Almanach 1996

Almanach 96 Schwarzwald-Baar-Kreis Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 20. Folge Herausgeber: Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis Redaktion: Dr. Rainer Gutknecht, Landrat Dr. Joachim Sturm, Kreisarchivar Karl Volk, Realschuloberlehrer Für den Inhalt der Beiträge sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Nachdrucke sind nur mit Einwilligung der Redaktion und unter Angabe der Fundstelle gestattet. Verlag, Druck und Gestaltung: Todt-Druck GmbH, Villingen-Schwenningen

Ehrenliste der Freunde und Förderer des Almanach 1996 ANUBA-Beschläge X. Heine & Sohn GmbH, Vöhrenbach Auer + Weber+ Partner, Freie Architekten Dipl.-Ing. BDA, Königsträßle 2, Stuttgart-Degerloch Dr. Hanno Augstein, Hüfingen Bad Dürrheimer Mineralbrunnen GmbH + Co. Heilbrunnen, Bad Dürrheim Baden-Württembergische Bank AG, Filiale Villingen-Schwenningen Alfred Bausch, Rosen-Apotheke, Blumberg Bäurer Unternehmensberatung und Software GmbH, Römerstraße 39, Hüfingen/Behla Barbara und Albert Buchholz, Albany, N. Y., USA Ing.-Büro für Haustechnik Budde & Oberle, Ostbahnhofstraße 19, Villingen-Schwenningen Burger Industriewerk GmbH & Co. KG, Schonach EGT Elektrotechnik GmbH, Steinkreuzweg 6/1, Villingen-Schwenningen Claus Eller, Zahnarzt, Neue-Heimat-Straße 2, Vöhrenbach Elvedi GmbH Lagertechnik, Regalsysteme, Aitlingerstraße 18, Blumberg-Riedöschingen Helmut W. Falk, Wirtschafts-und Unter­ nehmensberater, Fürstenfeldbruck Emil Frei GmbH & Co., Lackfabrik, Bräunlingen-Döggingen Lars Frykman, Zahnarzt, Vor Weiden 25, Blumberg S. D. Joachim Fürst zu Fürstenberg, Donaueschingen Walter Glatz, Blumberg Dipl.-Ing. Theo Greiner VB!, Adolf-Kolping-Straße 12, Donaueschingen Dr. med. Egon Hochmann, Triberg Hock GmbH, Schönwald-Triberg Institut Dr. Jäger, Friedrichstraße 9, Villingen-Schwenningen Kraftwerk Laufenburg, Laufenburg KUNDO System Technik GmbH, St. Georgen Liapor-Werk, Tuningen 2 MAJCO Elektroapparate-Fabrik GmbH, Steinbeisstraße 20, Villingen-Schwenningen Mall Beton GmbH, Hüfinger Straße 39-45, Donaueschingen-Pfohren Vermessungsbüro Dipl.-Ing. Viktor Mandolla, Villingen-Schwenningen MEKU Metallverarbeitungs-Gm bH, Dauchingen Leopold Messmer, Freier Architekt, Furtwangen MODUS Gesellschaft f. berufliche Bildung GmbH & Co. KG, Vöhrenbach Dr. med. Paul Obergfell, Villingen-Schwenningen Dr. Peter Pfaff, Frauenarzt, Villingen-Schwenningen Prof. Dr. E. Pross, Villingen Guido Rebholz, Architekt, Zehntstraße 1, Bad Dürrheim Anne Rieple-Offensperger, Friedrichstraße 1, Bad Dürrheim Dipl.-Ing. Eckart Rothweiler, Freier Architekt, Donaueschingen SCHMTDT Feintechnik GmbH, St. Georgen S.Siedle & Söhne Telefon-und Telegrafenwerke Stiftung & Co., Bregstraße 1, Furtwangen Sparkasse Donaueschingen Günther Stegmann, Donaueschingen Stein Automation GmbH, Carl-Haag-Straße 26, Villingen-Schwenningen STRAUB-Verpackungen GmbH, Bräunlingen TRW Motorkomponenten GmbH & Co. KG, Präzision im Motor, Blumberg Volksbank eG Villingen F. K. Wiebelt GmbH & Co. KG, Villingen-Schwenningen Dr. med. Fritz Wilke, Villingen-Schwenningen Johann Wintermantel Verwaltungs-GmbH & Co. KG, Kies-und Betonwerke, Donaueschingen Udo Zier GmbH, Furtwangen 8 weitere Freunde und Förderer des Almanach wünschen nicht namentlich genannt zu werden.

Heimat – ein verpflichtendes Erbe Dem Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 1996 zum Geleit Ist dieses Leitmotiv ohne Widerspruch? Unsere Jugend macht sich ihre eigenen Gedanken über dieses T hema. Der Begriff „Hei­ mat“ ist bei jungen Menschen bisweilen negativ besetzt. Heimat verbindet sich bei ihnen mit engem, spießigem Lokalpatriotismus, den sie, weltoffen wie sie sein wollen, ablehnen. Ein Grund für die Skepsis ist oft auch die Tatsache, daß sich viele nicht mehr an dem Ort, wo sie geboren oder aufgewachsen sind, aufhalten, sondern aus beruflichen Gründen weit weg „von zu Hause“ eine neue Heimat gefunden, dort Wurzeln geschlagen haben und sich in der neuen Umgebung wohlfühlen. Nicht nur der Beruf, auch die Freizeit bietet alle Möglichkeiten, die ganze, weite Welt kennenzulernen und zu erkennen, daß der Wohnort nicht der einzig schöne Fleck auf dieser Erde ist. Und schließlich ist auch darauf hinzuweisen, daß unsere Lebensweise, besonders in den Großstädten, die Anonymität fördert: der einzelne hat keinen festen Platz mehr in einer Gemeinschaft, es fehlt der soziale Halt, der ja auch Heimat mit aus­ macht, wie man ihn in kleineren Gemeinden oder auf dem Lande noch vielerorts hat. Der jeweilige Wohnort wird austauschbar, das Unverwechselbare der Heimat im herkömmlichen Sinne fehlt. Hat Heimat also ausgedient? Gibt es dementsprechend auch kein überkommenes Erbe, kein anvertrautes Gut, das es zu bewahren gilt? Ich meine: nein! Trotz der genannten Einwände gibt es noch viele unter uns, für die Heimat einen Wert dar­ stellt, den es zu erhalten gilt. Heimat als Verpflichtung im Sinne von Erhaltung der Gebräuche und Sitten, der Sprache (Dialekt!), der Umwelt sowie von Wachhalten der Heimatgeschichte und aktuellen Ereignissen. Wie viele aus Erfahrung wissen, kann die Beschäftigung mit den zahlreichen Glanzlichtern der Heimat zur persönlichen Bereicherung werden. Mehr noch: Heimat ist ein verpflichtendes Erbe, das uns zu „treuen Händen“ übergeben wurde und unse­ ren Nachkommen zu erhalten ist. Ich möchte die eingangs erwähnten Gedanken nochmals aufgreifen. Auch wenn der Ver­ lust des Heimatbegriffs der Unlust mancher Jugendlicher entspringen mag, richtig ist, daß Heimat eigentlich da verloren wird, wo die Wertschätzung der eigenen Herkunft aufhört. Der Verlust der Werte, der im privaten und öffentlichen Bereich zu beklagen ist, bedeutet eine wei­ tere Erscheinungsform der Auflösung zwischenmenschlicher Beziehungen. Heimatpflege kann, so gesehen, einen Beitrag zur inneren Erneuerung unserer Gesellschaft leisten. Die Redaktion des Almanach, der nunmehr zum 20. Mal erscheint, hat sich in der Vergan­ genheit bemüht, unseren Leserinnen und Lesern den Schwarzwald-Baar-Kreis als unsere engere Heimat unter den verschiedensten Gesichtspunkten nahezubringen. Die 20 Bände geben einen guten Einblick in die Vielfalt und Schönheit unseres Landkreises. Möge auch die neue Ausgabe das Interesse am Schwarzwald-Baar-Kreis wachhalten! Ich danke wie immer unseren treuen Freunden und Förderern, die uns seit Jahren begleiten und tatkräftig unterstützen. Dies war und ist ein schönes Zeichen der Zusammengehörigkeit. Dr. Rainer Gutknecht Landrat 3

Aus dem Kreisgeschehen Kreispolitik 1995 Das Jahr 1995 war – wie schon die Vor­ jahre – von der Sorge um die wirtschaftliche Entwicklung im Landkreis erfüllt, wobe� besonders die Verhältnisse in der Kreisstadt Villingen-Schwenningen zu der nach wie vor angespannten Lage beitragen. Die Arbeits­ losenquote war in den Wintermonaten 1994/95 dementsprechend mit 9,5 0/o hoch. Das Frühjahr 1995 brachte jahreszeitlich bedingt zwar eine leichte Besserung Ouni 1995: 7,7 %), insgesamt sind wir jedoch noch nicht „über dem Berg“. Auf Anregung des Wirtschaftsministeri­ ums in Stuttgart ging das Landratsamt in einer schriftlichen Ausarbeitung auf die drei Bereiche: Stärken und Schwächen des Schwarzwald­ Baar-Kreises, Leitbild für den Schwarzwald-Baar-Kreis und – Handlungsschwerpunkte zur Stärkung der Wirtschaft ein. Es wurden zahlreiche Gespräche mit den am wirtschaftlichen Leben Beteiligten ge­ führt. Die weiteren Bemühungen konzen­ trieren sich darauf, die „positiven Kräfte“ zu bündeln und durch gemeinsame Anstren­ gungen zu einer Verbesserung der wirtschaft­ lichen Lage beizutragen. Die angespannte Haushaltslage zwingt zu äußerster Sparsamkeit. Für den Investitions­ bereich heißt dies, daß nur das Notwendig­ ste angepackt bzw. fortgeführt werden konnte: – Die neue Unterkunft der Schule für Gei­ stigbehinderte in Donaueschingen konn­ te am 7. 4.1995 im umgebauten Missions­ konvikt offiziell in Betrieb genommen werden (vgl. Beitrag in diesem Almanach, Seiten 62-66). 4 – Der Neubau der Beruflichen Schulen in Furtwangen wurde am 25. 7. 1995 einge­ weiht (vgl. Beitrag in diesem Almanach, Seiten 66-69). – Nicht aufschieb bar ist die Erweiterung der Schule für Körperbehinderte in Villin­ gen-Schwenningen um einen dritten Bauabschnitt. Die drei beteiligten Kreise (Rottweil, Tuttlingen, Schwarzwald-Baar) beabsichtigen, für eine Übergangszeit ei­ nen Container-Anbau mit drei Klassen­ und zwei Gruppenräumen und in den nächsten Jahren einen Erweiterungsbau zu errichten. Als weitere Schwerpunkte der Kreispolitik standen auch im Berichtszeitraum die Ab­ fallwirtschaft, der Soziale Bereich und der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) im Vordergrund. Die Abfallwirtschaft bildet in dieser Aus­ gabe ein eigenes Kapitel (siehe Seiten 14-43). Sozialer Bereich Die soziale EntwickJung des Kreises war im vergangenen Jahr erwartungsgemäß ge­ prägt von einem weiteren drastischen An­ wachsen der Sozialhilfeausgaben. So stieg der vom Kreis aus eigenen Mitteln zu finan­ zierende Aufwand in der originären Sozial­ hilfe (ohne Asylbewerber und Bürgerkriegs­ flüchtlinge) um 18 O/o von 19,6 Mio. DM auf 23,1 Mio. DM. Hinzu kommt die an den Landeswohlfahrtsverband für die stationäre Pflege älterer Mitbürger und Behinderter zu leistende Umlage von über 41 Mio. DM. Mittlerweile gibt der Landkreis für die soziale Sicherung insgesamt rund 110 Mio. DM brutto aus, d. h. jede zweite Mark des Kreishaushaltes fließt in den Bereich Sozia­ les. In der Folge mußte die von den Gemein-

den des Kreises zu leistende Umlage erneut um 1 4 Punkte angehoben werden. Die Hauptursachen für die Entwicklun­ gen der Sozialhilfe liegen in der überaus pre­ kären Arbeitsmarktsituation mit über 8 000 Arbeitslosen im Kreis (höchste Arbeitslosen­ rate aller baden-württembergischer Land­ kreise) und der Tatsache begründet, daß der Bundesgesetzgeber seine Leistungen, insbe­ sondere bei der Unterstützung Arbeitsloser, ständig zu Lasten der örtlichen Sozialhilfe reduziert. Besonders betroffen ist hiervon der Personenkreis der Spätaussiedler, der infolge einer Änderung des Arbeitsförde­ rungsgesetzes nunmehr nach 6 Mona�en ausschließlich auf Sozialhilfe angewiesen ist. Rund 60 O/o der Fallzahlenzuwächse bei den Sozialämtern des Kreises entfallen auf diese Personengruppe. Trotz der Tatsache, daß die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und_ hi�r insbesondere der Langzeitarbe1tslos1gke1t mit rund 2 500 Personen im Schwarzwald­ Baar-Kreis primär die Aufgabe der Arbeits­ verwaltung ist, hat sich der Landkreis im März dieses Jahres entschlossen, ein eigenes Förderprogramm zur Beschäftigung ar­ beitsloser Sozialhilfeempfänger aufzule- gen: fü d“ B h““fi · 1e esc a tl- · r gung eines arbeitslosen Sozialhilfeempfän­ gers für 1 Jahr einen monatlichen Lo?nko­ stenzuschuß über DM 1500,-. Des weiteren kann die Förderung von Arbeitsbeschaf­ fungsmaßnahmen durch das Arbeit_samt für Sozialhilfeempfänger vom Landkreis auf b1s zu 100 0/o. der Lohnkosten aufgestockt wer­ den. Für �alifizierungsmaßnahmen wird die Sozialhilfe weitergewährt bzw. sogar-als Anreiz für die Betroffenen – aufgestockt. Mit diesen Maßnahmen setzt der Kreis die Priorität klar in der Eingliederung der Betrof­ fenen in den ersten Arbeitsmarkt, eine För­ derung des sogenannten zweiten Arbeits­ marktes etwa in Form von Beschäftigungsge­ sellschaften erfolgt allenfalls nachrangig nach einer genauen Kosten-Nutzen-Ana­ lyse. Der Kreis ist zuversichtlich, daß df e Arbeitgeber dieses Förderangebot gerade m Arbeitgeber erhalten Eingliederung staatlicher Behörden in das Landratsamt Ab 1. Juli 1995 sind die bisher staatlichen Einrichtungen Gesundheitsamt Villingen­ Schwenningen, Veterinäramt Donaueschin­ gen und Teile des Amtes für Wasserwirtschaft und Bodenschutz Donaueschingen in das Landratsamt des Schwarzwald-Baar-Krei­ ses eingegliedert worden. Landrat Dr. Rainer Gutknecht begrüßte am 4. Juli 1995 die rund 50 neuen Mitarbeiter und betonte, daß man sich bemühen werde, durch kürzere Ver­ waltungswege und die Bündelung des techni­ schen Sachverstandes mit der Verwaltungszu­ ständigkeit des Landratsamtes die vom Gesetzgeber vorgegebenen Ziele möglichst schnell zu erreichen. Frau Dr. Flick als Leiterin des neu einge­ richteten Gesundheitsdezernates, Herr Möß­ ner als neuer Leiter des Amtes für Wasser­ wirtschaft- und Bodenschutz und Herr Dr. langer als Leiter des Veterinäramtes gehören nunmehr der Leitungsebene des Landratsamtes an. An der räumlichen Unterbringung hat sich nichts geändert: Das Gesundheitsamt ist im bisherigen Gebäude im Stadtbezirk Villingen untergebracht. Das Amt for Wasserwirt­ schaft und Bodenschutz und das Veterinär­ amt des Landratsamtes befinden sich wie bis­ her in der Jrmastraße 11 in Donaueschingen (im Gebäude des ehemaligen Finanzamtes). Zeiten einer wieder anziehenden Konjunk­ tur annehmen. Ein weiteres beherrschendes Thema im Landkreis war und ist die Einführung der Pflegeversicherung mit ihren ambulanten und teilstationären Leistungen zum 1. 4.1995. In der Praxis wird spürbar, daß dieser „Pflege­ kom promiß“ vom Frühjahr 1994 doch “.mit heißer Nadel gestrickt“ wurde. Ungereimt­ heiten und Defizite in diesem Gesetzeswerk 5

