlers! Der Schein über 500 Mark prä­ sentiert wieder den oft vorkommenden Uhrenverkäufer. i– e11,rit••• •••, –i § � ‚ ‚ • • • • • • • … … • • • .. • • • • • • • • a & !– e11,r1i,111 lb11 –J! 90

Schon im Frühjahr 1923 reichten die Noten der Reichsdruckerei und der von ihr beauf­ tragten 133 Vertragsdruckereien nicht mehr aus, um den Geldbedarf zu decken. Zu den hohen Werten der staatlichen Ausgaben trat erneut Notgeld, zunächst beginnend mit 5000 und 1m 10.000 Mark, sich Laufe des Jahres der galoppierenden Infla­ tion immer höher steigernd von Hundert­ tausenden über Millionen, Milliarden bis zu den Billionen. Der Verfall und damit die Entwertung der Deutschen Reichsmark kam mit Riesen­ schritten. Januar Januar Januar Januar Januar Juli September Oktober November 1919 1920 1921 1922 1923 1923 1923 1923 1923 1 Dollar 1 Dollar 1 Dollar 1 Dollar 1 Dollar 1 Dollar 1 Dollar 1 Dollar 1 Dollar 9,- Mark 65,- Mark 77,- Mark 192,- Mark 17.800,- Mark 350.000,- Mark 100.000.000,- Mark (100 Millionen) 25.000.000.000,- Mark (25 Milliarden) 4.200.000.000.000,- Mark Auf dem Höhepunkt der Inflation mußte man für einen einzigen amerikanischen Dollar die astrono­ mische Summe von 4 Billionen und 200 Milliarden Mark bezahlen. (1 Dollar reichte aus, um einen 4wöchigen Urlaub an einem bayerischen See zu finanzieren!!) Neben den schon eiwähnten Städten gaben nun auch noch die Städte Hüfingen und Vöhrenbach Inflationsgeld aus. Auch Firmen und Unternehmungen erhielten gegen Sicherheit ihres Geschäftsvermögens die Erlaubnis, privates Inflationsgeld auszu­ geben. Von nachstehenden Firmen bzw. Unter­ nehmungen ist die Ausgabe von Notgeld bekannt und liegen auch Exemplare vor. Obwohl die Ausgabe von Notgeld jeweils in der örtlichen Presse bekannt gegeben wurde, sind nicht von allen Ankündigungen Ausga­ ben bekannt. Oftmals wurden die Scheine auch nicht gedruckt wie angekündigt oder auch nicht mehr ausgegeben. Bräunlingen Kreditkasse G. m. u. H. Donaueschingen Fürstlich Fürstenbergische Kammer Bad. Landwirtschaftsbank, Filiale Donaueschingen Furtwangen Bad. Uhrenfabrik A. G. B. Ketterer Söhne S. Siedle u. Söhne, Telegrafenwerke Uhrenfabrik vorm. L. Furtwängler Söhne A. G. Hüfingen Fa. Boswau und Knauer A. G. Villingen Industrie- und Handelskammer (gemeinsam mit Freiburg, Konstanz, Lahr, Schopfheim) Kienzle Uhrenfabriken AG, Werk Villingen Messingwerke Schwarzwald A. G. Gebr. Oberle, Backofenfabrik Schwarzwälder-Apparate-Bau-Anstalt, August Sehwehr Söhne Elektrizitäts- und Gaswerk Villingen 91

Gemeinsam mit den Ausgaben von 1922 haben die Ausgaben der Hochinflation 1923 das große Format. Die hohen Inflationszah­ len ließen unbewußt bei jedem das Gefühl entstehen, es handle sich um einen hohen Betrag, und so gaben die Stadtverwaltungen ihren Scheinen überwiegend ein großes For­ mat, obwohl die Scheine, in Goldmark umgerechnet, be tenfalls nur ein paar Mark wert waren. In der drucktechnischen Ausführung steht die Gruppe 1923 hinter den anderen Gruppen zurück. Der Druck mußte schnell geschehen, oft von einem Tag zum anderen, ja über Nacht. Man begnügte sich oft mit einfachem Buchdruck ohne Unterdrucke. Schöne künstlerische Bilder finden wir wenig. Auch primitive Scheine, die mit der Schreibmaschine geschrieben und dann hektographiert wurden, sind darunter. Ver­ fallene Scheine von 1918, die noch in den Verwaltungen lagerten, wurden neu datiert und mit neuen Werten überdruckt wieder ausgegeben. Die Tabelle auf Seite 92 gibt eine recht genaue Übersicht über die Preisbewegung der wichtigsten Lebensmittel und Bedarfs­ artikel. Auch eine typische Gehaltsentwick­ lung ist von großem Interesse. Der größte bei uns im Kreis herausgege­ bene Schein ist das Nominal 1 Billion der Stadt Vöhrenbach. Noch am 10. Novem­ ber, 10 Tage vor dem Ende der Inflation, wurde dieser Schein ausgegeben. Die Rück­ seite des Scheins zeigt ein Foto des Vöhren­ bacher Rathauses und ist außerdem mit zwei Hebelversen verziert. Nach dem 20. Novem­ ber konnte das Notgeld gegen die neue Ren­ tenmark umgetauscht werden. Für eine Bil­ lion (1.000.000.000.000,-) bekam man eine einzige Rentenmark. Nur das Einwechseln hoher Werte lohnte sich. So ist es verständ­ lich, daß diese sehr selten sind, während arm­ selige Millionenscheine noch in Mengen zu finden sind. Kurz vor der Stabilisierung der Währung erfolgte eine neue Ausgabe von Geld, dem sog. wertbeständigen Notgeld. Man wollte 93

damit dem Mißtrauen der Bevölkerung ge­ genüber dem Papiergeld begegnen. Der überwiegende Teil dieses Notgelde lautet auf Goldmark oder Dollar, oder aber auch auf beides. Die Fürstlich Fürstenbergische Kammer gab am 1923 17. November Gehaltsgutscheine über 4,20 M Gold = 1 Dollar aus. Es ist dies das einzig bisher bekannte wertbeständige Notgeld unseres Kreise . Aus der Zeit der Hochinflation sollen wenigstens einige Scheine abgebildet wer­ den. Die gesamten 23er Scheine würden den Rahmen des Almanachs sprengen. So hat beispielsweise die Stadt Donaueschingen 14 Au gaben und Furtwangen 18 Ausgaben. 50 Milliardenschein der Stadt Donaueschingen. Auf der Rückseite ist das Rathaus abgebi/del. 1 Million, Firmengeld der Fa. Siedle, A. G. Die Rückseite ist unbedrucla. Dieser Gu tsch ein über 1000000 � wird bis zum 29. August 1923 bei der Rheinischen Creditbank, Niederlassung Furt,mr.gt’n oder bei der städt. Sparkasse Furt- wangen zur Gutschrift angenommen. S.Siedfe&..Söhne l’urtwaogen, 14. August 1923. Telcfon·u.Tefeorn�cn.we·’· Po A‘..““:1-G�: i• IJ;]’i 94 �����

0431 lw1ei,11u1d rt 11W rd 1 1 zahlt die Stadtkasse Hüfl(lgen, die ‚vol�sbank der B“aar In Hüfingen und die Bezirkssparkasse Donau�sdhingen dem EinH1 e�er dieses Notgeldscheines. Der Zeitpunkt der ÜrJ8ültig�eI d,es�el�e.n wird in de beiden Donau­ eschlnger Tage�zeitungen öffe11tlich bekannt _gegeben. HOflngen, den 31. O�tober 19?3. 200 Milliardenschein der Stadt Hüfingen. Die Rückseite ziert ein bekannter Stich aus dem Jahre 1682. In Hüfingen hatte man trotz allem noch Humor, wie die letzte Zeile beweist: Daß Gott erbarm man nennt mich Geld, Wie steht doch aef dem Kopf die Welt. 95

50 Milliardenschein der Stadt Furtwangen. Die Rückseite isl unbedruckl. GUTSCHEIN Ober Filnlhunderf· fau.endlllark GUU, far dm Gcldttrkcbr innerhalb der $tedt st. Gco,am ba. lO. Oldober HW. blt ,u welchem T„ der Qutact,do bd der Stedtbl,e ,ur Elndehun1 und ElnlO.un, YOnu.letm tat. – Nach dem JO. Oktober tm wtrd Zehlun1 nicht mehr tddltel. Der GemelnderaJ: 500.000 Mark Notgeld der Stadt St. Georgen. Die Rückseite ist unbedruckl. 96

S>rfp1.ln,-.,S>rfrein. � utWrrf 3Jl!Hlliar�:en � lI!lark fdrnlilrl ilir .SldhJrmrinil, l!rrihrr9 il�m ,Jn�al,zr ilirfro .Sdzutarrtz,inra. ll!rr ,Jlrilpunkl ilrr �,i1n1a�lu“!J miril ülfmllidz J,,�annl gra,� mrrilm. «!“rih.rrg, �rn 15. @klnhrr J9l!!. �tT Eii•t..tini’lrral: ,J. :B. – 100 Milliarden Mark Schuldschein der Stadt Triberg. Die Rückseite ist unbedruckt. 500.000 Mark Gutschein der Stadt Villingen, dem man es sehr deutlich ansieht, wie schnell die Ausgabe von Geld nötig war. Er wurde von Hand geschrieben, hektographiert und von dem damaligen Bürger­ meister Lehmann und dem Rechnungsamtsleiter }eggi unterschrieben. 9lr. 1. Stadtgem12i.nde Ui.Uingen/. §utschei.rv .f �.500000. ;-f.fu!fhun&rtlausena-�r über g‘ [ A.u,.,qe,n, �a-nhuv/e.f� ,p�u.v �a.-t � ..vnv � � !lf�J!wnv??U/� vo-n/,,ifet,. ��e,� �_.._, ‚4-evt-��· t?’�ji“4’V,,,la,d �- �.,U,U,�UJ““���,WV��eA-V Nn4.W’V., �:4-t./�7, � �!IM. ����· -‚—–�-!a.1-$� 97

!Uus Stal»t unl) ßanb. :,ur madentwertung. �nflllge ber d)ronifd), igemoribenen Wlarf „(tntmertung önbert fid) ber m3ert ber �aren, am 6tanbe i)er �a.pier= mart gered)net, uon l:ag 3u Xiag. i)ie ‚folg,etllbe fur3e %a“ helle ·�Jibt ein d)arafteriftif(fJes �m:i uon bem ungcl)euren [ntmertungspro3ef3, �en :bie Wlarf innerf)atb 3el)n �af)ren burdJgemad}t ,IJat. ID1.an erlJi·eH in 1)e,utf d)fonb fü r je 1 000 IDla r f nm 10. �u[i 1923: 1 2fn�gstnopf 1 ‚.Dut}enb 6d)�IJnäge1 1 mierteUiter m?Hcb 5 @rn.mm mofif)a.ar 1 miertemter 6dymad)bi�t 1 rr. molle fdJlccf}ten ff,aben 4 billige .8,igarctten. am 10. �ufi 1923: 1 ‚billiges �inbcrf piel3.0ug 1 Ueine .f)ol3fif t� 1 �odJföM�l 1 �ogen �actpapier % �funb ·Stirfd;:en. 2fus bMn 9leidy.;banfbireftorium am 10. �u[i 1913: 10 2fn3üg.e nacfJ ID1af3 100 �aar 6d;tu�e 2 StfrlJe 1 ffiennpferb 10 .f)ettoHter �i?in 8 mäqmaf dJ,inen 400 .f)avanna=Sigarren am 10. �uli 1913: 1 211,;usautomnbW 1 2uiusvilla 1J elegante �rei3immer= 2f usf tathmig 1 ·Jroaen $erf ertewfrfJ 1 groaen Dbf tgarten (·) lliClingen, 26. �un. ffür eine gleid) grof3e 6umme er�iert man Was man für diesen hohen Wert bekam, verdeutlicht die Gegenüberstellung aus dem ,,Villinger Volksblatt“ vom 26.Juli 1923. Kurze Zeit später war der Schein vom 27.Juli schon wieder Makulatur, und der 98 Druck der Notenpresse mit noch höheren Werten ging weiter. Von Hand gefertigte Bürodrucke konnten nicht schnell genug beschafft werden in der benötigten Menge und so mußte wieder der Buchdruck her.

‚.Durd) mefentltd)e (fr�öl)ung be!! �r3eugerpreifes unb burcf;J bte g(eld;,3elttge Steigerung ber Untoften foftet 1 i!lter lJoUmUdJ tn ber Seit oom 6. bfe elnfd}l. 12. 2luguft (721 • • 18 000 m. im i!aben abge’1olt am t;u’1�werk beaogen 18 400 m. ‚1lild)3entrale �ißingen. 11 Millionen! 3immers �agle idJ für ble �ef orgung eines möblierten ln beff erem j}11uf e. an bas „!ß. !ß.“ er�ten. �n·Jebote unt.er �r.1207 Dieser 500 Milliardenschein war das letzte von der Stadtverwaltung herausgege­ bene Notgeld vor dem Ende der Inflation. Sehr aufschlußreich war die vorste­ hende Anzeige vom Samstag, den 4. August 1923. Der Milchpreis konnte nur für eine Woche festgesetzt werden. Auch die Wohnungsnot war groß. Schon damals gab es Prämien für die Vermittlung von Wohnraum. Alles schon mal dagewe­ sen! 99

Was man für Brot und Mehl am 22. September 1923 in Villin­ gen berappen mußte, ist aus die­ ser Anzeige aus dem Villinger Volksblatt ersichtlich. Manch ein Bürger tat gut daran, beim Groß­ einkauf das Geld in der „Chaise“ mitzunehmen. Das Elektrizitäts- und Gaswerk Villingen sorgte sich außeror­ dentlich um seine Abnehmer, wie man aus der Anzeige vom 22. 9.1923 ersehen kann. Der wohl eindrucksvollste Schein von der Optik her ist der farbenprächtige Schein der Fa. Gebr. Oberle, Backofenfabrik, Villingen. Aus einem Firmenbriefbogen machte man in der Eile Notgeld und bat im Villinger Volksblatt vom 10. Oktober 1923 die Ge- schäftswelt, davon Kenntnis zu nehmen. Alte Villinger wissen sicherlich noch, daß die Firma beim heutigen Kanonengäßle ihren Sitz hatte. Die heutige Fa. Winkler – ein Schwiegersohn Oberles war der Gründer – hat ihren Sitz im Stadtbezirk Villingen. Pläne und flnrkt’ltung ganz.er Oäc.kef’elen. �(/� tJa/,01″“1Utud/, J’uma ·z//. / 1/(1 yul,. ,&uln1r �,., 10 •. QJrtoborJll’23. PfOBlHCIM iiQO 60t.D/f,fl)A1Uf.. GuUlcheln Uber 2 Mlllla.rden Mark (zwei Hllllarden Mark) Dieser Gutschein wird dem Besitzer Jederzeit, spätestens jedoch bis 20. Oktober dieses Jahres bei der IQdffutacllle11 Dlacollto-Clea•Nacllaft, A.·G., Vlllbl„11 oder bei der VIIH,…, .. 111&, G. m. t>., H., VIHl1t„ft in •arg••• elngelöst. 101

Wie bereits eiwähnt, beteiligte sich auch die Villinger Bank, Vorgängerin der heutigen Volksbank, an der Geldherstellung. Fünf ver- schiedene We’rte wurden ausgegeben, von denen der Millionenschein schnell mit dem Wert Milliarde rot überdruckt wurde. roooooomooooooo100ÖÖÖOÖÖOÖOOMO;;koooooooooooeoooooog i t 0000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000, oOO EINE !1/LLION !1ARf zahlen wir, die Reithsbank11ebenstelle Villingen. Rheüzisthe Creditbank, Filiale Triberg, Rheinisthe Creditbank, Niederlassung Villingen, Sflddeulsdte Disko11to-Oesellsd1aft A.-0 .• Filiale Villingen, Badisthe Lm1dwirtsd1aftsba11!, e. 0. m. b. H., Filiale Villingen, Villinger Bank e. 0. m. b. H.. Villi11ge11 und die Sparkasse der Stadt Villingen, dem Einlieferer dieses Villingen, den 14. August 1923 Gutscheins im Verredmungswege. Outsdiein Nr. Sch. wälder Apparate-Bau-Anstalt ugus��dt�er Söhne VJ(��� I 102

Auch bei der Fa. SABA und den Messing­ werken Schwarzwald wurden mehrere No­ minale ausgegeben. Die alphabetisch Letzte im Bund der Städte und Gemeinden, die 1923 Notgeld ausgab, war die Stadt Vöhrenbach, die nicht weniger als neun verschiedene Scheine zwi­ schen dem 14. August und dem 10. Novem- ber ausgab. Alle Scheine waren sehr sorgfäl­ tig von der uns schon bekannten Furtwanger Druckerei Andreas Uttenweiler hergestellt. Nur bei einem Nominal hatte man es eilig. Es fehlte zwischen den Werten 1, 10 und 50 Milliarden ein Schein zu 20 Milliarden, der dann mit der Schreibmaschine geschrieben und hektographiert wurde. 103

Die meisten Scheine wurden von Bürger­ meister Kraut und teilweise überdies noch vom „Rathschreiber“ Faller gültig unter­ schrieben. Alle Großgeldscheine zierte auf der Rück­ seite mit Stolz die Linachtalsperre „Erste deutsche aufgelöste Eisenbetonsperre“. Diese Betrachtung über Geld und Not, unter besonderer Beachtung des Notgeldes der Städte, Gemeinden und Firmen unseres engeren Heimatgebietes, weckt sicherlich bei vielen älteren Mitbürgern schreckliche Erinnerungen. Bei vielen anderen kann mög­ licherweise auch ein Nachdenken erfolgen. Der abgebildete Milliardenschein von Vöhrenbach ist mit allegorischen Darstel­ lungen in Medaillons verziert. Mit den auf­ gedruckten Goetheworten soll dieser Beitrag enden. Feiger Gedanken Bängliches Schwanken Weibisches Zagen Ängstliches Klagen Wendet Kein Elend Macht Dich Nicht Frei Allen Gewalten Zum Trutz Sich Erhalten Nimmer Sich Beugen, Kraftvoll Sich Zeigen Rufet Die Arme Der Götter Herbei. Hermann Binder Zeitung in Villingen: 1848-1933 Sie fehlt einem am Sonntag, man ärgert sich, wenn sie morgens mal später kommt, und es gibt nichts Alteres, als wenn sie von gestern ist: die Tageszeitung. In Villingen begann das Zeitungswesen zeitgleich mit der Revolution von 1848. Buchdrucker Ferdinand Förderer wurde zum ersten Verleger in der Zähringerstadt, worauf er 11 Jahre warten mußte, nachdem laut Ministerialbeschluß vom 25. August 1837 das Unternehmen einer Zeitung „an einem Orte wie Villingen in keiner Rücksicht not­ wendig und rätlich erscheint“. Auf die ersten Versammlungen der revo­ lutionären Bewegung in Süddeutschland Ende Februar 1848 in Mannheim blieb es im Amtsbezirk Villingen die Tage darauf noch ruhig, doch schon am Sonntag, dem 5. März, schwappte von Konstanz und Engen die demokratische Idee nach Villingen. Der praktische Arzt Karl Hoffmann, 34 Jahre alt und seit 1839 in Villingen tätig, wurde zum Nestor des politischen Treibens. Seit 1843 war er im kleinen Ausschuß der Stadt und agierte seitdem „politisch“. Wie in Mann­ heim, wo das Volk seine Forderungen in Petitionen formulierte, stand auch auf Rang zwei der Villinger Ansprüche die „unbe- dingte Pressefreiheit“, und davor noch die Forderung nach Volksbewaffnung. Zu einem ersten Erfolg kam es, als die badische Regierung die Pressefreiheit gemäß Gesetz von 1831 wieder in Kraft setzte. Das war auch ein Signal für Villingen – die Stadt erhielt ihre Druckerei, in der auch die erste Villinger Zeitung des Ferdinand Förderer gedruckt wurde. Die Eröffnung von Verlag und Druckerei-Werkstatt feierte man mit einem Erinnerungsblatt als erste Ausgabe der Zeitung: ,,Der Schwarzwälder“ vom 28. März 1848. Auf eine zweite Villinger Volksversamm­ lung vom 14. März folgte schließlich auch die Wahl für einen örtlichen Volksausschuß. Ihm gehörte auch Ferdinand Förderer an, der sich in jenen Tagen noch als Buchhändler bezeichnete; er hatte nämlich über eine Druckerei in Rottweil noch vor seinem Wir­ ken in Villingen zahlreiche Broschüren zu Tagesfragen herausgebracht, so auch „Des Badischen Volkes materielle Bedürfnisse und Wünsche“. Beruf beharrlich versagt! Wie schwer diese „neue Pressefreiheit“ errungen war, kann man den Worten ent- 105

1 :. t … �:·· �. �·· �I …. nehmen, die Förderer in den Tagen darauf in sein Blatt setzen ließ: ,,Es ist traurig, aber nur zu wahr, daß es im dritten Dezenium des 19. Jahrhunderts im Großherzogtum Baden eine Regierung gegeben (hat), die einem unbescholtenen Mann beharrlich die Exi­ stenz versagte und denselben durch elfJahre an der Ausübung seines erlernten Berufes hinderte.“ Ferdinand Förderer war der 1814 geborene Sohn des Villinger Bürgers und Katen­ knechts Mathias Förderer; er gründete 1876 die Villinger Altertümersammlung, schrieb umfangreiche Aufzeichnungen und ver­ wahrte in verdienstvoller Weise Alt-Villinger Traditionsgut (Paul Revellio, 1964). Villin­ gen hatte eine allererste Druckerei in seinen Mauern, die um 1596 einem Egidius Reitter zugeordnet wird; ein kleines Brevier von Digasser „Ein geistliches Zeughaus“ ent­ stammt seiner Presse, die im damaligen ,,Freudestädtle“, der heutigen Turmgasse, gestanden haben soll. Doch erst mit Ferdi- 106 nand Förderer kam es zu gedruckten Nach­ richten für Villingen, deren Bürger zuvor allenfalls auswärtige Exemplare mit der Post­ kutsche herbeigebracht bekamen, auch wenn diese dann schon Tage und Wochen alt gewesen sein dürften … Von 1837 an versuchte Förderer immer wieder, eine Konzession für eine Buchdruck­ Offizin in Villingen zu bekommen, was ihm jedoch in der Zeit des niedergehenden Abso­ lutismus‘ und des aufkeimenden Liberalis­ mus‘ abschlägig beschieden wurde. Förderer blieb beharrlich, schrieb Eingaben und machte Gesuche, und bezog schließlich „mit größten Opfern an Zeit, Geld und Miseren aller Art“ den fertig gedruckten „Schwarzwäl­ der“ von der Druckerei Uhl & Co in Rott­ weil: Ausgabe vom 25. Oktober 1839 -erste Nummer. Die amtlichen Stellen, vielleicht auch zermürbt von den dauernden Petitio­ nen dieses Ferdinand Förderer, erteilten ihm dann 1847 doch eine Genehmigung mit allen Vorbehalten und KJauseln für Villingen.

Deutscher Hoffnungstag Obwohl die Villinger den „Republika­ nern“ nicht Tür und Tor öffneten, war der „Schwarzwälder“ des Verlegers Förderer den Behörden zu liberal. Wohl auch deshalb, weil Artikel aus den Konstanzer „Seeblät­ tern“ abgedruckt wurden und weil Förderers Blatt immer wieder auch zum „Kampfblatt“ politischer Agitation wurde. Sein Redakteur ,EBLR‘ machte dies zum Jahreswechsel 1848/49 in einem herausfordernden Gedicht deutlich. Da hieß es u. a.: „In eine sternlos wüste Winternacht ward deutscher Freiheit Hoffnungstag verwandelt, dem Heiland gleich ward sie verhöhnt, verlacht, gegeiselt und gekreuzigt und verhandelt.“ Als schließlich auch noch Karl Hoff­ mann, der Arzt, als Beteiligter im folgenden Aprilaufstand angeklagt wurde und Förderer zwei Extrablätter für Hoffmanns Rechtferti­ gung drud.1:e, war das Ende des „Schwarz­ wälder“ abzusehen. Förderers Zeitung wurde die Ausgabe vom 14.Juli 1849 zum Verhäng­ nis, in der er wohl auch zum Widerstand ge­ gen die preußischen Truppen Stellung be­ zog, die gegen Baden und die Revolutionäre marschierten, was der Stadt Villingen für mehrere Wochen auch die Besetzung mit den Soldaten des Frankfurter Linien-Batail­ lons brachte … So hatte der badische Freiheitskampf ein tragisches Ende gefunden und dem „Schwarzwälder“ des Ferdinand Förderer ein Verbot beschert, das bis 1856 dauern sollte. Zuchthaus für Revolutionäre Mit bedrohlicher Artillerie preußischer Truppen auf dem Bickeberg hatte man den Widerstand der „Pöbelherrschaft“ im zwei­ ten Jahr der badischen Revolution auch in Villingen gebrochen. Dies setzte auch dem Villinger Buchhändler Ferdinand Förderer ein erstes Ende für dessen Zeitung „Der Schwarzwälder“, für deren Erscheinen er über ein Jahrzehnt gekämpft hatte. Das „Villinger Wochenblatt“ sollte ab Juli 1849 Ersatz bieten – Redaktion und Zensur standen unter Verantwortung des Gemein­ derates und des wieder eingesetzten Bürger­ meisters Stern. Es folgten zahlreiche Verhaf­ tungen und Prozesse gegen die Revolutio­ näre, zu denen man auch Ferdinand För­ derer und den „Revolutionsbürgermeister“ Johann Schleicher zählte, der sich dem Urteil von drei Jahren Zuchthaus durch seine Flucht über die Schweiz nach Amerika entzog … Im Verlauf der Jahre bis 1856 las man in Villingen dann schließlich die neusten Nachrichten aus Stadt und Land in einem sogenannten „Landboten“, der von Kon­ stanz aus verbreitet wurde. Förderers „Schwarzwälder“ konnte im Februar 1856 wieder erscheinen – die Ver­ hältnisse in Baden hatten sich wieder stabili­ siert und Förderer kam aus Furtwangen zurück, ,,wo er sich bei Verwandten hinter dem Ofen versteckt“ haben soll (Albert Fischer). Als das Villinger Blatt gar zum „amtlichen Verkündigungsblatt“ erklärt wurde (16. 11. 1858), war dies sogar Anlaß für eine kleine Feier im Gasthaus „Zum Schwert“ (im Volks­ mund „de Sebel“), in dessen Räumen auch der Gewerbeverein mit seinen 240 Mitglie­ dern sein Lokal hatte. Im dortigen Lesezimmer lagen nicht nur 25 Zeitschriften parat – sowohl unterhalten­ den und politischen Inhalts -, es war wohl auch die größte Bibliothek in der Stadt ver­ fügbar: 1000 Bände waren dem Verein eigen. Politisch auffälliges Blatt Konkurrenz sollte wohl das Zeitungsge­ schäft auch in Villingen beleben, und so gründeten die „Ultra-Montanen“ den „An­ zeiger für den Schwarzwald und Baar“. Die Leitung lag in den Händen eines Domänen­ rates und die Druckerei gehörte einem Litho­ graphen mit Namen Eisele. Auffällig poli­ tisch wurde das Blatt durch einen Artikel über ein schwebendes Untersuchungsver­ fahren gegen den Bistumsverweser Kübel – 107

stützung angesehener Bürger der Stadt grün­ det er eine zweite Zeitung für Villingen: das „Villinger Volksblatt“ soll Abonnenten und Leser bringen … Als 1893 in der Gerberstraße die alte Schaffnei und das Armenhaus abbrennen, zieht Frick in den Neubau ein. Es war die Zeit ,,des alle Volksschichten aufwühlenden Kul­ turkampfes“ (H. A. Neugart). Als Organ der ,,Zentrumspartei“ war das neue Blatt von An­ fang an Gegenstück zum supra-nationallibe­ ralen „Schwarzwälder“. Der versäumte nicht, mit schneidigen Attacken gegen die neue Konkurrenz loszu­ ziehen – in der Schärfe waren zu Wahlzeiten Hieb und Gegenhieb aus den Redaktionen kaum noch zu steigern. Mit drei Ausgaben pro Woche entwik­ kelte sich das „Villinger Volksblatt“ überra­ schend gut, was auch der Zentrumspartei eine größere Gefolgschaft brachte. Nicht Verlagsort des „ Villinger Volksbfalles“ in der Gerberstraße die Beschlagnahme folgte. Acht Tage später war die Untersuchung eingestellt. Kurze Zeit darauf war auch der Verlag des „Anzeiger“ wirtschaftlich am Ende. Neue Impulse setzte 1872 Förderers Schriftsetzer Adolf Brettschneider. Er grün­ dete einen Konsumverein und übernahm zwei Jahre später die Druckerei des Lithogra­ phen Eisele. Hierauf reagierte auch Ferdinand Förde­ rer – er übergibt am 1. Oktober 1874 den Verlag des Schwarzwälder“ an den Buch­ druckfachmann Linsemann, einen gebürti­ gen Rottweiler. Dieser verlegt den Druckerei­ standort von der Färber- in die Gerberstraße und dort in das Haus des Bildhauers Um­ menhofer, der auch als langjähriger Felsen­ wirt bekannt ist. Linsemann investiert in die Anschaffung eines „einpferdigen Gas­ motors“ und eine Johannesberger Schnell­ presse. Doch Linsemann stirbt mit 37 bereits drei Jahre später, worauf ein Hauptlehrer namens Otto Bertsche aus Rietheim sich in diesem Metier versucht. Er kommt jedoch nicht zurecht, auch nicht der Redakteur Josef Herbst. Drei Monate später verkauft Bertsche an den Buchbinder und Schreibwa­ renhändler Carl Görlacher, der für die Re­ daktion den Hauptlehrer a. D. Gerbis enga­ giert. Görlacher hatte seine Buchbinderei zu­ nächst am Marktplatz, wo sich später die Metzgerei Heinemann und in den SOer Jah­ ren die Eisdiele von Mario Zampolli um die Kundschaft bemühte. Von seinem zweiten Standort im Erdgeschoß der „Blume-Post“ verlegte er das Geschäft schließlich vor das Bickentor, der späteren Klischee-Anstalt von Meyle und Müller. Aufwühlender Kulturkampf Obwohl Brettschneider sich mit Kompa­ gnon Binder einläßt, geht das Geschäft ein und wird von Buchdrucker Otto Frick über­ nommen. Vom Hinterhaus des Anwesens Rote-Bäcker (später Korbwarengeschäft Bauer in der Rietstraße) verlegt Frick die Druckerei in die Färberstraße. Mit Unter- 108

zuletzt deshalb gewann man auch im Gemeinderat alsbald die Mehrheit. Für die Nachfolge des Landtagsabgeord­ neten Carl Otto unterlag die Partei zwar mit dem Kandidaten Benjamin Grüninger noch dem amtierenden Bürgermeister Heinrich Osiander, doch schon drei Jahre später (1887) hatte man mit dem Villinger Glocken­ gießer den ersten Abgeordneten im Badi­ schen Landtag. Intellektueller Widerstand Verleger Otto Frick in der Gerberstraße konnte zwar bis 1902 seine Zeitung ständig ausbauen, doch wegen gesundheitlicher Schwäche verkaufte er 1902 sein Unterneh­ men an Hermann Müller aus Pfullendorf. Dieser hatte bereits verlegerische Erfahrung bei der Zentrums-Partei der „Furtwanger Nachrichten“ gesammelt, die als Gazette von ihm gegründet worden war. Müller stellte vom Handsatz auf Maschi­ nensatz um und war damit in der Lage, das Blatt für Villingen und Umgebung täglich erscheinen zu lassen – das erste Journal die­ ser Art im gesamten Amtsbezirk. Es folgte eine Ausgabe für Triberg, mit der man die Anfange des von Frick gegründeten „Triber­ ger Bote“ fortsetzte. Hermann Müller starb im Jahre 1919, wonach sich seine Witwe der Aufgabe stellte, das „Villinger Volksblatt“ weiterzuführen. Über ihre Redaktion versuchte sie zwar noch einige Zeit den intellektuellen Widerstand gegen die „Gleichschaltung der nationalso­ zialistischen Presse“, doch gab man schließ­ lich auf. Auch der zu Anfang des Jahrhunderts gegründete Verlag von Spannagel & Todt – mit Sitz in der Rietstraße (später Autohaus Mauch, heute Markthalle) und später in der vorderen Waldstraße – konnte sich nach 1903 mit dem „Generalanzeiger“ nur kurz behaupten. Die unternehmerischen Interes­ sen am eigenen Zeitungsverlag wurden wenige Jahre später aufgegeben. Anstelle aller bisherigen Lokalblätter hatte das „Schwarzwälder Tagblatt“ die par- Hennann und Anna Müller bei der Hochzeit teibestimmte Information und Propaganda im Sinne der NSdAP übernommen … Wolfgang Bräun (nach Lorenz Honold, Paul Revellio, Her­ mann Alexander Neugart, Albert Fischer) Abendfeier 0, es wird so stumm und still In des Hauses Hallen. Spürst du, wie es nachten will? Aveglocken schallen. Komm, wir beten, liebes Kind – Goldne Sterne grüßen – Bis die Liebesträume lind Unsre Augen schließen! Josef AJbickert 109

,,Deutsch denken, deutsch schreiben“ Das „Donaueschinger Tagblatt“ auf dem Weg in den nationalzozialistischen Staat. „Wir leben in einer turbulenten Zeit. Das merkt so langsam auch die Schlafmütze im finstersten Winkel des Schwarzwaldes, die noch glaubt, ohne Zeitung und ihre eingehende Lektüre auch des politischen und wirtschaftlichen Teils auskommen zu können. Wer es nicht liest, hört es von anderen, die von den Zeitereignissen irgendwie in Mitleidenschaft gezogen werden. Und wer verspürte die politisch­ wirtschaftlichen Überraschungen der Zeit nicht an sich selber?“ Diese Zeilen schrieb vor über 60 Jahren, am 11. Juli 1931, der Redakteur Anton E. Rehse im Donaueschinger Tagblatt. Da Ende der Weimarer Republik am Vorabend des nationalsozialistischen Staates war geprägt von der autoritären Machtausübung der Staatsorgane und einer schweren Wirt­ schaftskrise. Wahlkämpfe und Volksent­ scheide waren von Gewalt auf der Straße begleitet. Den Umbruch der Verhältnisse und den aggressiven Stil in der publizisti­ schen und ideologischen Auseinanderset­ zung spürte auch der Redakteur des Donau­ eschinger Tagblattes. In den Monaten und Jahren vor der nationalsozialistischen Machtübernahme nahm er den Meinungs­ kampf mit der NSDAP und der NS-Presse in der Baar auf. Das DonaueschingerTagblatt befand sich seit 1921 im Besitz der Druck- und Verlags­ gesellschaft Donaueschingen. Die Inflation hatte den Vorbesitzer Willibald gezwungen, das traditionsreiche Blatt aufzugeben. Donaueschinger Bürger und andere Freunde des Blattes gründeten aber eine Gesellschaft, die das Blatt weiterführte. Anton E. Rehse schreibt 1929 in der Jubiläumsausgabe zum 150jährigen Bestehen des Donaueschinger Tagblattes: „Heute erscheint das Blatt mit Ausnahme montags sechsseitig, an Samstagen acht- 110 Anton Rehse. Zeichnung von Maler Karl Merz, 1930 bis zwölfseitig. Es bedient sich heute des modernsten Nachrichtenmittels, des Radios, und hat durch Aufnahme eines Bilderdienstes seinen Inhalt auch nach dieser Seite bereichert und modernisiert.“ „Toni“ Rehse, wie ihn seine Freunde nannten, hatte im Jahre 1921 die Schriftlei­ tung des Donaueschinger Tagblattes über­ nommen. Der ehemalige Offizier und Kadettenerzieher zeichnete als alleiniger Redakteur verantwortlich für den Inhalt des Blattes. ,,Ein-Mann-Redaktionen“ wie diese waren in der Weimarer Presselandschaft noch häufig anzutreffen. Das DonaueschingerTagblatt stand in der Weimarer Republik auf Seite der Liberalen und Demokraten. Mit dem Übergang der national-liberalen Partei in Baden zur Deutsch-Demokratischen Partei hatte sich

die Zeitung die Grundsätze dieser neuen Par­ tei zu eigen gemacht. Zu den Gesellschaf­ tern, die sich an der Zeitung finanziell betei­ ligten, zählte auch Reichsfinanzminister und DDP-Abgeordneter Hermann Dietrich (zu letzterem vgl. Almanach 91, Seite 111 ff.). Das Donaueschinger Tagblatt galt seither als Sprachrohr des Reichsministers und wurde angeblich sogar im Reichstag gelesen. Hermann Dietrich hatte seinen Heimat­ wahlkreis in Baden, und häufig machte er sich von Berlin aus auf die Reise nach Karls­ ruhe oder nach seinem im Schwarzwald gele­ genen Pachtgut Wildgutach. Das Donau­ eschinger Tagblatt orientierte sich offen an der politischen Gesinnung des Parteiführers und folgte ihm auch beim Übergang zur Deutschen Staatspartei. Die Gründung der Deutschen Staatspartei kommentierte Toni Rehse am 30.Juli 1930 mit der Überschrift ,,Wir machen mit!“. ,,Demokratische“ Politiker oder Redak­ teure der Weimarer Republik waren nicht weniger „national“ eingestellt als andere Zeitgenossen. Wenn es darum ging, die Interessen des Vaterlandes zu wahren, dann hieß auch für den „Demokraten“ Toni Rehse das oberste Gebot, ,,deutsch denken und schreiben“. Nichts kann den Redakteur des Donau­ eschinger Tagblattes daher mehr beleidigen, als wenn ihm der politische Gegner die „nationale Gesinnung“ und als ehemaligen Offizier gar den „heldenmütigen“ Einsatz an der Front abspricht. Am 23.Juli 1932 setzt er sich in einem Nachtrag zum Lokal­ teil vehement gegen Angriffe auf seine Person zur Wehr: „Wir weisen es daher mit Entrüstung zurück, unsere nationale Gesinnung in Zweifel zu ziehen, wie es das Schwarzwäl­ der Tagblatt zu tun beliebt. … Sollten dem Schriftleiter des Schwarzwälder Tag­ blattes unsere schriftlichen Argumente über unsere nationale Einstellung nicht genügen, so steht es ihm frei, jederzeit auf unserer Redaktion mündlich vorzuspre­ chen. Daß wir dem Herrn dann die 112 gebührende Antwort und die Beweisfüh­ rung für unsere Teilnahme am Weltkrieg und für unsere nationale Gesinnung nicht schuldig bleiben werden, darauf kann er Gift nehmen.“ Der Schriftleiter des Schwarzwälder Tag­ blattes wird dieser zweifelhaften Einladung vermutlich eher nicht gefolgt sein. dem Zwischen bürgerlich-liberalen DonaueschingerTagblatt und dem Schwarz­ wälder Tagblatt aus Furtwangen mußte es unweigerlich zu einem Konflikt kommen, als die Nationalsozialisten begannen, das nationale Motiv für ihre „Bewegung“ in Anspruch zu nehmen. Das Schwarzwälder Tagblatt in Furtwan­ gen gehörte zu jenen ehemals bürgerlichen Zeitungen, die zum Nationalsozialismus hinüberwechselten und sich auch ausdrück­ lich dazu bekannten. Toni Rehse ist dieser Gesinnungswandel, der sich bereits 1931 abzuzeichnen begann, nicht entgangen. Der Redakteur des Donaueschinger Tagblattes ließ sich leichtfertig auf einen Stellvertreter­ Konflikt mit dem nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten E.Jenke über des­ sen sozialdemokratische Vergangenheit ein. Das Schwarzwälder Tagblatt greift diese Aus­ einandersetzung auf. Toni Rehse sieht sich jedenfalls am 2. September 1932 genötigt, gerichtliche Schritte gegen den verantwortli­ chen Schriftleiter Hermann Leitz anzukün­ digen. Bereits drei Tage später veröffentlicht das Donaueschinger Tagblatt Auszüge einer einstweiligen Verfügung des Amtsgerichts Donaueschingen: ,,Das Schwarzwälder Tagblatt in Furtwan­ gen hat in seiner Ausgabe Nr. 188 einen Artikel veröffentlicht mit der Überschrift ,Die rote Fahne von Donaueschingen‘ und in Fortsetzung dieses Artikels einen Brief des Reichstagsabgeordneten und Oberpostsekretärs E. Jenke aufgenom­ men, der schwere Beleidigungen des nachgenannten Klägers, Schriftleiters Rehse, Donaueschingen, enthält.“ Eine Durchsuchung des Druckereibetrie­ bes ergibt, daß der Schriftleiter des Schwarz-

Anton E. Rehse mit Frau Maria, Mai 1980 wälder Tagblattes 4000 Exemplare einer ,,Schmähschrift“ gegen Toni Rehse „zur Ver­ teilung hatte herstellen lassen“. Das Amtsge­ richt Donaueschingen ordnet die Beschlag­ nahme der Flugblätter durch den Gerichts­ vollzieher an. Im Februar/März 1932 reicht Toni Rehse erneut eine Beleidigungsklage gegen den Schriftleiter des Schwarzwälder Tagblattes ein. Offenbar war für ihn der Punkt erreicht, an dem er keine Möglichkeit mehr sah, sich mit journalistischen Mitteln gegen die natio­ nalsozialistischen Angriffe zu wehren, was er seiner Leserschaft am 29. Februar 1932 mit­ teilt: „Das Schwarzwälder Tagblatt scheint begriffen zu haben, daß die Langmut des Donaueschinger Tagblattes über die Arro­ ganz und die Tonart des nationalsozia­ listischen Schwarzwälder Tagblatts zu Ende ist. Der Artikel ist ein Beweis dafür, daß unsere Hiebe saßen und die schwa- chen Stellen der Politik und Methoden des nationalsozialistischen Blattes getrof­ fen haben. Da aber das Schwarzwälder Tagblatt sachlich und überzeugend nichts dagegen vorbringen kann, so wird es wie schon so oft persönlich belei­ digend.“ Wenige Tage vor den Reichstagswahlen macht das Donaueschinger Tagblatt am 27.Juli 1932 den Wortlaut einer einstweili­ gen Verfügung des Amtsgerichts Donau­ eschingen bekannt. Darin wird der Buch­ druckerei Wilhelm Kirchberg in Furtwangen und ihrem verantwortlichen Redakteur Hermann Leitz untersagt, die folgenden Behauptungen zu verbreiten: „Das Donaueschinger Tagblatt bekenne sich zu der roten Front des Mördergesin­ dels und Untermenschentums. Deshalb könne und dürfe kein deutsches, christli­ ches Haus im Schwarzwald und Baar ein derartiges Blatt mehr unterstützen.“ 113

Ohne erkennbaren Grund bricht die öffentliche Auseinandersetzung der beiden Blätter nach den Reichstagswahlen vom 31.Juli 1932 plötzlich ab. Spätestens nach der Reichstagswahl am 5. März 1933, die den Titel einer „freien“ Wahl ohnehin nicht mehr verdient, gibt das Blatt seine äußerst ablehnende Haltung gegenüber den Natio­ nalsozialisten endgültig auf. Toni Rehse berichtet am 8. Mai 1933 über einen „Presseempfang bei Ministerpräsident Köhler“, der offensichtlich der Dienstbar­ machung der bürgerlichen Presse in Baden für das „Werk“ der nationalsozialistischen Regierung diente. Im Leitartikel vom 13. Mai wird die Anpassung an die neuen Machtver­ hältnisse deutlich. Bewußt oder unbewußt spricht Toni Rehse hier von der „Presse im nationalen Staat“ als einer „gleichgeschalte­ ten“ Presse. Die Redaktion des Donau­ eschinger Tagblatts erklärt am 24.Juni 1933 der erstaunten Leserschaft: „Der selbstverständlichen Pflicht, sich hinter die neue Regierung zu stellen, am deutschen Wiederaufbau mitzuhelfen Eine geschichtliche Betrachtung Will man, dem Trend der Zeit folgend, das Alter des Dorfes ausloten, dann endet die geschichtliche Tiefe bei den Herzögen von Zähringen, die auch an der Wiege der Stadt Villingen Pate standen. Sie sollen hier ein Schloß besessen haben, in dem Berthold II., gestorben 1111, ,,eine sehr zahlreiche Ver­ sammlung der schwäbischen Edlen hielt“. Mit seiner Benennung taucht der Ort ur­ kundlich erstmals 1269 auf, und zwar in einer Siegellegende „obr.ezza“. Der Name „Esch­ ach“, die Schreibweise wechselt in den Ur­ kunden des Mittelalters immer wieder, bezeichnet ganz allgemein die Lage einer Siedlung im Bereich eines fließenden Was­ sers (,,ach“). ,.Esch“ leitet sich von dem mit- 114 Obereschach – Ein Dorf im Wandel und alles zu tun, was der neuen Regierung ihre Arbeit fördern und die Vertrauens­ basis vertiefen hilft, ist das Donaueschin­ ger Tagblatt voll und ganz gerecht gewor­ den.“ Anfang Oktober 1933 ist die redaktionelle ,,Gleichschaltung“ des Donaueschinger Tag­ blattes vollzogen. Zu diesem Zeitpunkt ver­ läßtToni Rehse das Blatt. Der Verlag und die neue Redaktion stellen sich am 30. Septem­ ber in einer Mitteilung „voll und ganz“ hin­ ter die nationalsozialistische Regierung. Oliver Kopitzke Für ihre .freundliche Hi!fe möchte ich an dieser Stelle danken: Familie Sallle,� Freiburg/Donau­ eschingen, Edith Wo!ff, Archivar Georg Goerlipp vom FF Archiv und Bibliothekarin Gisela Holz­ hüter von der FF Hofbibliothek, beide Donau­ eschingen, Herrn Archivar Schlomski vom Stadt­ archiv Donaueschingen, Kreisarchivar Dr.Joa­ chim Sturm vom Kreisarchiv Schwarzwald­ Baar sowie Prof. Dr. Hans Bohrmann vom Institut für Zeitungsforschung, Dortmund. tel hochdeutschen Wort „Asche“, ,,Äsche“ ab und meint einen Flußfisch. Dorf und Kirche belegt eine Urkunde von 1275 (ecclesia Ober­ aschach). Die heutige Dorfkirche wurde 1821 fertiggestellt, nachdem die alte Kirche, die an derselben Stelle gestanden sei wie die heu­ tige, kurz zuvor wegen Baufalligkeit abgeris­ sen worden war. Das oben erwähnte „Schloß“ ist mit ,,Burg“ zu übersetzen. Sie lag „bi der kil­ chen“, anscheinend unmittelbar westlich davon. Bei der vor Jahren erfolgten Verbrei­ terung der unterhalb südlich vorbeiführen­ den Straße seien Mauerteile zum Vorschein gekommen. Die begründet zu vermutende Stelle ist heute noch eine Wiese, bestanden

mit einzelnen Obstbäumen (1). Vor 177 Jah­ ren ist die Rede davon, daß als Spuren noch tiefe kellerartige Gewölbe vorhanden seien, die „bisher noch nicht genau untersucht worden sind“. Über einen frühen Burgherrn ist nichts zu erfahren. Wahrscheinlich hat es ihn als Vertreter des Grund- bzw. Dorfherrn einmal gegeben, vielleicht als zähringischen Dienstmann. Als 1386 die Burg erstmals urkundlich erwähnt wird, ist das Bewußtsein an einen sehr frühen Besitzer bereits soweit abhanden gekommen, daß sein Name nicht auftaucht. Damals wird sie bereits als Burg­ stall (burgstal), d. h. Burgstelle, bezeichnet. Darunter ist zu verstehen, daß eine ehema­ lige Burg entweder nur noch als Ruine oder überhaupt nicht mehr vorhanden ist. In der Urkunde geht es nur mehr um den reinen Grundbesitz, um eine Liegenschaft mit ihrem Zubehör wie Wiesen, Wald, Felder, Rechte u. a. Zwei ritterliche Brüder aus dem Württembergischen und vier Bürgerliche aus Villingen, Hüfingen und Wolfach ver­ kaufen als Erbengemeinschaft diesen Besitz am 1. Mai 1386 an die Johanniter-Kom­ mende zu Villingen, vertreten durch deren Komtur Graf „Friderichen von Zolr“. Graf Heinrich zu Fürstenberg hatte 1257 noch in der Eigenschaft als de-facto-Stadt­ herr von Villingen die dem Ritterstand ange­ hörigen Mitglieder dieses halb weltlichen, halb religiösen Ordens in die Stadt gerufen, wo sie eine Kommende errichteten. Diese Johanniter, sie heißen heute Malteser, wur­ den im Dorf Obereschach schon 1315 in einer Urkunde genannt, in der ein Grund­ stückstausch vereinbart wird. Am 25. Februar 1354 verkaufen die Ge­ brüder Seng, Villinger Bürger, dem Johanni­ ter-Orden in Villingen zwei Höfe „mit allen rehten und nutzen, mit dem kilchensatz der kilchen ze Oberäscha, mit widmen, mit gro­ ßem zehenden und mit deinen, mit aker mit wisen mit holtz mit veld … „. Diese Rechts- 115

bündelung aus der Urkunde verrät die Son­ derstellung dieses Besitzes gegenüber der Dorfgemeinde oder dem Dorf als rechtli­ chem Gebilde. Der „kilchensatz“ (Kirchen­ satz) bedeutet das Patronat über die Kirche, d. h. die Mitsprache bei der kirchlichen Stel­ lenbesetzung (Präsentationsrecht), aber auch das Eigentum des Patronatsherren an der Kirche, deren Vermögen und den daraus fal­ lenden Nutzungen und Lasten, zu denen inhaltlich das sogenannte Widum gehört. Dieses wird räumlich faßbar im Widum-Hof als einem landwirtschaftlichen Anwesen zur Versorgung des Pfarrers, der damit gleich­ zeitig eine wichtige Aufgabe in der Sozial­ fürsorge des Mittelalters und der Neuzeit für Arme, Kranke, Alte, Bettler, Landstrei­ cher, fahrendes Volk und Rechtlose über­ nimmt. Dieses Widum-Gut läßt sich noch identifizieren. Es ist als späteres johanni­ tisches Lehen der heutige Jockebuer-Hof oberhalb des Hanges zur Eschach südöst­ lich der Kirche mit Blick auf die Dorf­ mitte (2). Das Dorf als siedlungsgeschichtliche Ein­ heit ist im Mittelalter, bis hinein ins 19.Jahr­ hundert, nicht mit der Gebietskörperschaft heutiger kommunaler Selbstverwaltungen zu verwechseln. Zwar gibt es die Gemeinde mit einer eigenen Rechtssphäre, die sich nachgeordnet aber mehr auf genossenschaft­ liche Anliegen, Nachbarrecht, gewisse Zu­ ständigkeit bei internen Streitigkeiten u. a. beschränkt. Den sogenannten Zwing und Bann, das sind die Befehls- und Strafgewalt, Gebot und Verbot sowie die Niedergerichts­ barkeit und damit die Dorfherrschaft, übt allerdings der Dorfherr (Adel, Kloster, Kir­ che oder Stadtbürger) aus. Die Bewohner des Dorfes sind seine Untertanen. Dorfherr in Obereschach ist im 14. Jahrhundert zunächst der Landgraf von Fürstenberg. Dieser hatte dann das Dorf Walther dem Lächler von Villingen zu Lehen gegeben. Als dieser 1390 in den Johanniter- Orden zu Villingen ein­ tritt, schenkt er mit Zustimmung des Lehens­ herren, GrafHeinrich von Fürstenberg, dem Ordenshaus „sein“ Dorf als Lehen. Drei 116 Wochen später, am 20. Mai 1390, gibt der Fürstenberger auf Wunsch seines Oheims, Graf „Frydrich von Zollre“, des Komturs der Villinger Kommende, dem Orden das Dorf „zu eigen“, d. h., er schenkte es ihm. Seit 1390 sind damit die Johanniter die Dorfherren und bleiben es für mindestens 413 Jahre. Dorfherr heißt nicht auch alleiniger Grundherr, der Eigentümer einer oder meh­ rerer Hofstätten mit Zubehör ist. Das Land wird von einem Grundherren regelmäßig als Lehen ausgegeben. Sehr oft sind es Personen, die leiblich und dinglich abhängig sind. Freie Bauern sind die Minderheit. Grundher­ ren in Obereschach waren z.B. die Klöster St. Georgen, St. Blasien, Berau bei Walds­ hut, Bürger aus Rottweil und Villingen, das Münster zu Villingen u. a. Die reich begüter­ ten Johanniter sind zwar die Dorfherren und besitzen auch die meisten ausgegebenen Lehen, aber dennoch ist der Grundherr mit dem größten Besitz das Kloster St. Georgen, von dessen vier Lehen sich die repräsentable Hofstatt des sogenannten Harzer-Hofs in­ mitten des Dorfes als Schmuckstück erhal­ ten hat (3). Das seit wenigen Jahren umgebaute Haus besitzt als Kern einen Vorgängerbau, der nach 1633 erbaut worden sein mußte. Am 24. April 1633, also während des 30jährigen Krieges, berichtet nämlich der Benediktiner­ abt Georg II. Michael zu Villingen in seinem Tagebuch, württembergische Reiter aus Rottweil hätten an diesem Morgen 14 Häuser im Dorf angezündet, darunter auch den Hof seines Klosters. 1803, mit Beginn der Gebietsveränderun­ gen und Überführung von Kirchengut in die weltliche Hand, läuft die Dorfherrschaft der Johanniter aus. Als Ausfluß der Rheinbund­ akte kam Obereschach, wie die Stadt Villin­ gen, 1806 an das von Napoleons Gnaden geschaffene Großherzogtum Baden. Zehn Jahre später, 1816, nennt eine Statistik 81 Häuser und 498 Seelen. Rund 30 Jahre später, 1847, werden 573 katholische Ein­ wohner in 90 Familien aufgeführt. Die Zahl der Häuser beträgt diesmal 85.

1971 wurde mit Wirkung zum 1. 12. mit der Stadt Villingen im Rahmen der Gemein­ dereform ein Eingliederungsvertrag ge­ schlossen. Vier Wochen später, am 1.1. 1972, kam durch die Fusion mit Schwenningen die neue Stadt Villingen-Schwenningen zustan­ de, in der Obereschach Ortsteil ist. 1971 zählte der Ort 1044 Einwohner, davon sind aufgrund der Bevölkerungsverschiebung nach dem Zweiten Weltkrieg noch rund 980 katholisch, die Zahl der Häuser betrug 206. Der allgemeine Strukturwandel des Dorfes beschert dem Ort im Jahre 1992 1650 Einwohner. Die Zahl der Häuser beträgt nach der intensiven Bautätigkeit der letzten 20 Jahre heute 366. Noch bis zum Zweiten Weltkrieg sind bis auf eine evangelische Familie alle anderen katholisch. Im Jahre 1993 gibt es in der Gemeinde 1100 katholische, rd. 450 evan­ gelische und 100 nicht näher bestimmte Personen. Werner Huger Qu e l l e n: Historisch-statistisch-topographisches Lex.icon von dem Großherzogtum Baden, herausgegeben von ). B. Kolb, 3. Band, S. 4 und 5, Karlsruhe 1816: Obereschach. Werner Huger, Obereschach – einst ein Dorf der Johanniter-Kommende zu Vil­ lingen, Jahresheft VIII 1983/84 des Ge­ schichts- und Heimatvereins Villingen, S. 30 ff. Topographisches Wörterbuch des Groß­ herzogtums Baden, Herausgeber: Badi­ sche Historische Kommission, bearbeitet von Albert Krieger, 1. Band, Heidelberg 1905, Spalte 534, ferner Georg Tumbült, Die Eigenkirchen der ehemaligen Fürstenbergischen Landgraf­ schaft Baar, Donaueschingen, 1941, S. 2 f. Universal-Lexikon vom Großherzogthum Baden, 2. Ausgabe, Karlsruhe 1847. Die Angaben ab 1971 stammen aus münd­ licher Auskunft der Ortsverwaltung Ober­ eschach, Herr Ratschreiber Schütz. „Die Eschach von Graneckh biß an Horgemer Bruckhenn“ Anmerkungen zu einem überflüssigen Streit um den Verlauf von Eschach und Fischbach Von Zeit zu Zeit wiederholt sich an ver­ schiedenen Orten unseres Landes das Ge­ plänkel um die „wahre“ �eile eines Flusses oder die „wahre“ Benennung eines Flußver­ laufs. Ein ganz unnötiger Zwist, der nur dadurch zustande kommt, daß Geographen (Hydrographen, Geologen) in ihrem Bedürf­ nis nach methodisch konsequenter Klassifi­ kation den uralten, historisch gewachsenen Bezeichnungen zu Leibe rücken, um sie der eigenen Fachsystematik einzupassen. Es wäre besser, sie ließen davon ab. Denn mögen sie auch noch hundertmal nachwei­ sen können, daß nach den im Fachbereich Geographie (Geologie etc.) gültigen Defini­ tionen eine Sache so und so zu benennen sei: sie können den Beweis nur systemimma­ nent, d. h. innerhalb des Definitionssystems ihrer eigenen Fachdisziplin führen; die in jahrhundertealten Urkunden nachweisbaren anderslautenden Aussagen und Benennun­ gen schaffen sie dadurch nicht aus der Welt. Nicht nur der historischen Donauquelle im Schloßpark zu Donaueschingen werden da gelegentlich die alten Rechte streitig gemacht, auch der sogenannten badischen Eschach will man zuweilen am Zeug flicken, indem man behauptet, sie münde bei der ehemaligen Niedereschacher Mühle in den Fischbach (so z.B. Martin Schmidt: Erläute­ rungen zu geolog. Spezialkarte von Würt­ temberg, Blatt Rottweil, 2. Aufl. 1930, S. 6; 117

ebenso Topograph. Atlas des Großherzog­ tums Baden 1:25.000, Karlsruhe 1875-1886, Blatt 102). Das Gegenteil ist richtig. Folgende Ur­ kundenauszüge mögen es belegen: Am 21. November 1560 schlichten die Schweizerische Eidgenossenschaft und Her­ zog Christoph von Württemberg als Schiedsrichter einen Streit zwischen der Stadt Rottweil und den Gebrüdern Anton und Hans Jakob Ifflinger von Granegg um die Fischrechte in den Flüssen Eschach, Fischbach und Schlierbach. Dort wird unter anderem bestimmt, ,,daß der bach, die Teuff genandt [heute: Teufenbach], biß in die Eschach hinfür wie bisher .. . ein frey wasser . .. bleiben soll“ (Original im Stadtarchiv Rottweil, 2. Archiv, 1. Abt., Lade 40, Fasz. 3, Nr. 3). Der Teufenbach mündet also in die Eschach und nicht in den Fischbach. Am 7. September 1598 verkauft der Frei­ herr Hans Jörg Ifflinger von und zu Granegg seinen Adelssitz Granegg/Friedegg samt dem Dorf Niedereschach an die Reichsstadt Rottweil, darunter auch „das Vischwasser genant die Vischbach von Graneckh hinauff geen Vischbach dem Dorff … , Item (= ebenso) die Eschach von Graneckh biß an Die „badische Eschach“ (1) vereinigt sich mit der „ wiirllembergischen“ Eschach (2) vor der Horgener Brücke (3) zur Eschach (4). Der Fischbach (5) mündet bei der ehemaligen Niedereschacher Mühle (6) nahe der ehemaligen Burg Granegg (7) in die „badische“ Eschach, weiter abwärts auch der Tetefimbach (8).,, Von Graneckh biß an Horgemer Bmckhenn “ßief?t den historischen Qpellen zufolge nicht, wie hier im Topographischen Atlas des Großherzog/ums Baden 1875-1886 auf Blall 102 angegeben, der Fisch­ bach, sondern die „badische“ Eschach. 118

Horgemer Bruckhenn“ (Original im Haupt­ staatsarchiv Stuttgart, B 203, Urk.1301). Zwi­ schen der ehemaligen Burg Granegg und Horgen fließt also die Eschach und nicht der Fischbach. In dem am 6. April 1756 aufgestellten Ver­ mögensinventar des verstorbenen Freiherrn Marquard Joseph von Beroldingen, Herrn von Granegg/Friedegg und Niedereschach, ist unter den Fischwassern wiederum „die Eschach von Graneck biß unter die horge­ mer Bruck“ genannt (Original im Haupt­ staatsarchiv Stuttgart, B 580, Bü 114). Die hier immer wieder genannte, 1281 erstmals nachweisbare Burg Granegg lag am nördlichen Ortsausgang des Dorfes Nieder­ eschach beim Zusammenfluß von Eschach und Fischbach; Reste sind heute noch zu erkennen, das Haus Fischbacher Straße 12 steht teilweise auf der dem Fischbach zuge­ wandten Burgmauer. Mag es auch aus geographischer oder geo­ logischer Sicht vertretbar sein, zu meinen, das Eschach-Stück zwischen der Nieder­ eschacher Mühle und der Horgener Brücke sei dem Fischbach zuzurechnen: in histori­ schen Texten findet das, so will mir scheinen, keine Bestätigung. In Horgen vereinigen sich die „badische“ und die „württembergische“ Eschach zu einem Fluß, dessen Oberläufe sie sind und den man von da an (Ironie der Geschichte!) mit einem Schmunzeln gut und gerne „baden-württembergisch“ nennen kann, ja mehr noch: ,,uraltbadenwürttembergisch“. Über die beiden Oberläufe der Eschach gibt es durchaus einiges zu spekulieren. Die Tatsache, daß den Ifflinger-Gebrüdern 1560 die Fischrechte in beiden Eschachen, einer­ seits bis Dunningen und andererseits bis Kappel, zustehen, ruft unwillkürlich die Zeit des 11. und beginnenden 12. Jahrhunderts in Erinnerung, wo in den bekannten Urkunden noch nicht von „Niedereschach“, sondern stets nur von den Herren von „Eschach“ die Rede ist. Könnte das besagen, daß ihre Herr­ schaft einmal beide Eschachtäler umfaßte? Dr. Manfred Reinartz Verleugnetes Menetekel Am Abend täuschten Wolkenmassive über den Höhen des Schwarzwalds geographisch versetzt als Himalaja oder Anden ohne Geschmeide des Firns, bis an die Grate wie von allen Göttern verlassen blauschwarz erstarrt – Selten erschien die dritte Welt so nah für einen Gedankensprung in das fremde Betroffensein. Mehr oder weniger, eher mehr weniger als eine halbe Stunde die Beklemmung des Unüberwindbaren zwischen Gewissen und Not mit verleugneten Pässen vor dem Widerschein keines zinnoberroten Weltunterganges, sondern der Sonne auf ihrem Fackellauf in das Entgegengesetzte – Reines Phantasma auch das von Windspielen aus Wolkenverstecken vertriebene indische Rind oder andische Guanako – Wahrscheinlicher aber ein bald gestaltloser Pegasus auf der Flucht in die vierte vergessene Welt – Bei fallender Dämmerung schrumpften die Kumuli ohne verschwommene Schmerzgrenzen bis ins nahe Vertraute. Die Nacht vergaß den woanders beginnenden Tag. Jürgen Henckell 119

De Südweststaat Uns heutigen Lesern, die wir uns nach der Errich­ tung des gemeinsamen Marktes zum J.}anuar /993 um die Einheit Europas und die Überwin­ dung der Grenzen bemühen, erscheint das mit scha,:fer Feder zu Papier gebrachte Gedicht wie das Echo einer fernen Zeit, die ihre badische Eigenart in einem größeren staatlichen Rahmen bedroht sah. Der Mundartdichter Gotifried Schafbuch aus Hüfingen schrieb diese Zeilen am 22. Oktober 1949 unter dem Eindruck der politi­ schen Auseinandersetzung um die Bildung des neuen Südweststaates. Im Jahre 1992 wurde das vierzigjährige Jubiläum des Landes Baden- In der Rückschau Würllemberg begangen. hat sich das neue Bundesland durchaus bewährt. Der 1. Bundespräsident, Prof. Dr. Theodor Heuss (ein Schwabe!), hat es sogar als „Modell deutscher Möglichkeiten“ genannt. Man da,f annehmen, daß der heimische Dichter später anders über den Inhalt seines Gedichtes gedacht hat, und lebte er noch, würde er vermutlich ein mildes, nach­ sichtiges Lächeln iiber seine damaligen Gedanken nicht unterdrücken. Als Dokument der Zeitge­ schichte ist „De Südweststaat“ auch heute noch lesenswert. Und vor allem: es da,f geschmunzelt werden! S‘ rumoret zmol landuff, landab. Min Nochber debret bsässe: ,Jetzt, guck emol des Gschmier do aa, d’Badenser sottets fresse. Nitt lang wurs gau, no dätet hie im Rothuus Schwobe sitze und i de Schuel e Schwäbli dät zmol iisri Kinder fitze. Südweschtschtaat schtoht do krottebroat, Potzhageldunderwätter, sott ech am End en Schwob no geä? ho seil, seil wär no nätter. Glaub nu, iis ginges dräckig gnueg, mier dierftet ninnt me sage. Vum Muschterländli wäret d’Liit … halt blos s’fifft Rad am Wage. Wertschaftlech dei’s iis besser gau, Minischter kennt mer spare. Und ‚badisch Ländle sei fer sech en ganz verfahrne Karre! Wer des nit merkt, kennt d’Schwobe nitt, die ,Hoiligsblechliberger.‘ Ech glaub, wer nit fer Bade schtimmt, der goschet noch her erger. Wie dear Borscht frech ischt mit sim Gschmuus! Dem will ech d’Moaning sage. Am liebschte dät jo schüttle ech des Schwäbli fescht am Krage. Worum wend d’Schwobe iis denn ha, clont alli Schiech probiere? Merkscht nit, sie wend e riiechi Bruut gi Schtugart inni fiehre. Sie wend de Rhii und d’Häfe haa, de Wald und iisri Räbe. die hoaße Qielle boazets au, de Dubak no denäbe. 120 Wenn Wertteberg iis sacket ii, clont d’Kind i spätre Ziite im Kerchhof vu de Hoamettreu uff iisri Grabschtea diite. Guet Nacht, schloof gsund, und moarn nitt z’frieh. Dues hinter d’Ohre schriibe: Wear nill im Hern vernagle! ischt, will oafach BADISCH bliibe!“ Gottfried Schafbuch t

Persönlichkeiten der Heimat Zwölf Jahre Kammerpräsident Alfred Liebetrau Als „Architekt einer wirtschaftlich-techni­ schen Infrastruktur, hart in der Sache und verbindlich in seiner Art mit einer fast greif­ baren Seriosität“, so würdigte ihn eine der regionalen Tageszeitungen, als Alfred Liebe­ trau sein Amt als Präsident der Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heu­ berg Anfang Mai 1993 abgab. Eine interes­ sante Betrachtung, und in der Tat, Liebe- trau dürfte wohl wie kaum einer seiner Vorgänger die Geschicke der Kammerarbeit und das Wirtschaftsleben in der Region geprägt haben. Und so engagiert, wie er die Kammeraufgaben angepackt hat, so umsichtig war er ge­ meinsam mit den Kammer­ gremien um seine Nachfolge bemüht, die Prof. Dr. Dr. Mi­ chael Ungethüm Vorstands­ vorsitzender der AESCULAP AG in Tuttlingen, nach seiner Wahl durch die Vollver­ sammlung Anfang Mai 1993 angetreten hat. In dieser Sit­ zung ernannte dieses höchste Kammergremium Alfred Lie­ betrau in Würdigung seiner großen Verdienste um die IHK zum Ehrenpräsidenten. Als Alfred Liebetrau das Präsidentenamt übernahm, schlingerte die Wirtschaft der Region in schwerem Fahrwas­ ser. Die technologische Krise hatte vor allem die Uhren­ industrie und die Unterhal­ tungselektronik erfaßt. Der wirtschaftliche Einbruch brachte massiven Stellenabbau mit sich. Der Kammerpräsident, der prägende Erfahrun­ gen an der Spitze dieser Branchen gemacht hatte, gab den Unternehmen in dieser schwierigen Zeit durch seine kompetente und zupackende Art Hoffnung und Perspek­ tive für die Zukunft. Konsequent förderte Liebetrau den Aufbau einer High-Tech­ orientierten Industriestruktur, die mittel- 121

ständisch ausgerichtet, der Region langfristig eine gesunde wirtschaftliche Zukunft geben sollte. So legte er hohen Wert auf ein vielsei­ tiges und qualifiziertes Weiterbildungsange­ bot durch die Kammer. Wohl sein größter Erfolg als THK- Präsident war die Errichtung des Instituts für Mikro- und Informations­ technik in Villingen-Schwenningen, für das er sich in unvergleichlicher Weise eingesetzt hat. Er war stets darauf bedacht, anstehende Probleme zu lösen und redete nicht an den Tatsachen vorbei; diese Haltung war typisch für den 1922 in Thüringen geborenen Unter­ nehmer. Im mitteldeutschen Uhrenzentrum Ruhla begann er seinen Berufsweg als Indu­ striekaufmann. Nach Arbeits- und Militär­ dienst mit anschließender Kriegsgefangen­ schaft kam er Ende 1952 in die heutige Dop­ pelstadt Villingen- Schwenningen. Hier war er bei bedeutenden Unternehmen der Uhrenindustrie und der Unterhaltungselek­ tronik tätig, zunächst in der Betriebswirt­ schaft und Organisation, später als Marke­ ting- und Vertriebsdirektor. Während dieser Zeit absolvierte er ein ergänzendes Studium an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakade­ mie, Freiburg. Bei der Firma SABA in Villingen wurde er 1966 Generalbevollmächtigter und 1969 allei nvertretu ngsberech tigter Geschäftsfüh­ rer. Nach dem Ubergang der SABA-Werke in den Besitz des amerikanischen GT&E-Kon­ zerns folgte er 1971 einem Ruf von Max Grundig. Während des kurzen „Intermez­ zos“ in Nürnberg lernte er Karl Diehl kennen, der ihn Anfang 1972 an die Spitze der Diehl-Tochtergesellschaft Jung­ hans, Schramberg, stellte. Seit dieser Zeit wirkte Alfred Liebetrau als Vorsitzender der Junghans-Geschäftsfüh­ rung und als verantwortlicher Leiter des gesamten Unternehmensbereichs „Uhren“ der Diehl-Gruppe, zu dem auch Firmen im Ausland gehören.1978 wurde er Mitglied der Diehl-Konzernleitung. Aus dieser Verant­ wortung schied Liebetrau dann Ende 1982 aus. Seit diesem Zeitpunkt ist er Gesellschaf- 122 ter-Geschäftsführer der Unternehmer-Part­ ner GmbH in Königsfeld. 1976 wurde Alfred Liebetrau Mitglied der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Saar-Heu­ berg, von 1978 an war er deren Vizepräsident, seit Anfang 1981 bis 1993 Präsident der !HK. Als Ehrenpräsident der Kammer wird Alfred Liebetrau der Wirtschaft und den Menschen in diesem Raum weiterhin ver­ bunden bleiben, nämlich als jemand, der sich um die wirtschaftliche Entwicklung sorgt in dem Wissen, daß sie die Grundlage für die Handlungsmöglichkeiten des Ge­ meinwesens sind. Denn gerade die jetzige Krise, so mahnte Liebetrau immer wieder, war in gewissem Maße vorauszusehen und auch die Vorsorge für schlechte Tage ließ zu wünschen übrig. Immer wieder warnte er – vor allem in den vermeintlich guten Zeiten nach der Wiedervereinigung – die Tarifpar­ teien vor überzogenem Anspruchsdenken und mahnte ein auf die Zukunft ausgerichte­ tes wirtschaftliches Miteinander an. Dabei hat Liebetrau erkannt, daß die Bedingungen für eine menschenwürdige, leistungsfahige und sozial kreative Gesellschaft weit über das Materielle hinausreichen, wie es Prof. Dr. Friedemann Maurer bei seiner Verabschie­ dung formulierte. Dieser Maxime sei er treu geblieben: gerade Alfred Liebetrau repräsen­ tiere die „auf Leistungswillen, Disziplin und Selbstverleugnung aufbauende strenge Ver­ standeskultur mit einem ausgeprägten Talent für das Musisch-Künstlerische und das Eintreten für sozialen Umgang und Geselligkeit“. Von den Grundzügen seines Charakters, Klarheit, Freundlichkeit und der seltenen Tugend eines ausgewogenen, ehren­ haften und selbstlosen öffentlichen Dienstes (Prof. Dr. Maurer), haben schließlich auch die Mitarbeiter der Industrie- und Handels­ kammer profitiert, die den Umgang mit ihm gesucht und sein geradliniges Wesen schät­ zen gelernt haben. Alfred Liebetrau ist ein Mann, der stets das Besondere erstrebt hat. Dr. Rudolf Kubach !HK-Hauptgeschäftsführer

Aus dem aufgefundenen Nachlaß von Stadtpfarrer Dr. Heinrich Feurstein Zeugnisse einer christlichen Persönlichkeit, die dem Nationalsozialismus widerstand Am 2. August 1992 jährte sich zum 50. Mal der Todestag von Monsignore Dr. Heinrich Feurstein. Die Kath. Pfarrgemeinde St. Johann in Donaueschingen gedachte aus diesem Anlaß ihres langjährigen Seelsor­ gers (1906-1941) in einer Gedenkfeier. Die Redaktion des A lma­ nach bat den Redner dieser Veranstaltung, Herrn Ri­ chard Zahlten, um einen Beitrag, der die Veröffentli­ chungen über Dr. Heinrich Feurstein im Almanach 1978, S. 68-70, und Al­ manach 1980, S. 138-140, ergänzt. Der Autor zeichnet anhand des persönlichen Nachlasses das Bild einer von ihrem Glauben über­ zeugten und mutigen Persön­ lichkeit. Fernab von allen Staats- und Stadtarchi­ ven, verpackt in einen Reisekoffer, wird der handschriftliche Nachlaß von Stadtpfarrer Dr. Heinrich Feurstein aufbewahrt. Die Schriften haben einen abenteuerlichen Weg hinter sich. Zunächst entkamen sie der Gestapo. Die Beamten forschten hartnäckig aber vergeblich nach dem Text der Neujahrs­ predigt 1942, um derentwillen der Prediger verhaftet werden sollte, denn Dr. Feurstein hatte ihn längst an das Erzbischöfliche Ordi­ nariat in Freiburg geschickt. An den anderen schriftlichen Unterlagen hatte die Gestapo kein Interesse, weil sie keine Beweise für einen ordentlichen Prozeß vor einem Gericht zu sichern brauchte, denn sie griff ohne Urteil zu und beschränkte das Verfahren auf eine Meldung an die Gestapozentrale in Ber­ lin. Fräulein Antonia Kreuzer, Dr. Feursteins Nichte, barg die persönliche Nachlassen­ schaft und brachte sie vorsichtshalber im Simonswäldertal bei einem Bauern in Sicherheit. So blieben die Unterlagen erhal­ ten, obwohl am 27. November 1942 eine Luftmine das Kreuzersche Haus in Freiburg vollends zerstörte und Antonia, ihren Bru­ der Josef und seine Familie tötete. Professor Dr. Karl Feurstein, Heinrichs Bruder, fiel das Kreuzersche Erbe zu. Er ver­ öffentlichte – sehr zum Mißvergnügen von Professor Dr. Karl S. Bader, dem die Arbeit aus wichtigem Grund vom Verfasser anver· 123

traut worden war-aus dem Nachlaß die hin­ terlassene Schrift Dr. Heinrich Feursteins ,,Zur ältesten Missions-und Patroziniums­ kunde im alemannischen Raum.“ Die Entzifferung der handschriftlichen Unterlagen machte aber offensichtlich gro­ ße Mühe, und die harten Anstrengungen in der Nachkriegszeit forderten die ganze Ar­ beitskraft, so daß die Schriften in einen Koffer zusammengepackt wurden. Die Verdrän­ gung der nationalsozialistischen Zeit aus dem öffentlichen Bewußtsein bestimmte auch das Schicksal des Koffers. Er blieb ver­ schlossen und wanderte mit seinem jeweili­ gen Eigentümer von Ort zu Ort. Der wert­ volle Schatz der handgeschriebenen Unter­ lagen des Wissenschaftlers und Predigers geriet in Vergessenheit, bis es vor wenigen Wochen gelang, ihn aufzufinden. Ein Blick in den „Koffer mit den Papie­ ren“ offenbart Überraschendes: Urkunden, Studienbücher, Predigten, vor allem aber Notizbücher, Exerzitienmitschriften und hunderte von beschriebenen Zetteln, auf denen Dr. Feurstein Gedanken, Beobach­ tungen, Einfalle notierte. Es wird viel Zeit und Mühe kosten, bis alles aus der Sütterlin­ schrift und persönlichen Kürzeln in Maschi­ nenschrift übertragen ist. Was wir an neuen Erkenntnissen dann erwarten dürfen, zeigt die Auswertung der ersten Unterlagen. Bekannt ist die nationalsozialistische Pro­ pagandaparole: ,,Ein Volk, ein Reich, ein Führer“. Dokumentieren sollte diese Einheit die Hakenkreuzfahne. Weg mit den früheren Fahnen, die nationale Symbole waren; sie wurden verboten: ,,Reichs- und National­ flagge ist die Hakenkreuzfahne“ (Flaggen­ gesetz vom 15. September 1935). Wer private Fahnen hißte, sollte auch die Hakenkreuz­ fahne setzen, zuoberst. In Donaueschingen begann der Streit um die „Fahnenhoheit“ schon 1933, weil Stadtpfarrer Dr. Heinrich Feurstein die Hakenkreuzfahne nicht zum Kirchturm heraushängen wollte. Der Donaueschinger Flaggenstreit 1933 124 Zum Eklat kam es anläßlich des 70. Ge­ burtstages Seiner Durchlaucht des Fürsten Max Egon zu Fürstenberg. Die Stadtverwal­ tung hatte dem Herrn Stadtpfarrer kostenlos eine Hakenkreuzfahne überlassen und gefor­ dert, die Parteifahne an Kirchturm und Pfarr­ haus anzubringen, da sie als Symbol des neuen Staates längst die Fahne aller Deut­ schen geworden sei. Aber Dr. Feurstein wollte seine Pfarrkin­ der vor der moralischen Verführungskunst der flatternden Fahnen des Nationalsozialis­ mus bewahren. ,,Die Fahne flattert uns vor­ an. In die Zukunft zieh’n wir Mann für Mann.“ So sangen die braunen Formationen auf den Straßen der Stadt. Das Führungszei­ chen des Nationalsozialismus wollte Dr. Feurstein nich aufziehen. Seine Kirchtürme sollten Gottes Türme bleiben und nur Zei­ chen tragen, die auf Gott und seine Kirche hinwiesen. Deshalb antwortete er der ihn bedrängen­ den Stadtverwaltung: ,,Wir bemerken erge­ benst, daß formalrechtlich die Art der Be­ flaggung kircheneigener Gebäude Sache der Kirche ist.“ Es wogte am Festtag des Fürsten ein Flag­ genmeer: ,,In der Stadt spielen die Sonnen­ strahlen mit den Fahnen und Flaggen. Fast kein Haus ist ohne Schmuck, Reichsfarben, Landesfarben und die Flaggen des Fürstlich Fürstenbergischen Hauses wechseln mit den Fahnen des neuen Deutschland. Ein herrlich schönes Bild, das einem das Herz schlagen läßt vor Freude … “ (Donaueschinger Tag­ blatt vom 16. Oktober 1933). Auf dem „Wahrzeichen der Baar“, der Stadtkirche St. Johann, wehte keine Haken­ kreuzfahne. Dort flatterte über allen anderen Fahnen die gelb-weiße päpstliche Fahne. Die Partei war über Dr. Feurstein verärgert und berichtete über sein Verhalten an die zuständigen Dienstellen in Karlsruhe. Dr. Feurstein blieb bei seiner Entschei­ dung bei der so wichtigen Reichstagswahl vom 12. November 1933. Der Stadtverwal­ tung wurde sogar zugetragen, daß der Herr Stadtpfarrer bei seinen Vereinsvorträgen vor

einer selbstverständlichen Zustimmung zur vorgelegten Einheitsliste warnte und for­ derte, daß der Einzelne sein Gewissen ent­ schieden prüfe, bevor er sein Kreuzchen auf den Stimmzettel mache. Den Zorn der Partei schrieb Bürgermei­ ster Fischer nieder: ,,Der Wunsch der Regie­ rung, daß am 12. November, einem großen, geschichtlich denkwürdigen Tag der deut­ schen Nation auch mit den Symbolen des neuen Reiches beflaggt wird, war allgemein bekannt. Durch die dortige Nichtbeachtung dieses Wunsches müssen wir unterstellen, daß Sie auch heute noch ablehnend der Regierung gegenüberstehen. Mit Rücksicht hierauf und auch auf ihr merkwürdiges Ver­ halten bei der Wahl sieht sich der Gemeinde­ rat veranlaßt, Sie nach Sachlage zu den Sit­ zungen der städtischen Kommissionen nicht mehr einzuladen. Ebenso verzichtet der Gemeinderat nunmehr auf die Entsendung eines Vertreters in den Vorstand des Kinder­ solbades Teresianum.“ (Schreiben vom 16. Oktober 1933). Ihre kostenlos überlassene Fahne forderte die Stadtveiwaltung zurück. Wieder gehen die Meldungen nach Karls­ ruhe. Ein guter Freund aus dem Ministerium des Kultus, des Unterrichts und der Justiz, Kultusreferent Eitelhans Grüninger, infor­ mierte Dr. Feurstein über seine gefährliche Situation anhand der Aktenlage und schloß sein Schreiben: ,,Es empfiehlt sich, daß Geistliche gerade heutzutage, wo die Geistli­ chen mit Argwohn von vielen beobachtet werden, alles unterlassen, was als offene oder versteckte Feindseligkeit gegen den Staat aus­ gelegt werden kann.“ In Donaueschingen waren Ende 1933 die Fronten klar. Stadtpfarrer Dr. Feurstein war nicht bereit, sich dem immer offenbarer wer­ denden totalitären Anspruch der NSDAP zu beugen, wenn es ihn auch sehr schmerzen mußte, daß man ihn nach jahrzehntelanger, segensreicher Tätigkeit aus dem öffentlichen Leben der Stadt ausschloß. Die „politischen Predigten“ an Sylvester 1933 und 1938 Sylvesterpredigten sind traditionell Jah­ resrückblick und Vorschau auf die kom­ mende Zeit. Dr. Feurstein bereitete sie wegen ihrer grundlegenden Bedeutung über lange Wochen vor, notierte immer wieder neue Gedanken, formulierte den Text bis ins Wort genau und bezog auch priesterliche Mitbrüder in die Überlegungen ein. Sylvester 1933 Dr. Feurstein eröffnete seine Predigt mit einer schweren Anklage: ,,Die Kämpfer gegen Liberalismus und Linksradikalismus werden als Staatsfeinde gebrandmarkt und ihre Person und ihre Familien das Opfer schwerer Übergriffe und Rechtsbrüche. Ich spreche all den mannhaften Katholiken unserer Gemeinde, die dem unbefugten Druck nicht gewichen sind und sich zu ihrer katholischen Vergangenheit bekannt haben, meine Anerkennung und den Dank der gan­ zen Pfarrgemeinde aus.“ Dr. Feurstein trat ein für die Verfolgten des Jahres 1933: Die Parteimitglieder von Zentrum und SPD, deren politische Heimat mit der Auflösung der Parteien zerstört wurde und die recht- und schutzlos den Übergriffen von Partei- und Staatsorganen ausgeliefert waren, sogar ins Konzentrations­ lager eingesperrt und zu „Staatsfeinden“ erklärt wurden. Den „mannhaften Katholi­ ken“ stellte sich Dr. Feurstein stärkend zur Seite und rief den politischen Machthabern unmißverständlich zu: ,,Es gibt Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen.“ Dabei ging es dem Prediger in dieser Anklage weni­ ger um religiöse oder kirchliche Rechte als vielmehr um die Bewahrung menschlicher Grundrechte. Den Kern der Predigt bildeten die Ausfüh­ rungen zur politischen Neugestaltung Deutschlands im Jahre 1933: ,,Die Bewegung ist groß – ich sage es noch einmal – und wir Katholiken können nicht nur, sondern müs­ sen eine positive Einstellung zur neuen Volksgemeinschaft gewinnen, und zwar des- 125

halb, weil wir auf weite Strecken uns mit den vorgetragenen Reformgedanken berühren, weil es vielfach altes, echt deutsches und christliches Gedankengut ist, das aus jahr­ hundertelanger Verschüttung heraufgeholt oder doch wieder zur Geltung gebracht wor­ den ist.“ Was war für Dr. Feurstein „altes, echt deutsches und christliches Gedankengut“? Nach dem Predigttext lassen sich die Gedan­ ken so zusammenfassen: 1. Wir leben in einer aus Blut und Boden erwachsenen Volksgemeinschaft, der Industrie und Wirtschaft, Technik, Wissenschaft und Kunst zu dienen haben. 2. Der Einzelne soll seinen Beruf nicht als Mittel zu persönlicher Bereiche­ rung, sondern als Dienst an der Reli­ gion, am Volksganzen auffassen. 3. Die Familie ist die Keimzelle der Volksgemeinschaft. Es ist zu hoffen, daß die Zerfallserscheinungen der Familie (Kameradschaftsehe, Zeitehe) bald der Vergangenheit angehören und einer naturgemäßen und christlichen Auffassung der Ehe Platz machen. 4. Das Konkordat vom 20. Juli 1933 ist ein weltgeschichtlicher Akt von größ­ ter Bedeutung und trägt wesentlich zur Harmonie von Staat und Kirche bei, weil es das Staatskirchentum verwirft und eine klare Scheidung beider Ge­ walten vorsieht. Für Dr. Feurstein knüpften die Propagan­ daredner der Partei an Vorstellungen und Träume aus mittelalterlicher Zeit an. Es fiel ihm schwer, da er voll großer Hoffnung für die Zukunft von Kirche und Staat nach den Jahren der Erniedrigung und wirtschaftlicher Not war, den diabolischen Charakter des Nationalsozialismus zu durchschauen. Nur wenige hellsichtige Geister konnten sich schon 1933 vorstellen, daß der Nationalso­ zialismus in seinem Rassenwahn die Heilig­ keit des Lebens völlig mißachten und auch die elementarsten Rechtsgrundsätze aufhe­ ben würde. Dompropst Lichtenberg (Berlin) 126 z.B. fiel auf die Täuschungsmanöver nicht herein und äußerte sich sarkastisch über den Führungsanspruch der Partei: ,,Es macht dem Deutschen nicht viel Ehre, daß anfüh­ ren soviel wie betrügen heißt.“ Viele andere dachten wie Staatssekretär von Bülow (Aus­ wärtiges Amt), der auf eine Anfrage des deut­ schen Botschafters in Moskau antwortete: ,,Die Nazis nach der Machtübernahme wer­ den andere sein als zur Kampfzeit.“ Nach außen mag das für eine Zeit so gewesen sein. Aber im Denken blieben sie dieselben, und Hitler hat getäuscht und getäuscht. Dr. Feurstein erwartete 1933 eine Reform von Staat und Kirche, die erwachsen sollte aus der Wiederbelebung „echt deutschen und christlichen Gedankengutes“ durch ge­ deihliche, gleichberechtigte Zusammenarbeit von Staat und Kirche. Sylvester 1938 Bei den großen offiziellen Kundgebun­ gen der Partei in den Jahren 1937/1938 rede­ ten Gauleiter Wagner und andere politische Führer vor Tausenden von Zuhörern von den Pfarrern als „Lumpen, Pfaffengesindel“ und in den Schulungslagern der Partei wurde immer wieder auseinandergesetzt, daß der Nationalsozialismus drei Feinde habe, die er vernichten müsse: ,,Das Judentum, das Frei­ maurertum und das Christentum“. Auch die Pfarrer im kleinen Landkapitel Donaueschingen bekamen den Haß der ört­ lichen Parteivertreter zu spüren. ,,Der Pfaff muß raus!“ brüllte die Menge vor dem Bräunlinger Pfarrhaus, weil Dekan Meister den „deutschen Gruß“ verweigerte und sich kritisch zum neuen Regime äußerte. Sein Vikar Martin Walter „störte“ die Jugendarbeit der HJ. Die Gestapo drangsa­ lierte ihn mit Verhören, bis ihn Erzbischof Dr. Gröber versetzte. Vikar Reichgauer, ein anderer „Störer der HJ“, wurde schon 1934 in Schutzhaft genommen. Dr. Feurstein selber wurde, sehr zu seinem Leidwesen und gegen seinen Willen, aus dem Amt des Standort­ pfarrers entfernt. In der Großdeutschen Wehrmacht, die sich militärisch, politisch

und psychologisch auf die Eroberung des Lebensraumes im Osten vorbereitete, war kein Platz mehr für einen Geistlichen, der Gott als den höchsten Herrn der Geschichte predigte, vor dem aller Gehorsam – auch gegenüber dem Führer – verantwortet wer­ den muß. ,,Wir werden den Machthabern von heute Gehorsam leisten bis zur Grenze des sittlich Zulässigen“. Vor diesem zeitgeschichtlichen Hinter­ grund wird die Klage in der Sylvesterpredigt 1938 verständlich: ,,Als Christen und Katho­ liken spüren wir die Spannung zu den Trä­ gern der Macht von heute . . . Es ist wahr, daß wir eine Christenverfolgung erleben, wie sie in der Geschichte vielleicht einzig dasteht. Man muß in die Tage eines Julian des Abtrünnigen zurückgehen, um ähnliche Methoden der Unterdrückung zu finden . . . “ Julian der Abtrünnige, römischer Kaiser von 361 bis 363 n. Chr., ließ die Christen aus den höheren Verwaltungsstellen entfernen und hob die kirchlichen und klerikalen Rechte auf. Auch der Nationalsozialismus verdrängte die christlichen Kirchen aus der Öffentlichkeit und sah schon ihre Tätigkeit in Jugenderziehung und Sozialarbeit als Übergriff in staatliche Bereiche an, der ge­ ahndet werden mußte. Die besondere Härte der Anklage aber lag in der Wahl Julian des Abtrünnigen als des angesprochenen Verfol­ gungskaisers, weil dieser zunächst das christ­ liche Glaubensbekenntnis annahm und spä­ ter von dem beschworenen Glauben abfiel: Julian Apostata -Julian der Abtrünnige. Für die Hoheitsträger der Partei war die Anspie­ lung auf Adolf Hitler unüberhörbar, diesen katholisch getauften Mann, der zum Endziel seiner Kirchenpolitik die Vernichtung der Kirche und zum Nahziel die Ausschaltung der Geistlichen in den Orten porklamiert hatte. Was sollte die Kirche in dieser Zeit der Verfolgung tun? Welchen Weg wies der Pre­ diger an St. Johann für das Jahr 1939? „Wir müssen als Christen, und das ist unsere Aufgabe für das neue Jahr, das Wagnis der großen Liebe aufbringen, die zu den letz- ten Möglichkeiten durchstößt. Wir müssen das Ideal der Christusnachfolge anstreben und eine verzehrende, opferbereite Liebe zu allen Volksgenossen und zu allen, die Men­ schenantlitz tragen.“ Welch großartige christliche Strategie in Verfolgungszeiten: Die Genügsamkeit eines mittelmäßigen Christenlebens verlassen und das „Wagnis der großen Liebe“ aufbrin­ gen! Und Dr. Feurstein wagte sogleich ein Wort der Wahrheit! Die Reichsprogrom­ nacht lag nur wenige Wochen zurück, und die Juden waren seit dem Nürnberger Partei­ tag 1935 keine Volksgenossen mehr, nur noch Staatsangehörige mit minderen Rech­ ten. Wen meinte Dr. Feurstein, wenn er „eine verzehrende, opferbereite Liebe zu allen Volksgenossen und zu allen, die Men­ schenantlitz tragen“ forderte? Hob er nicht die nationalsozialistische Einteilung der Menschen in höhere und niedere Rassen, in Feinde und Deutsche auf und bekräftigte die uralte christliche Lehre, daß wir alle Men­ schen lieben müssen, daß alle Menschen Kinder Gottes sind? Wahrhaft gefährliche Worte! Dr. Feur­ stein war sich dessen bewußt und fügte an dieser Stelle seiner Predigt ein: ,,Wenn je ein Entschluß von mir verlangt wird, so erkläre ich wie die Märtyrer zu allen Zeiten: Chri­ stianus sum – ich bin ein Christ“. Am Ende der Predigt ruft Dr. Feurstein zur Wachsamkeit auf: ,,Kommende Ereig­ nisse lassen sich schwer überschauen. Es gibt Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. Darüber zu wachen ist die Sache des Primas der Kirche in Rom und der Bischöfe. Und wir werden als charakterstarke Katholi­ ken uns an ihre Entscheidung halten“. Dr. Feurstein weist jeden nationalsoziali­ stischen Absolutheitsanspruch ab. Man muß sich wundern, daß er nicht sofort nach der Predigt verhaftet wurde, wenn man bedenkt, daß sein Freund Profes­ sor Dr. Krebs mit Schutzhaft bedroht wurde, weil er zu sagen wagte: ,,Wir dürfen unsere Feinde bekämpfen, aber nicht hassen.“ 127

Stadtpfarrer Dr. Heinrich Feurstein ist eine Persönlichkeit der Zeitgeschichte. Er gehörte zu den Priestern der vorkonziliaren Zeit, in der die katholische Kirche noch eine geschlossene Gesellschaft war, die sich kon­ sequent von anderen Konfessionen abschot­ tete und autoritär die Gläubigen in ihrem moralischen Leben und in ihrem religiösen Denken leitete. Eine uns fremd gewordene kirchliche Welt, die wir in ihrem Verhalten gegenüber dem Nationalsozialismus nur schwer verstehen können. Vielleicht wissen wir Heutigen auch zu wenig von der Hatz, die NSDAP, SA und HJ auf die widerspenstigen „Pfaffen“ veranstal­ teten. Es ist an der Zeit, daß wir alle noch vor­ handenen Zeugnisse des Widerstands gegen die Willkürherrschaft des Nationalsozialis­ mus im sozialen Umfeld unserer Städte und Dörfer retten, bevor sie im Schweigen der Geschichte versinken. Zum Verständnis des Lebens von Stadt­ pfarrer Dr. Heinrich Feurstein enthüllt Dokument um Dokument die bitterharte Wirklichkeit seines Widerstandes gegen die verbrecherische Herrschaft des Nationalso­ zialismus. Ich bin sehr dankbar, daß ich Einsicht in den noch vorhandenen persönlichen Nach­ laß Stadtpfarrer Dr. Heinrich Feursteins nehmen durfte. Richard Zahlten L i t e r a t u r „Dr. Heinrich Feurstein“ von Richard Zahlten. Das 1992 erschienene Buch ist zu beziehen bei allen Buchhandlungen in Donaueschingen und beim Kath. Pfarr­ amt St. Johann, Donaueschingen. Polizeidirektor Helmut Kahler Der langjährige Leiter der Polizeidirektion Villingen-Schwenningen ist in den Ruhestand getreten „Herr Präsident, ich melde mich ab in den Ruhestand“, so verabschiedete sich in einer Feierstunde in der freundlichen Atmosphäre des Landratsamtes Villingen-Schwenningen der langjährige Leiter der Polizeidirektion Villingen-Schwenningen am 27. August 1992 von Polizeipräsident Fröhlich. 17 Jahre lang hatte Kohler die Geschicke der Polizeidirektion Villingen-Schwennin­ gen geleitet, hatte polizeiliche Ziele formu­ liert, Einsätze geleitet, Beschwerden beschie­ den, Beamte befördert und vieles mehr, bis er in den verdienten Ruhestand entlassen wurde. Der Zuständigkeitsbereich, den Polizeidi­ rektor Kohler geleitet hatte, ist identisch mit den Grenzen des Schwarzwald-Saar-Kreises. Knapp 208 000 Einwohner werden hier auf 1025 km2 von zur Zeit 345 Beamten der Schutz- und Kriminalpolizei geschützt. 128 Vier Polizeireviere, sieben Polizeiposten, Kriminalpolizei, Verkehrsdienst und Wirt­ schaftskontrolldienst waren neben einer Ver­ waltungsabteilung und wichtigen Stabsfunk­ tionen dem pensionierten Polizeidirektor nachgeordnet. Der 1932 in Oettingen/Kreis Konstanz geborene Helmut Kohler trat 1951 in Bad Dürrheim in die Bereitschaftspolizei des Landes ein. Nachdem er in verschiedenen Polizeidienststellen praktische Erfahrungen gesammelt und die erforderlichen Lehr­ gänge hinter sich gebracht hatte, wurde er 1966 zum Polizeikommissar, 1967 zum Poli­ zeioberkommissar und 1970 zum Polizei­ hauptkommissar befördert. Im mittleren und gehobenen Dienst be­ tätigte sich Kohler u. a. sechseinhalb Jahre als Ausbilder und Fachlehrer bei der Bereit­ schaftspolizei und bei der Landespolizei-

Verabschiedung von Polizeidirektor Kohler (links) am 28. August 1992 durch Ministerialdirektor Dr. Klotz im Landratsamt. Im Hintergrund der Nachfolger im Amt, Polizeidirektor Robert Wölker mit Ehefrau. schule. Drei Jahre führte er das Polizeirevier in Villingen. Überdurchschnittliche Leistungen waren es schließlich, die ihm die Laufbahn des höheren Dienstes bei der Polizei eröffneten. Nach einem Studium von 1969 bis 1971, unter anderem beim damaligen Polizeiinsti­ tut Hiltrup, fungierte Kahler als Stellvertre­ ter des Leiters der IV. Bereitschaftspolizei­ abteilung in Lahr. Nach einer Verwendung als Stellvertreter des Leiters der Abteilung I – Schutzpolizei – bei der Landespolizeidirektion Freiburg ab 1972 wurde Kahler am 1. 3. 1975 als Nach­ folger von Otto Stärk zum Leiter der Polizei­ direktion Villingen-Schwenningen bestellt. In seiner Dienstzeit mußten von der Poli­ zeidirektion Villingen-Schwenningen neben regelmäßigen Polizeieinsätzen eine Reihe schwieriger Einsatzlagen und -fälle bewältigt werden. Als 1980 der bayerische Ministerprä- sident Franz-Josef Strauß und 1983 Bundes­ kanzler Kohl auf dem Villinger Münster­ platz Wahlkundgebungen abhielten, trug Polizeidirektor Kahler die Verantwortung. Ähnlich verhielt es sich, als er 1980 anläß­ lich eines NPD-Parteitages in Tuttlingen den Polizeieinsatz zu leiten hatte. 1975 und 1990 waren schwere Hochwas­ serkatastrophen zu bewältigen und 1987 ereignete sich in Schonachbach ein katastro­ phenähnlicher Unfall mit einem Tanklast­ zug, der viele Parallelen zu dem schweren Tanklastzug-Unglück in Herborn aufwies, der sich in der gleichen Woche ereignet hatte. Überdies waren mehrere Hausbeset­ zungen zu bewältigen. Die Einsatzbeispiele ließen sich beliebig fortführen. Ebenso interessant dürfte ein Blick auf die ausgeprägte Persönlichkeit des Polizeidirek­ tors a. D. Helmut Kahler sein. 129

Als selbstbewußter Polizeiführer erwar­ tete er stets gründliche und professionelle Arbeit. Er überblickte und kontrollierte die Arbeitsergebnisse seiner Mitarbeiter, aber auch die der vorgesetzten Dienststellen in wichtigen Details, wie man dies den Vertre­ tern des Sternzeichens „Löwe“ nachzusagen pAegt. Sein Führungsverhalten war kooperativ, klar, zukunftsweisend und zielgerichtet, wobei er seine Entscheidungen gegenüber vorgesetzten Stellen ebenso nachhaltig zu vertreten wußte wie gegenüber seinen eige­ nen Mitarbeitern. Besondere Schwerpunkte setzte er für eine umfassende vertrauensbildende Öffent­ lichkeitsarbeit, für die vorbeugende Ver­ brechensbekämpfung sowie für die Verbes­ serung der Verkehrssicherheit durch konzep­ tionelle Bekämpfung der Hauptunfallursa­ chen Alkohol und Geschwindigkeit sowie für den Schutz der schwachen Verkehrsteil­ nehmer. Als Beispiel sei die 1991 erfolgreich durchgeführte Aktion „Kampf dem Fußgän­ gerunfall“ genannt. Die Verbesserung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung lag Kahler sehr am Herzen. Im Innenverhältnis waren ihm die Fort­ bildung der Mitarbeiter, deren Motivation und die Verwirklichung des Leistungsprin­ zips wichtige Aufgaben. Sehr intensiv widmete sich Kahler dem Sport in der Polizei. Als aktiver Sportler wirkte er an vielen Faustballturnieren mit. Vom Tennisspiel, Skilauf und Windsurfing fühlte er sich besonders angezogen. Die Liebe zum Sport zeigte sich in der langjährigen Vereinsarbeit im Polizeisport­ verein Villingen-Schwenningen. Seit 1976 ist er Vorsitzender des Polizeisportvereins. Trotz großer Schwierigkeiten konnten vor allem dank seines Durchsetzungsvermögens in der Zeit zwi chen 1988 und 1990 vier Ten­ nisplätze und ein repräsentatives Vereins­ heim erbaut werden. Er wurde unter ande­ rem hierfür 1993 mit der goldenen Vereins­ nadel des Polizeisportvereins Villingen­ Schwenningen ausgezeichnet. 130 Kennt man die Persönlichkeit Helmut Kohlers näher, so ist es nur konsequent, wenn er aufgrund seiner positiven Einstellung zum Sport eine ausgeprägte Affinität zur gesun­ den Lebensweise entfaltete, die sich biswei­ len in direkter offener Kritik gegen Raucher, insbesondere in Zusammenhang mit dem Sport, zeigen konnte. Sein besonderes Au­ genmerk galt hierbei dem Schutz der Nicht­ raucher. Er war hierbei in seinen Intensionen dem späteren gesetzlichen Nichtraucher­ schutz weit voraus. Nicht nur als Verbindungsstellenleiter der !PA, einer internationalen Vereinigung von Polizeibeamten, knüpfte Helmut Kahler freundschaftliche Bande zu vielen ausländi­ schen Polizeikollegen. Auch zu den zahl­ reichen der Polizeidirektion Villingen­ Schwenningen benachbarten, auch auslän­ dischen Behörden, verbanden ihn stets gute Beziehungen. Unter anderem wirkte er im Verleihungsausschuß des Südkuriers „Kava­ lier der Straße“ mit. Wesentliche Verbesserungen konnte Kahler auch im Bereich der räumlichen Unterbringung der Dienststellen im Direk­ tionsbereich Villingen-Schwenningen errei­ chen. Dank seiner Initiative verfügt die Poli­ zeidirektion Villingen-Schwenningen über einen landeseigenen Bauplatz zur Errich­ tung einer neuen Polizeidirektion. Als Erfolg verzeichnet er die Unterbringung von Krimi­ nalpolizei und Verkehrsdienst im „See­ mann-Haus“ und den Ausbau der Polizeire­ viere Villingen und Schwenningen. Neue Räume erhielten die Polizeiposten Königsfeld, Furtwangen, Blumberg und Bad Dürrheim. Als neue Posten kamen Brigach­ tal und Niedereschach hinzu. Neu erbaut wurde das Polizeirevier St. Georgen. Ein wichtiges Ziel konnte der bisherige Leiter der Polizeidirektion nicht verwirk­ lichen: Den Neubau einer Polizeidirektion, in dem alle Abteilungen und Fachdienste owie das Polizeirevier Villingen vereint unterge­ Robert Wölker bracht werden.