zur 5.Säule der Sozialversicherung-etwa im Bereich der Leistungen an Behinderte -wer­ den mit Sicherheit noch lange die Gerichte und den Gesetzgeber beschäftigen. Bei aller -sicherlich auch berechtigten -Kritik sollte aber nicht vergessen werden, daß mit diesen Leistungen rund 90 OJo der Personen in der offenen Pflege außerhalb des Heimes und etwa 75 OJo der Pflegebedürftigen im Heim von der Sozialhilfe (d. h. Einsatz des „Erspar­ ten“ und Heranziehung der Kinder zu den Heimkosten) unabhängig sein werden. Aus Sicht der Kreisfinanzen und damit auch der der Gemeinden wird spätestens ab der Ein­ führung der stationären Leistungen der Pfle­ geversicherung zum 1. 7. 1996 eine deutliche Entlastung -landesweit wird von 800 Mio. DM gesprochen – erwartet. Allerdings scheint bei dieser Zahl Skepsis angebracht. Für die Heime, die Sozialstationen und die ambulanten Hilfsdienste im Kreis bringt die Pflegeversicherung tiefgreifende Änderun­ gen mit sich. Das Altenheim klassischer Prä­ gung wird es aus Sicht der Pflegeversicherung nicht mehr geben. Neue und komplizierte Abrechnungsverfahren mit den unterschied­ lichsten Kostenträgern sind zu entwickeln. Die Sozialstationen können im Bereich der Leistungen für die Pflegeversicherung nicht mehr mit kommunalen Zuschüssen von Kreis und Gemeinden rechnen. ,,Markt“ ein­ schließlich der Konkurrenz privat-gewerbli­ cher Anbieter ist angesagt. Der Landkreis wird seine Förderrichtlinien für die ambu­ lanten Dienste grundlegend für das Jahr 1996 überarbeiten müssen. Im Bereich der Hilfen für Nichtseßhafte konnte im vergangenen Jahr ein wichtiges Ziel erreicht werden: Die Arbeiterwohlfahrt wird in VS-Schwen­ ningen mit Unterstützung des Landkreises, der Stadt Villingen-Schwenningen, des Lan­ deswohlfahrtsverbandes und des Landes eine Einrichtung für Nichtseßhafte verwirk­ lichen. Hier sollen Übernachtungsplätze für 6 Personen sowie 11 Plätze zur Wiedereinglie­ derung Nichtseßhafter, verbunden mit einer angegliederten Werkstatt, für insgesamt rund 6 2,1 Mio. DM geschaffen werden. Mit dieser Einrichtung ist wiederum ein „weißer Fleck“ in der sozialen Landschaft des Schwarzwald­ Baar-Kreises verschwunden. Ruhig ist es im letzten Jahr um die Proble­ matik der Asylbewerber geworden. Der deutliche Rückgang der Bestandszahlen von 1 600 Asylbewerbern im April 1994 auf jetzt rund 1 000 im Landkreis, die um 60 OJo gesun­ kenen Neuzugänge sowie die Wiedergewäh­ rung von Geldleistungen an Asylbewerber im zweiten Verfahrensjahr haben dazu beige­ tragen. Die Gemeinden des Landkreises bau­ en mittlerweile wieder Unterbringungskapa­ zität ab. Trotz dieser Entwicklung hat die finanzielle Belastung des Kreises zugenom­ men: Mehr Asylbewerber werden als Berech­ tigte anerkannt, deutlich mehr Personen wer­ den nach Abschluß des Asylverfahrens hier geduldet oder erhalten eine Aufenthaltsbe­ fugnis. Zusammen mit der nach wie vor ho­ hen Anzahl von Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien wird der Kreis hierfür Mittel in Höhe von rund 3 Mio. DM erbringen müssen. In der Jugendhilfe war nach dramati­ schen Aufwandssteigerungen in den letzten Jahren jetzt erstmals eine verhaltene Steige­ rung um „nur“ 6 OJo auf rund 13,6 Mio. DM festzustellen. Hiervon entfielen allein 8 Mio. DM auf die Stadt Villingen-Schwenningen. Mit dieser – relativ gesehen – moderaten Steigerung macht sich die vom Kreisjugend­ amt eingeleitete Ausdifferenzierung der Hil­ fen für Kinder und Jugendliche vor einer teu­ ren vollstationären Heimunterbringung be­ merkbar. Als Vorfeldangebote in diesem Sinne konnten im vergangenen Jahr eine weitere Tagesgruppe in Hüfingen und in St. Georgen in Betrieb genommen werden. Ein zweites Angebot zur sozialen Gruppen­ arbeit für auffällige Kinder wird in Donau­ eschingen angeboten werden müssen. Durch das Einrichten eines Spezialdienstes im Kreisjugendamt wird die Arbeit mit und die Gewinnung von weiteren Pflegefamilien in­ tensiviert werden. Große Sorgen bereitet

dem Landkreis die Entwicklung sogenannter sozialer Brennpunkte, insbesondere in den Übergangswohnheimen für Spätaussiedler im Landkreis. Im größten Heim, in Maria­ Tann in Unterlcirnach, berichten Polizei und Betreuungskräfte von massiven Gewalt- und Drogendelikten. Aber auch andere Über­ gangswohnheime im Kreis sind hiervon nicht verschont. Die besondere soziale Lage der hier untergebrachten Personen, insbe­ sondere die der Kinder und Jugendlichen, die hier oft ohne persönliche und berufliche Perspektive leben, bietet ein geradezu ideales Umfeld für kriminelle Aktivitäten. Wenn schon Kinder in der Übergangswohnheimen zum Drogenkonsum verführt werden, ist Handeln dringend notwendig. In einer ge­ meinsamen Anstrengung haben Gemeinde, Diakonisches Werk und der Landkreis in Maria-Tann eine Sozialarbeit eingerichtet, die insbesondere Kindern und Jugendlichen eine sinnvolle Freizeit und persönliche Hi!- fen anbietet. Es bleibt zu hoffen, daß hiermit und mit weiteren begleitenden Maßnahmen die Situation, wenn schon nicht bereinigt, so doch jedenfalls deutlich verbessert werden kann. Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) Der ÖPNV stellt eine der wenigen Aufga­ ben dar, bei denen der Landkreis über Gestal­ tungsmöglichkeiten verfügt. Mit der Regio­ nalisierung des Schienenpersonennahver­ kehrs wird die Verantwortung für die Organi­ sation des Nahverkehrs auf die Länder und Kommunen übertragen. Zum 1.1.1996 über­ nimmt das Land die Aufgaben- und Finanz­ verantwortung im Schienenpersonennah­ verkehr und gleichzeitig wird die Zuständig­ keit der Stadt-und Landkreise im Busverkehr begründet. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Bahnstrukturreform und zur Gestaltung des ÖPNV (ÖPNVG) in Baden-Württem- (Fortsetzung Seite 12) Kuckucksuhr am Landratsamt in Villingen-Schwenningen, Künstler: Albert Hien, München 7

Hochwasser im Schwarzwald-Baar-Kreis In der 2.}anuarhä!fte 1995 war es wieder soweit: Weite Tei/.e des Landkreises, besonders im Ein­ zugsbereich von Brigach, Breg und Donau waren überschwemmt. Regen, Sturm, Schnee und glalle Straßen wechselten in schneller Folge ab. Am 25. Januar 1995 m11ßte Hochwasseralarm (nicht Katastrophenalarm!) a11sgeruftn werden. Die kri­ tischen Werte des Hochwassers vom 15. Februar 1990 (vgl. Almanach 93, Seite 11-14) wurden zwar nicht erreicht, dennoch waren viele Kräfte Hochwasser an der Donau bei !Johren im Einsatz, um unsere Bevölkerung zu warnen und zu schützen. Ahnliche Verhältnisse herrschten auch am 22. Dezember 1991 und am 20. Dezember 1994. Während im Dezember 1991 Hochwasseralann für das gesamte Bregtal ausgelöst wurde, reichte im Dezember 1994 eine Hochwasserwamungfür das Breg- und Brigachtal. Auch bei uns wurde die Frage laut, was denn die Ursache dieser sich hä11ftnden ,Jahrhunderthoch­ wasser“ sei. Deuten die großen Wassennassen a1if eine Klimaänderung hin oder sind die „Bau­ sünden“ der Vergangenheit schuld an den Schä­ den? Eine schlüssige Antwort gibt es bisher nicht. Hochwasser bei Beckhoftn Hochwasser an der Brigach!A1efen Hochwasser an der Brigach!Marbach 8

Hochwasser Brigachtal 9

Tunnelanschlag an der B 31 in Döggingen Der Dögginger Tunnel ist ein wichtiger Verkehrs­ abschnitt eines leistungsfähigen Ausbaues der B 31 zwischen Freiburg und Donaueschingen. Döggingen, ein Stadtteil der Stadt Bräunlingen, ist die letzte Ortsdurchfahrt zwischen Freiburg und Donaueschingen. Das hohe Verkehrsauf kommen quält sich seit Jahren durch den Ort. Der Verkehr wird sich in der Zukunft durch die Liberalisierung des europäischen Handels, den EG-Binnenmarkt und der Öjfnung der Grenzen zu Osteuropa noch verstärken. Der Bau einer zweibahnigen Straße ist daher unumgänglich. Die einzig ausführbare Variante war die am 10.Juli 1991 plarifestgestellte unterir­ dische Trasse. In Anwesenheit von Ministerpräsident Erwin Teuft!, Bundesverkehrsminister Matthias Wiss­ mann und Landesverkehrsminister Hermann Schaufler wurde am Freitag, den 9.juni 1995 der Startschuß fiir die dringende Baumaßnahme gegeben. Die Bilder halten das wichtige Ereignis fast. 10

berg, das vom Landtag am 23. Mai 1995 be­ schlossen wurde, wird das Landesrecht an die geänderten eisenbahnrechtlichen Bestim­ mungen angepaßt. Dieses ÖPNVG soll der geeignete Rahmen für eine Fortentwicklung und Verbesserung des ÖPNV sein. Der ÖPNV ist darin weiterhin als freiwil­ lige Aufgabe der Kommunen und nicht als Pflichtaufgabe ausgestaltet. Damit bleiben Spielräume erhalten, die frei sind von staatli­ chen Vorgaben und sich an örtlichen Bedürf­ nissen orientieren können, so daß hier tat­ sächlich von Gestaltungsmöglichkeiten ge­ sprochen werden kann. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß auf den Landkreis erhebliche finanzielle Belastungen zukom­ men werden. Ein weiteres Ziel des Landes ist die Ein­ führung des sogenannten Integralen Takt­ fahrplanes, mit dem eine vernetzte Ver­ kehrsbedienung auf der Schiene und damit eine erhebliche Verkürzung der Fahrzeiten erreicht werden soll. Eine stündliche Ver­ knüpfung aller Zugangebote des Nah- und Fernverkehrs und auf den integralen Takt­ fahrplan aufbauende lokale Verkehrsnetze können zu einer deutlichen Attraktivitäts­ steigerung der öffentlichen Verkehrsmittel führen. Um dies sicherzustellen, soll die Erfüllung der Aufgaben im Schienenperso­ nennahverkehr zunächst dem Land vorbe­ halten bleiben. Die Umsetzung des Integra­ len Taktfahrplanes für unseren Bereich soll ab dem Fahrplan 1996/1997 erfolgen. Die Umsetzung integrierter Nahverkehrs­ konzepte auf Kreisebene erfordert auch erhebliche finanzielle Mittel. Der Schwarz­ wald-Baar-Kreis kann umfangreiche Kon­ zepte zur Verbesserung des ÖPNV und eine Verknüpfung von Straße und Schiene nicht allein verwirklichen, sondern ist auf eine Unterstützung durch das Land angewiesen. Da mit der Regionalisierung auch die Fi­ nanzverantwortung auf das Land überging, mußten die planerischen Vorarbeiten recht­ zeitig fertiggestellt sein, um beim Land Ba­ den-Württemberg mit einem umsetzungs­ reifen Konzept die Gewährung von Förder- 12 mitteln aus den Regionalisierungsgeldern beantragen zu können. Ein besonderer Schwerpunkt im Berichtszeitraum war des­ halb die Entwicklung eines ÖPNV-Konzep­ tes durch die Landkreise Tuttlingen, Rottweil und Schwarzwald-Baar gemeinsam mit dem Regionalverband. Das sogenannte Ringzug­ system soll auf der Schiene das Oberzen­ trum Villingen-Schwenningen mit den Mit­ telzentren Rottweil, Tuttlingen und Donau­ eschingen verbinden. Gleichzeitig soll der die Fläche erschlie­ ßende Busverkehr mit dem Schienenverkehr vernetzt werden. Teile dieses integrierten ÖPNV-Konzeptes sind bereits umgesetzt. Bei einer ersten Vorstellung des Ringzug­ systemes stellte Verkehrsminister Schaufler eine Unterstützung des Landes in Aussicht. Die entsprechenden Förderanträge werden voraussichtlich im Herbst 1995 gestellt wer­ den. Aus der Sicht des Schwarzwald-Baar-Krei­ ses kommt einem Teil dieses Ringzugsyste­ mes besonders große Bedeutung zu. Ein wesentlicher Beitrag zur Kreispolitik ist die Umsetzung des Stadtbahnkonzeptes, der Verbindung von Bräunlingen über Hüfin­ gen – Donaueschingen – Brigachtal – Vil­ lingen und Schwenningen nach Trossingen. Diese Strecke führt durch die am dichtesten besiedelten Bereiche des Kreises und verbin­ det die an der Strecke liegenden Gemeinden direkt mit dem Oberzentrum Villingen­ Schwenningen. Auch können die aus dem südlichen Kreisgebiet auf Donaueschingen und Hüfingen ausgerichteten Buslinien durch die Stadtbahn mit Villingen-Schwen­ ningen verbunden werden. Im Berichtsjahr wurde das Stadtbahnkonzept nochmals überarbeitet und verfeinert. Die voraussicht­ lichen Investitionskosten wurden ermittelt und bei möglichen Betreibern der Stadtbahn die Preise erfragt. Die Stadtbahnkonzeption wurde den an der Strecke liegenden Gemein­ den vorgestellt und in den Gemeinderäten wie auch im Kreistag befürwortend aufge­ nommen. Die Stadtbahnkonzeption wurde inzwischen dem Land mit der Bitte um

Bezuschussung vorgetragen. Nächster Schritt wird die Organisation der Beteiligung der Gebietskörperschaften an der Stadtbahn sein. Selbstverständlich sind auch die Busunter­ nehmer einzubeziehen. Ein weiterer Schwerpunkt im Berichts­ zeitraum war die Einführung der elektroni­ schen Fahrscheindrucker, die zu Beginn des Jahres 1995 installiert wurden. Die Finan­ zierung wurde zu 20 % von den Busunter­ nehmern und zu je 40 % vom Land Baden­ Württemberg und dem Schwarzwald-Baar­ Kreis übernommen. Mit den elektronischen Fahrscheindruckern besteht die Möglich­ keit, linien- und unternehmensbezogene Abrechnungen vorzunehmen und den je­ weiligen Unternehmen den auf seine Linie entfallenden Anteil an Einnahmen zuzuord­ nen. Bereits unmittelbar nach der Installa­ tion begannen einige Unternehmer, die Fahrscheine gegenseitig anzuerkennen. Damit ist ein wesentlicher Schritt für eine stärkere tarifliche Zusammenarbeit der ver­ schiedenen Unternehmen getan. Die Neuordnung des Hintervillinger Raumes, mit der die Linienverkehre in fahr­ plantechnischer Hinsicht und im Bereich der Tarife aufeinander abgestimmt werden sollen, konnte 1994 aus finanziellen Grün­ den leider nicht durchgeführt werden. In den Beratungen für den Haushaltsplan 1995 hat der Kreistag eine grundsätzliche Absichtser­ klärung abgegeben, die Konzeption im Haushalt künftig zu berücksichtigen. Bis Ende des Jahres 1995 wird deshalb die Kon­ zeption an die geänderten Verhältnisse ange­ paßt und das Ziel verfolgt, die Umstrukturie­ rung im Hintervillinger Raum im Jahre 1996 durchzuführen. Dr. Rainer Gutknecht Joachim Gwinner Gabriele Seefried Haus in Nußbach Öl-Tempera, 1988: Klaus Burk 13

Eine wichtige Kreisaufgabe: Abfallwirtschaft Abfall und alles was dazugehört ist seil Jahren ein Schwerpunkuhema der Kreispolitik. Die Bedeutung des Themas rechifertigl eine Standortbestimmung, zumal das ö./fenlliche Interesse nicht zuletzt wegen der Inanspruchnahme der Einwohner des Kreises durch Gebühren weiter zunimmt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Abfallwirtschafisamles in der Verwaltung des Landkreises haben unter Fede,füh­ rung ihres Leiters, Albrecht Tschackerl, die Fragen der Abfallwirlschafi aus der gegenwärtigen Sicht beleuchtet. Der Abfall im Brennpunkt des öffentlichen Interesses Müllbeseitigung – Entsorgung – Abfa/lwirt­ schafi. Schon die Wandlung der Begriffe macht die Entwicklung in diesem wichtigen kommunalpolitischen Thema deutlich. In den 60er Jahren gab es in fast jeder Ortschaft eine „Müllkippe“, auf der die Hinterlassen­ schaften der aufblühenden Wohlstandsge­ sellschaft abgekippt wurden. Dem damals noch vollkommen ungenügenden Kennt­ nisstand über chemische und biologische Abläufe in den Deponien stand die erheb­ liche „Chemisierung“ des deutschen Abfalls gegenüber, der ständig stärker mit Schadstof­ fen aller Art belastet war. Der Gesetzgeber hat dies zum Anlaß genommen, im Jahr 1972 ein erstes Bundesabfallgesetz zu formulie­ ren, das sehr deutlich machte, daß die Ent­ sorgung von Abfällen in gleicher Weise eine Maßnahme der Daseinsvorsorge darstellt, wie es die Versorgung der Bevölkerung mit Wa er, Energie und Grundnahrungsmitteln ist. In den 70er Jahren entwickelte sich sehr rasch eine fundierte Abfallforschung mit Standbeinen an den Universitäten von Ber­ lin, Braunschweig und Stuttgart. Sie hatte zunächst die Abfallablagerung mit ihren viel­ fältigen bautechnischen Ansprüchen und Umweltauswirkungen zum Gegenstand. Die Praxis folgte dem wissenschaftlichen Er­ kenntnisstand jedoch nur langsam. Sicher 14 auch eine Folge der gesetzlichen Übertra­ gung der Entsorgungsverantwortung auf die kommunale Ebene und der damit verbunde­ nen erheblichen Schwierigkeit der Wissens­ übertragung, die notwendig ist, um in Kom­ munalparlamenten umwelttechnische Inve­ stitionen in Millionenhöhe verantwortlich zu beschließen. In den 80er Jahren nahm die Müllbeseiti­ gung eine explosionsartige Entwicklung und folgerichtig führt diese Disziplin heute die Bezeichnung Abfallwirtschaft. Die Ablage­ rung des „Restmülls“ spielt nur noch eine Nebenrolle, obgleich die Entsorgung ohne belastbare Restmüll-Entsorgungsanlagen un­ mittelbar zusammenbrechen würde. Einen finanziell wesentlich umfangreicheren An­ teil hat die Verwertung von Abfällen, da heute technische Verfahren vorhanden sind, um nahezu alle Stoffe, die ohne Verschmut­ zung und sortenrein erfaßt werden können, einer Verwertung zuführen zu können. Die Voraussetzung dafür ist jedoch, daß sich alle Glieder unserer Gesellschaft am Sor­ tieren und getrennten Bereitstellen von Rest- toffen beteiligen. In gleicher Weise, wie vom Bürger und Konsumenten der An­ spruch an hochwertige Konsumgüter gestellt wird, ist für ein funktionierendes Recycling der Anspruch an den Verbraucher zu stellen, seine Reststoffe sauber und separiert der Ver-

wertung zur Verfügung zu stellen. Bedauer­ lich ist, daß damit nicht eine Verringerung der Entsorgungskosten einhergeht, da mit jedem Verwertungsvorgang Dienstleistun­ gen und Aufbereitungsvorgänge verbunden sind, deren Kosten in der Regel die Wert­ schöpfung aus ·der erneuten Verwendung eines Sekundärrohstoffes übersteigen. Bis heute hat sich eine alte Erkenntnis der frühen abfallwirtschaftlichenJahre bestätigt: beitsplatz an abfallarmes Konstruieren und Produzieren. Es gibt vielfältigste Berüh­ rungspunkte und folglich ist auch das öffent­ liche Interesse an diesem Zeitproblem be­ sonders ausgeprägt. Überall gibt es Müllex­ perten, selbsternannte und tatsächliche. Die politische Diskussion ist kontrovers, sie auf einem sachlichen Niveau zu halten ist schwierig. Die Vielfalt der Informationsquel­ len, ob seriös oder unseriös, ist unüberschau- WENIGER MULL SCHWARZWALD-BAAR-KRE I S •• Die billigste Entsorgung ist es, alles auf einen großen Haufen zu werfen, alles zu deponie­ ren. Umweltschutz kostet viel Geld. Um so wichtiger ist die ökologische und ökonomi­ sche Gesamtschau bei der Lösung abfallwirt­ schaftlicher Probleme. Eine für den Bürger noch vertretbare Abfallgebührenbelastung macht es notwendig, Kompromisse zwi­ schen dem ökologisch Wünschenswerten und dem ökonomisch noch Vertretbaren zu finden. Ein jeder wird tagtäglich mit Belangen der Abfallwirtschaft konfrontiert. Sei es der täg­ liche Gang zum Mülleimer, die Pressebe­ richterstattung über das entsorgungspoliti­ sche Ringen oder die Anforderung am Ar- bar. Trotz alledem ist es ein überaus erfreuli­ cher Zug unserer Zeit, daß sich die Bevölke­ rung intensiv mit der Erhaltung unserer natürlichen Umwelt auseinandersetzt. Es ist naheliegend, daß sie dies wegen der indivi­ duellen Betroffenheit gerade am Beispiel der Abfallwirtschaft tut. In unserem Landkreis wurden bis zum Ende der 80er Jahre die Abfälle vorwiegend abgelagert. Der Landkreis hat hierfür 1978 eine ausgedehnte Siedlungsabfalldeponie im Bereich des Bocksbartgrabens bei Tuningen eingerichtet und von der Stadt Hüfingen 1976 die städtische Deponie in der Nähe des Riedsees übernommen und weiterbetrieben. Daneben verblieb die Aufgabe des Sam- 15

melns und Transportierens von Abfällen bei allen 20 Städten und Gemeinden des Krei­ ses. Insbesondere die Städte haben sich früh­ zeitig der gesetzlichen Anforderung der Ab­ fallverwertung gestellt und Systeme zur Erfassung von Altglas, Altpapier, Dosen und später auch Kunststoffen eingeführt. 1991 wurde mit dem Erlaß der Verpak­ kungsverordnung und der späteren Grün­ dung der Duales System Deutschland GmbH bundesweit ein neues Element in das abfall­ wirtschaftliche System integriert. Der Land­ kreis hat sich im Herbst 1992 dem Dualen System angeschlossen und damit eine we­ sentliche Verbesserung der Wertstofferfas­ sung im gesamten Kreisgebiet erzielen kön­ nen. Die Menge des gesammelten Altpapiers und Altglases konnte durch die Verdichtung der Sammelsysteme nahezu verdoppelt wer­ den. Hinzu kamen rund 3500 t Kunststoffe und Metallverpackungen, die jährlich mit Hilfe des Gelben Sackes gesammelt werden. Heute verfügt der Schwarzwald-Baar-Kreis über ein ausgefeiltes abfallwirtschaftliches Konzept, das mit Ausnahme des sogenann­ ten Biomülls Verwertungsmöglichkeiten für nahezu alle denkbaren Bestandteile des Abfallkuchens aufweist. Der Kreistag des Schwarzwald-Baar-Kreises hat in den zu­ rückliegenden drei Jahren ein umfangreiches Arbeitspensum erledigt. Er hat sich dabei auch experimentierfreudig gezeigt und hat, wo es notwendig war, auch Korrekturen sei­ ner eigenen Beschlüsse vorgenommen. Wenn vom Abfallwirtschaftsamt des Landkreises alle Beschlüsse umgesetzt sein werden, ver­ fügt der Landkreis über ein zeitgemäßes Reststoff-Entsorgungssystem, das, im Lan­ desvergleich, bei günstigen Gebühren betrie­ ben wird. Die erfreulichen Fortschritte lassen sich auch mit Zahlen dokumentieren. Im Jahr 1989 wurden auf den Mülldeponien noch 196 900 t Abfälle aus Haushalten, Industrie und Kläranlagen abgelagert. Auf jeden Ein­ wohner entfielen! 004 kg pro Jahr.1995 wer­ den dies etwa 106 500 t sein, 510 kg pro Ein­ wohner, eine Reduzierung um etwa 50 O/o. 16 Dieses hervorragende Ergebnis ist zurückzu­ führen auf das enorme Engagement der Bevölkerung bei der getrennten Bereitstel­ lung von Wertstoffen, auf ebenso umfangrei­ che Bemühungen von Gewerbe und Indu­ strie zur Vermeidung des Abfallanfalls und Verwertung von Reststoffen und auf die Fortentwicklung der Verwertungsangebote für alle Abfallerzeuger in unserem Landkreis. Die Abfallwirtschaft in unserem Land­ kreis ist auf einem guten Weg. Nichtsdesto­ trotz liegen schwerwiegende und langfristige Entscheidungen vor uns. Der Kreistag muß Entscheidungen über die Erfassung und Ver­ wertung des Biomülls und über die Behand­ lung des dann noch verbleibenden Rest­ mülls treffen. Abhängig vom Erfolg der Bio­ müllerfassung und von der weiteren Verwer­ tung oder Entsorgung des Klärschlammes ver­ bleiben im Schwarzwald-Baar-Kreis noch 60 000 – 80 000 t Restabfälle pro Jahr. Der Gesetzgeber macht es zur Auflage, daß der Restmüll erst dann abgelagert wird, wenn er nicht mehr biologisch oder chemisch reagie­ ren kann. Dies ist nach Auffassung von Fach­ leuten erst dann der Fall, wenn der Restmüll vorher einer thermischen Behandlung unter­ zogen wurde. Die Verfahren hierfür sind die Verbrennung oder die Verschwelung des Abfalls, Stichworte wie Thermoselect- oder Schwel-Brenn-Verfahren sind in aller Munde. Diese gesetzliche Anforderung kann nur begrüßt werden, stellt sie doch sicher, daß die Abfallablagerungen von heute nicht zu Altlasten von morgen führen. Solche Altlasten stellen die Deponien dar, die in den vergangenen Jahrzehnten einge­ richtet und heute zu Ende betrieben werden. Die biologischen und chemischen Vorgänge in Müllbergen mit 1- 2 Mio. m3 Volumen sind aufDauer unkontrollierbar und werden uns erhebliche Nachsorgekosten bringen. Der Weg hin zur Ablagerung von nur noch reaktionslosen, erdkrustenähnlichen Mate­ rialien ist die einzige Möglichkeit, nachfol­ genden Generationen nicht die Lasten aus unseren heutigen Lebensgewohnheiten auf­ zubürden.