Dr. Max und Dr. Martha Frommer Das Ehepaar zeichnete sich durch vielseitige Aktivitäten besonders im Bildungsbereich aus Es sucht seinesgleichen, was ein „pädago­ gisches Gespann“ in den letzten 25 Jahren der selbständigen Stadt Schwenningen und danach in Villingen-Schwenningen für die Erwachsenenbildung getan hat: Die Rede ist von Dr. Max und Dr. Martha Frommer, ohne deren unermüdliche Arbeit der Aufbau der Volkshochschule Schwenningen nicht möglich gewesen wäre. Da mögen zu Beginn einige „Zufälligkei­ ten und Zwangsläufigkeiten“ (Dr. Martha Frommer im Mai 1979 anläßlich der Verlei­ hung der Verdienstmedaille des Landes) eine Rolle gespielt haben. So erinnert sich Dr. Max Frommer in seinem Rückblick von 1987 auf „40 Jahre Volkshochschule“ noch recht gut daran, daß sein erster Kurs an der noch jungen Schwenninger Bildungseinrichtung quasi „auf höheren Befehl“ zustandekam: „Ich wurde am 8. September 1947 an die Oberschule Schwenningen versetzt. Als ich, noch ohne Wohnung und damit auch ohne Familie, meinen Dienst antrat, forderte mich der Schulleiter Alfons Riegel sofort auf, in der Volkshochschule mitzuarbeiten.“ Sie war am 8. Februar des gleichen Jahres offi­ ziell eröffnet worden. Der Mathematiker und Physiker, damals 43 Jahre alt, dachte an seinen Lehrauftrag, an die Übersiedlung seiner Familie und zwei­ felte, ob er es schaffen würde, auch noch nebenbei eine Vortragsreihe über die Kos­ mogonie (Entstehung der Welt), worüber er viele Jahre Material gesammelt hatte, zusam­ menzustellen. Doch man beschied ihm, daß „eine Reihe akademischer Vorlesungen für Leute, die sowieso schon gescheit sind oder sich dafür halten“, nicht erwünscht war. 131

Angebracht sei ein Algebrakurs für bildungs­ geschädigte Schüler. Frommer erkannte, daß ,,diese Volkshochschule die Weitergabe uni­ versitären Wissens an Interessenten aller Stände nicht als Hauptziel ihrer Bemühun­ gen ansah“. Ausgangspunkt der Überlegungen, eine Institution der Erwachsenenbildung in Schwenningen zu begründen, war die Nach­ kriegssituation gewesen: ,,Die zivile Bevölke­ rung, so Dr. Max Frommer in seinen Erinne­ rungen, ,,fühlte sich durch die langjährige Kriegswirtschaft am Ende ihrer physischen und psychischen Kräfte und sah der Zukunft ziemlich hoffnungslos entgegen.“ So ent­ stand ein soziales Klima, das gekennzeichnet wurde als „Kampf aller gegen alle“ oder durch die Redensart „Jeder ist sich selbst der Nächste“. Trotzdem bemühte sich ein von Oberbür­ germeister Dr. Gönnenwein einberufener Kulturausschuß seit 1945, kulturelle Aktivi­ täten zu finden. Aus ihm heraus bekam Her­ bert Holtzhauer den Auftrag, die von ihm schon länger geplante Volkshochschule zu gründen. Er nannte als Ziele „die Behebung der Informationslücken auf allen Gebieten von Wissenschaft, Kunst und Wirtschaft und die Überwindung des Mißtrauens unter den Menschen“.1949 wurde der Volkshoch­ schule die Kulturgemeinde beigesellt, in deren Ausschuß Dr. Max Frommer bis 1961, in der Volkshochschule bis 1969, wirkte. Stets an seiner Seite Ehefrau Dr. Martha Frommer, denn nur wenige Monate nach dem ersten Algebrakurs ihres Mannes stieg auch sie, die Germanistik, Religion und Eng­ lisch studiert hatte, als Dozentin ein. Schon bald gehörten beide Pädagogen für Jahr­ zehnte zum engen Mitarbeiterstamm der VHS. Am 6. Dezember 1949 wurde der gebür­ tige Isinger Dr. Max Frommer Stellvertreter von Herbert Holtzhauer, dem VHS-Leiter. „Es blieb mir nichts anderes übrig, als mich mutig in die begonnene Arbeit hineinzu­ knien“, blickte er später zurück. Soviel zu den zitierten Zufälligkeiten und Zwangsläu- 132 figkeiten in der Arbeit des Ehepaars From­ mer. Was dann folgte, gehört in die Kategorie „unermüdliches Pflichtbewußtsein“, das dem Ehepaar später immer wieder beschei­ nigt werden sollte. Denn einmal dabei, hielt die Erwachsenenbildung sie fest, deren Ziel­ vorstellungen „in den sittlichen Werten der freiheitlich-demokratischen Ordnung des bundesdeutschen Grundgesetzes“ gesehen wurden. Ein besonderes Anliegen war Dr. Max Frommer die Satzung des lnstituts, ein „voll­ kommen demokratisches Statut“, das die Planung der Arbeit und die Kontrolle über ihre Durchführung in die Verantwortung auch von Hörern und Dozenten legte. Mit diesem Angebot der eigenen Einflußnahme auf die VHS-Arbeit jedoch zeigten sich die Hörer alsbald überfordert, sie waren ledig­ lich an ihren eigenen Kursen interessiert. Die Satzung blieb trotzdem bis zur Bildung der doppelstädtischen Volkshochschule als vor­ bildlich bestehen. Seit 1951 Leiter des Schwenninger Gym­ nasiums, sah sich Dr. Max Frommer, der inzwischen auch die VHS-Leitung übernom­ men hatte, aus ge undheitlichen Gründen nicht in der Lage, nach 1955 weiterhin die ehrenamtliche Führung zu übernehmen. Dr. Werner Seufert, danach Felix Schlenker, übernahmen das Amt, bevor 1960 Dr. Mar­ tha Frommer sich bereit erklärte, an die Spitze zu treten. Die Versammlung bestand seinerzeit darauf, daß Dr. Max Frommer im Gremium blieb, obwohl er selbst ausschei­ den wollte, um ein Übergewicht des Ehepaa­ res zu verhindern. So blieb der Pädagoge bis 1969, dem Jahr seiner Pensionierung, Dozen­ tenvertreter unter Leitung seiner Ehefrau. Danach war es freilich Zeit, eine haupt­ amtliche Leitung einzusetzen, waren den Volkshochschulen durch staatliche Richtli­ nien in der Zwischenzeit doch viele zusätz­ liche Aufgaben zugedacht worden, die eine ehrenamtliche Führung unmöglich mach­ ten. Christei Pache wurde als neue Leiterin eingesetzt.

Neben der Volkshochschule Schwennin­ gen waren die Frommers maßgeblich an der Gründung des Volkshochschulheims in lnzigkofen (1947/48) beteiligt und nahmen an wissenschaftlichen Untersuchungen zur Erwachsenenbildung innerhalb der „Päd­ agogischen Arbeitsstelle Inzigkofen (PAE)“ teil, dessen Vorsitzender Dr. Max Frommer als einer der wenigen Nicht-Professoren von 1967 bis 1970 war. Seine Mitarbeit fand anläßlich seines 70. Geburtstags ihre Würdi­ gung: ,,Sein pädagogisches Denken und Handeln ist durch das Bestreben gekenn­ zeichnet, den Menschen zu helfen, die Welt, in der er lebt, besser zu durchschauen. Eine humane Pädagogik also, die geleiten, fördern und anregen, aber nicht bevormunden will.“ Auch dem südwürttembergischen Ver­ band für Erwachsenenbildung, 1951 ins Leben gerufen, gehörten Dr. Max und Dr. Martha Frommer während der ganzen Zeit des Bestehens (bis 1968) an. Dr. Martha Frommer war lange Zeit Vorstandsmitglied. So kann diese Zeit nach dem Krieg in Schwenningen mit Recht als „Ära Frommer“ bezeichnet werden. Im Hauptberuf waren beide Pädagogen, doch Dr. Martha From­ mer konnte ihren Beruf nur wenige Jahre aus­ üben. Max Frommer aber prägte, nachdem er 1951 die Leitung des Gymnasiums Schwen­ ningen übernommen hatte, dieses Haus, den Neubau am Deutenberg und die jungen Menschen, die dort aus-und eingingen. 2000 Gymnasiasten, darunter 800 Abiturienten, bekamen unter seiner Leitung ihre Ausbil­ dung, 130 Referendare wurden ausgebildet. Anläßlich seiner Verabschiedung im Jahre 1969 rühmte Studiendirektor Otto Benzing die „Schlagfertigkeit“ und den Gerechtigkeitssinn des Pädagogen. Die Schüler hätten immer einen Fürsprecher gehabt. Auch wenn er mal „grob wie ein Bauer von der Alb“ geworden sei, seien sich alle Kollegen einig gewesen: ,,Einen besseren Direktor finden wir nicht.“ Ausgeprägtes Pflichtbewußtsein wurde Max Frommer bescheinigt und sein „allzeit reges Interesse für kommunale Angelegenheiten“ gerühmt. Dieses Interesse bewies auch Ehefrau Dr. Martha Frommer, indem sie drei Jahre lang dem Gemeinderat der Stadt Schwen­ ningen (Dezember 1959 bis Dezember 1962) angehörte. Sie hatte sich einer ganz winzigen Partei, der Freien Sozialen Union plus Freie Bürger angeschlossen. Kirchliche Belange unterstützte Martha Frommer als Synodale der evangelischen Landeskirche, ihr Mann war von Ende der fünfziger Jahre bis zur ersten Hälfte der sech­ ziger Jahre Mitglied des evangelischen Kir­ chengemeinderates und engagierte sich stark für den Neubau der Johanneskirche. Ge­ meinsam übernahmen sie ehrenamtlich füh­ rende Aufgaben in der Kulturgemeinde Schwenningen, Dr. Martha Frommer war darüber hinaus Geschworene beim Landge­ richt. Und nach dem Ausscheiden aus der Programmverantwortung der Volkshoch­ schule setzten beide gemeinsam ihre Kräfte für die seit nunmehr 15 Jahren beste­ hende Senioren-Volkshochschule Villingen­ Schwenningen ein. Was waren das nun für Menschen, die aus fünf Söhnen Akademiker werden ließen, und die neben beruflichen und Erziehungs­ aufgaben ihre verfügbare Zeit und Kraft in den Dienst der Mitmenschen stellten? Beide wurden 1904 geboren, Max From­ mer in !singen auf der Schwäbischen Alb, als zwölftes Kind einer Bauernfamilie. Martha Frommer kam als Pfarrerstochter in Mün­ chen zur Welt, von wo aus ihre Familie als­ bald nach Frankfurt übersiedelte. Mit 17 Jah­ ren hatte Max Frommer sein Abitur, mit 21 legte er sein Doktor-und sein Staatsexamen ab. In Frankfurt lernte sich das spätere Paar kennen. Beide wollten Lehrer werden, ihre Studienzeit fiel in die Anfange der Weimarer Republik, und ihre Eheschließung in die Zeit der Weltwirtschaftskrise, der Arbeitslosigkeit und dem Heraufziehen nationalsozialisti­ schen Unheils. Gemeinsam verbrachten die beiden Lehrer eine Zeit in Budapest als Gast­ lehrer und heirateten 1931, nachdem Martha Frommer ein Jahr in den Vereinigten Staaten verbracht hatte. 133

Ehrungen und Auszeichnungen gab es zuhauf für die beiden, und das zu Recht: Für die ausgezeichnete Arbeit, die sie geleistet haben, sprechen die nie angetastete Konti­ nuität, die Qualität und die Breite des ange­ botenen Programms der Volkshochschule. Das Ehepaar Frommer ersparte in den vielen Jahren seines Wirkens der Stadt Schwennin­ gen durch sein persönliches Engagement die Einstellung eines hauptamtlichen Leiters in einer Zeit, wie sie bei Einrichtungen ver­ gleichbarer Städte schon eine Selbstver­ ständlichkeit war. Dr. Max Frommer bekam von der Stadt Schwenningen anläßlich seiner Zurruheset­ zung im Jahr 1969 die Bürgermedaille in Gold, 1983 das Bundesverdienstkreuz am Bande. Für sein Buch: ,,Isingen – Kultur­ kunde einer klein bäuerlichen schwäbischen Gemeinde“ bekam der Autor den Landes­ preis für Heimatforschung des Württember­ gischen Genossenschaftsverbandes. Die gesamte Erwachsenenbildung der Stadt, so urteilte im Mai 1979 Herbert Holtz­ hauer, wurde mit der Verleihung der Ver­ dienstmedaille des Landes an Dr. Martha Frommer geehrt. Die so Ausgezeichnete bekannte sich zwar an jenem Tag zu ihrer Freude über die Ehrung, die damals 75jäh­ rige stellte solcherlei Würdigung gleichzeitig aber auch in Frage, in dem sie den Philo­ sophen Kant zitierte, der einen hohen Anspruch an den Idealismus stellt. Viele andere im lande hätten gleiches getan, meinte die Medaillenträgerin. ie frage sich, ob es denn einer öffentlichen Auszeichnung wert sei, wenn man beim Engagement in einer Sache zwar ohne Eigennutz, aber den­ noch mit beständiger Freude und Selbst­ erfüllung tätig gewesen sei. Im Oktober 1991 konnte das Ehepaar Frommer das seltene Fest der diamantenen Hochzeit feiern. Im März 1993 verstarb Dr. Max Frommer im Alter von 88 Jahren. Angelika Mey Ein bewußter Schwenninger: Oberstudiendirektor i. R. Dr. Rolf Mehne Schulleiter in einer schwierigen Zeit In Schwenningen 1930 geboren, in Schwenningen bis zum Abitur zur Schule gegangen, nach dem Studium der Fächer Deutsch, Englisch und Französisch in Frei­ burg und Tübingen, nach der Promotion 1954, dem Staatsexamen im Jahr darauf und nach der anschließenden Referendarzeit in Nagold, Reutlingen und Ravensburg 1957 nach Schwenningen als Lehrer am Gymna­ sium zurückgekehrt, mit diesem acht Jahre später an den Deutenberg umgezogen, 1969 zum Schulleiter bestellt, 1992 in den Ruhe­ stand verabschiedet: so knapp und als gar nicht außergewöhnlich würde Dr. Rolf Mehne, wenn es nach ihm ginge, seinen Lebenslauf skizzieren. So knapp war dieser nun freilich nicht, er hatte schon seine Facetten – und ein paar außergewöhnliche dazu. Eine der ersten war wohl die, daß dieser Dr. Rolf Mehne 1957 ohne eigenen Antrag ans Gymnasium seiner Geburts- und Heimatstadt versetzt wurde. Zuvor hatte er lediglich den Wunsch geäu­ ßert, an einem verkehrsgünstiger gelegenen Ort als Ravensburg unterrichten zu können, weil die wöchentliche Heimreise mit der Eisenbahn aus dem Ober chwäbischen an den Neckarursprung für den damals Jungver­ heirateten wohl doch zu umständlich und vor allem zu zeitaufwendig war. Diese Rückkehr nach Schwenningen ist dem Lehrer – Fächer Deutsch und Englisch – und der Schule gut bekommen, so gut jedenfalls, daß es bei der Übernahme der Schulleitung im Sommer 1969 keinerlei Pro­ bleme mit den Kollegen gab und sich der 134

sehr kritischen Abiturientenrede die Schul­ abschlußfeier herkömmlicher Art für immer gestrichen wurde. Die 80er Jahre meinten es besser mit Schule und Schulleiter: eine Vorschriftenbe­ reinigung gab der Schule wieder mehr päd­ agogischen Spielraum, die Neugestaltung der gymnasialen Oberstufe neue Impulse, das Verhältnis zwischen Schülern und Leh­ rern verbesserte sich zunehmend und damit auch das Schulklima, es gab wieder Abibälle in der Schule, Chor und Orchester wurden wiedergegründet, eine Arbeitsgemeinschaft Schultheater eingerichtet. Diese Entkramp­ fung offenbarte sich auch bei der offiziellen Verabschiedung Dr. Rolf Mehnes, der die ,,stehenden Ovationen“ der Schüler durch­ aus erfreut aufnahm. 1969 Schulleiter als Nachfolger von Dr. Max Frommer, 1971 auch Leiter des Abendgymnasiums, 1974 geschäftsführen­ der Schulleiter der allgemeinbildenden Gymnasien in Villingen-Schwenningen und damit zuständig für alle Angelegenheiten, die einer gemeinsamen Regelung mit dem Schulträger bedürfen, im Auftrag des Kultus­ ministeriums Seminarleiter bei der Ausbil­ dung künftiger Oberstudiendirektoren, Lehrbeauftragter mit dem Thema Schul­ recht am Seminar für Schulpädagogik (Gym­ nasien) in Rottweil, Prüfungsvorsitzender bei der zweiten Dienstprüfung für das Lehr­ amt an höheren Schulen: blieb bei soviel Engagement für Beruf und Schule noch Zeit und noch Lust für ehrenamtliche Tätigkeit? Sie blieb. Vom Dezember 1965 bis Dezem­ ber 1971 saß Dr. Rolf Mehne im evangeli­ schen Kirchengemeinderat, der damals u. a. über den Bau des Paulusgemeindehauses, des Frühlingshalde-Kindergartens, des Rine­ len-Gemeindezentrums und des zweiten Pfarrhauses der Johannesgemeinde zu befin­ den hatte, der aber auch eine seit Jahren vor­ bereitete Ortssatzung und die Neueinteilung der Pfarrbezirke auf den Weg brachte, sich im Vorfeld der Städtefusion mit den Kir­ chengemeinderäten aus Villingen an einen Tisch setzte und zudem einen ungewöhn- 135 Oberstudiendirektor Dr. Rolf Mehne ganz den Anforderungen der ausgehenden 60er und der beginnenden 70er Jahre zuwenden konnte, und die waren keineswegs klein und oft grundsätzlicher Art. Der Diskussion über eine grundlegende Änderung des gymnasia­ len Schulwesens in den 60er Jahren folgte wenig später die über die Einrichtung einer Gesamtschule in Schwenningen und die dar­ aus herrührende bauliche Entwicklung eines Schulzentrums auf zu beengtem Raum sowie die sogenannte „Verrechtlichung der Schule“ durch behördlich vorgegebene Nor­ mierung und Reglementierung. Die „Explo­ sion“ der Schülerzahlen mit der Folge, daß Ende der 70er Jahre in dem für 24 Klassen ausgelegten neuen Schulgebäude doppelt so viele untergebracht werden sollten, ging ein­ her mit den Nachwirkungen der Studenten­ unruhen von 1968, die zu erheblich verän­ derten Wertvorstellungen bei Schülern und auch bei jungen, noch unerfahrenen Lehrern geführt und gelegentlich Disziplinarpro­ bleme aufgeworfen hatten. ,,Eine sehr schwierige Zeit“ nennt Dr. RolfMehne jene Jahre, zu denen auch gehörte, daß nach einer

liehen, freilich heiß umstrittenen und nur ein einziges Mal vollzogenen Beschluß faßte, Kirchenaustritte namentlich im Got­ tesdienst bekanntzugeben. Nach wie vor wirkt Dr. Rolf Mehne im Museums-und Archivbeirat der tadt Villin­ gen-Schwenningen mit. Er nennt dies nahe­ liegend, denn seine Neigung gehört der Mundart und der Heimatgeschichte, wovon auch die vierjährige Amtszeit als Vorsitzen­ der des Schwenninger Heimatvereins zeugt. So gerne er Lehrer und Schulleiter war, so bewußt i t er Schwenninger, der daraus frei­ lich keine Ansprüche ableitet. Die oft zitier­ ten Spannungen zwischen Villingen und Schwenningen hat er in seinem beruflichen Umfeld nie gespürt, die landsmannschaftli­ chen Unterschiede schlagen sich für ihn ohnedies eher im Bereich des gegenseitigen Neckens nieder. Dazu steuert er eine Anek­ dote bei. In Progymnasien und Realschule St. Ursula um ein Grußwort gebeten, nannte er es bemerkenswert, als evangelischer Schwenninger in einem katholischen Klo­ ster in Villingen zu stehen, was einen der Gäste zu dem Kommentar veranlaßte: Evan­ gelisch ginge ja. Allenthalben Heiterkeit. Eine letzte Facette im Leben des Dr. Rolf Mehne: Sein Dissertationsthema „Die RolfKrülle Eine vielseitig talentierte Persönlichkeit An meine erste Begegnung mit Rolf Krülle erinnere ich mich gut: Sie geschah im sogenannten „Beppelesstall“ in Schwennin­ gen im Herbst 1969. Schwenningen war damals noch nicht mit Villingen verheiratet, stand also noch vor der großen Wende des Jahres 1972. Im Ortskern, in der Muslen, sah man letzte alte Bauernhäuser neben dem altehrwürdigen Pfarrhaus, Industriebaracken aus der Kriegszeit neben großen Fabrikge­ bäuden; dazwischen floß das Rinnsal des alten Muslenbache ; neben knorrigen Obst- 136 Mundart in Schwenningen am Neckar“ ent­ sprang sozusagen einem Zufall. In einem Seminar beim Tübinger Professor Hugo Moser hatte er ein Referat über die „Uhrma­ chersprache in Schwenningen“ übernom­ men und danach den professoralen Hinweis erhalten, daß nach Karl Haag, dem Schwen­ ninger Mundartforscher des vergangenen Jahrhunderts, noch ein gehöriger Rest an Mundartforschung aufzuarbeiten sei, was Grundlage für eine Dissertation geben könne. Daraus wurde dann die Doktorarbeit, der wir u. a. eine Untersuchung über die soziologische Schichtung der Sprache ver­ danken. Seither hat sich Dr. Rolf Mehne über die alemannische Dialektologie auf dem laufenden gehalten, sich mit Mundart­ forschung und -literatur befaßt und hin und wieder, freilich nur auf Anforderung, den einen oder anderen Beitrag geschrieben. Möglich -er schließt es jedenfalls nicht aus -, daß seine Interessen jetzt in weiteren Arbeiten ihren Niederschlag finden werden. Dr. Rolf Mehne wird gewiß auch Schwen­ ningerisch reden, denn dessen ist er sich sicher: ,,Mundart im Normalalltag ist selbst­ verständlich“. Karl Rudolf Schäfer bäumen entdeckte man Gärten und Garten­ zäune, aber auch Brachland und wildwach­ sende Brennesseln. Inmitten dieser Idylle lag der „Beppelesstall“, da evang. Gemeinde­ haus, eine umgebaute ehemalige Pfarr­ scheune, in der am 4. November 1969 der evang. Kirchengemeinderat tagte, um über die Nachfolge von Pfarrer Lörcher zu bera­ ten. Auf dem Prüfstand als Bewerber um die vakante Pfarrstelle stand ich. Die Zusam­ mensetzung des Gremiums war mir völlig unbekannt, und so versuchte ich im Laufe

des Gesprächs die verschiedenen Ratsmit­ glieder einzuordnen. Bei den meisten Damen und Herren war das nicht allzu schwer, denn Pfarrer lassen sich ohnehin schnell identifizieren, und die übrigen Rats­ damen und Ratsherren – angefangen bei den Hausfrauen bis hin zum Oberstudiendirek­ tor – gaben sich rasch zu erkennen. Doch wer war wohl dieser Mensch mit dem kanti­ gen Profil eines Bauunternehmers?, mit der sprachlichen Eloquenz fast eines Rhetori­ kers?, mit der durchdringenden Stimme eines Kapitäns?, mit der Sachkenntnis eines Bilanzbuchhalters?, mit dem nicht zu ver­ bergenden auch theologischen Wissen?, mit der Sicherheit eines in Entscheidungen geübten Managers? Erst nach der Sitzung konnte ich diese Frage durch Einblick in die Mitgliederliste des Kirchengemeinderats klä­ ren; aber da hatte mich RolfKrülle schon das Fürchten gelehrt, und ich war gewarnt. Als dann die Entscheidung für mich positiv aus­ gefallen war, wappnete ich mich für eine anspruchsvolle Zusammenarbeit mit dem Gremium im allgemeinen und mit Rolf Krülle im besonderen. – Rückblickend muß ich heute freilich sagen: Die Zusammenar­ beit mit Rolf Krülle über viele Jahre hinweg in verschiedenen kirchlichen Gremien, aber auch in der Schule und bei vielen anderen Gelegenheiten ist zwar anspruchsvoll geblie­ ben, aber sie wurde von Jahr zu Jahr herzli­ cher und wuchs in jene Atmosphäre hinein, in der Freundschaft lebt und fruchtbar wird. Doch verstehen kann ich auf Grund meiner ersten Begegnung durchaus, daß RolfKrülle auch gefürchtet war. Aber ist das nicht häufig bei Menschen der Fall, die bereit und auch fähig sind, in der Öffentlichkeit Verantwor­ tung zu übernehmen? Kurz nach meinem Dienstantritt in Schwenningen bekam ich die Autorität des Rektors RolfKrülle noch einmal zu spüren: Man hatte mir zwei Wochenstunden Religi­ onsunterricht in der Realschule zugeteilt, und ich machte mich zu meiner ersten Stunde pünktlich um 7.15 Uhr auf den Weg. Aber als ich das Pfarrhaus verlassen wollte, war- für mich als Unterländer ungewohnt­ über Nacht frischer Schnee gefallen. So genügte ich zuerst einmal meiner Bürger­ pflicht, Schnee zu räumen und stand erst um 7.40 Uhr vor der – zu meinem Erstaunen – verschlossenen Haustüre der Realschule. Die Realschule war seit 1966 übergangsweise im alten Backsteinschulhaus gegenüber der Post in der Friedrich-Ebert-Straße unterge­ bracht. Nach mehrmaligem erfolglosem Druck auf die Türklinke drängte sich mir der für Schüler wie Lehrer gleicherweise ver­ führerische, doch meist törichte Gedanke auf: ,,Hurra, heute fällt die Schule aus!“ Hätte auch nur ein lärmender Ton aus dem Gebäude mein Ohr erreicht, dann hätte ich meinen Irrtum sofort erkannt, so aber begab ich mich frohgemut wieder auf den Heim­ weg, und nur ein ganz leises Mißtrauen ver­ anlaßte mich, doch noch einmal telefonisch beim Schulsekretariat nachzufragen. Am Apparat war nicht die Sekretärin, sondern der Chef persönlich. Er erklärte mir in äußerst distanzierter Freundlichkeit, gepaart mit einer sachlichen Kühle, die mir die Hitze 137

in den Kopf jagte, daß in der Realschule aus Gründen der Verkehrssicherheit (man trat von der Haustüre direkt auf die damals noch stark befahrene Jakob-Kienzle- und Fried­ rich-Ebert-Straße) der Haupteingang vom Hausmeister pünktlich um 7.35 Uhr abge­ schlossen werde, wobei Zuspätkommende den Hintereingang benützen könnten. ,,Im übrigen aber“ -so der Rektor – ,,sind wir in der Realschule gewöhnt, auf die Minute pünktlich mit der Arbeit zu beginnen.“ Die Lektion schlug bei mir ein und an; sie hat mir nicht geschadet, und sie hat das schnell wachsende Vertrauensverhältnis zwischen Rolf Krülle und mir nicht im geringsten gestört. In der Folgezeit bestätigte sich mein Ein­ druck von der Vielseitigkeit Rolf Krülles je länger, je mehr, und im Laufe der Jahre erkannte ich auch, daß diese Vielseitigkeit Tiefgang und Substanz hat. Rolf Krülle ist ein Schulmann im besten Sinne dieses Wortes. Darüber wurde 1991 bei seiner Verabschiedung in den Ruhestand viel gesagt und viel geschrieben. Ich beschränke mich auf Weniges: Am !.Januar 1955 kam Rolf Krülle, ,,abgeordnet“ vom Oberschul­ amt, als Lehrer an die Mittelschule in Schwenningen. Er kam aus der Schweiz, wo er als Leiter einer Heimschule im Kanton Schaffhausen tätig gewesen war. In der Schweiz hatte RolfKrülle mit Hilfe eines Sti­ pendiums bald nach dem Krieg studiert und dabei nicht nur „Schwyzerdütsch“ gelernt, sondern auch das Lehrerpatent erworben. Sein Geburtsort liegt freilich nicht im Ale­ mannischen, sondern in Eilenburg zwischen Leipzig und der Lutherstadt W ittenberg. Der Krieg hatte den damals Achtzehnjährigen in englische Gefangenschaft geführt, nach deren Ende eine Rückkehr in die nachträg­ lich von den Russen besetzte Zone nicht besonders ratsam erschien, so daß, wer immer eine Möglichkeit fand, einen Aufent­ halt im Westen vorzog. RolfKrülle hatte Ver­ wandte in Oberndorf (Neckar), die ihn auf­ nahmen; von dort aus machte er 1946 das Abitur am Gymnasium in Rottweil. Die 138 Tätigkeit als „Schulhelfer“ und dem Stu­ dium in Zürich folgten vier Jahre unständi­ ger Schuldienst in Südwürttemberg-Hohen­ zollern bis zur zweiten Dienstprüfung und die anschließende Beurlaubung für einen Auslandsaufenthalt, denn die Schweizer wollten ihn in einer Zeit des Lehrermangels zurückhaben. – Sollte nun die 1955 in Schwenningen angetretene Mittelschulleh­ rerstelle die Lebensaufgabe von Rolf Krülle werden? Sie wäre es beinahe nicht geworden, denn 1964 bemühte er sich um eine weitere Au landsaufgabe, nämlich um eine Stelle an der Deutschen Schule in Stockholm. Aber die Berufung zum Rektor der Mittelschule in Schwenningen am 1. Mai 1964 veranlaßte ihn, seine Bewerbung zurückzuziehen, und so wurde und blieb Schwenningen sein Schicksal bis zum Ruhestand, bis heute. Die Mädchenmittelschule in Schwennin­ gen hat seit ihren ersten Anfangen vor etwas mehr als 100 Jahren große Bedeutung für unsere Stadt. Diese Bedeutung ist in der Nachkriegszeit noch gewachsen, aber zugleich mit diesem Wachstum mußte die Schule-wie könnte es auch anders sein -ihr Gesicht immer wieder verändern, um sich den Forderungen und Gegebenheiten anzu­ passen. So wurde aus der Mädchenmittel­ schule zunächst eine Mittelschule für beide Geschlechter und dann eine Realschule. Das Gebäude in der Metzgergasse war schon in den Fünfzigerjahren zu klein geworden, die Mittelschule bekam zusätzlich das alte Gym­ nasium in der Friedrich-Ebert-Straße, bis sie schließlich 1973 mit 830 Schülern in ihren Neubau am Deutenberg zog, um dort ihren Platz zwischen Hauptschule und Gymna­ sium auch äußerlich einzunehmen. Diese ständigen Veränderungen, zu denen ein geradezu explosionsartiges Wachstum der Schülerzahlen gehörte, brachten manche Belastung, wobei die Mitarbeit der Lehrer­ schaft und nicht zuletzt des Rektors unerläß­ lich war. Rolf Krülle hat diese Aufgabe gese­ hen und angenommen. Er wollte mitgestal­ ten und nicht nur mitschwimmen. In der Schweiz hatte er sich mit Pestalozzi ausein-

andergesetzt, in Schwenningen versuchte er, einiges von dieser Pädagogik zu verwirkli­ chen: Die gleichgewichtige Bildung von , ,Kopf, Herz und Hand“ war seine Absicht. Seine speziellen Fächer, in denen er auch selbst unterrichtete, waren Deutsch, Geschichte und evangelische Theologie. Profunde Fachkenntnisse, verbunden mit einer guten Gabe, sich mitzuteilen und prä­ gnant zu formulieren, sind die Pfunde, mit denen RolfKrülle zu wuchern versteht. Von ihnen profitierten – nicht nur die Real­ schule, sondern auch die Wirtschaftsschule, die Gewerbliche Berufsschule, wo er im Nebenamt zeitweise unterrichtete, und das Staatliche Seminar für Hauswirtschaft, Handarbeit und Turnen in Rottweil. Auch in der Volkshochschule wurde er gebraucht; und die Gründung der Abendrealschule (1966) als neuer Zweig der Erwachsenenbil­ dung ist ebenfalls auf seine Initiative zurück­ zuführen. Nach dem Tod von Rektor Gro­ schwitz übernahm RolfKrülle 1982 das Amt des geschäftsführenden Rektors in Villingen­ Schwenningen und hatte in dieser Funktion alle 25 Grund-, Haupt-, Real- und Sonder­ schulen der Stadt öffentlich zu vertreten. Wahrlich ein gerüttelt Maß an Schularbeit. Wenn ein Lehrer Deutsch, Geschichte, Gemeinschaftskunde und Religion unter­ richtet und darüberhinaus noch Rektor ist, dann steht die Beschäftigung mit der Politik auf dem Stundenplan. Eine eigene enga­ gierte politische Betätigung ergibt sich dar­ aus zwar nicht zwingend, legt sich aber nahe. RolfKrülle hat das Naheliegende getan und ist Kommunalpolitiker geworden. Sein offi­ zieller Eintritt in die Stadtpolitik von Villin­ gen-Schwenningen erfolgte 1972 mit der Wahl in den ersten Stadtrat unserer Doppel­ stadt. Diesem Gremium gehört er kontinu­ ierlich bis heute an. Die CDU-Fraktion hat in ihm einen kundigen, aber keinesfalls blin­ den Gefolgsmann, der sein kritisches Augen­ merk besonders der Jugendarbeit und Schul­ politik zuwendet, dabei aber auch die Gesamtentwicklung der Stadt nicht aus dem Blick verliert. Wenn heute der evang. Kir- chengemeinderat nicht mehr in jener alters­ schwachen „Beppelesstallidylle“ tagen muß, sondern ein einladendes Muslenzentrum zur Verfügung hat, so ist dies der großzügi­ gen Innenstadtsanierung zu verdanken, die vom Kommunalpolitiker Krülle mitbe­ stimmt und -begleitet worden ist. Das Ver­ trauen, das seiner politischen Arbeit durch die Bevölkerung entgegengebracht wird, zei­ gen die Wahlergebnisse in 5 Wahlen; sein Platz im Gemeinderat war nie in Gefahr. Daß ein Kommunalpolitiker nicht nur im engen Kirchturm- oder Rathaushorizont denken darf, vesteht sich, und gelegentlich beflügelt diese Selbstverständlichkeit auch die Reiselust der Gemeinderäte. Rolf Krülle hat seine ihm wohl angeborene Reiselust nie verleugnet, aber er hat sie im Gemeinderat nicht über Gebühr ausgelebt, sondern in den Dienst der Volkshochschule und damit der Gemeinschaft gestellt. Er ist bis heute ein bekannter und gefragter Reiseleiter. Wenn er früher für diesen „Beruf“ nur die Schul­ ferien benützen konnte, so hat er jetzt im Ruhestand andere Möglichkeiten. Von Finn­ land bis Portugal, von Flandern bis Ungarn, von Polen bis Spanien gingen die Reiserou­ ten per Bus, per Bahn oder auch mit dem Flugzeug. Wer einmal mit Rolf Krülle auf großer Fahrt gewesen ist, weiß alle jene Tugenden zu schätzen, die seine Autorität mitbedingen: Pünktlichkeit, Verhandlungs­ geschick, Sachkenntnis, gründlichste Vorbe­ reitung, Überblick, Führungsqualität, Wirt­ schaftsdenken, dazu die Fähigkeit, spannend und inhaltsreich über geschichtliche und kulturelle Zusammenhänge zu plaudern. Eine Krüllereise ist ein Bildungserlebnis. Daß Rolf Krülle neuerdings auch den kirchlichen Reisehunger mit einer Fahrt im Herbst 1993 nach Zürich und Genf zu den Stätten der Reformation befriedigt, hängt nicht nur damit zusammen, daß er dafür jetzt Zeit hat, sondern entspricht auch einer Lebensgrundeinstellung, die in seiner Arbeit auf verschiedenste Weise immer wieder zum Ausdruck kommt: Rolf Krülle ist evangeli­ scher Christ. In jungen Jahren hat er Men- 139

sehen kennengelernt, die ihn mit ihrem Glauben beeindruckt haben. Das war in der Zeit des Dritten Reiches und unmittelbar danach. Er erkannte, daß Gottes Wort eine tragende und kritische Kraft ist. Die Beschäf­ tigung mit Theologie im Studium war des­ halb kein Zufall, sondern entsprang der Frage nach dem Grund des Lebens und dem Verlangen, die Welt von daher zu begreifen. In diesem Zusammenhang ist auch die aktive Mitarbeit in der Kirchengemeinde zu verste­ hen. Als Mitarbeiter des CVJM gestaltete er Jugendgottesdienste mit, als Lehrer bereitete er in Zusammenarbeit mit der Evang. Akade­ mie und mit Theologen die traditionellen Reichenau-Tagungen vor, und als Gemein­ deglied stellte er sich als Bewerber für den Kirchengemeinderat zur Wahl. Von 1966 bis 1984 bekleidete er dieses Amt und war in die­ ser Zeit 12 Jahre lang einer der beiden Vorsit­ zenden des Gremiums. Im Blick auf diese Erfahrung einer engsten persönlichen Zusammenarbeit kann ich als der andere ehemalige Vorsitzende des Kirchengemein­ derats nur sagen: Es war ein Vergnügen, und es war konstruktiv für die Gemeinde. Nicht weil man mit RolfKrülle stets gleicher Mei­ nung sein kann oder sein muß, sondern weil man sich mit ihm auseinandersetzen kann. Kultur, besonders christliche Kultur, darf nicht dort aufhören, wo Meinungen, ja Überzeugungen, gegeneinanderstehen, son­ dern sie hat sich gerade dort zu bewähren, anders gibt es weder einen fruchtbaren Welt­ noch Kirchenfrieden. Rolf Krülle teht als Christ in der liberalen Tradition der Theolo­ gie. Sie befahigt ihn, offen zu sein für viele Anfragen, die heute an die Kirche herange­ tragen werden, und sie befahigt ihn auch, Verantwortung zu tragen, sowohl in der Institution Kirche, als auch weit über deren institutionellen Bereich hinaus. So verstan­ den war das Ausscheiden Rolf Krülles aus dem Kirchengemeinderat 1984 keine Absage an den kirchlichen Dienst, denn die Verbin­ dung zurlnstitution ist nie abgerissen. So hat sich Rolf Krülle 1991 entschlossen, das ihm angetragene Amt eine Lektors zu überneh- 140 men. In diesem Ehrenamt hat er die Auf­ gabe, Gottesdienste in Vertretung von Pfar­ rern zu leiten und nach Bedarf hin und her im Kirchenbezirk Tuttlingen zu predigen. Am 6.Januar 1993 hatte ich zum ersten Mal Gelegenheit, bei Rolf Krülle unter der Kanzel zu sitzen. Der Gottesdienst war in R.ietheim bei Tuttlingen. Am frühen Morgen hatte es auf eiskalten Untergrund geregnet, und die Straße war spiegelglatt. Wird er bei extremer winterlicher Wetterlage diesmal selbst auch pünktlich sein? fragte ich mich auf der Fahrt zum Einsatzort, und dachte dabei an 1969! Er war pünktlich, denn dafür hatte seine Frau Sorge getragen, die auf gefahrlicher Strecke am Steuer seines Wagens saß. Und damit wären wir mit dem Vielberufenen bei jenem Beruf angelangt, ohne den die Fahrt seines Lebens, minde­ stens seit 1962, wohl ganz anders verlaufen wäre: Rolf Krülle ist gestandener Ehemann und Familienvater. Seine Frau Waltraud geb. Luz ist eine waschechte Schwenninge­ rin. War das vielleicht der Grund dafür, daß der Wander- und Reiselustige sich ent­ schloß, nicht nach Schweden zu gehen, son­ dern die Seßhaftigkeit zwischen Schwarz­ wald und Baar anzunehmen? Ich weiß es nicht, aber ich behaupte: Waltraud Krülle, die ihren Mann nie angebunden, aber stets gestärkt und seine vielseitige Arbeit mitgetra­ gen hat, ist für ihn lebenswichtig geworden; zu diesem Leben gehören auch zwei Söhne und eine Tochter, die aus dem Ehepaar eine Schwenninger Familie werden ließen. Im Jahre 1991 beging die Realschule Schwenningen das Jubiläum ihres hundert­ jährigen Bestehens. Dieses Ereignis wurde festlich eine Woche lang gefeiert; zu den Höhepunkten gehörte auch ein Gottesdienst in der Stadtkirche. Die Verabschiedung des Rektors, der kraft Gesetzes mit 65 Jahren in den Ruhestand gehen mußte, geschah im Schatten – oder soll man sagen: in der Sonne? – dieses großen Festes. Dem Schei­ denden wurde von den Rektoren der Stadt Villingen-Schwenningen eine Ruhebank überreicht, damit er auf ihr künftig beschau-

lieh im Garten sitzen und von vergangenen Arbeitszeiten träumen kann. Der Sommer, der dem unruhigen Abschieds-und Festjahr 1991 folgte, war überraschend schön, und möglicherweise hat RolfKrülle je und dann die Gelegenheit genützt, sich auszuruhen. Daß er sich allerdings sehr oft von der Sonne braten ließ, wage ich zu bezweifeln. Der rüstige Pensionär ist nicht zu bedau­ ern, und er bedauert sich selbst wohl auch nicht, wenn er immer noch viele Termine hat: Gemeinderatssitzungen, Gottesdienste, Reiseleitungen und -auch diese Möglich­ keit eröffnet sich im dritten Lebensabschnitt -Weiterbildung, sei’s zu Hause, sei’s bei­ spielsweise in Israel, wohin der rüstige Pen­ sionär zuletzt über Ostern 1993 gejettet ist. ,,Uns ist gegeben, auf keiner Stätte zu ruh’n“, sagt Hölderlin. Bei RolfKrülle stimmt’s. Martin Günzler Bernhard Dury Kommunalpolitiker und Gastwirt „Ohne die tatkräftige Mithilfe meiner Familie wäre das alles nicht möglich gewe­ sen“, sagt Bernhard Dury, der am 7.1. 1928 in Bräunlingen geboren wurde, und sich nun langsam aus seinen vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten zurückzieht. Unter den zahlrei­ chen Auszeichnungen, die dem Kommunal­ politiker und Vereinsvorsitzenden für sein vielseitiges Engagement in den vergangenen Jahren zuteil wurden, bildete das 1987 ver- liehene Bundesverdienstkreuz den Höhe­ punkt. Landrat Dr. Rainer Gutknecht bezeichnete Dury bei der von ihm vorge­ nommenen Ehrung als „bescheidenen Mann der Praxis, als redlich denkenden und gerechten Bürger“, der der Jugend das Bei­ spiel gebe, ,,daß man mit diesen Eigenschaf­ ten auch heute Erfolg haben kann“. Der Land-und Gastwirt-Sohn hatte sich von Jugend an im Vereins-und Gemeinde­ leben engagiert. So war er bei der Neugrün­ dung des Sportvereins unmittelbar nach dem Krieg ebenso beteiligt -seine ersten Kickschuhe erwarb der damals 18jährige im Tausch gegen eine Geiß, wie er sich schmun­ zelnd erinnert-, wie an der Fonnierung einer aktiven Landjugend, bei der er von 1954 bis 1958 als Vorsitzender fungierte. Gründungs­ mitglied war Dury auch bei dem nach dem Krieg wieder ins Leben gerufenen Heimat­ und Trachtenbund Bräunlingen. Ebenfalls in den 50er Jahren war er Gründungsmitglied und Kassierer des Fremdenverkehrsvereins Bräunlingen. 1955 heiratete Bernhard Dury die Bräunlinger Bürgerstochter Friedhilde Müller, übernahm das elterliche Anwesen und trat als selbständiger Land-und Gastwirt in die Fußstapfen seines Vaters. Dessen Landgasthof wuchs in den Händen des Soh­ nes und seiner Familie zum heutigen Hotel ,,Lindenhof“, das bereits im Almanach vor-141

gestellt wurde Oahrgang 1980, Seite 212 ff.). 1959 wurde Bernhard Dury in den Auf­ sichtsrat der Raiffeisengenossenschaft ge­ wählt, 1962 zum Vorsitzenden ernannt; 1989 für 30jährige Vorstandsarbeit geehrt und er­ neut im Amt bestätigt. Beim Badischen Viehversicherungsverband gehört Dury seit Jahren dem Verbandsausschuß in Karl ruhe an. Kommunalpolitisch ist der Vater von fünf erwachsenen Kindern seit dem 4. November 1962 tätig, als er erstmals in den Bräunlinger Gemeinderat gewählt wurde. 1987 ehrte ihn Bürgermeister Jürgen Guse als zweiten Mit­ bürger mit dem Wappenteller der Stadt Bräunlingen für 25jährige Gemeinderats­ tätigkeit. Bereits 1984 konnte ihn der dama­ lige Bürgermeister Karl Schneider mit der Ehrenmedaille des Gemeindetages Baden­ Württemberg für mehr als 20jährige Mit­ arbeit im Gemeinderat auszeichnen. 1989 verzichtete Dury auf eine erneute Kandi­ datur als Stadtrat, wo er zuletzt als dienstälte­ stes Mitglied und stimmen tärkstes Ratsmit­ glied der CDU mitgearbeitet hatte. Von 1969 bis 1989 führte Bernhard Dury die CDU­ Gemeinderatsfraktion, war Respizient für das Städtische Krankenhaus, gehörte dem Bau- und Fremdenverkehrsausschuß an und wirkte als Bräunlinger Mitglied im Gemein­ deverwaltungsverband. Seit Jahren ist er auch Vorsitzender des Gutachterausschu – ses, der für die Ermittlung von Grundstücks­ werten zuständig ist. Mit dem Verzicht auf die Gemeinderatskandidatur endete auch das Amt des stellvertretenden Bürgermei- sters, das Dury seit dem 11. 11. 1971 innehatte, und in dem er immer wieder bestätigt wor­ den war. Von 1964 bis 1970 war Dury Vorsit­ zender des CDU-Stadtverbandes. Eine wei­ tere ehrenvolle Aufgabe führt der Bräunlin­ ger bereits seit 20 Jahren aus: in den Auf­ sichtsrat der Volksbank der Baar wurde er am 20. 6. 1972 erstmals gewählt. Nicht zu verges­ sen ist seine 25jährige aktive Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr. Seit 1965 ist Dury Mitglied der Kreistage, zuerst im ehe­ maligen Landkreis Donaueschingen, dann im Schwarzwald-Baar-Kreis. Dort ist er im Finanz- und Wirtschaftsausschuß, im Kul­ tur-, Sozial- sowie Krankenhausausschuß tätig. Für seine 24jährige Tätigkeit als K.ran­ kenhaus-Respizient wurde er 1989 geehrt, als er sich aus diesem Amt verabschiedete. Nachdem sich Herr Dury aus vielen kommu­ nalpolitischen Ämtern zurückgezogen hat, engagiert er sich dennoch weiterhin in seiner Gemeinde: 1990 wurde er erstmals zum Vor­ sitzenden des von ihm 1981 mitbegründeten Kulturfördervereins gewählt. Zuvor war er als Beirat aktiv. Auf seine Initiative wurden die Glocken der St.-Remigiu -Kirche saniert (vgl. Almanach 1992, Seite 178/179). Kom­ munalpolitik im Sinne de Bürgers zu machen und mitgestalten an der Gemeinde für die Bürger, das waren und sind die Ziele dieses Mannes, der seltenes Engagement bewiesen hat: Bernhard Dury, dessen Ein­ satz zurecht vielfach gewürdigt wurde, und der seinen Mitmenschen hoffentlich noch lange mit Rat und Tat zur Seite stehen wird. Barbara Rimmele Als Autor unvergeßlich: Hermann Alexander N eugart ,,langsam nur und bedächtig ist der Früh­ ling auf den Schwarzwald gekommen, als hätte er sieh seinen Einzug auf den Bergen als ein letztes ergötzliches Schauspiel aufbe­ wahrt“. Mit seinem Heimatroman „Das Rat­ zennest“1 l machte Hermann Alexander 142 Neugart (1893 bis 1974) eine „Zeit schwerster Heimsuchungen für die Stadt Villingen“ unvergeßlich. Und wer das Mittelalter in der Zähringerstadt noch legendärer will, erfaßt in einer Zeit des Rittertums, fehde- und raub­ lu tig als eine Periode der Landsknechte, der

Emma zwar als Wirtin des „Kleinen Stor­ chen“ (,,Rebstock“) in Villingen für den Unterhalt sorgen, doch Hermann Alexander soll in der Familie der ältesten Schwester und bei einem gestrengen Schwager aufwachsen. Doch der kleine Hermann Alexander ist unruhig, nimmt seinen ganzen Mut zusam­ men und mar chiert nach Villingen zur Mut­ ter, noch bevor er Schulerbue wurde. Von der Gerberstraße aus geht er zur Volksschule, und die Mutter sichert die Exi­ stenz als Wirtin: ,,Ällerhand für die damalig Ziet“, wie die Enkelin Elisabeth heute fest­ stellt. Es war wohl die örtliche Nähe zum Verlag und zur Buchdruckerei Müller, daß Her­ mann Alexander die „schwarze Kunst“ des Madonnen waren in den 20er Jahren das Ergeb­ nis der künstlerischen Arbeit von H. A. Neugart. Doch auch für den häuslichen Bereich bewies er sein Können mit Band-Schnitzereien an Schreib­ tisch und Bücher-Vitrine. 143 Sündenangst und der existenziellen Nöte, dem kann auch „Der unsterbliche Rebell“ gefallen.Jene eigenartige Geschichte des Vil­ linger Riesen Romeius (t 1513), der selbst bis heute alle bedeutenden Männer einer bewegten Stadtgeschichte zu überragen scheint … Ein Gespräch mit Neugarts Tochter Elisa­ beth, geboren 1921, macht dem neugierigen Fragesteller möglich, den Lebensweg eines Vaters zu skizzieren, der seine geschichtli­ chen Kentnisse nicht der „Alma mater“, son­ der einer populär-wissenschaftlichen Gründ­ lichkeit in Archiven verdankt, die zwei Romane, unzählige Zeitungsberichte und eine Broschüre hervorbrachte (Villinger Ori­ ginale). Ein strenger Schwager Hermann Alexander Neugart wird als elf­ tes und letztes Kind seiner Familie in Pfaffen­ weiler geboren; zu einer Zeit, da seine älteste Schwester schon verheiratet ist und dort die Wirtschaft zur „Post“ führt. Als Neugart wenig später Halbwaise wird, kann Mutter

Buchdruckens erlernte. Später, als Kriegs­ heimkehrer, hatte er an diesem Beruf Zwei­ fel. Lehrer wäre er gern geworden. Doch ein aufbauender Bildungsgang wurde ihm ver­ wehrt. Eine Kriegsverletzung an der linken Hand, die ihm die Fingerstellung ver­ krampfte, galt als zu deutlicher körperlicher Mangel, was sich Schulkinder als „Spott“ hätten erwählen können … Neugart heiratet wenig später die Villinge­ rin Hedwig Schober und wird heimisch. Als Buchdrucker-Geselle führten ihn nämlich seine Wanderjahre „auf der Walz“ bis nach Italien. Während Neugart mit dem Rucksack und meist zu Fuß unterwegs war, Mitfahr­ Gelegenheiten waren selten, pendelte ein Koffer postalisch hin und her: mal gefüllt mit frischer Wäsche und haltbaren Lebens­ mitteln von Villingen aus nach einer von Hermann per Brief mitgeteilten Stadt, mal retour mit ausgebrauchten Klamotten und Reiseandenken. Neugart kam in jenen Jahren auch nach Berlin, wo er wohl mit Journalisten zusam- Die Kunstform der Fayence beherrschte H. A. N. während seiner Zeit in der Keramischen Anstalt von H11ber-Röthe. Als Modelleur fertigte er hei­ lere Szenen, z11 denm rlllch die 7 Schwaben Lud­ wig Thomas „Frühlingsreigen“, das Rokoko­ Mädchen und der Geiger zählen 144 mentraf und an deren Arbeitsergebnis Gefal­ len fand. Wie sich Tochter Elisabeth erin­ nert, avancierte ihr Vater irgendwann zum ,,Hilfsreporter“ für das Villinger Volksblatt, das vom Verlag seines Arbeitgebers Müller in der Gerberstraße herausgebracht wurde. Kurze Liebschaft zur Muse Kam der freie Journalist Neugart von einem ereignisreichen Zeitungstermin zu­ rück, setzte er sich immer gleich an die be­ richtende Arbeit, oder er legte sich nach den jeweiligen Abendveranstaltungen ins Bett und schrieb auf einem kleinen Pult die Texte von Hand -Manuskripte eben. Nach wenigen Ehejahren war die Leiden­ schaft zum Verlagswesen nicht mehr sonder­ lich ausgeprägt. Neugart entdeckte gestalteri­ sches Talent in der figurativen Kunst. Er ver­ diente sein Arbeitseinkommen in der Werk­ statt des Holzbildhauers Keck in Villingen und schuf heitere, lebensfrohe Motive als Modelleur in der Keramischen Anstalt von Huber-Röthe, die in Villingens Wehrstraße in den 20er Jahren als Betrieb firmierte. Aus beiden Epochen sind Unikate ver­ blieben, die den Künstler Neugart beweisen: zwei Madonnen, Vasen, Fayencen mit Deckel, geziert durch pi.ippchengroße Figuren aus der Welt des Rokoko und der Musik … Doch die erwerbswirtschaftliche Seite einer Arbeit mit der Kunst schien der Ehe­ frau Hedwig zu unsicher. Neugart wechselte wieder in seinen erlernten Beruf und setzte die alltägliche Leistung als Buchdrucker fort; wieder beim Verlag Müller. Und so entstand wohl auch die endgültige Passion für die heimatbezogene Schriftstelle­ rei. Neugart, der immer viel für die Lokalaus­ gaben der Villinger Zeitungen verfaßt hatte, konnte sich „drinni steigere“ in die Lektüre lokalhi torischer Werke. Hauptsache, es ging um die Geschichte Villingens, die den 62jährigen Rentner brennend interessierte. Der Amateur-Historiker Neugart war wegen einer schweren Lungenkrankheit früh in den Ruhestand gezwungen worden. For/se/z1111g Seite 146

Bickenbriicke 1992 Wenn ich vu iisre Biggebruck alsmol so nab i d‘ Brigach guck, no freui mi ab iiserm Bach: Er lauft so ruhig, macht kon Krach. Er schuuset nit, wies andri dond, wo über Stock und Stei numm mond. Er loot sich Ziit und isch ko Gschoß, kunnt oenewäeg na, woner moß. Vum Hirzwald kunnt er, mit de Breg bringt er die stolzi Donau zwäg und mündet oni Wiederkehr im Süde zletscht is Schwarze Meer. Doch isch er au ko Gschoß, kon Schuuser, so ischer doch en Duklimuuser! Im Früehjohr, wenn ko Eis meh druckt, no word die Brigach zmols verruckt und isch wie imme böse Troom en gruusig kalte, breite Strom. Guet Nacht im Brigedal Ihr Buure, Ihr kinnet om alsmol grad duure! Doch wär iis d‘ Brigach niemols foel, si isch vu Villinge en Doel. Frühr, um iis vor em Feind z‘ bewahre, hit Hoemet vu de Enteschare, wo do im Winter zämmerucke, uf Fueter hoffe vu de Brugge. De Herrgott hät i siire Macht fer d‘ Schwenninger de Necker gmacht. Der lauft gottlob -mol grad, mol krumm, ge Oste zu de Schwobe numm, duet mit em Rhein sich zletscht verbinde, mit dem vereint i d‘ Nordsee münde. So hond mir älli iisern Bach und krieget wege dem kon Krach. Elisabeth Neugart 145

siege! von 1530 setzte sich der Autor Neugart ein weiteres Ziel: die Zeit des Romeius (um 1500) vom „Flugsand der Sage und Fabuli­ stik“ zu befreien und wieder ursprünglicher zu machen. So entstand „Der unsterbliche Rebell“, 1970, illustriert durch eine Bilder­ folge des Richard Ackermann (1892-1968). Maximilian l. kam als Herrscher jener Zeit um 1500 in vorderösterreichischen Landen „glih noch em Herrgott“ – wenigstens für H.A.N. Tochter Elisabeth begleitete den Vater einst nach Innsbruck, wo Hermann Alexan­ der alle Möglichkeiten der Informationen über den kaiserlichen Herrn ausschöpfte … Fasnet im „Ott“ Seine starke Beziehung zu Villingen läßt vermuten, daß H. A. N. auch der Villinger Fasnet sehr verbunden war. Doch dies stimmt nur zum Teil, denn ins Häs ging er In Miniatur schnitzte Manfred Merz d’Sahfi­ Scheme von Hermann Afexrmder Neugarl nach, um dem Schöpfer einen nachhaltigen Beweis auch mit dem Surhebef als Begleiter zu sichern. BI. 14 · Job 008 · Almanach ’94 Energisch, bisweilen streng, diszipliniert und häuslich, jovial bei offenem Humor- so kannte man den später als Heimatdichter benannten Neugart, wenn er Besorgungen für den Haushalt und die Küche auf dem Wochenmarkt erledigte und er dabei „ko G’schwätz“ ausließ: „Bisch wieder vu om Arm in andere kait … ?“, war an solchen Tagen die konstatie­ rende Frage von Ehefrau Hedwig. Neugart war sich schließlich sicher, daß er seine Leidenschaft für Villingen mit anderen teilen könnte: ,,Werner en Roman macht, fresset d’Liet au des Historische.“ Unterstützt wurde Neugart durch die per­ sönlichen Beziehungen zu Professor Paul Revellio, dem Gymnasiallehrer und neben­ beruflichen Hüter der Altertümersammlung, und zum Verleger Hermann Müller sen. H. A. N., so zeichnete Neugart später all seine Zeitungsartikel, hat viele Textseiten sei­ nes Romanes nachts geschrieben, im Bett lie­ gend, weil ihm dies die Atmung erleichterte, bis das Manuskript für „Das Ratzennest “ schließlich gesetzt werden konnte. Damals war den französischen Besatzern im einstigen Baden ein Roman über den 30jährigen Krieg jedoch „verdächtig“: eine Kopie mußte an die Haupt-Kommandantur der Standortstreitkräfte geschickt werden … retour kam die Freigabe und ein zerfledder­ tes Päckchen mit den Textseiten, das ein Bahnbediensteter irgendwo in Bahnhofs­ nähe gefunden (!) hatte. Einen „Kratte!“ als Autor hatte er nie, stolz jedoch war er. Auch auf die Stadt, die mit einer Subskription von mehreren hundert Exemplaren den Druck möglich machte. Irgendwann wurde H. A. N. auch Sippen­ ältester im Kreise all der Namens-Vettern, die sich jährlich und regelmäßig um Villin­ gen herum zum Sippentag trafen. Er erle­ digte den Schriftverkehr und übernahm die obligate Begrüßung von Vettern und Basen. Glih noch em Herrgott Vielleicht auch beflügelt von der städti­ schen Auszeichnung mit dem großen Stadt- 146

nicht. Was ihm aber auch Anerkennung für die „fünfte Jahreszeit“ brachte, waren zwei Schemen, die an Neugarts Werkbank ent­ standen waren. Beim Bäcker Haas in der Färberstraße gehörte auch „d’Sahli“ zur Kundschaft. Eine Weibsperson, die dem Bäckermeister wegen ihrer Physiognomie wert erschien, daß man danach eine Morbili-Scheme schnitze. Und der Hermann Alexander schaffte auch dies zur Perfektion. Ein Surhebel machte das Pär­ chen perfekt, und „d’Sahli“ mußte a de neggschde Fasnet feschtstelle: ,,Des bin jo ich!“ Ein wenig närrsch soll sie daraufhin schon gewesen sein … Doch H. A. N. nahm’s gelassen. Denn auch auf seine Artikel in der Zeitung – der erste einer ganzen Serie datiert vom Samstag, den 22. Oktober 1949: Villingen, die älteste Stadt Badens – konnte er immer wieder erfahren: ,,D’Liet schwätzet wieder!“ Eine Feststellung, die er von den Stammtisch­ sitzungen im „Ott“ nach Hause mitbrachte, wo vor allem an den „Hohen Tagen“ dem Neugart kräftig gestrählt wurde. Wolfgang Bräun Anmerkung: II Der Roman „Das Ratzennest“ wird von der Buch­ handlung „Hügle“, VS-Villingen, neu aufgelegt und ist voraussichtlich ab Oktober1993 auf dem Markt er­ hältlich. Helga Eilts praktiziert als Ortsvorsteherin Bürgernähe Baden-Württembergs einzige Ortsvorste­ herin residiert in der 1200-Seelen-Gemeinde Tannheim, einem Stadtbezirk des Oberzen­ trums Villingen-Schwenningen. Residieren ist schon fast zu hoch gegriffen, denn die Befugnisse und die Entscheidungsfreiheiten einer ehrenamtlichen Ortsvorsteherin wie Helga Eilts es ist, sind beschränkt. Auch wenn die Kompetenzen beschnitten sind, Helga Eilts setzt sich mit allen ihr zur Verfü­ gung stehenden Mitteln für die Bürger und ihre Ortschaft ein. Etwas Kämpferisches, gepaart mit unbän­ digem Einsatzwillen, etwas für ihre Bürger und die Gemeinde erreichen zu wollen, muß der Rathauschefin, in der man beim Ge­ spräch eher eine ratgebende Freundin ver­ mutet, wohl schon in die Wiege gelegt wor­ den sein. Gerne erinnert sich Helga Eilts an das Jahr 1969, als sie mit ihrer Familie ihren Geburts­ ort St. Georgen verließ, um sich in Tann­ heim anzusiedeln. ,,Die Bürger haben uns freundlich aufgenommen. Das Hineinwach­ sen in die Dorfgemeinschaft wurde uns leicht gemacht“, meinte sie. Zum ersten Engagement für ihre neue Heimatgemeinde kam es im Januar 1980, als der Fortbestand der örtlichen Hauptschule gefährdet war. ,,Als damalige Elternbeirats­ vorsitzende habe ich gelernt, was es heißt, zu kämpfen“, erinnert sich Helga Eilts. Wie der Kampf mit dem Kultusministerium um die Existenz der Tannheimer Hauptschule aus- 147

ging, ist hinreichend bekannt. Helga Eilts schaffte es, daß sich sogar der damalige Mini­ sterpräsident Lothar Späth dafür einsetzte, daß die Tannheimer Kinder weiterhin ihre Schule besuchen durften. Bestärkt mit dem Gedanken, daß man bei genügend Stehvermögen auch etwas für das Gemeindewohl erreichen kann, ließ sich Helga Eilts 1980 erstmalig auf die Kandida­ tenliste zur Wahl der Ortschaftsrates setzen und wurde auch prompt gewählt. Wie sehr die Bevölkerung das Wirken von Helga Eilts im Ortschaftsrat honorierte, wurde beim Wahlgang im Jahre 1989 deut­ lich. Von 652 Bürgern, die zur Wahl gingen, erhielt sie 937 Stimmen (durch Kumulieren). Ein Ergebnis, das bisher noch nie ein Ort­ schaftsrat bei einer Kommunalwahl in Tann­ heim erreicht hatte. Helga Eilts hatte damit auch den größten Vertrauensbonus in der Bürgerschaft, um das Amt des Ortsvorstehers als Nachfolgerin von Johann Werne anzutreten. Am Niko­ laustag, den 6. Dezember 1989 war es soweit: Nach eindeutigem Wahlausgang verkündete die frischgebackene Ortsvorsteherin, daß für sie der oberste Grundsatz gelte, die Ver­ waltung so bürgernah wie nur möglich zu gestalten. Daß sie ihr Versprechen von der praktizie­ renden Bürgernähe gehalten hat, kann man Helga Eilts heute nur bestätigen. In Tann­ heim wird sie als Ortsvorsteherin mit Herz bezeichnet, weil sie auch Ansprechpartner außerhalb der offiziellen Öffnungszeiten im Rathaus ist. Zu den Wesensmerkmalen meines Freun­ des Alexander Graf, dem weit über Bad Dürr­ heim hinaus bekannten Innenarchitekten, gehört es zweifellos, daß er nie etwas aufge­ geben hat und daß er nie aufgibt. Wenn er sich auch im vergangenen Dezember sozusa- 148 Alexander Graf Ein weit über Bad Dürrheim hinaus bekannter Architekt Helga Eilts sieht darin keinen Nachteil, wenn sie manchmal auf dieses oder jenes Problem außerhalb ihrer Dienstzeit ange­ sprochen wird. Sie vertritt die Meinung, daß man für die Anliegen der Bürger immer ein offenes Ohr haben sollte. Offen bekennt die Ortsvorsteherin, daß es nicht immer einfach ist, alles in Einklang zu bringen. In einem Ort von der Größe Tannheims ist vieles noch persönlicher, als in der Stadt. Man kennt sich eben. Der Bür­ ger erwartet von der Ortsvorsteherin oftmals mehr, als diese an Kompetenzen verfügt. „Der Rahmen der Kompetenzen läßt mir manchmal nur den Status einer Verhand­ lungsperson zukommen“, meint die Orts­ vorsteherin. ,,Dennoch ist es ein gutes Gefühl, dem ratsuchenden Bürger Möglich­ keiten aufzuzeigen, die ihm weiterhelfen.“ Zurückblickend meinte Helga Eilts, daß sie zu Beginn ihrer Tätigkeit eine intensive Lernphase absolviert hat, um sich in den gro­ ßen Verwaltungsapparat einzuarbeiten. ,,Für mich“, so Helga Eilts, ,,war die Anlaufzeit hart, da ich keinen Beruf auf dem kommuna­ len Verwaltungsbereich erlernt habe.“ Recht früh machte Helga Eilts klar, daß sie bei ihren Anliegen für den Ort Tannheim als Ortsvorsteherin bei den städtischen Be­ hörden nicht nur höflich behandelt und anerkannt sein möchte. Sie will ernst genom­ men werden. ,,Meinen Mantel kann ich mir alleine anziehen“, meinte die Liebhaberin russischer Musik. Georg Stefan Kaletta gen zur Ruhe setzte, indem er nach seinem 70. Geburtstag sein Architekturbüro an sei­ nen Sohn Andreas übergab, so heißt dies noch lange nicht, daß er Bürgern, Freunden und Studenten nicht noch weiter mit Rat und Tat zur Seite steht.

noch den Meisterbrief im Schreinerhand­ werk hinzu. Bevor er sich 1957 selbständig machte und schließlich in Bad Dürrheim seßhaft wurde, schaute sich der spätere Innenarchitekt noch in manchem Büro um. Bereits 1957 wurde er Mitglied der Architek­ tenkammer und wenig später schloß er sich auch dem neugegründeten Bund Deutscher Innenarchitekten (BDIA) im Lande Baden­ Württemberg an. Der in Kempten im Allgäu geborene Alexander Graf darf sich übrigens als einer von wenigen mit drei Berufsbezeichnungen schmücken: Er ist freier Architekt, freier Innenarchitekt und Schreinermeister. Schon sein Vater war angesehener Bankdirektor, Kommerzienrat und Leiter einer von ihm gegründeten gemeinnützigen Wohnungs­ baugesellschaft. Schon bald nach seinem Eintritt in die Kammer wuchs sein Interesse für die Berufs­ politik.1960 stellte er sich erstmals zur Wahl und wurde Mitglied der Landesvertreterver­ sammlung. Für die Fachrichtung der Innen­ architekten ging er in den folgenden Jahren immer wieder erfolgreich ins Rennen. Der freie Innenarchitekt Graf ließ sich im Jahre 1964 auch in der Fachrichtung Hoch­ bau eintragen und engagierte sich mit Bil­ dung der Bundesarchitektenkammer (BAK), deren Gründungsmitglied er war, im Jahre 1969 sofort auch aufBundesebene für seinen Berufsstand. So war es schließlich nur folge­ richtig, daß Graf nicht nur Mitglied des Landesvorstands der Architektenkammer Baden-Württemberg, sondern auch als In­ nenarchitekt für seine Fachrichtung Mit­ glied des Bundesvorstands der BAK wurde. Beide Ämter hat er über Jahrzehnte hinaus zielgerichtet und erfolgreich wahrgenom­ men. Für seinen unermüdlichen Einsatz schul­ det ihm außer seinen Freunden im Landes­ und Bundesvorstand die gesamte Architek­ tenschaft des Landes und Bundes Dank und Anerkennung. Nicht nur der Umgang mit­ einander wäre freundlicher und kollegialer, wenn es mehr Menschen vom Schlage Alex- 149 1939 gelang es Alexander Graf, kurz bevor er zum Militär eingezogen wurde, noch in München sein Abitur am alten Realgymna­ sium zu machen. Bis 1943 war er im Range eines Leutnants als Flugzeugführer über Eng­ land und Rußland eingesetzt. Bei einem Flugeinsatz über Rußland wurde er 1943 abgeschossen und geriet mit schwersten Ver­ letzungen in russische Kriegsgefangenschaft. Nach 5jähriger Kriegsgefangenschaft begann er 1948 nach seiner Rückkehr in einer be­ kannten Schreinerei in Konstanz eine Lehre, die er 1950 mit der Gesellenprüfung abschlie­ ßen konnte. Anschließend vervollkomm­ nete er seine handwerklichen und auch sprachlichen Kenntnisse bei einer Innenaus­ baufirma in der Nähe von Lausanne am Gen­ fer See. Doch strebte er nach Höherem: Er besuchte 3 Jahre lang die staatliche Kunst­ handwerkschule in Bonndorf und erreichte dort im Fach Innenarchitektur einen sehr guten Diplomabschluß. Dem fügte er 1954

ander Grafs gäbe, auf deren Zuverlässigkeit, Kollegialität und Bereitschaft auch schwie­ rige Aufgaben zu übernehmen, man bauen kann. An dieser Stelle soll nicht verschwiegen werden, daß Alexander Graf neben diesen Eigenschaften über eine spezielle zeichneri­ sche Begabung verfügt, die ihn in Sitzungen Begebenheiten und Gedanken schnell erfas­ sen und mit Ironie und Witz zeichnerisch umsetzen ließ. Während andere sich die Köpfe heiß redeten, dachte er mit, etzte sich für seine Fachrichtung stets ein, skizzierte aber auch gleichzeitig, sehr zur Freude der Runde, die schon gespannt auf da zeichne­ risch festgehaltene Ergebnis nach Abschluß des ent prechenden Tagesordnungspunktes wartete. Alexander Graf ging nicht nur in der Berufspolitik auf. Zu seinem Werk als Archi­ tekt und Innenarchitekt gehören über 200 Hotels, Gaststätten, Cafes, die nach seinen Plänen zum Teil neugebaut, renoviert oder umgebaut wurden. Sein letztes große Werk in Bad Dürrheim war der Umbau der alten „Siedepfanne“ zum „Haus des Bürgers“, in dem ihm Landrat Dr. Gutknecht im Juni 1992 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse überreichte. Schon 1981 hatte er vom damaligen Bür­ germeister und Kurdirektor Otto Weissen­ berger im Namen des Bundespräsidenten für seine zahlreichen Engagements in der Öffentlichkeit und im Berufsstand das Bun­ desverdienstkreuz am Bande erhalten. Neben diesem beachtlichen Einsatz übte Alexander Graf bis vor kurzem weitere ehrenamtliche Tätigkeiten bei verschiede­ nen Vereinen und Verbänden aus. Dazu zäh­ len sicherlich seine jahrelange Vorstand­ schaft beim Turnerbund und seine Tätigkeit als Vorsitzender der VDK. Darüber hinaus war Alexander Graf, der sich politisch zur CDU hingezogen fühlt, für diese Partei auf kommunalpolitischem Gebiet als Vertreter im Bauausschuß und als Vertreter seiner Fraktion im Stadtentwicklungsausschuß tätig. Es bleibt zu hoffen, daß Alexander Graf, der mit einer Malerin verheiratet ist, nun wieder mehr Zeit für seine Hobbys, dem Reisen und der Fotografie, findet. Prof. Peter Schenk Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg Eugen Müller Vorbildlich in seinem sozialen Wirken Eugen Müller, ein Mensch wie Du und ich. Fast. Denn Eugen Müller ist weit mehr eine Institution. Und das weit über die Schwenninger Grenzen hinaus. In einem Leben voller Engagement – selbstlos, jeder­ zeit hilfsbereit und stets ansprechbar für die sozial Schwächsten einer auf reinen Materia­ lismus ausgerichteten Gesellschaft. Wer kennt ihn nicht, den „Eugen“ – aber, wer kennt diesen Mann wirklich? Ein Mensch, dem ein von Herzen kommendes ,,Danke schön“ eines Ratsuchenden tau­ sendmal mehr bedeutet, als jedes öffentliche Lob. Sein oft genug bis an die physischen Grenzen gehender Einsatz „Hoffnung zu 150 wecken, um damit neue Lebensfreude zu schenken“ ist als sein Lebenswerk auch nur so zu verstehen. Eine Lebensphilosophie, aus einer intakten familiären Kraft geschöpft und mit der ihm eigenen Energie uneigen­ nützig weitergegeben. Wenn Oberbürgermeister Dr. Gebauer in seiner Laudatio bei der Überreichung des Bundesverdienstkreuzes im Mai 1989 an Eugen Müller immer wieder betonte: ,,Sie haben diese Auszeichnung mehr als ver­ dient“, so war dies sicherlich keine der übli­ chen Verleihungs-Floskeln. Eben, weil er sich, aus dem Krieg schwerverwundet heim­ gekehrt, sofort mit innerer Kraft und persön-

licher Ausstrahlung in einem Maße enga­ gierte, die, aus heutiger Sicht, einfach unglaublich erscheint. Wenn wir mit einem Blick in sein Leben diese, seine Aufgaben zu verstehen versu­ chen, so können es nur „Stationen“ – groß­ zügig skizziert – werden. Stationen eines erfüllten Lebens, das heute, in seinem Un-Ruhestand, noch genau so aufregend und turbulent ist wie eh und je! Eugen Müller war eines von sieben Kindern eines Dorfschmieds in Horgen. Schon als Kind mußte er in der elterlichen Landwirtschaft mitarbeiten. In die Nieder­ eschacher Zeit (1933-38) fallt die Arbeit als Gangmacher bei Jerger-Uhren. Von 1939 bis 1941 radelte (!) er zur Ausbildung als Uhr­ macher in die Schwenninger Feintechnik­ Schule. Seine lakonische Feststellung: ,,Es war halt wenig Geld da.“ Nach dem unheilvollen Krieg mit all seinen unrühmlichen Nebenerscheinungen fand Müller, schwerkriegsversehrt, Arbeit als Verwaltungsangestellter bei der Stadt Schwenningen. Mit seinem engagierten Ein­ treten beim städtischen Personalrat stellte er – sich unbewußt – die Weichen für seine späteren Tätigkeiten. Zum einen war es die ÖTV, der er vor 40 Jahren beitrat und zum anderen der Verband der Kriegs- und Wehrdienstopfer, Behinder­ ten und Rentner Deutschlands (VdK), zu dessen Gründungsmitgliedern er 1948 m Schwenningen gehörte. Nach 4 Jahren ÖTV-Vorsitzender m Schwenningen kam mit der Wahl als erster hauptamtlicher Geschäftsführer der ÖTV­ Kreisverwaltung -1952 – für die Landkreise Donaueschingen, Rottweil, Villingen und Tuttlingen auch die Bürde ungezählter Ehrenämter. So zum Beispiel: Schöffe beim Landgericht Konstanz, Sozialrichter am Sozialgericht Reutlingen, SPD-Mitglied im Gemeinderat Schwenningen, dann in der Doppelstadt, im Kreistag des Landkreises Rotteil, danach im Schwarzwald-Baar-Kreis. Sein Engagement in der Gewerkschaft ÖTV verlangte Einsätze bis zur Landesebene. Auf den gleichen Ebenen bewegte sich seine poli­ tische Tätigkeit in der SPD. Volkshoch­ schule, Städtischer Seniorenrat, Sportver­ eine – Betätigungsfelder, die weit über das übliche Maß des nur „Dabeiseins“ hinaus­ gingen. Das ist die e i n e Seite der „Müller­ Medaille“. Das zweite Standbein seines selbstlosen Wirkens für all jene, die oft genug auf dem Abstellgleis des deutschen Wirt­ schaftswunders standen, ist die uneinge­ schränkte Mitarbeit im VdK. Dieser Verband der Kriegs- und Wehrdienstopfer, Behinder­ ten und Sozialrentner Deutschlands hatte in Müller schon 1948 ein aktives Gründungs­ mitglied der Ortsgruppe Schwenningen und des VdK-Kreises Rottweil. Rein optisch besagen 37 Jahre Ortsverbandsvorsitzender und über 20 Jahre zweiter Kreisvorsitzender eigentlich wenig. Aber, was an Leistung, tat­ kräftiger Hilfe und geopferte Freizeit für die Sache der Armen und Ärmsten unserer Gesellschaft dahintersteht, schlicht unvorstellbar. ist Ein bleibendes Denkmal setzte sich Mül­ ler selbst: in Zusammenarbeit mit der GSW Sigmaringen, Bauträgerunternehmen des VdK-Landesverbandes Baden-Württemberg, 151

Ingrid Hasenfratz Bäuerin aus Berufung wurde auf die engagierte Initiative Müllers der Bau von Wohnungen für Schwerbeschä­ digte und Hinterbliebene in Schwenningen zügig fortgeführt. Bis heute sind es im Bereich unserer Stadt 540 Mietwohnungen, die im Augenblick in großem Stil und finan­ ziellem Aufwand erneuert werden! Natürlich schätzen seine unzähligen Freunde sein kompetentes Wissen, sein Frau Ingrid Hasenfratz aus Unterbaldin­ gen steht nicht nur als Bezirksvorsitzende den Landfrauen des ehemaligen Donau­ eschinger Kreises mit 35 Vereinen und 2300 Mitgliedern vor, sondern sie ist noch mit weiteren Ehrenämtern betraut: Beisitzerin im geschäftsführenden Vorstand des Land­ frauenverbandes Südbaden, Freiburg, und Vertretung des Verbandes im Strukturaus­ schuß des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes, Mitglied des Agraraus­ schusses im Deutschen Landfrauenverband. Frau Hasenfratz entstammt einem land­ wirtschaftlichen Betrieb aus Unadingen und ist somit von klein auf der Landwirtschaft verbunden. Sie absolvierte die klassische Ausbildung in der ländlichen Hauswirt­ schaft, erhielt nach einer dreijährigen Ausbil­ dungszeit den Gehilfenbrief und legte J 970 die Meisterinnenprüfung ab. In der Familie leben drei Generationen zusammen. Von den drei Töchtern stehen mittlerweile zwei auf eigenen Beinen. Heute führt sie zusam­ men mit ihrem Mann Erich Hasenfratz einen 40 ha großen Betrieb im Zuerwerb und erlebt hautnah die Probleme und Ver­ änderungen in der Landwirtschaft. Aus diesen Erfahrungen heraus kann sie in der Öffentlichkeitsarbeit die Belange der Bäue­ rinnen und der bäuerlichen Familien über­ zeugend vertreten. Die seit 1949 im Kreisgebiet bestehen­ den und rührigen Ortsvereine ließen Frau 152 glaubhaftes Engagement, seine unerschüt­ terliche Hilfsbereitschaft und sein konse­ quentes Handeln. Die Kraft seiner Ausstrah­ lung läßt so jede Begegnung mit ihm zu einem echten Gewinn werden -ob Freund oder „nur“ Ratsuchender. Und so wurde und ist „Eugen“ eine Institution. Eduard Krohn Hasenfratz den hohen Stellenwert einer organisierten Landfrauenarbeit erkennen, und so regte sie 1971 die Gründung eines Landfrauenvereins in ihrer Heimatgemeinde Unterbaldingen an. Bei der Gründungsver­ sammlung wurde sie zur Vorsitzenden ge­ wählt und hatte dieses Amt bis 1989 -6 Wahl­ perioden lang -inne. Zusammen mit einer aktiven Vorstandschaft entfaltete sich ein reges Vereinsleben mit Vorträgen und Lehr­ gängen über fachliche, berufskundliche, agrar-und gesellschaftspolitische, medizini­ sche Themen, besinnlichen Feiern, Lehr­ fahrten und nicht zu vergessen, mit der

Gestaltung der berühmten Unterbaldinger Frauenfasnet, ein Geheimtip für den Um­ kreis. Nach 18 Jahren übergab Frau Hasen­ fratz einen wohlbestellten Verein ihrer Nachfolgerin, Frau Brigitte Merz, der von 15 Gründungsmitgliedern auf die stattliche Zahl von 66 Frauen angewachsen ist. Dieser Aufwärtstrend ist auch dadurch bedingt, daß die Landfrauenvereine für alle Frauen in den Gemeinden offen sind. Neben dem Ortsvorsitz war Frau Hasen­ fratz ab 1980 Beisitzerin im Bezirksvorstand und ab 1985 Stellvertreterin der damals am­ tierenden Vorsitzenden, Frau Cäcilie Dury. 1988 übernahm sie den Vorsitz. In dieser Eigenschaft obliegen ihr und dem 10 Perso­ nen umfassenden Gremium die Verbands­ arbeit auf Bezirksebene. Es gilt, Fortbil­ dungsmaßnahmen für Landfrauen wie Rhe­ torik-und Presseseminare, mehrtägige Lehr­ fahrten für die Vorstandsfrauen der Ortsver­ eine, die alljährliche große Bezirksversamm­ lung, die Besprechung der Winterarbeit auf Ortsebene, die Beteiligung der Landfrauen bei der Südwestmesse und noch vieles andere mehr zu organisieren und zu leiten. Zwölf hauswirtschaftliche Familienbe­ treuerinnen wurden in einem 150 Stunden umfassenden Lehrgang ausgebildet, um sich für Pflege-und Betreuungsaufgaben in der eigenen Familie vorzubereiten, um qualifi­ zierte Nachbarschaftshilfe leisten oder einer eventuellen außerhäuslichen Tätigkeit nach­ gehen zu können. Die Landesgartenschau 1994 in Bad Dürr­ heim erfordert neue Aktivitäten durch Gestaltung und Anlage eines bäuerlichen Hausgartens. Der Landfrauengarten wird die ganze Ausstellungszeit von den verschiede­ nen Ortsvereinen aus dem ganzen Kreisge­ biet betreut. Was im heimischen Garten wächst, muß auch verwertet werden, und dabei hilft das Kochbuch „Wir essen uns durch’s Gartenjahr“ mit bodenständigen Gerichten, das speziell für die Gartenschau zusammengestellt wird. Ein großes Anliegen von Frau Hasenfratz ist die ständige Weiterbildung der Bäuerin- nen. Es reicht heute für eine Landfrau nicht mehr aus, fachlich versiert die Arbeit in Haus, Stall und Außenbereich zu verrichten. Um verantwortlich mitentscheiden zu kön­ nen, braucht sie Einblicke in die Agrarpoli­ tik, Wissen um die Zukunftschancen der landwirtschaftlichen Betriebe, mögliche Betriebsentwicklungen, soziale Absicherung der bäuerlichen Familie. All dies vermittelte das von ihr ausge­ schriebene 7 Abende umfassende Seminar „Management für Bäuerinnen“. Es wird mit neuen Themen über Buchführung, Daten­ verarbeitung, Lebensmittelqualität und Gen­ technik weitergeführt. Es soll auch bei den Teilnehmerinnen das Selbstvertrauen in die eigenen Kräfte stärken und die Bedeutung des bäuerlichen Berufsstandes für die Ge­ samtbevölkerung bewußt machen. Eine Fülle guter Ideen wollen nicht nur gefunden, sondern auch tatkräftig umgesetzt werden. Dafür ist ein großer Einsatz an Zeit, Kraft und Ausdauer erforderlich. In Frau Hasen­ fratz wurde diese engagierte Vertreterin mit dem Sinn für das Mögliche und Machbare gefunden und mit dem Herzen auf dem rechten Fleck. Gertrud Lindig Sprich nie ein böses Wort, Du könntest es bereuen, Denn viele, da und dort, Wie würden sie sich freuen. Sag‘ nur ein gutes Wort, Das alle mag beglücken, Ganz gleich, an welchem Ort, Voll Liebe und Entzücken. Doch nur das große Wort Sprach Gott, der Herr der Erde, Es dauert immerfort Das erste Wort, es werde. Johannes Hawnert 153 Das Wort

Professor Dr. phil. Gert Böhme ,,Ich freue mich, ihm (Ger/ Böhme), dem Hoch­ begabten, Fleißigen, Pflichtbewußten und Gebil­ deten bestätigen zu können, daß er seinen Lehr­ auftrag vorbildlich ausgeführt und bei seinen Kol­ legen wie bei seinen Studierenden Ansehen genos­ sen hat.“ Ein vorbildlicher Hochschullehrer mit außergewöhnlichen sozialen und gemeinnützigen Verdiensten Am 14. Dezember 1992 erhielt Professor i.R. Dr. Gert Böhme, Furtwangen, aus der Hand des taatssekretärs im Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Baden-Württemberg, Josef Dreier, das Ver­ dienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Damit wurde eine jahrzehntelange besonders erfolgreiche Tätigkeit als Hochschullehrer, aber auch die außergewöhnlichen Ver­ dienste von Gert Böhme auf sozialen und gemeinnützigen Gebieten, geehrt. Gert Böhme wurde am 15. 7.1930 als Sohn des Apothekers Herbert Böhme und seiner Ehefrau Margarita, geb. Albrecht, in Dres­ den geboren und daselbst evangelisch getauft. Nach Volksschule und Gymnasium legte er im Sommer 1949 die Reifeprüfung mit dem Ergebnis „sehr gut“ ab. Es schlossen sich an Studium der Mathematik, Physik, Philosophie (Staatsexamen, FU Berlin 1958), Psychologie, Medienpädagogik, Kognitions­ wissenschaft (Dr. phil. Univ. Klagenfurt 1987). 1958 erfolgte die Eheschließung mit Gerlinde von Wichtingen. Von 1958 bis 1959 war Gert Böhme hauptamtlicher Dozent an der Staatlichen Ingenieurschule Eßlingen. Der damalige Direktor Prof. Dipl.-Ing. Meer­ warth schrieb in sein Dienstzeugnis: Von 1959 bis 1960 arbeitete Gert Böhme in der Abteilung Flugmechanik der Firma Bölkow-Entwicklungen in Ottobrunn bei München auf dem Gebiet der Grundlagen­ forschung zur Bahnkinematik gelenkter Flugkörper. Am 1. 4. 1960 wurde er als Dozent an der Staatlichen Ingenieurschule Furtwangen 154 angestellt. Es folgten die Ernennung zum Oberbaurat unter Berufung in das Beamten­ verhältnis auf Probe zum !. 2. 1962, die Ver­ beamtung auf Lebenszeit 1965, die Ernen­ nung zum Professor 1969 und zum Professor als Abteilungsleiter 1971. 1978 erhielt Gert Böhme das Amt eines Professors Besol­ dungsgruppe C3. Zehn Jahre lang hat Gert Böhme zunächst als Dozent im Fachbereich Feinwerktechnik der Staatlichen Ingenieurschule Furtwangen die „Mathematik für Ingenieure“ in der Lehre vertreten und mit „Schaltalgebra“ sowie „Programmieren“ mit verschiedenen Programmiersprachen vor den meisten anderen Ausbildungsstätten die elektroni­ sche Datenverarbeitung als Bestandteil des Ingenieur-Studiums verankert. Nach der Überleitung der Ingenieur­ schule in die Fachhochschule Furtwangen

kamen zu den Lehrveranstaltungen auf ver­ schiedenen Gebieten der Mathematik neue Betätigungsfelder von Gert Böhme in For­ schung und Lehre hinzu, u. a. Informations­ und Codierungstheorie/Formale Sprachen, Präsentationstechnik/Logik und Algorith­ mentheorie, Künstliche Intelligenz, Fuzzy­ logik. Besonders hervorzuheben sind seine fur die Studienkommission für Hochschul­ didaktik durchgeführten Einführungssemi­ nare für neuberufene Professor(inn)en mit den Schwerpunkten Lehrverhaltens-Trai­ ning, Motivations- und Medientechnik sowie seine Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Kognitionspsychologie. Gert Böhme hat über seine dienstliche Pflichterfüllung als engagierter Hochschul­ lehrer für die Fachgebiete Mathematik und Informatik hinaus außergewöhnliche Ver­ dienste auf vielen sozialen und gemeinnützi­ gen Gebieten für das allgemeine Wohl erworben. Zu erwähnen sind insbesondere Gründung der Studienkommission für Hochschuldidaktik an den Fachhoch­ schulen Baden-Württembergs 1970. Wahl zum Vorsitzenden des Lenkungsaus­ schusses (bis 1982), Mitglied des Lenkungsausschusses bis 8/92. Konzeption und Leitung der hochschul­ didaktischen Einführungskurse für neu berufene Professoren (seit 1981) sowie Betreuung von über hundert hochschul­ didaktischen Forschungsprojekten (seit 1971). für Hochschuldidaktik – Aufbau und Leitung des ersten hoch­ schuleigenen Rechenzentrums mit der IBM 1620 und Einführung von „Program­ mieren“ als obligatorisches Lehrfach in der Feinwerktechnik bereits 1963/64. Entwicklung objektivierter Unterrichts­ einheiten, erste Versuche zu einem com­ puterunterstützten Unterricht 1965/66. 1967 Berufung in den Arbeitskreis „Fern­ studien und programmierter Unterricht“ durch den Kultusminister von Baden­ Württemberg; Mitwirkung am staatlichen Forschungs- und Aktionsprogramm. Berufung in den ad-hoc Ausschuß „Aus­ bildung von DY-Fachkräften“ 1970 des Bundesministeriums für Forschung und Technologie als Vertreter der Ingenieur-/ Fachhochschulen Baden-Württemberg, Mitwirkung am 2. DY-Programm der Bundesregierung. 1971 Gründung des Fachbereichs „Allge­ meine Informatik“ als erster Studiengang dieser Art in der Bundesrepublik; Wahl zu dessen Fachbereichsleiter. 1971 Mitglied des Fachausschusses „Aus­ bildung“ der Gesellschaft für Informatik (GI) als Vertreter der Fachhochschulen (bis 1982); 1973 Wahl zum Vorsitzenden (Sprecher) des Unterausschusses „Fach­ hochschulen“ der GI; Verabschiedung der für die Bundesrepublik ersten „Emp­ fehlungen für ein Informatikstudium an Fachhochschulen“ (1978). Mitbegründer des Studienschwerpunktes ,,Künstliche Intelligenz“ und Mitinitiie­ rung des Studiengangs „Medieninforma­ tik“ an der FH Furtwangen seit 1987. – Veranstaltung vieler Fortbildungslehr­ gänge fur IHK, VDI, Deutsche Bundes­ post, innerbetriebliche Fortbildung bei Firmen u. a. insbesondere auf dem Gebiet EDV, Programmiersprachen, Informa­ tionstheorie, Statistik und Operations Research sowie zahlreiche Vorträge auf diesen Gebieten. – Vorstandsmitglied des Berufsverbandes der Dozenten der baden-württembergi­ schen Ingenieurschulen 1961 und 1962. Zahlreiche Publikationen: Über 50 Ver­ öffentlichungen zur Ingenieur- und In­ formatikausbildung, Datenverarbeitung, Medien- und Fachdidaktik; 10 Lehrbü­ cher (davon 8 bei Springer) zu Mathema­ tischer Logik, Informatik, Analysis, Alge­ bra, Fuzzy-Logik. Mitherausgeber von REPORT (Beiträge zur Hochschuldidak­ tik der Fachhochschulausbildung). Berufung zum Lektor der Evangelischen Landeskirche Baden im Kirchenbezirk Villingen 1980; Verlängerung der Beru­ fung durch den Landesbischof der Evan- 155

Die Konzeption und Realisierung der hochschuldidaktischen Fortbildung (Se­ minare, Projekte etc.) für Professor(inn)en hat überregional zur Verbesserung der Lehre im Hochschulbereich und zur Begrenzung der Studiendauer und der Studienabbrecherquote an Fachhoch­ schulen insbesondere in Baden-Württem­ berg beigetragen. Die FH Furtwangen hat zum Ende des Sommer-Semesters 1992 Gert Böhme in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet. Seine weitere Tätigkeit als Lehrbeauftragter an der Hochschule sowie als Leiter hoch­ schuldidaktischer Fortbildungsseminare auch in den Ländern außerhalb Baden-Württem­ berg zeigen, daß Gert Böhme sich auch im „Ruhestand“ weiterhin für das allgemeine Wohl einsetzt. Prof. Dr. Walter Zahradnik Willi Vollmer gelischen Landeskirche in Baden, Prof. Dr. Klaus Engelhardt, 1986 und 1993 für jeweils weitere sechs Jahre. Prof. Dr. Gert Böhme hat auf mehreren Gebieten hervorragende Leistungen für das allgemeine Wohl erbracht. Gemeinsinn, Sachkenntnis, Tatkraft und Tragweite für das allgemeine Wohl wurden hierbei in beson­ ders hohem Maß bewiesen. Insbesondere sind hierbei zu erwähnen: Mit der Einführung der Datenverarbei­ tung in die Ausbildung von Ingenieuren und der Gründung des ersten selbständi­ gen, zum Diplom-Informatiker (Dipl.­ Inf. Informatik-Stu­ [FH]) führenden diengangs an Fachhochschulen kann Gert Böhme als der „Vater der Informatik“ zumindest an den Fachhochschulen in der Bundesrepublik bezeichnet werden. Ein hochverdienter und beliebter Mitbürger Mit der Aushändigung des Bundesver­ dienstkreuzes am Bande an den Pfohrener Bürger Willi Vollmer am 21. September 1992 im Donaueschinger Rathaus durch Landrat Dr. Gutknecht fand ein im öffentlichen Leben hochverdienter und beliebter Mann Anerkennung und Würdigung. Es ist nicht allein die Summe der aufaddierten ehren­ amtlichen Tätigkeiten, welche eine derartige, vom Bundespräsidenten verliehene hohe Auszeichnung rechtfertigen. Diese Aus­ zeichnung beinhaltet vielmehr eine heraus­ ragende Leistung und Haltung bei persön­ lich tragischem Hintergrund. Ausschlag­ gebend hierfür war wohl sein ungewöhn­ liches Engagement im Bezirksvorstand der Kehlkopflosen. E war der Bundesverbandspräsident des Verbands der Kehlkopflosen, Artur Meh­ ring, der Willi Vollmer für diese Ehrung vor­ schlug. Vom Schicksal selbst betroffen, mußte sich Willi Vollmer vor über acht Jah­ ren der operativen Entfernung des Kehlkop- 156

fes unterziehen, nachdem er an Krebs er­ krankt war. Aufgrund seiner positiven Ein­ stellung zum Leben stellte sich der Vater von sechs Kindern, ehemaliger Frontsoldat und langjähriger Zunftmeister von Pfohren und Vorstandsmitglied der Schwarzwälder Nar­ renvereinigung, den Problemen der völlig veränderten Situation. Er erkannte die Not­ wendigkeit des Zusammenschlusses aller Leidensgenossen, um dadurch eine wirk­ same Vertretung der Interessen gegenüber dem Staat und der Gesellschaft zu erlangen. Im Oktober 1986 wurde er zum Vorsitzen­ den des Bezirksvereins der Kehlkopflosen in Südbaden berufen, der etwa 160 Kehlkopf­ lose, die an den HNO Freiburg und Lahr operiert wurden, betreut. Infolge des großen Einzugsbereichs ist er gezwungen, zur Betreuung seiner ihm anvertrauten Mitglie­ der weite Strecken zurückzulegen. Sein Wir­ ken vollzog sich in aller Stille und nur wenige wußten von seinem schweren Amt. Viele seiner Schicksalsgenossen leiden angesichts ihres Handicaps, ohne Kehlkopf sich sprachlich mitzuteilen. Für Willi Voll­ mer, der diese Hemmschwelle mit großer Energie und angeborener Lebensbejahung zu überwinden versuchte, war diese Proble­ matik nur anfangs ein Hinderungsgrund für sein öffentliches Engagement. Sicherlich war ihm, der am 23. Mai 1925 als Sohn des Bahnbeamten Raimund Vollmer und dessen Frau Amalie geborene Harter in Halbmeil (Gemeinde Kinzigtal) das Licht der Welt erblickte, die reiche Erfahrung aus verschie­ denen exponierten Ämtern eine gute Grund­ lage. Als er1947 infolge der dienstlichen Ver­ setzung seines Vaters als Bahnhofsvorstand nach Pfohren kam, wo er sich mit Agathe Schöndienst vermählte, hatte er bereits seit 1943 eine Lehre als Werkzeugmacher in den Industriewerken in Hornberg absolviert. Anschließend wurde der knapp 18jährige zum damaligen Reichsarbeitsdienst und Ende desselben Jahres zum Wehrdienst ein­ berufen. Bei seinem Einsatz an der Inva­ sionsfront in der Normandie geriet der junge Soldat am 1. August 1944 bei St. Lo in ameri- Dort begann sein eigentliches Berufsle­ ben, nachdem er schon im Monat März als Werkzeugmacher im Traktorenwerk Kramer in Gutmadingen die Arbeit aufnahm. Nach Tätigkeiten in der Reparaturabteilung, im Versuchswesen und im Außendienst wurde der tüchtige Fachmann 1956 mit der Leitung des Ersatzteillagers und der Kundendienst­ abteilung betraut. Es oblag ihm die Verant­ wortung für die Bereitstellung von Ersatztei­ len von über 100.000 verkauften Schleppern und damit verbunden der überregionale Ein­ satz der Kundendienstmonteure in Deutsch­ land und im westlichen Europa. 1978 erwei­ terte sich sein Aufgabenbereich zusätzlich um die Leitung des Zentralla�ers für Bau­ maschinen und Schlepper in Uberlingen. Auf dem Höhepunkt seines Schaffens ereilte ihn das Schicksal einer Tumorerkran­ kung am Kehlkopf. Nach 39 Dienstjahren sah er sich gezwungen, Anfang 1986 aus sei­ nem Arbeitsverhältnis bei der Firma Kramer auszuscheiden. kanische Gefangenschaft, aus der er am 17.Januar 1947 in seine noch neue Heimat Pfohren zurückkehrte. Bei seinem berufsbedingten reichhaltigen Pflichtenbereich fand Willi Vollmer noch Zeit und die Kraft, sich stark im örtlichen Vereinsleben zu engagieren, so 1949 als Mitbegründer des Fußballvereins, dessen Schriftführer er acht und 1. Vorsitzender vier­ zehn Jahre war. 1976 ernannte man Willi Vollmer, der u. a. Inhaber der Landesehren­ nadel des Landes Baden-Württemberg ist und heute noch als Pressewart fungiert, zum Ehrenvorsitzenden. Als 1953 der Pfohrener Narrenverein – die „Schnuferzunft“ – ins Leben gerufen wurde, war Willi Vollmer mit von der Partie, als Narrenvater und Kassierer und zuletzt als Zunftmeister von 1971 bis 1976. Seit 1972 stellte er außerdem seine jour­ nalistischen Fähigkeiten als Chronist und Mitglied des Präsidiums der Schwarzwälder Narrenvereinigung, die ihn bei seiner Verab­ schiedung 1990 zum Erznarr ernannte, in den Dienst heimatlicher Brauchtumspflege. Franz Gottwalt 157

Julius Naegele Ein Mann, der aus der jüngeren Baugeschichte seiner Heimatstadt nicht wegzudenken ist musterten mich aufmerksam und voller Interesse, und ich hatte sofort den Eindruck, daß man sich auf den Mann verlassen könne. Der Ein­ druck hat nicht getrogen. Zuverlässigkeit, Standfe­ stigkeit und Loyalität gehö­ ren zu den herausragenden Eigenschaften von Julius Naegele. Einer übernomme­ nen Aufgabe hat er sich stets mit ganzer Kraft verschrie­ ben. Seine Persönlichkeit ruht auf fest ausgeprägten Anschauungen, die er sich durch nichts erschüttern läßt. In seiner Heimatstadt ist er fest verwurzelt. Ihr mit Hin­ gabe und in Treue zu dienen war für ihn Erfüllung in einem langen Berufsleben. In das solchermaßen von Bodenständigkeit solider geprägte Persönlichkeit bild vonJulius Naegele paßt seine Herkunft aus einer alten Vil­ linger Handwerkerfamilie. Vor 82 Jahren ist er im elterli­ chen I laus am Klosterring zur Welt gekommen. Dort betrieb sein Vater eine Schlosserei, die der Bruder später über­ nommen hat, und die erste Villinger Fahr­ radhandlung. Dort wuchs er im Angesicht der Stadtmauer und des Oberen Tores auf. Abitur und Studienwahl fielen in die wirt­ schaftlich schwere Zeit Ende der zwanziger Jahre.Julius Naegele wählte das Studium der Architektur und zusätzlich die Ausbildung für das Höhere Lehramt an Gewerbeschulen. Angesichts des wachsenden Heeres arbeits­ loser Akademiker schien diese Kombination dem technisch begabten jungen Mann eine Chance für eine spätere Beschäftigung zu Es gibt Persönlichkeiten, die sich einem selbst dann einprägen, wenn man ihnen nur ein einziges Mal begegnet i t.Julius Naegele gehört zu ihnen. Deshalb ist es kein Wunder, daß ich mich noch nach mehr als 30 Jahren an unser erstes Zusammentreffen, an Zeit, Ort und Anlaß erinnere, als wenn es erst wenige Tage zurückläge. Wir sahen uns im Villinger Rathaus vor einer Ausschußsitzung zum Nachtragshaushaltsplan 1962, zu der ich, als Bürgermeister schon gewählt, aber noch nicht im Amt, eingeladen worden war. Julius Naegele begrüßte mich mit festem Händedruck. Zwei freundliche Augen 158

bieten. An der Technischen Hochschule Karlsruhe hat er fleißig studiert, sich aber auch immer wieder mit seiner Heimatstadt beschäftigt. Eine seiner Studienarbeiten betraf das Niedere Tor und die städtebau­ liche Lücke, die dort vor eineinhalb Jahrhun­ derten geschlagen worden war. Das Problem harrt bekanntlich noch heute der Lösung. Die Erwartungen, die Julius Naegele bei seiner Studienwahl gehegt hatte, erwiesen sich als trügerisch. Nach Ablegung der Diplomprüfung und der Prüfung für das Lehramt gab es für den Schuldienst eine mehrjährige Warteliste. In seiner Heimat­ stadt aber bot sich ihm kurzfristig die Gele­ genheit zu einer zunächst aushilfsweisen Beschäftigung beim Stadtbauamt. Er ergriff sie und trat im Sommer 1934 ein, und in den Jahren der langsamen wirtschaftlichen Erho­ lung bis zum Kriegsausbruch 1939 wurden ihm bald wichtige und interessante Aufga­ ben übertragen. Villingen wollte Kneipp­ Kurstadt werden, und der Bau des Kurgar­ tens, des Kneipp-Schwimmbades und der Um- und Ausbau des früheren Waldhotels zu einem Kursanatorium (heute Kur- und Freizeitheim Tannenhöhe) gehörten zu sei­ nen Aufgaben ebenso wie der Umbau der von der Stadt erworbenen VillaJunghans im Warenbachtal zum Kinderkrankenhaus und der Bau der Johanna-Schwer-Kindertages­ stätte. Jäh wurde die Arbeit durch die Einberu­ fung des Achtundzwanzigjährigen zum Wehrdienst im August 1939 abgebrochen. Er machte den Frankreich-Feldzug mit und wurde im September 1942 zum Einsatz als Bauleiter beim Chemiekonzern IG Farben (heutige Nachfolgefirmen BASF, Bayer und Hoechst) abkommandiert. Er kam im Hydrierwerk Heydebreck in Oberschlesien, einem Schlüsselbetrieb für die Herstellung von synthetischem Benzin, und zuletzt in einem Werk bei Nordhausen im Harz zum Einsatz. Dort erlebte er das Kriegsende, und von dort machte er sich mit seiner späteren Frau Alice, die mit dem letzten Zug Berlin verlassen hatte, zu Fuß auf den Weg in die Heimat. Die lange Wanderung und die Umstände, unter denen er schließlich im Juli 1945 Villingen erreichte, ohne von den auf alle jüngeren Männer zwecks Abtransport in die Kriegsgefangenschaft Jagd machenden Franzosen erwischt worden zu sein, waren abenteuerlich, aber es ist kennzeichnend für Julius Naegele, daß er trotz allem sein Ziel mit Umsicht und Beharrlichkeit verfolgte und erreichte. Schon Mitte Juli 1945 tat Julius Naegele wieder Dienst beim Stadtbauamt, zuerst als angestellter Diplom-Ingenieur, dann ab Dezember 1953 als Stadtbaurat und Amts­ leiter. Diese 3 Jahrzehnte beruflicher Tätig­ keit prägten ihn, und er prägte das Gesicht der Stadt direkt und indirekt entscheidend mit. Waren es zunächst nur Arbeiten für die französische Besatzungsmacht in den Kaser­ nen und den requirierten Gebäuden, kam nach der Gründung der Bundesrepublik im Jahre 1949 ein bis dahin nie gekannter Bau­ boom auf die Stadt zu. Bis in den Anfang der siebziger Jahre hinein wurden in Villingen jährlich 400 bis 500 Wohnungen gebaut, denn die Wohnungsnot war groß, der Bedarf der aufstrebenden Industrie an Fachkräften enorm und der Zustrom von Vertriebenen und Flüchtlingen, die nach Arbeit, Brot und einem Dach über dem Kopf suchten, für heutige Verhältnisse unvorstellbar. Villingen wuchs Jahr für Jahr um rund 1000 Einwoh­ ner, bis es schließlich seine Einwohnerzahl von 17.000 bei Kriegsende auf rund 38.000 im Jahre 1972 mehr als verdoppelt hatte. Auf eine solche Entwicklung war die Stadt in keiner Weise vorbereitet. Es galt, im Eiltempo Bebauungspläne aufzustellen, Bau­ gebiete zu erschließen und einen gewaltigen Nachholbedarf und Neubedarf an öffent­ licher Infrastruktur aller Art zu befriedigen. Auch als Bauherr im sozialen Wohnungsbau engagierte sich die Stadt in großem Umfang, und das alles war mit einer nur langsam wachsenden Mitarbeiterzahl zu bewältigen. Erst 1967 wurden die Bauamtsabteilungen Tiefbau sowie Sport- und Grünanlagen aus seiner Verantwortung entlassen, und schließ- 159

lieh folgte 1973 nach der Städtefusion auch die Stadtplanung in die Selbständigkeit des besonderen Amtes. Vier Jahre lang leiteteJulius Naegele dann als Oberbaudirektor das Ho hbauamt der gemeinsamen Stadt, bis er 1976 in den Ruhestand trat. Eine große Zahl von Neu-, Um- und Ausbauten aller Größenordnungen sind in Villingen unter seiner Leitung geplant und gebaut worden, darunter das Krankenhaus und das Kinderkrankenhaus, beides zum Zeitpunkt ihrer Errichtung beispielhafte Bauten. Sie tragen zu einem erheblichen Teil seine persönliche Handschrift. Hinzu kom­ men zahlreiche nach der Städtefusion errich­ tete Bauten in Schwenningen und in den ein­ gemeindeten Ortschaften, deren er sich mit gleicher Energie annahm. Dabei war Spar­ samkeit, die manch einer heut als Zwang empfindet, für ihn stets eine Tugend. Groß ist auch die Zahl von Bauwerken, die in seiner Ägide von freien Architekten nach Wettbewerbsentscheidungen errichtet wurden. Ihr Gelingen hing wesentlich von Aufgabenformulierung und -programmie­ rung ab, dieJ ulius Naegele aus seiner reichen Erfahrung heraus souverän erledigte, und ihre Detailplanung und Realisierung hat er, stets auf das Wohl der Stadt bedacht, mit Umsicht und großem persönlichen Einsatz begleitet. Dazu zählen u. a. das Villinger Hallenbad, Umbau und Erweiterung des Theaters am Ring, das neue Heilig-Geist­ Spital und mehr als ein Dutzend Schulen, Kindergärten, Turn- und Sporthallen. Zuletzt hat er noch die ersten planerischen Grundüberlegungen zur Sanierung und zum Ausbau des alten Franziskanerklosters zum Konzerthaus und Museum zu Papier ge­ bracht. Schließlich hat Julius Naegele 35 Jahre lang als Vorstandsmitglied der Baugenos en­ schaft Villingen gewirkt und Wesentliches zu deren reger Aktivität im Gemeinnützigen Wohnungsbau beigetragen. Julius Naegele war aber nicht nur 3 Jahr­ zehnte lang ein „Macher“. Er war -wie 160 könnte es aus seiner inneren Einstellung und Heimatverbundenheit heraus anders sein – auch ein Bewahrer. Seit 1949 war er in Villin­ gen Denkmalpfleger, und wenn in den stür­ mischen Jahren des Aufbaues und der Expansion mit noch weithin geringer Sensi­ bilität für Anliegen des Denkmalschutzes und noch recht bescheidenem rechtlichem Instrumentarium zu seiner Durchsetzung weite Teile der Villinger Innenstadt in ihren stadtbildprägenden Zügen erhalten werden konnten, so ist das zu einem guten Teil seinem engagierten und standhaften Eintre­ ten gegenüber manchem betont funktional und kostenorientiert denkenden Bauherren und Architekten der damaligen Zeit zu ver­ danken. Selten hat ihm das Beifall eingetra­ gen. Gekümmert hat es ihn wenig. Mittlerweile hat Julius Naegele die Acht­ zig überschritten. Der wackere Streiter und gelegentliche Polterer ist er geblieben. Kürz­ lich hat er mir verraten, er habe sich vorge­ nommen, jeden Tag eine Stunde Holz zu hacken (wie der abgedankte Kaiser Wilhelm in seinem holländischen Exil), und er reist immer noch gern, wenngleich nie im Flug­ zeug (dagegen hat er eine Aversion, seit er in Oberschlesien, als beobachtender Bauleiter über dem riesigen Werksgelände in einem Fesselballon sitzend, hilflos einen Jagd­ bomberangriff erlebt hat). Es seien ihm noch viele gehackte Ster Holz und viele chöne Reisen vergönnt! Max Müller Schau mich nicht an! Ich bin ein Stolperstein auf deinem Weg, ein Kiesel, der Regenfeuchte glänzen macht, Katzengold, das in der Sonne flirrt – unbequem und nutzlos in deinem geordneten Leben. Schau mich ni ht an! Christiana Steger Ordnung

Helmut Müller Die Feuerwehr war sein Leben Nach längerer mit großer Geduld ertra­ gener Krankheit hat Helmut Müller am 28. Mai 1990 im Alter von 63 Jahren die Augen für immer geschlossen. Damit verlor die Feuerwehr Blumberg ihren Stadtbrand­ meister und die Feuerwehren des Schwarz­ wald-Baar-Kreises ihren langjährigen stell­ vertretenden Kreisbrandmeister, aber dar­ über hinaus einen überall beliebten und hochgeschätzten Feuerwehrkameraden. Am 28. August 1927 in Blumberg gebo­ ren, wurde er nach der schulischen Ausbil­ dung 1944 noch Soldat, kam 1945 in Ge­ fangenschaft, kehrte aber im gleichen Jahr in die Heimat zurück. 1946 begann er eine Verwaltungslehre bei der AOK Donau­ eschingen und wurde anschließend in das Angestellten- und später in das Beamtenver­ hältnis übernommen. Zu seiner größten Aufgabe zählte in seiner beruflichen Lauf­ bahn der Aufbau der AOK-Geschäftsstelle in Blumberg, welcher er auch bis zu seiner vor­ zeitigen Pensionierung im September 1989 als Leiter vorstand. Der zweite Beruf von Helmut Müller war zweifellos der Dienst in der Freiwilligen Feuerwehr, der er schon als Schüler in den ersten Kriegsjahren angehörte. Auch nach dem Kriege zählte er zu der kleinen Truppe, welche von den Besatzungsmächten geneh­ migt wurde, um die Feuerwehr Blumberg wieder aufzubauen. Er wurde bald Gruppen­ führer und besuchte in der Folgezeit eine Vielzahl von Lehrgängen in allen Bereichen der Feuerwehr. Bereits im Jahre 1961 über­ nahm er das Kommando der Freiwilligen Feuerwehr Blumberg und des Löschzuges Randen. Es war stets sein Bestreben, die Einsatz­ bereitschaft der Wehr von Jahr zu Jahr aus­ zubauen. Dies geschah durch intensive Aus­ bildung, aber auch durch die Anschaffung und Bereitstellung der erforderlichen Fahr­ zeuge und Geräte. Ein von Müller langgehegter Wunsch ging mit dem Bau des Feuerwehrgerätehau­ ses in den Jahren 1970/71 in Erfüllung. Neuen Formen stellte sich Helmut Müller im Zuge der Gemeindereform. Er wurde 1974 Kommandant der Gesamtwehr Blumberg mit neun Feuerwehrabteilungen und einer Gesamtstärke von rund 400 Feuerwehran­ gehörigen. Seine Führungsqualitäten und Fachkenntnisse wurden von den Abteilungs­ wehren stets anerkannt und respektiert. Er setzte sich für deren Selbständigkeit und eine bessere Ausbildung und Ausrüstung ein. Ihm waren die Sorgen und Nöte seiner Feuerwehrabteilungen bekannt, und er ver­ suchte immer ein gerechter Kommandant für alle Abteilungen zu sein. Seine Anliegen fanden auch stets bei Bürgermeister und Gemeinderat ein offenes Ohr. Aber auch der Nachwuchs lag ihm am Herzen, und so konnte auf seine Initiative hin 1983 in Blumberg eine Jugendfeuerwehr gegründet werden, nachdem im Stadtteil Fützen schon seit einigen Jahren eine Jugendfeuerwehr bestand. 161

Nach der Gründung des neuen Land­ kreises Schwarzwald-Baar im Jahre 1973 wurde Helmut Müller zum stellvertretenden Kreisbrandmeister bestellt. Von 1973 bis zu seinem Tode im Jahre 1990, also 17 Jahre lang, nahm Helmut Müller auch diese Auf­ gabe wahr. Als stellvertretender Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbandes half er maßgeblich mit, daß die beiden ehemaligen Kreisver­ bände Donaue chingen und Villingen gut zusammengewachsen sind. Auch bei den Jugendfeuerwehren des Landkreises war er sehr beliebt. [ mmer setzte er sich für die Belange der Jugendfeuerweh­ ren ein, und es gab selten eine Veranstaltung der Jugend, an welcher l lelmut Müller nicht teilnahm und so seine Verbundenheit zum Nachwuchs der Feuerwehr zeigte. Für den Landkreis war Helmut Müller im Bereich des Katastrophenschutzes ein un­ entbehrlicher Sachkenner. Als Fachberater oder Einsatzleiter verfügte er auch auf die­ sem Gebiet über ein großes Fachwissen und er war immer bereit, hier mitzuarbeiten. Weit über die engeren Grenzen hinaus war Helmut Müller als versierter Schieds­ richter für die Leistungswettbewerbe der Feuerwehren bekannt. Zahlreiche Ehrungen des Landes- aber auch des Deutschen Feuer­ wehrverbandes wurden ihm zuteil. Doch Helmut Müller war nicht nur in der Feuerwehr aktiv. So war er über 40 Jahre im Männergesangverein und im Kirchenchor als aktiver Sänger tätig. Auch bei den Feuer­ wehren erinnert man sich heute noch gerne, wenn Kamerad Müller in froher Runde seine schöne Stimme erklingen ließ. Weiter war er über 25 Jahre aktives Mitglied der Narrenge- ellschaft und 10 Jahre Vorsitzender des Elternbeirates. Trotz all seiner vielfältigen Aufgaben für die Gemeinschaft und Allgemeinheit galt seine ganze Sorge und Liebe seiner Familie. Helmut Müller war ein Mann mit gesun­ der Urteilskraft und großer Geradlinigkeit. Er besaß ein hohes Maß an Verantwortungs­ bewußtsein und Pflichtgefühl für die Allge­ meinheit. Mit seinem fundierten Fachwis­ sen, seiner Kameradschaft und seiner mensch­ lichen Herzlichkeit war er bei seiner Feuer­ wehr und den Feuerwehren des Schwarz­ wald-Baar-Kreises nicht nur eine Führungs­ persönlichkeit, sondern ein wahrer Freund und Ratgeber, ein hochgeschätzter Feuer­ Manfred Bau wehrkamerad. Hubert Fleig Ortsvorsteher mit Fortune Über das Glück in der Weltgeschichte ist schon geschrieben worden, ob auch über das Glück eines Dorfes? Zu dem vielen, was dazu beitragen kann und was man heute günstige politische und wirtschaftliche Rahmenbedin­ gungen zu nennen pflegt, gehört gewiß auch, daß die Geschicke eines Gemeinwesens, auch eines kleinen, je und je vom rechten Menschen gelenkt werden, einem Bürger­ meister oder seit der Gemeindereform einem Ortsvorsteher, der sein Amt aus Berufung ausfüllt. Gremmelsbach darf sich mit Hubert Fleig dieses Glücks rühmen. Unbestritten vereinigt er in seinem Wesen alle geistigen 162 und charakterlichen Eigenschaften, um die Gemeindeverwaltung zu leiten, die Entwick­ lung seines Heimatdorfes voranzubringen und ihm zukunftsweisende Orientierung zu geben. Ihm war immer die nötige Energie eigen, die Interessen seiner Gemeinde ver­ antwortungsvoll zu vertreten, der Bürger- inn, in hohem Grade ein fachmännisches Wissen, die Gabe, sich auf neue Situationen einzustellen, Chancen beherzt zu ergreifen, das Talent, in der Unterhaltung, in Diskus­ sionen, in Sitzungen am Ratstisch und in Ansprachen aus dem Stegreif das rechte Wort zur rechten Zeit, das gescheite, liebens-

werte, humorvolle, verbindliche Wort zu fin­ den, den guten Rat für jedermann, gegeben war ihm auch die Freude am Schaffen und eine Vitalität, die ihm bis ins siebte Jahrzehnt erhalten blieb und – wir wünschen es ihm – darüber hinaus erhalten bleiben möge, und endlich die Erfahrung, die ihn befähigte, seiner Gemeinde so lange an erster Stelle zu dienen. Nichts enttäuscht ihn so wie die Ohne­ mich-Haltung. Sein Verständnis von Demo­ kratie ist nicht das des gleichgültigen oder kritischen Beobachters, der bestenfalls noch sein Wahlrecht in Anspruch nimmt, Demo­ kratie ist für ihn ein hohes Gut, das vom Mit­ tun ihrer Bürger lebt, dringend der urteils­ fähigen, zur Verantwortung bereiten Bürger bedarf. Er ließ sich von der Politik in die Pflicht nehmen, wohlwissend, daß die Welt nur von denen bewegt wird, die mehr tun, als sie tun müssen. Bis ins Innerste hat Hubert Fleig die gemeinschaftsstiftende Macht der Kirche verstanden. Die Teilnahme am kirchlichen Leben, an den Flurprozessionen, ist für ihn eine Selbstverständlichkeit. Er ist schon in jungen Jahren Mitglied des katholischen Kir­ chenchores in der Tenorstimme geworden und geblieben. Er ist – auch dies über viele Jahre hinweg – sein Kassenführer. Als es noch eine Chance gab, einen eigenen Orts­ geistlichen zu bekommen, setzte er sich dafür ein – mit Erfolg. Er steht auf festem christlichem Fundament. Hubert Fleig wurde es nicht an der Wiege gesungen, daß er einen großen Teil seines Lebens an so prominenter Stelle stehen würde. Im oberen Leutschenbach war er zu Hause, in einem Hof, der über Generationen hinweg zwei Familien Heimat bot, bis er ein Raub der Flammen wurde. Bäuerlichen Wurzeln ist er entsprossen, bäuerlicher Tra­ dition, er war Hütebub auf dem kleinen elter­ lichen Hof und sammelte, wie es damals üblich war, im Sommer in den Wäldern Heidelbeeren, und der Landwirtschaft ist er bis zum heutigen Tag mit Leib und Seele verbunden. Während des Dritten Reichs und auch noch danach verfügten andere über sein Leben. Nachdem er in der „Steinbissäge“ den Beruf des Sägewerkers erlernt hatte, wurde er im Februar 1941 zum Arbeitsdienst eingezogen. In Heilfingen bei Herrenberg wurde ein Flugplatz angelegt, wofür die Drai­ nage einzubauen war, harte Arbeit, zu der auch noch das Exerzieren kam. Im Herbst des gleichen Jahres wurde Hubert Fleig Rekrut bei der Wehrmacht, es war haupt­ sächlich Waffenausbildung. Innerhalb des Reichsgebietes waren dann Städte, Flug­ plätze, Wasserstraßen und Schleusen zu schützen. Er sollte das Grauen und die Erschöpfung des Krieges noch kennenler­ nen. Nach der Invasion mußte er die West­ front verteidigen helfen, doch es war ein ein­ ziger Rückzug bis zur Gefangennahme in Chieming am Chiemsee durch französische Truppen. Eine Woche saßen die Gefange­ nen, jeder Witterung ausgesetzt, völlig durchnäßt, im Freien auf ihren Habseligkei­ ten, bis sie mit Großtransportern nach Frankreich verbracht wurden. Das Essen im 163

Lager war schlecht. Erst auf dem Bauernhof der Familie Coulon in Laigne en Belin im Departement Sarte ging es Hubert Fleig bes­ ser. Sehr schnell erkannte man dort seinen Fleiß und seine Re htschaffenheit und lud ihn an den eigenen Tisch. Freundschaft ent­ stand, sie wuchs und gedieh zwischen den Familien, jetzt schon in der zweiten Genera­ tion, und zu allen festlichen Anlässen besucht man sich gegenseitig – ist ein beglückenderes Beispiel für Völkerfreund­ schaft denkbar? 1948 kehrte er in die Heimat zurück. 1951 heiratete er Anneliese Fleig auf dem Hinte­ ren Steinbishof. 1958 wurde er in Gremmel – bach Ratschreiber, dafür absolvierte er mit Erfolg einen Verwaltungslehrgang von einem Vierteljahr Dauer zur Ratschreiber­ dienstprüfung, 8 Jahre später wählten ihn die Bürgerinnen und Bürger Gremmelsbachs mit großer Mehrheit zum Bürgermeister, obwohl er sich nicht offiziell um das Amt bewarb. Es ist unmöglich, all die vielen kleinen und großen Dinge, die im Leben einer Gemeinde anstehen und zur Verwirklichung drängen, aufzuzählen. Doch die bedeutend­ sten sollen genannt werden, denn sie können zeigen, wie sich in seinen Jahrzehnten ein Schwarzwalddorf zu seinem Vorteil verän­ dern und mit der allgemeinen Entwicklung Schritt halten konnte. Schon als Ratschrei­ ber hatte er am Neubau des Schulhauses maßgebenden Anteil (1966), ein lange Zeit hindurch aktuelles Thema war der Bau der Gemeindeverbindungsstraßen (21 km) und der Bau der Hofanschlüsse (ca. 6 km). Auf seinen Vorschlag hin wurden – ein Beispiel für zweckmäßiges Arbeiten – bei der Elektri­ fizierung die alten Schottersteine als Bauma­ terial für die staubfreien Straßen verwendet. Die Müllabfuhr wurde 1968 in Gang gebracht, das Neubaugebiet „Sommerberg“ wurde 1972 eingerichtet, im gleichen Jahr erhielt das Ortszentrum eine Straßenbe­ leuchtung, die eingebrochene Rößlebrücke mußte durch eine neue ersetzt werden. Die Aussegnungshalle wurde vor der Eingemein- 164 dung gebaut, e111e große organisatorische Leistung, da zur Kostendeckung zwei gemeindeeigene Häuser verkauft werden mußten, gleichzeitig wurde der Friedhof ein stückweit saniert. Schon bald nach der Ein­ gemeindung wurde die Abwasserkanalisa­ tion im Trennsystem gebaut. Auf Vor chlag der Kommission „Unser Dorf soll schöner werden“ wurde der Dorfbrunnen mit gutem Seelenwaldwasser inmitten einer Pflanzung aufgestellt, ein wahres Schmuckstück, seit 1990 ziert ein weiterer Brunnen die Mitte des Friedhofs, und im glei hen Jahr wurde auch über den Kreisbach �ellwasser vom Hei­ densteingebiet nach Gremmelsbach geleitet. Eines seiner letzten Unternehmungen in sei­ ner Amtszeit war die Sanierung des unteren Friedhofsfeldes. Der Verschönerung der Hei­ mat galt sein besonderes Augenmerk. Bei alledem legte Hubert Fleig immer Wert dar­ auf, daß alles unbürokratisch und in friedli­ chem Einvernehmen mit der Bürgerschaft, dem Gemeinderat, Stadtrat, Ortschaftsrat und den örtlichen Vereinen abgewickelt wurde. Und wie könnte man es versäumen, die vielen Einzelgesprä he im Ratszimmer zu erwähnen, wo er in konkreten Fragen Hilfe leisten konnte? Ohne eigentlich Ren­ tenberater zu sein, wußte er die Bürger doch fachmännisch in ihren Rentenangelegenhei­ ten zu beraten und komplizierte Antragsfor­ mulare auszufüllen. Seine Jahre, in denen er für seine Mitbürger arbeitete, waren Jahre des sichtbaren, kontinuierlichen Aufschwungs. Schwer wurde ihm sein Amt nur einmal, als nach dem Willen von Landesregierung und -gesetzgeber die Eingemeindung Grem­ melsbachs zur Stadt Triberg vollzogen wer­ den mußte. Doch auch danach verweigerte er sich nicht und vertrat die Interessen Grem­ melsbachs und der gemeinsamen Stadt im Gemeinderat Triberg (auf der Seite der FB/FW-Fraktion), und er war kein „Hinter­ bänkler“. Die Stadt ehrte ihn für sein lang­ jähriges Wirken mit der Bürgermedaille in Gold. In diesen Jahrzehnten litt Familie und Landwirtschaft auf dem Hinteren Steinbis-

hof keine Vernachlässigung, Schritt um Schritt wurde der Hof erneuert, Familie Fleig gehörte zu den ersten, die „Ferien auf dem BauernhoP‘ anboten. Sie baute sich ein hüb­ sches Leibgedinghaus im Schwarzwaldstil, das auch Gästen eine angenehme Bleibe bie­ tet. Um der Wassernot ein Ende zu setzen, ließ Hubert Fleig am Hang über dem Haus 1972 zwei Quellen fassen, 1992 eine weitere unter dem Haus. Bei aller Anstrengung auf dem Hof, wo, wie man früher sagte, ,,nur die Tischplatte eben ist“: die Arbeit in Feld und Stall, im Wald und auf der W iese war für ihn ein Jungbrunnen. Gepflegt ist das ganze Hof- areal, dank seiner und seiner Ehefrau unab­ lässigen Mühewaltung. Dem Leben auf dem Hof will er sich nun wieder ganz widmen. 1993 schien ihm der Zeitpunkt erreicht, kom­ munal politische Entscheidungen in jüngere Hände zu legen und den Feierabend begin­ nen zu lassen. Wenn er sich nun auf seinen Ruhesitz begibt und auf sein erfülltes Leben blickt, darf er sich zufrieden zurücklehnen und fühlen, was jeder Gremmelsbacher denkt: Hubert Fleig hat sich um Gremmels­ bach – und darüber hinaus – verdient gemacht. Karl Volk Karl Dilger Handwerker und engagierter Bürger Die Landschaft prägt ihre Menschen und formt sie. Mit dem Einschlag eines Schwarz­ wälder Tüftlers, schaffig, geradlinig, tradi­ tionsbewußt nach der Art der Baaremer Bauern, so ist Karl Dilger, Handwerker und engagierter Bürger. Als Sohn des Mechanikermeisters Wil­ helm Dilger und dessen Ehefrau Sophie geborene Rothweiler, Tochter eines alten Donaueschinger Bauerngeschlechts, erblickte er am 25. Februar 1926 das Licht der Welt. Aufgewachsen in einer Familie mit einer Schwester und zwei Brüdern, besuchte der heranwachsende älteste Sohn Karl die Volks­ schule, doch schon im letzten Schuljahr setzte die Zeit ihre Zeichen, der 2. Weltkrieg war ausgebrochen. Durch den Krieg bedingt, begann er eine Mechanikerlehre im väterlichen Betrieb, die im Februar 1943 mit der Gesellenprüfung endete. Schon im August 1943 wurde der junge Mechaniker zum Reichsarbeitsdienst nach Ettenheim bei Lahr einberufen. Nach 3monatiger Arbeitsdienstzeit im November 1943 kam er zur Luftwaffe und wurde der Flugabwehr zugeteilt. Das Kriegsgeschehen führte den jungen Soldaten Karl Dilger in die Tschechoslowa- kei, nach Holland und Rußland, zuletzt auch nach Frankreich. 1945 kam er in französische Gefangen­ schaft und war bis zu seiner Entlassung 1948 in einem Gefangenenlager in Nordfrank­ reich, wo er bei einer Genieeinheit als Mechaniker arbeiten mußte. 165

Nach der glücklichen Heimkehr fand er wieder Arbeit und Brot im Handwerksbe­ trieb seines Vaters. Als recht chaffener Handwerker legte er am 12. April 1951 die Meisterprüfung als Mechaniker vor der Handwerkskammer in Konstanz ab. Als gestandener Handwerksmeister schloß er 1953 seine Ehe mit der gebürtigen Donaueschingerin Meta Schreiber. Aus die­ ser Ehe gingen zwei Töchter hervor, die heute ebenfalls verheiratet sind. Mit 38 Jahren übernahm Karl Dilger 1964 den väterlichen Betrieb. Sein Großvater Karl Dilger, gebürtig au Oberbränd, gründete 1898 in Donaueschin­ gen eine Mechanische Werkstätte, die sich im Laufe der Jahrzehnte zum Handwerkli­ chen Maschinenbau entwickelte. Großvater und Vater Wilhelm Dilger, ein ebenfalls hochgeachteter Handwerksmei­ ster, arbeiteten an der Entwicklung von Holzbearbeitungsmaschinen. Sohn Karl befaßte sich nach der Betriebs­ übernahme mit Bürsten-Holzbearbeitungs­ maschinen mit erfolgreichem Export nach Südamerika. Für die heimische Industrie lie­ ferte die Firma Dilger Vorrichtungen und Formen. Ab 1964 befaßte sich die Firma mit Holz­ aufbereitungsmaschinen, zuerst stationär dann auch fahrbar, welche im heimischen Bereich zum Einsatz kamen. Im übrigen stand der Betrieb auch weiter­ hin dem Handwerk und der mittleren Indu­ strie für mechanische Arbeiten zur Verfü­ gung. Nicht nur der eigene Betrieb, sondern auch der Berufsstand lag Karl Dilger am Her­ zen. Über 30 Jahre war er in der Innung als Beisitzer für die Gesellen-und Meisterprü­ fung tätig, war jahrelang Prüfungsvorsitzen­ der, stellvertretender Obermeister und 3 Jahre lang Obermeister der Mechaniker und Schmiede-Innung des ehemaligen Landkrei­ ses Donaueschingen. Nach der Kreisreform wurde die Donau­ eschinger Innung der Metall-Innung des 166 Brauchtum. neuen Landkreises Schwarzwald-Baar ange­ gliedert, und Karl Dilger hatte weiter 4 Jahre die Stelle als stellvertretender Obermeister inne. Über viele Jahre hinweg war er auch im Vorstand der Kreishandwerkerschaft. Sein größtes Anliegen war immer die hand­ werkliche Berufsausbildung. Mit Überzeu­ gungskraft trat er f’ür den Bau des Bildungs­ und Technologie-Zentrums in Donau­ eschingen ein. Für seinen persönlichen Einsatz wurde er von Kreishandwerkerschaft und I landwerks­ kammer mit hohen Ehrungen bedacht. 1991 erhielt Karl Dilger den Goldenen Meisterbrief. Neben den beruflichen Interessen galt sein Wirken auch dem heimatlichen Von seinen Vorfahren in die Wiege gelegt, war es die Fasnacht, die ihn beschäftigte. Nach der Gefangensch.1ft wurde er 1948 Mit­ glied der Narrenzunft Frohsinn 1853 Donau­ eschingen, wo er sich gleich aktiv am fas­ nachtlichen Geschehen beteiligte. 1950 wurde er in den Großen Rat berufen, wo er jahrelang bis 1968 für den Zunftball und den großen Umzug am Fasnachtsonn­ tag verantwortlich zeichnete. 1963 kam er in den Narrenrat und war von 1969-1972 2. Zunftmeister. In die Fußstapfen seines verstorbenen Vaters als Narrenvater trat er 1972. Dieses Amt versah er bis 1991 und ist heute Ehrennarrenvater der Narrenzunft. Wesentlichen Anteil hatte Karl Dilger durch seine Initiative am Erhalt des Donau­ eschinger Kinderfestes, den „Gregorie“. Ohne sein Zutun wäre damals 1964 das Fest ein für allemal verloren gegangen. Nicht nur auf einheimischem Boden, sondern im ganzen schwäbisch-alemanni­ schen Raum hat er sich einen Namen ge­ macht. 1977 wurde Karl Dilger in Tettnang zum Präsidenten der Vereinigung schwäbisch­ alemannischer Narrenzünfte gewählt. Als er sich 1989 nicht wieder zur Wahl stellte, hatte er seine Aufgabe reichlich

erfüllt. Unter seiner Initiative kam der „Nar­ renbote“, die Fachzeitschrift der Vereini­ gung, heraus, wurde der „Verein Narren­ schopf“ gegründet und der zweite Narren­ schopf in Bad Dürrheim errichtet, welcher heute mit neuer Erweiterung das größte Mas­ kenmuseum Deutschlands geworden ist. Maßgeblich war er auch am Zusam­ menschluß der Süddeutschen Narrenver­ bände beteiligt. Hohe Auszeichnungen von Narrenzünf­ ten und Verbänden wurden ihm zuteil. Der Dank der Vereinigung war der Titel des Ehrenpräsidenten. Auch der Staat sah in Karl Dilger nicht nur ein Mann des Volkes, sondern auch den engagierten Bürger. Seine Verdienste wurden durch dje Landesehrennadel 1983 und nicht zuletzt durch die Verleihung des Bundesver­ dienstkreuzes am Bande im Jahre 1992 gewürdigt. Bei der Verleihung zitierte Staats­ sekretär Gundolf Fleischer: ,,Er, Karl Dilger, habe mit seinen Leistun­ gen ein Stück Heimat bewahrt.“ Er hat sich in den verdienten Ruhestand zurückgezogen und geht nun seinem neuen Hobby, dem Holzschnitzen, nach. Rudolf Schlatter Elmar Schnetzler Er wird vielen Aufgaben gerecht seine Selbständigkeit aufgeben mußte und Bräunlingen angeschlossen wurde, mit der Person des Elmar Schnetzler verbunden. Er übernahm nach dem Tode seines Schwieger­ vaters, August Willmann, der über vier Jahr­ zehnte die Geschicke des Ortes Waldhausen lenkte, nahtlos seine Amtsgeschäfte. Als sein Nachfolger wurde er zunächst in erster Wahl für acht und anschließend dann für weitere zwölfJahre gewählt. Daß er damals mit 96,8 Prozent aller abgegebenen gültigen Stimmen im Jahre 1970 gewählt wurde, spricht für den Menschen Schnetzler. Nur allzu gut ist auch verständlich, daß er blutenden Herzens der Aufgabe der Selbständigkeit der Gemeinde zuzustimmen hatte. Das bedeutete, daß ein gutes Verhältnis zum Kernort Bräunlingen aufgebaut werden mußte. Daß es sich so positiv entwickelte – die Zusammenarbeit mit der Stadt Bräunlingen ist eine der best­ funktionierenden aller Teilorte – kann man der Sachlichkeit des dann amtierenden Orts­ vorstehers Schnetzler zuschreiben, der in maßvoller Verhaltenheit seiner Wünsche nie zu weit gegangen war und zu keiner Zeit überzogene Forderungen ,,Die Gemeinde wird bestens bedient“, merkt Schnetzler zu diesem T hema an. Sie erhielt stellte. 167 Einen besonderen Liebreiz strahlt die 200-Seelengemeinde Waldhausen – westlich von der Kernstadt Bräunlingen gelegen – aus. Auf besonders vielfältige und intensive Weise ist der kleine Teilort, der im Jahre 1972

hilfreiche Unterstützung von Bräunlingen in allen Dingen, derer sie bedurfte“. Der heute 62jährige und damals als Orts­ vorsitzender aktive CDU-Mann Schnetzler hatte keine Scheu vor Übernahme von Ämtern, derer es vielzählige gab und die ihm dabei halfen, Dinge verstehen zu können, die andere bewegten, vor allem aber die Bür­ ger seines Ortes. So zählten dazu das Amt des Vorsitzenden des Badischen Landwirt­ schaftlichen Hauptverbandes (Ortsverband Waldhausen), das des Fleischabnahmever­ eins und der Gefriergemeinschaft. Hinzu kam die Tätigkeit als Stiftungsrat von 1962 bis zur Aufhebung des eigenen Kirchen­ fonds in der Zeit zweier erfolgter Renovie­ rungen des kleinen Ortskirchleins St. Blasius in den Jahren 1967 und 1976. Ab 1973 über­ nahm Schnetzler den Vorsitz im Pfarrge­ meinderat Bräunlingen. Hier begleitete er mit großem Einsatz die umfassende Renova­ tion der Stadtkirche in den Jahren 1973/74. Die Liste seiner Einsätze vervollständigt sich mit seiner Präsenz in der Kirchensteuerver­ tretung der Erzdiözese Freiburg. Und apro­ pos Steuer: Man könnte fast annehmen, Elmar Schnetzler habe alle diese genannten Aufgaben hauptamtlich ausgefüllt. Er aber hatte ja noch seinen Beruf1 In Freiburg am 31. August 1931 zur Welt gekommen und in Donaueschingen aufge­ wachsen, trat er beruflich in die Fußstapfen seines Vaters, der Vorsteher des Finanzamtes Achern war. Die Mittlere Reife und die höhere Handelsschule gaben ihm erstes Rüstzeug zur Ausbildung zunächst als Kauf­ mann und der dann folgenden als Finanzbe­ amter in Villingen und Donaueschingen. Eine Reihe von beruflichen Stationen folg­ ten nach der lnspektorenprüfung: Tiengen am Hochrhein, Überlingen, Freiburg und die als Finanzkassenleiter in Donaueschingen. Der letzte Einsatzort als stellvertretender Vorsitzender und Sachgebietsleiter für den zum Oberamtsrat beförderten Elmar Schnetz­ ler war das Finanzamt Titisee-Neustadt. Gesundheitliche Gründe zwangen ihn am 30. September 1991 zur Aufgabe seines Berufs. 168 Geheiratet hat Elmar Schnetzler seine heutige Frau Lioba geborene Willmann – eine echte „Waldhuusemerin“ -im Jahre 1956. Das Ehepaar übernahm bis zum Tod des damaligen Bürgermeisters und Vaters der Ehefrau die Landwirtschaft. Das war 1962. Das dann verkaufte 150 Jahre alte Anwesen wurde 1986 durch einen Blitzschlag vernich­ tet. Im Jahre 1974 wurde ein gemütliches Eigenheim bezogen, in dem die „Pensio­ näre“, die nie wirklich welche wurden, auch heute noch wohnen. Drei Kinder wurden ihnen geboren, allesamt Töchter, von denen eine den Sprung über den Teich bis nach Mexiko, verheiratet mit einem Niederlän­ der, wagte. Ein nebenher geführter „Tante-Emma­ Laden“ in Waldhausen wurde erst im Jahre 1974 aufgegeben. Geblieben aber war noch lange Zeit die Verwaltung der in Waldhausen errichteten Ferienhäuser, die Ehefrau Lioba bis 1988 übernommen hatte und diese Arbeit gern machte, wie sie heute zurückblickend anmerkt. In seiner Bürgermeister-Zeit lag dem rüh­ rigen Elmar Schnetzler besonders die Infra­ struktur des kleinen damals nur rund 100 Einwohner zählenden Orts am Herzen. In den Jahren 1963/64 erhielt der Ort eine zentrale Wasserversorgung, die Startschuß wurde zum dann angekurbelten Baupro­ gramm. Im Zuge der Eingemeindung mußte Waldhausen seine Schule und die Poststelle aufgeben. Der heutige Martinshof bot ab 1987 eine zweite gastliche Stätte zur bereits bestehenden. Die damals rein bäuerliche Struktur wandelte sich mit der Zeit, und Waldhausen ist heute auch Wohngemeinde mit Auspendlern nach Bräunlingen. ,,Den Leuten zu helfen und ihnen entgegenzu­ kommen, faßte ich als meine Aufgabe auf“, merkt der noch sehr fit wirkende Pensionär an. Weiter fügt er hinzu, daß die Stellung der Kernstadt Bräunlingen zu den Vereinen von Waldhausen als äußerst positiv zu beurteilen ist. Ortsfeuerwehr und Narrenverein „Siebe Hiisli Liit“ -nach einer Historie gegründet nach einem Pest-Ausbruch im Mittelalter,

der den Ort ausödete und ihn für lange Zeit unbesiedelt ließ -, besteht noch die „Sing­ gemeinschaft Waldhausen“. Chorleiterin hier ist Schnetzlers Ehefrau Lioba, während er selbst den Vorsitz übernahm. Der Chor hat 20 aktive Mitglieder und tritt bei Hoch­ zeiten im Ort, kirchlichen Festen und beson­ ders beim St. Blasius-Kirchenfest am 3. Fe­ bruar in der namensgleichen Kapelle von Waldhausen auf. Diesem Fest geht ein Pfarr­ Familienfest am Vorabend voraus. Schnetz­ ler gründete auch eine Frauen-Gymnastik­ Gruppe. Geübt wird im Gemeinschaftshaus. Als Vorsitzender des MGV-Liederkranz Bräunlingen von 1973 bis 1989 machte sich der mit der Landes-Ehrennadel Baden­ Württemberg 1989 ausgezeichnete Wahl­ Waldhausener verdient. Der Verein zeich­ nete ihn dafür im Jahre 1989 mit seiner höchsten Ehrung in Gold aus und ernannte ihn 1991 zum Ehrenvorsitzenden. Schließ­ lich schaffte Schnetzler es beim Bräunlinger Verein, den reinen Männerchor durch Stim­ men von Frauen zum gemischten Chor zu verstärken. Man kann sich kaum vorstellen, daß der „Pensionär“ Schnetzler noch zu wesentlich vielen Hobbies kommt: Großer Garten, Wandern und die Beschäftigung mit den Enkeln aus Neustadt zu Zeiten ihrer Besu­ che, das sind Programmpunkte, die sein heute aktuelles Programm schmieden. Licht­ blicke und Ablenkung sind Treffen mit ehe­ maligen Bürgermeister-Kollegen und einmal monatlich ein solches mit Mitarbeitern des Finanzamts von Donaueschingen. Isolde Weidenbach Franz Gilli Hochgeschätzter Anwalt für den bäuerlichen Berufsstand Ein Mann von beachtlicher äußerer Sta­ tur, in einem Männerkreis keinesfalls zu übersehen, von vornherein Solidität und Vertrauen ausstrahlend, jederzeit souverän, nie viele Worte machend, bekannt als kennt­ nisreicher und erfahrener Helfer und Weg­ weiser vieler Bauernfamilien im Verlaufe von fast drei Bauerngenerationen, hochgeschätzt als Förderer des ländlichen Raumes weit über den bäuerlich-landwirtschaftlichen Bereich hinaus: Das ist Franz Gilli aus Aasen, Stadt­ teil von Donaueschingen inmitten der Baar. Anfang März 1993 war er 70 Jahre alt gewor­ den. In seinem Heimatdorf verbringt er als langjähriger Leiter der Bezirksgeschäftsstelle Donaueschingen des Badischen landwirt­ schaftlichen Hauptverbandes (BLHV), zu­ ständig für die berufsständisch-agrarpoliti­ sche Interessensvertretung der Kreisbauern­ verbände Donaueschingen und Villingen, und gleichzeitig als Verantwortlicher für die Tätigkeit der landwirtschaftlichen Sozialver­ sicherungsträger Badens im Gebiet zwischen 169

dem Brenden und dem Randen, der Kalten Herberge und dem Wittho, seinen Lebens­ abend. Franz Gilli, aus einem alten Baaremer Bauerngeschlecht stammend, war schwer versehrt, ohne Hände, aus dem Zweiten Weltkrieg heimgekommen. Der Weg in den bäuerlichen Beruf, den er sehr gerne einge­ schlagen hätte, war ihm also verbaut. Somit wollte er-auf einen guten Rat hin -sich der bäuerlichen Welt auf andere Weise nützlich machen und gleichzeitig auch in ihr hei­ misch bleiben. So arbeitete er sich mit äußer­ ster Zielstrebigkeit und unter Zuhilfenahme von außergewöhnlich bescheidenen Mitteln in etwas ein, für das es 1948 zwar eine unge­ fähre Vorstellung von den zu bewältigenden Aufgaben gab, nicht jedoch Sachgebiets­ oder Stellenbeschreibungen: Nämlich in die Arbeit des erst zwei Jahre alten BLHV, des la ndwi rtschaftl ichen [ n teressensverba ndes auf der Basis freiwilliger Mitgliedschaft im badischen Land. Franz Gilli warb, zunächst mit Mofa und Traktor und schließlich mit einem Motorrad und dann einem Auto, von Gemeinde zu Gemeinde ziehend, Mitglieder und betreute sie. Er kniete sich, mit anfangs äußerst beschränkten Hilfemöglichkeiten, in die in einer Riesenfülle auftretenden Schwierigkei­ ten auf außergewöhnlich verschieden struk­ turierten Bauernhöfen mit ihren Bauernfa­ milien. Er sah sich konfrontiert mit familiä­ ren, sozialen, steuerlichen und rechtlichen Angelegenheiten. Dazu galt es, für seine Klientel den vernünftigen Umgang mit den Behörden zu pflegen. Jedes Gesetz, das auf „seine“ Bauernfamilien zukam, brachte im allgemeinen für’s große Ganze wohl Verbes­ serungen mit sich, im Detail jedoch oftmals ungewöhnliche Probleme. Eine Arbeit mußte da in einem Maße geleistet werden, die heutzutage nicht mehr für möglich gehalten werden kann, spricht man davon. Was diese an Mut, Kraft, Geduld, Beharrlich­ keit, Stehvermögen, Fingerspitzen kostete, das wissen nur er, seine Familie und seine Kameraden, die in ähnlichen „Weinbergen 170 schufteten und Kellern kelterten“. Franz Gilli hat so maßgeblich mitgeholfen, die Maßstäbe für ein hochqualifiziertes, weit­ gehend selbständiges Arbeiten im regiona­ len Bereich eines Verbandes zu setzen, der sich der umfassenden Vertretung der wirt­ schafts-, agrar-, sozial- und umweltpoliti­ schen Interessen der Landwirtschaft und deren Betreuung und Beratung hauptsäch­ lich in sozialen, rechtlichen und steuerli­ chen Fragen verschrieben hatte. Er war maß­ geblich daran beteiligt, daß diese Tätigkeit hohe Anerkennung seitens der praktischen und der wissenschaftlichen Agrar-und So­ zialpolitik weit über die Grenzen des BLHV­ Bereiches gefunden hat. Mit seiner Sach­ kunde, seiner Hilfsbereitschaft und seiner Korrektheit erwarb Franz Gilli großes Ver­ trauen. Seine kriegsbedingte schwere Behin­ derung hinderte ihn nicht, ,,immer voll da zu sein“, mochte sie ihn noch so sehr belasten. Zu keiner Zeit wollte er jemand sein, ,1Uf den man deswegen besondere Rücksicht nahm. Dafür geehrt zu werden, lehnte Franz Gilli „bis zum geht nicht mehr“ ab, weil er das, was er zu leisten vermochte, als bare Pflichterfül­ lung und Selbstverständlichkeit gewertet wissen wollte. Für ihn war es das Höchste gewesen, sagte er einmal, zu seinem Abschied aus den Diensten des BLI IV von seinem Präsidenten „bestätigt zu erhalten, daß er mit seiner Arbeit zufrieden ist“. Das .1ber half wenig. So ist er mehr als tausend­ fach mit Recht 1980 zum Träger der Ver­ dienstmedaille in Silber des Landes Baden­ Württemberg geworden. Drei Jahre später ehrte ihn der BLHV mit der Verleihung des ,,Grünen Bandes in Gold“. Franz Gilli ver­ steht es, seinen „Ruhestand“ in seiner Hei­ mat wohl auszufüllen und zu bestellen. Dazu gehört es, bewegt am Schicksal des ländlichen Raumes und der Bauernfamilien am Ostrand des Schwarzwaldes und auf der Baar teilzunehmen. Dazu gehört auch, so es sein Herrgott will, auch weiterhin bei den Seniorentreffen und manchen Veranstaltun­ gen des BLHV nicht zu fehlen. Dr. Clemens Seiterich

U schi Elsässer Zum Helfen immer bereit ,,Selbstverständlich! Wird erledigt! Kom­ me vorbei! … “ kurz und spontan ist die Antwort am Telefon. Diese Worte kennt jeder, der sich je mit einer Bitte oder einem Hilferuf an Frau Uschi Elsässer, die ehrenamtliche, tempera­ mentvolle Helferin des Roten Kreuzes der Kurstadt Bad Dürrheim, gerichtet hat. Ihr Name steht für Einsatzbereitschaft, Hilfsbereitschaft und Engagement für den Nächsten. Aus der Schwarzwaldgemeinde Schonach stammend, heiratete sie 1960 Erhard Elsäs­ ser, einen echten Bad Dürrheimer Bürger. 1965, zwischenzeitlich Mutter von zwei Buben und zwei Mädchen, nimmt Uschi Elsässer an einem Erste-Hilfe-Kurs unter Leitung von Bereitschaftsarzt Dr. Georg Huber und Bereitschaftsführer Josef Rauh teil. Die junge Frau ist von der Idee, ,,anderen zu helfen“, so begeistert, daß sie sofort dem Roten Kreuz als aktives Mitglied beitritt. Dieser Schritt ist für ihren weiteren Lebensweg bestimmend. Trotz großer Fürsorge für ihre vier kleinen Kinder, ihren Mann und die in der Familie lebenden Großeltern, absolviert sie den sie­ benmonatigen Sanitäterlehrgang, der zum Einsatz im Krankentransport und Rettungs­ dienst befähigt. Mit Begeisterung beteiligt sie sich am Auf­ bau und der Erweiterung des Aufgabenbe­ reichs des Deutschen Roten Kreuzes Bad Dürrheims. So wirkt sie aktiv mit beim 1. Bad Dürrheimer Blutspendetermin im August 1966. In den Folgejahren und bis heute ist sie leitend in der Organisation und Durchfüh­ rung der Blutspendeaktionen tätig. Ihre Aktivität richtet sich auch auf die Absolvierung zahlreicher Fortbildungs­ kurse. Im Jahre 1973 wird ihre Ausbildung zum Gruppenführer abgeschlossen. Nie vergißt jedoch diese lebensbejahende Frau, sich um ihre Großfamilie zu kümmern. Nachdem Uschi Elsässer 1975 den Unter­ führerlehrgang abgelegt hat, wird sie 1976 zur Bereitschaftsführerin des DRK Ortsvereines Bad Dürrheim gewählt. Hier ist nun der Aktionsbogen für die tat­ kräftige, einsatzfreudige Frau weitgespannt. Zu dieser Zeit wird ihr Name in Bad Dürr­ heim zum Begriff. Von der Bürde der ständigen Einsatzbe­ reitschaft für den Krankentransport zum Teil entlastet – 1978 werden zwei hauptamtliche Sanitäter eingesetzt -, wendet sich Uschi Elsässer neuen Aufgaben zu. Sie absolviert die Ausbildung in „Krankenpflege in der Familie“ und führt seit dieser Zeit für die Bevölkerung im gesamten Kreisgebiet mit viel Hingabe diese Fortbildungskurse durch. Das Wissen auf dem Gebiet der häusli­ chen Pflege und der Altenbetreuung schöpft sie aus den Erfahrungen in ihrer eigenen Familie. Danach gefragt, erzählt sie dem schmunzelden Zuhörer: ,,War sonntags die gesamte Familie bei Sport und Spiel, fuhr ich mit dem Opa die Autobahn rauf und wieder runter, weil es ihm halt so gut gefiel.“ Wird sie um eine gute Tat oder Gefällig­ keit gebeten, kann sie auch heute niemals 171

nein sagen. Darin sieht aber Uschi Elsässer einen großen Teil der Erfüllung ihres Leben . 1984 tritt der DRK-Kreisverband Villin­ gen-Schwenningen mit der Bitte an Uschi Elsässer heran, die Nachfolge von Kreisbe­ reitschaftsführerin Rosa Bächle anzutreten. Sie übernimmt dieses Amt, um sich mit der ihr eigenen Unermüdlichkeit für die Belange der II Ortsvereine einzusetzen. Die zahlreichen ehrenamtlichen Ver­ pflichtungen sind für Uschi Elsässer eine Selbstverständlichkeit. Besonders aber liegt es ihr am Herzen, mitmenschliche Fragen und Probleme in den einzelnen Bereitschaf­ ten zu lösen. Die Kameradschaftlichkeit und ihre unerschöpfliche Hilfsbereitschaft hel­ fen in diesem schwierigen Amt viele Brücken zu bauen. Nach sechs Jahren intensivster Rotkreuz­ arbeit als Kreisbereitschaftsführerin widmet sie sich wieder dem ihrem Wesen Nächst­ liegenden: der häuslichen Krankenbetreu­ ung, Nachbarschaftshilfe und Altenpflege. Besonders geliebt wird sie von ihren Schützlingen, den behinderten Kindern, die von ihr täglich mit dem Kleinbus zur Schule und nachmittags wieder wohlbehalten zu den Eltern gefahren werden. In dieser Auf­ gabe zeigt sich ihr großes Talent, andere Ein erfolgreicher heimischer Bauunternehmer In Stein und Beton hat der Bauunterneh­ mer Otto Günter die Geschichte seines Unternehmens geschrieben. Die Zeilen die­ ser Chronik, die in der ganzen Region und darüber hinaus von dem Erfolg dieses Man­ nes vom Bau und seiner Mitarbeiter künden, sind sowohl das Eigenheim und die Wohn­ anlage, aber auch große Industriebauten und imposante Verwaltungsgebäude. Das Wach­ sen dieser Firma in Unterkirnach, die heute das größte Bauunternehmen im Schwarz­ wald-Baar-K.reis ist, vollzog sich in aller Stille und ohne spektakuläre Sprünge. Diese ziel- 172 Otto Günter Menschen zu motivieren. Ein treuer Kreis von Helferinnen und Helfern unterstützt diese verantwortungsvolle Arbeit. So findet sie stets Verbündete, die bei den weitgefacherten Hilfeleistungen zur Seite stehen. Die Freude, mit der sie an gestellte Aufgaben herangeht, keiner schwierigen Situation ausweicht, und die Begeisterung, mit der sie in den Kursen ihr umfangreiches Wissen über Krankenpflege weitergibt, faszi­ niert und motiviert andere, Gleiches zu tun und ihr nachzueifern. Mit der großen Einsatzbereitschaft für ihre Mitmenschen ist sie dennoch die Seele ihrer Familie. Mit viel Liebe und Geduld widmet ie sich ihren sieben Enkeln. Sie ist der Mittelpunkt der Großfamilie, und nichts stimmt sie glücklicher als ein Stelldichein sämtlicher Familienmitglieder: ,,Mittagessen für 18 Personen? Kein Problem; dies chaffen wir spielend.“ So erlebt man Uschi Elsässer. Die Aufgaben und die Problemstellungen im Roten Kreuz und die soziale Hilfelei­ stung sind für sie die stille Motivation. Sie will kein Aufhebens um ihre Person. Sie ist deshalb ein Vorbild für viele „Rotkreuzler“ und auch Bürger ihrer Gemeinde. Brigitte Hutzenlaub gerichtete Stetigkeit ist eine der Eigenschaf­ ten, die auch den Mann an der Spitze aus­ zeichnet. So wie Otto Günter als Maurer in seiner Jugend gelernt hat, Stein auf Stein zu fügen, so baute er auch sein Unternehmen auf. Noch andere Dinge hat Otto Günter in seiner Lehrzeit erkannt, nämlich, daß ein Stein alleine nichts ist und nur die Vielzahl der Ziegel, nach Maß und Winkelhandwerk­ lich gesetzt, den Bau auf solidem Fundament emporwachsen läßt. Dieses dauerhafte Fundament des Unter­ nehmens grub vor über achtzig Jahren

war Frieden im Lande, da wurde bei der Firma Günter wieder kräftig zugepackt. Otto Günter begann seine Lehre und die Brüder Fridolin und Alfons, der Kaufmann, standen dem Vater zur Seite, bis dieser 1953 starb. Der gerade 21 Jahre alte Maurergeselle Otto Günter mußte von einem Tag auf den anderen die Leitung der Firma übernehmen, die damals schon rund ein Dutzend Mitar­ beiter zählte. Im gleichen Jahr legte Otto Günter die Meisterprüfung ab und drei Jahre später wurde aus dem Unternehmen die ,,Gebrüder Günter GmbH“. Damals, so erin­ nert sich Otto Günter heute, das war für ihn die schönste Zeit. Als Polier arbeitete er auf der Baustelle mit und konnte tagsüber mit­ ansehen, wie das, was er oft bis in die Nacht hinein geplant und berechnet hatte, empor­ wuchs und Gestalt annahm. Diese Zeit der Jugend hat den Unternehmer Otto Günter, der im Jahr 1991 60 Jahre alt wurde und damals seinem Sohn Andreas die Geschäfts­ führung übertrug, für sein ganzes Leben geprägt. So wie auf dem Bau jeder für den anderen einsteht, so blieb dies auch für den Firmen­ chef selbstverständlicher Brauch. In den vier Jahrzehnten, in denen er das Unternehmen führte, wurde, so Otto Günter fast in einem Nebensatz als sei dies selbstverständlich, nie ein Mitarbeiter entlassen. Seine Leute, das sind rund dreihundert Beschäftigte, von denen über vierzig in der Firma gelernt haben, sind der ganze Stolz dieses Mannes. Für ihn ist in dem BegriffFamilienunterneh­ men nicht nur die eigene Familie gemeint, sondern die Gemeinschaft, die alle Mitarbei­ ter einschließt. Seine Leute, so weiß er, sind immer da, wenn es gilt, Termine einzuhalten und das, was der Chef versprochen hat, wahrzumachen. Auch in dem Unternehmen bei Chemnitz mit rund der Hälfte der Ge­ samtbelegschaft, das 1991 erworben wurde, gilt diese im besten Sinne patriarchalische Philosophie. Um den Leitspruch „Treue gegen Treue“ zu halten, war Otto Günter bereit, in den Zeiten der Rezession am Bau ganz beachtliche finanzielle Risiken einzu- 173 Johann Georg Günter, der Vater des heuti­ gen Unternehmers, in den felsigen Grund des Schwarzwalddorfes Unterkirnach. Der Anfang war schwer, und doch gelang es, aus kleinsten Anfangen heraus mit schwerer kör­ perlicher Arbeit den Handwerksbetrieb auf­ zubauen. Pickel und Schaufel, Schubkarren und Tragebütte waren die Werkzeuge und Geräte damals, als Maurermeister Johann Georg Günter im Kirnachtal und dessen Nachbarschaft von Langenbach bis Tennen­ bronn Schwarzwaldhöfe baute. In dem Haus an der Hauptstraße in Unterkirnach, das sich Johann Georg Günter gebaut hatte, wuchsen damals zwölfKinder auf und die harte Arbeit des Vaters, sein zäher Fleiß und wohl auch seine strenge Sparsamkeit waren für sie die Pfeiler des schützenden Daches, unter dem sich jedes auf seine Weise entfalten konnte. Gleich vier Söhnen war der Vater Vorbild genug, um in seine beruflichen Fußstapfen zu treten. Einer von ihnen, der Josef, legte schon im Jahre 1938 die Meisterprüfung ab, kam jedoch dann aus dem Krieg nicht mehr heim. Dieser Krieg unterbrach auch die Ent­ wicklung des Unternehmens, doch kaum

gehen, um seiner Belegschaft ein Chef zu sein, der sein Wort hält. Doch das kameradschaftliche Verhältni zwischen Unternehmer und Belegschaft ist nur eine, die wohl menschliche Seite de Erfolge . Die andere, das ist das Bestreben, besser zu sein al die Konkurrenz, ja viel­ leicht sogar besser, als man selbst es gestern noch war. Hier war das Unternehmen Gün­ ter beispielhaft, denn das gemeinsame Anlie­ gen war die Firma. Otto Günter wußte, wovon seine Leute sprachen, wenn sie Vor­ schläge machten und Verbesserungen aus­ klügelten. So wurden bereits Anfang der neunziger Jahre in der Firma Fertigteile für den Bau gegossen. Daraus entstand eine eigene Abteilung, die heute noch besteht. Der Winterbau wurde in keiner Firma so konsequent angewendet wie hier. Im Jahre 1964 gründete das Unternehmen zusammen mit einer Firma aus Hausach ein eigenes Transportbetonwerk in St. Georgen. Der Umsatz, das ind dreißig Millionen Mark im Jahr, und im Kampf um die Aufträge tritt das Unternehmen aus Unterkirnach heute gegen die Großen der Branche an. Daß der „David“ oft schneller und besser ist als die „Goliaths“, zeigt die Referenzliste des Unternehmens, in der eine schlüsselfertige Wohnanlage in Trossingen mit 145 Wohnungen, das Land- In memoriam: Sein Denken und Handeln galt stets Peterzell Am 25. September 1992 nahm eine große Trauergemeinde auf dem Peterzeller Fried­ hof Abschied von Altbürgermeister und Ehrenbürger Mathias Lauble. Mit ihm wurde ein Mann zu Grabe getragen, dessen beispielhaftes Wirken schon vor mehr als 25 Jahren durch die Verleihung der Ehrenbür­ gerwürde seine verdiente Anerkennung fand. Noch mehr als ein Vierteljahrhundert blieb ihm dana h vergönnt, den wohlver­ dienten Ruhestand in und mit seiner 174 Altbürgermeister und Ehrenbürger Mathias Lauble ratsamt in Tuttlingen, große Aufträge der Post in Rottweil und Triberg und der Bau des Arbeitsamtes in Villingen nur eine Handvoll Beispiele sind. Allein 300 Wohnungen baute die Firma Gebrüder Günter für die Bauge­ nossenschaft „Familienheim“ im Schwarz­ wald-Baar-Kreis. Doch Otto Günter ist nicht nur Unter­ nehmer. Er sieht sich auch seinen Mitbür­ gern gegenüber in der Pflicht. So gehört er eit 1969 zum Gemeinderat in Unterkirnach und war zehn Jahre Stellvertreter de Bürger­ meisters. Seit zwei Jahrzehnten ist Otto Günter Vorsitzender des Gesellenprüfungs­ ausschusses der heimischen Baugewerksin­ nung, in deren Vorstand er seil dreißig Jah­ ren sitzt. Otto Günter ist in seinem Heimat­ dorf bekannt als Freund und Förderer der Vereine, auch solcher, in denen er gar nicht Mitglied ist. Es drängt sich die Frage auf, wie dies alles zu schaffen ist. Für Otto Günter ist sein Unternehmen zugleich Lebensinhalt. Urlaub, das gab es selten, per önlichen Luxus kennt dieser Mann nicht, und wenn er schon einmal einen Ausflug macht im chwarzwald, dann endet diese Tour fast immer an einer Baustelle der Konkurrenz, um nachzuschauen, ob man dort nicht noch etwas lernen könnte. Klaus-Peter Friese Gemeinde als hoch geschätzte Persönlich­ keit zu verbringen. Bis Mitte des Jahres 1992 konnte man ihm noch fast täglich bei seinen Spaziergängen begegnen. Wenngleich die Wegstrecken des damals fast 93jährigen Alt­ bürgermeisters altershalber auch kürzer wurden, so war es bis zuletzt neben seiner körperlichen Verfassung insbesondere auch seine geistige Frische, die einem Bewun­ derung abverlangte. Von 1946 bis 1967 dauerte seine Amtszeit.