Die politische Diskussion über den richti­ gen Weg der Restmüllbehandlung ist kontro­ vers. Diese Diskussion wird mit viel Herz­ blut geführt und wird die Bürgerinnen und Bürger und die Politiker unseres Kreises auch in den kommenden Jahren nicht ruhen las­ sen. So notwendig diese Diskussion ist, muß doch angemerkt werden, daß sie auch zu einem Ergebnis geführt werden muß, um die Entsorgbarkeit unserer Region wie seither, so auch in Zukunft, sicherzustellen. Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit dem vielgliedrigen Abfallwirtschaftskonzept unseres Landkreises, von der Aufklärungsar­ beit bis zur Sondermüllentsorgung für die privaten Haushalte, von der Verwertung von Glas und Papier bis hin zum Baustoffrecy­ cling. Albrecht Tschackert Vermeiden ist besser als Verwerten Öffentlichkeitsarbeit als wichtiges Standbein der Abfallwirtschaft Abfalle zu verwerten, sie in den Wirt­ schaftskreislauf zurückzuführen, ist gut. Ab­ falle vermeiden, sie gar nicht erst anfallen zu lassen, ist besser. Da das Abfallgesetz den Entsorgungs­ pflichtigen vorschreibt, Abfalle vorrangig zu verwerten, sind die Einflußmöglichkeiten des Landkreises auf die getrennte Erfassung und Verwertung von Abfallen relativ groß. Auch im Schwarzwald-Baar-Kreis werden immer mehr Abfalle von der Deponierung ausgeschlossen, für die sich Verwertungs­ wege aufgetan haben. Anders sieht es da bei der Abfallvermei­ dung aus. Nach dem Abfallgesetz darf nur die Bundesregierung durch entsprechende Rechtsverordnungen gesetzgeberische Maß­ nahmen zur Abfallvermeidung durchfüh­ ren. Eigenverantwortlich kann der Landkreis deshalb bei der Abfallvermeidung nur in beschränktem Umfang tätig werden. Hierzu gehört beispielsweise der Aufruf der Bevölkerung zu mehr Eigenverantwort­ lichkeit im Umgang mit den Abfallen und dazu, selbst mehr für die Abfallvermeidung zu tun. So hat der Landkreis eine gemein­ same Aktion mit Einzelhandel, Metzgern und Bäckern in Vorbereitung, die den Ein­ kauf mit dem selbst mitgebrachten Gefaß fördern soll. Mit dieser Aktion versucht das Abfallwirtschaftsamt, im Rahmen der ge- setzlich beschränkten Möglichkeiten abfall­ vermeidendes Verhalten von Seiten des Bür­ gers zu unterstützen. Öffentlichkeitsarbeit ist daher im Hin­ blick auf die Abfallvermeidung eines der wichtigsten Standbeine. Ohne die Informa­ tion und Aufklärung zu abfallwirtschaftli­ chen Themen wird die Umsetzung einzelner Maßnahmen, die für den Bürger oft mit gewissen Unbequemlichkeiten verbunden sind oder zumindest ein Abgehen von alten Gewohnheiten notwendig machen, zu einem schwierigen Unterfangen. Das Abfallwirtschaftsamt des Schwarz­ wald-Baar-Kreises ist deshalb darum be­ müht, die Bürger möglichst umfassend zu informieren. Dabei wird auf ganz unter­ schiedliche Methoden der Öffentlichkeits­ arbeit zurückgegriffen. Da ist zunächst die telefonische Bera­ tung zu nennen. Sowohl die Abfallberater der Sachgebiete Gewerbe/Industrie/Hand­ werk, Haushalte/Großhaushalte und Schu­ len/Kindergärten als auch die Betreuerinnen des Bürgertelefons für Fragen zur Müllab­ fuhr stehen dabei mit Rat und Tat zur Verfü­ gung. Da kommen pro Tag schon einmal 100 Anrufe zusammen. Falls die telefonische Beratung nicht die gewünschte Klärung des Problems ermöglicht, kann auch eine Bera­ tung vor Ort erfolgen. Dies ist vorwiegend 17

Die Müllstunde im Kindergarten Die Informationstafel des Abfallwirtschafis­ amtes auf der Ökologa 1993 Mit Grundschulkindern auf der Deponie Hijingen 18

bei der Abfallberatung für Gewerbebetriebe der Fall. Ein weiteres Standbein ist die Pressear­ beit. Über Pressemitteilungen werden nicht nur Entsorgungstermine bekanntgegeben. In Form von Pressemitteilungen oder Presse­ gesprächen wird auch über aktuelle Themen der Abfallwirtschaft berichtet. So zum Bei­ spiel wenn es um die Einrichtung eines Wert­ stoffhofes geht, über die Restmüllentwick­ lung im Schwarzwald-Baar-Kreis berichtet werden soll oder eine vom Abfallwirtschafts­ amt organisierte Umwelttheateraktion in Kindergärten angekündigt wird. Manchmal ist es aber auch nützlich, ,,Müllinfos“ gleich griffbereit zu haben. Dies gewährleisten die vielen Broschüren und Faltblätter, die das Abfallwirtschaftsamt herausgibt. Vom „Abfall-ABC“ bis zum Falt­ blatt zur Eröffnung eines Wertstoffhofes und vom Faltblatt „Umweltfreundlicher Schuleinkauf“ bis zur „Kornpostbroschüre“. Das Angebot ist vielfältig. Teilweise werden Broschüren und Faltblätter direkt an die Haushalte verteilt. Meist liegen sie jedoch in den Rathäusern der Städte und Gemeinden aus oder können beim Landratsamt angefor­ dert werden. Nicht zu vergessen ist der Abfallkalen­ der, der in 31 verschiedenen Gebietsversio­ nen erstellt wird und allen Haushalten jähr­ lich zugeht. Über 3000 Einzeltermine müs­ sen hierfür jährlich erfaßt und redaktionell aufbereitet werden. Ein völlig anderes Medium ist die Abfall­ ausstellung des Abfallwirtschaftsamtes. Auf insgesamt 10 Schautafeln werden die abfall­ wirtschaftlichen Maßnahmen des Schwarz­ wald-Baar-Kreises dargestellt. Die Ausstel­ lung findet in den öffentlich zugänglichen Räumen der Städte und Gemeinden, bei Messen wie der Ökologa in Schwenningen oder auch bei Verbraucherausstellungen Einsatz. Ausstellungen, Broschüren und Faltblät­ ter sollen anschaulich sein und gelesen wer­ den. Deshalb ist ein ansprechendes Äußeres besonders wichtig. Das Abfallwirtschaftsamt arbeitet aus diesem Grund mit einer Werbe­ agentur zusammen, die die textlichen Vor­ lagen überarbeitet und entsprechend gra­ fisch umsetzt. Die Öffentlichkeitsarbeit beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Information der Erwachsenen. Schon Kinder und Jugend­ liebe – also die Erwachsenen von morgen – behandeln das Thema Müll in Schule und Kindergarten. Kinder und Jugendliche sind für Umweltprobleme meist noch empfäng­ licher als Erwachsene und eher bereit ihr Ver­ halten entsprechend zu verändern. Und so gilt auch hier „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“. Das Abfallwirtschaftsamt unterstützt die tägliche Arbeit der Lehrer und Erzieherin­ nen durch gezielte Aktionen. Den Kinder­ gärten werden beispielsweise umfangreiche Arbeitsmaterialien wie Bücher, Spielzeug und Bildtafeln zur Verfügung gestellt, an Hand derer das Thema Müll als kompakte Lehreinheit zwei Wochen lang intensiv im Kindergarten behandelt werden kann. Und durch die vom Abfallwirtschaftsamt organi­ sierten Mülltheateraktionen in Grundschu­ len und Kindergärten sowie bei Führungen auf den Mülldeponien wird jede graue Theo­ rie durch Praxisbezug ersetzt. Allein 1992 konnten dabei über 8000 Grundschüler in unserem Landkreis angesprochen werden. Viola Faust-Bemdt Unsauberkeit EIN SEIFENSTÜCK kann alles putzen, wie sich die Menschen auch beschmutzen. Auf weißen Westen doch den Fleck – bringt nicht die beste Seife weg! Jürgen Henckell 19

Das Bringsystem Die Sozialverträglichkeit eines Abfallwirt­ schaftskonzeptes rückt in dem Maße in den Mittelpunkt des Interesses, in dem die Ge­ samtkosten der Abfallwirtschaft zunehmend steigen. Seitdem einzelne Entsorgungsbau­ steine, die auch nur von Teilen der Bevölke­ rung genutzt werden, zu maßgeblichen Ko­ stenfaktoren geworden sind, ist auch deren Sozialverträglichkeit zu prüfen. Es muß des­ halb stets abgewogen werden, ob es noch ver­ tretbar ist, Einzelmaßnahmen, wie z.B. die Grünguterfassung, in einem sehr komfortab­ len Abholsystem durchzuführen. Gerade bei der Grünguterfassung wird zurecht von Teilen der Bevölkerung, die in ihrem privaten Lebensbereich keine Gärten nutzen können, in Frage gestellt, daß es ver­ tretbar ist, die Kosten für die Sammlung und Verwertung der Gartenabfälle in die allgemeinen Abfallgebühren aufzunehmen. Ähnliches gilt für die Erfassung von Altholz, Altmetallen, Elektrogeräten oder dem pri­ vaten Sondermüll. Es wird deshalb vielfach die Forderung erhoben, daß die Entsorgung solcher Abfälle in jedem Einzelfall gesondert abgerechnet wird. Es darf dabei jedoch nicht aus den Augen verloren werden, daß mit der Erhebung von Einzelgebühren für jeden einzelnen Entsor­ gungs- oder Verwertungsvorgang, die Bereit­ schaft vieler Abfallerzeuger erheblich ge­ schmälert wird, sich an diesen Maßnahmen zu beteiligen. Die Versuchung, dann Wert­ stoffe in den Restmülltonnen zu entsorgen, steigt erheblich an. Deshalb muß ein praktikabler Mittelweg mit dem Ziel gefunden werden, das Abfall­ wirtschaftskonzept nicht zu einem unsozia­ len Konzept entgleisen zu lassen. Der Kreistag hat sich deshalb dafür ent­ schieden, daß eine Reihe von Einzelabfällen nicht mehr bei jedem Haushalt abgeholt werden. Heute schon werden Altholz, Elek­ trogeräte und Sondermüll an zentralen Sam­ melplätzen erfaßt. Zukünftig werden an die- 20 sen Sammelstellen auch Grünschnitt und Altmetalle gesammelt. Damit entfallen die hohen Kosten für die kreisweite Einsamm­ lung dieser Stoffe. Die Transportkosten fal­ len beim Abfallverursacher an und der kann mit seinen individuellen Möglichkeiten auf eine Kostenreduzierung hinwirken. Das Bringsystem wird im Landkreis kon­ sequent durch Einrichtung von Recycling­ zentren und Wertstoffhöfen vorangebracht. Ziel ist, daß es in jeder Stadt und jeder Gemeinde eine Wertstoffsammelstelle gibt, auf der etwa 15 verschiedene Wertstoffarten angenommen werden können. Solche Wert­ stoffe, die nicht alltäglich zur Entsorgung anfallen, wie beispielsweise Elektrogeräte, Altreifen oder Fensterglas, werden nicht an jeder Sammelstelle angenommen, sondern nur an den Einrichtungen in den Städten unseres Landkreises. Um die abfallwirtschaftliche Komfortabi­ lität jedoch nicht ganz aufzuheben, werden „Massenabfälle“, wie z.B. der Restmüll oder die Kunststoff- und Metallverpackungen, auch weiterhin im Zuge von Straßensamm­ lungen abgeholt. Das Bringsystem hat den weiteren Vor­ teil, daß einzelne Wertstoffarten, die beson­ dere Kosten nach sich ziehen, an der Sam­ melstelle auch die Erhebung einer einzelnen Verwertungsgebühr ermöglichen. Es ist da­ bei zu beachten, daß die Gebührensätze im Einzelfall nicht zu hoch liegen, da sonst bedauerlicherweise eine Vielzahl von Stof­ fen nicht den Weg zur Verwertung sondern eher den Weg in die freie Natur nehmen. Diese Erfahrung mußte der Landkreis im Jahr 1994 machen, als er vorübergehend die Verwertung von Kühlgeräten in dieser Weise praktizierte und in über 400 Fällen die Erhe­ bung der Verwertungsgebühr in Höhe des Selbstkostenpreises von 65,- DM pro Gerät dazu führte, daß Kühlgeräte „ohne Absen­ derangabe“ wild abgestellt wurden und somit der Allgemeinheit zur Last fielen.

Zur Zeit wird bei Altreifen und Elektro­ geräten sowie Grüngut (bei einem Anfall von über 1 m3 pro Anlieferung) eine Verwertungs­ gebühr erhoben. Die Erfahrungen, die der Landkreis damit gesammelt hat, machen eine Änderung dieser Vorgehensweise der­ zeit nicht notwendig. Albrecht Tschackert Recyclingzentren und Wertstoffhöfe Aluminium, Altglas, Fernsehgeräte, Grün­ gut, Kartonagen, Kühlgeräte, Metalle, Pa­ pier, Reifen, Styropor … Die Liste von wie­ derverwertbaren Stoffen, die bei der Müllab­ fuhr nicht mehr mitgenommen werden, wird immer länger. Bei Altglas und Papier weiß mittlerweile jeder, wohin diese Sachen gehören. Was aber geschieht am sinnvollsten mit den anderen Wertstoffen? Diese Frage hat sich das Abfallwirtschafts­ amt ebenfalls gestellt. Als Ergebnis dieser Überlegungen wurde im August 1993 eine Konzeption zur Errichtung und dem Betrieb von Recyclingzentren und Wertstoffhö­ fen im Schwarzwald-Baar-Kreis erstellt. Grundgedanke dieses Konzeptes ist, das ganze Jahr über für eine breite Palette von Wertstoffen eine Entsorgungsmöglichkeit zu schaffen. Auf Grund der Vielzahl der Wertstoffe würde ein Holsystem mit regel­ mäßigen Straßensammlungen enorme Ko­ sten verursachen. Außerdem stünden den Bürgern so nur wenige unflexible Termine im Jahr zur Verfügung. Da Wertstoffe aber das ganze Jahr über anfallen, mußte ein System gefunden werden, das dem Bürger eine ganzjährige Abgabemöglichkeit schafft, ohne daß er weite Wege gehen muß. Das Konzept der kreisweiten Errichtung von Recyclingzentren und Wertstoffhöfen, wie es sie vereinzelt in Donaueschingen, Furtwangen, St. Georgen und Villingen­ Schwenningen bereits gab, war geboren. Die Konzeption war gleichzeitig der Startschuß für den Neubau von zahlreichen Wertstoff­ sammelstellen und die Übernahme der be­ stehenden Recyclingzentren. Insgesamt ist im Kreis die Errichtung von sieben Recy- clingzentren und 13 Wertstoffhöfen geplant, wobei zum Jahreswechsel 94/95 bereits fünf Recyclingzentren und drei Wertstoffhöfe den Betrieb aufgenommen haben. Die Wertstoffsammelstellen bieten den Bürgern ganzjährig die Möglichkeit, ver­ schiedenste Wertstoffe an einem Ort zentral abzugeben. Die Annahmepalette umfaßt dabei nicht nur die Wertstoffe, die von der Müllabfuhr· ausgeschlossen sind, sondern daneben auch noch Altkleider, Flach- und Drahtglas, Holz, Korken, Kunststoffolien, Kunststoffbehälter und Schuhe. Wertstoffe, deren getrennte Erfassung ansonsten aus Kostengründen kaum möglich gewesen wäre, können auf den Wertstoffsammelstel­ len ohne großen Mehraufwand miterfaßt werden. Das gesamte Wertstofferfassungs­ system ist auf diese Weise wesentlich flexi­ bler als bei regelmäßigen Sammlungen. So werden ab 1995 beispielsweise auch Fernseh­ geräte, PCs und sonstiger Elektronikschrott auf den Recyclingzentren zusätzlich erfaßt. Eine Erweiterung der Annahmepalette um Weinflaschen und Fette wird derzeit über­ prüft. Die Vielfalt und Menge der Wertstoffe macht es unmöglich, auf einem kleineren Wertstoffhof alle diese Dinge anzunehmen. Daher wurde von vornherein eine Gliede­ rung der Wertstoffsammelstellen in kleinere Wertstoffhöfe mit leicht eingeschränkter Annahmepalette und in Recyclingzentren vorgenommen. Insbesondere die Wertstoffe, die im Haushalt nicht tagtäglich anfallen, wie Kühlgeräte, Reifen und Elektronik­ schrott, werden nur auf den Recyclingzen­ tren angenommen. Da nur bei deren Anlie- 21