Was diese Zeitspanne alles in sich barg, läßt sich nur ermessen, wenn man Laubles Wir­ ken während dieser 20 Jahre in groben Zügen Revue passieren läßt. Als Mathias Lauble mitten in den Wirren der Nachkriegszeit das Amt des Bürgermei­ sters übernahm, tat er das ganz sicher nicht mit dem Gedanken dieses Amt 20 Jahre aus­ zuüben. Schier unlösbare Probleme kenn­ zeichneten die ersten Dienstjahre, denn die Kriegs- und Nachkriegszeit hatte die menschliche Gemeinschaft in den Grund­ festen erschüttert. Viel Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen waren erforder­ lich, um bei der Einwohnerschaft wieder ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, das weit­ gehend die vorhandenen politischen Gegen­ sätze, zum Teil auch Haßgefühle, in geord­ nete Bahnen zu lenken vermochte. Verbitte­ rung bei der Einwohnerschaft über Maßnah­ men der Besatzungstruppen tat ein Übriges, um das Gemeindeleben negativ zu belasten. Prellbock war aber in jedem Fall der Bür­ germeister, denn er allein war verantwortlich für die Durchführung von angeordneten Zwangsmaßnahmen. Persönlich haftete er für Vieles, was oft gegen seinen eigenen Wil­ len durchgeführt werden mußte. Diesen Herausforderungen stellte sich Mathias Lauble in einer Art und Weise, die als beispielhaft bezeichnet werden konnte. Gerechtigkeit für alle, ohne Rücksicht auf ihre politische Einstellung oder Vergangen­ heit, war stets sein oberster Grundsatz. Mit dieser lobenswerten Eigenschaft gelang es ihm, allmählich wieder ein Vertrauensver­ hältnis in unserem Ort zu schaffen und das Gemeindeleben in geordnete Bahnen zu len­ ken. kleine Landwirtschaft verhalf ihm zur Auf­ besserung seiner bescheidenen Einkünfte. Während der ersten drei Jahre seiner Amts­ zeit arbeitete er auch noch halbtags weiter an seinem vorherigen Arbeitsplatz bei der Firma J. G. Weisser-Söhne in St. Georgen. Ablenkung von seinen Dienstgeschäften fand Mathias Lauble neben einem intakten Familienleben hauptsächlich als Imker. Hatte er wirklich einmal etwas freie Zeit, dann konnte man ihn sicher in seinem schmucken Bienenhaus antreffen. Bald wuchsen die Aufgaben immer mehr, denn durch die Erschließung von Bauge­ lände setzte eine rege Bautätigkeit ein. Damit vergrößerte sich auch schnell die Einwoh­ nerzahl. Dies wiederum führte zu der Not­ wendigkeit, im Jahre 1963 ein neues Schul­ haus zu bauen. Stets war es Bürgermeister Lauble, der alle anstehenden Maßnahmen gut vorbereitet und durchdacht dem Ge­ meinderat vorlegte. Im persönlichen Ge- 175 Für eine Minimalbezahlung leistete Mathias Lauble wahre Pionierarbeit. Er war so erfüllt von seiner Aufgabe, daß er oft bis spät nach Mitternacht im Rathaus arbeitete. Um finanziell einigermaßen bestehen zu können, übte er anfänglich auch noch das Amt des Ratschreibers aus. Wie in Orten etwa gleicher Größe war er auch gleichzeitig Grundbuch- und Standesbeamter. Eine

spräch betonte der Altbürgermeister aber immer wieder, daß seine Tätigkeit auch de halb so erfolgreich war, weil der damalige Gemeinderat immer gut und überlegt mit­ arbeitete. Dank des relativ hohen Steueraufkom­ mens zweier gut fundierter Industriebetriebe hatte Lauble die Möglichkeit weitblickender Planung und diese Möglichkeit verstand er stets fur die Gemeinde zu nutzen. Einige wesentliche Maßnahmen während seiner Amtszeit waren: Wald-und Grundstücks­ käufe, Umgemarkungsvertrag mit der Stadt St. Georgen und damit verbunden die Ver­ besserung der örtlichen Wasserversorgung, Erweiterung und Verbesserung der Strom­ versorgung, Bau landwirtschaftlicher Wirt­ schaftswege, Erschließung von Baugelände, Rathausumbau und Schulhausneubau. Sehr am Herzen lagen Bürgermeister Lauble auch die örtlichen Vereine und die Freiwillige Feuerwehr. Er erkannte klar, daß aus diesen Zusammenschlüssen von Ideali­ sten befruchtende Elemente für das gesamte Gemeindeleben ausgingen, weshalb er auch stets ein großzügiger Förderer für sie war. Dies alles und noch einiges mehr hat schließlich dazu geführt, daß der Gemeinde­ rat am 8. November 1966 einstimmig beschloß, Mathias Lauble anläßlich seines Ausscheidens das Ehrenbürgerrecht zu ver­ leihen. Hermann Seifermann Auf dem Friedhof schritt ich leise An den Gräberreihen hin, Dachte an der Toten Ruhe, Dachte, wie ich friedlos bin. Müde saß ich zwischen Gräbern Und versank in Träumerei’n, Dachte: diese ew’ge Ruhe Muß doch sanft und selig sein! 176 Josef Albicker t Allerseelen Der Schwarzwald-Baar­ Kreis in Farben 1.Drachenflieger, Fürstenberg (German Hasenfratz, Hüfingen) 2.Wetterleuchten auf der Höhe bei Behla (German Hasenfratz, Hüfingen) 3.,,Prisenhäusle“, Ortsteil Prisen/Schönwald (Erwin Kienzler, Schonach) 4.Alpenblick vom Fürstenberg (German Hasenfratz, Hüfingen) 5.Gasthaus „Schwedenschanze“, Schonach/Rohrhardsberg (Erwin K.ienzler, Schonach) 6.Prozession an „Christi Himmelfahrt“ in Schonach (Erwin Kienzler, Schonach) 7.Hof bei Schönwald (German Hasenfratz, 1–1 ü11ngen) 8.Vöhrenbach mit Neubaugebiet „Hagenreute“ im Hintergrund (Hans Kaltenbach, Vöhrenbach)

Karl Zimmermann Ein Leben für den Schutz der Natur Karl Zimmermann ist gebürtiger Blum­ berger und seine Liebe zur Natur mit dem dazugehörigen Engagement ist ihm viel­ leicht schon in die Wiege gelegt worden. Urgroßvater und Großvater waren Waldhü­ ter aufBlumberger Gemarkungen und vieles an heimischer Flora und Fauna dürfte schon dem Kind und Jugendlichen vertraut gewe­ sen sein. Der nachdrücklichste Anstoß zur stetigen Auseinandersetzung mit der Natur kam im Zweiten Weltkrieg. ,,Zu Fuß durch Lapp­ land, in den Sümpfen der Finnmarken und der so anderen Tundralandschaft wurde ich mir der unterschiedlichen Tier- und Pflan­ zenwelt bewußt, und das da geweckte Inter­ esse hat mich nicht mehr losgelassen“, sagt Karl Zimmermann. Nach Kriegsende und Rückkehr nach Blumberg fand Karl Zimmermann im Or­ chideenfreund Dr. Erwin Sumser aus Hü­ fingen, Prof. Günther Reichelt aus Donau- eschingen und dem Blumberger Apotheker Alfred Bausch fachkundige und interessierte Gesprächspartner, die dem Autodidakten Zimmermann mit Rat und Information zur Seite standen. Mehr Sachinformation kam dann noch über den Vöhrenbacher Geolo­ gie-Professor Willi Paul dazu, der Wissen und Kenntnisse weitergab. Sehr bald kam zur intellektuellen Ausein­ andersetzung mit der Vielfältigkeit der Natur und ihren Gegebenheiten die fotografische Dokumentation. Erst waren es Dia-Serien, dann, mit fortschreitender Technik, Film­ arbeit. So sind es mittlerweile dreizehn Filme unter dem Thema „Mit der Kamera auf der Pirsch“, die Karl Zimmermann in stunden­ langer Arbeit zusammengestellt hat und mit denen er ein ständig wachsendes Publikum für die Belange des Naturschutzes sensibili­ siert. So zeigt er seine Filme im regelmäßigen Angebot der Volkshochschulen, und immer wieder fragen interessierte Gruppen und/ oder Vereine bei ihm um Vorträge an, wie zum Beispiel die „Orchideen-Gesellschaft“. Allein 36 verschiedene Arten von Orchideen sind hier heimisch und stehen unter streng­ stem Naturschutz. Karl Zimmermann kennt die Standorte genau und auch Blütenzahlen und neue Pflanzen, aber auch jede ausgegra­ bene Pflanze registriert er, ebenso Insekten und Schmetterlinge, die immer weniger häu­ fig sind, sowie jeden Brutvogel, der hier äußerst selten seinen angestammten Stand­ ort verläßt. Seit mehr als zwanzigJahren ist Karl Zim­ mermann Naturschutzwart vom Kreis, und so fällt der gesamte Bereich der Vogelkunde, vom Beobachten über Schützen bis hin zur Horstpflege in seinen Aufgabenbereich. Hinzu kommt die Katalogisierung der Vogel­ arten, die nur sporadisch hier zu sehen sind. Als Vogelraststätte hat sich das Blumberger Ried als sehr wichtig und nützlich erwiesen. 177

Seidenreiher und Kormoran, Wiedehopf und Kranich kommen auf der Durchreise zu Besuch, und unlängst beehrten sogar drei Fischadler, die so sei tenen „Könige der Luft“, die WasserAächen im Zollhausried. Der wohl seltenste, geAügelte Gast der letzten Jahre, so Zimmermann, war ein Pirol, der sich just seinen eigenen Garten als Rast­ platz ausgesucht hatte. Die Noch-Existenz seltenster Insekten hier im Umfeld zu beweisen, ist Karl Zim­ mermann gelungen. So hat er die Zebra­ spinne (Argiope) am Südhang des Buchber­ ges dokumentiert. Das tropisch bis subtro­ pisch orientierte Insekt ist erst in den letzten zwanzig Jahren in Europa nachgewiesen. Eine stille und zurückhaltende Arbeit ist e , die Karl Zimmermann seit Jahrzehnten leistet, doch innerhalb des gestiegenen Na­ turschutzbewußtseins der Bevölkerung sind Erfolge zu verzeichnen. So ist die Unter­ schutzstellung der WutachAühe und gleich­ bedeutend damit die Erklärung des Blum­ berger Rieds zum Naturschutzgebiet als ein ganz wesentlicher chritt in eine richtige Richtung zu werten. Unterstützt von seiner Frau zeichnet Karl Zimmermann über endlose Filmmeter auf, was heute noch bewundernswert und, schon dezimiert durch Fortschritt und Technik, an seltener Fauna und Flora in unmittelbar hei­ mischem Kreis anzutreffen ist, und, so Zim­ mermann, ,,wenn die Menschheit so weiter macht wie bisher, bald nicht mehr zu finden ist“. Christiana Steger Hans Göppert Ein erfolgreicher Handwerksmeister und ein engagierter Bürger der Gemeinde Schönwald mit einem Leben für den Skisport Die Familie Göppert i t seit 4 Generatio­ nen in Schönwald ansässig. Der Urgroßvater von Hans Göppert kam mit seinen drei Söh­ nen von Schweighausen nach Schönwald, um die Zimmererarbeiten an der Kirche, die von 1862 bis 1864 erbaut wurde, auszuftih­ ren. Josef Göppert und seine drei Söhne ver­ blieben nach dem Neubau der Kirche in Schönwald. Sein Enkel Hermann übernahm 1919 den Betrieb und baute ihn aus. Hermann Göp­ pert war verheiratet mit Frau Maria geb. Tüll­ mann. Aus dieser Ehe ging der jetzige Betriebsinhaber! Jans Göppert hervor. Hans Göppert, am 24. Juli 1928 in Schönwald geboren, wuch im Elternhaus auf. Von 1935 bis 1942 besuchte er in Schönwald die Volks­ schule. Danach ging er beim Vater in die Zimmerlehre. In Triberg und Villingen be­ suchte er die Gewerbeschule. Die berufliche Ausbildung wurde im Februar 1945 durch die Einberufung zum Kriegseinsatz unter- brochen. Er kam in amerikanische Gefan­ genschaft und wurde im Juli 1945 entlassen. 1946 legte Hans Göppert vor der Zimmerer­ Innung Villingen die Gesellenprüfung mit Erfolg ab. Danach arbeitete er im väterlichen Betrieb weiter. Zwischendurch erweiterte er seine beruAichen Kenntnisse durch den Besuch der Fachschule in Tübingen. Nach dem Besuch der Meisterschule in Freiburg legte er am 20. Februar 1954 die Meisterprü­ fung mit Erfolg ab. Seit 3. Mai 1960 ist Hans Göppert mit Frau Ursula, geborene Kupisch, verheiratet. Aus der Ehe gingen 3 Kinder hervor: K.nut, Johannes und Dorothea. Zum !.Januar 1965 übernahm Han Göp­ pert den elterlichen Betrieb, den er durch die Krankheit seines Vaters schon seit 1954 führte. Mit zähem Fleiß und einem gesun­ den Optimismus ging Hans Göppert zu Werke. Mit großem persönlichen Einsatz gelang es ihm und seiner Frau, den von sei- 178

nem Vater übernommenen Handwerksbe­ trieb kontinuierlich auszubauen. Die alte Zimmererwerkstätte wurde zu klein und so baute er 1975/76 eine neue Werkstätte mit Abbundhalle und allen nötigen Sozial- und Büroräumen. Früh erkannte Hans Göppert, daß zur Auslastung seines Betriebes es günstig wäre, eine Schreinerei anzugliedern. Dies ermög­ lichte ihm nicht nur Zimmererarbeiten, sondern auch den ganzen Innenausbau aus­ zuführen. Viele Neubauten, aber auch Um­ und Erweiterungsbauten, sind Zeugnis von hohem handwerklichen Können der Fa. Göppert. Seit 1978 ist die Fa. Göppert auch in der Denkmalpflege tätig, vor allen Dingen bei der Althofsanierung. Bei diesen Arbeiten gilt es zwei Ziele gleichzeitig zu erreichen: Die historische Bausubstanz muß mit viel Können und Liebe zum Detail erhalten, bzw. erneuert werden. Zum an­ deren muß aber auch das Gebot der Wirt­ schaftlichkeit beachtet werden, denn die Höfe sollen ja wieder der landwirtschaft­ lichen Nutzung und nicht nur als Museen dienen. Ein ausgezeichnetes Beispiel für diesen Bereich ist der 1619 erbaute Reinertonishof in Schönwald. Für den Reinertonishof wur­ de 1982 eine besondere ausführliche Bau­ maßnahme durchgeführt (vgl. Almanach 82, S.132 ff. und Almanach 88, S. 221 ff.). Der Hof hat den Charakter des typischen Schwarzwälder Heidenhofes. Die besonde­ ren Nutzungsanforderungen boten die Vor­ aussetzung dafür, daß am Reinertonishof nur Restaurierung und Sanierungsarbeiten durchgeführt wurden. Dadurch wurde das Gebäude herkömmlich erneuert und somit ein historisches Denkmal erhalten. Die Fa. Göppert hat noch viele andere denkmalge­ schützte Althofsanierungen durchgeführt. Erwähnt sei hier der Obere Gschwendhof (vgl. Almanach 85, S. 245 ff.) und Bühlhof in Gütenbach sowie das Jagdschloß Entenburg in Pfohren (vgl. Almanach 80, S. 113 ff, Almanach 89, S.109 ff. und Almanach 91, S. 193 ff). Zum 1.Januar 1992 gründete Hans Göp­ pert eine GmbH und nahm seinen Sohn Johannes Göppert als Zimmermeister und Geschäftsführer in die Firma auf. Die Firma Holzbau GmbH Göppert beschäftigt zur Zeit (Stand Ende 1992) 3 Zimmermeister, 1 Schreinermeister, 12 Zimmergesellen, 2 Hel­ fer und 2 Auszubildende im Zimmerer­ handwerk. Seit 1954 hat Hans Göppert22 Lehr­ lingen im Zimmererhandwerk die Liebe zum BaustoffHolz und zum Zimmererhandwerk vermittelt. Für das Büro mit seinen vielfältigen Arbei­ ten ist Frau Ursula Göppert zuständig. Die Firma Holzbau Göppert GmbH Schönwald ist ein Inbegriff von hervorragen­ der handwerklicher Arbeit und stellt für die Gemeinde Schönwald ein nicht unerheb­ licher mittelständischer Wirtschaftsbetrieb dar. Bei seinen Berufskollegen ist Hans Göp­ pert sehr geschätzt, sie wählten ihn zum stell­ vertretenden Innungsobermeister der Zim­ mererinnung des Schwarzwald-Baar-Kreises. Hans Göppert ist aber nicht nur Unter­ nehmer. Er engagiert sich in der Gemeinde- 179

politik. Er ist seit 1965 im Gemeinderat und vertritt die Interessen aller Bürger von Schönwald. Auch das Amt des stellvertreten­ den Bürgermeisters begleitete er über viele Jahre. Schon als Schüler war er aktives Mitglied des Skiclubs Schönwald. Von 1946 bis 1958 nahm er an vielen Wettkämpfen in der Nor­ dischen Kombination sowie am Spezial­ springen teil. Bei fünf Deutschen Meister­ schaften war er als Aktiver dabei. 1952 konn­ te er im Spezialspringen einen hervorragen­ den achten Platz belegen. Von 1957 bis 1984 begleitete er das Amt des 1. Vor itzenden. In diese Zeit fiel der Bau der „Adler-Sprung­ schanze“. Hier hat sich Hans Göppert in un­ eigennütziger Weise eingesetzt und wesent­ lich dazu beigetragen, daß diese großzügig angelegte Sportanlage nebst Nebenanlagen erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Im Jahre 1970 hatte der Deutsche Skiver­ band dem Skiclub Schönwald die Aufgabe übertragen, die Nordi chen Deutschen Ski­ meisterschaften auszurichten. Hans Göp­ pert zeichnete hier als verantwortlicher Organisationschef. Dieses einmalige Skifest in Schönwald war nur deshalb so erfolgreich, weil Gemeindeverwaltung, Skiclub, an der Spitze Organisationschef Hans Göppert, einvernehmlich zusammenarbeiteten. Die Von einem Rietvogel, der ausflog Es gibt Menschen, die wurden in eine fal­ sche Zeit hineingeboren. Bernhard Moser gehört dazu. Eigentlich hätte er vor ein paar hundert Jahren geboren werden müssen – dann wäre er mit Sicherheit ein berühmter Hofnarr beim Fürstlich Fürstenbergischen Hof in Donaueschingen geworden. „75Jahre-und kein bißchen weise“ -war in der Lokalpres e zu lesen, als er 1992 sein Jubelfest feiern konnte. Wer ihn kennt, wird mir rechtgeben, daß das Wort „weise“ eher durch „leise“ ersetzt werden müßte. Auch 180 Bernhard Moser seit 1968 mit dem Skiclub Neustadt jährlich durchgeführten Internationalen Schwarz­ wälder Springertourneen kamen ebenfalls auf Initiative von Hans Göppert zustande. Auch diese Großveranstaltungen zeichnet er als verantwortlicher Organisationschef. Seit 1986 ist er im Skiverband Schwarz­ wald Vorsitzender des Ältestenrates. Aufgrund all seiner ehrenamtlichen Tätig­ keiten im Skiclub Schönwald wurde er in der Jahreshauptversammlung 1984 zum Ehren­ vorstand ernannt. Vom Skiverband Schwarz­ wald wurde er wegen seiner großen Ver­ dienste um den Skisport mit dem Ehrenbrief ausgezeichnet. Trotz seiner beruflichen Bela­ stungen ist Hans Göppert seit 1944 bis heute Mitglied der Freiw. Feuerwehr. Seit 1976 ist er im Aufsichtsrat der Volksbank Triberg tätig. Wenn man Hans Göppert auf seine vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten anspricht, sagt er in seiner be cheidenen Art, daß neben sei­ nem Beruf die Liebe zu seiner Heimat und der Skisport für ihn immer ein Ansporn zu seinem Tun gewesen wäre. Weiter sagt Hans Göppert, daß seiner Frau und den I(jndern ein großer Dank gebührt, denn sie hätten all sein Handeln unterstützt und mitgetragen. Emil Rimmele heute noch hat der Jubilar jederzeit einen Rotten Spruch auf der Lippe und wenn irgend jemand wirklichen Mutterwitz besitzt, so ist er es. In seiner Blütezeit als Conferencier wurde erzählt, daß er so viel reden kann, daß seine Zuhörer davon heiser werden. Mosers „Lebenswerk“ -wenn man es denn so nennen will -wurde 1987 mit der Verdienstmedaille des Landes Baden-Würt­ temberg geehrt. Nicht herausragende politi­ sche oder berufliche Leistungen wurden ihm

der Schule bei einem Schuhmacher in der Brunnenstraße in die Lehre. Dies schien jedoch nicht sein Traumberuf zu werden, denn zwei Tage nach Lehrabschluß meldet er sich 1935 freiwillig zum Infanterieregi­ ment 75 in Donaueschingen. Nach zwei Jahren wechselt er zur Deutschen Reichs­ bahn, wo er als Heizer auf einer Dampflok arbeitet. 1938 entwickelt sich sein neuer Berufswunsch: Er will Polizist werden. Dies erfüllt sich dann auch auf der Polizeischule in Heidenheim. Den Zweiten Weltkrieg erlebt er in ganz Europa: Vom Polizei-Gebirgsjäger-Regi­ ment 18 in Garmisch-Partenkirchen ging es in die Tschechoslowakei, nach Polen, Jugo­ slawien, Finnland, Griechenland bis nach Rußland auf die Krim. Nach Kriegsende arbeitet er als Angestellter beim Städtischen Vermessungsamt Villingen, bis zur Pensio­ nierung 1977. 1952 flog der „Rietvogel“ aus seinem geliebten Villingen aus. Er heiratete „in Bad Scheme mit Mosers Antlitz 181 damit bescheinigt, sondern das menschliche Wirken, über fünfzigJahre den Mitbürgern g-_ute Laune, Lachen, Humor und somit das Uberwinden der täglichen Sorgen und Nöte nahegebracht zu haben. Wenn Humor wirk­ lich die „beste Medizin“ ist, so hat sich Bernhard Moser einen Doktor-Titel ver­ dient. In Bad Dürrheim gehört er mittlerweile zum festen Inventar der Stadt. Doch mit dem Wasser der Stillen Muse! wurde er nicht getauft, was man auch heute noch merkt, wenn er seine unzähligen Anekdoten aus dem alten Villingen zum besten gibt. Im Herzen ist er ein „Rietvogel“ geblieben. Riet­ vogel darf sich nicht jeder nennen – das bleibt nur den im Villinger Riet-Viertel gebo­ renen und aufgewachsenen Ureinwohnern vorbehalten. Bernhard Moser gehört dazu, seit er im Herbst 1917 als drittes von sieben Kindern im Riet das Licht der Welt erblickte. Auf Wunsch des Vaters, der Werkmeister bei der Backofenfabrik Oberle war, sollte der Bub „etwas Anständiges“ lernen. So ging er nach

geeigneten Raum für die probenintensive Vereinsarbeit zu bekommen. Als Moser 1977 in Pension ging, wurde er als Führer und Kassierer im Dürrheimer Narrenschopf wiederum in die Position gestellt, die seinem Naturell entspricht. Heute ist er dort nicht mehr wegzudenken, denn seine markige, witzige und fachliche Präsentation der verschiedenen Fasnachtsfi­ guren begeistert die Besucher immer wieder. Hier ist er in seinem Element und vermittelt treffiich den Geist der alemannischen Fasnet an alle Gäste. Da er als Rentner nunmehr viel Zeit hatte und sein Ruf als Conferencier über die Kreis­ grenzen hinausdrang, konnte man ihn auf unzähligen Musikfesten vom Bodensee bis Stuttgart hören. Auch für die Kur- und Bäder GmbH wurde er eingespannt und warb auf diversen Touristikmessen für seine „zweite Heimat“. Seit drei Jahren wirkt er auch bei der Gästebegrüßung mit, indem er den Neu­ angekommenen das „Alemannische Sprach­ abitur“ abnimmt, um so den Gästen den Dialekt unserer Gegend humorvoll näherzu­ bringen. Kurz, überall wo etwas los ist, darf „d’Moser“ nicht fehlen. So auch in den Dürrheimer Partnerstädten in Frankreich und Ungarn, wo er schon etliche Freund­ schaften geschlossen hat. Als Stimmungskanone hat er also sein Pulver noch lange nicht verschossen und es bleibt zu wünschen übrig, daß Bernhard Moser noch lange Jahre als „Original Villin­ ger Oürrheimer“ die Kraft und die Gesund­ heit erhalten bleibt, um sein Wirken in der Gemeinschaft fortzusetzen. Jürgen Kauth Dürrheim ein“, wo er in Lisa Reich eine Lebensgefährtin gefunden hatte, die genug Geduld aufbrachte, um ihm, den es im Leben immer wieder mit unbändiger Kraft vor sein Publikum gedrängt hat, einen ruhenden Pol zu bieten. In Villingen kannte ihn zu der Zeit bereits jedes Kind, denn er war schon vor 1939 und dann wieder nach dem Krieg aktives Mit­ glied im Katzenmusik-Verein, dem er heute noch als Ehrenmitglied eng verbunden ist. Die Fasnet war und ist seine große Passion. Jahrzehntelang betätigte er sich als Schau­ spieler und Ansager bei den Katzenmusik­ Umzügen. Im gesetzten Alter fährt er heute noch manchmal im Galawagen der Narro­ zunft mit. Diese Begeisterung für die Fasnet wurde durch seinen Umzug nach Bad Dürrheim nicht gedämpft. Im Gegenteil – 1952 war er bei der wiedergegründeten Narrenzunft sofort dabei. Solch ein Mann, mit einer „großen Gosch“‚ und schauspielerischem Talent konnte man natürlich gut gebrau­ chen. Bis 1956 hatte er hier als Zweiter Zunftmeister im Vorstand mitzureden. 1954 trat er dem Trachtenverein bei, dem er heute noch als Ehrenmitglied aktiv angehört. In jener Zeit kam die Idee auf, den Trach­ tenverein stärker in den Kurbetrieb der auf­ strebenden Kurstadt einzubeziehen. Bis dato beschränkte man sich aufTanzvorfüh­ rungen bei Festen, nun wollte der Verein auch Heimatabende für die Kurgäste veran­ stalten. Hierbei war Bernhard Moser wie­ derum als wortgewandter Ansager und Unterhalter der Schlüssel zum Erfolg und der rechte Mann am richtigen Ort. Diesen „Job“ erledigt er heute im vierzigsten Jahr und die Freude an dieser Aufgabe ist ihm nur getrübt durch den Umstand, daß dem Verein die dringend nötige Unterstützung bei der Beschaffung neuer Proben-Räumlichkeiten versagt wird. Als Dank für die jahrzehntelange Arbeit des Vereins bei der Unterhaltung der Kur­ gäste und Bewahrung heimatlicher Tradi­ tion hätte es dieser wohl verdient, einen 182

U h r en im Lan d k r eis – gestern u n d h eute 150 Ja h r e D e u t sc h e U h r e n in d u st r ie V o m U h r e n g e w e r b e z u r U h r e n i n d u st r i e Die gewerbliche Entwicklung der Uhr­ macherei im Schwarzwald begann um 1715, nachdem die Uhrmacherei andernorts schon fortgeschritten war. Wahrscheinlich kam sie in erster Linie durch Zufalle in den Schwarzwald. Die Voraussetzungen für die Schwarzwälder Holzuhrmacherei waren offenbar so günstig, daß sich – nach zaghaf­ ten Anfangen vielleicht schon ein halbes Jahrhundert zuvor- in zwei Jahrzehnten ein blühendes Uhrengewerbe entwickelte. Es war im wesentlichen auf den Höhen des Schwarzwaldes über 800 Meter im Gebiet der Klosterherrschaft St. Peter und der welt­ lichen Herrschaft Triberg angesiedelt. Wahr­ scheinlich haben Gewerbeförderungsmaß­ nahmen der vorderösterreichischen Regie­ rung zum Anstoß der Entwicklung und zum Erfolg mitbeigetragen, wenngleich diese Maßnahmen weniger materiell als ideell ein­ zustufen sein dürften. Erst nachdem man seit geraumer Zeit nach direkten Beweisen für diese These sucht, wird man größere Klar­ heit in die Frühzeit bringen können. Werkstat/ eines Flötenuhrmachers in Neusladt um 1825 183

mach er zur Ergänzung ihrer handwerklichen Uhrenherstellung durch industrielle Arbeits­ weisen. Zuerst wurden Radsätze und Zusatz­ teile der Uhren fabrikmäßig hergestellt. Die früher zwar arbeit teilig, aber im wesentli­ chen handwerklich orientierten Uhrmacher bauten nur noch fertige Teile zu Uhren zusammen, so daß die schon erhebliche Pro­ duktionsmenge der Schwarzwälder Uhren von 1800 verdoppelt bis verdreifacht wurde. Wir sind damit etwa in der Zeit um 1850, als insbesondere in Lenzkirch neben Zulie­ ferbetrieben erste Uhrenfabriken gegründet wurden. Zu nennen ist die Aktiengesell­ schaft für Uhrenfabrikation in Lenzkirch (AGUL), wo man die fabrikmäßige Produk­ tion von Uhrwerken ganz au Metall auf­ nahm. Das Anfangskapital stammte teil­ weise aus der Schweiz. Gehäuse wurden in der ersten Zeit vielfach aus Paris bezogen. Die anfänglichen Produktionszahlen waren eher bescheiden. Im badischen Schwarz­ wald, wo die Uhrmacherei fast 150 Jahre vor­ her begonnen hatte, kamen so mehrere Uhrenfabriken in Gang. Sie beschäftigten vorher selbständige Uhrmacher und expor­ tierten über ihre Vertriebsorganisationen die Uhren in alle Welt. Aufbau einer Uhrenindustrie nach amerikanischem Muster In die Vereinigten Staaten von Amerika waren in den 100 Jahren zuvor Schwarzwäl­ der Uhrmacher ausgewandert und hatten ihre Produktionsmethoden mitgenommen. Im Gegensatz zum Schwarzwald erfolgte in der Neuen Welt jedoch eine schnellere Indu­ strialisierung, die den Aufbau einer Uhren­ industrie nach neueren Methoden beinhal­ tete. Zuerst wurden Holzuhren in den USA fabrikmäßig gefertigt, seit der Mitte des Jahr­ hunderts auch Metallwerke in einer speziel­ len Art, die man bei uns als Amerikaner­ uhren bezeichnet. Man stanzte die Platinen aus Blech, ebenso Räder und weitere Teile, so daß eine billige Massenproduktion möglich wurde. Die amerikanischen Uhren über­ schwemmten den Weltmarkt und nahmen Holzuhrwerk mit Spinde!hemmung. Friihe haus­ gewerbliche Fertigung. Sclnoarzwa!d, um 1830. Das Uhrengewerbe bot seit dem 18.Jahr­ hundert einer wachsenden Zahl von Menschen Verdienstmöglichkeiten. Die Schwarzwälder Bevölkerung, die zuvor zah­ lenmäßig über Jahrhunderte stabil war, wuchs rasch. In den unwirtlichen Schwarz­ wald zog sogar ein gewisser Wohlstand ein, besonders im Vergleich zum landwirtschaft­ lich viel besser situierten Rheintal. Zur gleichen Zeit spielten im England des 18.Jahrhunderts bereits Dampfii1aschinen und frühe Industrieentwicklungen -Kohle, Stahl, Textil-eine Rolle. Derverkehrsmäßig abseits gelegene Schwarzwald war dagegen rein handwerklich-gewerblich orientiert. Einer Industrialisierung standen Verkehr – hindernisse und die vorherrschende Streu­ siedlung entgegen. Zunehmende Rationalisierung, Preis­ druck, Konkurrenz -insbesondere aus dem französischen Grenzgebiet der Franche Comte -zwangen die Schwarzwälder Uhr- 184

den Schwarzwäldern teilweise ihren Absatz, da sie die Preise der handwerklich hergestell­ ten Uhren weit unterbieten konnten. Qiali­ tät und Art unterschieden sich zwar von den bekannten Schwarzwälder Uhren, doch erlaubte die maschinelle Fabrikation sehr niedrige Preise bei brauchbarer Funktions­ sicherheit. Findige Schwarzwälder Unter­ nehmer, unter ihnen ist besonders Erhard Junghans zu nennen, studierten in Amerika die Fertigungsmethoden und brachten sie mitsamt den Maschinen um 1870 in den Schwarzwald. Zwar ließe sich manches über Anfangs­ schwierigkeiten berichten, auch über nicht so günstige Preise, wie man sie eigentlich erhofft hatte. Doch erlaubte der Erfolg der neuen Produktionsmethoden nach einigen Jahren die Verdrängung der amerikanischen Uhren von vielen Märkten. So entstand nach dem Muster von Junghans in Schram­ berg die württembergische Uhrenindustrie in und um Schwenningen, die, anders als die traditionellere badische Konkurrenz, weni­ ger konservative Uhrwerke und Muster her­ vorbrachte. Insbesondere Wecker wurden in großen Stückzahlen und zu sinkenden Prei­ sen hergestellt. Bald konnte sich der Arbeiter einen Wecker für einen Tageslohn kaufen. Jetzt war die Uhr als Gebrauchsartikel aller­ dings auch notwendig geworden, da Pünkt­ lichkeit in Fabriken, Schulen sowie im öffentlichen Leben einschließlich Verkehr eine immer größere Bedeutung gewonnen hatte. In den Jahren nach 1871 fand in ganz Mitteleuropa ein industrieller Aufschwung statt. Er wurde durch die Rezessionsphase Mitte der 70er Jahre für kurze Zeit unter­ brochen, setzte sich dann jedoch mit ge­ ringen Einschränkungen sogar über den Ersten Weltkrieg hinaus bis fast zu den 30er Jahren fort, eine lange Periode beständiger Produktionszunahme. Automatisierte Uhrenfertigung Im 20.Jahrhundert begann im Schwarz­ wald auch die industrielle Automatisierung. Werk einer Wanduhr nach amerikanischem Muster. Durchbrochene, gestanzte Messingplati­ nen, Eingriff des Blechankers von der unteren Werkseite. junghans, nach 1870. Die Uhrenbestandteile wurden nicht nur maschinell hergestellt, auch die Drehbänke, Stanzwerkzeuge und weitere Maschinen wurden immer mehr in teilautomatisierte Fertigungsgänge einbezogen, und die auto­ matisch gefertigten Teile wurden am Fließ­ band zusammengebaut. Dadurch wurde eine wesentliche Rationalisierung der Ferti­ gung erreicht, die Produktion konnte gestei­ gert werden, die Preise sanken, und ein wach­ sender Markt konnte erschlossen werden. Die Produktionsmenge der inzwischen etwa 30.000 Menschen beschäftigenden Uhren­ fabriken war auf 10 Millionen schon im Jahre 1910 angewachsen. Marktbeherrschend waren wenige große Firmen mit mehr als tau­ send Beschäftigten. Dazu kamen etwa 200 mittlere und kleinere Betriebe, die ihre Pro­ dukte teilautomatisiert herstellten. Die Firmen bauten eigene Absatzorgani­ sationen auf, die weltweit erfolgreich waren. 185

Automatensaal der Firma}unghans, Schramberg, 11111 1890. Die Beschäftigtenzahl mußte stark verringert werden. Verständlicherweise waren zuerst die Firmen betroffen, die am wenigsten fort­ schrittlich produzierten, so die inzwischen alt gewordenen Uhrenfabriken des badi­ schen Raums: Lenzkirch, Furtwängler und die Badische Uhrenfabrik in Furtwangen. Ein Grund lag auch in der Fertigungsstruktur und den Produktlinien dieser Firmen, die nach alter Tradition auf besondere Stabilität und hohen Aufwand der Werke-und Gehäu­ sefertigung ausgerichtet waren. Dagegen arbeiteten Betriebe nach amerikanischem Vorbild auf einfache Ma enware und preis­ günstigste Fertigung bei leichtester Ausfüh­ rung hin. Die Aufwärtsentwicklung vieler Firmen hatte mithin zwei bis drei Generationen gedauert und wurde durch die erste nachhal­ tige Rezession (1929) gebremst. Doch der so schmerzhaft zurückgeworfene Uhrenmarkt erhielt bald neue Impulse durch den Ver­ braucherbedarf. Nach den Wanduhren der Auch Zweigbetriebe im Ausland wurden gegründet und hatten eine bedeutende Ver­ größerung des Marktes zur Folge. Der Erste Weltkrieg von 1914 bis 1918 unterbrach die Aufwärtsentwicklung dieser Industrie kaum, wenngleich die Uhrenfabriken vielfach auf Kriegsproduktion umstellen mußten und ihre eigentlichen Erzeugnisse, die Uhren, für einige Jahre aus den Augen verloren. Trotz­ dem gab es nach Ende des Weltkrieges kaum eine Unterbrechung der Konjunktur, viel­ mehr blieb die Wirtschaft bis über die Mitte der zwanziger Jahre im Aufwärtstrend, wäh­ rend die Produktionsmethoden weiter ver­ feinert wurden. Die Weltwirtschaftskrise Ende der 20er Jahre unterbrach die bis dahin kontinuier­ lich aufwärts gerichtete Entwicklung nach­ haltig. Die ersten Fabriken, etwa 80 Jahre zuvor gegründet, gingen in Konkurs oder wurden von anderen Firmen übernommen. 186 Erste Krisenperioden, Zusammenbrüche

Fließband für Weckerfertigung um 1950. Fa. }unghans, Schramberg. Zeit bis 1850, den Weckern der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts und den Regula­ teuren des beginnenden 20.Jahrhunderts bevorzugten sie neue Uhrensorten: Küchen­ uhren, Schmuckwecker, Stiluhren, Schreib­ tischuhren und Zeitmesser für Spezial­ zwecke. Mit elektrischen Uhren wurde nicht mehr nur experimentiert. Fortschrittliche Firmen bauten elektrische Uhren, die gegen­ über den mechanisch betriebenen ein höhe­ res Maß an Bequemlichkeit boten und sowohl ganggenau wie zuverlässig waren. Veränderte Technologie Die 30er Jahre bescherten eine langsame, doch beständige Steigerung der Produktion, die durch den 2. Weltkrieg 1939 -1945 wohl in der Produktentwicklung, nicht dagegen in der Menge unterbrochen wurde. Vielmehr war der Ausstoß der Fabriken in dieser Zeit besonders groß, Organisation und Zusam­ menarbeit innerhalb der Uhrenindustrie funktionierten unter Zwang besser denn je zuvor. Dabei wurden schon neue Technolo­ gien und Fertigungsabläufe eingeführt, die sich später in der Nachkriegsproduktion bewährten. Wenngleich nach Kriegsende schmerzliche Werksdemontagen erfolgten, so blieb doch die Produktion in Gang, der Fortschritt ging auf jeden Fall weiter, allein infolge des Ersatzes der demontierten Anla­ gen durch neuere und modernere. Kunststoffe, zuerst argwöhnisch als Ersatzstoffe minderer Qualität betrachtet, führten in Wirklichkeit zu besserer Material­ nutzung und setzten sich immer weiter durch. Anfang der 60er Jahre hatte die deut­ sche Uhrenindustrie eine Produktion von etwa 50 Millionen Uhren im Jahr erreicht, die Beschäftigtenzahl näherte sich mit fast 40.000 Beschähigten ihrem Höchststand. Neue Entwicklungen wurden in den Labors betrieben, insbesondere elektrische und elektronische Uhren begannen ihren Sieges­ lauf, während die Fertigung durch Kunst­ stoffverwendung immer rentabler wurde. 187

etwas früher wirksam, so daß Deutschland und die Schweiz mit zeitlichem Abstand betroffen waren. Die Produktion der deut­ schen Uhrenindustrie bewegte sich 1970 um etwa 50 Millionen Uhren, die Beschäftigten­ zahl war infolge von Rationalisierungserfol­ gen leicht gesunken. Der Markt wurde zusätzlich durch Fernostimporte mit Uhren über ättigt, so daß verschiedene Firmen auf­ geben mußten. Natürlich traf es die am schlechtesten mit Kapital ausgestatteten und kaum vorbereiteten Firmen am stärksten, verschiedene Fabriken mit einer großen Tra­ dition gingen in Konkurs. Eine Konsolidierung auf niedrigerem Niveau der Beschäftigtenzahl bei gleichblei­ benden oder gar steigenden Produktions­ mengen und mit leistungsfähigeren Produk­ ten als zuvor folgte dieser Einbruchsperiode (1980). Im Ergebnis war die Bedeutung der Uhrenbranche jedoch deutlich geschwächt und ihre Stellung auf dem Weltmarkt ver­ schlechtert. Wendepunkt der Industrieentwicklung Über die ganze Zeit der 200jährigen Schwarzwälder Uhrenindustrie können wir an Hand der Firmenentwicklungen Hoch­ und Tiefpunkte verfolgen. Daraus können wir versuchen, Gesetzmäßigkeiten oder wie­ derkehrende Prinzipien abzuleiten. Dabei zeigt sich ein beständiges Auf und Ab der Konjunktur, wie es nach der einfachen Betrachtung aus der Erfahrung fast selbstver­ ständlich ist. Sodann möchte man den perio­ dischen Schwankungen einer zeitabhängi­ gen Konjunkturkurve eine Periodizität unterlegen, die jedoch durch die äußeren Umstände gestört wird, vor allem durch die Kriege in Europa. Krisenperioden wieder­ holen sich offensichtlich im Zeitraum von 30 bis 60 Jahren. Daraus allein ist jedoch keine Gesetzmäßigkeit abzuleiten, wie die eingetragenen Jahreszahlen besonderer Ereignisse zeigen. Eine „Planmäßigkeit“ wage ich jedoch in die Hauptperioden der Gründung von Indu­ striebetrieben und in die Krisenperioden mit Weckerwerk }unghans 231. Gebaut etwa 1920 bis 1975. Damit ging weitere Automation einher, so daß die Uhiwerke immer billiger hergestellt werden konnten. Neue Fabriken wurden gebaut und beste­ hende vergrößert, der Markt wuchs mit dem Bedarf sowohl in Deutschland wie weltweit, die Periode des Wiederaufbaus schien in eine ungebrochene Wachstumsepoche zu mün­ den. Der allmählich voraussehbare Struktur­ wandel, bedingt durch den Technologiewan­ del von der Mechanik zur Elektronik, kün­ digte sich in den 60er Jahren bereits an. Der Siege zug der mechanischen Uhr näherte sich infolge lohnintensiver Fertigung bei ständig steigenden Lohnkosten dem Ende zu. Beinahe unvorbereitet, ausgelöst durch eine zusätzliche Konjunkturschwäche, brach Mitte der 70er Jahre eine massive Krise aus. Im wesentlichen war sie durch den Struktuiwandel von mechanischer zu elek­ tronischer Fertigung bestimmt. Auf dem Großuhrensektor war dieser Um chwung 188

gehäuften Firmenzusammenbrüchen zu legen. 1850 begann nach sicher nicht ver­ nachlässigbaren Vorläufen die erste Grün­ dungsphase von Uhrenfabriken, speziell im badischen Raum, dem Anfangsgebiet der Uhrmacherei. Sie ist aus der dort schon lange dauernden Tradition der Uhrmacherei ver­ ständlich. Ferner waren arbeitsteilige Ferti­ gungen in kleineren Betrieben üblich, und auch eine Eigenkapitalbildung wird vorher stattgefunden haben. Warum die Industriali- sierung hier und überhaupt in Deutschland erst später als etwa in England begann, soll nicht diskutiert werden. Eine ganze Reihe bekannter Firmen etablierte sich im Gebiet von Lenzkirch, Neustadt, Furtwangen, Vil­ lingen, einige davon wurden zu Großbetrie­ ben der Uhrmacherei. Die zweite Gründungsperiode war die Etablierung der Schramberger und Schwen­ ninger Uhrenfabriken nach amerikanischem Konzept. Hier waren die günstigere Ver- Vollautomatische Montagestraße für Schrillmotoren von Quarzwerken. Fa. junghans, 1986. 189

kehrslage einschließlich Eisenbahnbau, der zunehmende Bedarf an Uhren und die bald sehr preisgünstige Produktion von Arnerika­ neruhren maßgeblich. Zusätzlich wirkte sich die „Gründerzeit“ nach eiern deutsch-franzö­ sischen Krieg 1870/71 aus. Trotz einer zwi­ schenzeitlichen Konjunkturabschwächung Mitte der 70er Jahre dauerte diese Periode viele Jahrzehnte. Die Uhrenindustrie hatte sogar eine fast beständige Aufwärtsentwick­ lung bis nach dem Ende des Ersten Weltkrie­ ges. Eine dritte Periode von Firmengründun­ gen kann man den Jahren von 1930 bis 1950 zuordnen, die trotz des 2. Weltkrieges eine Zeit von Betriebserweiterungen, Erneuerun­ gen und Neugründungen war. Ursachen waren nicht nur konjunktureller Natur, son­ dern lagen auch schon zu einem Teil in den erst später voll wirksamen Technologieände­ rungen. Nach 1950 gab es wohl weitere indu­ strielle Fortschritte, aber eine neue Grün­ dungsphase blieb aus. Die ersten Zusammenbrüche von Firmen der Uhrenindustrie kamen mit der Welt­ wirtschaftskrise in der Zeit nach 1929. Die ältesten Firmen kamen aufgrund unzeitge­ mäßer Strukturen in erhebliche Schwierig­ keiten und mußten mehrheitlich schließen. Ungenügende Automatisierung und Ratio­ nalisierung waren die wesentlichen Ursa­ chen. Die zweite Krisenperiode Mitte der 70er Jahre traf auch relativ moderne Betrie­ be. Aufgrund des zu spät erkannten Struktur­ wandels -Kunststoff und Elektronik lösten die mechanischen Fertigungsstrukturen ab­ schrurnpften Firmen-und Beschäftigtenzah­ len, obwohl die Produktionsmenge der Uhrenindustrie kaum abnahm. In die Zukunft können wir nur bedingt sehen. Do h ist aus dem augenblicklichen Trend abzusehen daß bei stärkerer Automa­ tisierung und höheren Lohnkosten weitere Konzentrationen der Fertigung erfolgen müssen. Zudem wird das frühere Präzisions­ gerät Uhr -trotz hoher Anforderungen an Genauigkeit, Zuverlässigkeit, Lebensdauer – immer einfacher zu produzieren sein. Die Herstellung erstreckt sich auf immer weitere 190 Zusammenfassung, Folgerungen Produktionsstätten in aller Welt. Auch die Zunahme immer wichtigerer zeitgesteuerter Prozesse erfordert keine mechanischen Uh­ ren sondern „elektronische Geräte“, deren Herstellung nicht in klassischen Uhrenfabri­ ken, sondern in Elektronikfirmen erfolgt. Die drei Gründungsperioden folgen im zeitlichen Abstand von etwa 30 Jahren auf­ einander, wobei die besonderen äußeren Einflüsse sicher eine Verzerrung ins Bild bringen. Die erste Periode kennzeichnet den Übergang vorn Hausgewerbe mit Einschluß arbeitsteiliger Fertigungen zur klassischen Uhrenindustrie kapitalintensiver Ausrich­ tung. Die Fabrikgründung war im buchstäb­ lichen Sinn wesentlich eine Kapitalfrage. Die zweite Periode war mit bedeutend ein­ schneidenderen Umwälzungen verbunden und brachte sowohl wesentliche Produktivi­ tätssteigerungen wie Produktveränderungen mit sich. Hier verlagerte sich der Schwer­ punkt der Industrie vom badischen in den württembergischen Raum, und die wichtig­ sten Produktionsstandorte wuchsen zu grö­ ßeren Städten heran. Automatisierung be­ gann eine immer größere Rolle zu spielen. Die dritte Periode war fast ganz durch Automatisierung, Technologiewandel und neue Produkte bestimmt, wenn diese Ein­ flüsse auch nicht so deutlich registriert wur­ den. Der ganze Zeitraum war eine Periode technischen und sozialen Fortschritts, der Produktionszunahme dank neuer Märkte und einer gewissen Vorherrschaft Europas in der Welt. Auch die Produktqualität konnte gesteigert werden, mindestens wurde sie voll beherrschbar. Offenbar eindeutiger als den Aufbau kann man die Krisenzeiten unserer Betrach­ tung erklären und bis zu einem gewissen Grad systematisieren. Die Firmenzusam­ menbrüche in der Weltwirtschaftskrise be­ trafen nach einer Aufbauzeit von etwa drei Generationen sowohl die Unternehmer wie die Beschäftigten alteingesessener Betriebe mit bestem Ruf und bester Produktqualität.

f.., L““I°‘ U �—�·11�i�'“ .. P.a,oor .�- Integrierte Schaltung.für eine Weltzeituhr mit Zeitanzeiger einzelner Zonenzeiten auf Abruf Fachhoch­ schule Furtwangen, Prof. K. Schmidt, 1991. Die nach bewährter Art in hoher �alität und Stabilität, aber nicht mehr modernster Technik gefertigten Uhren waren einfach zu teuer geworden und fanden keinen Absatz. Die Umstellung auf eine moderne Fertigung erwies sich jedoch als so schwierig, daß sie von einem neu gegründeten Betrieb leichter geschafft wurde. Und nach Schließung der alten Fabriken entstanden bald neue Be­ triebe mit allerdings veränderter Produktion. Das wiederholte sich viel schwerwiegen­ der in den 1970erJahren, als sich die Struktur nicht nur der Fertigung, sondern des Produk­ tes Uhr und damit der ganzen Uhrenbranche wandelte. Wiederum waren am stärksten die Betriebe mit einem Alter von etwa drei Gene­ rationen betroffen. Dort, wo zuerst Schwie­ rigkeiten auftraten, lagen sie auch in Zufällig­ keiten der Firmenstruktur. Eigenkapital und Reserven, Besonderheit der Produkte und vor allem die Qualität des Managements waren bestimmend. Diese Argumente gelten auch weiterhin. Für die augenblickliche Situation der Uhrenindustrie kann man folgern, daß bei weiterer Fertigungskonzentration und trotz Zunahme der produzierten Uhren (über 700 Millionen weltweit im Jahr) weitere Firmen ungünstige Aussichten haben. Diversifika­ tion, die einem Betrieb mit funktionierender Absatzorganisation bei rechtzeitiger Vor­ sorge Zukunftschancen bietet, hat nicht immer Erfolg gehabt. Sicher ist es auch ein Zeichen unserer Realität, daß gewachsene Strukturen in der Regel nur begrenzte Lebensdauer haben. Mindestens können wir das beständig verfolgen. Das Industriemuseum – Folgerichtiger Abschluß der Industrieentwicklung Der Fortschritt unserer industriellen Ent­ wicklung ist nach heutigem Ermessen nicht 191

2000 1975 (1950) 1930 (1914) Krise -,.+ 2. Krise – – 1-> 1. Krise 3. Gründerphase 1880 ____ , ___ ……, 2. Gründerphase (1870) 1850 ___ .., 1. Gründerphase 1800 Ein Besuch im „neuen“ Deutschen Uhrenmuseum in Furtwangen und darauf aufbauenden Systemen noch ein weites Feld zu erforschen und zu bearbeiten. Nach der elektronischen Uhr mit Zusatz­ funktionen, dem Zeitcomputer, werden Funkuhren mit weltweiter Steuerung, Zeit­ steuergeräte, Navigationsgeräte, Kommuni­ kationssysteme wie auch medizintechnische Geräte, etwa Herzschrittmacher, an Bedeu­ tung gewinnen. Alte Strukturen verschwinden und wer­ den Teil der Kulturgeschichte, mit der sich die moderne Gesellschaft zunehmend aus­ einandersetzt. Daher ist es an der Zeit, veral­ tete und nicht mehr intakte Strukturen mit­ samt ihrem Gerätepark auch als Denkmäler zu erhalten und zu pflegen. Das trifft in unse­ rem Bereich auf die Notwendigkeit der Er­ haltung einer mechanischen Uhrenfertigung in einem [ndustriemuseum zu, das nicht nur tote Maschinen beherbergt, sondern auch die Funktion einer solchen Anlage für die Nachwelt sichtbar macht. Solche Arbeit muß zeitgemäße Museumspolitik rechtzei­ tig leisten, ehe alles Überkommene dieser Art zerstört ist. Prof. Dr. Richard Mühe plante Baumaßnahme 1988 begonnen wer­ den. Während der gesamten Bauzeit blieb das Museum geöffnet, um die teilweise von weither anreisenden Besucher nicht vor ver­ schlossener Tür stehen zu lassen. Auch der kontinuierliche Führungsbetrieb, eine Be­ sonderheit des Deutschen Uhrenmuseums, wurde in vollem Umfang aufrechterhalten. Wenn der Besucher heute das Museum betritt, steht er in einem großzügigen Foyer und hat Einblick in verschiedene Bereiche des Gebäudes. Über der Kasse findet er in neuem Glanz die große Majolikauhr, die die ehemalige Außenwand des Museums schmückt und zu einem Wahrzeichen des Raum und Gestaltung Zeitlicher Konjunkturverlauf aufzuhalten, auch nicht unter Berücksichti­ gung aller neuen Gesichtspunkte der Um­ weltpolitik und Ressourcenschonung. In der Uhrentechnik ist mit der Fortentwicklung von der mechanischen Fertigung von Räder­ uhren zu elektroni chen Zeitmeßgeräten Im September 1992 eröffnete der Baden­ Württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel den Erweiterungsbau des Deutschen Uhrenmuseums in Furtwangen. Die feierli­ che Eröffnung war die Krönung jahrzehnte­ langer Fortschritte des Museums. Sie sind durch stetig steigende Besucherzahlen -im Jahr 1992 kamen 135.000 Gäste -und konti­ nuierliche Erweiterung der Sammlung auf 5000 Objekte gekennzeichnet. In der ge­ drängten Ausstellung konnten die Objekte in ihrer Eigenwertigkeit und in den Sachzusam­ menhängen nicht mehr adäquat präsentiert werden. So entging den Besuchern zwangs­ läufig vieles an interessanten Informationen. Infolge der Unterstützung durch das Land Baden-Württemberg konnte die lange ge- 192

so daß die Objektpräsentation der Bedeu- tung der Sammlung entspricht. Innenansicht mit dem Bereich Astronomie und Zeitmessung Museums wurde. Durch die strengen Furt- wanger Winter und aufgrund ihrer exponier- Da eine Spezialsammlung technischer ten Lage war sie dringend restaurierungsbe- dürftig. Den Altbauteil und den neuen Objekte für den Besucher nur schwer zu Bereich trennt eine Lichtfuge, durch die erfassen ist, bietet das Deutsche Uhren- Tageslicht auch in die tiefer gelegenen museum Führungen durch die Sammlung Gebäudeteile gelangt. Über Treppen und an, die die Besucher gern annehmen. Dabei werden Aspekte der Uhrentechnik und der einen gläsernen Fahrstuhl werden die Aus- stellungsebenen erschlossen. äußeren Gestalt der Uhren ebenso erläutert, Mit dem Um- und Erweiterungsbau wie die historischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen der Herstel- mußte auch die Uhrenausstellung neu gestaltet werden. Man nutzte die Gelegen- ler und Benutzer der Uhren. Ein besonderer Schwerpunkt liegt naturgemäß bei den heit, einzelnen Objekten mehr Raum zuzu- Schwarzwalduhren, da die Entwicklung der ordnen und stellte Stücke aus, die bisher aus Platzgründen nicht zu sehen waren. Parade- Schwarzwälder Uhrmacherei ein äußerst objekte wie die astronomischen Uhren aus interessantes und einzigartiges Kapitel frü- St. Peter und von Thaddäus Rinderle, die her Industriegeschichte ist. Natürlich wird astronomischen Maschinen von Philipp der Besucher auch mit der Kuckucksuhr und ihrer mythischen Entstehungsgeschichte be- Matthäus Hahn oder die große Kunstuhr kannt gemacht; denn für viele ist die Kuk- von August Noll erhielten herausragende kucksuhr immer noch die Schwarzwalduhr. Plätze. Dort sind sie Blickfange für die Besu- eher. Die einzelnen Abteilungen kommen Neben der Präsentation der Objekte ist im im neuen Museum deutlicher zur Geltung, Deutschen Uhrenmuseum mit dem Umbau 193

Man beginnt im Heute, da jeder Museums­ besucher damit vertraut ist: Pünktlichkeit, Termine, Arbeitszeit und Freizeit sind Erfah­ rungen aus dem 19.Jahrhundert, die ständig verfeinert wurden. Daß dies nicht immer jedem selbstverständlich war, zeigt die Kirchturmuhr. Sie steht für das mittelalterli­ che Zeitverständnis in Klöstern und Städten. Dort „entdeckte“ man die mechanische Uhr als Zeitgeber für eine kleine Bevölkerungs­ gruppe, die schon begann, mit Terminen zu leben, während der größere Teil der Bevölke­ rung nach natürlichen Rhythmen lebte. Noch weiter zurück gehen Systeme, mit deren Hilfe von Spezialisten bestimmte Zeit­ punkte ermittelt werden konnten, die oft auch kultischen Zwecken dienten. Das Modell von Stonehenge in Südengland ist dafür das Beispiel. Nach der Einführung in das Thema „Zeit“ kann sich der Besucher mit den Objekten zur Zeitmessung, den Uhren, auseinanderset­ zen. Die Elementaruhren waren als Wasser- Renaissance-Türmchenuhr mit Eisenwerk. Ver­ goldetes Messinggehäuse. Straßburg, 1573. Eiserne Wanduhr von Erhard Liechti. Winter­ thur, 1584. auch eine neue Beschriftung der einzelnen Abteilungen erfolgt. Jede Abteilung erhielt einen Text, der sich mit den speziellen Gege­ benheiten des jeweiligen Gebietes befaßt, sowie auf Details der Technik von Uhrwer­ ken und Gehäusen eingeht. Er beschreibt die Umstände, unter denen die Uhren entstan­ den sind und nicht zuletzt soll der Text in englisch und französisch auch auslän­ dischen Besuchern einen informativen Zugang zu den Uhren bieten. Die Museumsbereiche Der Rundgang durch das Museum be­ ginnt mit einer Einführung in das T hema „Zeit“. Dieser Bereich ist neu und befaßt sich mit dem, was die eigentlichen Museumsge­ genstände, die Uhren, messen: die Zeit. Hier wird das unterschiedliche Zeitempfinden heute und in der Vergangenheit thematisiert und die Entwicklung zu unserem Zeitver­ ständnis in drei Abschnitten charakterisiert. 194

oder Sonnenuhren schon in frühen Hoch­ kulturen gebräuchlich. Öl- oder Feueruhren sowie Sanduhren wurden fur die Messung kürzerer Zeitabschnitte, etwa bei Kanzelre­ den oder vor Gericht verwendet. Alle diese Uhren funktionierten jedoch nicht automa­ tisch oder kontinuierlich. Das änderte sich um 1300, als die mechanischen Räderuhren auftraten. Mit diesen neuen automatischen Systemen war man vom Wetter und von der Zuverlässigkeit eines Uhrenwächters unab­ hängig. Objekte aus der Anfangszeit sind nur in Bildern überliefert. In der Ausstellung findet man eiserne Wanduhren, die von Schmieden oder Schlossern für eine kleine Schicht städtischer oder kirchlicher Persön­ lichkeiten hergestellt wurden. Die Räder­ werke wurden von Gewichten angetrieben und eine Spindelhemmung mit Waag regelte den kontinuierlichen Ablauf des Werkes, der gemessen und angezeigt wurde. Mit der Antriebsfeder und einem neuen Hemmungssystem – Unruhe mit Spiral­ feder – konnten Uhren ortsunabhängig ver­ wendet werden. Sie waren nicht mehr an einen Platz gebunden, sondern standen frei im Raum, von allen Seiten ansehbar. Mit ihren reichen Gehäusen sind die Renais­ sanceuhren des 16. und 17. Jahrhunderts besondere Schmuckstücke der Ausstellung. Ihre Käufer erfreuten sich an der feinen Silber- und Goldschmiedearbeit und den verschiedenen, auch astronomischen Anzei­ gen. Für den Gebildeten galten diese Uhren als symbolisches Abbild einer wohlgeord­ neten Welt. Neben der Verbreitung als Gebrauchs­ und Schmuckobjekt besonders im städti­ schen Bereich des 18.Jahrhunderts, dienten Uhren auch als Meßinstrumente für wissen­ schaftlichen Gebrauch. Mit ihrer Hilfe ent­ deckte man neue Sterne und konnte die Himmelskörper und ihre Bewegungen dar­ stellen. Daß dies nicht nur mit Uhren aus den städtischen Zentren gelang, sondern auch mit Schwarzwälder Uhrentechnik möglich war, zeigt die Uhr von Thaddäus Rinderle (1787). Etwa zur gleichen Zeit Renaissance-Uhr 111i1 Bergkristallgehäuse, das von einer Darsle!!ung des Herkules getragen wird. Im Sockel ist ein K!appal!ar tmlergebracht. Hannss Chrislojf Kreizer, Augsburg, um 1630. machte sich ein pietistischer Pfarrer, Philipp Matthäus Hahn, Gedanken um die Darstel­ lung des Himmels und baute sein Planeta­ num. Die Entwicklung des Uhrenbaus im euro­ päischen Bereich kann der Besucher des Deutschen Uhrenmuseums anhand der nach Ländern aufgegliederten Ausstellung verfolgen. In den Ländern zeigen sich jeweils eigene Entwicklungen der Gehäuseformen und der Werkgestaltung. Mit der Verbrei­ tung des Pendels und einer hinreichenden Genauigkeit der Werke konzentrierten sich die Uhrenhersteller immer stärker auf die dekorativen Aspekte der Gehäuse, die beson­ ders in Frankreich als Bestandteile ganzer Wanddekorationen hergestellt wurden. Neben diesen aufwendigen Gestaltungen gab es aber auch schon preiswertere Uhren für die bürgerlichen Bevölkerungsschichten. Aus England und Frankreich gelangten 195

Innenansicht im Bereich Schwarzwälder Lackschilduhren Innenansicht des Bereiches Wiener und süddeutsche Uhren mit Blick auf den Bereich Kuckucksuhren im Pavillon. 196

Rahmenuhr mit Ölmalerei auf Blechschild: Uhr­ macherwerkstatt. Furtwangen, 1860. 1 i i l I Kuckucksuhr in Bahnhäusleform mit reicher Schnitzerei. Schwarzwald, um 1880. Gehäuseformen nach Süddeutschland und in den südosteuropäischen Raum, dessen wichtigstes Zentrum Wien war. Sein Einfluß ist nicht zuletzt auch im Schwarzwald fest­ stellbar. Doch auch nach Übersee, nach Japan und China, wurden Uhren exportiert und an die dortigen Gegebenheiten ange­ paßt. Nach diesem Überblick über die europä­ ische Entwicklung gelangt der Besucher auf seinem Rundgang in die wohl bedeutendste Abteilung der Schwarzwalduhren. Hier beginnt die Ausstellung mit einer Schwarz­ wälder Uhrmacherwerkstatt, die in Her­ stellungsmethoden und Materialien der Schwarzwälder Uhrmacherei einführt. Holz­ uhren bau nach dem Vorbild eiserner Wer­ ke, Entwicklung spezieller Werkzeuge, Auf­ bau eines weltweiten Vertriebssystems mit Orientierung an unterschiedliche Marktge­ gebenheiten sowie langsame, aber stetige Verbesserung der Fertigung kennzeichnen die frühe Entwicklung im 18. Jahrhundert. Sie wird an zahlreichen Beispielen im Museum belegt. Auch die Darstellung der Lackschilduhr, der typischen Schwarzwald­ uhr, nimmt breiten Raum ein. Die beson­ deren Entwicklungen wie astronomische Uhren, Musikuhren, besonders kleine Sorg­ uhren, Automatenuhren und Uhren mit auf­ wendigen Barockschildern lernt der Besu­ cher kennen, bevor er mit der Kuckucksuhr konfrontiert wird. Dort wird ihm nicht nur die vertraute Bahnhäusleform aus der Mitte des 19.Jahrhunderts gezeigt, sondern auch sehr frühe Exemplare seit etwa 1760. Während man noch die Vielfalt der Kuk­ kucksuhr bewundert, fallt der Blick auf die kapriziösesten Objekte der Uhrmacher­ kunst: die Taschenuhren. An der großen Kunstuhr von August Noll vorbei gelangt der Besucher in ein Kabinett, das den klei­ nen, tragbaren Uhren gewidmet ist. Von der frühen Halsuhr, die offen am Band getragen 197

Friihe Taschenuhr mit Spindelhemmung, Kelle und Schnecke. Helme, London, 11111 1760. Taschen11hr mil Emailmalerei. Schweiz, um 1810. wurde, über die fein gemalten Emailuhren des 18. Jahrhunderts zu den präzisen Ta- chenuhren des 19. Jahrhunderts geht die Entwicklung der Kleinuhr. Zahlreiche tech­ nische Finessen und Innovationen, viele aus­ gefallene Dekorationen kennzeichnen die­ sen Bereich, den sich der interessierte Besu­ cher konzentriert ansehen kann. Und mit dem Übergang zur Armbanduhr gelangt man in einen Bereich, der in kaum einem Museum so umfangreich wie in Furtwangen behandelt ist. Mit der Darstellung der industriellen Uhrenfertigung im Schwarzwald kommt der Besucher in die Modeme. Hier wurden schon im 19.Jahrhundert neue Zeit- und Fertigungsstandards gesetzt. Die Produktion nach amerikanischem Vorbild mit Halb­ automaten ermöglichte die Belieferung eines immer größer werdenden Konsumenten­ kreises, der über sehr unterschiedliche Geld­ mittel verfügte. Der Entwicklung der Furt- 198 wanger Industrie ist an dieser Stelle breiter Raum gewidmet. Zum einen geht es um die Industriefertigung an diesem zentral gelege­ nen Ort der Uhrmacherei, zum anderen geht es um die Bedeutung der Uhrmacherschule für die Fortentwicklung Furtwangens im 19.Jahrhundert. Von der Ebene der Industrieproduktion geht der Besucher in den unteren Bereich zur Dokumentation der elektrischen und elek­ tronischen Uhr sowie der Entwicklung der Musikuhren und -automaten. Dabei kommt er an der Darstellung von Uhrmacherwerk­ zeugen und Arbeitsplätzen vorbei und sieht eine Fertigungsmaschine, deren Funktion auch vorgeführt wird. Die Au stellung zur elektrischen Uhr ist in selte­ ner Breite angelegt. Zu Beginn macht sich der Betrachter mit grundlegenden Prinzi­ pien von Elektrizität und Elektromagnetis­ mus in Versuchen vertraut. Dann erhält er einen Einblick in das Thema Zeitverteilung. automatische

Werk eines Armbandchronographen. Konstruktion der 1970er Jahre. Val-joux, Schweiz, 1985. Bei der Synchronisation verschiedener Uhren in einem Gebäude oder sogar einem Gebiet wurde die Elektrizität zuerst erfolg­ reich angewandt. Die Entwicklung der elek­ trischen Zimmeruhr erfolgte unter zahlrei­ chen technischen Schwierigkeiten, die im Lauf der Zeit behoben werden konnten: Bat­ terien und Kontakte wurden verbessert, spe­ zielle elektronische Bauteile eingeführt. Mit der funkgesteuerten Armbanduhr aktueller Produktion reicht die Ausstellung bis heute. Im letzten Raum wird die Entwicklung der Musikautomaten aus den Schwarzwälder Musikuhren anhand verschiedenster Expo­ nate aufgezeigt. Von den frühen Glasglok­ kenspielen und den erfolgreichen Flöten­ uhren aus dem Schwarzwald bis zu elektro- pneumatisch gesteuerten Klavieren reicht die Ausstellung. Die verschiedenen Steuer­ und Programmiertechniken, von der Stiften­ walze und der Metallplatte zur Papierrolle, sind Teil der Entwicklung. Ein ausführlicher Rundgang durch das „neue“ Deutsche Uhrenmuseum erfordert Zeit und der Umfang des Gebotenen erfor­ dert mehrfachen Besuch, wenn man sich allen Teilen der Ausstellung ausführlicher widmen möchte. Die Vielseitigkeit der Uhren, ihre technischen und dekorativen Raffinessen, wird den unterschiedlichen Interessen der Besucher gerecht. Beatrice Techen, M. A. 199

Die astronomischen Geräte Philipp Matthäus Hahns im Deutschen Uhrenmuseum, Furtwangen Die Veranschaulichung des Weltbildes und seine Darstellung mit den Mitteln der Feinmechanik sind zwei gegensätzliche Aspekte bei der Konstruktion astronomi­ scher Geräte. Die Vorstellung von der Beschaffenheit des Himmels und die prakti­ sche Umsetzung in einem Instrument sind Eckpfeiler bei der Herstellung von Planeta­ rien und Globenuhren. Sie dienten Wis en­ schaftlern zur Veranschaulichung der Him­ melsmodelle: des älteren geozentrischen mit der Erde im Mittelpunkt und des modernen heliozentrischen, mit der Sonne im Zentrum des Himmels. Mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert setzte sich das heliozentrische Weltbild allgemein durch. Wissenschaftler hatten durch ihre Beobachtungen und For­ schungen dieses Himmelsmodell untermau­ ert, und im Gefolge des zunehmenden Inter­ esses an den Naturwissenschaften wurde es immer breiteren Bevölkerungsschichten bekannt. Das Planetarium von Philipp Matthäus Hahn (1739-1790) im Deutschen Uhrenmu- Abb. 1: Planetarium mit der Darstellung der „alten Planeten‘: die zur Entstehungszeit bekannt waren. Ph. M. Hahn, Kornwestheim, 1774. Durchmesser 140 cm, Höhe 67,5 cm. Deutsches Uhrenmuseum, Furtwangen. 200

Abb. 2: Globenuhr im Biedermeiergehäuse. Himmelsglobus links, Erdglobus rechtsßankieren kompli­ ziertes Uhrwerk mit Stundenanzeige. Kalendarische Angaben auf Zifferblättern unter den Globen. Ph. M. Hahn, Korme;estheim/Echterdingen 1770/83. Höhe 220 cm. Heimatmuseum Schwenningen. seum vertritt das heliozentrische Weltbild, das Nicolaus Copemicus eingeführt hatte. Im Unterschied zu seinen Vorgängern und Zeitgenossen im Planetariumsbau war Hahn vor allem Pfarrer und setzte sich intensiv mit pietistischen Glaubensinhalten auseinander. Daneben interessierte er sich für astronomi­ sche Phänomene und unterhielt in seinen Pfarrstellen Werkstätten, in denen seine Konstruktionen umgesetzt wurden. Das Pla­ netarium als Anschauungsmodell für den Aufbau des Planetensystems wurde um 1774 fertig und zeigt auf einer Marmorplatte die damals bekannten Planeten Merkur, Venus, Erde und Mond, Mars, Jupiter mit 4 Mon- für die den und Saturn mit 5 Monden, die in natürli­ cher Geschwindigkeit um die Sonne kreisen. Die Übertragung der Bewegungen geschieht mit kompakten Getrieben an langen Stahl­ trägern, die entsprechenden Abstände der Planeten untereinander sor­ gen. Angesichts der Größe der wirklichen Planeten und des Durchmessers ihrer Umlaufbahnen mußte Hahn bei seinem Modell zu verschiedenen Abbildungsmaß­ stäben für die Abmessungen der Planeten und ihrer Bahnen greifen. Der Antrieb erfolgt über ein Uhrwerk mit Pendelsteue­ rung und Federantrieb. Dies ist insofern erstaunlich, als die unregelmäßige Kraftab- 201

gabe einer Feder die Uhrwerke noch im 18. Jahrhundert ungenauer laufen läßt als ein Gewichtsantrieb. Denn bei einem so kom­ plexen astronomischen Getriebe würde man größtmögliche Genauigkeit erwarten. Doch kam es Hahn weniger auf den exakten Lauf als auf die Darstellung eines Weltbildes an, das er mit seinem Glauben in Übereinstim­ mung zu bringen trachtete und das nicht mehr die Erde und den Menschen als Mittel­ punkt allen Geschehens darstellte. Auf dem Zifferblatt ist eine 2 x 12 Stun­ deneinteilung für Tag und Nacht sowie das Datum angegeben. Heute präsentiert sich das Planetarium auf einem massiven Tisch mit geschnitzten Doppelfüßen und einer Glasabdeckung, die Getriebe wirkungsvoll Abb. 3: Globenuhr mit großem Zifferblat111nd 9 kleinen Hi!fszifferblällem. Flankiert von Erdglo­ bus rechts, Himmelsglobus links. Ph. M. Hahn, wohl Echterdingen, um 1785. Höhe 286 cm. Deutsches Uhrenmuseum, Furtwangen. / . _ _.i_ .III 202 _i__ –=–] III Abb. Ja: Himmelsglobus der Globenuhr zur Geltung bringend. Auf der Abdeck­ scheibe kann die Bewegung der Planeten auch innerhalb des Tierkreises verfolgt wer­ den. Dieses Planetarium ist unter den Wer­ ken Philipp Matthäus Hahns einzigartig und zeichnet sich durch seine gediegene hand­ werkliche Verarbeitung aus (Abb. !). Das zweite monumentale Objekt von Philipp Matthäus Hahn im Deutschen Uhrenmuseum ist die Globenuhr, die Mark­ graf Karl Friedrich von Baden 1788 erwarb. Sie wurde wahrscheinlich 1785 fertiggestellt und stand in Stuttgart zum Verkauf. Der ursprünglich rot-braune Holzkasten mit wenigen vergoldeten Verzierungen besteht aus einem hohen Sockel, auf dem sich ein prismatischer Aufsatz mit dem Uhrwerk erhebt, von zwei Globen Aankiert; rechts einem Erdglobus, links einem Himmelsglo­ bus. Das Zifferblatt in der Mitte weist 10 Zei­ ger und 7 Hilfszifferblätter auf, die Zeit und

Datum angeben: alle Anzeigen von der Sekunde bis zum Jahr sind auf diesem einen Zifferblatt konzentriert. Dabei hat der Stun­ denzeiger zwei Funktionen: er zeigt die Stunde an, und man kann mit ihm die Stel­ lung der Globen variieren. Der Erdglobus links dreht sich in einem Jahr um seine lotrechte Achse. Während der Tagesdrehung ist er um 23,5° gegen das Lot geneigt, so daß man die Lichtverteilung auf der Erde und die Zeit für jeden Tag ablesen kann. Der Sternen­ globus rechts soll den scheinbaren Lauf von Sonne und Mond und die Mondphasen anzeigen. Dazu muß sich der Betrachter ins Zentrum des Globus versetzt denken, um die Bewegungen nachvollziehen zu können. Die Globen stammen von Puschner, einem Kupferstecher in Nürnberg, der sie nach Arbeiten von Doppelmeier (1671-1750) anfertigte. Das sämtliche Bewegungen steu­ ernde Uhrwerk ist aus Messing und Eisen und schlägt die Viertelstunden auf zwei Glocken an. Für die Gangregelung verwen­ dete Hahn zur Steigerung der Genauigkeit eine freie Hemmung (Abb. 3). Philipp Matthäus Hahn erstellte mehrere Globenuhren vor allem für fürstliche Auf­ traggeber. Eine zwischen 1770 und 1780/83 geschaffene Globenuhr ist Bestandteil der Hellmut-Kienzle-Sammlung und wird heute im Heimatmuseum in Schwenningen ausge­ stellt (Abb. 2). Auch bei dieser Uhr befindet sich das Werk zwischen einem Himmels­ und einem Erdglobus. Das vergoldete Uhr­ werksgehäuse mit der Stunden- und Minu­ tenanzeige weist ein zweites Zifferblatt mit einer 24-Stundenzählung für die Tag- und Nachtstunden auf. Der Datumskreis mit den Wochentagen und deren Symbolen, den Tagesregenten, befindet sich am Sockel unter dem Himmelsglobus. Er weist auf die Sternzeit und den Wandel von Sonne und Mond. Die Anzeige der Monate mit der Anzahl der Tage, den Tierkreiszeichen und den 7 Planetennamen befindet sich auf dem Zifferblatt unter dem Erdglobus. Er zeigt wieder die Verteilung des Lichtes auf der Erde und den Sonnenstand an. Diese Globenuhr wird von einem großen komplizierten Uhrwerk mit Ankergang Abb. 4: Cylindertaschenuhr mit großer Unruhe, Jeindekorierte Unruhabdeckung, Kalender­ anzeige. Signiert: Hahn in Stuttgart. Durch­ messer 5, 7 cm. Deutsches Uhrenmuseum, Furt­ wangen. Abb. 5: Taschenuhr mit Cylinderhemmung in einer Werkauiführung, die das Wirken Ph. M. Hahns erkennen läßt. Signiert: Hahn Hofmecha­ nicus in Stuttgart. Um 1810. Durchmesser 5,5 cm. Deutsches Uhrenmuseum, Furtwangen. 203

chen seiner unermüdlichen Auseinanderset­ zung mit der Vorstellung vom Lauf der Welt und den planmäßigen Funktionen mechani­ scher Geräte, wenn auch die �alität sicher nicht immer mit dem Aufwand an Konstruk­ tionsleistung bei den astronomischen Ge­ trieben und Uhren zu vergleichen ist. Neben komplizierten astronomischen Geräten wurden in den Werkstätten Philipp Matthäus Hahns Taschenuhren mit Kalen­ deranzeigen gebaut. Seine Söhne und Mitar­ beiter führten die Tradition des Taschen­ und Tischuhrenbaus weiter, und von ihren Werken zeigt das Deutsche Uhrenmuseum seinen Besuchern Beispiele. So eine Uhr, die wohl von Christoph Matthäus Hahn in Stuttgart um 1790 stammt. Sie zeichnet sich durch den großen, filigranen und fein gra­ vierten Unruhkloben aus, der die Rückpla­ tine komplett abdeckt und die große Unruhe schützt. Die Sekunde wird auf dem großen Zifferblatt angezeigt. Für Minuten und Stun­ den gibt es ebenso wie für den Kalender kleine Hilfszifferblätter (Abb. 4). Eine andere Taschenuhr, signiert „Hahn Hofme­ chanicus in Stuttgart“, weist ein einfaches aber doch bemerkenswertes und Hahn­ typisches Werk mit Zylinderhemmung im Silbergehäuse auf (Abb. 5). Von Philipp Matthäus Schaudt, dem Patensohn Philipp Matthäus Hahns, existiert eine Tischuhr, die ebenfalls über Datums­ anzeigen verfügt (Abb. 6). Ein Holzgehäuse verbirgt das Metallwerk, das mit einem bemalten Blechschild verblendet ist. Dort finden sich Rosengebinde auf grauem Grund, die das Zifferblatt einrahmen. Im oberen Bogen sind die Mondphasen abzulesen. So wurde die Tradition des Uhrenbaus, von Hahn begründet, auch in seiner unmit­ telbaren Umgebung weiterverfolgt, und seine Schüler ließen sich an verschiedenen Fürstenhöfen nieder. Einen wesentlichen Ausschnitt aus diesem Kreis von Werken kann der Besucher im Deutschen Uhrenmu­ seum sehen. Prof. Dr. Richard Mühe/ Beatrice Techen, M.A. Abb. 6: Tischuhr mit Anzeigen von Zeil, Datum, Mondphasen und Mondalter. Metall­ werk mit Halbstundenschlag auf Glocke im Holz­ gehäuse. Bemaltes Blechschild mit Rosenranken auf grauem Grund. Signiert: P. M. Schaudt a Onstmellingen. Um 1800. Höhe 61 cm. Deutsches Uhrenmuseum, Furtwangen. gesteuert. Das Holzgehäuse der Uhr ent­ stand wahrscheinlich später, es ist ein Bieder­ meierschreibsekretär aus Kirschbaumholz, dessen Aufsatz die Globenuhr krönt. Die Bilder und Modelle des Weltlaufes, die Hahn konstruierte, können als Zeichen der Auseinandersetzung eines im pietisti­ schen Glauben ringenden Pfarrers verstan­ den werden; als ein Versuch, den eigenen Glauben auf das kopernikanische Weltbild abzustimmen und dabei die Ordnung des Himmels mit ihren Abläufen in einem göttli­ chen Plan mit Hilfe der Mechanik zu veran­ schaulichen. Daneben wurden in seinen Werkstätten immer auch einfachere Uhren und Geräte hergestellt. Auch sie sind Zei- 204

D ie a st r o n o m isc h e U h r au s d e m K lo st e r St . P e t er u n d d ie b e r ü h m t e R in d e r le – U h r V o n d e m F u r t w a n g e r W i l fr i e d D o r e r in m e i st e r l i c h e r W e ise n a c h g e b a u t „Unter den zahlreichen Schwarzwälder Uhren der Furtwanger Sammlung befindet sich ein wegen seines eigenartigen Baues besonders beachtenswertes Glanzstück: ersonnen und verfertigt von einem Mönch in St. Peter, P. Thaddäus Rinderle, dem eif­ rigsten Förderer der älteren Schwarzwälder Uhrmacherei.“ So beginnt der Karlsruher Professor Adolf Kistner seinen Aufsatz über „Thaddäus Rin­ derle, ein Förderer der Schwarzwälder Uhr- macherei“, abgedruckt im ersten Führer durch „Die Historische Uhrensammlung Furtwangen“ aus dem Jahre 1925. An anderer Stelle heißt es dann: ,,Mit seiner astronomi­ schen Uhr von 1787 verfolgte Rinderle zwei Zwecke: sie sollte es ihm ermöglichen, die lernbegierigen Uhrmacher mit den wich­ tigsten astronomischen Erscheinungen be­ kannt zu machen, dann aber auch zur Nach­ ahmung seines Werkes oder Herstellung ähnlicher Zeitmesser anzuregen.“ Und abschließend bemerkte Adolf Kistner: ,,Eine in allen Stük­ ken getreue Nachbildung hat die Uhr von Rinderle anschei­ nend nicht gefunden, wohl aber eine im astronomischen Teil nahezu übereinstim­ mende und zwar durch Johann Friedrich Mayer. Die­ ser aus Hornberg stammende Büchsenmacher, der in Furt­ wangen die 1849 gegründete, aber kurzlebige Gewehrfabrik (Schulstraße 7) geleitet hatte, schuf im Jahre 1858, in dem er wieder nach Hornberg zog, unter Verwendung des Origi­ nals und der von L. Bob gewonnenen Zahlen usw. eine Nachbildung des Rin­ derle’schen Kunstwerkes.“ Heute, über zweihundert Jahre nachdem Rinderle sein mechanisches Wunderwerk vollendet hatte (1787) und weit über hundert Jahre nach Astronomische Uhr aus dem Kloster St. Peter, Nachbau Wi!fried Dorer, Furtwangen 205

dem einzigen Versuch, die Rinderleuhr nachzubauen, hat der Furtwanger Wilfried Dorer nicht nur eine vollkommene Nachbil­ dung geschaffen, sondern auch ein Stück, das das berühmte Vorbild insofern sogar noch übertrifft, als es, anders als das Origi­ nal, voll funktionstüchtig ist. Fast vier Jahre hat Wilfried Dorer an der Uhr gearbeitet. 1984 stellte er sie erstmals öffentlich vor. Seither nimmt sie in seinem Haus einen besonderen Platz ein, flankiert von der ebenso eindrucksvoll nachgebauten Kalenderuhr aus dem Kloster St. Peter, deren Urheberschaft, sie wird ebenfalls Thaddäus Rinderle zugeschrieben, heute aber ange­ zweifelt wird. Wilfried Dorer ist eigentlich kein Uhrmacher. Er übt als Meister im Ver­ zahnungswesen, heute Leiter der Abteilung Q!.ialitätssicherung der Firma Koepfer, aber einen Beruf aus, der als der Uhrmacherei ver­ wandt bezeichnet werden darf. Trotzdem gab es, vom astronomisch-astrologisch-geo­ graphischen Verständnis und Wissen einmal ganz abgesehen, auch für ihn als Verzah­ nungsspezialisten genug Hindernisse zu überwinden. Dazu Wilfried Dorer in seiner Abhandlung „Schwarzwalduhren mit astro­ nomisch-astrologischen Indikationen – Stu­ dien und Nachbauten“, erschienen in der Zeitschrift „Alte und moderne Zeitmessung“ im Jahre 1987: „Ein Zerlegen der Uhr (es handelt sich hier zunächst um die hölzerne astronomische Uhr aus dem Jahre 1750) war nicht erwünscht. Für das Erstellen der Bauunterlagen wurde deshalb das Original von allen Seiten fotografiert. Dazu wurde das Uhrenschild vom Werk abgenommen. Dad11rch w11rde das Zählen der Zahnzahlen erleichtert. Auch wurden die 211gänglich geworde­ nen Bauteile gemessen und in einer Handskizze festgehalten. Mit diesen Unterlagen konnten dann noch alle fehlenden Werte ausgerechnet und die Teile der Uhr maßstäblich atifgezeichnet werden. Über die Zähnezahl wurden alle Übersetzungen der 48 Zahnräder nachgerechnet und mit den astrologischen Umlaufbahnen verglichen. Dazu war die Beschäftigung mit Fachbüchern unum­ gänglich. Anhand der aufgezeichneten Achs- 206 abstände konnten jetzt die übrigen Daten für die Zahnräder berechne/ 11nd die Verzahnungswerk­ zeuge angefertigt werden. Das Gestell der Uhr besteht am Kirschbaumholz, für die Räder, Triebe und Wellen wurde Apfel­ baumholz und.für das Schild Buchenholz verwen­ det. Die Beschaffung der Werkstojfefitr den Nach­ bau mit seinen 320 Einzelteilen war die nächste Aufgabe. Ihr folgte die abwechslungsreiche A nfer­ tigung aller Bauteile in meiner Heimwerlslatl. Dabei nahm die Herstellung etlicher Sonderwerk­ zeuge und Hi!fsmillel einen großen Teil der aufge­ wendeten Zeit in Ampruch. Bei diesem Nachbau wurde mir bew1efst, wievielfimdiertes Wissen der Erbauer im 18.Jahrhunderl haben mußte, 11111 sein Werk überhaupt herstellen z11 können. Da der Glockenstuhl am Original bei der Instandsetzung nach /945 erneuert worden war, habe ich an der Nachbildung die Lagerung der Glockenhämmer und den Glockenstuhl etwas vollendeter gestaltet. Die Nachbildung benötigte etwa 400 Stunden. Dabei war die Anfertigung der beiden Schlag­ werke mit den Auslösehebeln und Kurven schwie­ riger als die anderen Bauteile. Die volle Einsicht in die Funktion der Schlagwerke machte wieder­ holt Studien am Original im Museum notwendig.“ Das Zifferblatt dieser Uhr zeigt folgendes an: Stunden und halbe Stunden, Viertel­ stunden und Fünf-Minuten-Abschnitte, den Stundenregenten (Planetenstunden und Tagesregent), Mondstand im Tierkreiszei­ chen, Mondalter und Mondphasen, Lichtge­ stalt des Mondes. Zur Ganggenauigkeit dieser fast ganz in Holz gearbeiteten Uhr merkt Wilfried Dorer an, daß diese bei konstanten Verhältnissen über Tage hinweg erstaunlich groß sei. Nur geringe Abweichungen seien dabei zu regi­ strieren. Ein Wetterumschlag könne aber eine Gangungenauigkeit bis zu 30 Minuten in 24 Stunden bewirken. ,,Alles in allem erfreut mich der tägliche Gang der Uhr immer wieder aufs neue, da ich in meiner Wohnung die Funktion einer alten Schwarz­ wälder Kunstuhr ständig miterlebe. In einem Museum ist das leider nicht möglich, da dort die meisten Objekte hinter Glas aufbewahrt werden und zum Teil nicht in Funktion sind.“

Hat diese hölzerne Dielenuhr noch sechs astrologische Indikationen aufzuweisen, so können aus der astrologisch-geographischen Pendeluhr Rinderles gar 44 Erkenntnisse gewonnen werden, wie sie, nachstehend auf­ geführt, von Rinderles Zeitgenossen und Mitbruder, Franz Steyrer, im Jahre 1796 beschrieben worden sind: J. Zeiget der Schild, oder das Zifferblatt auf einer Scheibe von 8 Zolle im Durchmesser die ganze Welt, als Europa, Asia, Afrika und Amerika. Die vornehmsten Orte sind aus den neuesten Beobachtungen, jedes nach seiner eigenthümlichen Länge und Breite sorgfältig aufgetragen. 2. Diese Scheibe drehet sich in 23 Stunden 56 Minuten und 4 Sekunden um ihren Mittel­ punkt, wie sich die Erde um ihre Achse von Occident gegen Orient in eben dieser Zeit wendt, und zeiget dadurch den Sternetag und die Sternestunden. 3. Der Mond beweget sich nach der nämlichen Richtung, wie die Erde in 27 Tagen 7 Stun­ den 43 Minuten 5 Sekunden um dieselbe, und vollendet damit seinen periodischen Monath. 4. Es zeiget sich während seines Umlaefes in seinen gewöhnlichen Gestalten. 5. Die Sonne, welche sich samt dem Stunden­ ringe in 364 Tagen 5 Stunden 54 Minuten 54 Sekunden, wie der Mond um die Erde beweget, zeiget die Monate und Tage der selben, wie auch die Feste der Heiligen. 6. Man kann auch sehen, in welchem Zeichen der Ekliptik, und in welchem Grade des selben sich sowohl die Sonne als der Mond täglich befinden. 7. Die Mondsknotten machen ihre rückgängi­ gen Bewegungen in der Ekliptik, und kom­ men in 6797 Tagen 23 Stunden einmal herum. Sie weisen jederzeit ihren Ort, den sie an dem Himmel haben. 8. Durch die Bewegung der Sonne und des Mondes geben sich die Neu- und Vollmonde. 9. Wie auch die Orte der Ekliptik, wo sich diese Neu- und Vollmonde ereignen. 10. Der synodische Monat, und dessen Unter­ schied von dem Periodischen. Astronomische Uhr aus dem Kloster St. Peter, seitlicher Einblick auf Gehwerk und Stunden­ schlagwerk. Nachbau Wi!fried Dorer, Furtwangen 11. Die Sonnenfinsternisse. 12. Die Mondfinsternisse. 13. jener Ort der Welt, wo diese Sonn- und Mondfinsternisse sichtbar, und wo sie un­ sichtbar sind. 14. Der Drachenmonat. 15. Die Sonnezeit, und der Unterschied zwischen dieser und der Sternezeit. 16. Die wahre und mittlere Zeit. 17. Der Unterschied der Mittagskreise für jede Orte der Welt im M aaße der Zeit sowohl als der Bögen des Aquators. 18. Zeiget diese Uhr nicht nur an dem Orte, wo sie steht, sondern in den vornehmsten Städten der Welt die gehörigen Stunden. 19. Ist atefeinen Blick zu sehen, an welchen Orten der Welt die Sonne zugleich aief oder unter­ geht. 207

20. Und eben daher wie lange der Tag und die Nacht an eben diesen Orten des Jahres sei. 21. Die Orte, welche Mittag haben, und 22. Die Orte, über welche die Sonne und der Mond an jedem Tage des Jahres senkrecht stehen. 23. Die mittägige Höhe der Sonne und des Mon­ des für alle Orte der Welt, auf alle Tage des Jahres. 24. Die Abwechslung der Jahrszeiten an allen Orten der Welt. 25. Die Nro. 1 gedachte Erdscheibe wird durch eine andere von Glase,gleicher Größe bedeckt, auf welcher die Sterne nach der Lage, welche sie am Himmel gegen die Erde haben, einge­ schliffen sind. Sie stellet das Firmament sehr natürlich vor. 26. Unter diesen Sternen machet die Sonne ihren jährlichen Weg, wie sie ihn wirklich an dem Himmel zu machen pflegt. 27. Auch der Mond geht in seinem monatlichen Lauf neben eben den Sternen so vorbei, wie es seine natürliche Laufbahn an dem Himmel .fordert, daher 28. Sieht man der Sterne Conjunction und Oppo­ sition mit der Sonne und mit dem Monde. 29. Der Sterne Auf und Untergang. 30. Die Zeit ihrer Cubnination, und ihre millä­ gige Höhe. 31. Die Zeit, seit wann sie schon auf oder unter­ gegangen sind, oder wie lange es noch dauere bis sie auf oder untergehen werden. 32. Die Orte der Welt, wo jeder Stern kulminirt, oder am Millag steht, wie auch, wo er senk­ recht steht. 33. Die Tag und Nachtbögen der Sterne. 34. Ihre gerade Aufsteigung, und Abweichung von dem Aquator. 35. Ihre Amplitudo ortiva und occidua. 36. Der Sonne und des Mondes Auf und Unter­ 37. Die Zeit, wie lange sich der Mond und die Sonne über oder unter dem Horizonte befin­ den, seit wann beide schon auf oder unter- gang. Links: Frontansicht der Rinderte-Uhr mit Zif­ firnring, Erdscheibe, Sternhimmel, Erdschatten, Sonne, Mond und Heiligenring. Kalenderwerk und Schlagwerk, das Minuten­ werk von der Schlagwerkseite her gesehen. gegangen sind, oder wie lange es anstehe, bis sie auf oder untergehen werden. 38. Der Sonne und des Mondes gerade Aufstei­ gung und Abweichung von Aequator. Ihre Tag und Nachtbögen. Ihre Amplitudo ortiva und occidua, die Zeit ihrer Culmination. 39. Der aufgehende, der culminirende, und unter­ gehende Punkt der Ekliptik. 40. Die Zeit, welche den Schatten des Mondes auf der Sonnenuhre zeigt, und die übereinstim­ mende Sonnenzeit. 41. Die Eigenschaften des Himmels und der Erde sub sphaera recta. 42. Andere Eigenschaften des Himmels und der Erde sub sphaera parallela. 43. Diese Maschine läßt sich gar leicht auf ver­ flossene, wie auch auf künftige Jahre, und Jahrhunderte stellen, und zeiget in beiden Fäl­ len die damahlige Beschaffenheit und Lage des gestirnten Himmels. 209

„Meinem verständlichen Wunsch, die Uhr im Museum zu zerlegen und zu vermessen, k(lm die Museumsleitung leider nicht nach. ie erlaubte mir immerhin Studien an der Uhr im zusammengebauten Zustand. In der Be­ schreibung von Rinderte, welche die Funktion der einzelnen Indikationen der Uhr und deren Z11s(lm111enhang mit den Bewegungen im Welt­ all erklärt, finden sich keinerlei Angaben und Werte der Zahnradiiberselzungen. So war ich en, alle nußbaren Maße des Uhren­ gezwung gestells, der Räder und Hebel von außen abzu­ nehmen. Weitere fehlende Maße wurden 111il einer Serie von Fotos von der gesamten Uhr ermittelt. Auch die wenigen auffindbaren älteren Bilder waren nützlich, zumal am Original einige wesentliche Teile nicht mehr vorhanden sind. Nach dieser Vorarbeit konnten die Zeichnungen für das Gestell der Uhr und ihrer Getriebe angefertigt wer­ habe ich aber an der neuen Uhr wieder aus Holz angefertigt, wie es ursprünglich üblich war.“ den.“ So begann Wilfried Dorer auch dieses Wunderwerk aus Buchenholz (Gestell) und Messing Teil für Teil nachzubauen und zusammenzusetzen. Dabei versuchte er, ,,seine“ Uhr so weit wie möglich dem Erstzu­ stand der Uhr anzugleichen, Ursprüngliches wieder herzustellen, Fehlendes originalge­ treu zu ersetzen. So mußte erz. B. feststellen, daß der Sperrhebel (Falle) am Schlagwerk wahrscheinlich von Meister Lorenz Bob in Messing nachgebildet worden war. ,,Die Falle Das Kalenderwerk kann zur Einstellung und zum Sichtbarmachen von künftigen und vergangenen Zeitperioden vom Uhr­ werk abgekoppelt werden. Die am Original fehlenden Teile für diese Kupplung wurden für die neue Uhr angefertigt. Ein besonders heikles Problem war die Verzahnung. Die Zahl der Zähne konnte längst nicht an allen Rädern von außen abge­ zählt oder anhand der zur Verfügung stehen­ den Bilder ermittelt werden. So mußte Wil­ fried Dorer eigene Berechnungen anstellen und sich auch mit Astronomie beschäftigen, um die Maße für Zahnräder, Spindeln und Rinderte-Uhr, Gehwerk mit Kalenderwerk, ganz links Kurve für Erdschallen. 44. Sie läßt sich auch von Hand /reiben, daß f man nicht nötig /J(l/, lange au die Erschei­ nungen rm dem Himmel zu W(lr/en.“ Das Interesse an der Uhr R.inderles und der Wunsch, sie nachzubauen, wuchsen schon, während sich Wilfried Dorer noch mit der St-Peter-Uhr befaßte. Dabei war er immer wieder auf den Namen R.inderle gestoßen und zur Erkenntnis gelangt, daß das Wissen über dessen Werk offensichtlich noch recht lückenhaft war. Nach einigen Verhandlungen mit der Leitung des Deut­ schen Uhrenmuseums Furtwangen überließ man ihm eine Fotokopie von R.inderles origi­ naler Beschreibung seiner Uhr. Mit Hilfe eines Schriftexperten entzifferte er das Dokument, mußte aber feststellen, daß es keine umfassende Beschreibung der Uhr ver­ mittelte. Wilfried Dorer erzählt dazu: 210

Achsen ermitteln zu können. Oft konnten auftauchende Probleme nur durch Studien „vor Ort“ gelöst werden. Dabei leistete ihm eine Lichtsonde mit Suchspiegel gute Dienste. ,,Die Studien am Original wurden am Ende dadurch erschwert, daß die Uhr im Museum zu diesem Zeitpunkt verglast wurde. Die wichtigsten Daten und Kenntnisse waren aber erarbeitet, und die Anfertigung der Einzel­ teile konnte in meiner Heimwerkstatt beginnen. – Im Verlaef des Fortschritts aller Arbeiten konnte ich immer wieder feststellen, daß Rinderte in genialer Weise Probleme auf die einfachste Art zu lösen wußte. “ Die Defekte am Original zwangen auch Wilfried Dorer, so manches Problem, das erst bei Fortschreiten der Arbeit auftauchte, zu lösen. So hatte Rinderle für den Gehwerkaufzug den endlosen Schnuraufzug von Christian Huygens gewählt. Dafür benötigte er aber eine Spezialschnur, die nicht mehr auf dem Markt ist. So blieb ihm nichts anderes übrig, als einen Seiler ausfin­ dig zu machen, der eine sol­ che Schnur, die sich nach dem Zusammenflechten nicht mehr verwinden darf, konnte. Diese herstellen Schnur wurde schließlich von einem Seiler angefertigt und vor Einbringen in der Uhr lange Zeit mit Gewichten „gestreckt“. Das Resultat war Tabelle in der Rinderle-Uhr: Epochen fiir die mittlere Bewe­ gung der Sonne, des Mondes und seiner Knoten, einstellbar bis 5000 Jahre vor und 6000 Jahre nach Chr. Das Kalenderwerk kann zu die­ sem Zweck vom Gehwerk abge­ koppelt und von Hand bewegt werden. verblüffend. Um die (nachgebaute) Uhr in Gang zu halten, war, verglichen mit dem Original, sowohl am Geh- als auch am Schlagwerk nur das halbe Zuggewicht nötig. Zur Lösung anderer Probleme soll Wilfried Dorer aber nochmals selber zu Wort kom­ men: „ Viel Zeitaufwand erforderte auch das Erstellen der 365 Tagesheiligen. Am Original sind vie!fach nur noch einzelne Buchstaben oder Konturen der Namen zu erkennen. An Hand von alten Kalen­ dern und Büchern aus der Zeit um 1780, die mir zur Ve,fügunggestelltwurden, und mit Hi!fe mei­ ner Fotos von dem Original konnten alle Namen ermiuelt werden. Die Glasscheibe mit der Darstellung des Stern­ himmels fehlt am Original. Nur die vier Halte- 211

bügel sind noch vorhanden. An der Form der Bügel ist zu erkennen, daß die Glasscheibe eben und nicht bombiert war (bombieren= Wölben des Glases im Ofen). Ergänzend ist in den Schriften von Rinderle und Steyrer die Glasscheibe beschrie­ ben: Die Sterne von der ersten bis zur vierten Größe sind eingeschliffen, die Ekliptik und Kolu­ ren sind mit Farbe aufgetragen. Nach dem Vor­ bild einer zur Einteilung der Erdscheibe passenden Sternkarte wurde die Glasscheibe mit den Stern­ bildern angefertigt. Sie ist damit nach über 130 Jahren wiedererstanden.“ Wilfried Dorer war, um sein Werk zu Ende zu bringen, auch auf die Mithilfe von Fachleuten angewiesen. Hatte das Schild der Originaluhr der berühmte Matthias Faller aus Neukirch geschnitzt, so fand er in Willi Trenkle, Furtwangen, den Mann, der ihm eine meisterliche Nachbildung anfertigte. Kunsthandwerklich betätigten sich auch der Furtwanger Konrad Hummel in der graphi­ schen Ausarbeitung der Tabellen, der Erdscheibe und des Heiligenringes und der Furtwanger Gerold Dilger im Stechen der Mondbeschriftung und der Ziffern. Die Blattvergoldung des Uhrenschildes nahm Willi Fritz in Freiburg vor. Wilfried Dorer ist aber auch den letzten Geheimnissen dieser Uhr nachgegangen, den Aussagen der beiden Tabellen, die in den seitlichen Türen angebracht sind. Dazu wörtlich: ,,Die in den Tabellen atifgezeichneten Daten betreffen die Sichtbarkeit der Sonne, des Mondes und der Sterne, dazu die Mondphasen, Mond- und Sonnenfinsternisse, und dies für die Zeiträume von 5000 Jahren vor und 6000 Jah­ ren nach unserer Zeitrechnung. Die Tabellen sind nach dem julianischen Kalender ausgelegt. Die Abweichungen zum heute verwendeten gregoria­ nischen Kalender, der die Schaltjahre anders regelt, sind beim Gebrauch der Tafeln zu beachten. Sie eifordern im Gegensatz zu den leicht abzule­ senden Indikationen am Zifferbla/1 astronomi­ sche Vorkenntnisse. Die Erklärungen zu den ein­ zelnen Erscheinungen an der Uhr, dies vollends unter Zuhilfenahme der Tafeln in den seitlichen Türen, sind in der Schrift von Rinderle nicht hin­ reichend beschrieben. “ 212 Wi!fried Dorer mit seiner Rinderle-Uhr Die einmalige, schöne und interessante Schwarzwälder Kalenderuhr mit dem genial einfachen Kalenderwerk von Thaddäus Rin­ derle, mit dem reich geschnitzten und ver­ goldeten Barockschild von Matthias Faller und der meisterhaft gestochenen Erdscheibe hat nach nunmehr über zweihundert Jahren durch den Furtwanger Industriemeister Wil­ fried Dorer eine ebenso meisterhafte, in allen Funktionen getreue und ausführlich gedeu­ tete Nachbildung bekommen. Wi!fried Dorer wurde 1938 in Furtwangen geboren. Er trägt einen alten, bekannten und im Schwarzwälder Uhrmacherwesen auch berühmten Namen. Sieben solcher Namens­ träger weist Gerd Bender in seinem zweibän­ digen „Die Uhrmacher des hohen Schwarz­ waldes und ihre Werke“ nach, Namen, die in der alten Schwarzwälder Uhrmacherei an

In der Heimwerk.statt mit zerlegter Rinderle-Uhr (Nachbau) exponierter Stelle stehen: Johann Dorer, der Gießhannesle, führte, aus Schönwald kom­ mend, die erste Glockengießerei in Furtwan­ gen ein und war auch sonst ein genialer ,,Tüftler“. Blasius Dorer, der „Gießbläsi“, befaßte sich ebenfalls mit dem Glockenguß. Caspar Dorer vom Rainerhof in Schönwald soll als erster Schwarzwälder den Lauf der Himmelsgestirne auf die Schwarzwälder Uhr gebracht haben. Michael Dorer, der „Häns­ lismichele“, stellte Figurenuhren her; sein Sohn gleichen Namens wurde Taschen­ uhrenmacher. Weibeit Dorer in Vöhren­ bach gehörte zur Vöhrenbacher Garde der Musikwerkhersteller und Markus Dorer aus Schönwald handelte mit Uhren. Sein Ur­ enkel Jean (Dorrer) betreibt das gleiche Handwerk heute noch in Luneville, Frank­ reich (Bender). Im Stammbaum der Dorer ist Wilfried Dorer in der A-Linie nachgewiesen, hat in zurückverfolgbarer Zeit also keine direkte Verbindung zu oben genannten Uhrma­ chern; das Suchen und Tüfteln scheint aber allen Dorern im Blut zu liegen. Vater Otto Dorer war Allround-Mechaniker und als „Säger-Dorer“ (Schönenbach) bekannt. Die weiteren Vorfahren waren Schreiner und Lehrer in Schönenbach und Bauern auf dem Dorerhof in Rohrbach und auf dem Wol­ fertsgrundhof in Gütenbach. Wilfried Dorer trat in die Fußstapfen des Vaters und wurde auch Mechaniker. Im Maschinenbau der Firma Koepfer fand er eine Ausbildungs- und Arbeitsstelle. Nach­ dem er nach Art der alten Schwarzwälder Uhrmacher auch die Fremde kennengelernt hatte – Hamburg, Wuppertal, Schweiz, drei 213

Jahre Rio de Janeiro – was ihm, nach eige­ nem Bekunden, beruflich wie menschlich Gewinn brachte, besuchte er 1964 die Indu­ striemeisterschule in Tettnang und kehrte 1965 wieder zu Koepfer ins Verzahnungs­ meßwesen zurück. Heute ist er Leiter der Qualitätssicherung. Thaddäus Rinderte, der berühmte Mecha­ niker und Mathematiker des Klosters St. Pe­ ter, wurde 1748 in Staufen i. Br. geboren und trat 1766 in das Benediktinerkloster St. Peter ein, nachdem er dort schon das Klostergym­ nasium besucht hatte.1767 legte er Profeß ab und empfing 1772 die Priesterweihe. Zuvor hatte er sich neben seiner philosophischen und theologischen Ausbildung in St. Peter auf Wunsch des Abtes einem zusätzlichen Studium der Mathematik an der Universität Salzburg gewidmet. Später war er als Dozent in St. Peter und anderen Klöstern tätig und befaßte sich als überaus geschickter Mecha­ niker vor allem mit der Uhrmacherei. Zahl­ reiche Erfindungen und Verbesserungen auf diesem Gebiet werden ihm zugeschrieben. Seine astronomisch-geographische Pendel­ uhr im Deutschen Uhrenmuseum in Furt­ wangen gibt Zeugnis von seinem hervorra­ genden Können. Seit 1787 war er provisori­ scher Lehrer, seit 1788 ordentlicher Professor der angewandten Mathematik an der Uni- Faszination Sonnenuhr Meine erste Erfahrung mit der Zeitmes­ sung durch die Sonne hatte ich bald nach dem 2. Weltkrieg, als wir im Schichtunter­ richt in einer Gaststätte zu gebildeten Men­ schen erzogen werden sollten; mir fiel der frühe Nachmittagsunterricht an heißen Sommertagen besonders schwer, und ich merkte mir eine freudenbringende Stelle des Schattens, den ein Fenstergriff am Ende der ersten Nachmittagsstunde warf: ich sah das Ende der Stunde herannahen! In einer späteren Runde des Nachmittags­ unterrichtes richtete sich mein Augenmerk 214 versität Freiburg, blieb jedoch Mönch von St. Peter. ,,In Freiburg hatte er häufig mit Arbeitsüberlastung und kärglichen Bezügen zu kämpfen, hinzu kamen gesundheitliche Beschwerden. Die erzwungene Auflösung des Klosters St. Peter im Jahre 1806 hatte Rin­ derle um seine Altersversorgung gebracht, und der neue badische Staat verhielt sich kleinlich, um nicht zu sagen schofel, wenn der alternde Professor um Hilfe bat.“ (Hel­ mut Kahlert über den „Ingenieur im Mönchsgewand“ aus „Lahrer hinkender Bote“ 1992). Seit 1819 lebte Rinderle in Freiburg im Ruhestand. In Freiburg ist er 1824 auch gestorben. Sein Grabmal auf dem Alten Friedhof trägt die bemerkenswerte Inschrift: „Vieles hat er bestimmt mathematisch mit Ziffer und Buchstab‘, aber die Stunde des Tods bleibt unbekannter als X“. Beim Besuch des Herzogs Karl Eugen von Würt­ temberg mit seiner Gemahlin am 18. Dezem­ ber 1789 in der Universität Freiburg durfte Rinderle seine a tronomisch-geographische Pendeluhr vorweisen, welche im natürlich­ sten Zusammenhang mehr als 100 der wich­ tigsten, teils astronomischen teils geogra­ phischen Aufgaben auflöst. Robert Scherer schnell wieder auf die geliebte Stelle meines Wirtshaustisches, die das Ende der Unter­ richtsstunde ankündigte: aber – die Zeitan­ gabe stimmte nicht mehr. Ich war sehr ent­ täuscht. Astronomische Voraussetzungen Erst viel später lernte ich meine damalige Verbitterung über die „unzuverlässige“ Zeit­ angabe der Sonne verstehen: der wahre Son­ nentag – d. h. vom höchsten Stand der Sonne im örtlichen Meridian bis zum näch­ sten Sonnenhöchststand – ist unterschied-

lieh lang, weil sich die Erde in einer ellip­ tischen Bahn mit unterschiedlicher Ge­ schwindigkeit (wegen der Sonnenanziehung beim größeren Abstand langsamer, beim kleineren Abstand schneller) um die Sonne dreht und weil die Sonnenstrahlen wegen der Neigung der Erdachse mit unterschied­ lichem Winkel auf die Erde auftreffen. Im Unterschied zu dieser Wahren Orts­ zeit (WOZ) erstrebte der Mensch ein unver­ änderbares, festes tägliches Zeitmaß: 1810 führte man in Deutschland die Mittlere Ortszeit (MOZ) ein, wobei man sich eine Sonne denkt, die sich mit stets gleicher Geschwindigkeit nur um den Äquator fort­ bewegt. Am 16. April, 15.Juni, 1. September und 25. Dezember sind WOZ und MOZ iden­ tisch; Mitte Februar und Mitte November dagegen liegen die beiden Ortszeiten weit auseinander: die Sonnenuhr geht Mitte Februar 15 Minuten „nach“ und im Novem­ ber 16 Minuten „vor“. Diese Differenz zwi­ schen WOZ und MOZ nennen wir Zeitglei­ chung, die auf manchen Sonnenuhren durch eine Achterschleife (siehe Abb. S. 215) gekennzeichnet ist. Die MOZ hat aber nun den Nachteil, daß dieselbe Zeit nur auf demselben Meridian herrscht. Diese künstlich geschaffene Zeit tritt nacheinander, von Osten nach Westen wandernd, jeweils im Meridiandurchgang auf: somit hat z.B. St. Georgen, das 8° 20’0″ östlich vom 0-Meridian durch die alte Stern­ warte von Greenwich/London liegt, etwa 26 Minuten später 12 Uhr mittags als Görlitz in Schlesien, das genau auf dem 15. Längen­ grad liegt. Dieses Problem war nur zu lösen, indem man ein größeres Gebiet unter dieselbe Mitt­ lere Ortszeit stellte: 1883 einigte man sich international, daß die Normalzeiteinteilung vom 0-Meridian ausgeht, und die Sonnen­ durchgänge je 15 Längengrade 1 Stunde spä­ ter in westlicher Richtung nacheinander stattfinden. In Deutschland bestimmte ein Reichs­ gesetz, daß vom 1. April 1893 an sämtliche 216 Bräunlingen, Milfe/gasse 9 Uhren nach der MOZ des 15. Längengrades östlich von Greenwich zu richten seien: die ,,Görlitzer Zeit“; somit war die Mitteleuro­ päische Zonenzeit (MEZ) geschaffen. ln St. Georgen schlagen die Uhren also fast eine halbe Stunde früher 12 Uhr mittags, als die Sonne nach der MOZ ihren Höchst­ stand über unserem Meridian erreicht hat. Der Betrachter einer Sonnenuhr muß also die Zeitgleichung und die Differenz vom 15. zum 8. Längengrad beachten, wenn die Son­ nenuhr nicht schon auf den 15. Längengrad eingerichtet ist (also MEZ zeigt). Der Schat­ tenwerfer (Zeiger, Gnomon) muß nach der geographischen Breite des Aufstellungsortes (St. Georgen 48° 7’34“) gerichtet sein; über einem horizontalen Zifferblatt steht er im Winkel rp der geographischen Breite nach Norden, über dem vertikalen Südzifferblatt im Winkel 90 – rp. Käufliche Uhren müssen also justierbar sein!