ferung Gebühren erhoben werden, wird das Personal der kleineren Wertstoffhöfe auch von der Aufgabe der Gebührenerfassung ent­ lastet und kann sich dadurch verstärkt sei’ner Hauptaufgabe widmen: dem Überwachen der Anlieferungen und der Beratung der Bür­ ger. Jeder Anlieferer erhält vor Ort fundierte Auskünfte und Beratung zur Abfalltrennung und -verwertung. Gleichwohl sollen diese Wertstoffsam­ melstellen kein Ersatz für die bewährten Sammlungen von Papier, Glas, Grüngut oder Altmetall sein, sondern diese ergänzen. So wurden durch den Landkreis zum Jahr 1994 auch in allen Gemeinden und Städten des Kreises wieder Straßensammlungen für Altmetall durchgeführt. Diese waren in den vergangenen Jahren zu einem großen Teil eingestellt worden, da die Vereine für das gesammelte Altmetall beim Schrotthandel kein Geld mehr erhielten. Der Landkreis hat sich entschlossen, die Zusammenarbeit mit den Vereinen wieder aufleben zu lassen, und fördert Vereins- 22 Aufnahme von einem Wertstojfhof sammlungen für Altmetall und Altpapier mit 50,- DM je Tonne Sammelgut. Damit ist die Durchführung der Sammlungen un­ abhängig von Erlösen oder Zuzahlungen am Altschrottmarkt und es ist sichergestellt, daß die Vereine regelmäßig sammeln. Dieses An­ gebot wurde mittlerweile immerhin von rund 60 Vereinen angenommen. Dadurch wird ein nicht unerheblicher Beitrag zur Finanzierung von gemeinnütziger Vereinsar­ beit geleistet. Insgesamt gibt der Landkreis für den Betrieb der Recyclingzentren und Wertstoff­ höfe, die Verwertung der dort gesammelten Wertstoffe und die Durchführung der Ver­ einssammlungen im Jahr 1995 über eine Million DM aus. Zusätzlich fallt alleine für die Sammlung und Verwertung von Altpa­ pier noch einmal 0,5 Millionen DM an, da die Kosten hierfür nur zu einem geringen Teil vom Dualen System Deutschland getra­ Oliver Hoß gen werden.

Duales System im Schwarzwald-Baar-Kreis Das sog. Duale System wurde zum 1. 9. 1992 im Schwarzwald-Baar-Kreis eingeführt. Grundlage hierfur ist die Verpackungs-Ver­ ordnung. Sie verpflichtet Hersteller und Händler, gebrauchte Verpackungen zu­ rückzunehmen. Diese Verpflichtung ent­ fällt jedoch, wenn sich diese einem eigen­ ständigen Sammel- und Verwertungssystem anschließen. Da die Rücknahme von Ver­ packungen vor Ort, also in den Läden, nicht praktikabel erschien, entstand neben der kommunalen Müllabfuhr ein zweites (,,dua­ les“) Entsorgungssystem. Die Organisation erfolgt über die Duales System Deutschland GmbH (DSD). Ziel der Verpackungsord­ nung ist es, die Entstehung von Verpak­ kungsabfällen zu vermeiden, indem sie die Hersteller von Waren stärker in die Verant­ wortung für die Entsorgung ihrer Waren ein­ bezieht. Gründe für den Anschluß des Schwarz­ wald-Baar-Kreises an das Duale System wa­ ren, relativ kurzfristig ein flächendeckendes, relativ einheitliches und insbesondere lei­ stungsfähiges Wertstoffsammelsystem aufzu­ bauen, ohne die kommunalen Verwaltungen zusätzlich zu stark zu belasten. Vorausset­ zung war, daß die Erfassung der Wertstoffe mit den entsorgungspflichtigen Körper­ schaften abgestimmt wurde. Im Schwarzwald-Baar-Kreis werden Ver­ kaufsverpackungen aus Glas nach den Far­ ben weiß, grün und braun getrennt über Depotcontainer gesammelt. Papier, Pappen und Kartonagen werden je nach Gemeinde über Depotcontainer, Monotonnen oder Bündelsammlungen erfaßt. Da lediglich etwa 25 0/o davon Verpackungen sind, wird nur dieser Anteil über die DSD GmbH ab­ gerechnet. Der Rest muß über die Abfall­ gebühren finanziert werden. Die Leichtver­ packungen aus Kunststoffen, Verbundstof­ fen, Weißblech und Aluminium gehören in die Gelben Säcke. Nur in Furtwangen wer­ den Dosen über Depotcontainer gesammelt. Das bereits bestehende Depotcontainer­ netz wurde mit Beginn des Dualen Systems auf maximal 500 Einwohner pro Stellplatz verdichtet. Die Sammlung von Leichtver­ packungen über Gelbe Säcke wurde in fast allen Gemeinden neu eingeführt, da nur ver­ einzelt Kunststoffsammlungen bestanden. Die Sammlung und Sortierung der Wert­ stoffe fuhrt eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) von sechs Entsorgungsunternehmen durch. Dieser ARGE gehören die Firmen Fischer, Heinemann, Kaspar, Meier, Oschwald und die Rohstoffverwertungs und Abfallentsor­ gungs GmbH (RAG) an. Der Landkreis ist ebenfalls Mitglied der ARGE. Das Abfall­ wirtschaftsamt übernimmt jedoch nur die Öffentlichkeitsarbeit und sorgt – in der Funktion als Ansprechpartner fur die Bevöl­ kerung, die Städte und Gemeinden und die Entsorgungsunternehmen – fur den not­ wendigen Dialog zwischen allen Beteiligten. Einige Entsorgungsunternehmen besit­ zen eigene Sortieranlagen z.B. fur Papier, wie die Firmen Meier, Oschwald, Kaspar und Fischer. Die Firmen Fischer, Heine­ mann und Kaspar lassen ihre Gelben Säcke in VS-Schwenningen bei der Sortieranlage der Firmen Fischer/Kaspar/Schlenker (FKS) sortieren. Die Sortierreste, die 15-20 0/o der Gesamtmenge ausmachen, werden auf die kreiseigenen Deponien nach Tuningen und Hüfingen gebracht. Sortierreste bestehen aus Fehlwürfen, wie z.B. Restmüll, oder aus Teilen kleiner6 cm, die beim Vorsieb, das die meisten Verunreinigungen abtrennen soll, durchfallen. Die Mengen und die Zusam­ mensetzung der Sortierreste werden von den Anlieferungskontrolleuren und in unbe­ stimmten Abständen zusätzlich von Mitar­ beitern des Abfallwirtschaftsamtes kontrol­ liert. Die Beteiligung der Bevölkerung an den Sammlungen des Dualen Systems war von Anfang an sehr hoch. Die von der DSD GmbH vorgegebenen Mindestmengen wur- 23

Über die zur Verwertung bereitgestellten Mengen an Verpackungen erfolgt keine Mel­ dung an die Kreisverwaltung. Die Kontrolle obliegt im gesamten Bundesgebiet den Lan­ desumweltministerien. Diese erhalten die Da­ ten über die verwerteten Mengen. 1993 wur­ den bei allen Verpackungsmaterialien die von der Verpackungsverordnung festgeleg­ ten Verwertungsquoten überschritten. Aus­ nahme ist Aluminium, da verschmutzte Ver­ packungen von den Haushalten häufig zum Restmüll gegeben werden. Zusätzlich ist die Sortierung schwieriger als bei den restlichen Materialien. Die Verwertung der Materialien ist pro­ blemlos möglich bei Glas und Papier. Pa­ piere, Pappen und Kartonagen werden nach Papiersorten getrennt in Papierfabriken zu neuen Papieren, Kartonagen oder Wellpap­ pen verarbeitet. Glas aus dem Schwarzwald­ Baar-Kreis wird farbgetrennt zur Herstellung von neuem Behälterglas in die Glashütten Gerresheimer Glas AG in Achern und Ober­ land Glas AG in Bad Wurzach geliefert. Aus Verbundpackungen, wie Milch- und Safttüten, wird vorwiegend der hochwertige Zellstoff gewonnen. Daraus werden Well­ pappenrohpapiere oder Hygienepapiere pro­ duziert. Eine weitere Möglichkeit ist das Pressen der gehäckselten Verbundstoffe zu Platten, die im Möbelbau eingesetzt werden können. Wertstojfsammlung im Gelben Sack den bei Papier, vor allem aber bei den ,,Leichtverpackungen“ erheblich überschrit­ ten. Pro Einwohner und Jahr wurden 11,4 kg Verpackungen aus dem Gelben Sack, 30 kg Glas und 50 kg Papier, Pappen und Kartona­ gen erwartet. Im Schwarzwald-Baar-Kreis wurden jedoch durchschnittlich 18 kg Gel­ ber-Sack-Material und 67 kg Papier, Pappen und Kartonagen pro Einwohner und Jahr er­ faßt. Von September 1992 bis Dezember 1994 wurden insgesamt 32 450 Tonnen Pa­ pier, Pappen und Kartonagen, 14 075 Ton­ nen Glas und 8 231 Tonnen Leichtverpak­ kungen bereitgestellt. Durch die Einführung des Dualen Sy­ stems im Schwarzwald-Baar-Kreis reduzier­ ten sich die zu deponierenden Mengen deut­ lich. Da die Leichtverpackungen vorher kaum gesammelt wurden, ist gerade hier der Anstieg von unter 100 Tonnen im Jahre 1991 auf 3 995 Tonnen im Jahr 1994 erheblich. 24 Kunststoffe wurden bisher vorwiegend werkstofflich verwertet, d. h. zu Granulat verarbeitet und umgeschmolzen. Da zu Be­ ginn der Sammlungen nicht genügend Verar­ beitungskapazitäten vorhanden waren, wur­ den Zwischenlager eingerichtet. Ein Teil wurde auch im Ausland verwertet. Da der Markt für Recyclingkunststoffe, die teilweise eine geringere Qualität aufweisen, begrenzt ist, wird geplant, zukünftig einen großen Teil rohstofflich zu verwerten. Die Kunststoffe werden dabei in ihre Bausteine zerlegt und wie Rohöl in Raffinerien weiterverarbeitet. Auch der Einsatz von Kunststoffen in der Stahlindustrie zur Reduktion von Eisenoxyd zu Eisen ist vorgesehen. Um das ordnungsge-

mäße Recycling der Kunststoffe sicherzu­ stellen, überprüft eine Arbeitsgemeinschaft von Technischen Überwachungsvereinen, ob geeignete Anlagen und Verfahren vor­ handen sind und ob die vertraglich festgeleg­ ten Mengen im vereinbarten Zeitraum ver­ wertet werden. Die Kosten für das Sammeln und Sortie­ ren der Wertstoffe sowie für die Öffentlich­ keitsarbeit liegen inzwischen bei 40 DM pro Einwohner und Jahr. Die Finanzierung erfolgt über die Lizenzgebühr für den „Grü­ nen Punkt“, die jeder Hersteller für die Teil­ nahme am Dualen System erstatten muß. Diese Gebühren werden an den Verbraucher weitergegeben, der beim Einkauf der Waren für die Verwertung der Verpackungen mit dem Grünen Punkt mitbezahlt. Sonja Meier Den Kreislauf der Natur unterstützen Die Grüngutverwertung Ganz ohne menschliches Tun hat die Natur ein Wiederverwertungssystem erfun­ den, um aus abgestorbenen Pflanzenresten wertvollen Humus zu erzeugen. Gemeint ist die Verrottung, die biologisch-chemische Zersetzung organischer Materialien. Seit der Mensch Gartenbau betreibt, hat er sich dies zu Nutzen gemacht und opti­ miert. Die durch den Menschen gesteuerte Verrottung bezeichnet man als Kompostie­ rung. Hierunter fallen alle bewußt gesteuer­ ten biochemischen Umsetzungsvorgänge zum Abbau organischer Reststoffe unter An­ wesenheit von Luft. In der Abfallwirtschaft spielte die Kompo­ stierung lange Zeit keine Rolle. Erst Mitte der siebziger Jahre, mit wachsendem Umweltbe­ wußtsein und der langsam keimenden Er­ kenntnis, daß das Befüllen von Deponien mit pflanzlichen Abfällen ökologischen und ökonomischen Unsinn darstellt, gewann die Kompostierung in der Abfallwirtschaft an Bedeutung. Dies war auch die Zeit, in der die ersten Kornpostanlagen gebaut wurden. Die Kornpostanlage Villingen im Schwarzwald­ Baar-Kreis, die im Frühjahr 1982 in Betrieb ging, zählte beispielsweise hierzu. Das zunehmende Wissen über ökologi­ sche Zusammenhänge führte zur Einfüh­ rung von getrennten Grüngut- bzw. Bio­ müllsammlungen. Unter Grüngut versteht man die organischen Abfälle aus der Grün- anlagenpflege wie Baum-, Heckenschnitt, Obst-, Gemüsepflanzen, Stauden, Blumen, Gras und Laub. Zum Bioabfall zählen neben den Gartenabfällen zusätzlich noch alle pflanzlichen Küchenabfälle. Gesetzliche Vorgaben – vor allem in Form der seit 1. 6.1993 in Kraft getretenen Techni- Grüngutsammlung 25

sehen Anleitung Siedlungsabfall – zwingen die entsorgungspflichtigen Körperschaften spätestens bis zum 1. Juni 1999, alle organi­ schen Abfälle separat zu erfassen und der Kompostierung oder der Vergärung zuzu­ führen. Seit Herbst 1991 führt der Schwarzwald­ Baar-Kreis bei den Städten und Gemeinden jeweils im Frühjahr und Herbst eine Grün­ gutsammlung in Form einer Straßensamm­ lung durch. Bis zur Übernahme der Müllab­ fuhr 1994 durch den Landkreis wurden diese Sammlungen als Dienstleistung den interes­ sierten Kommunen angeboten. Sammlung, Verarbeitung und Ausbringung auf landwirt­ schaftliche Flächen wurden im Auftrag des Landkreises vom Landmaschinenring und Betriebshilfsdienst Schwarzwald-Baar e. V. durchgeführt. Seit 1994 führt der Landmaschinenring die Grüngutsammlung flächendeckend im gesamten Kreisgebiet – ausgenommen in Villingen-Schwenningen – durch. Von Jahr zu Jahr steigen die eingesammel­ ten Mengen. 1991 wurden ca.1700 m3, 1992 ca. 3100 m3 und 1993 ca.11 000 m3 Grüngut eingesammelt. Entsprechend den Mengen steigen aber auch die Kosten. Waren es 1991 noch ca. 100 000,- DM, lagen die Kosten 1993 bei ca. 350 000,- DM. Aus Gründen der Kostendämpfung wird deshalb zukünftig die Grünguterfas­ sung ausschließlich über die Recyclingzen­ tren und Wertstoffhöfe des Landkreises erfolgen. Sobald alle Sammelstellen einge­ richtet sind und damit eine flächendeckende Annahme von Grüngut existiert, werden die kostenintensiven Grüngutsammlungen ein­ gestellt. Die Grüngutannahme soll bis zu einem Umfang von 1 m3 pro Anlieferung ge­ bührenfrei erfolgen. Die 1993 erstmals durchgeführte Christ­ baumsammlung wird aufgrund der guten Erfahrungen mit dem praktizierten Bringsy­ stem zukünftig weiterhin den Bürgern ange­ boten. In fast allen Ortsteilen der Städte und Kompostanlage in Villingen 26

Gemeinden stehen an zentralen Plätzen – für 1 bis 3 Stunden, je nach Größe der Kommune bzw. des Ortsteiles – Landwirte mit entspre­ chenden Fahrzeugen bereit und nehmen die Christbäume entgegen. Diese Form der Christ­ baumsammlung ist aufgrund der vielen Annahmestellen nicht nur bürgernah, son­ dern auch im Gegensatz zu einer Straßen­ sammlung, die einen hohen Personal- und Maschineneinsatz erfordert, kostengünstig. Die eingesammelten Christbäume wer­ den gehäckselt und als Mulchmaterial auf die Felder ausgebracht. Ein Teil der Christ­ bäume wird als Brennmaterial für die Fasnet­ feuer verwendet. Bei der Sammlung 1993 (Weihnachten 1992) wurden ca. 450 m3 Weihnachtsbäume und 1994 ca.1700 m3 alter Bäume eingesammelt. Die Kosten lagen 1993 bei ca. 9000,- DM und 1994 bei ca. 18 000,- DM. Eine Straßensammlung hätte 1994 dagegen ca.100 000,- DM gekostet. Die Teilnahme an den Grüngut- und Christbaumsammlungen sowie die Benut­ zung der Recyclingzentren und Wertstoff­ höfe ist nicht dem Gewerbe und nicht den Kommunen, sondern nur den privaten Haushalten gestattet. Dies schlägt sich unter anderem auch gebührenmäßig in unter­ schiedlichen Abfallgebühren für Gewerbe und private Haushalte nieder. Der Landkreis hat die Aufgabe, die Ent­ sorgung und Verwertung des im gesamten Kreisgebiet anfallenden Grüngutes, ein­ schließlich dem gewerblichen und kommu­ nalen Grüngut, sicherzustellen. Deshalb beschloß 1992 der Kreistag, die Kornpostan­ lage Villingen von der Stadt Villingen­ Schwenningen zu übernehmen und zwei weitere Kornpostplätze im Raum Furtwan­ gen und Hüfingen zu errichten. 1994 wurde die Kornpostanlage Villingen vom Landkreis übernommen. Die Kornpost­ anlage stellt ein nicht mehr wegzudenkendes Standbein in der Grüngutentsorgung dar. Das gesamte Grüngut aus der Stadt Villin­ gen-Schwenningen wird hierüber entsorgt. Der Einzugsbereich der Anlage reicht bis in die benachbarten Kommunen. Die zentrale Bedeutung der Anlage läßt sich an der verar­ beiteten Grüngutmenge ablesen. Diese lag 1994 bei ca. 49 000 m3 bzw. 8000 t. Die Kornpostanlage Villingen genießt aufgrund ihres hochwertigen Produktes, des VS-Edelkompostes, einen weit über die Region hinausreichenden guten Ruf. Neben dem bekannten Edelkompost werden hier hauptsächlich Fertigkompost und spezielle Erdenprodukte hergestellt. Bis einschließ­ lich 1994 wurde die Anlage vom Kreis mit mindestens 8,- DM je m3 angeliefertem Grüngut subventioniert. Der Wegfall der Subventionierung zog 1995 eine Gebühren­ erhöhung bei der Annahme von Grüngut nach sich. Ein weiteres Standbein in der Grüngut­ entsorgung des Schwarzwald-Baar-Kreises stellt die Förderung der Eigenkompostie­ rung dar. Der Landkreis unterstützt die Anschaffung eines Kornposters mit einem finanziellen Zuschuß in Höhe von 25,- DM. Auch „Gemeinschaftskornposter“ für Haus­ gemeinschaften werden finanziell gefördert. Mit einem einfachen Antrag beim Abfall­ wirtschaftsamt kann eine Hausgemeinschaft einen Zuschuß von 300,- DM erhalten. Christian von Nell Verweigerung Technisch einwandfrei das Auto computergesteuert Arbeitsplatz und Haus Zeit gemessen Freizeit verbucht und Liebe geplant jetzt weigere ich mich zu funktionieren und wünsche mir meine Höhle zurück Christiana Steger 27

blemstoffsammlungen. Das sind zeitweise Sammlungen, bei denen die Bürger die Mög­ lichkeit erhalten, ihren Haushaltssonder­ müll abzugeben. Dazu wird ein Spezialfahr­ zeug eingesetzt, das regelmäßig nach einem Terminplan bestimmte Standorte anfährt. Trotz intensiver Öffentlichkeitsarbeit ist immer wieder festzustellen, daß ein großer Teil der Bürger nicht weiß, daß sich hinter dem Wort Sondermüll auch viele Stoffe und Mittel verstecken, mit denen wir im tägli­ chen Leben umgehen. Dies führt beispiels­ weise dazu, daß Batterien, Kondensatoren, halbvolle Lackdosen, Reinigungs-, Holz­ schutz-, Pflanzenschutz-, Schädlingsbe­ kämpfungs-, Lösungsmittel und Kleber im Restmüll landen und die Hausmülldepo­ nien mit Schwermetallen und chlorhaltigen Verbindungen belasten. Problemstoffiammlung Von Farbdosen und alten Batterien Abfall ist eine Begleiterscheinung der Zivilisation. Früher machte man sich mit der Beseitigung der Abfälle keine besondere Mühe. Waren die Abfälle brennbar, wurden sie als Heizmaterial verwendet. Die übrigen, nicht verbrennbaren Abfälle, wurden auf dem kürzesten Weg beiseite geschafft und oft in die freie Natur gekippt. Dabei wurde selten zwischen gefährlichen und ungefähr­ lichen Abfällen unterschieden. Nur wenige gefährliche Abfälle wurden einer besonde­ ren Behandlung und Entsorgung unterzo­ gen. Bis in die sechziger Jahre war diese Vor­ gehensweise üblich. Die gewonnenen Er­ kenntnisse über ökologische Zusammen­ hänge machten eine geordnete Abfallbeseiti­ gung unumgänglich. Innerhalb der letzten 25 Jahre schaffte der Gesetzgeber die Voraussetzungen für den notwendigen Wandel. Anfang der siebziger Jahre, mit dem Abfallbeseitigungsgesetz (1972), der Abfallnachweisverordnung (1978) und der Abfallbeförderungsverordnung (1983), wurde die Sondermüllentsorgung der Indu­ strie in geordnetere Bahnen gelenkt. Dem Sondermüll im privaten Hausmüll hingegen wurde noch keine besondere Be­ achtung geschenkt. Die weitverbreitete Mei­ nung war, da es sich nur um kleine Mengen handelt, kann auch die hiervon ausgehende Gefahr nicht groß sein. Mitte der siebziger Jahre erkannte man den Irrtum dieser Aus­ sage. Zum einen stellte es sich heraus, daß die Mengen doch größer waren als angenom­ men, zum anderen lag die Erkenntnis vor, daß selbst kleine Mengen ein erhebliches Toxizitätspotential besitzen können. Man war bestrebt, die Gefahr, daß es in den Depo­ nien zu unvorhersehbaren chemischen Re­ aktionen kommen könnte, zu verringern. Eine Folge hiervon war, daß Anfang der achtziger Jahre die Landkreise begannen, sich mit der „Entgiftung“ des Hausmülls aus­ einanderzusetzen. Dies äußerte sich in der Einrichtung von sogenannten mobilen Pro- 28

Problemstoffsammlung Was versteht man eigentlich unter Son­ dermüll? Hier gibt uns das Abfallgesetz Aus­ kunft. Der Gesetzgeber spricht von „beson­ ders überwachungsbedürftigen Abfällen“. Damit sind alle Abfälle gemeint, die gesund­ heits-, luft- oder wassergefährdend, explosi­ bel oder brennbar sind oder Erreger übertrag­ barer Krankheiten enthalten. Damit einerseits die Haushalte Gelegen­ heit haben, ihren Haushaltssondermüll si­ cher und risikolos zu entsorgen und um andererseits eine hohe Abschöpfung dieser Stoffe zu erreichen, werden auch in unserem Landkreis seit Herbst 1983 Schadstoff­ sammlungen durchgeführt. Die erste Sammlung erfolgte probeweise über einen Zeitraum von nur 4 Tagen. In dieser kurzen Zeit sammelte das Schadstoffmobil ca. 20 t Sonderabfälle ein. Den größten Anteil hieran hatten die Farben und Lacke, gefolgt vom Altöl und den Autobatterien. Die Kosten beliefen sich auf ca.14 000,- DM. Aufgrund dieses guten Ergebnisses be· schloß der Kreistag, diese Einrichtung zu­ künftig beizubehalten. Das ganze Sammel­ system wurde im Laufe der Jahre immer weiter verfeinert und die eingesammelten Mengen stiegen ständig an. Von 1985 bis ein­ schließlich 1992 führte der Landkreis jähr­ lich im Frühjahr und Herbst eine Sammlung durch. Seit 1993 werden nun vier 14tägige Schadstoffsammlungen durchgeführt. Die erhöhte Anzahl von Sammlungen schlägt sich in erheblich gestiegenen Sam­ melmengen nieder. Waren es 1991 ca. 60 t und 1992 ca. 65 t, so wurden 1993 dann ca 205 t Sonderabfälle gesammelt. Der Aufbau eines solch intensiven Sam­ melsystems hat natürlich auch seinen Preis. Lagen die Kosten der Problemstoffsamm­ lung für 1992 noch bei ca. 600 000,- DM, so stiegen sie 1993 auf rund 1 Mio. DM. D. h, die Entsorgung eines Kilogramms Schad­ stoffes kostete 1993 ca. 4,90 DM. Zukünftig 29

sind hier jedoch wieder Kostenreduzierun­ gen zu erwarten, da infolge eines scharfen Wettbewerbs der Entsorgungsunternehmen rückläufige Kosten zu verzeichnen sind. Auf der einen Seite ist die Einsammlung solch großer Mengen an Sonderabfällen er­ freulich. Auf der anderen Seite zeigt dies aber auch, daß noch mehr Anstrengungen von Nöten sind, um das öffentliche Bewußtsein für diese Problematik weiter zu schärfen. Die Bewahrung einer intakten Umwelt stellt zu- künftig eine der größten Herausforderungen dar. Im kleinen beginnend, beim Einkauf und der Verwendung von schadstoffarmen und schadstofffreien Produkten, kann jeder seinen Beitrag hierzu leisten. Die „Entgif­ tung“ des Hausmülls ist eine der wesentli­ chen abfallwirtschaftlichen Aufgaben für unsere Zukunft, um den Betrieb von Rest­ müll-Behandlungsanlagen umweltverträg­ lich führen zu können. Christian von Nell Vom Abbruch zum Rückbau Das Baustoffrecycling Bei Neubau-, Umbau- und Abbruchmaß­ nahmen anfallende Abfälle werden im allge­ meinen Bauschutt genannt. Weitgehend unbekannt ist, daß sich diese Abfälle aus bis zu 90 0/o Wertstoffen wie Schrott, Holz, Glas, Verpackungen und zum größten Teil aus mineralischem Bauschutt zusammensetzen. Nach einer Sortierung an der Baustelle oder in geeigneten Sortieranlagen in die einzel­ nen Wertstofffraktionen fließen große Men­ gen „Abfälle“ einer Verwertung zu. Von Bau­ stellen müssen nur geringe Mengen Rest­ stoffe auf den Deponien abgelagert werden. Für bautypische Wertstoffe gibt es eine Reihe von Einsatzmöglichkeiten. Aufberei­ teter mineralischer Bauschutt findet bei­ spielsweise überwiegend als Schotter- und Kiesersatz Verwendung. Er eignet sich so­ wohl zum Straßen- und Kanalbau wie auch gut zur Verfüllung von Arbeitsräumen bei Neubauten. Unbehandeltes Holz wird in der Span­ plattenherstellung eingesetzt. Behandeltes Holz wird hauptsächlich in dafür speziell ausgerüsteten Anlagen verbrannt, um seinen Energieinhalt nutzen zu können. Schrott kommt in die Verhüttung und wird z.B. bei der Herstellung neuer Stähle beigemischt. Auch Flachglas wird wieder in der Glashütte eingeschmolzen und daraus neues Glas hergestellt. Es werden aber auch 30 Glasfaserprodukte, wie z.B. Dämmstoffe, aus Altglas produziert. Mit einem jährlichen Aufkommen von rund 60 000 t war der Bauschutt in der Ver­ gange_nheit einer der bedeutendsten Abfall­ arten in unserem Landkreis. Nachdem der Landkreis sich vergeblich bemüht hat, eine zentrale Aufbereitungsanlage für minerali­ schen Bauschutt einzurichten, hat sich im Jahre 1993 eine Projektgemeinschaft gebil­ det. Die Mitglieder sind im Landkreis ansäs­ sige Bauunternehmen, zwei Betriebe der Entsorgungsbranche sowie eine Ingenieur­ gesellschaft für Umwelttechnik. Sie gründe­ ten 1993 die BRS, Baustoffrecycling Schwarz­ wald-Baar GmbH, deren Zweck es ist, den anfallenden mineralischen Bauschutt der Wiederverwertung zuzuführen. Hierfür hat die BRS GmbH vom Landkreis einen langfri­ stigen Auftrag erhalten. Damit waren die Voraussetzungen geschaffen, um die Abfall­ mengen deutlich zu reduzieren und Depo­ nievolumen zu schonen. So konnten seit dem 1. 2.1994 mineralischer Bauschutt und seit dem 1. 7.1994 Baumischabfälle von der Ablagerung auf den Kreismülldeponien aus­ geschlossen werden. Bis Ende 1994 konnte die BRS GmbH ca. 29 000 t mineralischen Bauschutt wiederver­ werten. Weitere Mengen wurden von ande­ ren Bauunternehmen außerhalb unseres