.& Bad Dürrheim-Öfingen, Evang. Kirche St. Georgen, Schönblickstraße 16 T 217

Königsfeld, Apotheke, Friedrichstraße 8 Geschichte der Sonnenuhren Der geniale Erfinder der Sonnenuhren ist nicht bekannt, und wir müssen auch davon ausgehen, daß aufmerksamen Beoba htern und Forschern ganz verschiedener Kultur­ kreise unabhängig voneinander die unter­ schiedliche Größe des eigenen Schattens und damit die Möglichkeit zur Zeitmessung auffiel. (In einer griechischen Komödie nennt die Hausfrau ihrem Mann die Zeit, wann er zum Essen zu kommen habe: ,,wenn dein Schatten 10 Fuß mißt“! 1) Bei dem römischen Baumeister Vitruv wird überliefert, daß der Erfinder der Son­ nenuhr der Chaldäer Berosus, ein um 600 v. Chr. lebender babylonischer Priester, gewesen sei; auch ein griechischer Historiker schreibt die Erfindung des Schattenstabes den Babyloniern zu. Wir wissen aber von einer früheren Existenz von Sonnenuhren bei den Chinesen, auch in Indien und Mit­ telamerika. 218 Königsfeld, Kirchensaal, Zinzendo,fplatz Die astronomischen Kenntnisse der ger­ manischen Völker können aus dem Stein­ säulenring von Stonehenge in England (um 1600 v. Chr.) und an den Externsteinen im Sauerland erkannt werden. Zwischen Schwarzwald, Jura und Vogesen geht der „Belchismus“ um: genau am kalendari chen Frühjahrs- und Herbstbeginn (21. März und 23. September) geht, vom Elsäßer Belchen (Ballon d’Alsace) au gesehen, die Sonne über dem Schwarzwald-Belchen, am Winter­ anfang (22. Dezember) über dem Jura-Bel­ chen und am Sommerbeginn (21.Juni) über dem Kleinen Belchen (Petit Ballon) auf; über dem Grand Ballon geht die Sonne genau am 1. Mai, einem keltischen Feiertag, auf. Diese Beziehung der fünf Belchenberge im Drei­ eckland kann kein Zufall sein, meinen die Entdecker des Belchensystems Walter Eichin und Andreas Bohnert. Die Menschen heute benötigen solche Konstrukte nicht mehr; wir lassen un von

,, Donaueschingen-Aasen, Kloster Villingen, Commerzbank unserer Quartzuhr oder gar von unseren Funkuhren, gesteuert von Caesium-Atom­ uhren – 1 Sekunde Abweichung in 100 Jah­ ren! – beherrschen. ,,Die Zeit ist von größter Bedeutung für unser Leben“, so sagt schon Augustinus, ,,ohne daß wir wissen können, was Zeit ist.“ Ich meine, der Schattenstab einer Sonnenuhr lehrt uns wie ein erhobe­ ner Zeigefinger der Natur den Ablauf des Tages und der Jahreszeiten, die Vergäng­ lichkeit, aber auch das Bleibende im Wan­ del. Wie kann „Zeit“ treffender dargestellt werden? Gerade heute bei den hohen Anforderun­ gen unseres Berufsalltages benötigen wir Pausen, auch Pausen zum Betrachten, zum Staunen, zum Denken. Und dies bieten uns Sonnenuhren; sie mahnen laut, aber lautlos; sie mahnen eindringlich, aber unaufdring­ lich; ja, sie „sprechen göttliches Recht“, wenn wir den Begriff „faszinieren“ ins Deut­ sche übertragen wollen. Interessantes von 3 Sonnenuhren im Schwarzwald-Baar-Kreis Faszinieren ließen sich einige Bürger des Schwarzwald-Baar-Kreises, die an ihrem Haus oder in ihrem Garten eine Sonnenuhr anbrachten: bei einer Umfrage habe ich mit dankenswerter Unterstützung der Bürger­ meister und Ortsvorsteher Sonnenuhren bei 25 Privatleuten und an acht öffentlichen Gebäuden mitgeteilt bekommen. Von dreien möchte ich Zusätzliches berichten: Die Sonnenuhr am Villinger Rathaus (Münsterplatz), die – nach Süden gerichtet­ doch an seltener Stelle angebracht wurde, entsprang wohl einer Idee des Jahres 1928, als man nämlich das ehemalige Pfarrhaus mit dem bisherigen Rathaus zum neuen Villin­ ger Rathaus verband und somit geistliche und weltliche Macht vereinte. In den Diskussionen um die Art des Umbaus beschloß der „Gemischte Aus­ schuß“ am 16. August 1927, den Giebel gegen 219

H,r „dl -1er Realschule Villingen � 0 Slt . u, _. Vi//ingen, Rathaus 220

l�11111 ORI.VI 11 1111111 �1101’·11 mt1u 111111 · IQ ,, • Villingen, johanna-Schwer-Kinderheim Villingen, Münster T 221

das alte Pfarrhaus sichtbar zu lassen und ihn mit einem ziegelfarbenen Anstrich zu verse­ hen, vermutlich um diese gewisse bauliche Disharmonie nicht zu sehr ins Auge fallen zu lassen: die Idee, den sichtbaren Giebel durch eine Sonnenuhr zu einem reizvollen Blick­ fang zu gestalten, war also noch nicht gebo­ ren. Doch im August 1928, wenige Monate vor der feierlichen Einweihung des neuen Rat­ hauses am 2.Januar 1929, holte man ein Angebot der Villinger „Werkstätte für Modeme Dekorationsmalerei Paul Kronen­ berg“ (Gerberstraße 47) ein, die „das Auf­ zeichnen, Malen und Vergolden“ der Son­ nenuhr für 120 Mark ohne Gerüstbau anbot; sicherlich führte diese Firma auch die Arbeit aus. 1978 restaurierte Manfred Warmuth aus Tuttlingen die Sonnenuhr, zur Freude jedes aufmerksamen Münsterplatzbesuchers. Am Südturm des Villinger Münsters fand zu Beginn der siebziger Jahre der frü­ here Stadtarchivar Dr. Fuchs im Zusammen­ hang mit der bevorstehenden Renovation einen 3-4 cm langen Rest-Schattenstab und Farbreste einer Sonnenuhr, die ganz sicher aus dem Mittelalter stammt. 1979 berechnete Prof. Dr. Matthias Schramm, Universität Tübingen, die Uhr neu; allerdings mußte sie als geduldiger und stiller Mahner der Ver­ gänglichkeit durch die gewichtigen Ausein­ andersetzungen um die Außen- und lnnen­ renovation des Münsters drei Jahre warten, bis ein Mitarbeiter der Firma Lorch aus Sig­ maringen sie im heutigen Glanz erstrahlen lassen konnte. Schließlich werfen wir noch einen Blick nach Aasen auf die spätgotische Gebäude­ gruppe, die „das Kloster“ heißt, aber wohl als Verwaltungsgebäude im klösterlichen Besitz war: an der Südfront dieser Staffelgiebelhäu­ ser wurde 1971 bei Renovierungsarbeiten unter dem dunkleren Putz eine hellere Putz­ schicht mit Farbresten einer Sonnenuhr entdeckt. Der Aasener Gymnasiallehrer Dr. Ernst Fehrle informierte die Kreisstelle für Denkmalpflege und den Hüfinger 222 Restaurator Klaus Sigwart, der dann den oberen Putz sorgfältig abhob und die Uhr in Farbgebung und Gestaltung festhalten konnte. Nach der Renovierung brachte Mei­ ster Klaus Sigwart die Sonnenuhr auf dem neuen Putz wieder an, ,,wie dieselbe früher einmal war“ – so der Wortlaut auf der Rech­ nung. Zusammenstellung der Sonnenuhren im Schwarzwald-Baar-Kreis Bad Dürrheim: Karlstr. 10; Schabelweg 13; Am Salinensee l; Kapfstr. 15; Von-Althaus-Weg 3; Breslauer Str. 26; Grünallee 6; Öfingen: Evang. Kirche; Sunthausen: Waldhausstr. 7; Ober­ baldingen: Öfinger Str. 6· Hochemmingen: Sommerhalde 52 Bräunlingen: Mittelgasse 9 Dauchingen: Goethestr. 3 Donaueschingen: Aasen: Klosterstr. 21; Wolterdingen: Grund­ schule Hüfingen: Lindenstr. 26; Gallusweg 8; Behla: Römer­ str. 5 Königsfeld: Kirchensaal; Apotheke Friedrichstr. 8 Niedereschach: Schabenhausen: Billinger Str. 7 St. Georgen: Abt-Theoger-Str. 25; Schönblickstr. 16; Blauenweg 5 Schönwald: Beethovenstr. 9 Schonach: Albrecht-Dürer-Str. 22 Tuningen: Gartenstr. 6 Stadtbezirk Villingen: Weiherstr. 116; Commerzbank; Johanna­ Schwer-Kinderheim; Südflügel Realschule; Rathaus; Münster. Reinher Gassert I Am1ophanes. Weibervolksversammlung (EkklesiJ,usen) 660 f.

Neu: Die Deutsche Uhrenstraße Unsere Landschaft ist seit Jahrhunderten durch die Uhrenherstellung geprägt. Was lag also näher, als eine touristische Straße zu den gegenwärtigen und historischen „Uhren­ Highlights“ zu führen. Die Idee entstand 1988. Eröffnet wurde die „Deutsche Uhren­ straße“ am 15. April 1992 in Villingen­ Schwennigen durch Regierungspräsident Dr. Conrad Schröder, nachdem die braunen Straßenschilder mit der althergebrachten Schilderuhr als Markenzeichen entlang der 320 Kilometer langen Route angebracht waren. Der Ausgangspunkt der Deutschen Uhrenstraße beginnt am Sitz des Verbandes der Deutschen Uhrenindustrie in Villingen­ Schwenningen. Egal ob der Gast mit dem Zug, Bus, Pkw oder Fahrrad anreisen möchte, die Geschäfts­ stelle der Arbeitsgemeinschaft „Deutsche Uhrenstraße“ im Bahnhof Schwenningen/ Neckar ist bequem zu erreichen und ist montags bis freitags von 9.00 bis 18.00 Uhr und samstags von 9.00 bis 13.00 Uhr geöff­ net. Allein im Stadtbezirk Schwenningen produzieren noch heute fast 50 Uhrenfabri­ ken und Zulieferbetriebe. Unter dem Dach der DUFA (Deutsche Uhrenfabriken) wirken Weltfirmen wie Kienzle1>, Schmid-Schlenker >, Bürk, Peter, Patz und Haller zusammen. Die moderne Fabrik mit Hochregallager befindet sich an der Bahnlinie von Villingen­ Schwenningen nach Rottweil beim renom­ mierten Eissportzentrum. Zu empfehlen ist der Besuch des Uhren­ museums am Muslenplatz in einem Fach­ werkbau von 1697. Hier öffnet sich die fes­ selnde Welt der Zeitmessung mit den Ele­ mentaruhren, wie Sonnen-, Sand-, Wasser-, Feuer- oder Öluhren. Frühe Räderuhren, Prunkuhren der Renaissance, tragbare Uhren des 16.-18. Jahrhunderts bis zur in­ dustriell gefertigten Präzisionsuhr sind hier vertreten. Eine vollständig eingerichtete Uhrenwerkstatt zeigt das alte Handwerk. Ein Bummel über den Mauthepark3> führt vorbei am Vogtshaus von 1791, das von 1901 an rund siebzigJahre Wohnhaus der Familie des Uhrenfabrikanten Mauthe war, zum Uhrenindustriemuseum4′. Dieses wird der­ zeit im Gebäude der „Württembergischen Uhrenfabrik“, die 1855 von Johannes Bürk gegründet wurde, eingerichtet. Die Muse­ umseröffnung erfolgt voraussichtlich im Jahr 1994. In diesem „lebendigen“ Museum werden die alten Maschinen und Werkzeuge erhalten und eine typische Weckerproduk­ tion aus den 20er Jahren wieder aufgebaut und in Betrieb gestellt. Ständige Wechselaus­ stellungen sollen Aktualität schaffen. Lohnend ist der Besuch beim alten „Mau­ theaner“ Werner Pfänder. In seiner Woh­ nung in der Neckarstraße 3 hat er nach der Liquidierung der weltbekannten Firma Mauthe eine Sammlung von Tischuhren, Standuhren, Küchenuhren, Wecker und Armbanduhren sowie Dokumenten und Urkunden zusammengetragen und chrono­ logisch geordnet. Nach Vereinbarung kann man diese einmalige Sammlung besichtigen. 223

Wir folgen den brau­ nen Schildern „Deut­ sche Uhrenstraße“ in den Stadtbezirk Villin­ gen. Hier empfiehlt sich der Besuch der Schwarz­ waldsammlung des Lenz­ kircher Fabrikanten Spiegelhalder im Franzi­ skanermuseum. Älteste Schwarzwälder Holzuh­ ren, die Originalwerk­ stätten eines heimischen Uhrmachers oder Schil­ 18. und dermalers de 19.Jahrhunderts lassen die vergangene Arbeits­ welt wieder aufleben. Aber auch heute noch wird bei der Firma in Schmeckenbecher Villingen’l von Lack­ schilderuhren und Kuk­ kucksuhren bis hin zu den funkgesteuerten Tischuhren oder zu den wertvollen Regulatoren eine breite Palette von Uhren angeboten. Einige moderne Zeit­ messer sind in den Vitri­ nen des Verkehrsamtes in der Fußgängerzone im Stadtbezirk Villingen ausgestellt. Vorbei an Unterkirn­ ach über die Friedrichs­ höhe, wo sich der Blick auf die „Burgunderuhr“ im dortigen Hotel lohnt, führt die Straße nach Vöhrenbach. Das ,,Uhrmacherhäusle“•i, 1725 erbaut vom Uhr­ macher Elias Dold, und viele Musik’Werke, die in Vöhrenbach durch die Weltfirmen des Orche- 226

strionbaus wie Weite, Imhof und Muckle oder Franz Xaver Heine gebaut wurden, zeu­ gen noch heute von dem Können der Vorfah­ ren7l. Ludwig Acker in der Hans-Jakob-Straße restauriert und konstruiert auch neue Uhren. Wer seine fast zweihundert, oft sehr originel­ len Uhren besichtigen will, sollte am besten vorher anrufen. Durch das schmale Eisenbachtal windet sich die Uhrenstraße zum ehemaligen Berg­ bau- und Uhrendorf Eisenbach. Schon Ende des 17. Jahrhunderts begann Simon Dilger im Ortsteil Schollach mit dem Bau einer mechanischen Uhr. Bald gab es hier 31 selbständige Uhrmacher im Hausgewerbe. Hinzu kamen Uhrengestellmacher, Uhren­ kettenhersteller, Schildermacher, Figuren­ schnitzer, Schildermaler, Uhrenhändler und Uhrenträger. 1838 erfand Felix Faller aus Oberbränd eine Maschine, auf der man automatisch Band- und Haftketten für Uhren herstellen konnte. Johann Baptist Beha und Johann Morat bauten große Uhrenindustriefirmen auf. Zu besichtigen sind die Uhren in der „Wolfwinkelhalle“ und die berühmte Weltzeituhr im Hotel „Bad“ in Eisenbach, die 1865 von der Firma Beha gebaut wurde. Die Deutsche Uhrenstraße führt nun direkt in die Innenstadt von Neustadt, wo eine erlesene Sammlung historischer Schwarzwalduhren in den Heimatstuben präsentiert wird. Künstlerische Uhrenschil­ der der Neustädter Maler Carl und Heinrich Heine fesseln den Besucher. Auch ein Besuch im Musterzimmer der Firma Hönes mit ihren schönen Kuckucksuhren lohnt sich. Lenzkirch, der nächste Ort an der Uhren­ straße, kannte schon 1680 Handwerker auf den Höfen und in den Gewerbehüsli, die Uhrenbestandteile herstellten. Die 1851 gegründete Aktiengesellschaft für Uhrenfa­ brikation Lenzkirch gab 600 Menschen Arbeit und Brot. In der Heimatstube im Lenzkircher Kurhaus erinnern Exponate an die große Zeit der Lenzkircher Uhren. Vorbei am Titisee führt unser Weg hinauf nach Waldau, der einstigen Vogtei des Klosters St. Peter. Hier im Glashof sollen die Brüder Kreuz um 1640 die erste hölzerne Waaguhr im Schwarzwald gebaut haben. Über den Thurner mit weitem Blick zum Feldberg, zum Kandel und über das Rheintal zu den Vogesen erreichen wir St. Märgen, wo die barocken Türme des Klosters der Augustinerchorherren uns den Weg zum Uhrenmuseum am Rathausplatz weisen. Es empfiehlt sich eine telefonische Anmeldung bei der Kurverwaltung. Hier im ehemaligen Kloster sind recht ausgefallene Exemplare Schwarzwälder Uhren aus der Sammlung Wehrle ausge­ stellt. Im 18.Jahrhundert war St. Märgen bekannt für Hinterglasmalerei und die künstlerische Gestaltung von Uhrenschil­ dern. Weithin sichtbar sind die barocken Türme der Klosterkirche von St. Peter. Die Benediktinerabtei wurde 1093 von dem Zäh­ ringerherzog Berthold II. von Weilheim unter Teck hierher verlegt. Der Vorarlberger Baumeister Peter Thumb schuf im 18.Jahrhundert den licht­ durchfluteten Kirchenraum. Im Treppen­ haus des Ostflügels beeidruckt noch heute eine von Blasius Reichenbach gefertigte Uhr mit goldenen Ziffern in einem Rokokostuck­ rahmen von Georg Gig!. Dem Skulpteur und Schnitzer Matthias Faller8l gelang eine groß­ artige Fassung der barocken Großuhr, die im Westflügel des Klosters hängt. Astronomische Uhren, Meisterstücke der Uhrmacherkunst, wurden von den Patres in St. Peter geschaffen und sind heute im Deut­ schen Uhrenmuseum in Furtwangen zu sehen. Der Mathematiker Thaddäus Rin­ derle als „Uhrenpater“ erwähnt, hatte sein Wissen in geeigneter Form auch an die wiß­ begierigen Wälderbauern weitergegeben und damit wesentlich zum Aufschwung der Schwarzwälder Uhrenindustrie beigetragen. Hinab führt die Uhrenstraße ins Glotter­ tal, das mit seinen Rebhängen an den Weiß- 227

herbst, Ruländer oder Gewürztraminer erin­ nert. Um 1175 begann hier Georg Gfell, von Haus aus Faßmaler, die Uhrenflachschilder zu lackieren. Einige Glottertäler machten sich al Uhrenhändler einen Namen und brachten aus St. Petersburg oder vom Schwarzen Meer viele Erfahrungen mit. Die daraus erwachsene weltoffene Art der Menschen im Uhrenland Schwarzwald macht ich auch hier positiv bemerkbar. Gäste sind immer herzlich willkommen. Dies gilt auch in Waldkirch im Elztal, wo sich, ausgehend von der Flötenuhr und der Kuckucksuhr, der Orgel- und Orchestrion­ bau entwickelt hat. Im Elztalmuseum, der ehemaligen Propstei des Klosters St. Marga­ rethen, sind wohlklingendeJahrmarktorgeln der Orgelfabriken lgnaz Bruder, der 1834 mit dem Orgelbau in Waldkirch begann, von Ruth und Sohn, Cavioli, Limonaire Freres und Carl Frei ausgestellt. Letzterer arbeitet 228 noch neben zwei jungen Orgelbaumeistern in seiner Werkstatt in Waldkirch. Im Simonswäldertal produzieren die Fir­ men Haller, die Jahresuhren herstellt, und Uhren-Trenkle, deren Ausstellungsraum mit den Kuckucks- und Schilderuhren man besuchen kann, Uhren für den europäischen Markt und darüber hinaus. Bei Brauchtums­ abenden tritt hier regelmäßig Albrecht Seng mit der Uhrenkrätze auf und erzählt von sei­ nen Vorfahren, den Lebensbedingungen und Verkaufsstrategien der Uhrenhändler. Bevor man Gütenbach erreicht, lohnt sich ein Abstecher zur Hexenlochmühle9>, wo Karl Friedrich Trenkle in der dritten Generation Uhrengehäuse herstellt. Gütenbach besitzt mit dem Dorfmuseum im Alten Schulhaus einen Hort für die erste Acht-Tage-Uhr, dem „Surrer“, die Kirch­ turmuhr von Philipp Furtwängler und eine Vielzahl reizvoller Objekte, die Museums­ leiter Oswald Scherzinger gut präsentiert.

Besuchen sollte man die Kuckucksuhren­ fabrik Manfred Späth. Ein Film informiert über die einzelnen Schritte beim Bau einer Kuckucksuhr. Die Firma AdolfHanhart10> stellt heute in höchster Präzision Wecker, Stoppuhren und elektronische Uhren her. Über Serpentinen führt die Uhrenstraße hinab in die höchstgelegene Stadt Baden­ Württembergs, nach Furtwangen. In einem modernen, 1991 wesentlich erweiterten Bau, angegliedert an die Fachhochschule, ist das Deutsche Uhrenmuseum untergebracht11>. Die Anfange des Museums reichen 140 Jahre zurück, als hier die Lehrmittel- und Modell­ sammlung der Großherzoglich-Badischen Uhrmacherschule Furtwangen eingerichtet wurde12>. Besonders auffallend sind die astronomi­ sche Weltzeituhr von Pater Thaddäus Rin­ derle13>, die erste Schwarzwälder Spieluhr, die Johann Wehrle aus Neukirch 1770 konstru­ ierte, und die Kuckucks- und Schilderuhren. Die Geschichte der Uhren in Europa ist mit wertvollen Exponaten aus vielen Stilepo­ chen dokumentiert. Orchestrions, verschie­ dene Werkstätten, zahlreiche Werkzeuge und prunkvolle Taschenuhren der Hellmut­ Kienzle- Sammlung zeigen, wie vielseitig das Museum ist. Hinzu kommen wechselnde Sonderausstellungen. Die AMS-Uhren des Familienbetriebes Mayer in Schönenbach werden heute genauso hergestellt wie die Uhrenschilder, die Alois Straub in der vierten Generation – nur mehr als Hobby- mit herrlichen Rosen­ motiven bemalt14>. In Schönwald hatte der „Häusler“ Franz Ketterer, der 1730 die erste hölzerne Kuk­ kucksuhr bastelte, bald Nachfolger: Krispin Grieshaber baute schon 1770 Taschenuhren aus Holz, Josef Dold war „ Sackuhrmacher“ auf dem Bühl, und die erste Großuhrenfa­ brik der Welt, die Uhrenfabrik Wehrle, die 1991 nach St. Georgen umzog, nahm 1815 die Produktion aufl 5>. Das Uhrenkabinett der Firma Wehrle, Hauptstr. 7, kann an Werktagen besucht wer- den. Auch der Besuch beim Restaurator und Uhrensammler Roman Helfen lohnt sich. Die bekannte Wintersportgemeinde Schonach lebt vom Tourismus, aber auch von der Uhrenindustrie und ihren Zuliefer­ betrieben. So werden heute noch in vier Betrieben Kuckucksuhren mit und ohne Musikwerken, Jockele-Uhren, Schilderuh­ ren und Standuhren gefertigt. Zwei Dutzend Fabriken liefern Teile wie Uhrenkasten, Uhr­ werke, Pfeifen, Tonfedern, Gewichte und Zifferblätter. Bei der Firma Hubert Gasehe werden Wachteluhren und Kuckucksuhren mit Musik und Vogelstimmen als Einzelstücke gefertigt. Der Ausstellungsraum ist montags bis samstags geöffnet. Nach Voranmeldung ist auch der Fami­ lienbetrieb Rombach-Haas zu besichtigen. Dort werden neben Kuckucksuhren vor allem auch kunstvoll bemalte Schilderuhren hergestellt. Neben der Heimatstube, die unter ande­ rem Arbeiten aus der ältesten Strohwaren­ fabrik Deutschlands zeigt, sollte man auf jeden Fall die größte Kuckucksuhr der Welt von Uhrmacher Josef Dold ansehen16>. Das 7 qm große Gehäuse ist täglich geöffnet und zeigt neben einem Riesenkuckuck, das große Uhrenrad mit 1,85 m Durchmesser und einen Blasebalg, der wie die ganze Uhr auf das Fünfzigfache vergrößert wurde. Im Triberger Schwarzwaldmuseum11> fin­ det man die älteste Holzuhr von 1651, eine der ältesten Kuckucksuhren von 1782 und andere reizvolle Uhren, wie eine barocke Flötenuhr, eine Knödeluhr oder diverse Musikuhren, bis hin zu Orchestrions. Heute stellt als einzige Fabrik Deutsch­ lands die Firma Hubert Herr die gesamte Kuckucksuhr vom Rohling bis zur Schnitze­ rei, vom Uhrwerk bis zum Gehäuse selbst her. Gerne kann man bei der Herstellung der Uhren zusehen. Eine Vielzahl von Uhren­ händlern, Holzbildhauern und Holzschnit­ zern hat sich auf der Strecke nach Hornberg angesiedelt. 229

Die Freilichtspiele um das „Hornberger Schießen“ passen zur Burgruine „Alt-Horn­ berg“ und zu der Landschaft, aus der ja auch die berühmte Bollenhuttracht kommt; näm­ lich genau aus dem protestantischen Rei­ chenbachtal, das wie das Gutach-und das Kirnbachtal al Heimat des Bollenhuts bekannt ist. In Lauterbach sollte man sich die Galerie des Schwarzwaldmalers „Wilhelm Kim­ mich“ im Alten Rathaus mit einer schönen Standuhr aus Frankreich ansehen. Die Möbel-und Gehäusefabrik Viktor Neffbaut besonders edle Standuhren mit kunstvoll gestalteten Gehäusen. Der Ausstellungs­ raum ist montags bis samstags geöffnet. Besonders empfehlenswert ist der Besuch im Stadtmuseum Schloß der Fünftälerstadt Schramberg. Über 5000 Großuhrwerke und Großuh­ ren, insbesondere aus den Schramberger Uhrenfabriken Junghans und Hamburg­ Amerikanische Uhrenfabrik sind hier zu sehen. 1967 machte die erste Quarzuhr von Junghans Furore. Heute sind es die Solar­ und Funkarmbanduhren. Diese stellen sich mit Hilfe eines Miniaturempfängers in Sekundenschnelle auf die richtige Zeit ein. Gesteuert wird die Funkuhr von der genaue­ sten Uhr der Welt, der Cäsium-Zeitbasis in Braunschweig. Die Deutsche Uhrenstraße führt durch das kinderfreundliche UrlaubsdorfTennen­ bronn. An den Brauchtumsabenden zwischen Trachtenmädchen und hervorragenden Blasmusikern erzählt hier ein Uhrenträger vom Leben im Schwarzwald. Ausgedehnte Wälder umgeben den son­ nigen Luftkurort, dessen Terrassenfreibad die Gäste anzieht. Danach erreicht man St. Georgen, das 1084 von Benediktinermönchen gegründet wurde. Der Mühlenweber Johann Georg Weißer führte um 1750 im St. Georgener Schießhaus eine Uhrenwerkstatt. Der Ort zählte Mitte des 18.Jahrhunderts zu einem der bedeutendsten Uhrenherstel- 230 lungs-und Versandorte des Schwarzwaldes. Heute gehören High-Tech-Betriebe wie Stai­ ger, wo der erste Quarz-Wecker entwickelt wurde, und KUNDO, wo Funk-Tischuhren hergestellt werden, zum Wirtschaftsleben der Stadt18l. Über die Uhrengeschichte und die der Phonoindustrie, die eng mit der weltbekann­ ten Firma Dual’9l verknüpft ist, gibt es detail­ lierte Informationen und Ausstellungsob­ jekte im Heimat-und Phonomuseum im Rathaus. Die nächste Etappe stellt der 1807 von der „Herrnhuter Brüdergemeine“2″l gegründete Ort Königsfeld dar. Seit einigen Jahren pflegt Peter Auber die traditionelle Herstel­ lung der Schwarzwälder Schilderuhr und zeigt eine Sammlung von bemalten Uhren­ schildern der Zeit von 1750 bis 1880 aus Holz und Porzellan. Heute entwirft hier der Uhrenschildermaler Robert Sayer her­ kömmliche Uhrenschilder mit Rosendekor, aber auch neue Motive zum Beispiel für Hochzeitsuhren. Die Firma Auber stellt hauptsächlich Ansteck-und Armbanduhren mit elektronischem Pendeluhrenantrieb her. Schon um 1750 verdienten sich Uhrma­ cher oder Uhrenhändler ihren Unterhalt in den Dörfern im Raum Königsfeld. Uhren­ gestelle, Uhrenschilder und Rohlinge wur­ den hergestellt. Im Dorfmuseum Buchen­ berg findet man unersetzliche Zeugnisse der Alltagswelt der Uhrmacher, der Weber, der Glasmacher und natürlich der Bauern. Ein hervorragendes Objekt kirchlicher Kunst im Dorfmuseum ist das „Buchenberger Herr­ göttle“, ein Kruzifix von 1160 aus der romani­ schen St.-Nikolaus-Kirche211. Mönchweiler, der Erholungsort an der Deutschen Uhrenstraße, wurde 1258 erstmals als „Munechwiler“ erwähnt und geht vermutlich auf eine Gründung des Klosters St. Georgen zurück. Weiter geht’s nach Niedereschach, wo im Ortsteil Fischbach in der Heimatstube eine komplette Uhrensammlung der einsti­ gen heimischen Firmen Jerger und Peter demnächst ausgestellt werden soll.

Die Firma ACR produziert noch heute Wecker-, Schiffs- und Schachuhren in Nie­ dereschach. Horgen ist ein Ortsteil von Zimmern ob Rottweil. Die 1869-1872 erbaute neugoti­ sche St.-Martins-Kirche steht auf dem weit­ hin sichtbaren Platz der 1490 erwähnten „Burg zu Horgen“. In Zimmern fertigen einige kleinere Betriebe Uhren und Uhren­ zubehör. Aus der ältesten Stadt Baden-Württem­ bergs, Rottweil, dem Area Flaviae der Römer, ist ein Fragment eines Steckkalen­ ders mit Monats- und Tageinteilung erhal­ ten. Am Turm des Heilig-Kreuz-Münsters befindet sich eine Sonnenuhr, die schon um 1230 den Bürgern die Zeit anzeigte. Sehens­ wert auch die gläserne Sonnenuhr von 1555 im Ratssaal. Miniatur-Platzuhren, wie z. B. die New Yorker „Broadway Clock“ von 1879, die be­ kannte Hannoveraner „Kröpcke-Uhr“ oder die Dortmunder „Schlanke Mathilde“ sind im Ausstellungsraum der Firma KB-Uhren zu bewundern. Der Betrieb der Familie Graf zeigt auch Kabinettuhren mit vier Weltuhrenzifferblättern, Kuhschwanzpen­ deluhren, Musik-Spieluhren und moderne Party-Uhren. Neckaraufwärts geht es nun auf der Deut­ schen Uhrenstraße in das DorfDeißlingen. Ein bedeutender archäologischer Fund war das Grab eines Alemannenhäuptlings aus der Zeit um 630 n. Ch., auf dessen Brust ein Goldblattkreuz lag. 802 wird der Ort erstmals erwähnt. Neben der romanischen Aubertkirche stand hier im 14.Jahrhundert ein kleines Franziskanerinnenkloster. Kirche 231

und Klosteranlage sind heute nicht mehr erhalten. Jedoch gibt es nun in Deißlingen unter anderem vier Zulieferbetriebe für die Uhrenindustrie, die vor allem massive Uhrengehäuse aus Holz herstellen. Nächste Station an der Uhrenstraße ist die Musikstadt Trossingen, heute bekannt durch die Hochschule für Musik und durch die Bundesakademie für musikalische Jugendbildung. Angefangen hatte die Entwicklung zur Musikstadt Mitte des 18.Jahrhunderts, als der Zeugmacher (Weber) Christian Messner von einem Uhrenhändler eine „Wiener Mundharfe“ bekam. Er war der Gründer der ersten „Mundharmonikafabrik“ in Trossin­ gen. Der gelernte Uhrmacher Matthias Hoh­ ner widmete sich ab 1857 dem „Bläsles­ machen“. Im Harmonikamuseum ist u. a. die Hohner-Sammlung der größten Harmo­ nikafabrik der Welt untergebracht. 23.000 verschiedene Mundharmonikas aus aller Welt sowie Akkordeons und Handharmoni­ kas sind hier zu sehen. Aber auch Technik und Aufbau der Instrumente, die Sozialge­ schichte der Arbeiter und Angestellten sind zu erleben. Musik aus der Juke-Box und ein Spiel- und Dokumentarfilm rund um die Harmonika Ja sen die Zeit wie im Flug verge­ hen. Besuchen sollte man das Heimatmuseum „Auberlehaus“ mit dem Riesenskelett eines Dinosauriers, dem 200 Millionen Jahre alten Plateosaurus trossingensis aus der erdge­ schichtlichen Zeit des Trias. Im Auberlehaus hängen im Uhrenstüble Trossinger Schilderuhren aus dem 19.Jahr­ hundert, Rahmenuhren und alte Stech­ uhren. Uhrenfreunde finden in Trossingen Euro­ pas größten Spezialisten für die Reparatur und den Selbstbau von Uhren, die Firma Selva-Technik. Tausende von Einzelteilen für alte und neue Uhren sind hier zu erwer- Öl: Unterer Gschwendhof Klaus Burk 232

Weltzeit-Uhr Furtwangen ben. Anleitungen werden in Buchform oder direkt vom fachkundigen Uhrmacher gege­ ben. Von der Mini-Schottenuhr bis zur Schwarzwälder Waaguhr kann man die Uhren selbst basteln. In Trossingen sollte man auf jeden Fall eine Fahrt mit der ältesten betriebsbereiten elektrischen Museumsbahn zwischen dem Stadtbahnhof und dem Staatsbahnhof an der Strecke Villingen-Schwenningen – Rott­ weil unternehmen. Auf der Uhrenstraße erreicht man wieder den Schwarzwald-Baar-Kreis. Der östlichste Stadtbezirk Villingen-Schwenningens, Weig­ heim, liegt in 735 m Höhe auf dem Schwarz­ J ura-Gestein, dem Lias. Hier haben sich Anfang des 20.Jahrhunderts sechs Uhren­ fabriken etabliert, von denen fünf noch exi­ stieren. So fertigt die Firma Anton Schrenk Stand­ uhrengehäuse, die Firma Eduard Hauser Küchenuhren, Standuhren und· Kinder- 233

ührle. Schilderuhren stellt die Firma Hauser Uhren her und die Firma Orka macht Baro­ meter und Uhren. Im benachbarten Ort Mühlhausen hat sich ein Freilichtmuseum etabliert, das eine Ölmühle mit Mühlenmuseum, Holzofen­ backhaus Schmiede, Göpel haus etc. zeigt221• In der Heimatstube im Rathaus sind auch schöne Wanduhren als Teil der Einrichtung zu sehen. Dicht daneben liegt das Bauernmuseum Mühlhausen13l, das die Lebenswelt der Bau­ ern von der Knechtstube und der Sattelkam­ mer bis zum Brautwagen zeigt. Tuningen, das schmucke Dorf an der Deut­ schen Uhrenstraße mit seinem gut sanierten Ortskern lädt zum Verweilen ein. Sehenswert ist die 1728 erbaute evangelische Kirche mit dem massiven Treppengiebelturm. Tuningen wurde 797 erstmals als „Daininga“ als St. Galle­ ner Besitz erwähnt. 1444 wurde es württember­ gisch. Heute weist der Ort unter anderem zwei Zulieferbetriebe fur die Uhrenindustrie auf. Das höchstgelegene Solebad Europas, Bad Dürrheim, ist der letzte Etappenort auf der Uhrenstraße. In Bad Dürrheim lohnt der Besuch des großen Fastnachtsmuseums Narrenschopf241 oder ein Bummel durch den Luisengarten, der 1994 zur Landesgartenschauz“ einge­ weiht wird. Gesundheitsbewußten ist ein Besuch im Solemar zu empfehlen, dem wun­ derschönen Bade- und Gesundheitszentrum mit der großen Schwarzwaldsaunal••>. Die Uhrenproduktion in Bad Dürrheim wurde 1990 in den modernen Fabrikations­ hallen der DUFA/Kienzle Uhrenfabrik in Villingen-Schwenningen unweit des Eis­ sportzentrums konzentriert. Die Rundreise auf der Uhrenstraße endet nach 320 Kilometern wieder am Ausgangs­ punkt, dem Bahnhof Schwenningen/Neckar. In der Geschäftsstelle der Arbeitsgemeinschaft kann ein Pauschalangebot „4 Tage auf der Uhrenstraße“ gebucht werden. Darin enthal­ ten sind vier Übernachtungen, Eintritte in Museen, ein maßgeschneidertes Info-Paket und ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte. 234 Für die Entdecker der Uhrenstraße gilt mehr denn je der Satz: ,,Nehmen Sie sich ruhig Zeit auf der Deutschen Uhrenstraße!“ Ulrich Schlichthaerle L i t e r a t u r 11 Almanach 1987, Seiten 48-52, zur Finna Kienzle­ Uhren, Stadtbezirk Schwenningen 2) Almanach 1987, Seiten 52-55, zur Firm., Schmid­ Schlenker, Stadtbezirk Schwenningen, (früher Bad Dürrheim) .11 Almanach 1981, Seiten 176-183, zum Mauthepark, 4l Almanach 1993, Seiten 290-293, zum Uhrenindustrie­ Stadtbezirk Schwenningen museum, Stadtbezirk Schwenningen II Almanach 1988, Seiten 52-56, zur Firma Emil Schmek­ kenbecher, tadtbezirk Villingen 0) Almanach 1988, Seiten 216-220, zum Uhrmacher­ häusle, Vöhrenbach 71 Almanach 1982, Seiten 119-122, zum Orchestrion bau, Vöhrenbach 81 Almanach 1980, Seiten 128-133, zum Bildschnitzer 91 Almanach 1990, Seiten 65-67, zur Hexenlochmühle, Matthias Faller, Furtwangen-Neukirch Furtwangen-Neukirch 10) Almanach 1983, Seiten �9-51, zur Firma Adolf Han­ h,1rt, Gütenbach 11) Almanach diese Au;gabe, Seiten 192-199, zum Deut­ chen Uhrenmuseum Furrwangen 121 Almanach 1991, Seiten 83-88, zur Uhnnacherschule, Furtwangen ll) Almanach diese Ausgabe,Seiten 205-214, zur Rinderle­ Uhr im Deutschen Uhrenmuseum Fumvangen 141 Almanach 1988, Seiten 180-182, zum Uhrenschild­ maler Alois Straub, Furtw,mgen- Linach 15) Almanach 1982, Seiten 61-63, zur Fim1a Wehrle, St. Georgen (früher Schönwald) 161 Almanach 1988, Seiten 195-197, zur größten Kuckucks­ uhr der Welt, Schon.ich 171 Almanach 1980, Seiten 150-153, zum Heim,llmuseum, Triberg 181 Alm.mach 1985, Seiten 67-70, und Almanach 1990, Seiten 55-57, zur Finna Kundo, St. Georgen 1’1 Almanach 1979, Seiten 53-55, und Alman,1cl1 1983, Seiten 48-49, zur Firm., Dual, St. Georgen lOI Alm.mach 1980, Seiten 42-45, zur Herrnhuter Brüder­ gemeine, Königsfeld ll) Alm.mach 1988, Seiten 183-186, zur St. Nikolaus-Kir­ che, Königsfeld-Buchenberg ll) Almanach 1984, Seiten 202-204, zum Göpel und Göpelhaus, Mühlhausen lll Almanach 1980, Seiten 146-150, zum Bauernmuseum, Mühlhausen Dürrheim Dürrheim. 24) Almanach 1985, Seiten 165-170, Narrenschopf, Bad 25) Almanach in dieser Ausg,tbe, Seiten 324-326, zur Lan­ desgartenschau 1994, B,1d Dürrheim lb) Almanach 1989, Seiten 226-232, zum Solemar, Bad

Glocken Das Hüfinger Stadtgeläute Die früheste urkundliche Erwähnung der Pfarrei Hüfingen entstammt der Feder des Konstanzer Bischofs Hermann II (1183- 1189). Zu dieser Zeit war Hüfingen im Besitz des Klosters St. Märgen. Ob die Kirchenge­ meinde damals bereits eine Glocke besaß, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Aber nur 100 Jahre nach dieser ersten Erwähnung der Pfarrgemeinde Hüfingen wurde die noch heute erhaltene älteste Glocke gegossen. Sie dürfte bereits den Frieden zwischen König Albrecht von Habsburg und dem Hause Für­ stenberg, bei dem auch „her conrat von Höfingen ain ritter“ eine Rolle spielt, einge­ läutet haben. Die Glocke trägt um die Schul­ ter eine der ältesten Glockeninschriften, die von der Sehnsucht der Men­ schen nach Frieden Zeugnis ablegt: 0 REX GLORIE CRISTE VENI CVM PACE L VX (Lukas) MARCS (Mar­ kus) IOHANES Qohannes) MADEVS (Matthäus). Die · Inschrift der vier Evangelisten verweist auf die Bedeutung der Glocke, die sie bereits im 3. und 4. Jahrhundert von den Apologeten, den ersten christlichen Schriftstellern, erhalten hatte. Die Glocke sollte Symbol der Verkündi­ gung des Evangeliums durch die Evangelisten und Apostel sein. Die Glocke entstammt einem der bedeutendsten Glockengießzentren des aus­ gehenden 13. Jh., der Rei­ chenau. Ihre Übereinstim­ mung in Form, Schrift und Klang mit der größten Glocke von St. Georg in Oberzell ist unüberseh- und unüberhör­ bar. Älteste Glocke des Hiifinger Ffarrkirchenge/iiutes, um 1300 gegossen, sie ist ein Werk der Reichenauer Schule (Glocke 5). 235

lieh die Tonfolge gis‘ – h‘ – cis“ – fis“ hatte, waren die Hüfinger offensichtlich sehr lange Zeit zufrieden. Jedenfalls sind in Archiven keine weiteren Glocken erwähnt. Allerdings finden wir zu allen Zeiten Hinweise auf das Läuten der Glocken. o auch am Schicksals­ tag der Stadt Hüfingen am 15. Oktober des Jahres 1632, als die Soldaten des Herzogs von Württemberg „von gotlosen Ketzern Wür­ tenbergern“ viele Hüfinger Bürger ermorde­ ten und die tadt in Brand setzten. In der Geschichte von Hüfingen lesen wir hierzu bei August Vetter: ,,Als die Mordbrenner am Na hmittag des 15. Oktober Hüfingen ver­ ließen, um Mord, Brand und Plünderung auch in die West-Baar zu bringen, läutete man im Städtchen mit allen Glocken. Seit­ her erinnert das tägliche Zweiuhrläuten an das Blutbad von Hüfingen vom 15. Oktober (auch 1632, bis das Zweiuhrglöckchen Glocl?C 4 wurde im 14.)ahrhundert in Schaffhau­ sen vermutlich von den Gebrüdern Ullrich und Hug gegossen. Detailaufnahme von Glocke 5. Zwischen zwei unregelmäßigen Kordelstegen ist in Majuskeln die Friedensinschrift z11 lesen: 0 REX GLORIE CRJSTE VENJ CVM PACE. Anfang bis Mitte des 14.Jh. wurden ver­ mutlich von den Brüdern Ullrich und Hug aus Schaffhausen drei Glocken für die Pfarr­ kirche in Hüfingen gegossen. Die größte der drei Glocken, die Wetterglocke, trägt als Schulterinschrift, ähnlich wie die älteste Glocke, die Friedensinschrift mit der Ergän­ zung, daß sie auch bei jedweder Gefahr läu­ ten solle. 0 ,,. REX“ GLORIE,,. XP E ,: – VENI ,,. CV PACE,:- HOC,: – CONTRA,,. SIGNVM ,,. NVLL VM ,,. STET ,,. PERICVL VM ,:- Die zweitgrößte Glocke aus diesem Guß, im Volksmund das Schwedenglöckchen genannt, wurde ein Opfer des Zweiten Welt­ kriegs. Sie war wie ihre große Schwester an der Glockenschulter mit einem Arkadenfries geziert. Ob sie auf dem Glockenfriedhof in Hamburg zerstört oder Opfer des blühenden Schwarzhandels nach dem Krieg wurde, wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Die dritte Glocke aus diesem Guß gleicht in der Form der Buchstaben der größeren Glocke, bleibt aber ohne die umlaufenden Arkaden an der Glockenschulter. Auf die Kreuzigungs­ gruppe wollte man aber auch bei ihr nicht verzichten und goß sie unterhalb des lnschriftenanfang in die GlockenAanke ein. Die Friedensins hrift gleicht der ihrer gro­ ßen Schwester, allerdings ohne den Zusatz, daß sie auch bei Gefahr läuten solle. Mit die­ sem sehr schönen Vierergeläute, das vermut- 236

Detailaefnahme von Glocke 4. Ganz typisch für die Scha.flhausener Giefsschu/e die .friesenartig auf gereihten hohen Arkaden mit kleeblatiförmigem Schluß über den Kapitellen. In einer der Arkaden befin­ det sich die Kreuzigungsgruppe. Schwedenglöckchen genannt) im Zweiten Weltkrieg beschlagnahmt wurde. Wie wir wissen, kam es aus dem Krieg nicht zurück.“ Ein weiteres Mal ist vom Glockenläuten in einem Bericht vom 28. 10. 1663 zu lesen. Dem damaligen Pfarrer Gerwig wurde darin vorgehalten, daß er eigenmächtig die Tür­ kenglocke läute. Dieses Türkenläuten ging auf Papst Calixtus III zurück, der das mittäg­ liche Gebetsläuten im Jahre 1455 mit der Aufforderung an die Gläubigen zum Gebet aller Christen gegen die drohende Türkenge­ fahr verband. Wie im Archiv von Hüfingen nachzulesen, hat sich dieser Läutebrauch recht lange erhalten, der das mittägliche Gebetsläuten aber nur ergänzen, nicht aber ersetzen sollte. Über einen Glockenguß lesen wir erst wie­ der im Jahre 1789. In diesem Jahr wurde die früher größte Glocke in der Glockengießerei von Benjamin und Meinrad Grieninger in Villingen umgegossen. In den Hüfinger Archiven ist hierzu zu lesen, daß diese Glocke seit Jahr und Tag gesprungen sei und neu gegossen werden müsse. Angebote für den Neuguß waren von der Glockengießerei Schalch in Schaffhausen und Grieninger in Villingen eingeholt worden. Der Preisunter­ schied zwischen beiden Angeboten sei nicht groß, wurde festgestellt, aber in Villingen könne das Umgießen überwacht und die Glocke auch gleich geweiht werden. Als Schulterinschrift zwischen zwei Stegen lesen wir: BENJAMIN VND MEINRAD GRIE­ NINGER HABEN MICH GEGOSSEN IN VILLINGEN 1789 / S: GALLE ET S: VERENA 0: P: N: Die Inschrift ist von zwei Salbeiblättern eingerahmt. Salbeiblätter goß man vor allem in der Barockzeit gerne auf Glocken auf. Sie waren als immergrüne Pflanzen Symbol ewigen Lebens, sie waren in der damaligen Zeit aus keinem Blumen-237

Aus der Hand des gleichen Meisters wie Glocke 4 entstamm/ Glocke 7. Eine veränderte Glocken­ gestaltung, unter Verwendung gleicher Buch­ staben. Detail von Glocke 7. Die Kreuzigungsgruppe wurde im Gegensatz zu Glocke 4 auf die Glocken­ ßrmke gegossen. strauß in der Kirche wegzudenken. Ihr auf­ weckender Duft sollte Kirchenbesucher bei den oft recht langen Predigten vor dem Ein­ schlafen bewahren. Auf Glocken gegossen, waren sie Symbol gegen den Kirchenschlaf, lesen wir bei einem bedeutenden Glocken­ gießer der Barockzeit, dem vom Kaiserstuhl stammenden Franz Anton Grieshaber. Die Flanke dieser Glocke trägt noch einen klei­ nen Kruzifixus über zwei schräg gestellten Salbeiblättern. Im Ersten Weltkrieg wurden die Hüfinger Glocken wegen ihrer besonderen histori­ schen Bedeutung von der Ablieferung freige­ stellt und so hingen bis ins Jahr 1942 im Hüfinger Kirchturm fünf Glocken, die P von Benjamin und Meinrad Grieninger 1789 gegossen, gis‘, cis“, fis“ von den Gebrüdern Ullrich und Hug Anfang bis Mitte 14.Jh. in Schaffhausen gegossen, und die älteste um 1300 gegossene Glocke mit dem Ton h‘. Von der Ablieferung der Glocken für den Zweiten Weltkrieg war auch die Pfarrgemeinde Hüfingen betroffen. Trotz ihrer historischen Bedeutung mußten die Grüningerglocke und die beiden kleineren Glocken aus der Schaffhauser Gießerhütte nach Hamburg ins Glockenlager abgeliefert werden. Zwei Glocken kamen im November 1948 bzw. am 17. 8.1949 vom „Glockenfriedhof“ aus Ham­ burg wieder zurück, das Schwedenglöckchen blieb verschollen. 1954 wurde der Wunsch nach Ergänzung des Geläutes endlich erfüllt. Bei Friedrich Wilhelm Schilling in Heidel­ berg wurde die Marienglocke mit dem Ton des‘ und die Jakobusglocke mit dem Ton es‘ 238

Die Totenglocke von Benjamin und Meinrad Grieninger, 1789 in Villingen gegossen. Der Or­ namenifries aus Tuchgirlandenbögen mit Frucht­ biinde!n ist typisch fiir das Haus Griininger im auslaufenden 18.}ahrhundert. Die größte Glocke des Geläutes, die Marienglocke, 1954 in der Glockengiefserei Friedrich Wilhelm Schilling in Heidelberg gegossen. DIL·),,kubwgluckc ist die zweitgrößte Glocke des Geläutes. Sie kommt eberifalls aus der Glockengie­ ßerei Friedrich Wilhelm Schilling in Heidelberg, einem der bedeutendsten Glockengiefser Europas nach dem Zweiten Weltkrieg. gegossen. Die älteste Glocke stimmte man von h‘ nach b‘ tiefer, um so das Salve-Regina­ Motiv erklingen zu lassen. Der Wunsch von Gottfried Schafbuch, in „Mi Boor“ S. 64 nachzulesen, mußte bis 1992 unerfüllt bleiben. Er schreibt: ,,Möge doch ein neues ,Zweiuhrglöckchen‘ in absehbarer Zeit wieder die Erinnerung an das Hüfinger Blutbad vom 15. Oktober 1632 wachrufen und wachhalten.“ 1991 war es dann soweit. Die Karlsruher Glocken- und Kunstgießerei erhielt den Auftrag für ein neues Zweiuhr­ glöckchen, der Bildhauer Meyer den Auftrag für die Glockenzier, Pater Dr. Albert Schmidt vom Kloster Beuron entwarf die beiden Chronogramme, deren große latei- 239

Detailaufnahme der neuen Schwedenglocke, Vor­ derseite Läute, so laut du kannst, in Erinnerung an das Hiifinger Blutbad im (Dreißigjährigen) Krieg. Rufe den Goll des Friedens tm, daß er allen Streit von den Bürgern vertreibe. nische Buchstaben zusammengezählt das Gußjahr der Glocke 1992 ergeben: lNVOCA DEVM PACIS VT IPSE LITES VNI­ VERSAS A CIV!BVS l’ELLAT (= 1992) RECOR DARE PRO VlRlBVS CAE Dls AC NECis HVFINGENSIS EXACTAE IN BELLo (= 1992) Die Bildzier auf der Rückseite der Glocke zeigt den Tod, der mit seiner Sense weitaus­ schwingend reiche Ernte einfahrt. Die Schauseite zeigt die Silhouette der Stadt Hüfingen. Über die Stadt hinweg fliegt eine Taube, einen Friedenszweig im Schnabel haltend. Das Geläute der Hüfinger Pfarrkir­ che umfaßt nun sieben Glocken, eine Zahl, die in Vorschriften von Karl dem Großen und bei Karl Boromäus für bedeutende 240 Detailaufnahme der neuen Schwedenglocke, Rückseite Stadtkirchen vorgesehen war. Ihre Melodie folgt den Tönen: des‘ +5, es‘ +5, P +4, as‘ +5, b‘ +4, des“ +6, ges“ +7. Herausragende Ereignisse der Geschichte lassen sich an vielen Orten mit den Glocken­ schicksalen beschreiben. So auch in Hüfin­ gen. So wird auch Reinhold Schneiders ein­ dringlicher Satz verständlich: ,,Verlieren die Türme ihre Herrschaft über die Dächer, die Glocken ihre Gewalt über den Lärm, so ist keine Hoffnung und kein Leben mehr.“ Die Hüfinger Glocken haben diese Zeilen Rein­ hold Schneiders auf ihre Weise interpretiert, täglich beim Läuten, aber noch mehr in ihrem Schweigen. Die Hüfinger Glocken erzählen aber auch mehr als andere in ihrer Inschrift, wo die Hoffnungen und die Sehn­ süchte der Menschen liegen: Im Frieden. Die drei ältesten Glocken bezeugen dies mit ihrer Inschrift O REX GLORIE CRISTE VENI CVM PACE! Kurt Kramer

Heiteres aus dem Klosterleben St. Ursula in Villingen M. Hieronyma Riegger 1901-1990 Die Chronik berichtet, daß sie im April 1924 ins Kloster St. Ursula eingetreten ist und daselbst zweieinhalb Jahre später ihre Profeß gefeiert hat. Somit stellte sie ihr weite­ res Leben in den Dienst des Konvents und daher nicht zuletzt auch in dessen Bildungs­ und Erziehungsauftrag, resultierend aus dem von den Ursulinen betreuten Lehrinstitut. Frau Hieronyma, mit weltlichem Namen Eisa Riegger, stammte aus der Aubenmühle in Obereschach – und weil das heimische An­ wesen unweit des Gewanns „Elsenau“, einem kleinen Wallfahrtsort unserer Region, liegt, ließen ihre Eltern sie als jüngstes von sieben Kindern auf den Namen „Eisa“ taufen. Nach dem Besuch der Volksschule in Obereschach und Villingen machte sie eine Lehre als Damenschneiderin in „St. Agnes“ und im „Marienhaus“ in Freiburg. Die Mei­ sterprüfung in diesem Handwerk legte sie am 10. 2. 1926 vor der Handwerkskammer Kon­ stanz ab. Danach war für sie der Weg frei, sich als qualifizierte Meisterin in der „Frau­ enarbeitsschule“ des Klosters zu betätigen, wo weibliche Jugendliche und Frauen aus Villingen und Umgebung das „Kleidernä­ hen“ erlernten. Von 1927 bis 1937 übte Sr. Hieronyma auch das Amt der Sakristanin im Kloster aus. Im Jahre 1952 wurde sie der damaligen Internatsleiterin Frau Bonifatia als „pädago­ gische Exekutive“ zugeteilt, um den jungen Elevinnen Pünktlichkeit und Ordnung bei­ zubringen. Hieronyma erfüllte ihre neue Aufgabe pflichtbewußt und in „mütterlicher Strenge“. Die Heimschülerinnen zollten ihr, wenn’s auch manchmal schwerfiel, ,,heiligen Respekt“. Von 1966 an versah sie bis zu ihrem Lebensende den Pförtnerdienst des Klosters. Die Besucher erlebten sie dabei als freundli­ che und umsichtige – aber, wenn es nötig war, auch als resolute Person; denn nicht immer war der Umgang leicht mit den Stadt­ streichern, die ein leckeres Klostersüpplein heischten. Dennoch hatte sie für diese stets ein gütiges Herz und eine offene Hand. Mit wachem Geist verfolgte Frau Hiero­ nyma sowohl die hohe Politik als auch das kommunale Geschehen. Sie war eine eifrige Radiohörerin und Zeitungsleserin. Mit Vor­ liebe befaßte sie sich auch mit der Stadt- und Klostergeschichte – und nebenbei auch mit Pfarrer Kneipps Wasser- und Naturheilme­ thode. Vielen Kranken konnte sie wertvolle Tips geben. Als ihre Sehkraft nachließ, und sie des­ halb nicht mehr in der Lage war, Bücher und 241

Schriften zu studieren und die Tageszeitung zu lesen, betete sie um so mehr. Besonders schätzte sie in vielen Anliegen das Rosen­ kranzgebet. Am 27. 4.1990 rief der HERR sie zu sich in die Ewigkeit. Weil nun in St. Ursulas Gefilden nach wie vor das Prinzip gilt: ,,Semper hilaris et sere­ nu „, d. h. ,,immer heiter und aufgeräumt“, sei im folgenden die wahre lustige Begeben­ heit mit „Hieronyma“ – besonders auch als „Leckerbissen-Lektüre“ für die ehemaligen Internatsschülerinnen – zum besten gege­ ben: Das Auge des Gesetzes und der Bienenhonig Frau Hieronyma, die Gute, bekannt als Aeiß’ge, resolute Klosterfrau mit Konsequenz, zuständig auch mit Kompetenz für Ordnung, Tugend, Pünktlichkeit, im Internat zur Nachkriegszeit. In jenen noch recht armen Tagen hat folgende sich zugetragen: Im Flur zum Schlafsaal reges Treiben bei des Internates Maiden! – Umschwärmt von einer großen Schar das Bräunlinger „Mariele“ war. In seinen Händen hält es fest, was gedacht fürs Wiegenfest, ein Glas, gefüllt mit Honig, süßem, der nebst besonders lieben Grüßen per Post von Mutter zugeschickt; die jungen Damen sind entzückt, denn jede darf just einmal tauchen den bloßen Finger dazu brauchen, in das Glas der Köstlichkeit. Wie schwelgen sie in Seligkeit! – Und schlotzen, lecken, schleck, schleck, schleck. – Da, plötzlich, trifft sie jäh der Schreck. Im Sauseschritt, Aug , ein , zwei, drei, eilt Hieronyma herbei, Frau Bonifatias Korporal, verantwortlich für Zucht, Moral. ’s „Mariele“ ist perplex und baff seine Arme werden schlaff. Der Honigtopf zerschellt am Boden, – was jetzt passiert, ist nicht gelogen: Die Honigmasse Aießt dahin, die Mädchen auf die Zimmer Aieh’n. 242

Hieronyma kann nicht mehr bremsen, gerät in schlimme Turbulenzen; sie gleitet auf dem Honig aus – und stürzt und schlittert – welch ein Graus! Bei ihrem Tempo unvermeidlich, klebt sie jetzt flach, trotz obrigkeitlich, am Nektar, den die Immen sammeln. Sie kann gerad‘ noch „Hilfe“ stammeln, ,,liebe ,Maidle‘, kommt herbei, beendet mir die Q!.iälerei!“ — Und mit Hau-ruck, vereinter Kraft, man Unmögliches gemeinsam schafft. Hieronyma steht wieder da, alles brüllt: ,,Halleluja!“ – Zwar ziehen tausend Honigfäden von Schleier, Rock, ja selbst aus Nähten, hinab zum Boden – ach, wie peinlich; doch schließlich ist sie wieder reinlich. – Nach stundenlangen „Badefreuden“ sieht man sie wieder unter Leuten! — Helmut Groß Breg-Promenade Bräunlingen 243

Baudenkmäler Die Sägemühle in Gütenbach In Gütenbach im Hintertal, am Eingang zum Hübschental, liegt die Mühle des Bühl­ hofs, im Volksmund nur Sägemühle ge­ nannt. Dieser für eine Mahlmühle etwas irre­ führende Name ist von einer sicher schon 1680 an dieser Stelle erbauten Klopfsäge abgeleitet. Der die Mühle umgebende Wald, genannt „Sägewald“ und das benachbarte Wohnhaus, das „Säge-Hisle“, belegen diese Annahme. Im Feuerversicherungsbuch von 1855 wird die Sägemühle erstmals urkund­ lich erwähnt. Mit dem Verkauf des Bühlhofs am 12. 1. 1889 an die Großherzogliche Do­ mäne wurde auch die zum Hof gehörende Säge- und Mahlmühle verkauft. Dies ist der erste urkundliche Hinweis auf die Mahl­ mühle. Wahrscheinlich wurde diese Säge- und Mahlmühle bald nach dem Verkauf abgerissen. Laut Feuerversicherungsbuch von 1901 war sie nicht mehr vorhanden. Um 1920 bekam der Bühlhof einen neuen Pächter namens Martin Riesle. Für diesen Mann war eine eigene Mühle offensichtlich eine Notwendigkeit. Sie gab ihm ein Gefühl der Unabhängigkeit. Er konnte sein eigenes Korn mahlen, vom Mehl das tägliche Brot backen und die als Abfallprodukt anfallende Kleie als Viehfutter verwenden. So kaufte er 1927 die Mühle des Pfeiffenhansenhofes aus dem Vorderen Schützenbach in Furtwan­ gen. Die Mühle wurde abgetragen und an ihrem jetzigen Standort wieder erstellt. Einer Inschrift auf einem Balken des Mühlenbietes war zu entnehmen, daß diese Mühle um Restaurierte Sägemühle Gütenbach / Hintertal 244

1780 erbaut wurde. Im Gegensatz zum Hof blieb die Mühle im Privatbesitz. 1939 übernahm Martin Riesles Schwieger­ sohn Wilhelm Wehrle den Hof samt Mühle. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg war die Mühle noch in Betrieb, dann standen die Räder still. Die Zeit hinterließ an dem Gebäude ihre unübersehbaren Spuren. 1965/66 trug sich die Ortsgruppe Gütenbach des Schwarz­ waldvereins mit dem Gedanken, die Mühle wieder in Gang zu setzen. Dieses Vorhaben wurde aber nicht in die Tat umgesetzt. Der Akkordeonspielring nutzte dann die Mühle als Bar bei seinem Waldfest. So mancher Besucher dieser Feste wird sich an die fröhli­ chen und feuchten Stunden in der Mühlen­ bar erinnern. Dem Akkordeonspielring ist es zu verdanken, daß das Gebäude nicht weiter dem Zerfall preisgegeben war. Der Verein deckte das Dach neu ein und sicherte das Gebäude so gut es eben ging. Mit dem Amtsantritt von Bürgermeister Richard Krieg im Jahre 1984 wurde das Thema Restaurierung der mittlerweile einzi­ gen Mühle in Gütenbach wieder aufgegrif­ fen. Ein Jahr später wurde die Mühle als erhaltenswertes Kulturdenkmal eingestuft. Ein Lokaltermin mit dem Architekten Theo Gremmelsbacher aus Hinterzarten, einem Spezialisten in Sachen Mühlenrestaurie­ rung, brachte im März 1989 den Stein end­ gültig ins Rollen; besser gesagt „Wasser auf die Mühle.“ Der Heimat- und Geschichts­ verein Gütenbach und die Ortsgruppe des Schwarzwaldvereins hatten sich zu einer Ar­ beitsgemeinschaft zusammengeschlossen. Bei einer Projektsumme von 118 000 DM eine notwendige und wie sich später heraus­ stellte auch fruchtbare Entscheidung. Nach­ dem die Nachkommen des Wilhelm Wehrle die Mühle an die beiden Vereine veräußert hatten, galt es das Projekt zu finanzieren. Das Jahr 1990 stand im Zeichen der Mittelbe- 245

schaffung. Das Landesdenkmalamt, die Denkmalstiftung Baden-Württemberg, die Gemeinde Gütenbach, der Schwarzwald­ Baar-Kreis und der Schwarzwaldverein in Freiburg gewährten Zuschüsse, eine Spen­ denaktion und Veranstaltungen erbrachten weitere Gelder. Die Finanzierung war so zu 80 Prozent gesichert. Das noch fehlende Geld sollte durch die Eigenleistung erbracht werden. Am 15. Juni 1991 begannen die Arbeiten an der Mühle mit der Wiederherstellung des Mühlengrabens. Bereits zwei Wochen später war der über zweihundert Meter lange Gra­ ben wieder hergestellt. Nach über vierzig Jahren wurde wieder Wasser in den Graben geleitet. Nun wurde die Mühle zum zweiten Mal in ihrer über zweihundertjährigen Ge­ schichte abgebaut. Alles Wiederverwend­ bare wurde gekennzeichnet und sorgfaltig zwischengelagert. Letztlich wurden die als Trockenmauer ausgebildeten Fundamente abgetragen. Es blieb kein Stein mehr auf dem anderen. Bis Ende August waren dann die Fundamente wieder aufgebaut und die Zim­ merleute konnten mit dem Wiederaufbau des Gebäudes beginnen. Vom Wetter begün­ stigt konnte am 13. September 1991, genau drei Monate nach dem ersten Spatenstich, Richtfest gefeiert werden. Ende November wurde die letzte Holzschindel aufs Dach genagelt, der Bau war nun winterfest. Am 3. Februar 1992 nahm der Mühlen­ bauer Albert Schwär aus Breitnau seine Arbeit auf. Die Zimmerleute hatten bereits das Biet wieder aufgebaut und das Kammrad eingesetzt. Der Mühlenbauer überholte das Triebwerk der Mühle und ergänzte das Mahl­ und Sichtwerk. Im Juli 1992 war seine Arbeit beendet, die Mühle war wieder funktionsfä­ hig. Rund 1200 Arbeitsstunden mußten von den ehrenamtlichen Helfern geleistet wer­ den, bis am 1. August 1992 die Mühle unter großer Anteilnahme aus der Bevölkerung durch Gütenbachs Bürgermeister Richard Krieg wieder in Betrieb genommen wurde. Er zog mittels einer Stange den vorderen, beweglichen Teil der Wasserrinne, den 246 Schußkähner über das Wasserrad, leitete so das Wasser über das eiserne Wasserrad und setzte es in Bewegung. Oberschlächtig nennt man die Form des Wasserrades. Die krei­ sende Bewegung des Wasserrades wird auf den eisernen Wellbaum übertragen, an des­ sen anderem Ende das Kammrad sitzt. Die 66 Kammen des Kammrades, vergleichbar mit den Zähnen eines Zahnrades, treiben das Stockrad (auch Kumpf genannt) an, das sechs Runde Spindeln hat. Die langsame, vertikal gerichtete Drehung von Wasserrad und Kammrad wird in die schnellere, hori­ zontale Drehung des Läufersteines (oberer, drehbarer Mühlstein) umgesetzt. Die Ver­ bindung zwischen Stockrad und Läuferstein bildet das Langeisen (Mühleisen). Der Läu­ ferstein soll sich mit 120-130 Umdrehungen pro Minute drehen. Das Mahlwerk wird vom Biet, einem Gestell aus Fichtenbalken mit vier Eichesäu­ len, getragen. Das Mahlwerk besteht aus den beiden Mühlsteinen (Bodenstein und Läu­ fer), dem Tremel (Trichter), Rütteltrog, Tre­ melstuhl, einer Rüttelmechanik, dem Zargen und dem Mehlrohr. Der viereckige trichter­ förmige Tremel wird mit Getreide befüllt. Das Mahlgut rutscht in den Rütteltrog, der beweglich unterhalb des Tremels aufgehängt ist, und wird durch die Rüttelmechanik (einem Schlagstock angetrieben durch einen eisernen Dreischlag im Auge des Läuferstei­ nes) dosiert zwischen die Mühlsteine geschüttet. Tremel und Rütteltrog sind ab­ nehmbar auf dem Tremelstuhl aufgesetzt. Dieser sitzt wiederum auf hölzernen Gehäu­ sen des Läufersteines, dem Zargen. Durch die Fliehkraft wird das Mehl (Schrot) an die Zargenwand geschoben und fällt dann durch das Mehlrohr in den Mehlkasten. Dort wird durch den Bitte! (Beutelsichter), der rhyth­ misch geschüttelt wird, Mehl und Kleie getrennt. Das Mehl fallt nach unten in den Mehlkasten, die Kleie rieselt durch das weit geöffnete Maul des Kleienkotzers an der Stirnseite des Mehlkastens in den Kleietrog. Der „Kleikotzer“ ist eine geschnitzte Holzmaske. Die Fratze sollte verhindern,

daß das „Böse“ in den Mehlkasten eindrang und das Mehl verdarb. Glaube und Aber­ glaube lagen eben früher eng beieinander. Um Brotmehl zu erhalten, genügte ein Mahlgang nicht. Bis zu sieben Mal mußte das Mahlgut aufgeschüttelt werden. Das erste Mal war der Abstand der Mühlsteine noch groß, das Korn und die Steine wurden gereinigt. Das erste, dunkle Mehl wurde an das Vieh verfüttert. Es folgten dann mehrere Mahlgänge, bei denen der Abstand zwischen den beiden Mühlsteinen immer mehr ver­ kleinert wurde. Ein Zentner Korn ergab so etwa 75 Pfund Mehl. Die Sägemühle in Gütenbach ist ein gelungenes Beispiel für die Mühlenrestaurie­ rung im Schwarzwald. Maßgeblich an der Erhaltung dieses Kulturgutes haben die Bür­ ger der Gemeinde Gütenbach durch Spen­ den und tatkräftige Hilfe mitgewirkt. Initiiert und geleitet wurde diese Bürgeraktion von dem Vorsitzenden des Heimat- und Ge­ schichtsvereins, Oswald Scherzinger, und dem Vorsitzenden der Ortsgruppe Güten­ bach des Schwarzwaldvereins, Lorenz Wiehl. Die Mühle ist der Öffentlichkeit zugänglich. Besichtigungen können über Fremdenverkehrsamt Gütenbach das (0 77 23 / 93 0611) oder den Mühlenwart Lorenz Wiehl (0 77 23 / 40 84) vereinbart werden. Lorenz Wiehl Wider besseres Wissen immer, wenn ich denke eine Beziehung einordnen zu können, erreicht mich irgend etwas, wie unverhoffter Vogellaut im tiefsten Frost – und mein Lächeln paßt in keine Karte Christiana Steger 247

Der Stöcklewaldturm Wandert man auf dem Mittelweg von Furtwangen nach St. Georgen, so kommt man über den Stöcklewaldkapf. Dort, auf der Gemarkung Rohrbach/Furtwangen, steht der Stöcklewaldturm in 1067 Metern Höhe. Er ist im Besitz des Schwarzwaldvereines, Sektion Triberg, von der er 1894 erbaut wurde, nachdem die Unzulänglichkeit des im Vorjahr am Kesselberg errichteten 16 m hohen hölzernen Aussichtsgerüsts erkannt wurde. Als durch Spenden der Stadt Triberg, des Bank- und Gewerbevereins, des Kurko­ mitees und verschiedener Privatpersonen 4000 Mark bereitgestellt worden waren, schrieb Sektionsvorsitzender Oberförster Korn die Nachbarsektionen um Unterstüt­ zung an. Die Baugenehmigung für den 25 Meter hohen Turm wurde am 21. Mai 1894 durch das Bezirksamt Triberg erteilt. Am 25. Mai wurde mit den Grabarbeiten begon- 248

nen. Die Maurerarbeiten wurden durch Maurermeister Heinrich Siebert vom 5. Juni bis Ende September ausgeführt. Die Einwei­ hungsfeier kam jedoch erst im Frühjahr des Jahres 1895, unter Mitwirkung der Stadtmu­ sik, zustande, da dies im Vorjahr nach der Fertigstellung durch frühes Einsetzen des Winters nicht mehr möglich war. Bis dahin hatte der für die damaligen Verhältnisse äußerst rasch ausgeführte Bau, unter Bauauf­ sicht von Albert Rieser, 8117,65 Mark ge­ kostet. Nachdem im Dritten Reich die Tätigkeit der freien Vereine stark eingeschränkt und zur Zeit des 2. Weltkrieges fast völlig zum Erliegen kam, mußte der Stöcklewaldturm 1952, nach Wiederaufnahme der Vereinstä­ tigkeit, instandgesetzt werden. Ende des Jah­ res wurde der Bau einer Turmhütte erwogen, um der zunehmenden Verschmutzung und Zerstörung zu begegnen. Ein Baufond wurde geschaffen. Als 1955 4200 DM bereitstan­ den, wurde auf der Hauptversammlung des Schwarzwaldvereines am 15.Januar der Bau eines Rasthauses beschlossen. Unter der Leitung von Franz Göttler wurde 1956 mit dem Erdaushub begonnen, der 750 Stunden Arbeit in Anspruch nahm. In 580 Stunden Arbeit wurden die Maurer­ arbeiten fertiggestellt, so daß der Bau bis Jahresende notdürftig unter Dach gebracht war. In den folgenden Jahren schritt der Aus­ bau zügig voran, wobei ein großer Teil in Eigenarbeit geleistet wurde und der freiwil­ lige Arbeitseinsatz Firmenangehöriger Franz Göttlers einen großen Anteil daran hatte. Turmbesteigungsgebühren halfen dabei, den Bau zu finanzieren. 1958 wurde der In­ nenausbau des Erdgeschosses beendet. In den weiteren Jahren wurde zur Versorgung des Rasthauses mit Wasser eine �eile gefaßt, für einen späteren Stromanschluß ein Erd­ kabel verlegt. Am 31. August 1962 wurde das Rasthaus feierlich eingeweiht. Zu diesem Anlaß kamen Geistliche beider Konfessio­ nen, der Bürgermeister und Angehörige der Nachbarortsgruppen. Nachdem RudolfGreth � � Rasthaus und Wanderheim � Stöcklewaldturm 1069 m ü M am Mittelweg Pforzheim-Waldshut Schwarzwaldverein Ortsgruppe Triberg t.’l gegr. 1883 Turm erbaut 1894 Höhe 25m 127 Stufen bis zur Plattform 16 Betten Übernachtungsgelegenheit Rasthaus u. Wanderheim erbaul 1956 1962 . . eine Ansprache gehalten hatte, bekam der damalige Vorsitzende der Ortsgruppe Tri­ berg, Fritz Wenk, den Schlüssel zum Gast­ haus überreicht. Die Feier, die bei gutem Wetter stattfand, wurde von Volkstänzen und Gesang der Jugendgruppen umrahmt. Bis dahin hatte die Ortsgruppe Triberg ca. 70 000 DM für den Hausbau aufgebracht. Etwa neunmal sowie! wie für den Turmbau verwendet wurde. Ein beachtlicher Unter­ schied. Der Turm erfreut sich heute, dank hervor­ ragender Aussicht -bei gutem Wetter sieht man bis zu den Alpen -und günstiger Lage, großer Beliebtheit. Nachdem man die 109 Stufen zur Granitplattform bestiegen hat, weisen dem Besucher bronzene Tafeln die nähere und weitere Umgebung aus. Der Turm wird noch von Katastrophenschutz, DRK und Feuerwehr mitbenutzt, da er sich funktechnisch an sehr geeigneter Stelle be­ findet. So bleibt zu hoffen, daß dieses schöne Bauwerk, das im Jahre 1994 sein 100.Jubi­ läum feiert, noch viele Menschen erfreut und so lange steht, wie der Wind durch die waldige Umgebung des Stöcklewalds weht. Jens Heid 249

Kunst und Künstler Die Lovis-Presse Eine Schwenninger Pioniertat des Kunstbetriebs der Nachkriegszeit Mit dem Nationalsozialismus waren auch zwölfJahre geistiger Absperrung, kulturpoli­ tischer Gängelung und ideologischer Dienst­ barmachung der Kün te vorbei. Wenn die Besetzung Deut chlands von vielen auch angstvoll erlebt wurde- Kultur wurde für die Deutschen schnell zum Inbegriff der Rück­ kehr zu einer zivilen und gesitteten Existenz, ja zum Träger eines neuen Lebensgefühls. Man war noch einmal davongekommen, und trotz der großen Not der Nachkriegs­ jahre verkörperte die Kultur die Hoffnungen des Neuanfangs am deutlichsten. Nicht zu­ letzt im Zusammenhang mit dieser Auf­ bruchstimmung ist rückblickend von einer Zeit der „schönen Not“ gesprochen worden. Allenthalben und vielfach konnte man sich der neuen Freiheit bewußt werden: Verlage schossen wie Pilze aus dem Boden, Zeit­ schriften machten bewußt, daß Ausland auch mehr bedeuten konnte als noch nicht erobertes Gebiet, und Ausstellungen ließen die Entwicklung der Künste in aller Welt nacherleben, vor der die Nazis zwölf Jahre lang abgeschirmt hatten. In Schwenningen war es die Lovis-Presse, die mit die farbigsten und bemerkenswertesten kulturellen Ak­ zente setzte. Der Mann, von dem die Lovis-Presse ihren Namen erhielt, ist Dr. Lovis Gremliza, Dr. Lovis Gremliza Die Lovis-Presse ….. 250

noch Zeit, abends ihre Erlebnisse und Gedanken literarisch zu formen. In der Schule war „Bildhaftes Gestalten“ für Gremliza von besonderer Anziehungs­ kraft, und der Lehrer, ein ehemaliger Hölzel­ Schüler, verstand es, ihm die Welt der Kunst nahezubringen. Neben ihr waren französi­ sche Kunst und Kultur das zweite große Erleb­ nis in Gremlizas Leben, denen zunächst der lSjährige Austauschschüler begegnete. In Frankreich suchte Gremliza aber auch wäh­ rend des „Dritten Reichs“ den Reglementie­ rungen der Nazis zu entgehen, indem er sein 1932 in Würzburg begonnenes Medizinstu­ dium in Nancy fortsetzte. Doch die Devisen­ sperre, die bald darauf in Kraft trat, ließ die Lothringer Zeit zur kurzen Episode werden. In Deutschland aber führte die Wiederauf­ nahme des Studiums nur über die Absolvie­ rung eines „freiwilligen Arbeitsdienstes“. Wenn Gremliza trotz der damit verbunde­ nen Erniedrigungen und Schikanen die Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg als die schönste seines Lebens bezeichnet hat, so deshalb, weil er damals jung verheiratet gewesen ist und mit seiner Frau Maria zusammen Ein­ gang in die anregungsreiche Würzburger Künstlerkolonie „Die Neue Welt“ gefunden hatte, der unter anderen Otto Modersohn und Erich und Siddi Hecke! ebenso verbun­ den waren wie Willi Geiger und Anton Kerschbaumer. Für Gremliza jedoch wurde vor allem Gertraud Rostosky, ehemals Geliebte Max Dauthendeys, wichtig, die hier eine Maischule führte. Das Kriegsende erlebte Gremliza in Schwenningen, wo er eine verwaiste Arztpraxis übernahm, nach­ dem er 1944 als schwerkrank aus dem Wehr­ dienst entlassen worden war. Die französische Besatzungspolitik ist innerhalb der Westzonen oft als die härteste beschrieben worden. Unter den Westalliier­ ten war Frankreich freilich auch das einzige Land gewesen, das von den Deutschen okku­ piert gewesen war, so daß die französische Besatzungspolitik als eine „postwendende Antwort“ der Franzosen zu verstehen war, die nach Möglichkeit die Schäden und Ein- Walter Herzger der 1912 im Stuttgarter Stadtviertel Prag zur Welt kam. In seinen atmosphärisch dichten ,,Erinnerungen“, die ein bißchen an Schlich­ ters Calwer Frühzeit denken lassen, begeg­ net der Leser einer erregenden Mischung so­ zialer Realitäten: Güllefuhrwerke erinnern an eine ländliche Rest-Welt; Bürgerspital, Armenhaus mit Wanderarbeitsstätte und Volksküche für die Armen, alles dicht beiein­ ander, werfen Schlaglichter auf die soziale Problematik in einem „minderen“ Stadtvier­ tel, das auch die Latrineninspektion beher­ bergt. Und dann die Faszination der Gäu­ bahn, die sich mit dem Gedächtnis an die Tochter des Bahnwärters verbindet, die alles liebte, was gefährlich und verboten war. Sol­ che Abenteuer wurden ergänzt durch Anre­ gungen aus der Familie: der Großvater, ge­ lernter Schriftsetzer und Sozialdemokrat der ersten Generation, konnte von seiner Walz nach Paris als dem Erlebnis seines Lebens erzählen; der Vater betrieb eine Buchbinde­ rei, der ein Schreibwaren- und Buchhandel angeschlossen waren; und die Mutter fand neben l(jndern, Haushalt und Geschäft 252

bußen im eigenen Land auszugleichen hatte. Als positives Gegen-, ja Vorzeigestück der französischen Besatzung aber galt die Kul­ turpolitik. Als Fenster zur Welt, vor allem aber zum westlichen Nachbarn, wurden sog. „Centres d’Information“ eingerichtet. Die Schwenninger Dependance war in einem ehemaligen Friseurladen untergebracht und – so erinnert sich Dr. Gremliza – ,,von Tübingen aus bestens versorgt mit hervorra­ gendem Material an Büchern, Zeitschriften, Tageszeitungen, Kunstzeitschriften, Kunst­ literatur, klassischer und moderner franzö­ sischer Literatur“. Diese Stelle zu überneh­ men wurde Gremliza noch im Jahre 1945 von französischen Kulturoffizieren aufgefordert. Der francophile Lovis Gremliza erfüllte sich damit nicht nur einen persönlichen Wunsch, sondern erkannte die Chance die­ ses Unternehmens, legte den Schwerpunkt seiner Vermittlungspolitik auf die Bildende Kunst (,,weil man hier ohne Kenntnise der Marie mit Mädchen (und Großmutter) vor der Haustür. Pastell: Werner Gothein 253

französischen Sprache die Bevölkerung ansprechen konnte“) und verstand es, die vorhandenen Reserven gegen das Centre abzubauen -dies zumal, nachdem es im Jahre 1948 gelungen war, die Einrichtung in kommunale Zuständigkeit zu übernehmen und ihr als „Städtische Ausstellung Schwen­ ningen am Neckar“ mehr und mehr eigenes Profil zu geben. Nun suchte Lovis Gremliza, der noch vor Kriegsende zwei Nummern einer graphisch gestalteten Flugblatt-Zeit­ schrift mit dem Titel „Der Samowar“ heraus­ gegeben hatte, Kontakte mit Künstlerfreun­ den wiederherzustellen, und nach den ersten Plakaten und Katalogen traute er sich 1947 auch an die Herausgabe eines bibliophilen Buches von Gertraud Rostosk7 (,,Schöpferi­ sche Geister“). Durch den Erfolg dieses Buches ermutigt, gewann Gremliza den erfahrenen Steindrucker Alois Himmels­ bach -in einer Zeit größter Beschaffungs­ probleme aller benötigten Materialien! -für die Herstellung von Litho-Mappen, deren Reihe wiederum durch Gertraud Rostosky und eine Folge von 10 Blättern mit Schwen­ ninger Motiven-,,Auf der Handpresse abge­ zogen im Juni 1947″ -eröffnet wurde. Sieht man einmal von den beiden ,,Schwarzwäldern“ Wilhelm Schnarrenber­ ger und Erich Kuhn ab -von denen der eine die Zeit des „Dritten Reiches“ dank einem Pensionsbetrieb in Lenzkirch überstanden hatte und der andere 1943 in Hinterzarten gelandet war -wiesen alle übrigen Künstler­ kontakte Gremlizas nach dem Bodensee. Dort hatte sich -teils als innerem Exil, teils aus Gründen der Kriegseinwirkungen -viele Künstler niedergelassen, deren Kunst in den zurückliegenden Jahren vielfach als entartet diffamiert worden war oder doch wenigstens in keinem Falle den geforderten künstleri­ schen Richtlinien der Nazis entsprochen hatte. Zu ihnen gehörten Otto Dix und Erich Heckei, Curth Georg Becker, Werner Gothein und Walter Herzger. Entscheidend für das Zustandekommen der Lovis-Presse waren dabei die freund­ schaftlichen Beziehungen zu Erich und 254 Siddi Hecke!, die mit einer schriftlichen Anfrage Gremlizas im November 1945 ihren Anfang nahmen. Die Serie von neun Einzel­ lithos und ein Holzschnitt, die alle 1948 und Anfang 1949 herauskamen -darunter so schöne Blätter wie „Mann mit Basken­ mütze“ (Selbstbildnis) oder der Mehrfarben­ druck „Birnen“ -, waren die ersten graphi­ schen Auflagendrucke Heckeis nach 1945. Gestalt nahmen sie während vieler gegensei­ tiger Besuche, vor allem in Heckeis Haus in Hemmenhofen, an -Gremliza hat diese Treffen, aber auch die Persönlichkeit Hek­ kels und seine Situation am Bodensee in sei­ nen lesenswerten „Erinnerungen“ als ein Dokument der frühen Nachkriegszeit festge­ halten. Als besonderes Problem erwies sich bei Heckei, daß man ihn allenthalben mit seinen expressionistischen Anfangen in Ver­ bindung brachte und seine seitherige Ent­ wicklung zu ignorieren drohte. Der Kontakt zum berühmtesten Künstler der Lovis-Presse, zu Otto Dix, ergab sich durch Vermittlung Erich Heckeis. Unter dem Datum des 24. 6.1948 erhielt Gremliza eine schwere Papprolle, und in dem beilie­ genden Brief hieß es: ,,Auf Empfehlung von Herrn Heckei übersende ich Ihnen hier vier Lithographien … Ich bitte Sie höflichst, die Blätter von Ihrem Drucker bald auf Stein abziehen zu lassen und mir die ersten Drucke zuzusenden. Nur müßte sich der Drucker mit der Bezahlung der Rechnung für die Auflage -ich denke an 30 Stück pro Blatt -noch etwas gedulden. Ich hoffe, daß ich Ihnen nicht zu viel Mühe mit der Sache mache. Der Drucker erhält selbstverständ­ lich ein handsigniertes Exemplar pro Blatt. Mit besten Grüßen Ihr ergebener Otto Dix.“ Trotz aller Bedenken und Schwierigkeiten gelang der Probedruck so gut, daß Dix statt des erwarteten Urteils gleich wieder eine dicke Rolle mit Umdrucklithos schickte, und im Begleitschreiben stand diesmal: „Bitte erschrecken Sie nicht … aber wenn ich am Schweißtuch bin, bin ich dies ein hal­ bes Jahr mit Fanatismus und dann 10 Jahre überhaupt nicht mehr … „. Schweißtuch der