Landkreises verwertet. Daneben ist auch wegen konjuktureller Einflüsse ein deutli­ cher Rückgang der Bauschuttmengen festzu­ stellen. Der Weg des im Landkreis anfallenden Bauschutts führt von der Anfallstelle zu den Aufbereitungsanlagen in Brigachtal, im Groppertal und in Pfohren. Die Standorte für die Annahme und Aufbereitung sind die Asphaltmischanlage der Fa. Fischbach in Donaueschingen-Pfohren, der Steinbruch der Fa. Riegger in Brigachtal-Klengen und das Hartsteinwerk im Groppertal bei Villin­ gen. Nicht verwertbare Baustellenabfälle, wie z.B. Gips, können noch auf den Kreis­ mülldeponien entsorgt werden. Um die Entsorgungskosten möglichst niedrig zu halten, ist eine Sortierung der Bau­ mischabfälle in einzelne Fraktionen auf der Baustelle oder im Baubetrieb empfehlens­ wert. Von Interesse ist auch, daß die Kosten für das Bauschuttrecycling sich ungefähr nur auf ein Viertel der Kosten für die Ablagerung solchen Materials auf den Kreismülldepo­ nien belaufen. Bei Anlieferung an einer der Aufberei­ tungsanlagen wird der Bauschutt einer Ein­ gangskontrolle unterzogen. Diese besteht aus der Prüfung des Herkunftsnachweises und einer organoleptischen Kontrolle, d. h. die Anlieferung wird optisch auf etwaige Ver­ unreinigungen untersucht und ihr Geruch geprüft. Sollte der angelieferte Bauschutt mit Asbest (Eternitplatten, -rohre, -tröge), Ben­ zin, Öl, Lösemittel oder Ammoniak Qauche­ gruben, Stallabbrüche) verunreinigt sein, wird er zur Deponie oder einer anderen Ent­ sorgungsart zurückgewiesen. Anschließend wird der Bauschutt gewogen, nach den Sor­ ten Beton, Ziegel, Straßenaufbruch, Natur­ steine getrennt und bis zur Weiterverarbei­ tung zwischengelagert. Bei Bedarf werden die einzelnen Fraktionen in verschieden gro­ be Körnungen gebrochen. Fremdstoffe, wie z.B. Armiereisen, Nägel, Holz und Kunst­ stoffe, werden abgesiebt und über Magnet­ abscheider aussortiert. Der zurückgewonnene Baustoff steht un­ ter ständiger Güteüberwachung einer dafür zugelassenen Materialprüfungsanstalt und kann nach deren Freigabe vorbehaltlos wie­ derverwertet werden. Qlalitativ ist aufberei­ teter Bauschutt bei der Verarbeitung in den vorgenannten Einsatzmöglichkeiten her­ kömmlichen Baustoffen gleichzusetzen. Ab­ satzprobleme gibt es keine. Die bisher häufig praktizierte Methode, bei Bauwerksabbrüchen Baumischabfälle nach unzureichender Sortierung zum Auf­ füllen und Befestigen von Waldwegen zu benutzen, ist unter Umweltgesichtspunkten nicht vertretbar und sollte unterbleiben. Der Wald ist der größte natürliche Wasserfilter und Wasserspeicher in unserer Region. Er darf deshalb durch das unkontrollierte Ein­ bringen von zum Teil auch belasteten Bau­ abfällen nicht gefährdet werden. Kurzfristige Kostenvorteile für die kostenlose Anliefe­ rung von Wegebaumaterialien im Forst kön­ nen hier langfristig erhebliche finanzielle Schäden nach sich ziehen. Günter Gerhardt Die Müllabfuhr räumt die Reste weg Gegenstände, die weder vom Lumpen­ sammler noch vom Alteisenhändler verwer­ tet werden konnten, wurden bereits Anfang des 20.Jahrhunderts von der Müllabfuhr ent­ sorgt. Im Laufe der Zeit war es zur Aufgabe der Gemeinde geworden, äen Hausmüll zu beseitigen. In kleinen schweren Zinkbehäl­ tern wurden die Abfälle gesammelt. Die städ- tischen Müllabfuhren hatten die Aufgabe, die Eimer zu entleeren und die Abfälle in Gruben zu vergraben oder in dafür errichte­ ten Anlagen zu verbrennen. Bis Anfang der 70er Jahre wurde so der Hausmüll von etwa 75 0/o der Einwohner regelmäßig eingesam­ melt und abgefahren; die übrigen 25 0/o – zumeist Randgebiete und Streusiedlungsbe- 32

reiche – waren auf Selbsthilfe angewiesen. 1972 wurden die ersten gesetzlichen Regelungen im Bereich der Abfallentsor­ gung verabschiedet. Haushalte oder Grund­ stückseigentümer wurden verpflichtet, sich an die öffentliche Müllabfuhr anzuschlie­ ßen. Die Zuständigkeit für diese wichtige öffentliche Aufgabe wurde den Landkrei­ sen und kreisfreien Städten zugeteilt. Im Schwarzwald-Baar-Kreis wurde jedoch, wie in den meisten anderen Landkreisen in Baden-Württemberg auch, vertraglich die Verantwortung den einzelnen Städten und Gemeinden übertragen. Die Kommunen waren somit zunächst weiterhin mit der Auf­ gabe der Müllabfuhr betraut. Sie haben zur Erledigung dieser Aufgabe teils eine eigene Müllabfuhr aufgebaut oder ein Abfuhrun­ ternehmen mit der Durchführung des Ein­ sammelns und Transportierens des Haus­ mülls beauftragt. Mit der Müllabfuhr konnte nun alles ent­ sorgt werden, was im Haushalt nicht mehr benötigt wurde. Durch den wachsenden Konsum war ein Anstieg der Müllmenge und damit der Größe der Müllbehälter zu ver­ zeichnen. Aufgrund von ständig gut gefüll­ ten Müllbehältern war es notwendig, daß die Müllabfuhr im wöchentlichen Turnus statt­ finden mußte. Wachsende Müllberge verursachten spä­ ter ein steigendes Umweltbewußtsein, die Vermeidung von Abfällen steht an erster Stelle. Schließlich konnten durch Verbesse­ rungen im Bereich der Verwertung (z.B. Re­ cycling von Glas, Papier, Kunststoffen u. a.) immer mehr Materialien vom Abfallbegriff ausgegrenzt werden. Ständig steigende An­ forderungen durch den Gesetzgeber wurden von den einzelnen Kreisgemeinden sehr un­ terschiedlich in Angriff genommen. So wur­ den beispielsweise in Furtwangen, Donau­ eschingen und St. Georgen bereits Recy­ clinghöfe zur getrennten Sammlung von Wertstoffen und anschließenden getrennten Weiterverarbeitung eingerichtet. 33

Um den gestiegenen Anforderungen kreis­ weit gerecht zu werden und im Schwarzwald­ Baar-Kreis ein einheitliches, fortschrittliches Abfallwirtschaftskonzept entwickeln zu kön­ nen, hat der Landkreis seine gesetzliche Zuständigkeit in Fragen der Müllabfuhr zum 1.Januar 1994 wieder an sich gezogen. Im Bereich der Stadt Villingen-Schwennin­ gen wird ab 1. Januar 1996 die Müllabfuhr vom Landkreis durchgeführt. Der Ausschluß von Wertstoffen und die Einführung des Dualen Systems hatten dazu geführt, daß im ganzen Landkreis die Müll­ abfuhr auf einen 14tägigen Abfuhrrhythmus umgestellt werden konnte und daß sich die Müllmenge verringert hat. So hat sich die Hausmüllmenge in den letzten zehn Jahren trotz gestiegener Einwohnerzahlen von 50 300 Tonnen (1985) über 40 200 Tonnen (1990) auf rund 35 000 Tonnen (1994) redu­ ziert. Bei dieser Entwicklung stellt sich häufig die Frage, für was denn überhaupt noch ein Restmüllbehälter benötigt wird. Es sind nicht mehr allzuviele Gegenstände, die noch über die Restmülltonne entsorgt werden. Trotz gründlicher Abfallvermeidung und Aussortierung aller Wertstoffe bleiben in jedem Haushalt aber noch Gegenstände übrig, die Restmüll sind. Beispielsweise sind hier die alten Zahnbürsten, Glühbirnen, Blu­ mentöpfe, Kugelschreiber, Filzstifte oder das zerschlagene Geschirr und sämtliche Ge­ brauchsgegenstände aus Plastik oder Misch­ materialien aufzuführen. Nicht zu vergessen die Babywindeln, der Straßenkehricht oder auch der Staubsaugerbeutel. Den müllfreien Haushalt gibt es selbst im Idealfall nicht. Auch die Sperrmüllabfuhr hat im Laufe der Zeit einige Änderungen erfahren. Noch bis Anfang der 80er Jahre waren die Straßen­ bilder geprägt von riesigen Sperrmüllbergen. Zweimal im Jahr wurden die Häuser vom Keller bis zum Speicher entrümpelt. Alles was nicht mehr gebraucht werden konnte, landete am Gehwegrand. Einzelne Gemein­ den haben beim Aufkommen des Schlag­ wortes „Vermeidung von Abfällen“ sich auch 34 bei der Sperrmüllabfuhr Gedanken zur Ver­ ringerung der Abfallberge gemacht. So beka­ men die Bürger die Möglichkeit, über die Gemeindemitteilungsblätter kostenlos An­ zeigen zu veröffentlichen. Dadurch können Gegenstände, die noch gebrauchsfähig sind, den Besitzer wechseln. Nachdem der Landkreis die Zuständigkeit in Sachen Müllabfuhr übernommen hatte, wurde für den Sperrmüll ein Abrufsystem eingeführt. Heute sind Sperrmüllanmeldun­ gen das ganze Jahr über telefonisch möglich. Spätestens fünf Wochen nach der Anmel­ dung wird der Sperrmüll abgeholt. Mit der telefonischen Anmeldung kann sicherge­ stellt werden, daß nur Gegenstände bereitge­ stellt werden, die auch zum Sperrmüll gehö­ ren. Und dies sind nur solche Teile, die von den Ausmaßen her nicht in die Mülltonne passen. Wertstoffe (Holz, Schrott u.ä.) zäh­ len nicht zum Sperrmüll. Um die Abfalltrennung für den Bürger möglichst einfach zu gestalten, ist es notwen­ dig, daß die Bürger die verschiedenen Sam­ meltermine für Restmüll, Gelben Sack, Wertstoffsammlungen, Sondermüll oder Sperrmüll mitgeteilt bekommen. Das Land­ ratsamt hat hierzu für alle 30 Abfuhrbezirke im Landkreis Abfallkalender gestaltet. Alle wichtigen Informationen und Termine zum Thema Müllabfuhr sind hierin enthalten. Darüberhinaus informiert ein Abfall-ABC lexikalisch über die Entsorgungs- und Ver­ wertungswege von etwa 500 verschiedenen Reststoffen, die im Alltag anfallen. Im Abfallwirtschaftsamt kümmern sich drei Arbeitskräfte (zwei davon nur halbtags) um das Thema Müll- und Sperrmüllabfuhr. Für 1995 werden für das Einsammeln und Transportieren von Hausmüll und Sperr­ müll rund 3,2 Millionen DM ausgegeben. Auf die betroffenen Einwohner im Schwarz­ wald-Baar-Kreis entfalJen damit ca. 25,-DM pro Jahr. Der größere Umfang der Abfallge­ bühren resultiert aus den Kosten für die Ent­ sorgung und Verwertung von Wertstoffen, den Kosten für die Kreismülldeponien, den Katja Ludwig Personalausgaben u.a.

Standbeine der Entsorgung – Die Kreismülldeponien Obwohl einerseits durch Ausschlüsse von Wertstoffen die Anlieferungsmengen auf den Deponien ständig reduziert werden, jedoch andererseits die bloße Ablagerung die letztmögliche Entsorgungsart ist, wird es auf längere Sicht hin einen Bedarf zum Betrieb von Mülldeponien geben. Der Schwarz­ wald-Baar-Kreis betreibt deshalb als entsor­ gungspflichtige Körperschaft zwei Kreis­ mülldeponien bei Hüfingen und Tuningen als öffentliche Einrichtung. Gemäß den Planfeststellungsbeschlüssen werden hier Hausmüll, hausmüllähnliche Gewerbeab­ fälle und Klärschlamm abgelagert. Den Betrieb der Deponien erledigen Pri­ vatunternehmen im Auftrag des Landkrei­ ses. Die Verwiegung und Eingangskontrolle wird mit kreiseigenem Personal erledigt. Die Anlieferungskontrollen werden ebenfalls, wie der Betrieb, von einem Privatunterneh­ men durchgeführt. Kreismülldeponie Hüfingen: Die Deponie Hüfingen wurde am 1.1.1976 von den Städten Donaueschingen und Hüfingen übernommen. Sie erstreckt sich über eine Fläche von ca.23 ,4 ha. Das Gesamt­ volumen beläuft sich auf ca. 2 680 000 m3• Die Nutzungsdauer geht weit über das Jahr 2000 hinaus. An die Deponie sind etwa 70 000 Einwohner angeschlossen. Das gefaßte Sickerwasser wird seit 1984 durch eine Sickerwasserleitung, die in den Abwassersammler Sumpfohren-Pfohren mün­ det, der Kläranlage des Gemeindeverwal­ tungsverbandes Donaueschingen zugeleitet. 35