Zirkus am Untersee. Ölkreide: Werner Gothein Veronika“ war eines dieser Blätter betitelt – doch der Begriff war wohl eher im übertrage­ nen Sinn zu verstehen, denn Gremliza schrieb in seinen „Erinnerungen“ über die Zusammenarbeit mit dem Künstler: ,,Un­ glaublich, was Otto Dix in dieser kurzen Zeit schuf. Es gab kaum Fehldrucke, und jedes Blatt erwies sich als gleich stark und tech­ nisch von Mal zu Mal interessanter. Alles in Otto Dix Aufgestaute kam jetzt, angeregt durch die Druck-Möglichkeit zum Durch­ bruch mit ‚Fanatismus‘. Unsere weitere 255

Zusammenarbeit gestaltete sich immer pro­ duktiver.Jetzt lagen Auflagen da, was für Dix nach all den Jahren der Verfolgung eine Art Befreiung war, nicht zuletzt Ansporn für wei­ tere Grafiken“. In der Tat belegt auch der Katalog der Lovis-Presse diese Besessenheit Dix‘, weist er doch trotz der kurzen Spanne der Zusammenarbeit für keinen Künstler mehr Nummern auf als für ihn -27 insge­ samt, darunter oft abgedruckte Selbstpor­ träts, das „Mädchen mit Sonnenblume“ oder den „Dackel des Künstlers“. Zu den eigenartigsten Künstlerpersön­ lichkeiten der damaligen Zeit gehörte Wer­ ner Gothein aus Unteruhldingen, ehemals Meisterschüler E. L. Kirchners und „gewief­ ter Holzschneider“ (Gremliza}, der die aus­ gefeiltesten Techniken souverän in den Dienst der beabsichtigten Ausdruckswerte zu stellen verstand. Wie schon Dix, war auch Gothein von Heckei auf die Lovis-Presse auf­ merksam gemacht worden, und zu den ersten verwirklichten Projekten gehörte das unverkäuflich gebliebene Holzschnittbuch „Die 12 Tierkreiszeichen“ (1948). Mehr Erfolg hatten Gotheins Mappen „Die Seil­ tänzerin und ihr Clown. Eine Erzählung in Holzschnitten“ und „Der See“, letztere mit fast malerischen Druckeffekten und beide 1949 entstanden, im Urteil Gremlizas jeweils ,,Höhepunkte der Lovis-Presse.“ Zu den wenigen „einheimischen“ Künst­ lern am Bodensee gehörte der 1904 in Singen geborene Curth Georg Becker, der bis zu sei­ ner Ausbombung 1943 im Rheinland und in Berlin gelebt und gearbeitet hatte. Seine impulsive und stets offene Persönlichkeit kannte kaum technische Probleme. Von sei­ ner ersten Nachkriegsausstellung im Kon­ stanzer Wessenberghaus beeindruckt, be­ mühten sich Lovis und Maria Gremliza um eine Becker-Mappe und luden ihn nach Schwenningen zum Schneiden ein. ,,Er kam unverzüglich“, erinnert sich Gremliza. „Bestens gelaunt gingen wir anderntags an 1111 Mädchen mit Sonnenblume. Pastell.· Ollo Dix die Arbeit in der Druckerei. Bis auf das Titel­ blatt war die Mappe gedruckt. Der Titel mußte gelingen! Wir entschlossen uns, Bek­ ker ‚einzuheizen‘. In unserem Wartezim­ mer! Bullig warm, gemütlich eingerichtet, französische Getränke als Stimulanzien bereitgestellt -alten Cognac liebte Becker sehr, Rotwein mehr zum Hinunterspülen – ging er in Klausur, wohl oder übel. Es dauerte nicht lange und die Titelschrift saß im Holz­ stock … „. Ende 1948 erschien sein Mappen­ werk mit zehn Originalholzschnitten. ,,Eidechse“, ,,Ochsenkopf“, ,,Kunstreite­ rin“, ,,Vogel im Holunder“, ,,Liegende“ und „Schlittschuhläufer“ – dies die Titel der meist nur in drei bis fünf Exemplaren gedruckten Schnitte Walter Herzgers, dessen armselige Behausung in Hemmenhofen Beckers Atelier eng benachbart war, ohne daß sich die beiden persönlich viel zu sagen hatten. Gremliza erlebte den Dresdner mit einem Faible für Italienisches als den intel­ lektuellsten aller Höri-Künstler, vor dessen Urteil kaum etwas Bestand hatte. Der letzte in der Reihe der Lovis-Pressen-Künstler war Erich Kuhn, der aus Berlin stammte und zum Schwarzwald eine bis in den Ersten Weltkrieg zurückreichende Beziehung hatte. Von ihm gibt es neben dem Katalog zu seiner Ausstellung im Sommer 1949 nur das vom Stein gedruckte Plakat zu diesem Anlaß. Zu­ gleich war dies eine der letzten Unterneh­ mungen der „Städtischen Ausstellung Schwenningen am Neckar“ unter der Ägide Gremlizas: Ende 1949 gaben Lovis und Maria Gremliza „die Lovis-Presse und vieles andere Liebenswerte auf“ und verließen Schwenningen. ,,Die etablierten Strukturen des Kunstbetriebs“, schreibt Lovis Gremliza zur Begründung dieses Schrittes, ,,traten wie­ der hervor. Ihnen fühlte ich mich so wenig zugehörig“, daß sich der Arzt, alten Neigun­ gen folgend, im Orient einer langjährigen sozialmedizinischen und epidemie-präven­ tiven Tätigkeit verschrieb. Der Zeitpunkt dieser Neuorientierung indes war kaum zufällig-fiel die persönliche Entscheidung Gremlizas doch mit einer 257

wichtigen Zäsur mit weitreichenden Folgen für den gesamten Kulturbereich zusammen. 1949 war die eigentliche Besatzungszeit vor­ bei, das kurze, aber heftige Strohfeuer einer bemerkenswerten Kulturkonjunktur abge­ brannt, die Kultureuphorie in sich zusam­ mengesunken. Vorbei war es nun mit den ausverkauften Theater-und Konzertvorstel­ lungen und den vergriffenen Auflagen; das durch die allgemeine Warenknappheit ge­ schützte Kulturklima, das in den zurücklie­ genden Jahren eine untypische Nachfrage begünstigt hatte, änderte sich schlagartig mit dem Tage der Währungsreform. Die Kultur sah sich einer Demontage-Situation gegen­ über -das kulturelle Nachkriegsintermezzo war zu Ende, auch im Bereich der Kunst kam es zur Restaurierung der überkommenen Strukturen. Lovis Gremliza aber hatte sich bewußt als Außenseiter verstanden, der sein persönliches Kunstbedürfnis für eine kurze, aber wichtige Episode mit dem Bedürfnis nach einem Beitrag zum Aufbau eines neuen und demokratischen Kultuiwesens verbun- den hatte. Daß Lovis Gremliza inzwischen zu den Pionieren des Kunstbetriebs nach 1945 zählt -, daß die Lovis-Presse, zusam­ men mit der Stuttgarter Eidos-Presse die erste deutsche Handpresse nach 1945, heute bereits Geschichte ist -: beides bewies die Ausstellung „Die Lovis-Presse – Schwen­ ninger Drucke von 1947 bis 1949″, die 1988 im ehemaligen Kienzle-Uhrenmuseum Schwenningen zu sehen war und anschlie­ ßend auch nach Schwäbisch-Gmünd, Göp­ pingen und Heidenheim ging. Manfred Bosch Literatur: „Die Lovis-Presse. Schwenninger Drucke 1947-1949″ ist ein Band betitelt, der neben Originalgraphiken und Zeichnun­ gen der genannten Künstler auch die „Erinnerungen“ von Dr. Lovis Gremliza umfaßt und beim Verlag der Neuen Münchner Galerie Dr. Hiepe & Co, München, zu beziehen ist. Dokumente einer verwehenden Welt Hans Georg Müller-Hanssen 85 Jahre alt Zeichner, Maler, Grafiker Redaktion Anlaß, das im Almanach 1984, Seite 159-164, erschienene Künstlerporlriil zu vervollstiindigen. Sein 85. Geburtstag am 5. 5. 1993 ist für die Im Villinger Landratsamt trägt ein Sit­ zungszimmer seinen Namen, und im Flur reihen sich Bilder von ihm: Hans Georg Müller-Hanssen ist nicht nur in seiner Geburtsstadt Schwenningen bekannt, seine Arbeiten hängen im Schwarzwald-Baar­ Kreis in vielen Stuben und Sälen, in Amts­ zimmern und Praxen, auch in Gastwirtschaf­ ten, ein Zeichen dafür, daß die Auswahl sei­ ner Motive, die Art seiner Darstellung in weiten Kreisen geschätzt werden. ,,Ein Maler des Vertrauten“ nennt ihn der Titel eines 1990 erschienenen großformatigen Bild- 258 bands. Und genau das trifft auch zu, denn seine Schau der Dinge, vornehmlich im Schwarzwald und auf der Baar und beson­ ders im bäuerlichen Umfeld verhaftet, ist nir­ gendwo fremd, trifft immer auf das Einver­ ständnis mit seinem Publikum. Hans Georg Müller-Hanssen, der am 5.Mai 1993 sein 85. Lebensjahr vollendet hat, wuch in Schwenningen am Neckar auf und erlernte -wie sich das in jener Zeit und in einer nach dem frühen Tod des Vaters im Ersten Weltkrieg gewiß nicht mit Reichtü­ mern gesegneten Familie gehörte -einen sicheren Beruf, er wurde Mechaniker. Aber schon früh zeigten sich bei ihm und zweien seiner drei Brüder künstlerische Neigungen, die zunächst durch den Zeichenunterricht in

der Schule, dann durch Studien bei dem Schwenninger Kunstmaler Paul Götze und schließlich durch das Kopieren altdeutscher Meister in den Fürstlich Fürstenbergischen Sammlungen in Donaueschingen gefördert wurden. Skizzenbücher, Wandbilder und etliche Ölbilder sind beredte Zeugnisse aus jenen frühen Jahren. Ein glücklicher Zufall in einer sonst wenig glücklichen Zeit brachte einen Umschwung. Der Mechaniker wurde 1939, kurz vor Kriegsbeginn, für eine Bremer Werft dienst­ verpflichtet und wählte dort die Arbeit in der Nachtschicht, um tagsüber in der Nordi­ schen Kunsthochschule Bremen seine Fer­ tigkeiten im Zeichnen und in den graphi­ schen Fächern zu vervollkommnen. fn jeder freien Minute war er mit seinem Zeichen­ block unterwegs, um das allmählich im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs zerfal­ lende Bremen im Bilde festzuhalten. Eine Abkommandierung nach Danzig im letzten Kriegswinter nutzte er, diese stolze Stadt noch vor ihrer Zerstörung zu porträtieren. fn englischer Gefangenschaft – er war in den letzten Kriegstagen zum Volkssturm einge­ zogen worden – zeichnete er weiter: seine Mitgefangenen und die Situation im Lager, Offiziere der Siegermacht und immer wieder auch Kathedralen in England. Dieser Antrieb zur künstlerischen Aus­ sage sollte bestimmend bleiben für das Le­ ben des Hans Georg Müller nach der Entlas­ sung aus der Kriegsgefangenschaft. Er kehrte nicht mehr in seinen alten Beruf und an die Drehbank zurück, er begann einen neuen und bisweilen auch beschwerlichen Weg als Zeichner, Maler und Grafiker. Hätte ihm da nicht ein Mäzen, der Schwenninger Fabri­ kant Christian Maier, immer wieder mal unter die Arme gegriffen, Aufträge erteilt und Bilder angekauft, es wäre in den An­ fangsjahren wohl noch schwieriger gewesen. Aber auch ein Mäzen wußte nicht ganz genau, mit welchen Problemen sich ein noch unbekannter Künstler herumzuschlagen hatte. Darüber gibt es eine Anekdote. Chri­ stian Maier bestellte anläßlich der Konfirma- 260 tion seiner Tochter eine Zeichnung der Ein­ segnungskirche, die auch alle Mitkonfirman­ den erhalten sollten. Er bekam sie rechtzeitig geliefert, eine so schön wie die andere, und er lobte deshalb den Druck. Erst da erfuhr er, daß der Künstler mangels einer Drucker­ presse alle Zeichnungen vom Original ko­ piert hatte. Wenige Tage später ließ der Mäzen seinem Schützling eine Radierpresse in die Stube stellen, es war für den die erste und sicherlich auch wichtigste. 1949 siedelte Hans Georg Müller endgül­ tig nach Bremerhaven über, wo er nach der

Heirat mit einer Studienkollegin aus der Bre­ mer Hochschulzeit seinen Namen zu einem Doppelnamen machte, blieb aber mit seiner alten Heimat eng verbunden. „Bremerhaven ist das Vorzimmer von Schwenningen; hier bin ich in Klausur, wenn ich für dort arbeite“, sagte er. Etliche Sommer verbrachte er auf Einladung seines Mäzens in dessen Villinger Villa, zeichnete und aquarellierte Motive in Villingen, Schwenningen und Rottweil, die zu stattli­ chen Sammlungen heranwuchsen und sich heute weitgehend in städtischem Besitz befinden. Mäzen Christian Maier hat der Stadt Schwenningen am Neckar einen Teil geschenkt, die Stadt Villingen-Schwennin­ gen hat später andere Teile erworben. Aus allen Bildern – auch aus seinen viel zu wenigen Porträts und Stilleben und den großen Ölbildern – spricht Hans Georg Müller-Hanssens Gabe, ein Motiv ganz in sich aufzunehmen und in eine eigenwillige, trotz aller Schlichtheit kraftvolle und warme Bildsprache umsetzen zu können. Die abso­ lute Genauigkeit, die Zügelung der Phantasie bestimmen diese Bilder, Visionen haben bei 261

ihm keinen Raum. So ist sein Blick auch eher zurück- als vorausgewandt, und damit ent­ stehen Kunstwerke, die zugleich Doku­ mente einer schon verwehenden Welt sind. Hans Georg Müller-Hanssen steht auch als Fünfundachtzigjähriger viel in seinem Atelier, das im Untergeschoß seines Wohn­ hauses am geschäftigen Elbinger Platz in Bre­ merhaven eingerichtet ist und das kaum jemand betreten darf. Denn da ist er eigen, das geniale Stilleben hinter der Ateliertür ist Stimulans für ihn, braucht keine Betrachter. Und sehen soll im Grunde genommen auch niemand die Freude darüber, daß ihm im Alter – freilich erst da – manche Auszeich- nungen und Ehrungen, eine Reihe von Aus­ stellungen, manche Veröffentlichungen und auch ein umfangreicher Bildband gewidmet wurden und daß im Jahr seines 85. Geburts­ tags sogar ein Film entstanden ist, der seine Arbeit, sein Umfeld und ihn selbst festhält. Die angeborene und gelebte Bescheidenheit in vielen Dingen des persönlichen Daseins hat ihm von jeher Zurückhaltung in der Öffentlichkeit auferlegt, und diese Einstel­ lung wird auch deutlich, wenn er sich als „zufriedenen und glücklichen Menschen ob all dem, was ohne Verdienst und Würdigkeit auf mich zugekommen ist,“ bezeichnet. Karl Rudolf Schäfer Willi Dorn: Bildwerke, Holzdrucke Eisenfächerwerk, 1/63, 44 x 84 x 86 262

Eisendraht, 2166, 170x80x 70 263

,,Farbige Holzdrucke an den hohen, hel­ len Wänden, plastische Bildwerke rundum auf Tischen, Regalen und Podesten im Ate­ lier: Geschweißtes aus Metall und Draht, ge­ lötete Raumgebilde in Form von Kugeln und Scheiben aus Stäben und Blechen. Dann wie­ der Bildwerke, die an Gondeln erinnern, in Bronze, Holz oder modernen Kunststoffen wie Polyesterharz. Dies die Eindrücke des Besuchers, der an einem Augustnachmittag Anno 1977 im Hause 17, nahe dem neuen Schulzentrum von St. Georgen, zu Gast ist.“ So hatten wir in der 1. Almanachausgabe des Schwarzwald-Baar-Kreises (Almanach 77, Seite 28-30) das Heim von Willi Dorn vorgestellt. Ein Bildhauer, von 1946 bis 1954 als freischaffender Künstler in Villingen wir­ kend und danach in St. Georgen bis heute beheimatet. Volle 15 Jahre sind vergangen, seit wir uns mit Willi Dorn in seinem Heim in St. Geor­ gen über sein Werk und seine Herkunft un­ terhielten. Im Jahr seines fünfundsiebzigsten Geburtstages zog er Rechenschaft über sein Schaffen als Bildhauer, Architekturgestalter und Graphiker. Sie ist niedergelegt in einer kleinen Monographie, die der Künstler unter dem Titel „Bildwerke und Holzdrucke“ her­ ausbrachte. Anlaß genug für die Almanach­ redaktion, auf die zwei letzten Jahrzehnte in einer Art Postskriptum im Heimatjahrbuch 1994 noch einmal kurz einzugehen. Der Künstler selbst stellte für die neue Veröffent­ lichung aus seinem reichhaltigen und unter­ schiedlichen Bildmaterial insgesamt drei­ zehn Originalarbeiten zum Abdruck zur Verfügung. Damit wird das Bildmaterial, das im Almanach 1977 etwas zu kurz gekommen war, aus heutiger Sicht ergänzt. Mit den genannten Abbildungen, die sich vor allem auf die in den Siebziger- und Achtziger­ jahren geschaffenen Bildwerke und Holz­ drucke beziehen, wird dem einfachen Kunst­ freund ein Anschauungsmaterial an die Hand gegeben, mit dem er sich ein eigenes Bild über den Künstler machen kann. Die insgesamt dreizehn genannten Abbil­ dungen teilen sich auf in vier Farbdrucke 264 Gestaltungsskizze, 1/60 Eisendraht, 2164, 120x 120x 85

Skizze Messingdraht, 3/57, 10×38 Schauendes, 4/60, 35 x 31, Kupfer 265

Pyramiden auf Wanderschaft, 8181, 40 x 43 und neun Plastiken. Die Farbdrucke haben folgende Titel: 1) Elias 16. 3. 78; 2) Harfe 24. 3. 75; 3) Oben und Unten 7. 7. 81; 4) Py­ ramiden auf Wanderschaft 22. 8. 81. Die ge- nannten Arbeiten fallen mithin in die Jahre 1975 bis 1981, in denen der Bildhauer vorwie­ gend als graphischer oder auch farbiger Gestalter tätig war. ,,Im Drucken mit farbig 266

Elias, 3178, 43 x 41 präparierten Holzplatten eröffnete sich mir ein reiches Spektrum neuer Möglichkeiten, die über ein Jahrzehnt hinaus mein Schaffen erweitert und bereichert haben“, so Willi Dorn über die Bedeutung und den besonde­ ren Charakter der Farbdrucke im Rahmen seines Gesamtschaffens. Erst in den Achtzigerjahren ist der Künst-267

Oben und Unten, 7/81, 40×40,5 ler dann wieder zu seinem eigentlichen Arbeitsgebiet als Bildhauer zurückgekehrt. So entstanden nun wieder Skulpturen, in Bronze gegossen, ein Zyklus von Formen, 268 jede für sich selbständig, jedoch untereinan­ der korrespondierend. Ab chließend noch einmal ein Hinweis auf die bereits genannte Monographie vom

Haife, 3175, 40,5 x 40,5 Jahre 1991. Sie bringt kurze Angaben des Künstlers über seine Ausstellungen aus dem Zeitraum 1954 bis 1977, über Aufträge im kirchlichen und öffentlichen Raum aus den Jahren 1951 bis 1984, ferner knappe biogra­ phische Daten sowie kurze Texte (bzw. Bild­ unterschriften) zu dem veröffentlichten Bildmaterial. ,,Im Rückblick auf die Vergan- 269

Dynamisches Pulsieren, 2/87, Bronze, 34 x 23 x 19 Bronze, Tor, 5187, 24x20xl9 270

Pyramiden auf Wanderschaft, 2179, Bronze, 25 x 52 x 52 genheit, das vielfältige Leben, auf die Anfange meines bildnerischen Arbeitens und das Kennenlernen der Weiten und Tie­ fen der Erfahrungs- und Gestaltungswelt: Nicht das Bestehende, das immer sich Erneuernde, sich Wandelnde ist die Regel. Der Kreis schreibt sich fort in spiralen Bewe­ gungen und endlosen Raumlineaturen. Bei allem hingebungsvollen Gestalten ist die Arbeit vom inspirativen Erkennen getragen. Eine erweiterte Erlebniswelt tut sich auf. Es ist eine transformierte Bilderwelt, die im schöpferischen Denken neue Gestalt an­ Dr. Lorenz Honold nimmt.“ Qu e l l e n u n d L i t e r a t u r: Willi Dorn: Bildwerke, Holzdrucke; 1991 erschienen zum 75. Geburtstag des Her­ ausgebers. Lorenz Honold: Vom Allgäu in den Schwarzwald/ Bei dem Bildhauer Willi Dorn in St. Georgen zu Gast. Almanach 77, Heimatjahrbuch des Schwarzwald­ Baar-Kreises, Seite 28 bis 30. 271

— Werner Klein Der Meister des prägnanten Strichs und der hintergründigen Symbolik An schönen Sommertagen kann man ihn oft draußen in der freien Natur auf einem lederbespannten Dreifußhocker nach Art der Jäger sitzen sehen, den Malkasten mit den fein säuberlich nach Farbtönen geordne­ ten und gespitzten Buntstiften vor sich auf dem Aquarelliertisch ausgebreitet, den breit­ krempigen Strohhut tief ins Gesicht gezo­ gen, in der linken Hand den Skizzenblock haltend, während die rechte mit markigen Bewegungen über das Papier zuckt und sich � Schritt für Schritt an das bereits als fertiges Ganzes vor dem geistigen Auge stehende Bild !: Obere Leimgrube bei Furtwangen Bild herantastet, das sich zwar noch immer als Naturmotiv vor dem unbefangenen Auge des Betrachters darbietet, das aber schon Naturnicht mehr ist, sondern bereits auf selt­ same Art durch die Kunst verwandelt scheint. Werner Klein, von Beruflngenieur, seiner Berufung nach doch wohl eher Künstler: wer ist er? Ein Freizeitmaler, ein Amateur, wie viele andere in seinen Mußestunden damit beschäftigt, durch Kunst sein Dasein zu überhöhen und ein Gegengewicht gegen die nüchterne Welt der Technik und die „Banali­ tät des Lebens“ zu schaffen? Andererseits Realist genug, um durch die Ausübung eines technischen Berufs der Sorge enthoben zu sein, ,,nach Brot gehen“ zu müssen? Suchen wir zunächst eine Antwort in der Biographie: 1926 in Furtwangen geboren, Ausbildung in den verschiedensten Zeichen­ und Maitechniken bei dem an der ehemali­ gen Schnitzereischule tätigen Fachlehrer J. Rommel, 1949 dann Aufnahme in die zeich­ nerische Meisterklasse Prof. Hubbuchs an der Karlsruher Kunstakademie, 1952 Inge­ nieurstudium, danach in der Industrie in ver­ schiedenen Funktionen tätig; seit 1963 auf einem runden Dutzend regionaler Ausstel­ lungen vertreten, darunter 1987 und 1988 im Musee Bartholdi in Colmar; 1988 und 1989 Bild 3: Säge im Wildgutachta/ .. _ – “::f;- Bild 2: Leibgedinghäuschen im Katzemteig bei Furtwangen 272

Schwerpunkt liegt wohl zur Zeit eindeutig auf dem zeichnerischen Werk. Immer wie­ derkehrende Motive sind Landschaften, Architektur, Städte- und Dorfansichten, aber auch gelegentlich Porträts. Geschätztes Gesamtreuvre ca. 800 Blätter, von denen eine ganze Reihe in privater Hand sind. Ein besonderer Förderer seiner künstlerischen Arbeiten und echter Mäzen war z. B. der früh verstorbene Industrielle Dieter Gräßlin in St. Georgen. Als prägend erwies sich auch die Freundschaft mit den Malerkollegen Wil­ helm Kimmich (gest. 1987 in Fohrenbühl/ Lauterbach) und Ernst Ganter (gest. anfangs 1991), Furtwangen, mit denen W. Klein in jüngeren Jahren oft gemeinsame Maistreif­ züge durch die Lande unternahm und die vor allem das zeichnerische Talent des Inge­ nieurs schätzten. In der Tat lassen Motiverfassung, Bildaus­ schnitt und Bildkomposition nicht nur den klar ordnenden Blick des Meisters für das Wesentliche erkennen, sondern verraten ebenso einen ausgeprägten Sinn für Eben- Bild 5: Martinskapelle bei Furtwangen Bild 4: Elzquelle am Rohrhardsberg bei Schonach auch in verschiedenen Pariser Galerien und in Norddeutschland (Iserlohn, Unna) ausge­ stellt, lebt seit vielen Jahren in Neustadt/ Schwarzwald, malt gegenständlich, bevor­ zugte Techniken: Aquarellieren, Farbstift­ skizzen, aber auch Ölbilder, ferner: Feder­ und Bleistiftzeichnungen und nicht zuletzt Radierungen, welche er auch selbst druckt. 273

können, wenn sie vom Bildkontext zwin­ gend gefordert werden. Man mag die konventionelle Technik der Darstellung, den gegenständlichen Realis­ mus im Ansatz als verfehlt, als überholt emp- Bifd 7: Rathausgasse in Villingen Bild 6: Blindensee maß, Harmonie. Werner Kleins Bilder ver­ stören nicht, sie sind keine Innenansichten eines chaotischen Ichs, keine exaltierten See­ lenlandschaften eines Exzentrikers, sondern real gesehene, im schöpferisch prägnanten Augenblick erfaßte und durch das Medium einer in 40 Jahren ausgereiften Technik wie­ dergegebene Wirklichkeitsausschnitte. Dabei ist Werner Kleins Verhältnis zum gesehenen Detail alles andere als naiv: er kopiert nicht, sondern „komponiert“, d. h. er ordnet die Einzelelemente einer Landschaft so, daß sie zum Träger einer Stimmung, einer seelischen Schwingung werden, er stellt sie unter das Gesetz einer künstlerischen Aus­ sage und unterwirft sie einem ästhetischen Formzwang. Was dagegen nicht in das fertige Bildkon­ zept, in den geistigen Entwurf hineinpaßt, wird ebenso unerbittlich weggelassen, ,,aus­ gespart“, wie auch umgekehrt real nicht vor­ handene Motivelemente neu hinzutreten 274

finden – platt wirkt er nirgends oder gar ver­ niedlichend, verharmlosend; auch nicht etwa idealisierend, oder gar idyllisierend und damit unwahr. Werner Klein seinerseits ficht der wohl oft gegen ihn vorgebrachte Vor­ wurf, seine Kunst wurzele im 19.Jahrhundert oder womöglich gar früher, und sei deshalb epigonal, kaum an. In einer Zeit des Stilplu­ ralismus, in der es oft gar nicht mehr auf solide handwerkliche Technik, aufs Können ankomme, sondern in der mehr der kalku­ lierte Effekt, das originelle Strickmuster, der schrille Ausdruck, die modische Attitüde Hochkonjunktur hätten, setzt er, anachroni­ stisch genug, um gegen den Strom zu schwimmen, und mit echt Schwarzwälder Eigensinn auf die Werte der Tradition, auf reelles Handwerk, auf Durchsichtigkeit in der Wahl seiner künstlerischen Mittel und damit auf Nachvollziehbarkeit von seiten des Betrachters. Kunst ist für ihn ein kom­ munikativer Akt, eine Art stillschweigendes Einvernehmen zwischen Künstler und Be­ trachter. Betrachten wir einige seiner Federzeich­ nungen von heimischen Motiven Bild Nr. l: „Obere Leimgrube bei Furtwangen“. Mit sparsamen, aber prägnant gesetzten Bildge­ sten wird hier eine typische Schwarzwälder Winterlandschaft „inszeniert“: zeichenhaft erscheint zuerst rechts im Vordergrund ein von kahlem Buschwerk umstandener Wei­ her, ein mit Pfählen markierter Feldweg führt das Auge des Betrachters in eleganten Schlei­ fen zu dem wie entrückt in der Weite des Hochplateaus stehenden Bauernhof mit dem charakteristischen, wie ein Schutzschild heruntergezogenen Dach, dahinter stößt ein halb unter Schnee begrabenes dunkles Wald­ dreieck bis in die rechte Bildhälfte vor, und über das Ganze spannt sich ein tiefhängen­ der bleierner Wolkenhimmel, der den Ein­ druck von winterlicher Trostlosigkeit und Verlassenheit noch verstärkt. Das zweite Bild zeigt in klassischer Kom­ position ein uraltes Bauernhaus in seiner stolzen Erhabenheit inmitten einer wohlge­ ordneten, vom Menschen domestizierten Bild 8: Hoftorbogen Altstadt Villingen Natur, selbst die sich über den Höhenrücken hinziehenden Tannen stehen wie dienbare Geister im Halbrund; Bild Nr. 3, das reich gegliederte Innere eines Sägewerks in Wild­ gutach darstellend, könnte als Buchillustra­ tion dienen, während die wie von weit her aus einer Waldlichtung hervortretende und sich als munteres Bächlein durch freies Wie­ sengelände dahinschlängelnde junge Elz (Abb. 4) ganz zum lyrischen Stimmungsträ­ ger eines durch und durch romantischen Naturgefühls geworden scheint. Säkulari­ siertes Naturgefühl auch auf Abb. 5: die Mar­ tinskapelle inmitten der schönsten Waldan­ dacht, talwärts umstanden von den in ehr­ fürchtiger Anbetung zurückweichenden Tannen, gegen den Höhenzug und die Wet­ terseite dagegen eng abgeschirmt wie zum Schutz gegen die entfesselten Naturdämo­ nen. Ganz in der Tradition der romanti­ schen, symbolhaft verdichteten Naturdar­ stellung steht Abb. 6: die fast ins Mythische 275

spektivischen Tiefenwirkung handelt (Abb. 7) oder um den überraschenden Blick durch einen Torbogen hindurch auf einen Erker mit seinen dunklen, geheimnisvollen But­ zenscheiben (Abb. 8), ob ein Stück Altstadt im Wirrwarr der architektonischen Linien alter Hinterhoffassaden wiederersteht (Abb. 9) oder das von Alterspatina gezeichnete obere Stadttor mit den rechts und links fort­ laufenden Häuserfronten von der Geschlos­ senheit der mittelalterlichen Stadt kündet (Abb. 10) – immer geht es Werner Klein um die plastische Herausarbeitung des „genius loci“, um atmosphärische Verdichtung eines Augenblicks, was ihm vielleicht am überzeu­ gendsten gelungen ist in der wie flüchtig hin­ geworfenen Skizze eines „lauschigen Eck­ chens“ an der von einem Torbogen durch­ brochenen und von hohen, schlanken Park­ bäumen überragten Stadtmauer (Abb. 11), aus der uns die abgelebte Trauer von Jahr­ hunderten entgegenweht. Werner Klein aber auf diese wenigen Bei­ spiele seiner darstellerischen Kunst festlegen Bild 9: Häusergruppe in der Altstadt von Villi11ge11 gesteigerte Darstellung des Blindensees als eines magischen Naturauges, dem der Nim­ bus des sagenumwobenen verwunschenen Ortes anhaftet. Daneben treten gleichzeitig die Stadtan­ sichten von Villingen, die ebenso einen aus­ geprägten Sinn fürs charakteristische Detail offenbaren. Ob es sich dabei um die Ansicht der Rathausgasse mit ihrer raffinierten per- Bild 10: Oberes Stadllor in Villingcn 276

Ein anderer Winter Nachts hatte Schnee alle Grenzen und vertrauten Zeichen gelöscht – Ein Morgen ohne Spuren: Gäbe es sie, dann liefen sie im Kreis um eine rote Mitte – Zwittermorgen, Niemandserde und -himmel in ur-oder endzeitlicher Kälte: Science-fiction der umgekehrten Perspektive: Aus entrückter Ikone sucht ein Blick den Fluchtpunkt Herz — In schon verbrannter Zeitung war zu lesen, daß seit fünfzig Jahren -eher länger – niemand mehr hinzugelernt hat. Ich kroch zurück, kroch in den Iglu der Jugend, wo sich Kinder im Eisblumengarten an der Zukunft wärmten: Suchzeit für neue Metaphern des Verborgenen. Nach dem Föhn zeichnete Licht die Rückkehr des Anschaulichen: Wiederholungen feuchtschwarzen Abraums über keimenden Fragen – Wochenlang blieb ein Schneerest am Waldsaum und für immer in meinem Haar. Jürgen Henckell 277 Bild 11: An der Stadtmauer in Villingen zu wollen, hieße, ihn als heimischen Genre­ maler -der er freilich auch ist -zu verken­ nen. Heimatliebe, Heimatverbundenheit sind nur eine Facette seines künstlerischen Schaffens. Werner Klein zieht es ebenso sehr in die „weite Welt“ hinaus: die Dolomiten hat er beispielsweise skizzierend durchwan­ dert, den Tessin malerisch „erschlossen“, Reisen unternommen nach Dänemark, Eng­ land, Schottland, Österreich bis in die Wachau -und immer wieder nach Frank­ reich. Hier ist es insbesondere der Süden, die Provence -wie könnte es für einen Maler denn anders sein! -, die es ihm „angetan“ hat. Dreimal hat er in dem Mittelmeerstädt­ chen Frejus (verschwistert mit Triberg) an den „Cimaises ouvertes“ (eine Art Maiwett­ bewerb mit lokalen Themen) teilgenommen und jedesmal auf Anhieb einen Ehrenpreis gewonnen. Die Reise als große Metapher für sein Leben, was bedeutet sie anderes als jedesmal „Aufbruch“, ,,auf der ,,Unrast“, Suche sein“, ,,sich bemühen um ein Ziel“. Und Dämme bauen gegen die unerträgliche Flüchtigkeit des Seins -durch die Kunst! JosefMeiert

Brauchtum, Volkskunde 150 Jahre Hüfinger Fronleichnams-Blumenteppiche Die weit bekannte Fronleiclmamsprozession in Hiifingen wurde im Almanach 1981, Seite 20-22, erstmals vorgestellt. Das runde Jubiläum nimmt die Redaktion gerne zum Anlaß, das Thema wieder aufzugreifen und den nachhaltigen Eindruck vor allem auch in Bildern festzuhalten. Ein Jubiläum ganz besonderer Art feierte die Baarstadt Hüfingen mit ihrem Fronleich­ namsfest am 18. Juni 1992. Vor 150 Jahren hatte ein Sohn der Stadt -der Bildhauer FranzXaver Reich-1842 vor seinem Haus in Hüfingen einen kunstvollen Teppich aus Blüten gelegt. Die Idee hierzu hatte er von einer Italienreise mitgebracht. Wohl kaum hatte er sich damals träumen lassen, daß er für sein Tun nicht nur seine Mitbürger damals begeistern würde, sondern diese Kreativität zum „Herrgottstag“, wie der Fronleichnamstag durch die Hüfinger be­ zeichnet wird, zur Tradition werden wird, die 150 Jahre unvermindert nicht nur weiterge­ führt, sondern zu einer fast künstlerischen Tätigkeit entwickelt wurde. Zwischen Landesheim-Tor im Süden und der Stadtkirche St. Verena im Norden erstreckt sich beidseitig ein 1,80 m breiter Teppich aus Blüten in durchgehend 700 Meter Länge, der seitlich eingefaßt ist von hellgrünem Farn. Schon lange vordem Fron­ leichnamstag schwärmen die chulklassen aus in die Fluren in und um die Stadt, um die Millionen hierzu notwendigen Wiesenblu­ men zu sammeln. Unzählige Bürger, jung und alt, ebenso Gruppen, die sich aus zahl­ reichen Vereinen der Stadt bilden, sammeln viele Hunderte Körbe Blüten von Margeri­ ten, Lupinen, Ackersenf, Butterbollen, Bluts­ tröpfchen, Teufelskrallen, Knöterich, Ska­ biosen, Wiesensalbei, Ginster, Klee und andere, die mit ihrer Farbenvielfalt eine wun­ dersame Harmonie bilden, wenn sie mit Ein­ fühlsamkeit aneinandergereiht werden zu Ornamenten und Bildern. Hierbei würden die intensiven Farben von Gartenblumen störend wirken. Das Sammelgut wird in küh­ len Kellern von Bürgern gelagert bis zum Morgen des Feiertags, wenn sich erste Tag­ helle zagha� ankündigt. Nur jene, die diese ungewöhnliche Atmosphäre schon erlebten, wenn auf der Strecke vor den Häusern der Hauptstraße, die sonst vom brausenden Ver­ kehr geprägt wird, die Menschen kniend auf dem Asphalt und den Pflastersteinen in Gemeinsamkeit das einmalige Bild zur Ehre 278

Gottes schaffen, kennt die Ergriffenheit, von der alle erfaßt werden. Sobald Helle anbricht, stellen sich erste Besucher ein. Die Schablonen werden für ein Jahr fortgeräumt, die Maien an den Häusern festgezurrt und die Behälter, die nun leer sind, verstaut. Fast andächtig stehen die, die eben noch werkel­ ten, vor ihrem Ergebnis und bestaunen das des Nachbarn und der andern, die gleichfalls ihr Werk vollbrachten. Nur dem Priester mit dem Allerheiligsten ist es vorbehalten, in der 280 Prozession über den Blütenteppich zu schreiten. An vier stets an gleicher Stelle errichteten Altären ist Haltestation und wird der Segen erteilt. Die Stadt ist Anziehungs­ punkt vieler Fremder, die staunen und bewundern. Die Kirche hat deshalb die Pro­ zession früher anberaumt, damit nicht allzu viel Umtrieb die Andacht stört und ein gemeinsames Gebet möglich ist. Längst vor­ her haben die Fotografen die Gunst der Mor­ genstunde genutzt, um die Blütenpracht auf

ihren Film zu bannen. Mittlerweile bewegt sich der Prozessionszug auf seinem Rückweg zur Stadtkirche, angeführt von den Musi­ kern der Stadtmusik, die ebenfalls eine lange Tradition und Geschichte ihr eigen nennen darf. Kommunionkinder in festlicher Klei­ dung, Ministranten, die Mannen der Bürger­ wehr und viele Trachtenträger geben ein buntes Bild in einem langen Zug voller Andacht, den Worten des Sprechers Rudolf Stern aus dem Lautsprecher lauschend. Feierliches Geläut empfangt die Prozessions­ teilnehmer bei Ankunft am Gotteshaus. Jubelnder Orgelklang stimmt ein zum feier­ lichen Hochamt, in deren Mittelpunkt die Mozart’sche Krönungsmesse aufgeführt wird. Der Blütenteppich gehört nun den tau­ senden von Besuchern, deren Strom bis zum späten Nachmittag nicht abreißen wird. Die einheimischen Bürger müssen erklären, wie besonders schöne Bilddarstellungen vor einigen Bürgerhäusern entstanden sind. Zu 281

manchen von ihnen müssen die Blumen­ sucher oftmals weite Wege bis in den Süd­ schwarzwald unternehmen. Besonders kon­ turenreiche Darstellungen und Heiligenge- 282 sichter werden auf Papier entworfen und ein­ zelne Blüten aufgeklebt. Vor ihnen sammeln sich dann große Menschentrauben, und das Volkskunstwerk wird oftmals gründlich

untersucht. Und wenn in der Vergangenheit der Jahre die Frage aufgetreten war, ob diese Darstellung des speziellen Hüfinger Kir­ chentages noch zeitgemäß ist, so waren es doch immer stets die Bürger selbst, die in die Bresche sprangen, wenn ein Haus nicht genügend Helfer hatte, um für seinen erwar­ teten Teppich die vielen Blüten zu sammeln. So sind es inzwischen einige der Teilstücke, die deswegen in die Patenschaft von Verei­ nen übergegangen sind, um mit dem Brauch- turn, das jetzt seit 150 Jahren besteht, nicht ein Ende machen zu müssen. Das sind sie ihrem Gemeinschaftsgeist schuldig und dem Mann, der diesen Brauch von seiner Stu­ dienfahrt nach Portici bei Neapel durch das Stipendium des Fürstenhauses an den da­ mals 26jährigen auf die rauhe Baar brachte in seine Heimatstadt, wo die Farben der Wie­ sen- und Feldblumen ihre ganz eigenen Reize entfalten. Isolde Weidenbach 283

Das Sinkinger Backhaus Ein alter Brauch wird wieder lebendig Zu einer Attraktion ganz besonderer Art hat sich das auf Initiative von Bürgermeister Otto Sieber 1983/84 renovierte und am 11. April 1984 offiziell eröffnete Sinkinger Back­ haus entwickelt. Dort können die Besucher miterleben, wie zu Großmutters und Ur­ großmutters Zeiten mit großer körperlicher Anstrengung und mit einfachsten Mitteln herrlich mundendes Brot gebacken wurde. Möglich ist dies jedoch nur, weil sich Fisch­ bacher Bürger für dieses Backhaus und damit für das Gemeinwohl engagiert haben. Namentlich muß man hier die Ehepaare Walter und Eisa Müller und Konrad und Hedwig Dorfmeister erwähnen. Walter Mül­ ler, der Eigentümer des Backhauses, hat sich bereit erklärt, das historische, 300 Jahre alte Häuschen zur Verfügung zu stellen und hat das idyllisch gelegene Gebäude für 15 Jahre Das Sinkinger Backhaus, 1664 erbaut, von außen unentgeltlich an die Gemeinde Nieder­ eschach verpachtet. Im Gegenzug hierzu hat die Gemeinde die anfallenden Renovie­ rungskosten in Höhe von 20 400 Mark über­ nommen, wobei aus dem Dorfentwicklungs­ programm Fördermittel in Höhe von rund 6 000 Mark zur Verfügung standen. Daß die Umbau- und Renovierungsko­ sten so gering gehalten werden konnten, war das Verdienst von Konrad Dorfmeister. Der handwerklich begabte Fischbacher Bürger hat unzählige, ehrenamtliche Arbeitsstun­ den geleistet. Er machte die Natursteinmau­ ern wieder sichtbar, baute den Backofen um, mauerte ihn neu aus, legte einen Naturstein­ boden an, versah den Backofenteil mit origi­ nalgetreuen Biberschwanzziegeln, und noch heute ist er stets zur Stelle, wenn es gilt, etwas am Back11aus zu reparieren oder, wie einmal 284

Eisa Müller (rechts) und Hedwig Doifmeister (links) beim Kneten der riesigen Teigmasse jährlich notwendig, den Kamin „auszustrei­ chen“. Mit Leben erfüllt wird das Backhaus aber durch Hedwig Dorfmeister und Eisa Müller. Sie sorgen dafür, daß der Backhausbetrieb reibungslos funktioniert, betreuen die vielen Besucher, backen an den monatlichen Back­ terminen die Brote oder fertigen zu Demon­ strationzwecken nach historischen Rezepten den Teig. Ursprünglich war das Sinkinger Backhaus als Dienstleistungsangebot für Einheimische und als Fremdenverkehrsattraktion mit nostalgischem Charakter geplant. Zwischen­ zeitlich hat sich das Backhaus aber zu einem stark frequentierten Anziehungspunkt für eine Vielzahl von Interessenten entwickelt. Ganze Gruppen mieten das Backhaus, um es sich einmal bei Most und frischem Brot gemütlich zu machen und zünftig zu vespern, wobei diese Aktivitäten keinesfalls als Konkurrenz zur Gastronomie angesehen werden können, sondern als attraktives Fremdenverkehrsangebot eingestuft werden müssen. Gleiches gilt für die herrlichen Brote, wel­ che bei den monatlichen Backtagen den Ofen verlassen. Nur wer den Teig selbst fer­ tigt und backofengerecht anliefert, kann in den Genuß eines echten Bauernbrotes kom­ men, denn, um den Bäckereien keine Kon­ kurrenz zu machen, wird kein Brot aus Eigenproduktion verkauft. Interessant ist das Backhaus vor allen Dingen auch für Schulklassen. Aus allen Teilen des Schwarzwald-Baar-Kreises kom­ men Schulklassen und lassen sich unter Anleitung von Hedwig Dorfmeister und Eisa Müller zeigen, wie man früher Brot gebacken hat. Klar, daß die Schüler und 285

pause, wenn sie glatt von der Hand geht und Blasen wirft. Mit 24 grob gespaltenen Holzscheiten wird nebenbei noch der riesige Backofen vorgewärmt und vor dem „Einschießen“ der zuvor von der Teigmulde in die Körbchen abgefüllten Teigballen gereinigt. 240 Grad heiß ist der Ofen, wenn die Brote hineinge­ schoben werden. Das reicht aus, um dafür zu sorgen, daß nach rund einer Stunde Backzeit herrlich duftende Bauernbrote zum Vor­ schein kommen. Nicht nur für die Schüler und Lehrer ist dies stets ein Erlebnis ganz besonderer Art. Auch Hedwig Dorfmeister und Eisa Müller freuen sich immer wieder, wenn die vorzüglich mundenden und duf­ tenden Brote an die staunenden Kinder ver­ teilt werden können. Für sie ist die Betreuung des Sinkinger Backhauses längst zum Hobby und Stek- „Einschiefsen“ bedeutet der Vorgang, wenn die Teigmassen von den Teigkörbchen in den vorge­ wärmten Ofen portionsgerecht hineingeschoben werden In zahlreichen Backkörbchen wird der Teig zum „Einschiefsen“ bereitgestellt Lehrer dabei selbst kräftig mitarbeiten müs­ sen, ehe man den Lohn in Form von herrlich duftenden Broten aus dem Backofen ziehen kann. Daß die Schulen für diesen prakti­ schen Unterricht einen Unkostenbeitrag erbringen müssen, versteht sich von selbst, denn, um den Backhausbetrieb sicherzustel­ len, sind allerhand Arbeitsstunden bereits im Vorfeld zu leisten. So gilt es, das Holz zum Heizen des Backofens bereitzustellen, Reiswellen müssen vorhanden sein, und bevor der Teig kräftig geknetet werden kann, muß er sich als „Vorteig“ während einer notwendigen nächtlichen „Aufpluste­ rungsphase“ noch mächtig ausdehnen. Zu zweit kneten Eisa Müller und Hedwig Dorf­ meister dabei eine Stunde lang die Teig­ ballen, die mit 50 Pfund Mehl, 625 Gramm Salz, 12 Hefewürfcln und 15 Liter Wasser versehen sind. Die schwere Teigmasse ist erst reif für die weitere zweistündige Ruhe- 286

kenpferd geworden. Mit Leib und Seele sind sie bei der Sache, wobei beide froh sind, daß sich die Backtermine nur auf die einheimi­ sche Bevölkerung aus der Gesamtgemeinde beschränken. Die Nachfrage ist zwischen­ zeitlich so groß, daß sie die Arbeit gar nicht mehr bewältigen könnten, wenn auch Aus- . wärtige im gleichen Umfang wie Einheimi­ sche und Fremdenverkehrsgäste das Back­ haus nutzen könnten. Bei den Schulklassen macht man da natürlich gerne eine Aus­ nahme, obwohl gerade diese Arbeit, immer­ hin dauert es fünf Stunden vom Teigen bis zur Fertigstellung der Brote, recht anstren­ gend ist. Doch die lernbegierigen Schülerin­ nen und Schüler wissen es den beiden Frauen stets zu danken, wie mehrere „Dan­ kesurkunden“ deutlich beweisen. Auch der Fremdenverkehrsverein weiß längst um die Anziehungskraft des Backhauses und führt einmal im Jahr ein zünftiges Backhausfest in Fischbach-Sinkingen durch. Dies ist ein schönes Beispiel, wie ein alter Brauch wieder lebendig werden kann. Albert Bantle Knusprig kommen die fertigen, duftenden Brote nach der Backzeit ans Tageslicht Die neue Mühle in Mühlhausen Ein Beispiel für Brauchtumspflege Wann Mühlhausen genau gegründet wurde, ist unbekannt. Der Schluß, daß die günstige Lage an einem Wasserlauf für die Namensgebung ausschlaggebend und die Voraussetzung war, um eine Mühle zu betreiben, ist sicherlich nicht falsch. Der letzte Müller von Mühlhausen, Karl Klin­ gele, gab 1972 seinen Betrieb auf. Ausschlag­ gebend dafür war einerseits die Umstruktu­ rierung der Landwirtschaft, andererseits aber auch der Anreiz des Staates, bei Stillegung von kleinen Mühlen eine Prämie zu erhal­ ten. Bald nach der Stillegung wurde das Was­ serrecht abgetreten und der vorhandene Mühleweiher, der bisher von einem Neben­ kanal des Mühlbachs gespeist wurde, zuge­ schüttet. Jahrhundertealte Traditionen fan­ den damit ein Ende. Nun wuchsen seit Anfang der 70er Jahre, zeitgleich mit der Eingemeindung nach Schwenningen, auch erste Ansätze, um die Entfremdung und Verstädterung des damals noch intakten Dorfes zu verhindern. Es gelang einer Bürgerinitiative, die zum Abbruch bestimmte „Zehntscheuer“ zu erhalten. Auch das „Alte Pfarrhaus“ fand so seinen „Retter“. Durch den Erfolg der 800,:Jahrfeier im Jahr 1979 beflügelt, gelang es schließlich, funktionstragende Gebäude, die im Dorf am Mühlbach schon länger abgegangen waren, wieder zu errichten. So entstand 1980 das Backhaus und in den folgenden Jahren die Schmiede, das Göpelhaus – es dient heute als örtliche Festhalle – und die Moste, in der die Sparkasse Villingen-Schwenningen die 287

kleinste gewerbliche Zweigstelle Deutsch­ lands unterhält (vgl. Almanach 80, S. 146 ff und Almanach 84, S. 202 ff.). 1982 ging aus der bis dahin losen Bürger­ initiative der eingetragene Verein „Freundes­ kreis Dorf Mühlhausen“ hervor. Seit 1986 beschäftigte sich dieser Verein intensiv mit dem Ziel, eine funktionsfähige Mühle zu errichten. Im Mai 1989 fanden schließli h erste Gespräche mit Vertretern des Landwirt­ schaftsministeriums, des Regierungspräsi­ diums und der Stadt Villingen-Schwennin­ gen über die Errichtung einer Mühle statt. Dabei wurde ein Zuschuß aus dem Dorfent­ wicklungsprogramm für Gebäude und Außenanlagen in Höhe von 250 000,-DM festgeschrieben. Freundeskreis-Architekt Helfried lrslinger, der bereits die anderen Gebäude geplant hatte, erhielt danach den Auftrag von der Stadt, eine genaue Planung des Gebäudes mit Kostenermittlung zu erstellen. 288 Das Städtische Tiefbauamt erstellte die Pläne für den zu bauenden Mühleweiher und besorgte mit Unterstützung von Freun­ deskreismitgliedern die wasserrechtliche Ge­ nehmigung. Nach Hochrechnung der Gesamtkosten von Mühle und Außenanlagen ergab sich die Summe von annähernd einer Million Mark -ohne Innenausbau. In Anbetracht der bisher erbrachten Lei­ stungen des Freundeskreises zeigte die Stadt Villingen-Schwenningen Bereitschaft, die Bauherrschaft zu übernehmen. Im Haus­ haltsplan 1991 und 1992 wurden insgesamt 450 000 DM für das Projekt Mühle bereitge­ stellt. Der Freundeskreis selbst stellte rund 200 000 DM an Barmitteln und seine Eigen­ leistung in Aussicht. Im Frühjahr 1991 konnten die Rohbau­ arbeiten beginnen. Schon in den großen Ferien im selben Jahr führten Mitglieder des Freundeskrei es die Dachdeckerarbeiten

aus. Vetwendet wurden dabei alte „Biber­ schwanzziegel“, die bei Hausumdeckungen oder Abbrüchen besorgt und aufLager gelegt wurden. Bis zum April 1992 waren Sanitär- und Fliesenarbeiten ausgeführt. Auch die Elek­ troanlagen waren installiert, soweit sie zur Vergabe gekommen waren. Einen Teil dieser Arbeiten hatte ein Mitglied des Freundes­ kreises kostenlos durchgeführt. Auch die Gipserarbeiten im Innern des Gebäudes fan­ den bis dahin ihren Abschluß. Die Treppen im Wohnbereich waren mit den Zimmer­ arbeiten vergeben. Schließlich wurden im Frühjahr 1992 die Fenster eingesetzt. Noch vor den Arbeiterferien war der Außenputz aufgetragen und die Freundeskreismitglieder konnten daran gehen, die restlichen Maler­ arbeiten auszuführen. Inzwischen hatte ein einziger Maurer – als Freund des Mühlenprojekts – die große Natursteinmauer im Mühlegraben aus Gra­ nitsteinen kostenlos hochgezogen. Ab April 1992 wurden die Außenanlagen gerichtet. Bereits im August konnte der Weiher – mit Folie und Lehm wasserdicht gemacht – geflutet werden. Mühlentech­ nisch hatte sich der Freundeskreis vorge­ nommen, sowohl das Mahlen von Getreide als auch das Pressen von Öl in der Mühlhau­ ser Mühle wieder zu ermöglichen. Um 1879 berichtet nämlich die Oberamtsbeschrei­ bung Tuttlingen zum Gewerbe in Mühlhau­ sen: ,, … eine Mühle mit zwei Mahlgängen und einem Gerbgang, eine Gipsmühle mit Oelgang … “ Die Einrichtung für das Getreidemahlen konnte der Freundeskreis aus der seit Ende der SOer Jahre stillgelegten „Unteren Mühle“ aus Wellendingen im Landkreis Rottweil besorgen. Die Bergung der gewichtigen Teile und der Transport von Wellendingen nach Mühlhausen gestaltete sich zu einem schwie­ rigen Unterfangen. Mit Unterstützung der Schwenninger Feuetwehrabteilung konnte es jedoch bravourös gemeistert werden. Alte Türe Ein- oder zweiteilige Haustüre 289

Wasserrad Blick auf Mahlgang 290 Innenaufnahme Treppe mit Empore und 2 Fen­ stern Mühlradachse samt Nabe für das Wasserrad stammten aus der Mühle in Burgberg, die erst in den letzten Jahren ihr Wasserrad gegen eine Turbine ausgetauscht hat. Um alle diese Teile wieder betriebsfähig herzu­ richten, wäre normalerweise ein ausgebilde­ ter Mühlenbauer vonnöten gewesen. Glück­ licherweise hat der Freundeskreis Dorf Mühlhausen mit Richard Pross aber einen Spezialisten, der nicht nur theoretisch durchblickt, er beherrscht auch die prakti­ sche Anwendung. Ihm ist es zu verdanken, daß sich das Mühlrad im Leerlauf auch dann noch dreht, wenn nur wenige Wassergerinne zufließen. Die Einrichtung für die Ölmühle stammt aus einer Traditions-Ölmühle in Rottweil­ Altstadt. Der letzte Besitzer hat sie mehreren Museen angeboten, ohne daß sich jemand dafür interessiert hätte. Die Spezialisten des Freundeskreises bargen auch diese tonnen­ schwere Einrichtung -es handelt sich um

Gestell Ölpresse Stube Küche 291

eine hydraulische Presse -unter widrigsten Umständen. Inzwischen sind Vorwärmofen und das Gestell der Presse im Mühlhauser Mühlengebäude zu besichtigen. Diese technischen Einrichtungen sollen künftig hauptsächlich Schülern zur An­ schauung und praktischem Tun dienen. Aus diesem Grunde erhielt der Mühlenraum eine Zuschauerempore, von der aus gefahrloses Einsichtnehmen möglich sein wird. Deshalb wurde auch eine Mühlenstube mit circa 20 Sitzplätzen eingerichtet. Dane­ ben befindet sich eine Küche mit teilweise historischem [nventar. Der gemauerte Küchenherd stammt aus einem Bauernhaus in Hochemmingen, das anfangs der 80er Jahre abgebrochen wurde. Dazu paßt auch der Terrazzo-Spülstein. In dieser Küche fin­ den gelegentlich auch Töpferkurse für klei­ nere Gruppen statt. Das Obergeschoß der Mühle ist derzeit noch nicht ausgebaut. Wohl aber steht dort schon ein Webstuhl, der die künftige Nut- In der Messe am Gründonnerstagabend verstummen auch in der Vöhrenbacher St. M;irtinskirche nach dem „Gloria“ die Glocken. Sie „fliegen nach Rom“ und wer­ den bis zum „Gloria“ der Osternachtsfeier durch Rätschen ersetzt, die in manchen Gemeinden auch als „Karfreitagsklappern“ bekannt sind. Mit diesem Glockenersatz und dem Ruf: ,Jetz isch es Zit in d’Mette“ ziehen nunmehr zwölf Rätschenbuben durch die Stadt und fordern die Gläubigen zum Kirch­ gang auf. Mit dem Ruf: ,,Jetz isch es Zwölfi“, wird über die glockenlosen Tage der Karwo­ che hinweg auch die Mittagszeit verkündet. Das Rätschen gilt als ältester Brauch im Jahreslauf einer Stadt, die 1994 ihre 750-Jahr­ Feier begehen kann, die 1244 gegründet wurde. Doch finden sich in Vöhrenbach nur wenige �eilen, die über die Entwicklung 292 Ein Brauch mit mittelalterlichen Wurzeln Das Vöhrenbacher Rätschen zung als Freizeitangebot für die Dorfbewoh­ ner verrät. Alle Einrichtungen im Innern des Gebäu­ des hat der Freundeskreis Dorf Mühlhausen aus eigener Kraft gebaut und finanziert. Hierzu trug eine Spendenaktion von Mit­ gliedern, Wirtschaft und Banken wesentlich bei. Insgesamt kamen so ca. SO 000 DM zusammen. Nach Fertigstellung und End­ abrechnung mußte die Stadt Villingen­ Schwenningen wegen Kostensteigerungen nochmals ihren Zuschuß erhöhen, so daß die Ausgaben der Stadt auf eine halbe Mil­ lion stiegen. Allerdings ist zu berücksichti­ gen, daß der Stadt bisher keine Folgekosten entstanden sind, da der Verein für Instand­ haltungen und Betreuung selbst sorgt. Je mehr diese musealen Freizeiteinrichtungen von der Dorfbevölkerung und auswärtigen Gästen benützt werden, desto mehr haben sich die Investitionen gelohnt. Wilfried Leibold einer Tradition Aufschluß geben, die im katholischen Raum vielerorts verbreitet war. Daß über den früheren Ablauf des Vöhren­ bacher Rätschens kaum etwas bekannt ist, mag am Brauch selbst liegen. So war es noch bis in die 70er Jahre hinein üblich, daß die ,,Oberen“ des Vorjahres den neuen Rät­ schern mündlich mitteilten, auf was man zu achten habe: Daß nur rätschen dürfe, wer in Vöhrenbach geboren und katholisch sei und wer zu den zwölf Ältesten jenes Jahrganges gehöre, der in diesem Jahr aus der Schule ent­ lassen werde. Erzählt wurde, welche der bei­ den Gruppen welchen Weg zu gehen habe, wo es die Rätschen gibt, und daß man die Sprüchle können müsse, die in Versform abgefaßt als Schriftstück übergeben werden: Den Oberst, den Wohlgespruch, Beutel und Gizzi, Korb und Danker. Letztere allerdings

Rätsche mit erneuerter Rückwand, die zu Beginn des Jahrhunderts bei einem Brand in der Sakristei der Vöhrenbacher Kirche beschädigt wurde, aber noch heute Verwendungfindet. werden erst an den Osterfeiertagen selbst benötigt. Heute bemüht sich die Heimat­ gilde „Frohsinn“ darum, daß beim Rätschen die alten Traditionen fortgeführt werden, so weit dies noch möglich ist. Denn: In Vöh­ renbach Geborene gibt es nach der Aufgabe der Geburtshilfe am örtlichen Krankenhaus schon lange nicht mehr. Obwohl es an schriftlichen �eilen fehlt, ist das Vöhrenbacher Rätschen nach Auffas­ sung des Historikers Prof. Dr. Karl S. Bader eindeutig mittelalterlichen Ursprungs. Es wird sogar vermutet, daß der heute von Jugendlichen ausgeübte Brauch früher eine Sache der Eiwachsenen war, belegen läßt sich diese These jedoch nicht. Wer zu den Rätschenbuben gehört, was schon immer als eine besondere Ehre empfunden wurde, muß sich zunächst einmal sein Instrument besorgen, die Rätsche, die oft aus Familien­ besitz stammt. Die mutmaßlich älteste, die noch vorhanden ist, trägt auf ihrer Vorder­ seite ein wenig Zierrat: Dort ist ein kleines Kreuz aufgemalt, darüber die Jahreszahl „1810″ oder „1813″ zu lesen, die letzte Ziffer läßt sich nur noch erraten, und darunter befinden sich die Initialen „SBH“; vermut­ lich ein Hinweis auf den Erbauer oder den ersten Besitzer. Die neuzeitlichen Nachfolger, von denen die ältesten auf das erste Jahrzehnt dieses Jahrhunderts zurückgehen, unterscheiden sich von dieser Rätsche nur unwesentlich. Die Technik des Rätschenbaues scheint seit jeher die gleiche geblieben: In einem mit Fichtenbrettern gezimmerten Kasten, der nach oben hin weiter wird, befinden sich Holzhämmer, die an federnden Stilen be- 293

festigt sind. Über eine Kurbel wird nun eine Nockenwelle in Bewegung versetzt, auf der Zapfen sitzen, die die Holzhämmer anheben und zurückfedern lassen. Dabei knallen sie laut trommelnd gegen die Kastenwand; auf diese Weise wird ein monotones und lautes Klappern erzeugt, eine sich ständig wieder­ holende Melodie, das Rätschen. Heutzutage, wo nahezu ein jeder die Zeit am Arm spazierenträgt, mag einem der Gedanke fremd erscheinen, daß im mittel­ alterlichen Vöhrenbach und in den Jahrhun­ derten danach, derlei Holzklappern benötigt wurden, um die Gläubigen auf den Beginn der Gottesdienste aufmerksam zu machen. Doch war in früherer Zeit längst nicht über­ all eine Uhr zu finden. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zogen die Zeit­ messer in nahezu alle Haushalte ein. Somit Die wohl älteste Rätsche, die über­ dauern konnte, wurde im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts hergestellt und atef ihrer Vorderseite mit Zierrat versehen. 294 besaß das Rätschen in früherer Zeit eine große Bedeutung. Zumal die Rätschenbu­ ben im kleinen Vöhrenbach mit ihrem Klap­ pern und dem Ruf „Jetz isch es Zitt in d’Mette“ jeden Einwohner so rechtzeitig erreichen konnten, daß ein pünktlicher Kirchgang möglich war. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß die Rätscher nach der Messe am Grün­ donnerstagabend von Vöhrenbach aus nach Langenbach, Angelsbach und Schwanen­ bach ziehen. Zwar gehören Langenbach und Schwanenbach seit jeher zur Kirchenge­ meinde Vöhrenbach, doch waren die Gläu­ bigen dort auf diese Weise kaum so früh­ zeitig zu erreichen, als daß ihnen ein pünkt­ licher Kirchgang möglich gewesen wäre. Schließlich dauert es je nach Wetterlage allein in der Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag etliche Stunden, bis die Rätscher auf ihrem nächtlichen Fußmarsch jeden der dort stehenden Bauernhöfe erreicht haben. Am Ziel angekommen, wird lautstark gerätscht, bis die Bewohner zu erkennen geben, daß sie das Eintreffen der Rätschen­ buben bemerkt haben. Die Erklärung hierfür ist wohl, daß das Rätschen auch die Aufgabe hatte, den Beginn der glockenlosen Zeit selbst zu verkünden und die Gläubigen zur Einhaltung der früher strengen Fastenvor­ schriften anzuhalten. Das Rätschen läßt viele Fragen offen. Auch die, inwieweit die gegenwärtig be­ kannte Form noch an die Ursprünge des Brauches heranreicht. Unterhält man sich mit alten Vöhrenbachern, sind sich alle darin einig, daß ein weiterer Bestandteil die­ ses Osterbrauches, die bereits eingangs genannten Sprüche, jüngeren Datums seien. Die Rätscher beenden am Ostersamstag­ abend ihre Tätigkeit und dürfen nun am Ostersonntag und -montag von Haus zu Haus ziehen und um Gaben bitten. Diese Gaben erbitten die Rätscher in Versform, mit Sprüchen, die wie der „Gießerkarle“ und der frühere Bürgermeister Ketterer einst erzähl­ ten, vom sogenannten „Amtshusseppele“, von Josephine Hebting, stammen sollen.

Die Rätschenbuben des Jahrgangs 1933 halfen auch das sogenannte „Nudelbrett“ (zweite Rätsche von rechts) dabei, das damals als die lauteste und älteste Rätsche galt und heute verschollen ist. Das „Nudel­ brett“ besaß sieben freiliegende Holzhämmer und einen flachen, doppelten Resonanzboden. Der Handel zwischen Rätschebuben und Vöhrenbachern an der Haustür ist eine „ern­ ste Angelegenheit“: Hat der Gruppenälteste, der „Oberst“, seinen Gruß gesprochen, an die heilige Osterzeit und die Pflichten von Vater und Mutter erinnert, schlägt der „Beu­ tel“ neue Töne an. Er spricht: ,,Und hoffent­ lich werdet Ihr heute auch wissen, daß reich­ lich Gaben uns Rätschern zufließen.“ Der „Wohlgespruch“ pflichtet daraufhin seinem Kumpan bei und ergänzt: ,,Es ist uns gleich ob Eier, Speck oder Geld, was Euch beliebt und uns gefallt“, und weist den Hausherren darauf hin, daß der Korb „noch ganz unten voll sei . . . “ Schließlich droht der „Gizi“, der Rätscher, der einen Pelzmuff mit sich führt: „Gizi heißt das grausame Tier, das ich am Ranzen trage. Es ist so klug und voller List, daß es den Leuten Gänse und Hühner frißt. Gebt ihr uns nicht gleich Eier, Geld oder Speck, so trag ich das Tier nicht von diesem Hause weg“. Am Schluß sprechen der Korb und der Danker. Der Korb meint: ,,Wir machen Lärm durch alle Gassen, daß man kein Wort verstehen kann. Mag auch die Harmonie noch fehlen, so verraten doch uns als Künstler wir“. Und der Danker schließt: „Das Kind soll Dank den Eltern zollen, dem Lehrer für Müh und Straf nicht grollen. Drum will ich Dank anwenden für diese Kin­ derschar und wünsche Euch für diese Sen­ dung des Heilands Segen immerdar.“ Gerade die Worte des „Dankers“ verdeut­ lichen, daß sich auch ein Bezug zwischen dem Rätschen und dem Schulabschluß, dem Gang ins Leben, herstellen läßt. Mag sein, daß dieser Brauch im Verlauf des 19. Jahr­ hunderts überformt wurde, weil sein eigent­ licher Sinn immer mehr verlorenging. So wäre zu erklären, weshalb die Sprüche von 295

Josephine Hebting (1820-1901) stammen sollen, das Rätschen selbst aber zweifelsfrei wesentlich älter ist und seit langem jeweils von den Schulabgängern ausgeübt wird. Egon Lehmann, der im Namen der Heimat­ gilde in den vergangenen Jahren den jeweili­ gen Rätschenbuben die erforderliche Hilfe­ leistung bei der Ausübung des Brauches gab, erzählt dazu, er habe 1941 von seinem Vater anläßlich der Schulentlassung seinen letzten Anzug erhalten und es sei ihm klar gewesen, daß er künftig selbst für seinen Unterhalt zu sorgen habe. Daß die Einnahmen aus dem Rätschen eine Starthilfe fürs Leben sind, wird auch am Spruch des „Beutels“ deutlich. Die letzten Zeilen lauten: ,,Oder wollt ihr uns lieber mit klingender Münze beehren, so wird sich unser Jubel doppelt vermehren. Und was wir als Silber in den Beutel bekom­ men, das wird einst mit in die Fremde genommen.“ Das Rätschen ist jedenfalls, gleich welcher Jahrgang, für alle Vöhrenbacher, die daran mitwirken durften, stets ein großes Erlebnis gewesen und nur ein einziges Mal ausgefal­ len, im Kriegsjahr 1917 nämlich. 1933 wurde über das Vöhrenbacher Rätschen sogar eine Radioreportage ausgestrahlt, die als Schall­ platten-Mitschnitt erhalten blieb. Oskar Feiß, damals einer der sechs Jungen, die rät­ schen durften, kann sich gut erinnern, wie der Auftritt der Rätschenbuben in Szene gesetzt wurde. Derweil die Radiosendung beim Hörer den Eindruck entstehen läßt, man sitze am Ostersonntag beim Hermes­ bauern in der guten Stube und warte auf die Ankunft der Rätschenbuben, wurde dieser Auftritt in Wirklichkeit im Flur des Vöhren­ bacher Rathauses mitgeschnitten. Daß es zu dieser Reportage kam, war dem Ratschreiber Franz Jehle zu verdanken, der neben dem Hermesbauern und seiner Frau auch selbst zu Wort kommt und die Legende vom „Lan­ denberger, dem Ritter ohne Kopf“ zum besten gibt. Jehle erzählt, dieser lehre den Rätschenbuben in der Nacht zum Karfreitag das Fürchten, wenn sie sich auf ihrem Weg zu den abgelegenen Bauernhöfen in Langen- 296 bach und Schwanenbach befanden. Zumal, wenn in der Dunkelheit Geräusche auszu­ machen sind … , die von Vöhrenbachern stammen, die sich einen Spaß mit den Rät­ schenbuben machen. Manch einer hat an den Hängen in Langenbach seine Rätsche auch als Schlitten gebraucht oder wurde um zwei Uhr in der Nacht auf einem Bauernhof mit einem Speckvesper überrascht. Und kaum ein Rätscher vergißt, wie er die letzten Stunden der Nacht zum Karfreitag verbracht hat. In einem Schopf im soge­ nannten „Zigeunerländle“, im Heu liegend und frierend. Auch das ist Tradition. Die Rät­ schenbuben werden die Einwohner der bald 750 Jahre alten Stadt Vöhrenbach auch zukünftig an den drei Haupttagen der Kar­ woche daran erinnern, daß die glockenlose Zeit begonnen hat. Wilfried Dold Frühlingsahnen Der Wald, noch gestern stumm und weiß, Heut fangt er an zu lüstern. Die Tannen tauen, tropfen leis Und harzen, duften, flüstern. Goldhähnchen piepst. Das Eichhorn kämmt Die Haare flugs, die roten – Huscht bodenwärts; es sucht und klemmt Tannzapfen zwischen Pfoten. Die Wildsau suhlt im Unterholz, Rauft Kressen aus der Quelle. Ein Rehbock reckt sich stark und stolz Und äugt nach Halm und Helle. Am Bachrand schmolz der Schnee schon weg. Dort dampft der Boden heute. Das erste Kätzchen knospet keck Am Zweig der Silberweide. Josef Albicker t

Der Maulwurf – nur in der Literatur? Die Ehre, ein bekanntes Fabelwesen wie die Stadt- und die Feldmaus zu werden, wurde dem Maulwurf, in Süddeutschland auch kurz „Scher“ genannt, nicht zuteil, da beißt keine Maus einen Faden ab, es muß mit seiner finsteren Lebensführung zu tun haben, er ist auch biologisch nicht mit ihnen verwandt, in der Wissenschaft heißt erTalpa, Mäuse entstammen entweder der Familie der Muridae oder Cricetidae. Untergründige menschliche Machenschaften gelten als „Maulwurfsarbeit“, was der rechtschaffene Wühler nicht verdient hätte. In der hohen Politik ist der „Maulwurf“ deshalb nicht beliebt, im alltäglichen Leben auch nicht. Da hat er einen negativen Touch. Den Fami­ lien „Scherer“ und „Muser“ lieh ihr Urahn seinen Berufsnamen für alle Zeiten. ,,Mit den Maulwürfen tanzen“: davor fürchten sich alle, obwohl sie jetzt noch darüber lachen. Aber das Fernsehen und die Literatur vom Roman bis zum Kinderbuch kommen den­ noch nicht ohne ihn aus. Wilhelm Busch war er ein Gedicht wert, Franz Kafka fiel eine Geschichte von einem Maulwurf ein, einem Riesenmaulwurf sogar, Ricarda Huch ließ Christoph Bernkule Schermäuser oder Maulwurfsfanger sein, ,,welches Amt ihm ein nettes Einkommen verschaffte“, hinter der Vermehrung dieser Tiere wollte die damalige Justiz „verbotene Zauberei“ vermuten – so konnte man das Verhexen auch nennen. Und Franz Erath schildert in seinem Roman mit dem biblisch-feierlichen Titel „Größer als das Menschen Herz“ (Schlag nach bei Johannes!), wie durch die richtige Technik in kürzester Zeit mit dem Fangen von Maul­ würfen das Geld für einen Atlas zusammen­ zubringen war. Und damit sind wir beim Thema, angeregt durch die „oral history“ eines alten Bauern, der in frühen Knabenjah­ ren das Geschäft des Schermäusers betrieb (aber bei weitem nicht als einziger, es war vielmehr bei Schülern eine Art Volkssport), und bis heute bewahrt er die lebhaftesten Erinnerungen daran. Gab es bis dahin eine Tradition, so dürften er und seine Altersge­ nossen die letzten gewesen sein, die sie noch hochhielten. Und so ist für das unendliche Kaleidoskop der Volkskunde wieder ein Splitter gerettet. Matthias Klausmann, ehemals Josen­ bauer in Tennenbronn, geboren auf dem ,,Hof“ in Gremmelsbach, ist der Gewährs­ mann dafür, wie Schuljungen nach dem Ersten Weltkrieg durch das Schermäuse­ fangen ein paar Pfennige in ihre Sparbüchse brachten. Für ein Fellehen eines Maulwurfs zahlte das Pelzgeschäft Thumm in Hornberg 12 Pfennig, wenn das Tier im Herbst gefan­ gen wurde, ein Winterfellehen galt 22 bis 24 Pfennig – ein idyllischer Preis, aber die Masse mußte es machen, und in Päckchen zu je 40 oder 50 Stück gesammelt, kamen alle Jahre 250 bis 300 zusammen, denn Not machte auch damals erfinderisch. Freilich gab es während des Ersten Weltkrieges und in den Jahren danach wenig dafür zu kaufen. Ein Taschenmesser, ein paar Mausefallen, ein Peitschenriemen vom Schuhmacher oder Sattler, aber schon nicht mehr ein Peit­ schenstiel, den holte man sich selber aus dem Wald, und „Zwick“, eine besonders gewickelte, bindfadenähnliche Schnur für das Ende des Peitschenriemens, damit man wie ein Fuhrmann knallen konnte, all dies gehörte dazu, und als die Zeiten besser wur­ den, ein- oder zweimal in der Woche ein Milchweck, ,,Spitzwecken“ genannt. Der jungenhaften Räuberromantik wie den Interessen der Erwachsenen, der Gesell­ schaft, gerade ihren oberen Schichten, kam das „Mausen“ in gleicher Weise entgegen. Aus den Fellehen wurden Mäntel hergestellt, die freilich „schandmäßig teuer“ waren, sich also als Statussymbol eigneten. Anders gesagt: Bauernbuben leisteten einen Beitrag zur Kleiderkultur. Auf den Höfen war man im allgemeinen froh, wenn jemand die Maulwürfe fing. Ihre 297

Hügel waren lästig, sie mußten jedes Früh­ jahr verrecht, herausgeschobene Steine mußten aus den Wiesen getragen werden; fuhr nämlich die Sense in einen solchen Erdhaufen, war die Schneide stumpf, im schlimmsten Fall konnte auch ein Stück von der Schärfe herausgebrochen sein. Matthias und seine Brüder -Anton und Bernhard -ließen sich die Möglichkeit nicht entgehen und brachten also jährlich einige hundert Maulwürfe zur Strecke. An den Artenschutz dachte damals noch niemand, und der Bestand der Tiere war ja auch nach­ weislich nicht gefährdet. Das Fanggebiet war zunächst die eigene Hoffläche, dann der Schulweg. Für den geübten Blick waren die unterirdischen Gänge quer zur Wegrichtung unübersehbar. Da waren sie leicht zu fangen. Zu den Beob­ achtungen der Buben gehörte, daß die Maul­ würfe in der Nähe des „Riflitz“ vom Seelen­ wald herunter ihre Röhren durch eine Wiese oberhalb eines Mahlweihers schoben, auf ihre Art nicht anders als das Rehwild, immer die gleiche Strecke benutzend. Unter den Weg legten die Buben ihre Fallen, immer zwei in entgegengesetzter Richtung, weil sie nicht wissen konnten, aus welcher der Maul­ wurf gerade kam. Ihre Fangtechnik war so erfolgreich, daß sie oft einen „Scher“ gefan­ gen hatten, wenn sie zur Schule gingen, und schon wieder einen, manchmal auch zwei, wenn sie auf dem Heimwegwaren.Ja, es kam vor, daß ein dritter Scher, der den Weg dann verstopft fand, sich an den Fallen vorbei einen neuen Gang gegraben hatte. Merkwür­ dig war, daß die bergaufwandernden Tiere zuerst seltener wurden und vom Tal her bald keine mehr in die Falle gingen. Selbst auf der großen Hoffläche nahm ihre Zahl ab, die Jagdgründe mußten jenseits der eigenen Grenzen auf den „Riflitz“ und den „Hinter Ofen“ ausgedehnt werden, wobei sie von diesen Nachbarn gern unterstützt wurden. Da das Mäusefangen wie das Pilzesuchen als generell erlaubt galt, gingen sie auch in der weiteren Umgebung auf Fang, bis sie zu ihrer Verwunderung ihre ausgelegten Fallen ver- geblich suchten. Sie nahmen sich den Mut nachzufragen, ob ihre Arbeit nicht gern gelit­ ten sei. Nein, das war sie nicht. Keine weitere Begründung. So ließen sie es hier sein. Die Welt war noch groß genug. Zu Hause wurde das Fellehen bis zur Nasenspitze abgezogen und zum Trocknen mit Nägeln auf ein Brett gespannt. Einen auf dem Schulweg gefangenen Scher nahmen die Buben natürlich in der Hosen-oder Jackentasche in den Unterricht mit, eine her­ vorragende Möglichkeit, Unsinn zu treiben und die Mädchen zu erschrecken. Aufmerksamen Naturbeobachtern, wie es Bauern sind, fiel auf, daß sich in besonders heißen, trockenen Sommern auf den Wiesen „Hungerringe“ zeigen, grüne Streifen auf sonst rotgebranntem Rasen, nicht gerade kreisrunde, nicht wie mit dem Zirkel gezo­ gene, eher mit zittriger Hand gezeichneten Ellipsen ähnliche Gebilde. Man denkt an Angsttriebe aus sterbenden Tannen, an ein Aufbäumen der Natur. Matthias grub einem solchen Ring nach, und sieh an: Ein Maul­ wurf hatte seinen Gang darunter gegraben. Die Luft in der Höhlung begünstigt wohl das Wachstum. Das Geschäft des Schermäusers war auch später noch unentbehrlich: Wiesen mußten maschinell gemäht werden können, im Heu durften sich keine Steine befinden. Ein Spezialist grub mit einem kleinen Spaten, seinem einzigen Werkzeug außer den Fallen, den Gang irgendwo zwischen Maulwurfs­ haufen an. Er „sah“ ihn, wo ihn ein Unge­ übter nicht einmal vermutete. Karl Volk 299

Gesundheit Die ESPAN-Klinik in Bad Dürrheim Fachklinik für Erkrankungen der Atmungsorgane Der Dienstag jeder Woche ist stets ein besonderer Tag. Man spürt es in der weit­ läufigen Halle. Da werden Koffer aus dem Haus getragen, ein Lkw bringt eine neue Kofferladung. Das Gepäck verschwindet dank guter dienstbarer Geister in den Patien­ tenzimmern. Willkommen und Abschied gebieten über diesen Tag. Jahraus, jahrein ist es dasselbe. In der ESPAN-K.linik in der Gartenstraße verab­ schieden sich morgens die Patienten, die ein vier- oder sechswöchiges Heilverfahren ab­ solviert haben. Man sieht fröhliche und zufriedene Gesichter. Die Heilmaßnahme hat sichtlich etwas bewirkt. Im Lauf des Tages stellen sich die „Neuen“ ein. Manche sehen etwas blaß aus, vielleicht von soeben überstandener Krankheit oder auch von der Reise. Freundliche, praktisch eingerichtete Einzelzimmer mit Blick ins Grüne erwarten sie. Man sieht, der Kurpark ist nah, es locken Wiesen und Wald und vor allem gute Luft. Hier kann man sich zu Hause fühlen. Abends werden die Neuankömmlinge von der Geschättsleitung willkommen geheißen. Am Nachmittag des folgenden Tages ist es der Chefarzt, der aus medizinischer Sicht erläutert, worauf es bei der stationären Heil­ maßnahme ankommt. Sie erfahren alles über die lautlose Mecha­ nik des Kurbetriebs. Das Haus mit seinen Anwendungsbereichen wie Bäderabteilung, lnhalationsräumen und Gymnastikraum wird ihnen rasch vertraut. Ihre anfängliche Befangenheit schwindet zusehends. Man knüpft erste Kontakte. Im Speisesaal hat man rasch seinen vorbestimmten Platz gefunden und damit auch seine Nachbarn für die nächsten Wochen. Schon nach wenigen Tagen – erste Untersuchungen durch den 300 Stationsarzt und die üblichen Labortests sind durchgeführt, der Rhythmus für die ver­ schriebenen medizinischen Anwendungen inklusive Schwimmen im hauseigenen Sole­ bewegungsbad und Gesundheitsvorträge hat sich eingespielt- fühlt man sich heimisch in diesem Kreis. Die Atmosphäre wird als wohltuend emp­ funden. Das Wohlbehagen wächst noch mit den täglichen Mahlzeiten. Die Küche hat einen sehr guten Ruf. Man sieht es an den zahlreichen Urkunden an der Wand des Speisesaals. Mit einer Vielzahl von Diätkost­ formen wird auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Patienten eingegangen. Wanderungen in der schönen waldrei­ chen Natur im Auf und Ab der Jahreszeiten – Bad Dürrheim hat zu allen Zeiten seine Reize – viele Ausflugsmöglichkeiten sowie ein abwechslungsreiches Kultur- und Unter­ haltungsprogramm lassen die Tage dahin­ eilen. Und dann ist jener Dienstag gekom­ men, an dem man Abschied zu nehmen hat. Man tut es in der Gewißheit, daß man seiner Gesundheit einen guten Dienst erweisen konnte. Irgendwann, wünscht man sich, möchte man wiederkommen. Viele, die in der ESPAN-Klinik weilten, sind schon mehr­ fach Patient und Gast gewesen. Eine Tat­ sache, die für das wohldurchdachte Konzept des Hauses spricht. In den 17 Jahren seit der Eröffnung am 8.Juli 1976 bis zum 31. Dezember 1992 sind über 30.000 Patienten Gäste des Hauses gewesen. Die Zahl der Übernachtungen hat inzwischen über eine Million erreicht. Das ist nicht verwunderlich. Verwaltungsleiter Theo Weiss kann stolz darauf verweisen, daß die ESPAN-K.linik in Bad Dürrheim die ein­ zige anerkannte Fachklinik für die Behand-

Park-Klinik Benner mit neu erbautem Solebewegungsbad lung von Erkrankungen der Atmungsorgane, also zum Beispiel Asthma bronchiale und Bronchitis und der damit verbundenen Herz- und Kreislaufstörungen ist und daß sie seit 1980 zu einer der 10 Spezialkliniken für Anschlußheilbehandlungen in der Bundes­ republik gehört. Von Anfang an wurde medi­ zinisch und technisch ein entsprechendes Konzept verfolgt. Dem damaligen Chefarzt Dr. med. Georgi Kolarov, Facharzt für Lun­ gen- und Bronchialheilkunde und seinem Oberarzt Dr. Rainer Lingnau, wurde in der ESPAN-Klinik eine hochmodern eingerich­ tete diagnostische Abteilung zur Verfügung gestellt. Sie verfügt über computergesteuer­ ten Lungenfunktionsmeßplatz, über Ruhe-, Belastungs- und Langzeit-EKG, Phonokar­ diogramm, Röntgenanlage, großes klinisch­ chemisches Labor mit modernsten Meßplät­ zen und Untersuchungsverfahren bis zur Allergietestung samt Provokationstests. Es war von Anfang an eine Selbstverständlich- keit, daß in der ESPAN-Klinik auch die Bal­ neologie und somit die ortsgebundenen Kurmittel Sole und Bad Dürrheimer Mine­ ralquellen zum Einsatz kamen. Eine direkte Leitung verbindet die Solequelle mit der Klinik. Das setzt erhebliche Investitionen voraus. Denn alle Anlagen einschließlich Schwimmbad mußten solebeständig sein. „Im Zusammenklang mit der Sole und dem Mineralwasser steht als ganz wesentlicher Gesichtspunkt das Bad Dürrheimer Heil­ klima im Vordergrund, das seine kräftigende und heilende Hilfe bei der Patientenbehand­ lung sehr positiv zum Ausdruck bringt.“ Auf dieser Basis entwickelten die Medizi­ ner das Haus in der Folgezeit zu einer aner­ kannten Fachklinik, wie sie den Belegungs­ trägern wie der BfA vorschwebte. Nach einem weiteren medizinischen Aus­ bau 1980 verfügt die Klinik nun auch über eine Überwachungsstation mit 4 Pflegebet­ ten. 301

Seit 1989 führt Chefarzt Dr. Rainer Neu­ haus, Facharzt für Lungen- und Bronchial­ heilkunde, zusammen mit den Oberärzten Dr. Lingnau und Dr. Kupke und weiteren fünf Stationsärzten diese erfolgreiche Ent­ wicklung weiter. Seit langem schon werden auch Heilmaßnahmen über alle Kranken­ kassen und Sozialversicherungsträger abge­ wickelt. In seinen „Gedanken und Erinnerungen – Löwe der Baar“ (1991) hat der frühere Bür­ germeister von Bad Dürrheim, Senator Otto Weissenberger, die für Bad Dürrheim als Kurort für Ganzjahreskuren entscheidende Initiative gewürdigt, die von der Familie Benner in bezug auf ihre Kliniken und Dependancen ausgegangen war. Weissen­ berger schreibt: ,,Die klinifizierte Kur und der Kurklinikbau begannen. Schrittmacher war hier ohne Zweifel die Familie Benner. Mutter und die Töchter Anneliese und Annelore Benner haben in Verbindung mit der BfA die gezielte und medizinisch unter­ mauerte Asthma- und Kreislaufkur initiiert. Das Unternehmen Benner begann auch sehr früh mit Anschlußheilverfahren. Das alles war eine kurörtliche Vorleistung, die der effi­ zienten Kur zum Durchbruch verhalf.“ Frau Anna Benner hatte dazu den Grund­ stein gelegt. Das war schon vor über 60 Jah­ ren. Sie gründete, wie in den Annalen der Kliniken Benner (ESPAN-Klinik, Park-Kli­ nik Benner) verzeichnet ist, 1932 eine Frem­ denpension im Haus der heutigenJohannis­ Apotheke. Es wurden dort auch Solebäder abgegeben. ,,So gesehen hat Frau Benner 1932 die Quelle entdeckt und das Wasser dar­ aus zum Sprudeln gebracht“, rühmte sie Theo Weiss in einer Laudatio aus Anlaß der Wiedereröffnung der erweiterten Park-Kli­ nik 1992. Bad Dürrheimer Sole hatte sich in Heilverfahren schon seit Jahrzehnten be­ währt. Die erfolgreiche Entwicklung des ersten „Benner“-Hauses wurde jedoch durch die Kriegs- und Nachkriegszeit gebremst. Erst nach der Währungsreform konnte ins­ besondere durch Kontakte zu einem Berli­ ner Reisebüro, das Gäste nach Bad Dürrheim 302 schickte, der Weg zu dauerhaftem Erfolg ein­ geschlagen werden, der von Anna Benner weitsichtig geplant wurde. Wegen des zuneh­ menden Straßenverkehrs an der alten B 27, die durch den Kurort verlief, mietete Anna Benner Räume für ihren Betrieb in der Wald­ straße an. 1956 baute sie in dieser ruhigen Straße ein eigenes Haus mit 18 Betten: das Haus am Hang. In Verhandlungen mit der BfA Berlin gewann sie für sich und den auf­ strebenden Kurort Bad Dürrheim einen äußerst wichtigen Belegungsträger. Seit 37 Jahren schickt die BfA ihre Mitglieder in die heutigen „Kliniken Benner“. 1964 erwarb Anna Benner ein weiteres Haus in der Wald­ straße (,,Villa Anneliese“) und gestaltete es zu einer Fremdenpension um. Der große Durchbruch aber war im Zu­ sammenhang mit der geforderten klinifizier­ ten Kur schon 1962 erzielt worden mit der Errichtung des Parksanatoriums Benner in der Gartenstraße. Es war mit allem nur er­ denklichen Komfort ausgestattet und ver­ fügte nun auch über die medizinischen Vor­ aussetzungen mit Badearzt und eigenem Sanatoriumsarzt, mit Labor, Röntgenanlage, Kurmittelabteilung und geschultem medizi­ nischen Personal. Das war weitblickend kon­ zipiert von Anna Benner und ihren Töch­ tern Anneliese und Annelore, die ihre Mut­ ter im kaufmännischen sowie medizinisch­ krankengymnastischen Bereich nach Kräf­ ten unterstützten. Der Zuspruch seitens der Patienten war aufgrund der erzielten Heil­ erfolge und familiären Atmosphäre des Hau­ ses derart groß, daß vor allem im Zuge der von Belegungsträgern gestellten Forderun­ gen nach einer klinifizierten Ku r eine weitere Expansion ins Auge gefaßt werden konnte. Es wurden jetzt Voraussetzungen wie an ein modernes Krankenhaus gestellt, mit Sta­ tionen, Ärzten, Schwestern, mit eigenem Solebewegung bad sowie Einzelzimmer mit Naßzelle und WC. Das wurde die Stunde der ESPAN-Klinik. Ihr Name leitet sich ab von dem Flur­ namen. Er bezeichnet Gemeindeland, das zur Viehweide dient (Heimatbuch des Heil-

bades, Karlsruhe, 1969). Nach entsprechen­ der Planung durch ein im Klinikbau erfahre­ nes Architekturbüro wurde die ESPAN-Kli­ nik nach nur 13monatiger Bauzeit eröffnet. Sie wurde ein Musterbeispiel modernen Kli­ nikbaus und ein Anziehungspunkt für Bad Dürrheim, wie die Belegungszahlen in der stolzen Bilanz des engagierten Verwaltungs­ leiters Theo Weiss dokumentieren. Die Initiatorin dieser Entwicklung, Anna Benner, hatte ihr Lebenswerk damit abge­ schlossen. Sie starb wenige Monate nach der Inbetriebnahme der Klinik. Ihre Töchter Anneliese und Annelore führen ihr Werk tat­ kräftig fort (inzwischen ist die dritte Genera­ tion in die Geschäftsleitung eingetreten). Sie setzten selbst Marksteine in der neuesten Entwicklung ihres Unternehmens mit dem Ausbau der ESPAN-Klinik (1989), der Neu­ gestaltung des Hauses ,,Villa Anneliese“ in der Waldstraße, mit dem Ankauf der in der Gartenstraße benachbarten Pension Moser- Laenen (,,Haus Anna“), und schließlich mit dem Umbau und der Erweiterung der Park­ Klinik Benner (1992). Die Klinik für Erkran­ kungen der Atemwege und für die Behand­ lung von Rheuma und orthopädischen Krankheiten nimmt eine führende Position ein. Neue Therapieräume wurden geschaf­ fen, 14 Patienten-Doppelzimmer, auch rollstuhl­ gerecht für Behinderte, und ein großes, ein­ ladendes Solebewegungsbad. großzügige Aufenthaltsräume, Nach Erfüllung dieses Bauprogramms können die Benner-Kliniken in Bad Dürr­ heim insgesamt 252 Betten in ihren Kliniken und Dependancen anbieten. Mit 100 Ar­ beitsplätzen und Beschäftigten sind sie der größte Fremdenverkehrsbetrieb und, ganz­ jährig belegt, nachweislich der bedeutendste Aktivposten in der Gästestatistik der Kur­ stadt. Arthur Lamka Gutes Herz Am Flußufer Vieles tun und auch ertragen Mußt du, gutes, treues Herz, Für den Kreislauf pumpen, schlagen, Für die Freude und den Schmerz. Da bin ich oft gesessen, Hier hab‘ ich oft geruht, Verloren und vergessen – Am Rand der blauen Flut. Alles hast du auszuhalten Bis zum letzten Atemzug, Einer läßt dich schalten, walten, Bis es ist, o Herr, genug. Die Wellen wogten leise. Die Abendglocke schwieg. Und Nachtigallenweise Zum Sternenhimmel stieg … Und du findest dann die Ruhe, Die du sicher oft begehrt; Weiß ich jetzt auch, was ich tue, Wenn mein armes Herz sich wehrt. Vorüber sind die Träume, Die Herbstzeitlosen blühn. Ja, zittert nur, ihr Bäume – Der Sommer ist dahin! Johannes Hawnert Josef Albickert 303

Tröstlich Heiteres für unsere kranken Almanachleser Bi t du mal krank, so recht k.o., gar deines Lebens nicht mehr froh, so denk‘, daß dies nicht ewig ist, du andrerseit „unsterblich“ bist. – Und Übelkeit und Schädelbrummen, Nasenbluten, Ohrensummen, Depression und Mattigkeit, Schnupfen, Husten, Heiserkeit, Masern, Mumps und Hexenschuß, schlechte Laune und Verdruß, Angina, Fußpilz, Flimmerherz, Gallenkolik, Liebesschmerz, Zahnweh, Rheuma, Gliederreißen – und wie all die Leiden heißen – Verstopfung, Durchfall, Magendrücken, Beschwerden im Leib und mal im Rücken – vorübergeh’nde �alen sind, die verfliegen o� geschwind; – und zudem helfen hier am Ort Doktoren gern und auch sofort. – Verzweifle nicht und denk daran: ,,Unsterblich“ bist‘, nach Gottes Plan! – Helmut Groß 304

Sagen der Heimat Auch in dieser Ausgabe des Almanach wird die Reihe der Sagen der Heimat mit einem Text, entnom­ men aus dem Buch „Die ve1gessene Rose‘: 2. Auflage 1961,fortgesetzt. Die Redaktion dankt an dieser Stelle dem Verlag Stähle & Friedel Stuttgart, für die freundliche Abdruckgenehmigung. Der Sarg im Straßengraben Der letzte Sproß der Baldinger Herren war ein Graf von Orth, ein böser Leuteschinder, der seine Untergebenen bis aufs Blut pei­ nigte. Auch sein Geiz und seine Habgier waren weithin bekannt. So trieb er einen schwunghaften Handel mit dem damals noch sehr kostbaren Salz, das er jedoch nicht an alle abgab, sondern nur an Reiche, die in der Lage waren, die geforderten Wucher­ preise zu bezahlen. Endlich mußte auch der Graf, nachdem er genug geschachert hatte, jenen letzten Gang antreten, auf dem man von allem Erworbenen nichts mitnimmt als das Totenhemd. Aber so leicht sollte dem Geizhals das Sterben nicht werden. Tagelang wälzte er sich auf seinem Lager, und die Räume des Schlosses hallten wider von sei­ nen Schmerzensrufen. Sein Wehklagen drang sogar durch die dicken Burgmauern auf die Dorfgasse hinaus, so daß die Bauern angstvoll einen Bogen um das Schloß mach­ ten. Und manch einer schlug heimlich das Kreuz und sagte: ,,Helf uns Gott, der All­ mächtige!“ Andere meinten gar: ,,Jetzt hat der Teufel endlich den Geizhals am Kragen.“ Und wahrlich, nachdem der Höllenfürst sein Opfer lange genug geschüttelt und ihm zu­ letzt den Hals so eng zugeschnürt hatte, daß man das Röcheln im ganzen Dorf hörte, machte er ihm endlich den Garaus. Da lag nun der gefürchtete Graf mit so entstelltem Gesicht, daß die Bauern, die den Totenbaum brachten (wie man hierzulande heute noch den Sarg nennt), sich entsetzten. Endlich hatten sie den Leichnam in den Totenbaum gebettet und wollten ihn zum Friedhof tra­ gen. Da aber hatte sich droben über dem Himmelberg bei Öfingen ein furchtbares Wetter zusammengezogen, und als die Män­ ner mit ihrer Last beinahe beim Friedhof angelangt waren, fuhr ein Sturm daher, riß ihnen den Sarg aus den Händen und schleu­ derte ihn in den Straßengraben. Von Entset­ zen gepackt, als sei der Teufel selber hinter ihnen her, rannten die Männer auf und davon und getrauten sich nicht einmal mehr, nach dem Sarge umzuschauen. – Der Winter kam und legte sein Leichentuch über das Land und auch über den Totenbaum am Straßenrand. Als die ersten Schlüsselblumen aus dem braunen Gras hervorschauten und ein Vogel im blühenden Schlehdornhang zu singen begann, erinnerte man sich wieder des Sarges. Doch als ihn ein paar beherzte Männer forttragen wollten, war er leer. Der Graf aber, der zur Strafe für seine Untaten keine Ruhe fand, mußte seit jener Zeit als Geist im Orte umgehen. So will ihn ein Baldinger Bauer noch vor einem Menschenalter gesehen haben, als er spät abends im Schein seiner Laterne seine Braut von der Spinnstube abholte. Damals trugen die Mädchen noch die eigenartige Tracht der evangelischen Ostbaar: das eng anliegende Häubchen mit den langen, über den Rücken fallenden Seidenbändern, das Samtmieder und den reich gefältelten schwarzen Rock, unter dem die roten Strümpfe hervorblitzten. Vom flackernden Herdfeuer angestrahlt, saß man oft bis spät in die Nacht beisammen und erzählte sich Gespenstergeschichten. Dabei wurde auch getrunken und gegessen. Da es aber auf der rauhen Ostbaar damals fast kein Obst und 305

damit auch keinen Most gab, setzte man statt rotbackiger Äpfel einfach Gelbrüben vor, die gar nicht so schlecht gemundet haben sollen. – In jener Zeit also geschah es, daß das besagte Paar auf dem Heimweg in der Nähe des Schlosses plötzlich den Geist des bösen Grafen auftauchen sah. Riesengroß stand sein Schatten an einer Scheunenwand und drohte mit seinen Armen, die wie Wind­ mühlenflügel auf und ab schwangen, her­ über. Aber nicht genug damit: Auf einmal kletterte das Gespenst vor den zu Tode Erschrockenen am Giebel des Schlosses empor und setzte sich, während es sein Haupt unter dem Arm hielt, auf die oberste Zinne. Seit dieser Zeit mieden die Bauern des Nachts die Gegend um das Schloß, das auf der Gemarkung Föhrle gelegen war und des­ sen Küche erst 1912 durch Blitzschlag ein­ geäschert worden sein soll. Max Rieplet Theino-Legende Als vor vielen hundert Jahren die Römer noch im Lande waren, abgekämpft, degeneriert, auch durch Heimweh stark frustriert, da stürmten Alemannenhorden herab, hierher vom hohen Norden, jagten fort die Römerbande – Besitz zu nehmen von dem Lande. Der Theino war’s mit seiner Schar, kam vorbei hier in der Baar, vermutete am Köthenbache den Rest von einer Römerwache; denn aus einem alten Haus ein kranker Römer schaut heraus. Der bat um Gnade für sein Leben und möchte dafür etwas geben: Zeigen, wie man Häuser baut, seßhaft wird und heimvertraut. Der Theino nahm den Handel an, in seine Dienste trat der Mann. Als Theino nun das Haus besah, rief er den Seinen zu: ,,Hurra! Zum Teufel die Nomadenregel, wir siedeln an mit Kind und Kegel!“ Und sie begannen auf der Stelle zu bauen Häuser, Scheunen, Ställe. Mit Eifer nun und voller Kraft wird eine Heimat jetzt geschafft, neun Höfe werden aufgebaut und dem Theino anvertraut. Zu schützen sie vor Feind, Dämonen des Römers „Gladius“ sollt‘ sich lohnen, für Theino wurde mit Bedacht d’raus ein Germanenschwert gemacht. – Das kleine Dörflein so entstand, ,,Theiningas“ war’s zunächst genannt. Um alemannischer zu klingen, wurd‘ später daraus „Tainingen“, und wiedrum nach geraumer Zeit hieß „Tenningen“ die Örtlichkeit. Nach der Behörden letztem Schliff wird „Tuningen“ der Ortsbegriff. Doch für das Fußvolk immerfort bleib „Doaninga“ das rechte Wort. Das Dorf hat lang schon existiert bevor es schriftlich aufgeführt. Und Theino – das ist sonnenklar ,,Urtuningens“ Begründer war. – Ernst Braunschweiger 307

Verkehrswesen Der Busunfall Der folgenschwerste Unfall im Bereich der Auto­ bahnpolizei Freiburg ereignete sich am Sonntag, den 6. 9. 1992. Ein Omnibus war auf der A 864 in Richtung Donaueschingen unterwegs. Am Autobahnende kam er nach rechts atef den Seiten­ streifen. Beim Gegenlenken geriet das Fahrzeug ins Schleudern, kollidierte zunächst mit einem ent­ gegenkommenden Pkw, bevor er schliefslich seitlich auf eine Leitplanke kipple. Die Folgen: 20 Tote, davon 16 Frauen und vier Männer im Alter zwischen 47 und 83 Jahren, 17 Schwer- und 19 Leichtverletzle, unter denen später ein weiteres Todesopfer zu beklagen ist. Materiel­ ler Schaden insgesamt 240.000 Mark. Es war ein schöner sonniger Sonntag, die­ ser 6. 9. 1992. Ein richtiger Altweibersom­ mertag. Familienausflugswetter, zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit dem Auto. Flugtag auf dem Flugplatz in Schwenningen. Schaulustige aus dem gesamten Schwarzwald-Baar-Kreis verfolgten die Kapriolen der Kunstflieger. Feststimmung in Bad Dürrheim. Die frei­ willige Feuerwehr feierte ein Jubiläum an die­ sem schönen Sonntag. Nicht weit davon ent­ fernt schwitzten Rettungssanitäter in einem Prüfungskurs über ihren Aufgaben. Eine Streife der Autobahnpolizei meldete dem Wachhabenden in Zimmern o. R. regen Ausflugsverkehr, aber keinerlei Probleme. Wie üblich, waren auch viele Reisebusse unterwegs. Darunter auch ein Bus mit einer Reise­ gruppe des Fichtelgebirgsvereins aus Hof im Frankenland. Viele von ihnen waren zum ersten Mal im Schwarzwald. Sie wollten das Wochenende im Wiesental mit Wandern verbringen. Auch sie genossen den herrli­ chen Spätsommertag. Nichts schien diese Idylle zu stören. Kurz vor 12.00 Uhr schrillte beim Wachhabenden der Autobahnpolizei in Zimmern plötzlich 310 das Telefon. ,,Bei Bad Dürrheim ist ein Bus umgestürzt. Es gibt vermutlich Tote und viele Verletzte.“ Unmittelbar nach der Abfahrt von der Autobahn Stuttgart – Singen zwischen Bad Dürrheim und Donaueschingen bot sich den Helfern ein Bild des Grauens. Wie die Spurensuche der Polizei und der Sachver­ ständigen später ergab, hatte sich der Unglücksbus mit seinen Reifen auf der rech­ ten Fahrbahnseite in die feuchte Grasnarbe gefressen. Ganze 100 Meter lang war er ent­ lang der Böschung gefahren, bevor der Fah­ rer reagierte. Mit katastrophalen Folgen. Die Spuren führten auf die Gegenfahr­ bahn, der Bus rammte einen entgegenkom­ menden Pkw. Schließlich kippte das schwere Fahrzeug auf die Seite. Langsam, ganz lang­ sam. Auf die scharfe Leitplanke der Brücke, die über die B 27 führt. Endstation einer Todesfahrt. Gleich einem Rasiermesser trennte die Leitplanke den umkippenden Bus genau in Höhe der Sitzreihen auf. Wer auf dieser Seite saß, hatte keine Chance. Innerhalb kürzester Zeit verbreitete sich die Schreckensnachricht bei den Rettungs­ diensten. Die Feuerwehr in Bad Dürrheim brach ihr Jubiläumsfest ab. Für die Rettungs­ sanitäter wurde aus grauer Theorie blutiger Ernst. Von einem optimalen Einsatz wird man später sprechen. 76 Polizeibeamte, 90 Feuer­ wehrleute, 25 Ärzte bemühten sich, die Opfer dieser größten Buskatastrophe in Deutschland seit 1959 zu versorgen, sich um die Unfallaufnahme zu kümmern. Sechs Rettungshubschrauber starteten und lande­ ten pausenlos, um die Schwerstverletzten in die umliegenden Krankenhäuser zu trans­ portieren. Dazwischen immer wieder die

schwarzen Wagen. Ein ums andere Mal mußten sie fahren, um ihrer traurigen Pflicht nachzukommen. 20 schwarze Planen ent­ lang des Brückengeländers ließen ahnen, welche grausigen Folgen dieser Unfall hatte. Allen Helfern war das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Verbissen, teilweise wie in Trance, verrichteten sie ihre Arbeit, kon­ zentrierten sich auf ihre Aufgabe, verdräng­ ten so die schrecklichen Eindrücke für den Moment. Keiner jedoch wird jemals dieses schreckliche Szenario vergessen können. Auch die Überlebenden stehen unter Schock. Sie gehen apathisch um den Bus herum, können nicht begreifen, was passiert ist. Ein makabres Phänomen, das immer wie­ der festzuhalten ist, wenn es kracht oder Blut fließt, sind die Gaffer. Das Schlagwort vom Katastrophen-Tourismus taucht auf. Bewaffnet mit Ferngläsern, Fotoappara­ ten und Videokameras versuchten die Schaulustigen, jedes blutige Detail zu erfas­ sen. Kinder wurden hochgehoben, um auch ihnen einen Blick auf das Geschehen zu gön­ nen. Zunächst waren es die Ortskundigen, die auf einem Hügel in der Nähe der Unfall­ stelle die Plätze in der ersten Reihe besetzten. Später, als die Meldung über das Autora­ dio kam, trafen sie aus ganz Süddeutschland ein. Nahezu tausend Schaulustige drängten sich hinter der Absperrung der Polizei. Gie­ rig starrten sie auf das entsetzliche Treiben, konnten offenbar von dem grauenhaften Anblick nicht genug bekommen. Im März 1993 wurde der Unglücksfahrer vom Landgericht Konstanz zu drei Jahren Gefängnis verurteilt … Helmut Kaiser 311

Einbruch im Sommerautunnel Eine frohe Gesellschaft hatte sich am Abend des 30. Dezember 1869 im Gasthaus ,,Rößle“ auf der Sommerau zu einem Fest­ essen eingefunden, um einen Teilerfolg ihrer schwierigen Arbeit im Sommerautunnel, jetzt schon den zweiten, zu feiern. 70 Mann, Arbeiter wie Unternehmer, letztere damals „Accordanten“ genannt, zählte man; selbst Inspektor Grabendörfer, der Leiter der „Groß­ herzoglichen Eisenbahnbau-Inspektion“, hatte für Stunden sein Büro im „Löwen“ in Triberg mit der Gaststube auf der Sommerau vertauscht, auch „Sectionsingenieur“ Gok­ kel und Geometer Amann, vom anonymen Verfasser eines Artikels in der Zeitung „Der Schwarzwälder“ (15.Januar 1870) ,,Berggei­ ster“ genannt, nahmen daran teil. Während draußen grimmige Kälte herrschte, ließ man es sich drinnen gutgehen. Grund zur Freude und sich wohlzufühlen hatte man genug. Die zweite Teilstrecke bis Schacht Eins von Nußbach her (unter der oberen Steinhalde) war geschafft, ein Hindernis „zur Hälfte“ überwunden: das Quellwasser, nicht der harte Stein, – der „scheint den kräftigen Armen der Italiener ein Spaß zu sein“ – bereitete die größten Schwierigkeiten. Selbst die Dampfpumpen waren mit seiner Beseiti­ gung fast überfordert. Aber da war sich der Verfasser sicher, ,,in längstens einem Jahr wird der ganze Tunnel durchbrochen und die Hälfte davon ausgewölbt sein.“ Das Was­ ser wird dann dem Rhein zu abfließen. Der (superkluge) Ungar in Wien werde sich erneut wundern, wenn die Donau dann kein Wasser mehr führt, meinte er witzeln zu müssen. Die feiernde Schar konnte nicht wissen, welche Gefahren im Berg noch auf sie lauer­ ten. Die Arbeiten stießen, wie es bei einem Unternehmen dieser Art nicht anders zu erwarten war, auf Hindernisse, jedoch auf keine größeren als in den übrigen Tunnels auch. Für unüberwindliche Schwierigkeiten im längsten Tunnel der Schwarzwaldbahn 312 (1698 m) haben die Akten, die nur sehr bruchstückhaft und leider auch fast ohne Skjzzen erhalten sind, kein Beispiel. Starker Schneefall machte im Februar 1870 vor dem Tunnel die Arbeit unmöglich, im November sammelte sich das Regenwa ser in Schacht III, so daß alles Pumpen nichts mehr half, ,,bedeutender Wasserzudrang“ im Bergin­ nern erforderte eine Akkorderhöhung um 5 Gulden pro lfd. Fuß. Wegen schlechter Wit­ terung und mangels Maschinen mußte Akkordant Meyer am 21. Februar von seinem Vertrag, den oberen Voreinschnitt zu vollen­ den, zurücktreten. Robert Gerwig persönlich inspizierte die Ausbruchstelle des Akkordan­ ten Ricono (von der Nußbacher Seite her). Er war weder mit derOrdnung noch mit dem Baufortschritt zufrieden. 50 Fuß in einem Monat müsse der Unternehmer schon erzie­ len. Die Ermahnungen, die vereinbarten Ter­ mine einzuhalten, gehörten zum täglichen Brot für Inspektor Grabendörfer und seine „Sectionsingenieure“. Als er wegen vier gleichzeitigen Aufbrüchen (Schächten) im Tunnel auf die schwierige Situation hinge­ wiesen wurde, beruhigte er, Mitte Januar 1871 werde man in der Mitte des Tunnels eine Ausweichstelle haben. Die Unterbrechung der Arbeiten durch den Deutsch-Französi­ schen Krieg fließt nicht ausdrücklich in die Akten ein. Da geschah völlig unerwartet an einer Stelle, die tags darauf vollständig eingewölbt werden sollte, am 16.Juni 1871 ein schwerer Einbruch in diesem Tunnel: ,,Gestern Nacht 3/4 9 Uhr erhielten wir (die Großherzogliche Eisenbahnbau-Inspektion Triberg) die An­ zeige des Ingenieurs Gebhard, daß Abends 7 Uhr, das in Auswölbung begriffene Tun­ nelstück Signal 2770 + 160 – 2772 + 170 sowie die ganze solid eingebaute Tunnel­ strecke von Signal 2770 + 140 – 2170 + 70 plötzlich eingestürzt sei, ohne daß jedoch Jemand verunglückte.“ So beginnt der Bericht Inspektor Grabendörfers an die

Oberdirektion des Wasser- und Straßen­ Baues in Karlsruhe. Er eilte unverzüglich an die Unglücksstelle, um folgendes festzustel­ len: Tote und Schwerverletzte hatte es nicht gegeben, dagegen einige leichtere Qiet­ schungen. Die sofortige Zählung ergab: kei­ ner fehlte. Das war ein Glück! Einzige Ursa­ che dafür war, ,,daß sich 7 Uhr in der genann­ ten Gewölbzone sowie in der eingebauten Strecke ein momentanes Krachen hörbar machte, so daß die Arbeiter aufmerksam wurden und noch Zeit genug hatten sich zu entfernen.“ Das Paradoxe der Situation war dies, daß an anderen Stellen der Berg mehr drückte, auch größerer „Wasserzudrang“ herrschte, aber nichts Derartiges geschehen war, hingegen hier, trotz der gleichen Abstüt­ zungen wie dort „trockener durchaus zer­ klüfteter Gneis mit viel Gerölle“ auf eine Länge von etwa 100 – 130 Fuß und 40 Fuß Breite herunterbrach. Eine Schuld treffe nie­ mand, betonte Grabendörfer und beeilte sich hinzuzufügen, daß „die über den Tun­ nel wegziehende Landstraße … auf fertigem Gewölbe“ liege und ebensowenig gefährdet sei wie der Bauernhof, obwohl sich „auf der Erdoberfläche … gestern Nacht immer noch Bewegungen und Risse“ zeigten. (Der Abstand zwischen Tunnelscheitel und Erd­ oberfläche betrug 20 m). Das schwere Konvolut im Generallandes­ archiv in Karlsruhe über den Eisenbahnbau von Hornberg nach St. Georgen enthält dazu ein handschriftliches Schreiben von Baudirektor Robert Gerwig – und dies ist von gedrängter Kürze. Er empfahl Graben­ dörfer am 28. Juni 1871, ,,für die stark drük­ kenden Tunnelparthien also namentlich für die obere Sommeraustrecke … die Lehrge­ räte etwas zu verstärken“, und bat um eine Pause des bisherigen Systems und um einen Entwurf für die nötige Verstärkung. Graben­ dörfer verfaßte umgehend ein Schreiben an Gerwig. Diesem war Längs- und Qierschnitt des bisherigen jedem Druck standhaltenden Lehrgerüsts beigefügt. Man hatte begonnen, den Schutt aufzuräumen, war aber noch nicht so weit vorgedrungen, die Einbruch- stelle und damit den Grund für den Ein­ bruch exakt erkennen zu können. Bis jetzt konnte man nur sagen: die Auflager waren noch gut. Die ersten Gewölbschichten wa­ ren etwas verschoben. ,,Bei D angekommen wird sich erst zeigen, ob nicht die vermutete Schichtung bis S die Ursache des Einsturzes war, die möglicherweise abgerutscht ist, und den Einbau umgeworfen hat.“ Für die Ein­ wölbung der Strecke AE sind 20 Zoll hohe Steine vorgesehen, diese sind, um jede Ver­ zögerung zu vermeiden, bereits bestellt. ,,In der Einbruchstelle DCE scheinen noch ein­ zelne Ständer zu stehen, die umgeworfenen haben die Richtung FG“. Die herausge­ schafften Bogenstücke seien übrigens nicht zusammengedrückt, trotzdem wird man sie durch ganze Hölzer ersetzen und zusätzlich abstützen. Grabendörfer hegte nicht den geringsten Zweifel, daß der Einbau der neuen Wölbung „noch eine gefährliche Arbeit geben wird.“ Dem bisherigen Akkor­ danten August Thomas wollte Grabendörfer die Arbeit des weiteren Ausbruchs zwischen Schacht III, der wieder in Betrieb gesetzt wurde, und Schacht IV überlassen, er kenne das Gestein, ein anderer müßte sich erst neu damit vertraut machen. Im unteren Teil des Tunnels wurde die Wölbung von Schacht I bis zur Mündung fortgesetzt, von Schacht II aus wurde der Ausbruch in beiden Richtun­ gen begonnen. Die Oberdirektion für Wasser- und Stra­ ßenbau Karlsruhe mahnte am 18. August 1871 einen ausführlichen Bericht von der Eisenbahnbauinspektion in Triberg an. Gra­ bendörfer mußte noch um vier Wochen Geduld bitten, ,,da wir noch nicht an die Einbruchstelle resp. eingebaute Strecke vor­ gedrungen sind, nur wenig Arbeiter der Vor­ sicht halber beschäftigt werden können“, Anordnungen des Großherzog!. Respizien­ ten abgewartet werden müssen, die Ausräu­ mung von oben geschehen und die begon­ nene Gewölbzone hergestellt werden muß. Er kam der Aufforderung gewiß nach, doch war dieses Schreiben ebensowenig zu finden wie eine Skizze zu den obigen Angaben. 313

Die Ausräumungsarbeiten waren kompli­ ziert und zogen sich, verglichen mit dem sonstigen Tempo des Vorgehens, lange hin. AkkordantJakob Ulmer war um seinen Auf­ trag wahrlich nicht zu beneiden. Die Dring­ lichkeit des Baufortschritts duldete keinen Aufschub, doch konnte man über die Kosten lange keine Einigung mit ihm erzie­ len. Grabendörfer mußte von der Möglich­ keit Gebrauch machen, ,,unter der Hand“ einen vorläufigen Vertrag abzuschließen. So liefen Arbeiten und Verhandlungen parallel. Erst am 11. November 1871 bescheinigte Ulmer den Empfang eines Vertragsexem­ plars über das „Ausräumen des Einbruchs“, der Vertrag war erst am 28. September abge­ schlossen worden. Und schon sechs Tage nach Empfang legte Ulmer am 16. Novem­ ber 1871 die Endabrechnung über seinen Auftrag vor, ,,soweit solche zu Tage mög- lieh.“ 616 112 Tagschichten haben er u. a. für Erd- und Sprengarbeiten, für das Schmieren der Wagen, den Transport des Geschirres zur Schmiede aufwenden müssen, für die Arbei­ ten des Wagners und des Schmieds rechnete er noch einmal 891/4 Tage, so kam er auf 7053/4 Tage. Ingenieur Gebhard berechnete am 15. Dezember 1871 für das „Ausräumen des Tunnels nebst Unterfangen der Lehrbo­ gen am Gewölbstück, Verstärkung des Ein­ baues und Abfuhr des Schuttes an die Seiten­ ablagerung bei Profil 25-27 für Aufsicht, Mineur, Schutter, Schmied und Wagner 437112 Tage, wobei die persönliche Leistung Ulmers, Kohle, Stahl, Eisen, Wagenholz und Stifte unberücksichtigt blieben. Aus dem Tunnel waren 292 Schichtwagen und 22 Wagen mit abgängigem Holz gebracht wor­ den. (33 Wagen faßten eine Kubikrute = 27 Kubikmeter). Die Länge der eingebrochenen „Das Kamin“ vor dem Hinterchristsbauernhof auf der Sommerau. Es wurde während des Zweiten Weltkrieges bewacht. Wachsoldat ist Flaschner Mayer aus St. Georgen. Im Hintergrund ein Schild­ häuschen. Aufnahme aus dem Jahr 1939. 314

Gewölbezone betrug 30,4 Fuß. In Gulden gerechnet kam Ulmer auf 1850, die Behörde nur 1693,57. Die Differenz ergab sich daraus, daß die Arbeit „viel schwieriger wurde, als angesehen werden konnte“ und zu sehr mit Arbeitern übersetzt werden mußte, so daß nicht mit Vortheil gearbeitet werden konn­ te.“ Ganz abgesehen vom unverhältnismä­ ßig hohen Taglohn und den hohen Akkor­ den hatte er auch das Zu- und Abfahren des Geschirres und der Rollbahn nicht auf­ geführt, auch nicht die zwei Gulden, die er dem Führer der (Dampf-)Maschine täglich bezahlen mußte, obwohl diese längere Zeit stillstand. Sein größter Nachteil, der nicht in Zahlen auszudrücken war: Er mußte die Arbeit im unteren Einschnitt liegenlassen, die im September fertig geworden wäre, jetzt aber, am 5. November 1871, wird ihn mög­ licherweise der Winter daran hindern. Gefährliche Situationen ergaben sich noch mehrfach. Am 5. Dezember 1871 mel­ dete Sektionsingenieur Gebhard der Inspek­ tion in Triberg, ,,daß heute Vormittag bei Ausräumung des Einbruchs vom oberen Portal aus sich eine größere Masse Schutt in den Tunnel drängte und hierbei die Bogen .. . in der Mitte etwas eindrückte“. Schon am 8. Dezember hatte er zu berichten, ,,daß heute früh 7 Uhr sich am Einbruch eine bedeutende Senkung des Materials zeigte, welche den Schacht mit hinabzog . . . Hier­ bei legte sich eine senkrechte Felswand, wel­ che ebenfalls nachzubrechen droht.“ Und am 17. April 1872 „zwischen 12 und 1 Uhr“ gab es „in der hinteren Ecke links … (vom oberen Portal abwärts gehend genommen) eine Bewegung, welche in dem 4. und 5. Kranz von oben gerechnet einige Zangen zersprengt und den Sperriegel stark einge­ drückt hat.“ Von der Schwere der „Katastro­ phe“ am 16. Juni 1871 waren sie alle nicht. Akkordant Ulmer hatte noch mindestens das ganze erste Halbjahr 1872 mit Ausräu­ mungsarbeiten zu tun. Dem aufmerksamen Beobachter der Landschaft fallen auch heute noch Verände­ rungen über der Strecke dieses längsten Tun- nels auf. Um an der Einbruchstelle den Druck vom Tunnel zu nehmen, schlug man neben dem „Gästehaus Lauble“ eine tiefe Kerbe in die Landschaft und ebnete mit dem Aushub eine Senke auf der anderen Seite der Bundesstraße ein. Im Haus selbst sind die durchfahrenden Züge leise zu hören; ist die Erde gefroren, ist sogar ein leichtes Schüttern zu spüren. Zur Beschleunigung der Bauar­ beiten wurde die Tunnelröhre nicht nur von den beiden Portalen aus vorangetrieben, sondern auch von mehreren Schächten aus. Zwei dieser Schächte lagen schon vor dem oberen Portal und gingen in der Bahnlinie auf. Die Tiefe der übrigen Schächte von Nußbach her betrugen 78, 62 und 34 m (Angaben von Wilhelm Epting, St. Geor­ gen). Eine der deutlichsten Spuren hinter­ ließ auf dem Gewann des Hinterchristsbau­ ernhofes Schacht II, bis heute „Kamin“ genannt, der, solange die Schwarzwaldbahn mit Dampf fuhr, als Rauchabzugsschacht diente, danach verschlossen wurde und als niedriger Stumpf weiterlebt (s. Foto). Karl Volk Vorstehender Beitrag ist das Ergebnis eines Projekts, das der Ve,fasser mit der Klasse 8a der Realschule St. Georgen im Schuljahr 1992/93 durchführte. Für freundliche Auskünfte sagt er mit der Kume Einwohnern St. Georgens, der Sommerau und der Steinhalde in Nußbach auf richtigen Dank. Qu e l l e n: GLA Karlsruhe 421/385-387 ,,Der Schwarzwälder“ Kreisblatt Villin­ gen zugleich Amtliches Verkündigungs­ Blatt für die Großh. Amts- und Amts­ gerichtsbezirke Triberg u. Villingen 1870 315

Landschaft, Umwelt Geheimnisvolle Ursprünge? Gedanken zu drei bekannten Begriffen im Landkreis: Donau, Neckar, Baar Wo gibt es das in Deutschland sonst: daß in einem einzigen Landkrei glei h zwei Flüsse ihren Anfang nehmen, die in so hohem Maße die Phantasie vieler Menschen beschäftigt haben und Anlaß zu zahlreichen Volksliedern, Gedichten, Sagen und Ge­ schichten sowie zu vielen Werken der bil­ denden Kunst waren. Darin werden Donau und Neckar wohl nicht einmal vom Rhein übertroffen; von Weser, Elbe, Mo el, Lahn und Saale ganz zu schweigen. Doch nicht davon soll die Rede ein, ob­ wohl man sehr wohl fragen könnte, was denn römische Kaiser dazu trieb, in aufwendigen und nicht ungefährlichen Expeditionen die Quellen der Donau zu suchen; und warum reisten die württembergischen Herzöge und Könige mehrfach eigens ins Dorf Schwen­ ningen, um einen Schluck aus der angeb­ lichen �eile des Neckars zu nehmen und wenigstens einen Gedenkstein zu setzen? Quellen und Ursprünge haben von jeher und bis in unsere Träume hinein einen hohen symbolischen Wert. Darum darf es uns eigentlich auch nicht wundern, wenn sich um die Ursprünge dieser Gewässer Legenden und Wunschgedanken spinnen, die im Gewande der ganz gewissen Wahrheit daher kommen. Aber, was ist schon „Wahr­ heit“: gibt es nicht moderne Philosophen, Abb. l: Q}telle bei der Marti11skapelle im September 1989 316

die diesen Begriff überhaupt ablehnen? Und wer unterscheidet schon genau Wahrheit und Wirklichkeit? Jedenfalls ist Wahrheit nicht immer so einfach wie ihre Eiferer gern vorgeben. So verhält sich das denn auch mit den Ursprüngen von Donau und Neckar. Nehmen wir zum Beispiel den Neckar: Die Schwenninger haben zwar mindestens zwei erklärte Neckarquellen auf ihrer Gemar­ kung; aber die Eschachquelle entspringt 14 km weiter von der Neckarmündung entfernt als die Schwenninger Quellen und obwohl die Eschach noch dazu mehr Wasser als der Neckar oberhalb des Zusammenflusses führt, hat sie bisher noch niemand als den „eigentlichen“ oder „wirklichen“ Neckar in Anspruch genommen. Rechts: Abb. 2: Brigachquelle unter dem Hirz­ bauernhof, gleicher Aufnahmetag wie Abb.] Unten: Abb. 3: Auifluß des Donaubaches aus der Schloßquelle in Donaueschingen, gleicher A1ifnahmetag wie Abb. 1 und 2 317

Überhaupt handelten die Schwenninger ziemlich pragmatisch. Als die früher von Herzog Eberhard Ludwig und von König Wilhelm I. beehrte gut württembergische Q!ielle wegen der Salinenbohrungen 1825 ausblieb, wurde der Gedenkstein entfernt und die nahe Rietenquelle kurzerhand zur Neckarquelle erklärt. Als diese beim Eisen­ bahnbau 1868 versiegte, entschloß man sich, den Neckarursprung ins Schwenninger Moos zu verlegen. Um das recht eindrucks­ voll zu gestalten, hoben die Schwenninger 1934 sogar einen „neuen Moosweiher“ aus. Inzwischen steht aber wieder die Nachbil­ dung des Gedenksteins von 1733 an der Stelle der früheren Neckarquelle. Seitdem gibt es also mindestens zwei Neckarquellen allein in Schwenningen, ganz abgesehen vom Kugelmoosbach, der Muslen und dem Brühlgraben. Abgesehen auch, wie gesagt, von der viel längeren Eschach. Bei der Donau ist die Sachlage etwas kom­ plizierter. Da gibt es eine Quelle neben dem Donaueschinger Schloß, die seit mindestens 1292 als Ursprung des Donaubaches archiva­ lisch bezeugt ist; aber der floß nach anfangs parallelem Lauf schließlich in die größere Brigach, kurz bevor die sich mit der Breg ver­ einigte. Brigach und Breg indessen entsprin­ gen einige Zehnerkilometer weiter oberhalb im Schwarzwald. Nun darf man durchaus darüber spekulieren, ab wo denn nun genau der Name „Donau“ gültig ist und ob tatsäch­ lich der viel kleinere Donaubach den beiden größeren Flüssen Brigach und Breg seinen Namen aufgezwungen hat. Das ist übrigens bei vielen Flüssen der Fall und eine bloße Frage der historischen Namengebung, nicht aber wissenschaftlicher Klassifizierung. Man denke nur an das Paar Rhein/ Aare oder Elbe/ Moldau. Unbeeindruckt davon, ob denn nun der Name Donau ab dem Einfluß des (seit 1820 verdolten) Donaubaches in die Brigach berechtigt ist oder nicht: Aus durch­ aus praktischen Gründen setzen heute die amtlichen Stellen den Kilometer „Null“ der Abb. 4: Blick über die Riedbaar vom Wartenberg aus mit den Mäandern der Donau 318

Abb. 5: Quellhach bei Aufen Donau exakt am Zusammenfluß der Brigach und der Breg, folgen also dem Beispiel der Weser beim Zusammenfluß von Werra und Fulda. Anders als beim Neckar schwelt allerdings ein zuweilen heftig entflammender Streit zwischen manchen Furtwangern und Do­ naueschingern darüber, welche von beiden Städten denn nun im Besitz der „wahren“ Donauquelle sei. Nein, ich widerstehe der Versuchung, weitere „Beweise“ für die eine oder andere These zu liefern. Und ich finde den Urteilsspruch des „hohen und grobgün­ stigen“ Stockacher Narrengerichts von 1984 ausgesprochen weise: ,,Der Streit um die Donauquelle ist zu schön, als daß er durch ein närrisches Urteil für alle Zeiten beendet werden dürfte“. Einen weiteren Streit könnte entfachen, wer behauptet, die sogenannte Quelle der Breg sei mindestens so zweifelhaft wie die Donauquelle. Und das läßt sich begründen. Spätestens seit es nämlich Landkarten gibt, wird der Name Breg für jenen Bach veiwen­ det, welcher aus Süden kommt, vom Haus­ ebenehof her aus „Hinterbreg“, aus Mäders­ tal und Schnabelstal sich speist und aufFurt­ wangen zufließt. Das entspricht auch den ursprünglichen Gewannamen. Folglich flie­ ßen die von Norden her von Neuweg, Kat­ zensteig und aus den Schützenbachtälern kommenden Bäche zwar in die Breg, führen vielleicht sogar mehr Wasser, aber keinesfalls ihren Namen. Nun kann man freilich die historische Namengebung beiseite schieben und nach der „wahren“ Quelle fragen. Damit wird dann meist der Anspruch verbunden, „wissenschaftlich“ vorzugehen. Allerdings ist es fast beliebig, ob man dann die höchst­ gelegene oder die am weitesten von der Mündung entfernte oder die wasserreichste Quelle als die „wahre“ oder „eigentliche“ an­ nimmt. Bestenfalls handelt es sich dabei um Konvention, die aber dadurch nicht unbe­ dingt an Wahrheit gewinnt oder als unum­ stößliche „Wissenschaft“ zu bezeichnen wäre. 319

Abb. 6: Tiefer Qj1ellweiher in der Riedbaar bei Donaueschingen Wer trotzdem da Spiel spielen möchte, ,,wissenschaftlich“ vorzugehen, sollte sich a) genaue Karten besorgen, b) nachmessen, c) selbst nachschauen, ob die Karten auch stim­ men. Und da ist denn die „wahre“ Bregquelle für manche Überraschung gut. Entscheidet man sich nämlich für das Kriterium „am wei­ testen entfernt“, so darf man die Bregquelle entweder im Oberen Katzensteig am Brigle­ rain oder im „Neuweg“ nahe der Martinska­ pelle suchen. Wer sich an die Meßtischblät­ ter hält, wird bald mit Überraschung fest tei­ len, daß zwar vom Briglerain ein geschlosse­ ner Wasserlauf der Breg zufließt, nicht aber von der Martinskapelle her. Und wer sich die Mühe macht, den Befund nachzuprüfen, wird bald finden: die Karte stimmt. Die Was­ sermenge der kleinen �eilen unter der Mar­ tinskapelle reicht gar nicht, um außerhalb der Schneeschmelze einen zusammenhän­ genden Bach zwischen Kolmenhof und Jonasenhof zu bilden. Die in Stein gefaßte �eile versiegt im Spätsommer sogar oft 320 ganz. Erst unterhalb des Jonasenhofs kann wirklich von einem Bach gesprochen wer­ den. So gesehen wäre also die �eile am Briglerain am weitesten von der Donau­ mündung entfernt. Wer freilich ganz spitz­ findig ist, kann noch oberhalb der mit zwei textreichen Bronzetafeln geschmückten und vor rund 30 Jahren gefaßten Quelle unter der Martinskapelle noch weitere Sickerquellen entdecken. Geologen sprechen von „Naß­ gallen“, welche bestenfalls „Seitenbäche“ oder „Hungerbäche“ speisen. Aber ist es denn wirklich „wissenschaftlich“, das nun gleich „Breg“ oder gar „Donau“ zu nennen? Und sind denn historische Namen weniger ,,wissenschaftlich“? Szenenwechsel: gehen wir hinüber zur Brigachquelle unter dem Hirzbauernhof. Fast unverändert schüttet ie jahrein, jahraus eine zwar bescheidene aber zuverlä sige Wassermenge in den Teich, der dann ganz ohne Zweifel die Brigach entläßt. Keine Tafel, keine Behauptung, obwohl auch sie

einmal als „eigentliche“ Donauquelle in Anspruch genommen wurde. Da steht nur schlicht eingemeißelt: ,,Brigachquelle“. Dar­ unter ist die Kopie des „Dreigöttersteins“ eingefügt, der heute unangefochten als Zei­ chen keltisch-römischer �ellenverehrung gedeutet wird und im vorigen Jahrhundert im Mauergewölbe des Hirzbauernhofs ge­ funden wurde. Nein, ich hole jetzt nicht zum großen Lob der Donauquelle neben dem Donaueschin­ ger Schloß aus; auch wenn sie ständig zwi­ schen 15 und 80 1/s Wasser liefert, eine Größenordnung mehr als die Quellen von Brigach und Breg; auch wenn sie schon von Sebastian MÜNSTER 1538 vermessen, als „Fons Danubii“ bezeichnet wurde und ihr Bach seit 1292 in Übereinstimmung mit den ältesten Urbaren als Donau oder „Thonaw“ benannt wurde. Ich will auch nicht die anti­ ken Schriftsteller bemühen, welche die Quelle oder die �eilen (,,Fontes“) der Donau such­ ten, fanden oder jedenfalls davon berichte- ten, handele es sich nun um Herodot, Stra­ bon, Plinius oder Ausonius. Mir geht es um etwas anderes, was über dem närrischen Streit um „die“ �eile gern übersehen wird, aber mindestens so aufregend ist. Da ist einmal der Name „Baar“. Zweifellos ein weit in die Vorgeschichte zurückreichen­ der Name, weit älter als das Germanisch/ Ala­ mannische; ich folge einer gründlichen Arbeit von H. BANSE (1984), wenn ich annehme, der Name sei sogar älter als die kel­ tischen Namen „Neckar“, ,,Donau“, ,,Brige“ und „Brege“. Linguistische Vergleiche und geographische „Realproben“ sprechen da­ für, daß sich in „Baar“ ein indogermanisches Wort (,,bher“) verbirgt, das „aufwallen“ be­ deutete und sich bei Kelten und Illyrern zu „bara“ mit der speziellen Bezeichnung von Sumpf- und �ellenland wandelte; in dieser Bedeutung blieb es bis heute unter anderem im südslawischen Wortschatz erhalten. Tatsächlich ist die weite Riedbaar zwi­ schen Schwenningen, Hüfingen und dem Abb. 7: Wallende Nebel über der Donau in der Riedbaar 321

Abb. 8: Breg beim Tierstein!Zindelstein Wartenberg – so zeigen die vegetationsge­ schichtlichen Untersuchungen – ein wirkli­ ches Sumpf- und Quellenland gewesen. Das muß angesichts der trockeneren, großen­ teils verkarsteten Hänge und Hochflächen ringsum zu Zeiten der Landnahme ein ein­ drückliches Erlebnis gewesen sein. Treffen wir doch noch heute zwischen Allmends­ hofen und Donaueschingen auf einem Qua­ drat von 2 x 2 km runde 25 Quellen an, die insgesamt – je nach Wetterlage – zwischen 500 1/s und über 1000 1/s Wasser spenden. Von ihnen ist die Schloßquelle nicht einmal die stärkste. Nach dem eingehenden Stu­ dium alter Karten und Aufzeichnungen ver­ anschlage ich die ursprüngliche Zahl dieser Quellen und Lachen im Bereich der Ried­ baar auf über 100. Erst die systematische Trockenlegung dieser Landschaft seit dem späten 18. Jh. und besonders in den letzten Jahrzehnten reduzierte diese Quellen mit zunehmender Geschwindigkeit auf inzwi­ schen weniger als die Hälfte. Natürlich ist zu fragen, wie es zu dieser unvergleichlichen Häufung von Quellen in der Riedbaar kommt, weil diese Landschaft selbst eigentlich im ausgesprochenen Nie­ derschlagsschatten des Schwarzwaldes liegt. Falls man das genau wissen will, ist die Ant­ wort gar nicht so einfach. Zwar sind Versin­ kungsstellen der Breg unterhalb von Wolter­ dingen und bei Hüfingen bekannt und an­ dere der Brigach wurden vermutet. Man weiß auch, daß die Wässer im verkarsteten Oberen Muschelkalk versitzen und daß die Quellen der Riedbaar artesisch gespannt als soge­ nannte „Waller“ das dünne Dach des dar­ überliegenden Keupers in domartigen Quell­ kuppeln durchbrechen, vermutlich an Stellen früherer Dolineneinbrüche, die heute frei­ lich unter 10-15 m mächtigen eiszeitlichen Kiesen und Sanden verschüttet sind. Aber die bekannten Versinkungsmengen sind viel geringer als die Quellschüttungen und frü­ here Salzungsversuche lieferten keine Hin­ weise auf tatsächliche Zusammenhänge zwi- 322

Abb. 9: Donau bei Neudingen sehen den Versinkungsstellen und den Q!iel­ len. Erst 1971 konnte H. HÖTZL durch Fär­ beversuche mit Uranin bei allerdings hoher Wasserführung nachweisen, daß sich Breg­ wasser in 15 von 22 Q!iellen im Donau­ eschinger Raum nach 41-65 Stunden wie­ derfindet. Für den Hauptdurchgang errech­ nete sich bei der Gutterquelle eine Ge­ schwindigkeit von rund 70 m/h. Ein späterer Versuch bei niedrigerem Karstwasserspiegel blieb hingegen, wie schon frühere, ergebnis­ los. Der Forscher versuchte das mit einer möglichen Verschiebung der Abflußrich­ tung bei unterschiedlicher Wasserführung zu erklären. Wie dem auch sei und einerlei wieviel des im Donaueschinger Ried aufstoßenden Wassers denn nun Fremdlingswasser ist: Q!iellen bleiben eben Quellen. Deren Faszi­ nation kann man sich freilich nur schwer entziehen. Und wenn sie derart dicht und reichlich sprudeln wie bei Donaueschingen, wird wohl leicht verstehbar, warum die Erstbesiedler vor vielleicht 4000-5000 Jah­ ren dieser überraschend weiten, noch dazu moordurchsetzten Q!iellenlandschaft den Namen „Baar“ gegeben haben. Hier in der Riedbaar bekommt die Donau auch ihr eige­ nes unverwechselbares Gesicht. Da ist es vielleicht noch von historischem Interesse, welche der zahlreichen Q!iellen denn nun ,,wirklich“ Taufpatin der Donau gewesen ist. Aber selbst Zahlenfanatiker können nicht übersehen, daß die Breg zwar durchschnitt­ lich 5 m3/s und die Brigach 3 m3/s vor Do­ naueschingen zur Donau beitragen, daß ihr aber immerhin 4 m3/s zwischen Donau­ eschingen und Geisingen aus bekannten und unbekannten Q!iellen zufließen. Prof. Dr. Günther Reichelt Literatur im Almanach zur Donau: Almanach 1985, Seiten 170-181, und Almanach 1989, Seiten 237-242, zum Neckar: Almanach 1984, Seiten 215-221, zur Baar: Almanach 1985, Seiten 103-113. 323

Voraus ging ein Auftrag der Stadt an das Leonberger Landschaftsarchitektenbüro Eppinger & Schmid, ein Vorkonzept auszu­ arbeiten. Der Gemeinderat der Stadt und der Aufsichtsrat der Kur- und Bäder GmbH haben im März 1990 beschlossen, daß sich Bad Dürrheim bei der Landesregierung um die Ausrichtung der Landesgartenschau 1994 bewerben soll. Für die Bewerbung um die Landesgarten­ schau 1994 waren folgende Gründe maß­ gebend: Chance der Sanierung und Erweiterung des Kurparks und damit Verbesserung der Wettbewerbssituation hinsichtlich der Realisierung des freien EG-Binnen­ marktes ab 1993 auch für Kurorte, – Aufwertung der Grünbeziehungen vom Kurpark in die Innenstadt, städtebauliche Ordnung des südlichen Stadtbereichs und Schaffung einer neuen Ost-West-Wegeverbindung vom Kapf­ wald über den Kurpark zum Sportge­ lände, Unterstützung der Biotopvernetzung im stadtnahen Bereich. Gemeinderat und Aufsichtsrat der Kur­ und Bäder GmbH haben für die Finanzie­ rung der Daueranlagen, die zur Landesgar­ tenschau gebaut werden und auch danach den Einwohnern und Gästen zur Verfügung stehen, eine Kostenobergrenze von 12,4 Mio. DM gesetzt. Der Durchführungshaushalt, der sämtliche Ausgaben und Einnahmen der über fünfmonatigen Veranstaltung beinhal­ tet, soll kostendeckend gestaltet werden. Die Landesregierung gab der Bewerbung von Bad Dürrheim im April 1990 statt. Die Auslobung des bei jeder Landesgartenschau üblichen Ideen- und Realisierungswettbe­ werbs konnte begonnen werden. Im Juni 1990 waren die Wettbewerbsunterlagen zu­ sammengestellt und bei der Sitzung des Preisgerichts im Oktober 1990 wurden 18 Ar­ beiten bewertet. Der 1. Preis wurde an die Landschaftsar­ chitekten Krupp & Losert, Denzlingen, der 2. Preis an die AG Freiraum, Dittus und Part- ner, Freiburg, vergeben. Das Preisgericht empfahl der Stadt, den weiteren Planungs­ auftrag an beide Büros zu vergeben. Ent­ sprechend dieser Empfehlung wurde das Büro Krupp & Losert mit der Bearbeitung des eigentlichen Kurparkbereiches und des Ausstellungskonzeptes und die AG Frei­ raum, Dittus und Partner, mit der Bearbei­ tung des Kurhausvorbereiches, des Salinen­ parks und der Ost-West-Wegeverbindung beauftragt. Das Jahr 1990 fand seinen Abschluß mit der Gründung der Landesgartenschau Bad Dürrheim 1994 GmbH durch die Stadt Bad Dürrheim, die Kur- und Bäder GmbH Bad Dürrheim und die Förderungsgesellschaft für die Baden-Württembergischen Landes­ gartenschauen mbH, in der die gärtneri­ schen Fachverbände organisiert sind. 1991 wurde aus den Wettbewerbsplänen der beiden ersten Preisträger der Entwurfs­ plan für die Daueranlagen entwickelt. Dabei wurde ständig das Ziel im Auge behalten, die vom Gemeinderat gesetzte Kostenobergren­ ze nicht zu überschreiten. Parallel zur Pla­ nung der Landesgartenschau wurden von der Stadt die Hochwasserschutzmaßnah­ men mit der teilweisen Offenlegung der Stil­ len Muse! im Kurpark und der Neuverdo­ lung im Vorbereich des Kurhauses vorange­ trieben. Nach intensiver Planung und Koor­ dination konnte der Gemeinderat im Mai 1992 schließlich den Auftrag für diese Hoch­ wasserschutzmaßnahmen vergeben. Mit der symbolischen Pflanzung des er­ sten Baumes durch Staatssekretär Ludger Reddemann und Bürgermeister Gerhard Hagmann begannen schließlich am 27. Mai 1992 die Bauarbeiten zur Landesgarten­ schau. Da wegen der Offenlegung der Stillen Muse! im historischen Kurparkteil die Lan­ desgartenschau mit ihren Maßnahmen nicht beginnen konnte, wurden im Kurparkerwei­ terungsgebiet die neue Spielanlage, ein Natursee und ein Naturgarten angelegt. Dann wurde der östliche Teil des Kurparks hergestellt und dort die erste Kaiserlinden­ Allee gepflanzt. 325

und Hajduszoboszlo (Ungarn). Im Kurpark­ erweiterungsgebiet wird der „Salzpfeiler“ weithin sichtbar den Abschluß des Kurparks in südlicher Richtung markieren. 1992 wurde der Entwurfsplan für das Aus­ stellungskonzept erarbeitet. Die wesentli­ chen Ausstellungsinhalte werden im südli­ chen und östlichen Kurparkerweiterungsge­ biet zusammen mit dem als Daueranlage konzipierten neuen Rundweg und dem künftig den Vereinen zur Verfügung stehen­ den Festplatz gebaut. Interessante Beiträge werden auch die gärtnerischen Berufsverbände und sonstige bei Landesgartenschauen stets aktive Ver­ bände und Vereinigungen beisteuern. So werden der Verband Garten-, Landschafts­ und Sportplatzbau, die Baumschuler und Staudengärtner erstmals gemeinsam eine Fläche von 2500 qm gestalten, die Gemüse­ gärtner, Imker, der Landesverband Obstbau, Garten und Landschaft, der Landesverband der Kleingartenfreunde und die Landfrauen werden jeweils eigene Gärten bauen und betreuen. Auch die Landwirtschaftsverwal­ tung und die Forstverwaltung werden sich besonders engagieren. Schließlich wird auch der BUND den von den Mitgliedern des Ortsverbandes teilweise mitgebauten Natur­ garten und den selbst gepflanzten Weiden­ lehrpfad betreuen. Ergänzt wird das gärtnerische Angebot während der Landesgartenschau, die vom 29. April bis 9. Oktober 1994 stattfindet, durch eine gute gastronomische Versorgung mit einem reichhaltigen Angebot an Voll­ wertkost und eine Vielzahl kultureller Ver­ anstaltungen. In einem Glashaus werden im 14tägigen Wechsel besondere Blumen­ schauen gezeigt. Unter dem Motto „Komm ! Mach mit!“ und „Zu Gast bei den Schätzen der Natur“ lädt Bad Dürrheim zu dem in der Region einmaligen Ereignis ein. Jörg Dieterle Skulptur „Salzquell“ Aufgrund der günstigen Witterung war es möglich, im Januar 1993 die Aufschüttung des Fontänebeckens im Herzen des Kurparks vorzunehmen und die dort befindliche �eile neu zu fassen. Der neue Rosengarten südlich des Kurhauses nahm im März bereits konkrete Formen an und inmitten dieser attraktiven Anlage konnte das Kunstwerk „Salzquell“ aufgestellt werden. Die beiden weiteren Kunstwerke des jungen Freiburger Künstlers Jürgen Grieger „Salztor“ und „Salzpfeiler“, die die Bedeutung des Salzes für Bad Dürrheim und seine Entwicklung künstlerisch bewußt und sichtbar machen sollen, werden im Sommer 1993 aufgestellt. Der Standort des „Salztores“ befindet sich in der Mitte der Ost-West-Querspange, die den südlichen Abschluß des historischen Kur­ parks bildet. Entlang dieses Weges werden 6 Themengärten gebaut, u. a. ein Garten der Sinne und jeweils ein Garten der Part­ nerstädte Enghien !es Bains (Frankreich) 326

Landwirtschaft Bäuerliche Landwirtschaft auch künftig im Schwarzwald-Baar-Kreis unverzichtbar Auswirkungen der EG-Agrarreform und GATT-Beschlüsse müssen verkraftet werden Die Sorge um die Zukunft der Landwirt­ schaft und des ländlichen Raumes beschäf­ tigt unsere Bauern im Schwarzwald-Baar­ Kreis sehr. Die Besorgnisse beruhen vor allem auf der jüngst beschlossenen Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik in der EG. Sie ist die stärkste Kurskorrektur in der euro­ päischen Agrarpolitik seit deren Bestehen. EG-Agrarreform Die Landwirtschaft der Europäischen Ge­ meinschaft produziert seit Jahren mehr Nah­ rungsmittel, als sie zu angemessenen Preisen in der EG absetzen kann. Die Überschüsse drücken auf die Erzeugerpreise und verursa­ chen erhebliche Einkommensprobleme. Die Reformbeschlüsse sehen bei Getreide eine schrittweise Senkung der Stützpreise bis 1996 um rund 30 0/o vor. Bei Getreide, aber auch bei Ölsaaten und Hülsenfrüchten, liegt künftig das Schwergewicht nicht mehr auf der Preisstützung, sondern auf direkten Hil­ fen in Form von Hektarprämien. Um in deren Genuß zu kommen, sind die Land­ wirte, soweit es sich nicht um Kleinerzeuger handelt, verpflichtet, 15 0/o ihrer Ackerfläche stillzulegen. Bei Milch wird die bisherige Garantie­ mengenregelung bis zum Jahre 2000 verlän­ gert. Bei Rindfleisch wird der staatliche Ankauf von Rindern zu garantierten Preisen schritt­ weise zurückgeführt. Als Ausgleich für die Stützpreissenkung wird die Sonderprämie angehoben. Mit der Senkung der Getreide­ und Fleischpreise ist die EG auch den Forde­ rungen der USA ein großes Stück entgegen­ gekommen. Auswirkungen der EG-Agrarreform Insbesondere spezialisierte Ackerbau- bzw. Rindermastbetriebe können Einkommens­ einbußen erfahren. Beide Betriebstypen sind zwar im Schwarzwald-Baar-Kreis anzutref­ fen, doch ist ihr prozentualer Anteil relativ genng. Die Landwirte werden sicherlich die Her­ ausforderungen meistern und bemüht sein, sich durch Senkung der Produktionskosten an die neuen Bedingungen anzupassen. GAT T-Vereinbarungen Zusätzliche Einkommensverluste werden durch die im Dezember 1992 zwischen der EG und den USA getroffenen GATT-Verein­ barung befürchtet, die die EG-Nahrungs­ mittelexporte einschränkt sowie die Im­ porte (auch von Futtermitteln) erhöht und letztlich zu Produktionsbeschränkungen führt. Dies soll mit mehreren sich ergänzenden Strategien erreicht werden: 1. Mindestmarktzugang Die Europäer müssen einen zollbegün­ stigten Mindestzugang zum EG-Markt von 5 0/o des Nettoverbrauches der Gemeinschaft gewähren. Das bedeutet eine zusätzliche jährliche Einfuhr von 80.000 t Rindfleisch, 3-4 Millionen t Getreide, 180.000 t Milch­ produkten sowie 208.000 t Eiern. 2. Verringerung der EG-Exporte Die GATT-Partner verlangen bei den Agrarexporten der EG bis 1999 eine Gesamt­ verringerung von 21 0/o (bezogen auf die Basisperiode 1986-90), gegenüber 1991 327

bedeutet dies sogar eine Senkung der Export­ mengen um 31 %. Eine besondere Regelung hat man bei Ölsaaten gefunden. Ab 1994 kann die EG nach dem jetzigen Kompromiß höchstens 4,36 Millionen t Raps und Sonnenblumen anbauen, d. h. 1,2 Millionen ha weniger als 1992. 3. Verminderung der Exportförderung 11m 36 Prozent Diese Exportforderung soll jetzt abgebaut werden, u. zw. in der EG um 36 Prozent. Die­ ses Geld wurde dazu veiwendet, die zum EG­ Interventionspreis Gährlich festgesetzt; Ziel: Sicherung eines Mindesterlöses) aufgekauf­ ten Agrarerzeugnisse zu verbilligen, um auf dem Weltmarkt einen Käufer zu finden. Der heutige Weltmarktpreis ist jedoch haupt­ sächlich durch die ständige Exportsubven­ tionen von Überschüssen entstanden. 4. Abbau der EG-Preisstiitzung um 20 Prozent Die GATT-Partner fordern von der Gemeinschaft zusätzlich einen Abbau der internen Preisstützung. Dies kann entweder durch eine Senkung der Interventionspreise oder durch Einschränkung der Produktion (Q!loten, Flächenstillegung) erfolgen. 5. Anderung des variablen Außenschutzes in Festzölle Bisher wird der EG-Agrarmarkt durch variable Einfuhrzölle geschützt, die die Kommission je nach Weltmarktsituation festsetzt. Mit diesen Zöllen wird die Diffe­ renz zwischen dem Weltmarkt- und dem EG-Preis abgeschöpft, so daß bestimmte Weltmarktpreise das Binnenmarktpreisge­ föge nicht zerstören können. Diese variablen Zölle sollen ab 1994 in Festzölle umgewan­ delt und dann anschließend um 36 0/o gesenkt werden. GATT-Folgen für die heimische Landwirt­ schaft Der vorliegende GATT-Kompromiß wird vor allem Auswirkungen för die viehhalten­ den Betriebe bringen. Zusätzliche Ausfuhrbegrenzungen für die Milchprodukte können weitere Quotenkür­ zungen erforderlich machen, die über die in der EG-Agrarreform beschlossenen hinaus­ gehen. Die vorgesehene 40 0/oige Exportreduzie­ rung der EG bei Vieh und Fleisch und die gleichzeitig 5 0/oige Importöffnung können zu einem Preisdruck im Veredlungssektor führen. Betroffen sind vor allem die Rindvieh­ Futterbau- und Schweineerzeugerbetriebe, deren Anteil im Schwarzwald-Baar-Kreis über 96 Prozent ausmacht. Die Rindviehbe­ triebe (Anteil ca. 90 %) erzielen auf der Baar 48 Prozent, im Schwarzwald sogar 72 Pro­ zent ihrer Verkaufserlöse aus der Milch, während jeweils 24 Prozent aus der Rind­ Aeischerzeugung stammen. Auf dem so heftig umstrittenen Getreide­ markt kann davon ausgegangen werden, daß die EG ohnehin ihre Produktion einschrän­ ken muß, wenn der Getreidemarkt ein­ schließlich der Flächenprämien noch bezahlbar bleiben soll. Wenig erfreulich ist Umfang der Tierhaltung im Schwarzwald-Haar-Kreis: davon Milchkühe davon Zuchtsauen Rinder Schweine Pferde Schafe Legehennen 328 1991 46.157 18.595 28.721 2.909 1.180 3.457 52.629 1986 49.164 20.407 32.826 3.385 1.047 3.224 53.802 1974 47.243 19.353 40.452 3.864 760 3.329 128.826

Bodennutzung im Schwarzwald-Baar-Kreis: landwirtschaftliche Nutzfläche insgesamt davon Dauergrünland Ackerland Nutzung des Ackerlandes Getreide Ackerfutterpflanzen Silomais Kartoffeln Raps Hülsenfrüchte Grassamen Futterrüben Sonstiges (Öllein, Phazelia, Körnersenf u. a.) 1991 41.175 25.454 15.626 10.426 1.125 668 304 2.140 362 208 80 311 1974 45.400 28.341 16.322 10.867 2.651 89 1.471 51 553 190 347 103 hierbei, daß es bei der Einfuhr von Getreide­ substituten in die EG keine Begrenzungen gibt. Deshalb ist es völlig offen, ob und in welchem Umfang die Einfuhr von Substitu­ ten künftig zusätzlich Getreide aus den Fut­ tertrögen in der Gemeinschaft verdrängen wird. Im Landkreis Schwarzwald-Baar wer­ den 70 Prozent des erzeugten Getreides im eigenen Betrieb verwertet. Die Ölsaatregelung begrenzt die Rapsan­ baufläche zusätzlich zur 15 0/oigen Stille­ gungsverpflichtung. Wie der europäische Agrarmarkt auf die Auswirkungen des GATT-Kompromisses tat­ sächlich reagiert, ist zur Zeit exakt nicht zu kalkulieren. Zu befürchten sind jedoch zusätzliche Erlöseinbußen und Produkti­ onsbegrenzungen. Schwarzwaldhof mit den regiona!typischen Vorderwälderkühen auf der Weide. 329

Agrarstruktur des Schwarzwald-Baar-Kreises: Betriebsgrößenklasse 0,5 – 5 ha 5 – 10 ha 10 – 20 ha 20 – 30 ha über 30 ha 1991 Zahl der Betriebe / ha LN 1.998 3.552 6.765 7.572 21.288 41.175 954 490 470 307 444 2.665 1970 Zahl der Betriebe / ha LN 1.890 1.105 1.133 5.943 1.114 12.876 182 16.885 138 9.405 4.457 46.214 Bäuerliche Landwirtschaft im Schwarzwald-Baar-Kreis unverzichtbar Die bewährten Prinzipien bäuerlichen Wirtschaftens mit der Bindung an den Boden, der nachhaltigen Wirtschaftsweise, einem breitgestreuten Eigentum an Grund und Boden sowie dem verantwortungsvol­ len Umgang mit den anvertrauten Tieren und Naturgütern sind auch in Zukunft die Grundpfeiler der landwirtschaftlichen Er­ zeugung im Schwarzwald und auf der Baar. Die bewährte gesunde Partnerschaft von Haupt- und Nebenerwerbsbetrieben (Anteil z. Z. 68 O/o) wird das Zukunftsbild unserer Landwirtschaft auch weiterhin stärker prä­ gen als in weiten Teilen der übrigen EG. Ein Netz von bäuerlichen Haupt- und Nebener­ werbsbetrieben wird im Schwarzwald-Baar­ Kreis auf ökonomischer Grundlage den Prin­ zipien einer umweltgerechten Pflanzen- und Tierproduktion gerecht werden. Die heimi­ sche Landwirtschaft hat sich allerdings dem internationalen Wettbewerb zu stellen, be­ darf dabei jedoch ausreichender agrarspezi­ fischer Rahmenbedingungen, d. h. einen Ausgleich für die schwierigen natürlichen Standortbedingungen, um ihre Existenz zu sichern. Die bäuerliche Landwirtschaft unseres Landkreises wird auch künftig entscheidend dazu beitragen, daß die Pflege und Erhaltung der traditionel­ len Kulturlandschaft sowie eine flächen­ deckende Landbewirtschaftung gewähr­ leistet wird; 330 die natürlichen Lebensgrundlagen ge­ schützt und erhalten werden; der Standortfaktor Umweltqualität gesi­ chert wird; den Verbraucherwünschen entsprechen­ de, qualitativ hochwertige Nahrungsmit­ tel angeboten werden; ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der Funktionsfahigkeit des ländlichen Rau­ mes erbracht wird. Diese Aufgaben können jedoch ohne die Bäuerinnen nicht bewältigt werden. In unse­ ren bäuerlichen Familienbetrieben sind die Frauen unersetzbar. 11-12 Stunden täglich, dies haben Untersuchungen ergeben, arbei­ ten sie je zur Hälfte im Haushalt sowie im landwirtschaftlichen Betrieb. Die Land­ frauen leisten einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg eines landwirtschaftlichen Unternehmens. In den meisten Fällen stellt ihre Arbeit eine echte Mitunternehmerei­ genschaft dar und verdient daher hohe Wert­ schätzung durch die Gesellschaft. In die weitere Zukunft schauend besteht die berechtigte Sorge, ob angesichts der so schwierig gewordenen Verhältnisse in der Landwirtschaft noch genügend Bäuerinnen und Bauern bereit sein werden, in unserem Landkreis Äcker zu bestellen, Grünland zu bewirtschaften und Tiere zu pflegen. Denn über alle Gegensätze hinweg besteht die weitverbreitete Überzeugung, daß ein hoch­ industrialisiertes Land auch im Höhengebiet eine Landwirtschaft braucht. Otto Maier

Es ist seit Jahren guter Brauch der Landjugend, jeweils am Erntedankfest dem Landrat eine Ernte­ krone zu überreichen. Seit dem Einzug ins neue Kreishaus im September 1991 haben wir die Mög­ lichkeit, die Erntekrone besonders augenfällig unseren Besucherinnen und Be uchern darzubie­ ten: Wenn man durch den Haupteingang ins Kreishaus eintritt, sieht man rechts oben die Erntekrone. Sie ist ein Symbol dafür, daß der Schwa rzwa ld-Baar-Kreis ein ländlich strukturierter Landkreis ist, und wir allen Grund haben, die schwierige Entwicklung unserer Landwirtschaft mit Anteilnahme zu be­ gleiten. Auch wenn die Sorgen und Nöte unse­ rer Landwirte nicht auf Kreisebene zu lösen sind, gibt der Landkreis für die Landwirtschaft jedes Jahr einen nicht unbeträchtli- chen Betrag aus, um sein Interesse am Wohl und Wehe unserer Land­ wirte zu bekunden. Ein besonders schönes Exemplar ist die im Herbst 1992 von der Landjugendgruppe Donaueschingen-Pfohren geschaffene Ern­ tekrone. Der Zeichner des Almanach (H. Groß) hat auf Bitten der Redaktion die ver­ schiedenen Getreidearten dargestellt. Besonders unsere Jugend möge die diesen Beitrag schmückende Zeichnung studieren. Darf man heute noch davon ausgehen, daß 332 unsere KinderundJugendlichen ohne Mühe die Getreidearten bestimmen können? Aber auch für die älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger ist die Zeichnung eine hoffentlich gerne benutzte Gelegenheit, die früher er­ worbenen Kenntnisse aufzufrischen. Beim Betrachten der Bilder möge uns be­ wußt werden, daß das tägliche Brot, das wir im ÜberAuß haben, für viele Menschen auf dieser Welt rar ist. Dr. Rainer Gutknecht, Landrat

Gastronomie Hotel – Gasthof „Falken“ in Schönwald Mitten im Ortskern von Schönwald gele­ gen, gehört der „Falken“ zu den traditionsrei­ chen und renommierten Gasthäusern der Raumschaft. Erbauer des Hauses war Franz Ketterer. Dieser ist auch als Erbauer der ersten Kuk­ kucksuhr bekannt geworden (vgl. Almanach 1988, Seite 195 ff.). Beim großen Dorfbrand vom 30. September auf 1. Oktober 1890 wurde das Haus ein Raub der Flammen. Der Dorfbrand zerstörte den alten Dorfkern und damit auch das alte Dorfbild. Beim Wiederaufbau des jetzigen Hotels und Gasthofes „Falken“ blieb man dem Schwarzwaldstil treu. Der nachfolgende Besitzer war Emanuel Kuner vom Blindenhof. Sein Sohn, Her­ mann, der Großvater des jetzigen Inhabers, eröffnete im Jahre 1896 die Gastwirtschaft zum „Falken“. Im Jahre 1924 übergab er das gesamte Anwesen seinem Sohn Franz Josef. Am 30. April 1927 verheiratete er sich mit Hed­ wig, geb. Winterhalter, aus Schollach. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor, der heutige Besitzer Herbert Kuner und seine Schwester Melitta. FranzJosefKuner war ein dynamischer, strebsamer Mann. Neben sei­ ner Gaststätte und seiner 14 ha großen Land­ und Forstwirtschaft gründete er ein Taxiun­ ternehmen sowie einen Speditionsbetrieb. In den zwanziger Jahren wurde dieses Unter­ nehmen mit Pferden durchgeführt. Trans­ portiert wurden insbesondere Fracht- und Stückgut für die Schönwälder Uhrenfabri­ ken zum Bahnhof Triberg und zurück. Außerdem wurde Rundholz aus den Schön­ walder Waldungen zu den umliegenden Säg­ werken und das Schnittholz zu den Hand­ werksbetrieben und Abnehmern gefahren. Mit seinen Pferdegespannen versorgte Franz — JosefKuner bei den Häuslebauern noch den sogenannten Ackergang. Ackergang bedeu­ tete, daß den Kleinbauern ohne Gespann der Ackerboden bewirtschaftet wurde. Franz JosefKuner erkannte rechtzeitig die Bedeutung der Motorisierung. Anfang der dreißiger Jahre kaufte er sich einen Lastkraft­ wagen. Wochentags wurde Fracht- und Stückgut gefahren. An den Wochenenden wurde der Lastkraftwagen zur Personenbe­ förderung – sogenannter Höhenwagen – umgebaut und Ausflugsfahrten durchge­ führt. Mitten in der Aufbauphase des vielver­ sprechenden Personenwagen- und Spediti­ onsbetriebes verstarb am 3. August 1936 der junge, strebsame Unternehmer. Er hinter­ ließ eine junge Frau mit zwei minderjährigen Kindern. Für die junge Wirtin war es keine leichte Aufgabe, die Gaststätte mit der Land- und Forstwirtschaft weiterzubewirtschaften und den Personenwagen- und Speditionsbetrieb 333

weiterzuführen. Ihr ganzes Streben und Mühen galt nur einem Ziel, den gesamten Betrieb im Geiste ihres verstorbenen Man­ nes fortzuführen, um ihn später dem männ­ lichen Nachkommen Herbert übergeben zu können. Nach dem Tode ihres Mannes kam noch erschwerend hinzu, daß drei Jahre spä­ ter der Zweite Weltkrieg ausbrach. Der gesamte Fuhr- und Fahrzeugpark wurde beschlagnahmt. Die Fuhrleute und Kraftfah­ rer wurden zum Militärdienst eingezogen. Das Schicksal schlug bei Familie Kuner erneut zu. Am l. März 1947 verstarb Hedwig Kuner. Die minderjährigen Kinder Herbert und Melitta waren nun allein. Das gesamte Anwesen wurde unter der Obhut eines Vor­ mundes eine Erbengemeinschaft unter den Geschwistern Herbert und Melitta. Im Jahre 1949 wurde die Erbengemeinschaft aufgelöst und das gesamte Anwesen ging in den alleini­ gen Besitz von Herbert Kuner über. Herbert Kuner besuchte in Schönwald die Volksschule und wechselte dann auf das Gymnasium Triberg, welches er mit dem Einjährigen abschloß. Für den jungen Nach- folger galt es nun in der Gastwirtschaft, ins­ besondere in der Küche, mitzuarbeiten. Zu dieser Zeit war der gute Geist des Hauses Tante Hilde, eine Schwester der verstorbe­ nen Wirtin. Von ihr erhielt Herbert Kuner das notwendige Rüstzeug im Kochen. Herbert Kuner verheiratete sich am 6.Juni 1958. Aus dieser Ehe ging ein Sohn hervor. Herbert Kuner erkannte, daß aufgrund des zunehmenden Fremdenverkehrs und Tourismus‘ sein Betrieb erweitert werden mußte, denn sein Haus hatte nur sieben Fremdenbetten und 40 Sitzplätze in der Gaststube. Kuner stand auch vor der schwe­ ren Entscheidung, die Landwirtschaft aufzu­ geben, da sie keine Rendite mehr erbrachte. Die Grundstücke verpachtete er an benach­ barte Landwirte. Im Jahre 1954 erweiterte Kuner die Küche und die Toiletten wurden ausgebaut. Später, in den Jahren 1962 und 1969, wurden weitere Um- und Ausbauten durchgeführt. Das Gebäude wurde um ein Stockwerk erweitert, die Bettenzahl auf 30 erhöht und das 334

Restaurant auf 150 Sitzplätze aufgestockt. Im Erdgeschoß entstand eine Weinstube für 80 Personen. Im Jahre 1974 ehelichte Herbert Kuner in zweiter Ehe Ute, geb. Eisenhut. Mit ihr kam eine Fachkraft in das Haus. Frau Ute ist gelernte Wirtschaftsleiterin. Sie gab dem Haus ihre besondere Note. Will man lukullisch speisen, wird nicht ohne Grund in Schönwald der Gasthof „Fal­ ken“ empfohlen. Die äußere Atmosphäre ist wie geschaf­ fen, die gebotenen Gaumenfreuden stets zu einem kulinarischen Erlebnis werden zu las­ sen. 1982 wurden neue Kühl- und Lagerräume geschaffen. Die Küche wurde nochmals erweitert und nach wirtschaftlichen Ge­ sichtspunkten modernisiert. Alle Zimmer haben Dusche und WC und sind mit Tele­ fon und Fernseher ausgestattet. Herbert und Ute Kuner verfügen über ein eingespieltes Team. Er meint, wir arbeiten „einfach prima“ zusammen und freut sich über das gute Betriebsklima innerhalb der Mitarbeiter. Vier Köche arbeiten bei ihm. Die hervorragende Küche ist weithin bekannt. Zu seinen Leckerbissen gehören Wild- und Fischspezialitäten sowie Pilzge­ richte, je nach Jahreszeit, aus den heimi- sehen Wäldern. Herbert Kuner und seine Mitarbeiter gehen auch auf Sonderwünsche der Gäste ein, wie z.B. Schonkost. Auch kann man im „Falken“ einen hervorragen­ den Suppen- und Gemüseeintopf essen. Die verschiedenen Gäste kehren immer wieder gerne in das Haus zurück. Dies ist der beste Beweis, daß das Umfeld im „Falken“ stimmt. Nach Beendigung der äußerlichen Bau­ maßnahmen ließ Herbert Kuner ein kunst­ voll geschmiedetes Wirtshausschild mit ver­ goldetem Falken anbringen, das sowohl ein herausragender Blickfang für das Haus und eine Bereicherung für das Ortsbild darstellt. Dieser einmalige Zierrat ist für die Gäste und Passanten, insbesondere für die Amerikaner, ein beliebtes Fotoobjekt (vgl. Almanach 1982, ,,Bilder der Heimat“). So wurde aus einem einfachen Dorfgast­ hof innerhalb einer Generation ein Speise­ lokal mit Hotelbetrieb und Räume für viele Gelegenheiten geschaffen. Der „Falken“ ist als renommiertes Haus weit über die Grenzen Schönwalds hinaus bekannt und für den heilklimatischen Kur­ ort ein nicht zu unterschätzender Fremden­ verkehrsbetrieb. Emil Rimmele 335

Landhaus Wagner in Bad Dürrheim Kultivierte Tafelfreuden bei Kerzenlicht Ein stilvolles, herrschaftliches Gebäude im Baustil der Jahrhundertwende. Gepfleg­ tes Ambiente, Kerzenlicht, dezente Musik. Das ist die Atmosphäre, in der das Landhaus Wagner Gaumengenüsse zelebriert. Das direkt neben dem Bad Dürrheimer Kurpark gele­ gene Hotel-Restaurant gilt mittlerweile weit über die Region hinaus als erste Adresse. Auch in den wichtigen Gourmetführern (,,Guide Michelin“, ,,Schlemmeratlas“) wird e lobend hervorgehoben. Das Landhaus Wagner in der Luisen­ straße 18 befindet sich in Familienbesitz. Vor 30 Jahren als Pension von den Schwestern Maria Wagner und Anna 1-Iug gegründet, erfuhr es von der zweiten Generation eine neue Akzentuierung. Anna Hugs Tochter Brigitte, eine promovierte Ärztin, gestaltete zusammen mit ihrem Mann, Küchenmeister Edwin Schöllhorn, das Landhaus Wagner zu einem „Schlemmertempel“ um. Bewußt hielt die Familie Schöllhorn­ Hug-Wagner mit 48 Plätzen das Restaurant überschaubar. ,,Klein, aber fein“, lautet die Devise des 1989 eröffneten Gastronomiebe­ reichs. ,,Der Gast steht im Mittelpunkt und soll sich wohlfühlen“, Edwin Schöllhorn setzt auf Individualität. Der gebürtige Allgäuer Gahrgang 1952) versteht sein Fach. Sofort nach der Schule machte er sein Hobby, das Kochen, zum Beruf. 13 Jahre lang sammelte Küchenmei­ ster Schöllhorn Erfahrung in First-Class­ Häusern der Schweiz, Deutschlands, an 336

der Cöte d‘ Azur, in Griechenland und in Holland. Auch prominente Gaumen goutierten seine Speisen: In Davos bekochte Edwin Schöllhorn den damaligen baden-württem­ bergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth, in St. Moritz ließ sich der ehemalige Schah mit Gattin Farah Dibah ein exquisites Menü munden. Was die Kochkunst angeht, schwört der Küchenchef auf sein Spezialrezept. Edwin Schöllhorn verrät die Küchenphilosophie des Landhauses Wagner: ,,Marktfrische Pro­ dukte, schmackhafte Zubereitung, phanta­ sievolle Kreation, optisch ansprechende Prä­ sentation und Offenheit für neue Trends und Gästewünsche.“ Das Ergebnis überzeugt: feinste nationale und internationale Gerichte. Dabei kom­ men bei Meister Schöllhorn alte Rezepte zu neuen Ehren. Im Landhaus Wagner versteht man die Kunst, die gehobene bürgerliche Küche neu zu interpretieren. Da darf es durchaus einmal eine Rinder­ roulade oder ein gefüllter Ochsenschwanz sein, zubereitet a la Landhaus Wagner, abge­ schmeckt mit einem leichten Sößle und komponiert mit raffinierten Beilagen. Weiter stehen alleine neun verschiedene Sorten Frisch-Fisch, Wild aus heimischer Jagd sowie Menü-Vorschläge der Saison auf der Karte. Als Dessert können sich die Gäste solche Köstlichkeiten wie Flan Caramel, Rosenblatt-Halbgefrorenes oder einen haus­ geeisten Christstollen mit Glühweinpunsch auf der Zunge zergehen lassen. Harmonisch abgestimmte edle Weine runden die Gourmetfreuden ab. Ruhig und idyllisch mitten in Bad Dürr­ heims Kurgebiet gelegen, bietet das Land­ haus Wagner neben dem Restaurant sieben Zimmer (alle mit Dusche und WC). Mit Frühstücksbuffet und Halbpension umsorgt der Familienbetrieb seine Gäste. Auf Wunsch geht der diätetisch geschulte Küchenmeister Schöllhorn auch auf beson­ dere Diätanliegen gerne ein. Dagmar Schneider-Damm, M. A. Der Verband der Serviermeister und Restaurantfachkräfte, Sektion Schwarzwald-Baar, aktiv 1979 wurde in Frankfurt der deutsche Ver­ band der Serviermeister und Restaurantfach­ kräfte e. V. (VSR) gegründet. Inzwischen ge­ hören diesem Verband ca. 1500 Mitglieder an. In Deutschland gibt es ca. 30 Sektionen des VSR. Eine der rührigsten Sektionen des VSR ist die Sektion Schwarzwald-Baar, die 1985 von Hans Ulrich Lochar, Fachlehrer an der Landesberufsschule für das Hotel- und Gast- stättengewerbe in Villingen-Schwenningen, Stadtbezirk Villingen, gegründet wurde. Die Sektion Schwarzwald-Baar führt monatlich eine Fachveranstaltung durch, die der Fort­ bildung dient. So wurde im Frühjahr 1992 ein europäischer Juniorenwettbewerb um den Schwarzwald-Baar-Bodensee-Pokal durch­ geführt, der seinesgleichen in Europa sucht. Seit Jahren wirkt die Sektion VSR Schwarzwald-Baar bei hochkarätigen Veran- 337

Zwei Könner des VSR: Remo Obino vom Parkhotel Wehrle in Triberg und Gaetano Modugno vom Seehotel Siber in Konstanz demonstrieren ihr Können bei einem VSR-Abend. bermedaillen zurück. In der Landesberufs­ schule für das Hotel-und Gaststättenge­ werbe wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie die beiden Betreuer im Rahmen einer sehr schönen Veranstaltung auch von Landrat Dr. Rainer Gutknecht gebührend geehrt. Ein Mitglied des VSR Schwarzwald-Baar, Volker Wutzmann aus dem Stadtbezirk Schwenningen, wurde baden-württember­ gischer Meister bei den jungen Restaurant­ fachleuten und danach deutscher Vizemei­ ster. Gelernt hat Volker Wutzmann im Kur­ hotel Waldeck-Schrenk in Bad Dürrheim. Im VSR sind nicht nur Fachlehrer der Landesberufsschule für das Hotel-und Gast­ stättengewerbe tätig, sondern diese werden unterstützt von Wirtinnen, Wirten und Ser­ vicemitarbeitern aus der ganzen Region. Der große Enthusiasmus, ja die Leiden­ schaft, mit der Hans Ulrich Lochar die Sektion führt, trägt viel zum Erfolg dieser Sektion bei. Seine Verbindungen reichen inzwischen europaweit. Hier wird von allen ehrenamtlich zum Nutzen der Jugend im Hotel-und Gaststättengewerbe gearbeitet. Verband der Serviermeister und Restaurantfachkräfte e.V., Sektion Schwarzwald-Baar staltungen in ganz Deutschland mit, so z.B. bei internationalen Tennisturnieren, bei Golfturnieren und der Höhepunkt im Jahre 1992 war die Teilnahme einer Servicemann­ schaft am Damenessen des Weltwirtschafts­ gipfels in München, auf Schloß Hohen­ schwangau. Ob Hannelore Kohl, Barbara Bush oder Norma Major, alle Damen, die an diesem Essen teilgenommen haben, waren von der Herzlichkeit und dem fachlichen Können der Mannschaft aus dem Schwarz­ wald-Baar-Kreis beeindruckt. Übrigens wur­ den alle Speisen im sogenannten russischen Service serviert. Bei dieser Serviermethode werden die Speisen den Gästen am Tisch von links angeboten, die Gäste können sich dann selbst aussuchen, was sie möchten. Der VSR Schwarzwald-Baar ist auch in der Jugendarbeit sehr aktiv. So nahmen die­ ses Jahr zwei Jugendmannschaften unter der Führung von Jugendwart Karl Windhaber und seinem Stellvertreter Volker Heimes, beides Fachlehrer an der Landesberufsschule für das Hotel-und Gaststättengewerbe im Stadtbezirk Villingen, an einem großen Wettbewerb auf der Messe Menü und Logis in Frankfurt teil. Von sechs möglichen Me­ daillen, die zu erringen waren, kamen die Schwarzwälder mit vier Gold-und zwei Sil- 338

Sport, Tanz Internationale Deutsche Meisterschaften im Rasenkraftsport in St. Georgen am 15. 8.1992 Hochkarätige Athleten am Start Ein großes Ereignis erlebte am 15. 8.1992 die Bergstadt, insbesondere der Kraftsport­ verein 1898 e. V., der die Internationalen Deutschen Meisterschaften ausrichtete. Mehr als hundert „starke“ Männer und Frauen aus 30 Vereinen der gesamten Bun­ desrepublik waren bei den Deutschen Mei­ sterschaften im Rasenkraftsport in St. Geor­ gen zu Gast. An den Start ging alles, was Rang und Namen hat. Was versteht man unter Rasenkraftsport? Diese Sportart besteht aus den drei Diszipli­ nen Hammerwu,f, Gewicftwuif und Stein­ stoßen. Der Ursprung des Hammerwe,fens liegt in Schottland. Er zählt zu den schwierigsten technischen Disziplinen, da eine perfekte Technik nötig ist. Der Werfer muß bei höch­ ster Konzentration auf engstem Raum dre­ hend den Abwurf so wählen, daß die größt­ mögliche Weite erzielt wird. Das Gewicftwe,fen ist zwar nicht so bekannt wie das Hammerwerfen, aber genau so interessant. Der Wurf erfolgt wie beim Hammerwerfen aus einem Kreis von 2,135 m Durchmesser. Beim Steinstoßen hat der „Stein“ die Form eines Quaders und wird aus dem Anlauf her- Hammerwe,fen 339

aus gestoßen. Hierbei muß der Stein jedoch einarmig getragen und vor einem am Boden befestigten Balken abgestoßen werden. Pro Disziplin hat der/die Sportler/in vier Versu­ che, wobei der beste sowohl für den Drei­ kampf als auch für die Einzelmeisterschaft gewertet wird. Zurück zu der Veranstaltung in St. Geor­ gen. Die Tagesrekordpunktzahl bei den Män­ nern erzielte Alexander Sporrer, SC Preußen Erlangen, mit 2893 Punkten. Von den Sport­ lern aus der hiesigen Region trumpfte derTri­ berger Raimund Dold auf, der den Titel in der Klasse bis 65 kg erfolgreich verteidigte. Lokalmatador Bernd Schwarz konnte in die­ ser Klasse im Dreikampf den dritten Platz erkämpfen. Sein Vereinskamerad Matthias Stockburger erreichte im Steinstoßen mit 8,88 Meter den vierten Platz. Ihren Aufwärtstrend in dieser Randsport­ art unterstrichen vor allem auch die Frauen, die drei neue deutsche Rekorde aufstellten. In besonders hervorragender Form präsen­ tierte sich dabei Diana Held, TG Lichtenfels, im Dreikampf bis 65 kg mit der neuen deut­ schen Rekordpunktzahl von 2718 Punkten. Dies bestätigt, daß der Rasenkraftsport auch bei den Frauen immer mehr im Kommen ist. Jeweils vier Frauen aus vier unterschied­ lichen Gewichtsklassen bilden eine Mann­ schaft. Den deutschen Mannschafts-Mei­ stertitel sicherten sich die Damen des TV Heppenheim mit insgesamt 8876 Punkten. Bei den Männern kämpften sieben Teams um den Titel. Hier bilden jeweils sechs Sportler aus sechs Gewichtsklassen eine Mannschaft. Mit einem Vorsprung von 122 Punkten siegte der TV Langen brand aus Süd­ baden mit 13 735 Punkten vor Leichlingen aus Nordrhein-Westfalen. Auf dem vierten Platz landete der SV Triberg. Doch nicht nur die sportlichen Leistun­ gen waren mehr als zufriedenstellend, auch organisatorisch lief alles bestens über die Gewichtwe,fen 340

Bühne. Rund 45 Helfer und Helferinnen waren im Einsatz und stellten den reibungs­ losen Ablauf der Meisterschaften sicher. Wettkampfleiter, Protokollführer und viele freiwillige mit anderen Funktionen, die vom KSV St. Georgen und vom Verband gestellt wurden, bildeten das organisatorische Um­ feld. Im Wettkampfbüro wurde eine moderne Computeranlage mit den aktuellsten Ergeb­ nissen „gefüttert“, die Daten umgerechnet und ausgedruckt, so daß die Beteiligten immer auf dem neuesten Stand waren. Der Rasenkraftsport hat in St. Georgen Tradition. Zahlreiche Sportler des Kraft­ sportvereins St. Georgen waren und sind noch heute auf nationaler Ebene erfolgreich. Oft schon übernahm der Kraftsportverein die Ausrichtung eines überregionalen Wett­ kampfes, so bereits auch die Deutschen Mei­ sterschaften 1941 und 1970, und leistete damit einen bemerkenswerten Beitrag für diese Sportart. Steinstoßen Christina Gronmaier Mit Pfeil und Bogen zur Deutschen Meisterschaft Willi Heldt Die 30jährige Villingerin Christina Gron­ maier schätzt an ihrem Sport Unabhängig­ keit, Bewegung an der frischen Luft und das Bewußtsein, allein verantwortlich fürs Gelingen zu sein. Das Ziel fest ins Auge fassen. Für Chri­ stina Gronmaier regelmäßige, selbstver­ ständliche Übung, wenn sie mit Pfeil und Bogen den weit entfernten Ring in der Mitte der Scheibe anvisiert. Das Ziel fest ins Auge fassen heißt für sie aber auch: die Verteidi­ gung ihres Titels als Deutsche Meisterin im Bogenschießen. Erst im Herbst 1992 hatte sie sich in München diesen Titel erkämpft, als Krönung ihrer zwölfjährigen Laufbahn als Bogenschützin. Doch nicht nur hartes Training und Wett­ kampferprobung gehören zu ihrer Vorberei- tung auf die Meisterschaft: Jagd- und Feld­ schießen erweitern das Programm. ,,Das Schießen im Wald hat zwar nur wenig Trai­ ningseffekt, aber es macht viel Spaß.“ Sie schätzt die Abwechslung, beim Jagdschie­ ßen muß die Entfernung zur Scheibe geschätzt werden, das gemeinsame Abgehen des Parcours in der Gruppe und vor allem den mehrstündigen Aufenthalt in der Natur. Wie Tina Gronmaier zum Bogenschießen kam? Ihr Freund, heute ihr persönlicher und gleichzeitig Bundestrainer, hat geschossen. Sie sei dahinter gehockt und habe zugese­ hen, bis ihr das schließlich zu langweilig wurde. ,,Das probiere ich auch mal“, sagte sich Tina. Eigentlich sei sie viel besser als er, gab der Freund bald zu – jetzt steht er hinten dran, und sie schießt. Viel Training sei nötig 341

in diesem Sport; Geduld, Ausdauer und Konzentration stehen an erster Stelle. Die Kraft käme dann meist von allein, meint die Bankkauffrau. Sie selbst betreibt allerdings zusätzlich ein �pezielles Krafttraining, schon um eine Uberlastung der Sehnen und Bänder zu ver­ meiden. Ausgleichsgymnastik und mentales Training gehören zum Programm. Was für Tina Gronmaier das Besondere an ihrem Sport ist? Das Draußensein in der Natur, die Bewegung an der frischen Luft; das Bewußtsein, mit sich allein zu sein. Ganz allein verantwortlich zu sein, ob der Pfeil exakt im Ziel ankommt oder nicht. Außer­ dem schätze sie die Unabhängigkeit: ,,Ich brauche nur Pfeil und Bogen, keine Halle, keinen Partner, bin auch nicht an bestimmte Zeiten gebunden.“ Auch das Alter spiele keine Rolle. Die 30jährige ist überzeugt davon, daß sie auch mit 60 noch auf dem Platz steht. Ob Bogenschießen – als Angriff mit einer Waffe – nicht ein ungewöhnlicher Sport für eine Frau sei? Aber nein, zeigt sie sich über­ rascht: ,,Der Bogen ist doch keine Waffe, sondern ein Sportgerät!“ Für sie bedeute Bogenschießen Ausgleich zu Beruf und All­ tag. Sich aufs Schießen konzentrieren, beru­ higt und macht die Gedanken frei. Auswir- Jochen Heckmann Tänzer, Choreograph und Lehrer Sein Leben ist Bewegung: Jochen Heck­ mann. Der junge Bad Dürrheimer Qahrgang 1968) ist auf dem besten Weg, eine Karriere als Tänzer und Choreograph zu machen. Im wahrsten Sinn des Wortes: Schritt für Schritt zum Erfolg. Jochen Heckmann stammt aus einer Spartierfamilie. Vater Heinz Heckmann, im Hauptberuf im Landratsamt in Villingen­ Schwenningen tätig, genießt als Kunstturn­ trainer einen Ruf in der ganzen Region. Mit drei Jahren in der Purzelbaumgruppe, dann 342 kungen des Sports auf ihr Privatleben stellt sie ebenfalls fest. Was sie tue, tue sie heute wesentlich bewußter und konzentrierter als früher, im Beruf wie zu Hause. Carmen Schreiber bei den aktiven Turnern und schließlich bei den Kunstturnern – so fangt alles an. Das Thema Tanz entdeckt Jochen Heck­ mann mit 16 Jahren in der Tanzschule. Dann geht es Schlag auf Schlag: Absolvierung aller Tanzkurse bis zum Gold-Star-Abzei­ chen, Besuch von Jazztanzgruppen und Work­ shops in Jazz, Modem Dance und Step, dane­ ben Leitung einer Kinder:Jazztanzgruppe beim Tumerbund Bad Dürrheim. Mit der Bad Dürrheimerin Elvira Moser­ Karrer tritt Jochen Heckmann 1987 als Duo

„Das Paar“ erstmals ins Rampenlicht und das gleich richtig. Die Auftritte beim Deutschen Turnfest in Berlin und bei der Weltgymna­ strada in Dänemark stoßen auf große Reso­ nanz. Im selben Jahr initiiert und leitet Heck­ mann die „Bewegungswerkstatt“ mit 80 Teil­ nehmern. Der Wochenend-Workshop, der seitdem regelmäßig in Bad Dürrheim auf dem Programm steht, mündet in die Grün­ dung des Tanztheaters „Backstage“. Nach dem Abitur 1987 am Hoptbühl­ Gymnasium in Villingen wagt der Amateur­ tänzer, bestärkt von seinen Eltern, den Sprung ins Profilager und absolviert eine Ausbildung an einer Ballettfachschule in Erlangen als Tänzer und Tanzpädagoge mit den Fächern Klassisches Ballett, Modem Dance, Jazz, Step und Pädagogik. Schon während der „Lehre“ ist Jochen Heckmann von Kopf bis Fuß aufTanz einge­ stellt. Beleg dafür sind zwei eigene, abendfül­ lende Produktionen. Das moderne Märchen „Die Träume des Herrn W.“ erlebt im März ’88 in Öfingen seine Premiere. Im Mai ’89 sehen 800 Zuschauer in Bad Dürrheim Heckmanns Bewegungstheater „Backstage“ mit der Eigenproduktion „Wie wir alle; im Alltag nichts Neues“. Die Tatsache, daß der junge Baaremer kei­ nesfalls Tanz von der Stange, sondern feinste Qialität zu bieten hat, beschert ihm 1989 ein Stipendium in Paris an der renommierten „Academie de Danse Classique“ bei Solange Golovina. Die Mitarbeit an kleineren Pro­ duktionen und Tätigkeiten als Choreograph bereichern die Zeit in Paris, das traditionell als Mekka des Tanzes gilt. Mit Tänzern aus Paris und von „Back­ stage“ bringt Heckmann im September 1990 seine Choreographie „Die Suche nach dem verlorenen Ich“ im Bad Dürrheimer Haus des Bürgers auf die Bühne. Dann beginnt der Abschnitt, den das Tanztalent selbst als „die professionelle Zeit“ bezeichnet. Zwischen den Zeiten 343

mit beiden Beinen im Leben steht. ,,Ich möchte bis ins hohe Alter in meinem Beruf arbeiten. Aber nicht aus Be essenheit, son­ dern weil es Spaß macht.“ Der verantwor­ tungsbewußte Umgang mit dem Körper, das Hören auf die innere Stimme sind Jochen Heckmann Verpflichtung. Den bislang größten Erfolg seiner Lauf­ bahn verbuchte Heckmann im Mai 1992 beim sechsten Internationalen Choreogra­ phenwettbewerb in Hannover. Unter 50 Teilnehmern, darunter Choreographen gro­ ßer Staatsopern und Städtischer Bühnen, trug Heckmann mit seinem Pas de Deux ,,Zwischen den Zeiten“ den Sieg davon. Jochen Heckmann, mit 24 Jahren damals jüngster Teilnehmer in Hannover, hatte nicht nur die Choreographie zur Musik von Keith Jarrett erarbeitet, sondern tanzte selbst auch den männlichen Part. Einstimmig lobte die Jury die professionelle Gesamtkon­ zeption: ,,Idee, Aufbau, Umsetzung, Musik, tänzerische Darstellung stellen eine Harmo­ nie dar.“ Für Heckmann war es nicht nur Lohn für „beinharte“ Arbeit, sondern auch Bestätigung, auf dem richtigen Weg zu sein. Dripping Stones Dripping Stones Eigentlich wollte sich Heckmann – paral­ lel zu Studien in New York – an der staat­ lichen Schweizer Ballettberufsschule in Zürich den letzten Schliff erarbeiten. Gleich am ersten Tag geschieht es. Paula Lansley, die Direktorin der bekannten Tanzkompanie ,,Contemporary Dance Zürich“ und Dozen­ tin für Modem Dance, entdeckt Heckmann. Sie bietet ihm, dem Schüler, spontan eine Mitarbeit als Tänzer und Choreograph in ihrem Ensemble an. Und in der Züricher Ballettschule „Arena 225″ ist er bald selbst ein gefragter Lehrer für Jazz und Modem. Tänzer, Choreograph und Lehrer. Das sind die drei Schienen, die Jochem Heck­ mann von Anfang an parallel geführt hat. Ebenso wie er immer gleichzeitig Lernender und Lehrender war. Für ihn, der den legen­ dären Tänzer Waclaw Nijinskij (1890-1950) als ein Vorbild hat, zählen nicht Druck und Hochleistung: ,,Tanz muß von innen kommen. Tanz ist ganz einfach Freude. Tanz ist Lebensphilosophie. Tanz ist meine Art, mich als Mensch auszudrücken und anderen etwas zu geben.“ Der gebürtige Bad Dürrheimer ist ein Tänzer mit Bodenkontakt. Ein Realist, der 344

„Zwischen den Zeiten“ handelt, ebenso wie Heckmanns andere Stücke, von zutiefst menschlichen und existentiellen Themen. In den getanzten Geschichten geht es um Menschen am Scheideweg, um Abschied und Neuanfang, Lebensstationen eines Indi­ viduums, Momentaufnahmen einer Bezie­ hung, die Suche nach Harmonie und auch um den Mut, neue Wege einzuschlagen. Und immer sind Jochen Heckmanns Cho­ reographien mit der besonderen (Fuß-)Note autobiographisch. Der Künstler schätzt auch die Arbeit als Tänzer: ,,Tanz ist Ausdruck der Seele und damit viel näher und direkter als Sprache.“ Als Choreograph nutzt Heckmann die Chance, Kreativität zu entfalten, frei zu sein: „Aber manchmal weiß man gar nicht wohin mit der Freiheit. Dann muß ich mir selbst Grenzen setzen.“ Sein größtes Ziel: ,,Den Zuschauer inner­ lich anrühren, bewegen, das ganze Spektrum an Gefühlen entfesseln.“ Das größte Kom­ pliment ist, wenn ein gestandenes Manns­ bild am Ende der Vorführung mit den Trä­ nen kämpfend sagt: ,,Das war Leben auf den Punkt gebracht.“ Als Lehrer liebt Jochen Heckmann die Weitergabe des Verinnerlichten, das Teilen seiner Tanz(er-)kenntnisse. Nach einer Dozententätigkeit an der Schweizerischen Ballettberufsschule in der Klasse für Modem Dance und Choreographie von Juni ’92 bis August ’93 folgte mit dem zweijährigen Engagement als Solist des Tanzensembles des Stadttheaters Hagen (Künstlerischer Lei­ ter ist der britische Choreograph Richard Wherlook) eine weitere wichtige Station. Neben den täglich bis zu acht Stunden Tanztraining findet Jochen Heckmann noch Zeit für Tanzprojekte (zum Beispiel „Artno­ corp“ mit der Liechtensteinerin Jacqueline Beck), Workshops sowie für seine Hobbys Lesen, Musik, Essengehen und für seinen Hund. Der heimliche Traum des Jochen Heck­ mann? ,,Ballettdirektor in einem großen Opernhaus im deutschsprachigen Raum werden und mit einer guten Kompanie eigene Choreographien erarbeiten und auch auf Tournee gehen. Vielleicht irgendwann eine eigene Tanzschule aufbauen und weiter­ hin als Dozent an Akademien und in Work­ shops wirken.“ Dagmar Schneider-Damm, M. A. In memoriam Oskar Grießhaber Eine Turnlegende Als am 14. Februar 1992 eine große Trauer­ gemeinde die sterbliche Hülle des allseits geschätzten Mitbürgers Oskar Grießhaber zu Grabe trug, galt es nicht nur Abschied zu nehmen von dem hochverdienten Ehren­ oberturnwart und Wegbereiter des Turner­ bundes, sondern auch von einer weit über die Stadtgrenzen von Bad Dürrheim hinaus bekannten Sportpersönlichkeit. Oskar Grießhaber, am 2. Januar 1907 ge­ boren, stammt aus einem alteingesessenen Dürrheimer Geschlecht. Als gelernter Uhr­ machermeister und Absolvent der Staat­ lichen Feintechnikschule war er Abteilungs- leiter bei den KIENZLE-Uhrenfabriken in Schwenningen. Seit frühester Kindheit dem Turnen mit Leib und Seele verschrieben, wurde ihm die turnerische Idee zum Lebensinhalt. Bereits mit 12Jahren stand er in den Reihen der Akti­ ven des TB Bad Dürrheim.1924 übernahm er das Amt des Turnwarts, von 1948 bis 1974 war er Oberturnwart und seither Ehrenoberturn­ wart und allseits gefragter Nestor des Vereins. In den Jahren nach dem Krieg war er der Hauptinitiator des turnerischen Wiederauf­ baus in Bad Dürrheim. Ihm ist es zu verdan­ ken, daß das Turnen in seiner Heimatstadt 345

1956 brachte er immer wieder neue Ideen ein, und beeinflußte so maßgeblich den Aufbau des Geräteturnens im Schwarzwald. Darüber hinaus verstärkte er während 10 Jahren das Team der Kinderturnwarte im TV Sunthau­ sen, um auch dort seine vielfältigen Erfah­ rungen weiterzugeben. In seinem turnerischen Lebensweg waren die großen Turnfeste und ganz besonders die Deutschen Turnfeste stets entscheidende Stationen. Sie bewirkten eine immer engere Bindung an seine ideale. Besonders beein­ druckt war er von der aktiven Teilnahme an den Deutschen Turnfesten 1938 in Breslau, aber auch 1953 in Hamburg, von denen er noch an seinem 85. Geburtstag, wenige Wochen vor seinem Tod, schwärmte. Für seinen Idealismus und seine außerge­ wöhnlichen Verdienste um die Turnbewe­ gung wurden ihm viele Ehrungen zuteil. Mit allen Auszeichnungen des heimischen Ver­ eins und des Turngaues bedacht, ehrten ihn auch der Badische und der Deutsche Turner­ Bund mit der Goldenen Verdienstplakette und dem DTB-Ehrenbrief. Für seine vorbild­ liche Jugendarbeit verlieh ihm der damalige Bürgermeister Otto Weissenberger 1977 die silberne Ehrenplakette der Stadt Bad Dürr­ heim, und als Krönung erhielt er 1981 als erster Bürger den neu ge chaffenen Sportler­ ehrenbrief. Aber auch das Land Baden­ Württemberg würdigte seine langjährige ehrenamtliche Tätigkeit mit der Verleihung der Ehrennadel. Während seiner mehr als 40jährigen Tätigkeit sind viele Bad Dürrheimer Bürge­ rinnen und Bürger als Kinder in seine „Turn­ schule“ gegangen. Er war für sie alle ein Vor­ bild, der es verstand, jene Zeichen zu setzen, die einen geordneten Lebensweg besser und leichter finden ließen. Seine Bescheidenheit trotz aller Erfolge und Leistungen, seine Bemühungen um mitmenschliche Kontakte und seine großen Fachkenntnis e auf allen Gebieten des Turnens haben ihn zur Sym­ bolfigur für Turnen werden lassen. Das Bild von Oskar Grießhaber wäre jedoch unvoll­ ständig, würde man nicht auch seine Familie, trotz aller schwierigen und widrigen Trai­ ningsbedingungen in den 50er Jahren erhal­ ten blieb. Für ihn war es nichts Ungewöhnli­ ches, selbst im Winter in ungeheizten Scheu­ nen mit Jugendlichen zu turnen, und sie so für eine sinnvolle Freizeitgestaltung zu begeistern. Dafür opferte er bis zu 20 Stun­ den in der Woche. Sein Leitspruch als Turn­ wart war stets „Vormachen bringt mehr als viele Worte“. Und damit hat er es in einer ihn auszeichnenden Art und Weise verstanden, junge Menschen für das Turnen und den Sport zu gewinnen, ohne sich ihnen aufzu­ drängen. Seine freundschaftliche, vertrau­ enswürdige und allen neuen Ideen aufge­ schlossene Art hat ihn zu einem Idol der Turnjugend werden lassen. Bis zuletzt vertrat er die Ansicht, man muß mit der Jugend leben, um im Alter jung bleiben zu können. Die Begeisterung für die turnerische Lei­ besübung sowie seine Erfolge als Turnwart­ seine Jugendmannschaft wurde 1952 südba­ discher Meister – veranlaßten ihn auch zur Mitarbeit im Badischen Schwarzwald-Turn­ gau. Als Gaujugendturnwart von 1952 bis 346

seine christliche Einstellung und seine Hei­ matliebe zu Bad Dürrheim eiwähnen, die ihm die Kraft gaben, seine ehrenamtlichen Aufgaben zu bewältigen, die für ihn Erfül­ lung waren. Oskar Grießhaber hat wahrlich Sportge­ schichte nicht nur in seiner Heimatstadt Bad Dürrheim, sondern auch über deren Gren- zen hinaus gemacht. Zur Erinnerung an diese große Sportpersönlichkeit trägt die Turnhalle der Grund- und Hauptschule, in der er über 20 Jahre gewirkt hat, seit dem 25. Mai 1992 offiziell den Namen „Oskar­ Grießhaber-T urnhalle“. Heinz Heckmann Die Freizeit für den Rasenkraftsport Hermann Lichtenberg zum Gedächtnis sich mit Maria geb. Meier, die ihm eine Tochter schenkte. Diese Zeit im Reichs­ arbeitsdienst, in der er als Sportleiter einge­ setzt wurde, kam seinem Bestreben zur eige­ nen sportlichen Leistungssteigerung ent­ gegen. Beim Vorübergehen an Übungs- und Trai­ ningsplätzen in Furtwangen in den 50er bis in die 70erJahre hinein konnte man oft eine kleine Schar von Sportlern bemerken, die nach jeder Wurf- oder Stoßübung vom älte­ sten Teilnehmer eingehendst und tempera­ mentvoll Rat- und Vorschläge erhielten, die dieser zusätzlich gestikulierend verdeutlicht hat. Bei den ausgeführten Übungen handelte es sich um den etwas im Schatten anderer Sportarten stehenden Rasenkraftsport und beim Trainer, in der kräftig wirkenden Statur, um den allseits geschätzten Athleten Her­ mann Lichtenberg. 1909 in Baden-Baden geboren, wuchs Lichtenberg in Furtwangen auf, erlernte den Feinmechaniker-Beruf und trat, bei steigen­ der Begeisterung für den Leistungssport, schon 1919 dem hiesigen „Kraftsport-Klub 1906 e. V. (KSK)“ bei. Bereits 1929 wartete er mit guten Leistun­ gen auf, warf den Speer 58,90 Meter weit, schleuderte den Schleuderball über 60 Meter und erreichte 1935 für die damalige Zeit her­ vorragende 4.000 Punkte im Zehnkampf. Als junger Mensch bekam auch Hermann Lichtenberg die damals um sich greifende Wirtschafts- und die zwangsläufig auftre­ tende Beschäftigungskrise zu spüren. Dies dürfte auch der Grund für den Beitritt 1933 zum Reichsarbeitsdienst, zuerst nach Do­ naueschingen, dann nach Achern gewesen sein. Er gründete eine Familie, verheiratete 347

Nach dem Krieg und der Gefangenschaft kehrte Hermann Lichtenberg 1945 mit Fami­ lie nach Furtwangen zurück, baute sich mit enormer Eigenarbeit ein Eigenheim und widmete sich in seiner Freizeit mit großer Ausdauer dem Rasenkraftsport, den er in seiner Heimatstadt und Umgebung popu­ lär machen sollte. Hierfür bedurfte es neben einer soliden Lebenshaltung nicht zuletzt vieler harter Trainingsstunden, um bei Meisterschaften im Dreikampf in den kraftfordernden Übungen: Hammerwerfen, Gewichtwerfen und Steinstoßen, und in den Einzeldisziplinen: Hammerwerfen und Steinstoßen, die sich selbstgestellten Ziele zu erreichen. Im Laufe der Jahre summierten sich die Teilnahmen Lichtenbergs an Wettkämpfen und die dabei erreichten guten Plazierungen ließen aufhorchen. So war er jahrelang Stadt­ und Bezirksmeister, errang 16 Südbadische und 14 Gesamtbadische Meistertitel. Höhe­ punkte waren in seiner Laufbahn 1967 in Hannover der Deutsche Meistertitel im Dreikampf und 1969 und 1971 jeweils der 3. Platz im Steinstoßen ebenfalls bei Deut­ schen Meisterschaften. Weiterhin erreichte er in internationalen Wettkämpfen hervorra­ gende Plazierungen, so bei den Senioren­ Weltspielen 1979 in Hannover einen 3. Platz und damit die bronzene Medaille, 1984 in Brighton (England) den 4. Platz und 1985 bei den Veteranen-Weltmeisterschaften in Rom mit 76 Jahren wieder einen 3. Platz Ueweils im Hammerwerfen). Nach all diesen respektablen Erfolgen, konnte es nicht ausbleiben, daß Hermann Lichtenberg 1969 die von der Stadt Furtwan­ gen 1965 gestiftete Sportlerplakette „für her­ vorragende sportliche Leistungen“ als erster in „Gold“ verliehen erhielt, die er noch zwei­ mal nach den erwähnten internationalen Starts in Brighton und Rom entgegenneh­ men konnte. Seinem Verein, dem KSK, blieb er traditionsverbunden treu, als es 1969 zum Übertritt der Rasenkraftsportler in einen neugegründeten eigenen Sportverein ge­ kommen ist. 348 Nach einem von viel Idealismus gepräg­ tem Leben verstarb 1990 Hermann Lichten­ berg 8ljährig und wurde, unter großer Anteil­ nahme, in seiner Heimatstadt beerdigt. Und ihm, dem „alten Haudegen zu Ehren“, wie es die Klub-Vorstandschaft begründete, soll in einem kameradschaftlichen Volkssport­ Pokalwettkampf (Kugelstoßen, 100-m-Lauf, Weitsprung und Baumstammwerfen) all­ jährlich das „Hermann-Lichtenberg-Ge­ dächtnisfest“ stattfinden. Ludwig Baumann Die Bücher Bücher sind Freunde. Gefüllt mit Worten schenken sie Freude an allen Orten. In Büchern zu blättern, in Schriften zu lesen, was sie von gestern, von heute erzählen. Viel steht geschrieben, was vor tausend Jahren, die Menschen getrieben, die auf Erden waren. Auch die Welt von heute, die Dichter beschreiben, und was wird ihr Leute, einst von uns bleiben. Bücher sind Schätze, sind Freunde auf Zeit, sind Kameraden, sind Werke bis in die Ewigkeit. Margot Opp

Prosa und Lyrik aus unserer Heimat Der Kaiser, der Schultheiß und sein wackeres Töchterlein Ein Baaremer Märchen Vom burggekrönten Gipfel des Fürsten­ bergs herab sprengt auf prächtigem Rappen kühn über Stock und Stein ein stattlicher Ritter in die weite Landschaft der Baar, froh­ gestimmt wie ringsum die Welt im Glanz der strahlend aufgehenden Sonne. Es ist – man höre! – Maximilian, der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Spitzbübisch schmunzelt er, es ist ihm nämlich gelungen, heimlich in aller Frühe aus der Burg seines gräflichen Gastgebers zu schleichen, hinaus in die Freiheit, wenig­ stens für ein paar Stunden.Ja, in die Freiheit! Das will etwas heißen; denn ein hoher Herr ist stets von allerlei Leuten umgeben und bedrängt, von aufdringlichen Diensteifrigen und von Schmeichlern. Es fordert viel Schlauheit, List, gute Worte und vor allem Gulden, um sich ihnen zu entziehen. – Die Gulden steckte diesmal der Stallmeister für seinen Beistand ein … Schon galoppiert der Kaiser durch den märchenhaft schönen Berchenwald, über die schäumende Breg und hält vor dem Süd­ tor der mauerumgürteten Stadt Hüfingen, dem ehemaligen römischen Siedlungsmit­ telpunkt Brigobanne. Der Torwächter erkennt ihn nicht, aber einem so vornehmen Ritter öffnet sich das sonst so streng behütete Stadttor wie von selbst. Natürlich spielen dabei schöne, runde Gulden eine nicht geringe Rolle. Vor dem Rathaus steigt der Kaiser ab. Der Nachtwächter, der sich gerade nach nächt­ lichem Dienst auf dem Heimweg befindet, erkennt ihn, kriegt einen heillosen Schreck, macht in seiner Aufregung einen lächerlich ungeschickten Kratzfuß, bietet ihm allerun­ tertänigst seine Dienste an, will zum Mesner eilen und ihn auffordern, zur Begrüßung Seiner Majestät Sturm zu läuten. Aber der Kaiser winkt lachend ab und bittet ihn bloß, sich liebevoll um den Rappen zu kümmern. „Nichts lieber als das ,Majestät!“‚ jubelt der Nachtwächter glückselig. Mit gemächlichen Schritten, entspannt wie noch nie, beginnt nun der Kaiser seinen Rundgang durch das noch verschlafen anmutende Städtchen. Aber noch ehe er in die Salzgasse einbiegt, ist es, vom Nacht­ wächter aufgerüttelt, aus seinem Schlummer jäh erwacht. Und aus allen Gassen strömt jung und alt, um dem Kaiser, von dessen Güte, Mildtätigkeit, Großmut und Tapfer­ keit man sich wahre Wunder erzählt, einmal zu huldigen. Bald bildet sich in respektvol­ lem Abstand ein Spalier. Und durch die Rei­ hen geht ein Murren, weil der Schultheiß so saumselig ist und so lange auf sich warten läßt. Endlich stürzt er herbei mit hochrotem Gesicht, in schrecklicher Verlegenheit und Verwirrung; denn es bleibt ihm ja nichts anderes übrig, als eine Begrüßungsansprache aus dem Stegreif zu halten, und ihm glücken doch selbst Reden nicht, auf die er sich mit Hilfe seiner Frau tagelang hat vorbereiten können. Doch sein Sekretarius, ein großer Meister freier Rede, muß ihm meist alle Pflichten dieser Art abnehmen. Ist es daher ein Wunder, daß unser geplagter Schultheiß schon nach tiefer, allzu lang währender Ver­ beugung und kläglich hingestotterter An­ rede ,,Allerhöchste Majestät“ jämmerlich stecken bleibt? Der erlauchte Herr lächelt nachsichtig und wohl auch ein wenig belustigt. Die Rats­ herren ringsum, selbst keine flotten Redner, lassen ihr Oberhaupt zappeln. Und der Sekretarius denkt rachsüchtig: ich könnte 349

ihm ja aus der Patsche heraushelfen, aber ich werde mich hüten, hat er mich doch gestern vor allen Leuten ungerecht angeschnauzt. Und die Menge weidet sich kichernd an dem immer wieder ansetzenden, abgehackten Gestammel und der schauerlichen Leere und Öde der Pausen. Fast hilflos steht der sonst so tüchtige Schultheiß, der in seiner schmucken Amts­ stube so selbstbewußt herrscht, vor dem Kai­ ser- und niemand weiß, wie das weitergehen und enden soll. Da – springt plötzlich behend wie ein Eichkätzchen ein hübsches junges Mädchen herzu, Lisa, des Schultheißen Töchterlein, küßt den Kaiser ohne Umstände und Schüchternheit auf den Mund, bricht dem Überraschten schier die Rippen im Sturm, lacht lustig über sich selbst und ersetzt die verpatzte Rede: ,,Mächtiger, weiser, hoher Herr und Kaiser, ich bin nicht spröde; nehmt diesen Kuß ohne Verdruß als Inhalt und Schluß der Schultheißenrede!“ Der Schmatz hat dem Kaiser herrlich gemundet; denn er war kräftig, gar nicht zag- Brief an Robert Gerwig haft und mehr als bloß ein diplomatischer Schmatz; er kam aus holderen Bereichen als nur aus kalter Berechnung. In dem zierlichen Geschöpfchen war ein Ahnen erwacht, wel­ che Reize und Macht, welch sieghaften Schatz ein junges Weib in sich birgt, und es hat sich nicht geirrt: ritterlich zieht der Kai­ ser seinen kostbarsten Ring vom Finger und reicht ihn huldvoll der schalkhaft knixen­ den, anmutigen, wackeren Nothelferin. Und dem etwas verschämt abseitsstehen­ den Schultheißen reicht er herzlich ermun­ ternd die Hand – und somit ist alles wieder im Lot. Die Menge jubelt und läßt nicht nur den Kaiser und Lisa hochleben, sondern auch – nach kurzem Zögern – ihren Schult­ heißen. Vom Kirchturm herab kommt ein mächti­ ger Schwall feierlicher Töne: das Festgeläut sämtlicher Glocken. Sogar das schrille Mor­ genglöcklein der Loretto-Kapelle darf mit­ schwingen und -klingen. Auch des Kaisers Rößlein, das am plätschernden Stadtbrun­ nen eifrig schlürft und seinen Durst stillt, spürt auf seine Art des Augenblicks Feierlich­ keit und wiehert mutwillig über alle Köpfe hinweg in den sonnenflimmernden Hoch­ sommertag. Rolf Steiner Hochverehrter Herr Baudirektor Gerwig, von mir, einem Nachgeborenen, werden Sie zuletzt einen Brief erwarten, dazu noch in einer Zeit, da Sie weder einen „runden“ Geburtstag feiern noch ein Jubiläum an­ steht. Doch braucht Ihr großes Werk, die Schwarzwaldbahn, dafür beides nicht, kei­ nen Anlaß, keine Rechtfertigung, denn es lebt auch nach über hundert Jahren nie­ mand, der diese Gebirgsbahn nicht bewun­ dert, und niemand ist, trotz fortgeschrittener Technik je auf die Idee gekommen, Ihre Streckenführung verbessern zu wollen. Wohl haben viele sie zum Vorbild genom­ men. Darin liegt ja das Geniale, es ist auch das Kennzeichen des Klassischen, des Vollende­ ten, daß ein Werk gar nicht mehr anders gedacht werden kann, es ganz selbstverständ­ lich so hatte geschaffen werden müssen, wie es vor uns steht. Absurd der Gedanke, etwa die Golden-Gate-Brücke oder das Empire­ State-Building weiterentwickeln zu wollen. Nun hat auch diese Ihre Bahn ihre eigene Geschichte; das Vorhaben der Großherzog­ lich Badischen Regierung und seine Ver­ wirklichung durch Sie zeitigten Folgen, die 350

damals auch der Weitestblickende und Scharfsinnigste nicht voraussehen konnte. Prophezeihungen dieser Art sind unmög­ lich. Auch dies gehört zum zutiefst Mensch­ lichen, daß die Konsequenzen von Gedan­ ken und Taten ihren Urhebern entgleiten. Vieles geschieht im Sinne des Erfinders, vieles nicht. In Gemeinden, die die Bahn berührte, war das Bewußtsein der Menschen verändert, sie fühlten sich nicht mehr als Hinterwäldler. Das Tor zur weiten Welt war aufgestoßen. Dörfern, Städtchen ohne, oder ohne leicht erreichbaren Bahnhoffehlte nach ihrer Mei­ nung etwas Entscheidendes, und der Wett­ lauf um den Anschluß an die Bahnlinie hat für die Nachwelt etwas geradezu Spaßiges. Das tägliche Leben, die Existenz vieler, wurde durch einen neuen und sehr zuverläs­ sigen Arbeitgeber recht handfest und positiv beeinflußt, mochten auch die Zeiten sonst böse sein. Die Bahnhöfe waren rund um die Uhr besetzt, die Dienstzeiten für heutige Verhältnisse endlos lang, die gesamte Strecke mußte täglich abgeschritten und die Schie­ nen auf mögliche Brüche hin überprüft wer­ den. Unter die Schwellen der sich absenken­ den Gleise mußten von der „Rotte“ mit der Spitzhacke die Schottersteine geschlagen werden; ,,Steine verstecken“ nannten sie das in verharmlosender Redeweise, denn es war eine harte Arbeit, besonders im Sommer, wenn sie in einem heißen Dobel oder auf freier, schattenloser Strecke geleistet werden mußte. Verantwortungsvoll war jede Tätigkeit an der Bahn immer. Genauigkeit, Wachheit, Pünktlichkeit erforderte sie jeden Augen­ blick. Niemand wußte so genau wie die Bahnbeamten: ,,Wo der Name steht, steht der Kopf“. Das prägte die Menschen. Akku­ rat war ihr Wesen, ihr Leben meist auch außerhalb der Dienstzeit wie nach dem Fahr­ plan ausgerichtet, exakt ihre Aussagen, wie sie sie von ihrer Umgebung, eigentlich von der ganzen Welt, auch erwarteten, und nichts konnte den Großvater mehr in Rage versetzen als vage, halbrichtige Angaben, von Schlamperei und Oberflächlichkeit ganz zu schweigen. Am liebsten hätte er – und nicht nur er allein – die Weltgeschichte mit der Präzision des Eisenbahnsystems ablaufen sehen. Hier wurden (und dies bis heute) Tugenden ver­ wirklicht, denen der Bahnbetrieb sein ord­ nungsgemäßes Funktionieren, Menschen die Freude am Reisen, letztlich ihre körperli­ che Unversehrtheit, verdanken. Der Arbeitgeber besorgte seinen Bedien­ steten auch die Wohnung, für heutige Ver­ hältnisse zwar an unmöglichen Stellen, wo sie eben für ein personalintensives Unter­ nehmen zweckmäßig war, oft in der tiefsten Waldeinsamkeit, und dennoch: Wieviel bescheidenes, glückliches Leben, vernünfti­ ges Haushalten vorausgesetzt, wurde in den vielen kleinen, idyllischen, nach ähnlichem Schema der Strecke entlang gebauten Bahn­ wärterhäuschen gelebt! Familienglück, Kin­ derglück mitten im Wald. Welch angenehm­ aufregendes Erlebnis, in der Wohnstube der Großeltern zu lauschen: kommt das Rau­ schen von den Bäumen, oder ist es der Zug von weitem? Eine kleine, genaugenommen nur in mei­ ner Familie bekanntgebliebene Anekdote wird Ihnen auch heute noch ein Lächeln ent­ locken. Zwar hatten Sie, Herr Gerwig, keine Kinder, doch setze ich einmal Ihr Verständ­ nis für Bubenstreiche voraus. Vor vielen Jah­ ren füllte einmal ein Junge einen Fahrrad­ schlauch, der ein Loch hatte, mit Wasser. Den wrang er so aus, daß er eine hübsche Fontäne erzeugen konnte, die er auf die ahnungslos aus dem Fenster schauenden Fahrgäste eines D-Zuges richtete – und dies vom Dienstgebäude aus, während sein Vater (Weichenwärter) gerade nicht im Dienst war. Das ging einer Dame entschieden zu weit, mit Spaß hatte das nichts mehr zu tun, und sie beschwerte sich umgehend bei der Bahn­ aufsicht. Dem Vater half nach der Einver­ nahme seines Sohnes nichts als das Geständ­ nis: ,,Es war so.“ Abschließendes Schreiben von oben: Auf weitere Maßnahmen ver- 351

zichte man, er werde den Sohn wohl dafür bestraft haben. Gerade das war nicht erfolgt, geschah auch nie, so daß der Geschichte eigentlich die Pointe fehlte. Reichtum war hier unbekannt, aber auch die schiere Armut, denn die Gehälter waren bescheiden, doch kam das Wenige mit der Regelmäßigkeit des Neumondes. Obwohl es ein Widerspruch zu sein scheint, es mochte mit dem sicheren Ein­ kommen zusammenhängen, daß die Eisen­ bahner vor Jahrzehnten als ein recht fröhli­ ches Völkchen galten, das an freien Tagen oder nach Dienstschluß auch einmal einem deftigen Trunk zusprach, hatten sich nur die Rechten zusammengefunden. Auch waghal­ sige Wetten wurden abgeschlossen, die vor dem Pendel der Standuhr (,,Hinüber und herüber“ – eine Stunde lang) ist nur die bekannteste. Doch vom Schönsten, dem Zauber der Strecke, habe ich noch gar nicht geredet. Er ist anders geworden und doch geblieben. Am faszinierendsten ist er da, wo die Arbeit am mühevollsten war: zwischen dem geseg­ neten Kinzigtal und der reichen Baar: zwi­ schen Homberg und St. Georgen. Zu Ihren Lebzeiten hatten sich die Wäl­ der in größere Höhen hinaufgezogen, die Hänge waren freier, die echten Schwarzwald­ höfe mit Stroh- und Schindeldächern und ihren sonnenverbrannten Brettern der Tal­ seite zu und den kleinen Schiebfensterchen waren noch zahlreicher. Vielschichtige Entwicklungen in Technik, Politik und moderner Lebensauffassung führten den Wandel herbei. Doch wäre der Gedanke an einen Stillstand (einen erzwun­ genen oder die Flucht in die Geschichts­ losigkeit) beängstigend. Ich bin sicher, nur wenige Reisende schaffen es, diesen romantischen Teil der Schwarzwaldbahn ohne Gemütsbewegung zu befahren, es sei denn, Sorgen bedrücken sie, oder die Müdigkeit übermannt sie. Wer hätte nicht zu seiner eigenen Überraschung am Steilhang im Seelenwald oder am Forel­ lenberg unwillkürlich gebetet: ,,Lieber Gott, laß wengistens jetzt den Zug nicht entgleisen und den Hang nicht absacken!“ Aber die Ausblicke entschädigen über­ reich für die Angst und den Mehraufwand an Zeit auf den beiden Schleifen; diese Schluch­ ten, diese Wälder, diese Dabei, diese Fels­ halden, diese Waldwege, diese Kapellen! Und Äste von Bäumen und Hecken reichen so nahe an den Zug heran, daß man meint, sie berühren zu können. In Homberg er­ innert, ein wenig höher als der Bahnhof stehend, der gewaltige Q!.iader der Burgruine an eine noch tiefere geschichtliche Dimen­ sion der Landschaft, als es die ältesten Höfe vermöchten. Um ein pathetisches Wort abzuwandeln: Die Jahrhunderte schauen auf uns herab. Und wer denkt schon daran, wer weiß es schon? Dem Geschlecht derer von Hornberg entstammte der einzige Minnesänger aus dem Schwarzwald. Doch wie es nicht anders sein durfte: Seine Liebe konnte ihre Erfül­ lung nicht finden. Aussichtslos war sein Bemühen. Seinen Schmerz hat er uns in vier Liedern kundgetan. Die Höfe lassen mich nicht los, sie mit ihrer schwerblütigen Seele, ihrem dunklen Ursprung, dem Glauben, den Bräuchen – Inbegriff von Heimat sind sie so sehr, daß man gemeint hat, die Menschen der Städte müßten sie entbehren – ihrer Festigkeit zum Trotz mit einer individuellen Geschichte beschenkt und belastet – welcher Ge­ schichte! Und auch dies wird Geschichte, daß der Überfluß paradoxerweise die grundständi­ schen Menschen heute um ihre Existenz bangen läßt, die einmal so sicher schien, wie man meinte, das Kaiserreich selbst sei es. Noch k ann niemand das Ende dieses Prozes­ ses absehen. Unvorstellbar noch vor einem Jahrhun­ dert der Widersinn, dessen Zeugen wir sind. Je „originalgetreuer“ ein Schwarzwaldhaus geblieben ist, mag es in einem auch noch so lieblichen, sonnigen, schattigen, einsamen, versteckten, verträumten Winkel oder wo auch immer stehen, mag auf seinen Wiesen 353

und Feldern schwer oder leicht zu arbeiten sein, mag viel oder wenig Wald dazugehören – muß ich es sagen? – es ist für einen Reichen aus Gottweißwoher attraktiver, um sich die Füße darauf zu vertreten, als für den auf die­ ser Scholle Herangewachsenen, sein Erbe anzutreten. Gegen diese Art von Verdrossen­ heit einerseits und Erwerbsfreude anderer­ seits scheint im ganzen Schwarzwald kein Kraut gewachsen zu sein. Aber auch wieder Erfreuliches. Die Seele des Tales, die Gutach, jahrzehntelang nur rostbraunes, totes Wasser führend, ist wieder gesund, im Wasser herrscht wieder Leben, ein Beispiel sinnvollen Planens und Wirkens des homo faber, auch dies. Lassen Sie mich nun noch einmal auf die Geschichte Ihrer Bahn zurückkommen. Sie sahen sie nur ein­ gleisig, es ist längst ein zweites Gleis dazuge­ kommen. Die Voraussetzungen dafür hatten Sie ja geschaffen. Seit der Elektrifizierung sind Dampf und Diesellokomotiven ver­ schwunden (mit den Dampflokomotiven auch ein Stück Schwerstarbeit für den Hei­ zer, Verrußung der Bäume, Waldbrände und Umweltzerstörung), die Anbindung unserer Schwarzwaldbahn an das europäische Strek­ kennetz ist vollzogen. Insofern ist Ihr Werk erst in unseren Tagen zur Vollendung ge­ langt. Die Bedenken, denen Sie nur Ihre Hoff­ nung entgegensetzen konnten, in schneerei­ chen Wintern werde der Bahnbetrieb zum Erliegen kommen, haben sich als unbegrün­ det erwiesen. Die Sorge, heute lacht man dar­ über, die Reisenden könnten den unvermit­ telten Wechsel von Sonnenschein und Fin­ sternis in den Tunnels – und das fast vierzig­ mal kurz hintereinander – nicht ohne ge­ sundheitliche Schäden überstehen, hatten schon vor 1870 zerstreut werden können. Unfalle ereigneten sich, doch keine Katastro­ phen dergestalt, daß Hunderte ihr Leben ver­ loren hätten. Am Ende des Zweiten Weltkrieges ver­ steckte sich eine der Nazigrößen mit ihrem Anhang bei Luftangriffen in einem Tunnel, der prompt (inoffiziell, versteht sich) die 354 Bezeichnung „Heldentunnel“ erhielt. Auf welchen Aberwitz Menschen verfallen kön­ nen – die Glasträgerbrücke zerstörten sie noch in den letzten Kriegstagen, als ob das Verhängnis so abzuwenden gewesen wäre. Und auch daran sei erinnert: Kein Bahn­ hof, auf dem nicht während beider Welt­ kriege von Eltern, Geschwistern, Ehefrauen, Kindern heiße Tränen geweint wurden. Und das Winken blieb die letzte gemeinsame Erinnerung. Doch bitter soll mein Brief nicht enden. Wer hätte für eine solch titanische und zugleich wohltätige Leistung wie die Ihrige nicht ein Denkmal verdient? Triberg hat es Ihnen in Dankbarkeit und Verehrung aus mächtigen Felsblöcken, dem Urbild des Ewi­ gen, gesetzt (vgl. Almanach 1980, Seiten 161 ff.). Die scharfgeschnittenen Züge Ihres Gesichts, sie spiegeln Ihren durchdringen­ den Geist wider. Der Künstler hat den ad­ äquaten Ausdruck auf dem Medaillon gefun­ den, besser als diese Worte es sagen können. In tiefer Bewunderung für Sie und Ihr Werk Ihr Karl Volk Wunder Natur Oh Mensch bedenke allezeit, daß die Natur Dir nur gegeben um sie zu schonen, sei bereit, denn ohne sie kannst Du nicht leben. Ja sie beschenkt mit ihrer Pracht wohl unser ganzes Dasein hier, mit Sonne, Regen, Tag und Nacht, mit Pflanzen, Wasser, Wald und Tier. Uns anvertraut ist alles nur, aber niemals unser eigen, drum sollen wir uns der Natur und ihren Wundern dankbar zeigen. Ein jeder soll, wie er’s vermag, dem Schöpfer dafür Ehrfurcht zollen, verleih‘ uns Kraft an jedem Tag für unser Tun und unser Wollen. Hermann Seifermann

Wenn die Gremmelsbacher hinaus – oder in die weite Welt gingen und zurückkehrten Eine dialektkundliche Miniatur Wie war das doch früher, noch vor der Nivellierung der Sprache, als die Einwohner eines jeden Dorfes an den Nuancen ihrer Aussprache und ihres Wortschatzes zu erkennen waren? Wie drückte man sich zum Beispiel in Gremmelsbach aus, wenn man aus dem Haus trat, die Familie in der Nach­ barschaft besuchte, innerhalb der Gemeinde von einem Zinken in den anderen ging, in einem Nachbarort etwas zu erledigen hatte oder eine Reise in weite Feme unternahm und wieder nach Hause zurückkehrte? Reich waren die Menschen in ihren Mitteilungs­ möglichkeiten, ohne sich dessen bewußt zu sein. Die Sprache schenkte sich ihnen in ver­ schwenderischer Weise. Unbekannt war das Lokaladverb „nach“. Kein Gremmelsbacher ging „nach“ Triberg, stattdessen ufTriberg ni oder ins Städtli ni oder – später – vornehmer in d‘ Stadt. Landwirte mußten manchmal uf Santirge nuf(St. Geor­ gen), um eine neue Sägis (Sense) zu kaufen. Eine Wanderung konnte man ins Niede,was­ ser nab machen oder uf Niederwasser. Wer gut zu Fuß war, ging auch uf Hornberg nab, ei­ serne Wanderer kamen bis uf Guedach (Gut­ ach) nab. War man im „Prächt“ (Prechtal), ging man auch noch uf Elzach nus. In Orte etwa auf gleicher Höhe in der Umgebung ging man „nom „: in d‘ Schilde (Langenschil­ tach) nom, in Riechebe (Reichenbach) nom. In de Nußbe (Nußbach) stieg man über den Berg nom. In Schewald (Schönwald) oder in d‘ Schone (Schonach) heirateten junge Leute. Im Schewald und in de Schone lebten sie dann ihr Leben lang. Von de Schone war es dann nicht mehr allzu weit an (de) Rohrhardsberg hinderi. Heiratete ein Brautpaar von auswärts nach Gremmelsbach, so zog es ri, oder von usse rz� es war dann „hinne“. Stammte es vom „Dal“ (Gutach- oder Kinzigtal), kam es von unde ruf Obwohl es geographisch tiefer als Grem­ melsbach liegt, fuhr man mit dem Zug uf Konstanz nuf Zum Hamstern fuhr man eben­ falls mit dem Zug in Schwowe (Schwaben) nus und meinte damit merkwürdigerweise die Baar, denn aus der Schulzeit wußte man noch, daß im „Schwowe usse“ die „Kornkam­ mer Badens“ liegt. Machte einer eine Reise über den Ozean, so kam er bis uf Amerika nom und wieder rom (herüber) oder bis uf Australien und wieder heim; bis uf de Mond nuf und wieder rab(herun­ ter) hat es bisher noch kein Gremmelsbacher geschafft. Karl Volk 355 Zum „Luftschnappen“ ging man vors Hus nus, hinders Hus nus, obs Hus nuf oder unders Hus nab. I sott (sollte) no ins Doif nuf oder ins Doif nab Ge nach Ausgangspunkt)./ gang emol ins loch nab (ins Untertal), ins Da! nuf (ins Obertal), uf de Hof (zum Hofbauern), aber zom Krizbur (Kreuzbauer) nom, oder zom Gewardebur (Gebhardenbauer) nus, wenn man einen höhergelegenen Ausgangspunkt hatte, hindern Oft (ins Gewann „Hinter­ ofen“), in leidschebe (in den Leutschenbach), in de Schdeibis (Steinbis) hinderi oder vom Rappenfelsen aus in de Schdeibis (Steinbis)firi (vor). Vom Unterrötenbach ging man ins Doif nom (hinüber). 1 gang an Riflitz nom, auch wenn der Weg zuerst bergab und wieder bergauf führte. Befand sich vom eigenen Wohnhaus aus gesehen ein anderes etwas abgelegen, so hieß es: J laufemol zum Babischt hinderi, in Gummambs hinderi; kehrte man zurück, meldete man sich wieder: 1 komm vom Babischt, von de Gummambs hindefiri. 1 muefs no in di „alt Hormet“ (nach Altharn­ berg), i komm scho von de „alde Hormet“, i bin scho in de „alde Hormet“ gsi. Von de Stude (Höhengasthaus Staude) ging es fast überall­ hin nur rabzues.

Manfred Bosch – Widmungsgedichte Auf einen Zahn Kaum noch hältst Du stand dem prüfenden Druck der Zunge legst Dich schon zur Seite müde des anstrengenden Geschäfts schwankender Reiter auf dem roten Damm einmal wirst Du absteigen beim nächsten Zubeißen wird es um Dich geschehen sein Aber noch schone ich Dich zögere den fälligen Abschied hinaus ein kleiner Tod komm und zeig ein letztes Mal Deine Zähne Was hast Du nicht alles zerteilt bevor Du selber angenagt vom Zahn der Zeit Deinen Dienst quittierst und ich dastehn werde mit einer Lücke unübersehbar Auf eine Fliege Die extravagante Fliege eines Snobs brachte die Abendgesellschaft zum Verstummen So viele Klappen mit einer Fliege! 356 Auf meinen Papierkorb Die vielen Worte entschuldigt ihr vielen Worte! Es lag nicht an euch Es sind die Sätze Auf meine Bücherregale Die Wahrheit in den Büchern Die Wahrheit in all den Büchern schon biegen sich die Bretter Auf einen Repetenten Man hat ihm den Lernprozeß gemacht Auf einen Politiker Der Politiker lehnte aus Gewissensgründen ab Der Politiker lehnte aus gewissen Gründen ab Aber die seien jetzt nicht mehr gegeben Im Grunde war er schon immer dafür

Jürgen Henckell Lexika EIN LEXIKON – als Geistestrank – steht fast in jedem Bücherschrank, denn um ein Wissen zu enthüllen, gilt es noch manches Loch zu füllen. Man sucht das Leben der Spartaner, die letzte Schlacht der Indianer, sucht Psychotechnik, Proselyten, die Mikrotome, Lymphe, Skythen, Kometen, Geysir, Anilin, Anthropophagen, Zölestin, Konkubinat, Gnathostomaten, und zusätzlich verzwickte Daten – Auch wenn man das nur, was man sucht, fürs Kreuzworträtselwissen bucht. Doch manches Wort, das hängenblieb, gebraucht man, denn man hat es lieb, weil’s fremd ist und belesen klingt. Wer schätzt, was man zu Hause singt? Es ist nicht immer zum Entzücken, wenn Leute sich mit Fremdem schmücken. Als Fremdwort stehn vielleicht auch sie mal in der Enzyklopädie. Nußknacker EIN NUSSKNACKER knackt jede Nuß, was er, weil es sein Zweck ist, muß. Wie aber müssen wir uns placken, die Lebensnüsse aufzuknacken, die uns – durch höhere Gewalten – oft noch die Kerne vorenthalten! Ein Trick EIN ZAHN – er tat vor Zeiten weh – liegt jetzt in meinem Portemonnaie. Und das hat nur den einen Grund: Entsteht im Säckel Bargeldschwund und ist der letzte Heller fort, dann sehe ich den Zahn noch dort, als sollte es ermunternd heißen: Es gilt sich immer durchzubeißen! In manchem schweren Augenblick hilft dieser kleine Lebenstrick! Verwohnte Idylle Drei zu fünf Meter verkleinerte Landschaft im Zimmer mit einem verstaubenden Himmel – Zu oft schon gegangene Wege durch den an die Mauer gelogenen Wald im Dubleeherbst in schuppiger Haut. Beim anderen Wohnposter stimmt nur der Süden für Trips in die längst vom Schirokko gesandstrahlte Sonne Palermos – Das fallt aus dem goldenen Schnitt der Erinnerung in das Gewohnte. Auch Blumen und Blütenflor gehen Tapeten nicht ungestraft auf den Leim – Schon seilen die Spinnen sich ab von den Nektarlügen vertrockneter Fliegen – Die räumlich verdrängte Enge der Wände kehrt durch das vom Alltag verschlissene Abbild zurück. Der Ausweg in originale Idylle enttäuscht mit erreichter Entsprechung. Doch jedes gehütete Negativ schiebt sie auf Zeit vor sich her. 357

Rosemarie Renner Der alte Friedhof von Schwenningen Der alte Friedhof in unserer Stadt ist für mich wie ein Kalenderblatt in seiner altehrwürdigen Tradition, erinnert er an manch vergangene Generation. Die alten Gräber unserer Ahnen Mich stets zum Denken und Danken ermahnen. Doch er erinnert nicht nur an Schmerz und Leid er bringt mir fast täglich ein bißchen Freud‘ geh‘ ich in dem herrlichen Park spazieren so komm ich dabei in’s Philosophieren – ich seh‘ ihn im Laufe der Jahreszeit dabei bin ich immer zu denken bereit, daß Frühling, Sommer, Herbst und Winter sind unseres Gottes liebste Kinder! Wenn im Frühling die ersten Knospen spnngen und in den Bäumen die Vöglein singen wenn sich zeigt das erste Grün und darauf die Gänseblümchen blüh’n manch frisches Sträußlein auf altem Grabe steht und der Frühlingswind leis darüber weht da wächst in jedem zarten Triebe die Hoffnung, der Glaube und die Liebe. – Festhalten möchtest du das Kalenderblatt flug’s sind die Bäume grün und satt jetzt zieht der Sommer schon in’s Land du möchtest ihn genießen mit Verstand – kaum hast du Fuß gefaßt und Tritt stehst du voll in der Lebensmitt‘ trägst Früchte, es wächst eine neue Generation dabei naht der Herbst fast unbemerkt schon. – Die Kinder, die Ernte sind rotbackig und frisch hast du vergessen zu beten am Tisch? 358 Jetzt fallen die Blätter, kahl wird der Baum war das dein Leben – war’s nur ein Traum? Die Zeit eilet vorbei, viel zu geschwind du denkst, auch ich bin nur ein Blättlein im Wind. Nun kommt der Winter, es friert Stein und Bein du wirst alt und steif und hast gar viel Pein, sind verhangen die Bäume im Nebel, oh Graus, das Jahr geht zu Ende, doch es ist noch nicht aus Schnee deckt nun die Gräber, die Bäume mit weißer Pracht ein Stern leuchtet hell – Hoffnung – es ist Weihnacht Silvester naht, dann fallt auch das letzte Kalenderblatt mich tröstet der alte Friedhof dieser Stadt! De Almanach S’Johr isch rom, es isch so wit de Almanach konnt rus ihr Lit, en bunte Schdruß isch es us iserm Kreis zemmeg’schdellt mit Mieh‘ und Fleiß. In Wort un Bild siehsch es ganz klar de sehe Schwarzwald un die lieblich Baar. Lehrsch kenne au d’Persenlichkeite die im Kreis ebbis bedeite! Von fließige Lit duet mer dich in Kenntnis setze kansch wie de Schnawel g’wahse isch au schwätze – ich frei‘ me äll Johr uf des Buech un find‘ es isch en schene Bruch d’Vergangeheit un d’Gegewart gen Hand in Hand drom find ich’s äwell indressand! Nadierlich isch es koan Roman doch zeigt’s is menschlich ganz human in Bilder, Fotos un Berichte von mir un dir, än Hüfe G’schichte – Brauchtum, Gegewart, Vergangeheit der Kreis draiht sich in Ewigkeit de Almanach als Dokument us isere Zit mir hoffe, daß er is erhalte blibt!

Verschiedenes Personen und Fakten Dr. Bernhard Everke fuhrt ab 1. 7. 1993 aufgrund der Erhebung von Donaueschin­ gen zur Großen Kreisstadt den Titel Ober­ bürgermeister. Anton Bruder wurde am 25.10. 1992 im zweiten Wahlgang unter fünf Bewerbern zum neuen Bürgermeister von Dauchingen gewählt. Er erzielte 47,5 0/o der Stimmen. Die Wahlbeteiligung betrug 73,6 0/o. Der neue Bürgermeister hat sein Amt am 1.1.1993 angetreten. Der langjährige Bürgermeister Elmar Österreicher hat sich nach drei Wahlperio­ den nicht wieder zur Wahl gestellt und ist in den Ruhestand getreten. Alfred Liebetrau, seit 1981 Präsident der Industrie- und Handelskammer Schwarz­ wald-Baar-Heuberg, ist in den Ruhestand getreten. Als sein Nachfolger wurde am 4. 5.1993 Prof. Dr. Dr. Michael Ungethüm, der Vor­ sitzende des Vorstandes der AE SCULAP AG, Tuttlingen, gewählt. Dr.-Ing. Lothar Lohmiller, Leiter des Staatlichen Vermessungsamtes Villingen­ Schwenningen, ist mit Wirkung vom 1. 4. 1993 zum Leiter des Staatlichen Vermes­ sungsamtes Offenburg bestellt worden. Sein Nachfolger wurde mit Wirkung vom 1. 7.1993 Christian Markwirth, der bisher beim Staatlichen Vermessungsamt Balingen tätig war. Otto Maier, Leiter des Amtes fur Land­ wirtschaft, Landschafts-und Bodenschutz in Donaueschingen, ist am 31. 7. 1993 in den Ruhestand getreten. Sein Nachfolger stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest. Walter Kubas erkämpfte sich bei den Internationalen Deutschen Meisterschaften der Behinderten, die vom 16. bis 18. 7.1993 in Wunstorf bei Hannover stattfanden, den Deutschen Meistertitel über 1500 m und den Vizemeistertitel über 10.000 m. Walter Kubas ist Mitarbeiter des Landrats­ amtes Schwarzwald-Baar-Kreis. Seine sport­ lichen Leistungen wurden bereits im Alma­ nach 1992, S. 322-323, gewürdigt. Wolfgang Zenz ist als Leiter des Saatbau­ amtes Donaueschingen, Außenstelle der Landesanstalt fur Pflanzenbau Forchheim, am 30. 9. 1993 in den Ruhestand getreten. Sein Nachfolger stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest. Zum Schuljahresende 1992/93 sind fol­ gende Schulleiter kreiseigener Schulen in den Ruhestand getreten: – von den Kaufmännischen Schulen (David-Würth-Schule), Stadtbezirk Schwen­ ningen, Alfons Grimm. Als Nachfolger hat Ekkehard Achterberg die Schule übernom­ men; – von der Schule für Geistigbehinderte (Carl-Orff-Schule), Stadtbezirk Villingen, Adalbert Pfingstler. Sein Nachfolger wurde mit Beginn des neuen Schuljahres Reinhold Krämer; – von den Haus- und landwirtschaft­ lichen Stadtbezirk Villingen, Werner Huger. Sein Nachfolger stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest. Schulen, Am 26. 8.1993 fand ein weiteres Nachbar­ schaftstreffen mit dem Kanton Schaffhau­ sen zwischen Herrn Regierungsrat Dr. Hans­ Peter Lenherr und Mitarbeitern des Erzie­ hungs-und Militärdepartements sowie einer kleinen Delegation des Kreistages mit Land­ rat Dr. Gutknecht statt. Der Besuch gab Gelegenheit, gemeinsam berührende Fragen zu besprechen sowie den gegenseitigen Kon­ takt zu vertiefen. 359

Orden, Medaillen Nachstehende Personen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis wurden seit Juni 1992 aus­ gezeichnet: a) mit dem Verdienstorden (Abkürz.: BVK I. Kl. = Bundesverdienstkreuz I. Klasse BVK a. B. = Bundesverdienstkreuz am Bande BVM 11. 9.1992 14. 10.1992 30. 11.1992 15. 1. 1993 6. 2. 1993 = Bundesverdienstmedaille) BVK !. Kl. BVK a.B. BVK a.B BVKa.B BVKa.B St. Georgen Furtwangen Vöhrenbach Donaueschingen Villingen-Schwenningen Stadtbezirk Rietheim Villingen-Schwenningen Triberg-Nußbach Villingen-Schwenningen Dauchingen Königsfeld Hüfingen der Bundesrepublik Deutschland: Bürgermeister i. R. Günter Lauffer Prof. Dr. Gert Böhme Manfred Hornstein Lisa Scheuble Horst Marenghi Josef Hilsenbeck Alfons Hilser Herbert Leipold Bürgermeister i. R. Elmar Österreicher Erika Meyer Emil Schafbuch !. 3.1993 1. 3.1993 3. 3.1993 25. 3.1993 15. 4.1993 12. 5.1993 BVK a. B. BVM BVK a.B. BVK a. B. BVKa.B. BVKa. B. b) mit der Zelter-Plakette: Kirchenchor St. Cäcilia Chorgemeinschaft Nußbach Kath. Kirchenchor St. Sebastian 21. 3.1993 21. 3.1993 21. 3.1993 Bräunlingen Triberg-Nußbach Donaueschingen­ Hubertshofen c) mit der Pro-Musica-Plakette: M usikverein-T rachtenka pelle Nußbach e.V. 21. 3.1993 Triberg-Nußbach d) mit der Lebensrettungsmedaille: Lothar Roschitzki 1. 9. 1992 Hüfingen Arbeitslose in Prozentzahlen Stichtag Schwarzwald-Baar-Kreis Land Bundesgebiet 30. 6.1991 30. 6.1992 30. 6.1993 360 3,50/o 4,50/o 7,60/o 3,40/o 4,20/o 6,10/o West 9,50/o 5,60/o 7,00/o

Bevölkerungsentwicklung Stand der Wohnbevölkerung 31.12.1992 31.12.1991 11.446 11.170 10.721 10.504 5.855 5.752 5.061 5.038 3.092 2.989 20.141 19.805 10.429 10.623 1.507 1.532 6.925 6.834 5.986 6.084 3.076 3.072 5.177 5.023 14.572 14.515 2.751 2.766 4.471 4.530 5.995 6.042 2.540 2.463 2.986 3.074 80.949 80.121 4.341 4.327 208.109 206.176 Bad Dürrheim Blumberg Bräunlingen Brigachtal Dauchingen Donaueschingen Furtwangen Gütenbach Hüfingen Königsfeld Mönchweiler N iedereschach St. Georgen Schönwald Schonach Triberg Tuningen Unterkirnach Villingen-Schwenningen Vöhrenbach Kreisbevölkerung insgesamt Ausländer in Zahlen Gemeinde Bad Dürrheim Blumberg Bräunlingen Brigachtal Dauchingen Donaueschingen Furtwangen Gütenbach Hüfingen Königsfeld Mönchweiler Niedereschach St. Georgen Schönwald Schonach Triberg Tuningen Unterkirnach Villingen-Schwenningen Vöhrenbach Gesamt Ausländer insgesamt 694 1.721 692 383 128 1.941 1.182 77 757 322 285 280 1.963 82 315 612 296 286 11.908 684 24.608 Türken 44 797 411 65 10 415 258 2 309 22 34 34 278 8 39 201 57 74 2.354 242 5.654 davon Jugoslawen 233 460 47 42 46 434 347 13 132 89 127 72 664 31 141 140 55 47 3.153 220 6.493 Italiener 100 40 40 36 15 370 280 54 174 16 41 17 643 11 97 85 111 64 2.089 134 4.417 + Veränderungen in Zahlen + 276 + 217 + 103 23 + + 103 + 336 194 25 91 98 + 4 + 154 + 57 15 59 47 + 77 + 88 + 828 + 14 + 1.933 in 0/o + 2,47 + 2,07 + 1,79 + 0,46 + 3,45 + 1,70 1,38 1,63 + 1,33 1,61 + 0,13 + 3,07 + 0,39 0,54 1,30 0,78 + 3,13 + 2,95 + 1,03 + 0,32 + 0,94 Sonstige 317 424 194 240 57 722 297 8 142 195 83 157 378 32 38 186 73 101 4.312 88 8.044 30. 3. 1993 Ausländer- anteil in % ca. 6,2 15,9 11,8 7,6 3,9 9,6 11,2 5,9 11,0 5,4 5,6 5,5 13,8 3,0 7,0 10,1 11,8 9,4 14,7 15,5 11,8 361

Farbaufnahmen und Fotonachweis Die Farbaufnahme auf der Titelseite stammt von German Hasenfratz, Hüfingen. Motiv: Fronleichnamsprozession in Hüfingen aus früheren Jahren, ca. 1982. Zum Farbbild auf der Rückseite: Kalenderuhr mit hölzernem Geh- und Schlagwerk, Metallanker und -ankerrad. Bild der Taufe Christi vor einer Ideallandschaft mit Architekturprospekt im Vor­ dergrund. Schwarzwald, um 1775. Deutsches Uhrenmuseum Furtwangen. Abbildungsnachweis zur Seite 183: Ingeborg Krummer-Schroth, Alte Handwerks­ kunst und Gewerbe im Schwarzwald, S. 120. Wir danken an dieser Stelle dem Schillinger Verlag GmbH, Freiburg i. Br., für die freundliche Abdruckgenehmigung. Die Zeichnung auf den Seiten 224/225 wurde von Herrn Wienhart Prigge, Villingen-Schwenningen, angefertigt. Wir danken der Städtischen Galerie, Villingen­ Schwenningen, für die kostenlose Genehmigung zum Abdruck der Fotos auf den Seiten 253 und 255. Abbildungsnachweis zu den Seiten 259 und 261: Hans-Günther Ziegler, Karl Rudolf Schäfer, Hans Georg Müller-Hanssen, Ein Maler des Vertrauten, S. 140 u. S. 90. Wir danken an dieser Stelle dem Verlag Hermann Kuhn GmbH & Co. KG für die freundliche Abdruckgenehmigung. 362 Fotonachweis: Soweit bei den einzelnen Beiträ­ gen die Bildautoren nicht namentlich hier ange­ führt werden, stammen die Fotos jeweils vom Ver­ fasser des betreffenden Beitrages. Mit Fotos sind ferner im Almanach vertreten (die Zahlen nach der Autorenangabe beziehen sich auf die jeweilige Textseite): Klaus Peter Friese 7; Hans Kaltenbach 10; Thomas Frank II; Roland Sigwart 15; Bad. Generallandes­ archiv Karlsruhe 17, 87; Helmut Groß 20/21, 145, 241, 242, 243, 298, 304, 306, 308/30�, 331, 332, 352; Hartmut Ketterer 32, 33, 34, 35; OTV-Kreis­ verwaltung Villingen-Schwenningen 38; Ralf Ganter 41, 42; Johannes Fischer 44, 45 oben, 68; Saatbauamt Donaueschingen 45 unten, 47; Gewerbliche Schulen Donaueschingen 48, 49; Dieter Mauch 51; Detlef von Brie! 53, 54; St. Ge­ orgener Technologiezentrum GmbH 57, 59, 60, 61, 62; Identa Ausweissysteme GmbH 63, 65, 66, 67; German Hasenfratz 69, 70, 71, 72, 231, 233, 278, 279, 280, 281, 282, 283, 301; goetz Holzbau 73; Bruno Krupp 74; Günther Brommer 76; S. Siedle & Söhne 77, 78, 79; Landesdenkmalamt Baden-Württemberg 80, 81; Revellio 85; Archiv Sattler 110, 113; Sammlung Hönle 115; Heimatmu­ seum Villingen-Schwenningen ll8; Bernward Damm 129; Herbert Gravenstein 131; Deutsches Uhrenmuseum 184, 185, 188, 191, 193, 194, 195, 196, 19� 198, 199,200,202,203,204,233;Stad� museum Schramberg 186, 187, 189; Reinhard Rose 201; Wilfried Dorer 205, 207; Foto-Maier 208, 209, 210, 211, 212, 213; Gerhard Janke 223; Städt. Verkehrsamt Villingen-Schwenningen 226, 228; Glockeninspektion Erzbistum Freiburg 235, 236, 237, 238, 239, 240; Privatarchiv Dr. Gremliza 250, 251, 252; Städt. Galerie Villingen-Schwenningen 253, 255; Willi Dorn 262, 263, 264, 265, 266, 267, 268, 269, 270, 271; Werner Klein 272, 273, 274, 275, 276, 277; Karl-Hermann Stötzel 293, 294, 295; Autobahnpolizeidirektion Freiburg 311; Foto-Carle 314; Landesgartenschau GmbH 324, 326; Siegfried Jäckle 329; Gfw 336, 337; Verband der Serviermeister und Restaurantfachkräfte e. V. 338; Dieter Reinhart 339, 340, 341;Jochen Heck­ mann 343, 344. Reproservice Rolf Kötz, Villingen-Schwennin­ gen.

Die Autoren unserer Beiträge Albicker, Josef, 78183 Hüfingen-Hausen vor Wald (verst.) Bande, Albert, Sinkinger Straße 40 a, 78078 Niedereschach Bau, Manfred, Hauptstraße 9, 78136 Schonach i. Schw. Baumann, Ludwig, Dichendorffstraße 17, 78120 Furtwangen i. Schw. Binder, Hermann, Fichtenstraße 25, 78086 Brigachtal Bosch, Manfred, Lenbachstraße 30, 79618 Rheinfelden Braunschweiger, Ernst, Am Kreuzpark 1, 78073 Bad Dürrheim Bräun, Wolfgang, Dipl.-Volkswirt, Auf der Wanne 55, 78048 Villingen-Schwenningen Dieterle, Jörg, Landesgartenschau GmbH, Luisenstraße 4, 78073 Bad Dürrheim Dold, Wilfried, Redakteur, Waldstraße 13, 78147 Vöhrenbach Dotter, Wilhelm, Siedlungsstraße 8, 78120 Furtwangen-Neukirch Eckert, Eckart, Lessingstraße 13, 78166 Donaueschingen Elsäßer, Karl, Hauptstraße 13/2, 78147 Vöhrenbach Faller, Robert, Sonderschulrektor der Schule für Körperbehinderte, Güterbahnhofstraße 17, 78048 Villingen-Schwenningen Friese, Klaus-Peter, Pforzheimer Straße 25, 78048 Villingen-Schwenningen Gassert, Reinher, Oberstudiendirektor, Schubertweg 2, 78112 St. Georgen i. Schw. Gottwalt, Franz, Dipl.-Ing., Hermann-Fischer-Allee 28, 78166 Donaueschingen Groß, Helmut, Am Schwalbenhaag 1, 78048 Villingen-Schwenningen Gutknecht, Dr. Rainer, Landrat, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Günzler, Martin, Pfarrer i. R., Malteserring 56, 78056 Villingen-Schwenningen Hawner, Johannes, Bad Dürrheim (verst.) Heckmann, Heinz, Friedrichstraße 35 a, 78073 Bad Dürrheim Heid, Jens, Haldenweg 17, 78112 St. Georgen i. Schw. Heldt, Willi, Johann-Sebastian-Bach-Straße 25, 78112 St. Georgen i. Schw. Henckell, Jürgen, Schriftsteller und Grafiker, Buchbergstraße 3, 78176 Blumberg Hirsch, Burkhard, Rhönweg 57, 78056 Villingen-Schwenningen Honold, Dr. Lorenz, Talstraße 41, 78166 Donaueschingen Huger, Werner, Oberstudiendirektor i. R., Färberstraße 1, 78050 Villingen-Schwenningen Huth, Dr. Volkhard, Runzstraße 25, 79102 Freiburg i. Br. Hutzenlaub, Brigitte, Friedrichstraße 7 a, 78073 Bad Dürrheim Jenisch, Bertram, M. A., Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Kirchzartener Straße 25, 79117 Freiburg i. Br. Kaiser, Helmut, Autobahnpolizeidirektion Freiburg, Im Brunnenfeld 15, 79224 Umkirch Kaletta, Georg Stefan, St.-Blasius-Straße 16, 78086 Brigachtal Karrer, Dr. Walter, Leopoldstraße 1, 78112 St. Georgen i. Schw. Kauth, Jürgen, Typograph, Bitzstraße 9 a, 780n Bad Dürrheim Kopitzke, Oliver, Nußdorfer Straße 31, 88662 Uberlingen Kramer, Kurt, Glockeninspektion Erzbistum Freiburg, Ständehausstraße 4, 76133 Karlsruhe Krohn, Eduard, Austraße 72, 78056 Villingen-Schwenningen Kubach, Dr. Rudolf, !HK-Hauptgeschäftsführer, Romäusring 4, 78050 Villingen-Schwenningen Lamka, Arthur, Reuterstraße 155, 51456 Bergisch Gladbach Leibold, Wilfried, Tuninger Straße 3, 78056 Villingen-Schwenningen Lindig, Gertrud, Eichendorffstraße 43, 78166 Donaueschingen Maier, Otto, Landwirtschaftsdirektor i. R., 78166 Donaueschingen Meier, Josef, Waldkirch (verst.) Meurer, Eberhard, Am Strassberg 26, 78120 Furtwangen i. Schw. Mühe, Prof. Dr. Richard, Ilbenstraße 54, 78120 Furtwangen i. Schw. Müller, Max, Bürgermeister i. R., Vogelbeerweg 15, 78048 Villingen-Schwenningen Müller, Volker, Haydnstraße 38, 78166 Donaueschingen Neugart, Elisabeth, Langstraße 4, 78050 Villingen-Schwenningen Opp, Margot, Weierweg 10, 78111 Freiburg i. Br. Pfeffinger, Manfred, Gartenstraße 14, 78126 Königsfeld i. Schw. 363

Prokopowitsch, Leonid, Kienmoosstraße 3, 78112 St. Georgen-Peterzell Reichelt, Prof. Dr. Günther, Uhlandstraße 35, 78166 Donaueschingen Reinartz, Dr. Manfred, Museumsleiter, Beroldingerstraße 27, 78078 Niedereschach Renner, Rosemarie, Weilersbacher Straße 55, 78056 Villingen-Schwenningen Rieple, Max, Hüfingen (verst.) Rimmele, Barbara, Dipl.-Journalistin, Ebermannstraße 26, 78199 Bräunlingen Rimmele, Emil, Bürgermeister i. R., Ludwig-Uhland-Straße 8, 78141 Schönwald i. Schw. Rodek, Hanns-Georg, Im Holderbusch 5, 78056 Villingen-Schwenningen Schäfer, Karl Rudolf, Eckener Straße 8, 78056 Villingen-Schwenningen Schafbuch, Gottfried, Hüfingen (verst.) Schenk, Prof. Peter, Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg, Danneckerstraße 52, 78182 Stuttgart Scherer, Robert, Am Bodenwald 24, 78120 Furtwangen i. Schw. Schlatter, Rudolf, Friedrich-Ebert-Straße 47, 78166 Donaueschingen Schlichthaerle, Ulrich, Leiter des Städt. Verkehrsamts, 78048 Villingen-Schwenningen Schneider-Damm, Dagmar, M. A., Bühlweg 3, 78078 Niedereschach Schnibbe, Prof. Klaus, Ilbenstraße 50, 78120 Furtwangen i. Schw. Schreiber, Carmen, Pforzheimer Straße 8, 78048 Villingen-Schwenningen Seifermann, Hermann, Sommerbergstraße 15, 78112 St. Georgen-Peterzell Seiterich, Dr. Clemens, Hansjakobstraße 5, 79199 Kirchzarten Steger, Christiana, Birkenweg 8, 78176 Blumberg Steiner, Rolf, Alemannenstraße 20, 78048 Villingen-Schwenningen Sturm, Dr. Joachim, Baarstraße 12, 78166 Donaueschingen-Pfohren Techen, Beatrice, M. A., Carl-Diehm-Straße 23, 78120 Furtwangen i. Schw. Ungethüm, Prof. Dr. Dr. Michael, !HK-Präsident, _Romäusring �. 78050 Villingen-Schwenningen Verband der Serv1erme1ster und Restaurantfachkrafte e. V., Sektton Schwarzwald-Baar, Kalkofenstraße 37, 78050 Villingen-Schwenningen Volk, Karl, Untertal 19, 78098 Triberg i. Schw. Weber, Bruno, Oberstudiendirektor a. D., Billingerstraße 2, 78078 Niedereschach Weidenbach, lsolde, Lindenstraße 26 B, 78183 Hüfingen Wiehl, Lorenz, Schulstraße 27, 78148 Gütenbach i. Schw. Wölker, Robert, Polizeidirektor, In den Ziegelwiesen 2 a, 78048 Villingen-Schwenningen Zahlten, Richard, Schloßsäge 4, 79853 Lenzkirch-Kappel Zahradnik, Prof. Dr. Walter, Fachhochschule Furtwangen, Gerwigstraße 11, 78120 Furtwangen i. Schw. Zenz, Wolfgang, Landwirtschaftsdirektor i. R., Schubertstraße 11, 78166 Donaueschingen 364

Inhaltsverzeichnis Impressum Ehrenliste der Freunde und Förderer Heimat und Europa / Landrat Dr. Rainer Gutknecht Aus dem Kreisgeschehen 20 Jahre Schwarzwald-Baar-Kreis / Landrat Dr. Rainer Gutknecht Kreispolitik 1993 / Landrat Dr. Rainer Gutknecht Unsere Städte und Gemeinden, Wappen Donaueschingen wurde Große Kreisstadt/ Heinz Heckmann 1994: Ein Jahr der Ortsfeste und Jubiläen/ Dr. Joachim Sturm 900 Jahre Schabenhausen – Eine kleine Gemeinde mit bewegter Vergangenheit/ Bruno Weber Das Wappen von Schabenhausen / Prof. Klaus Schnibbe Neukirch – Vom Uhrmacherdorf zum Luftkurort/ Wilhelm Dotter Das Wappen von Neukirch / Prof. Klaus Schnibbe Hammereisenbach-Bregenbach – Ein liebenswerter Ort im oberen Bregtal / Karl Elsäßer Das Wappen von Hammereisenbach-Bregenbach / Prof. Klaus Schnibbe Behördei:i. und Organisationen 40 Jahre OTV-Kreisverwaltung Villingen-Schwenningen / Eduard Krohn Neue Rettungs- und Feuerwehrleitstelle des Schwarzwald-Baar-Kreises I Manfred Pfeffinger Das neue Saatbauamt stellt sich vor / Wolfgang Zenz Schulen und Bildungseinrichtungen 125 Jahre Gewerbliche Schulen in Donaueschingen / Volker Müller Schule für Körperbehinderte in Villingen-Schwenningen nunmehr komplett / Robert Faller 15 Jahre Rudolf-Steiner-Schule Villingen-Schwenningen – Mit der Einweihung der Turnhalle sind die Baumaßnahmen vorläufig abgeschlossen / Burkhard Hirsch und Leonid Prokropowitsch Wirtschaft und Gewerbe Konsequentes Kostenmanagement und Innovation erforderlich / Prof. Dr. Dr. Michael Ungethüm Vor der Ernte / Gedicht von Josef Albicker Ein Jahrzehnt St. Geor�ener Technologiezentrum (1983-1993) / Dr. Walter Karrer Identa – Die Schwennmger Firma liefert weltweit Sicherheitsausweise/ Hans-Georg Rodek Straub-Verpackungen, Bräunlingen – Gerüstet für’s Jahr 2000 / Eckart Eckert Firma goetz HOLZBAU Bad Dürrheim/ Dr. Joachim Sturm Die Firma Förderer Söhne GmbH – Neue Produktionsräume im Gewerbegebiet von Design als Firmenphilosophie – Europäischer Design-Preis 1992 für S. Siedle & Söhne, Niedereschach / Albert Bantle Furtwangen / Eberhard Meurer Archäologie Aitlingen – Eine mittelalterliche Wüstung im Aitrachtal / Bertram Jenisch M. A. Die Mutter Erde/ Gedicht von Margot Opp Geschichte Von freien Bauern und gelehrten Äbten – Historische Spuren des Klosters St. Peter im Gebiet des Schwarzwald-Baar-Kreises / Dr. Volkhard Huth Nichts geht ganz verloren/ Gedicht von Jürgen Henckell Das Notgeld im Gebiet des heutigen Schwarzwald-Baar-Kreises in den Jahren 1922 und 1923 / Hermann Binder 1 2 3 4 9 15 16 18 24 25 30 31 36 38 40 43 48 so 52 55 56 57 63 68 73 75 77 80 83 84 89 90 365

nationalsozialistischen Staat I Oliver Kopitzke überflüssigen Streit um den Verlauf von Eschach und Fischbach I Dr. Manfred Reinartz einer christlichen Persönlichkeit, die dem Nationalsozialismus widerstand I Richard Zahlten Helmut Kohler – ist in den Ruhestand getreten I Robert Wölker Aktivitäten besonders im Bildungsbereich aus I Angelika Mey in einer schwierigen Zeit I Karl Rudolf Schäfer Zeitung in Villingen: 1848-1933 I Wolfgang Bräun Abendfeier I Gedicht von Josef Albicker „Deutsch denken, deutsch schreiben“ – Das „Donaueschinger Tagblatt“ auf dem Weg in den Obereschach – Ein Dorf im Wandel – Eine geschichtliche Betrachtung I Werner Huger „Die Eschach von Graneckh biß an Horgemer Bruckhenn“ – Anmerkungen zu einem Verleugnetes Menetekel I Gedicht von Jürgen Henckell De Südweststaat I Gedicht von Gottfried Schafbuch Persönlichkeiten der Heimat Zwölf Jahre Kammerpräsident – Alfred Liebetrau I Dr. Rudolf Kubach Aus dem aufgefundenen Nachlaß von Stadtpfarrer Dr. Heinrich Feurstein – Zeugnisse Der langjährige Leiter der Polizeidirektion Villingen-Schwenningen – Polizeidirektor Dr. Max und Dr. Martha Frommer – Das Ehepaar zeichnete sich durch vielseitige Ein bewußter Schwenninger: Oberstudiendirektor i. R. Dr. Rolf Mehne – Schulleiter RolfKrülle – Eine vielseitig talentierte Persönlichkeit I Martin Günzler Bernhard Dury -Kommunalpolitiker und Gastwirt I Barbara Rimmele Als Autor unvergeßlich: Hermann Alexander Neugart I Wolfgang Bräun D‘ Brigach I Gedicht von Elisabeth Neugart Helga Eilts – praktiziert als Ortsvorsteherin Bürgernähe I Georg Stefan Kaletta Alexander Graf – Ein weit über Bad Dürrheim hinaus bekannter Architekt I Prof. Peter Schenk Eugen Müller – Vorbildlich in seinem sozialen Wirken I Eduard Krohn Ingrid Hasenfratz – Bäuerin aus Berufung I Gertrud Lindig Das Wort I Gedicht von Johannes Hawner Professor Dr. phil. Gert Böhme – Ein vorbildlicher Hochschullehrer mit außergewöhnlichen Willi Vollmer – Ein hochverdienter und beliebter Mitbürger I Franz Gottwalt Julius Naegele – Ein Mann, der aus der jüngeren Baugeschichte seiner Heimatstadt Ordnung I Gedicht von Christiana Steger Helmut Müller – Die Feuerwehr war sein Leben I Manfred Bau Hubert Fleig – Ortsvorsteher mit Fortune I Karl Volk Karl Dilger – Handwerker und engagierter Bürger I Rudolf Schlatter Elmar Schnetzler – Er wird vielen Aufgaben gerecht I Isolde Weidenbach Franz Gilli – Hochgeschätzter Anwalt für den bäuerlichen Berufsstand I Dr. Clemens Seiterich Uschi Elsässer – Zum Helfen immer bereit I Brigitte Hutzenlaub Otto Günter – Ein erfolgreicher heimischer Bauunternehmer I Klaus-Peter Friese In memoriam: Altbürgermeister und Ehrenbürger Mathias Lauble – Sein Denken und Allerseelen I Gedicht von Josef Albicker Der Schwarzwald-Baar-Kreis in Farben (Einlage) (in Fortsetzung des Kapitels „Persönlichkeiten der Heimat“) Karl Zimmermann – Ein Leben für den Schutz der Natur I Christiana Steger Hans Göppert – Ein erfolgreicher Handwerksmeister und ein engagierter Bürger der Gemeinde Schönwald mit einem Leben für den Skisport I Emil Rimmele Bernhard Moser – Von einem Rietvogel der ausflog I Jürgen Kauth 366 sozialen und gemeinnützigen Verdiensten I Prof. Dr. Walter Zahradnik nicht wegzudenken ist I Max Müller Handeln galt stets Peterzell / Hermann Seifermann 105 109 110 114 117 119 120 121 123 128 131 134 136 141 142 145 147 148 150 152 153 154 156 158 160 161 162 165 167 169 171 172 174 176 177 178 180

Prof. Dr. Richard Mühe Uhren im Landkreis – gestern und heute 150 Jahre Deutsche Uhrenindustrie – Vom Uhrengewerbe zur Uhrenindustrie/ Ein Besuch im „neuen“ Deutschen Uhrenmuseum in Furtwangen / Beatrice Techen M. A. Die astronomischen Geräte Philipp Matthäus Hahns im Deutschen Uhrenmuseum, Die astronomische Uhr aus dem Kloster St. Peter und die berühmte Rinderle-Uhr – Von dem Faszination Sonnenuhr/ Reinher Gassert Neu: Die Deutsche Uhrenstraße/ Ulrich Schlichthaerle Furtwangen / Prof. Dr. Richard Mühe und Beatrice Techen M. A. Furtwanger Wilfried Dorer in meisterlicher Weise nachgebaut / Robert Scherer Glocken Das Hüfinger Stadtgeläute / Kurt Kramer Heiteres aus dem Klosterleben St. Ursula in Villingen M. Hieronyma Riegger 1901-1990 / Helmut Groß Das Auge des Gesetzes und der Bienenhonig/ Gedicht von Helmut Groß Baudenkmäler Die Sägemühle in Gütenbach / Lorenz Wiehl Wider besseres Wissen / Gedicht von Christiana Steger Der Stöcklewaldturm / Jens Heid Manfred Bosch Zeichner, Maler, Grafiker/ Karl Rudolf Schäfer Kunst und Künstler Die Lovis-Presse – Eine Schwenninger Pioniertat des Kunstbetriebs der Nachkriegszeit / Dokumente einer verwehenden Welt – Hans Georg Müller-Hanssen 85 Jahre alt – Willi Dorn: Bildwerke, Holzdrucke/ Dr. Lorenz Honold Werner Klein – Der Meister des prägnanten Strichs und der hintergründigen Symbolik/ Ein anderer Winter / Gedicht von Jürgen Henckell Josef Meier Brauchtum 150 Jahre Hüfinger Fronleichnams-Blumenteppiche/ Isolde Weidenbach Das Sinkinger Backhaus – Ein alter Brauch wird wieder lebendig/ Albert Bantle Die neue Mühle in Mühlhausen – Ein Beispiel für Brauchtumspflege / Wilfried Leibold Das Vöhrenbacher Rätschen – Ein Brauch mit mittelalterlichen Wurzeln / Wilfried Dold Frühlingsahnen / Gedicht von Josef Albicker Der Maulwurf – nur in der Literatur? / Karl Volk Arthur Lamka Gesundheit Die ESPAN-Klinik in Bad Dürrheim – Fachklinik für Erkrankungen der Atmungsorgane/ Gutes Herz / Gedicht von Johannes Hawner Am Flußufer/ Gedicht von Josef Albicker Tröstlich Heiteres für unsere kranken Almanachleser / Gedicht von Helmut Groß Sagen der Heimat Der Sarg im Straßengraben / Max Rieple Theine-Legende / Ernst Braunschweiger 183 192 200 205 214 223 235 241 242 244 247 248 250 258 262 272 277 278 284 287 292 296 297 300 303 303 304 305 307 367

Verkehrswesen Der Busunfall / Helmut Kaiser Einbruch im Sommerautunnel / Karl Volk Landschaft, Umwelt Geheimnisvolle Ursprünge? -Gedanken zu drei bekannten Begriffen im Landkreis: Donau, Neckar, Baar / Prof. Dr. Günther Reichelt Die Landesgartenschau 1994 findet in Bad Dürrheim statt -Die Jahre davor/ Jörg Dieterle Landwirtschaft Bäuerliche Landwirtschaft auch künftig im Schwarzwald-Baar-Kreis unverzichtbar – Auswirkungen der EG-Agrarreform und GATT-Beschlüsse müssen verkraftet werden/ Otto Maier Erntekrone im Kreishaus/ Landrat Dr. Rainer Gutknecht Gastronomie Hotel -Gasthof „Falken“ in Schönwald / Emil Rimmele Landhaus Wagner in Bad Dürrheim: Kultivierte Tafelfreuden bei Kerzenlicht/ Dagmar Schneider-Damm, M. A. Der Verband der Serviermeister und Restaurantfachkräfte, Sektion Schwarzwald-Baar, aktiv / Verband der Seviermeister und Restaurantfachkräfte e. V., Sektion Schwarzwald-Baar Sport, Tanz Internationale Deutsche Meisterschaften im Rasenkraftsport in St. Georgen am 15. 8. 1992 – Hochkarätige Athleten am Start/ Willi Heldt Christina Gronmaier -mit Pfeil und Bogen zur Deutschen Meisterschaft/ Carmen Schreiber Jochen Heckmann -Tänzer, Choreograph und Lehrer/ Dagmar Schneider-Damm, M. A. In memoriam -Oskar Grießhaber -Eine Turnlegende / Heinz Heckmann Die Freizeit für den Rasenkraftsport -Hermann Lichtenberg zum Gedächtnis / Ludwig Baumann Die Bücher / Gedicht von Margot Opp Prosa und Lyrik aus unserer Heimat Der Kaiser, der Schultheiß und sein wackeres Töchterlein -Ein Baaremer Märchen / Rolf Steiner Brief an Robert Gerwig / Karl Volk Wunder Natur/ Gedicht von Hermann Seifermann Wenn die Gremmelsbacher hinaus -oder in die weite Welt gingen und zurückkehrten – Eine dialektkundliche Miniatur/ Karl Volk Manfred Bosch -Widmungsgedichte Gedichte von Jürgen Henckell Gedichte von Rosemarie Renner Verschiedenes Personen und Fakten Orden, Medaillen Arbeitslose in Prozentzahlen Bevölkerungsentwicklung Ausländer in Zahlen Farbaufnahmen und Fotonachweis Die Autoren unserer Beiträge Inhaltsverzeichnis 368 310 312 316 324 327 331 333 336 337 339 341 342 345 347 348 349 350 354 355 356 357 358 359 360 360 361 361 362 363 365