Kreismülldeponie Tuningen: Durch natürliche Vergärung entsteht Depo­ niegas, das ebenfalls gesammelt und an­ schließend über eine Hochtemperaturfackel bei ca.1200 °C verbrannt wird. Die Böschun­ gen werden mit verdichtetem Lehm aufge­ baut und ständig rekultiviert. Diese Deponie wurde am 2.11.1978 in Be­ trieb genommen. Seit 1986 wird das Volumen vom Nachbarlandkreis Tuttlingen mitgenutzt. Die Gesamtfläche beträgt ca.18,6 ha mit ei­ nem Gesamtvolumen von ca. 2 562100 m3• Die Deponie wird voraussichtlich Ende 1997 verfullt sein. Die Abfälle von etwa 270 000 Einwohnern werden hier abgeladen. Das Sickerwasser wird gefaßt und der Kläranlage „Oberer Neckar“ bei Deißlingen zur Klärung zugeleitet. Dieses Sickerwasser wurde in letzter Zeit dadurch in das Bewußt­ sein der Öffentlichkeit gerückt, daß erhöhte Tritiumwerte festgestellt wurden. Das Tri­ tium stammt aus der Uhrenfabrikation. Sowohl in. Fabriken als auch in Heimarbeit wurden Zifferblätter mit tritiumhaltigen Leuchtfarben bestrichen. Über die Abfälle gelangten Reste dann auf die Deponie. Bei Tritium handelt es sich um ein radioaktives Wasserstoffisotop. Tritium ist ein sog. ß-Strahler, der nur auf sehr kurzen Distan­ zen wirkt. Die Ableitung des Sickerwassers in einer geschlossenen Leitung und die hohe Verdünnung in der Kläranlage schließen des­ halb eine Gefährdung der Bevölkerung na­ hezu aus. Das gefaßte Deponiegas wird zur nahege­ legenen Firma Lias-Leichtbaustoffe zur thermischen Verwertung weitergeleitet. Für Ausnahmefälle steht ebenfalls eine Hoch­ temperaturfackel zur Verfügung. Die Fa. Lias bezieht eine jährliche Gasmenge von etwa 5,5 Mio. m3, was ungefähr ein Drittel der dort benötigten Menge an schwerem Heizöl ersetzt. Auch diese Deponie wird mit einem Damm umgeben, der fortlaufend begrünt und rekultiviert wird. 36

Perspektiven: Der Schwarzwald-Saar-Kreis verfügt über eine Deponie Hüfingen, die eine weit ins 21. Jahrhundert reichende Restlaufzeit vorweist. Nach der gemeinsamen Verfüllung der De­ ponie Tuningen wird anschließend auf die Deponie des Nachbarlandkreises Tuttlingen bei Talheim ausgewichen. Ein in anderen Landkreisen bereits eingetretener Entsor­ gungsnotstand bleibt dem Schwarzwald­ Baar-Kreis somit erspart. Gesetzliche Vorgaben, wie z.B. die Tech­ nische Anleitung Siedlungsabfall, enthalten Vorgaben an die Restmüllqualität, die ohne weitere Behandlung des Restmülls nicht erfüllt werden können. Der im Dezember 1994 im Nachbarlandkreis Rottweil gefaßte Beschluß, eine thermische Abfallbehand­ lungsanlage einzurichten, ist richtungswei­ send. Harald Schabinger Kosten: Die Kosten des Betriebs beider Kreismüll­ deponien belaufen sich auf jährlich ca. 3,3 Mio. DM. Zusätzlich werden ca. 900 000,­ DM pro Jahr als Entschädigung für die aus den Deponien entstehenden Standortnach­ teile an die beiden Gemeinden Hüfingen und T uningen bezahlt. Weiterhin resultieren aus ca. 20,8 Mio. DM Anlagevermögen kal­ kulatorische Kosten. Diese belaufen sich für Abschreibungen aus Anlagevermögen auf et­ wa 2 Mio. DM jährlich und für Verzinsung des Anlagevermögens auf weitere 500 000,­ DM jährlich. Für notwendige Investitionen wurden im Jahr 1995 weitere ca.2,5 Mio. DM angesetzt. Die Kosten werden durch Gebüh­ ren gedeckt, die sowohl bei Selbstanlieferem als auch bei der öffentlichen Müllabfuhr erhoben werden. Weitere Kosten werden entstehen, wenn die notwendigen Sicker­ wasserbehandlungsanlagen gebaut wer­ den. Eine eventuelle Mitbenutzung dieser Anlage durch benachbarte Landkreise könnte die Kosten mindern. Klärschlamm Der Abfall, der aus dem Wasser kommt Nach dem Industrie- und Gewerbemüll sowie dem Hausmüll sind die Klärschläm­ me die drittgrößte Abfallart, die in unserem Landkreis zu entsorgen ist. Was sind Klärschlämme? Jede Bürgerin und jeder Bürger hat einen täglichen Wasser­ verbrauch von ca. 140 !. Eine noch höhere Menge Abwasser wird täglich in Gewerbe und Industrie erzeugt; Abwasser, das mit den verschiedensten Stoffen belastet ist und ge­ reinigt werden muß, bevor es in die Flüsse und Bäche eingeleitet werden darf. Die Ab­ wasserreinigung wird u. a. mit biologischen Verfahren durchgeführt. Spezielle Mikroor­ ganismen sind in der Lage, die Schmutz­ stoffe im Wasser aufzufressen. Dabei ver­ mehren sie sich und müssen aus dem Wasser herausgenommen werden. Diese Bakterien- masse und weitere Schlämme aus der Elimi­ nierung von Phosphaten im Abwasser sind die Hauptbestandteile des Klärschlammes. In den Kläranlagen in unserem Landkreis fal­ len jährlich rund 19 000 t Klärschlämme an, die einen Wasseranteil von 65 bis 75 °/o haben. Diese Menge entspricht einem Auf­ kommen von 250 Gramm Schlamm pro Ein­ wohner und Tag. In der früheren Vergangenheit waren diese Schlämme quasi frei von Schadstoffen, da in den Kläranlagen vielfach lediglich häusliches Abwasser behandelt wurde. Sol­ che Schlämme konnten vielerorts unbe­ denklich auf landwirtschaftliche Flächen ausgebracht werden. Mit dem Anschluß von Industrie- und Gewerbebetrieben an die Kläranlagen hat sich die Abwasserqualität 37

deutlich verändert. Schwermetalle und orga­ nische Schadstoffe wurden in das Abwasser eingeleitet und mit zunehmender Fortent­ wicklung der Klärtechnik auch aus dem Abwasser wieder herausgeholt. Alle unsere Hinterlassenschaften, die im Klärwerk erfaßt werden können, finden sich schließlich im Klärschlamm wieder. So angereichert mit Schadstoffen haben viele Landwirte die Auf­ nahme von Klärschlämmen trotz ihres erheblichen natürlichen Düngewertes auf ihren Feldern eingestellt. Auch in diesem Spezialbereich der Abfall­ wirtschaft war es notwendig, daß der Gesetz­ geber eingreift. Inzwischen liegt bereits die zweite Klärschlammverordnung vor, die scharfe Grenzwerte für Schwermetalle und organische Schadstoffe im Klärschlamm for­ muliert, deren Unterschreitung Vorausset- zung für eine landwirtschaftliche Verwer­ tung der Schlämme darstellt. V iele Kläranlagenbetreiber haben erfolg­ reich auf die Abwassereinleiter hingewirkt, um bereits an der Qielle den Schadstoffein­ trag in das Abwasser zu unterbinden oder zu verringern. Als Folge davon können heute die meisten Kläranlagen die Grenzwerte einhalten. Trotz alledem findet in unserer Region nur in sehr eingeschränktem Maße eine landwirtschaftliche Verwertung der Klärschlämme statt. Der Landwirt steht vor der Grundsatz­ frage, ob er auf seinen Böden, die sein we­ sentliches Betriebskapital darstellen, Klär­ schlämme, verbunden mit einem möglichen Restrisiko, aufnimmt oder ob er zur Sicher­ stellung der Bodenqualität dies grundsätz­ lich nicht tut. 38

Die Auffassung der Mehrheit der Land­ wirte unserer Region geht dahin, sich nicht an der Klärschlammverwertung zu beteili­ gen. Gespräche mit dem Landwirtschaftsver­ band haben zum Ergebnis gehabt, daß zu­ mindest in unserer Region eine langfristige landwirtschaftliche Verwertung der Klär­ schlämme nicht möglich ist. Hinzu kommt, daß die Technische Anlei­ tung Siedlungsabfall von den entsorgungs­ pflichtigen Körperschaften fordert, daß zukünftig keine Abfalle mehr, die hohe orga­ nische Anteile haben, auf den Deponien abgelagert werden. Dem Landkreis stellt sich damit ein weiteres, überaus schwieriges Ent­ sorgungsproblem. Da Schlämme aus der Abwasserreinigung nicht vermeidbar sind, deren landwirtschaftliche Verwertung je­ doch von den Landwirten nicht erwünscht ist, müssen Wege gefunden werden, um die Schlämme ordnungsgemäß zu entsorgen. Da der Gesetzgeber die Ablagerung dieser Schlämme mittelfristig nicht mehr akzep­ tiert, verbleibt für den Landkreis nur noch die Trocknung und weitere Verwendung des dabei erzeugten Granulats. Auch in dieser Hinsicht haben die Kreis­ räte weitreichende Entscheidungen zu tref­ fen. Die Alternativen sind die Verwendung des getrockneten Klärschlammes zur Erzeu­ gung spezieller Düngemittel oder zum Ein­ satz als Brennstoff in dafür speziell ausgerü­ steten Anlagen. Dies ist möglich, da ein getrockneter Klärschlamm einen Energiein­ halt wie Braunkohle hat. Bei dieser Entscheidung ist jedoch zu­ nächst zu klären, ob die thermische Entsor­ gung unter einem gemeinsamen Dach mit einer thermischen Restrnüllbehandlungsan­ lage erfolgen soll oder ob der Landkreis hier­ für eine gesonderte Klärschlammtrock­ nungsanlage einrichtet und den getrockne­ ten Klärschlamm bis zur Inbetriebnahme einer thermischen Abfallbehandlungsanlage an anderer Stelle verwerten läßt. Die zukünftige Klärschlammbeseitigung wird nicht mehr zu den Preisen von heute zu machen sein. Während die reine Ablagerung auf den Deponien Kosten in Höhe von etwa 80,- DM/t erzeugt, ist bei einer Klär­ schlammtrocknung und Verwertung mit Kosten in Höhe von über 250,- DM/t zu rechnen. Diese Kosten sind schließlich Bestandteil der Abwassergebühren, die jeder von uns zu tragen hat. Kostengünstigere Wege können die Klär­ anlagenbetreiber gehen, die es schaffen, eigene Verwertungswege für ihren schad­ stoffarmen Klärschlamm zu finden. Ein Musterbeispiel hierfür ist die Gemeinde Unterkirnach, deren nahezu schadstoff­ freier Klärschlamm in einem Schilfbecken vererdet wird und nach einer mehrjährigen Behandlung als Bodensubstrat für die Grün­ anlagenpflege in Unterkirnach eingesetzt werden kann. Albrecht Tschackert Schilfbecken zur Klärschlammvererdung Seit zehn Jahren wird in Unterkirnach der gesamte Klärschlamm vererdet. Es war ein langer Weg von der Idee bis zur heutigen Schilfpflanzenanlage. Am Anfang drängte sich eine Abwasserall­ tagsproblemlösung auf. Als „Endprodukt“ der Abwasserreinigung in der Kläranlage waren täglich ca. 2 m3 Schlamm zu entsor­ gen. War es in der Vergangenheit bisher pro­ blemlos, den Klärschlamm über die Land- wirtschaft als Dünger loszuwerden, wurde es unter anderem wegen der möglichen Schwer­ metallbelastung immer schwieriger, Abneh­ mer zu finden. Ohnehin war es übliche Pra­ xis, daß der Klärschlamm nicht im Bereich der Grünlandbewirtschaftung, sondern nur auf Ackerland unter den Pflug genommen wurde. In der Höhenlandwirtschaft, wozu die Gemarkung Unterkirnach zählt, trifft man überwiegend Grünlandbewirtschaftung 39

an, die Ausbringung des Klärschlamms war deshalb schon immer nur auf relativ wenig Bewirtschaftungsfläche möglich. Die Klär­ schlammverordnung brachte weitere Ein­ schränkungen bei der Ausbringung von Klärschlamm auf landwirtschaftlich genutz­ te Flächen. Die Ausbringung aufWaldböden wurde wegen der Gefahr von Bodenverdich­ tung ganz verboten. In dieser Situation mußte die Klärschlamm­ entsorgung gelöst werden. Das Nahelie­ gende war das Übliche, nämlich den Klär­ schlamm mit einer Presse zu entwässern bzw. ihn transportabel für die Verbringung auf eine Mülldeponie zu stabilisieren. Das war mit hohen Kosten verbunden. Erschwerend kam hinzu, daß für unsere kleine Anlage eine eigene Schlammpresse zu aufwendig war. Das Bild zeigt den kräftigen und dichten Wuchs der Schi!fpjlanzen mit einer Höhe von über zwei Metern. 40 Mit der Stadt St. Georgen hat man sich des­ halb über die Aufnahme des Klärschlamms verständigt. Weil keine getrennte Lagermög­ lichkeit in der Kläranlage der Stadt St. Geor­ gen gegeben war, mußte in Kauf genommen werden, daß unser Klärschlamm ohne nen­ nenswerte Belastung mit Schwermetallen mit dem stark belasteten Klärschlamm aus der Abwasserreinigung der Industriestadt St. Georgen vermischt werden mußte. Diese Fakten drängten die Frage nach einer Alternative bei der Klärschlamment­ sorgung geradezu auf Dabei half der Sach­ verstand und das Engagement von Herrn Ingenieur Reinhard Hosemann, der als sach­ kundiger Bürger in vielen Umweltbelangen ein geschätzter Berater ist. Er hat die Idee der Klärschlammvererdung vermittelt. Diese Alternative hörte sich einfach und logisch an. In einem Erdbecken wird Schilf angesetzt und in Klärschlamm eingetaucht. Über den Halm versorgt die Schilfpflanze ihr Wurzel­ werk mit Sauerstoff, der wiederum den bio­ logischen Umwandlungsprozeß von Klär­ schlamm zu Erde auslöst. Wurden solche Schilfpflanzen für Reinigungsprozesse in Gewässern und auch für die Abwasserreini­ gung von Einzelgehöften schon erfolgreich eingesetzt, war der Einsatz in einer kom­ munalen Kläranlage mit konzentriertem Klärschlammaufkommen Neuland. Viel Überzeugungsarbeit mußte bei der staatlichen Wasserwirtschaftsverwaltung – vom Wasserwirtschaftsamt über das Regie­ rungspräsidium bis zum Fachministerium – geleistet werden, bis ein solches Schilfbek­ ken „beihilfefahig“ war. Als Pilotanlage konnten wir schließlich mit 80 0/o der Investi­ tionskosten als Zuschuß rechnen. Für die wissenschaftliche Begleitung wurde durch das Ministerium die Staatlich-landwirt­ schaftliche Untersuchungs- For­ schungsanstalt Augustenberg in Karlsruhe verpflichtet. Diese Entscheidung überzeugte auch die Zweifler im Gemeinderat. Einstim­ mig wurde beschlossen, zur Klärschlamm­ entsorgung ein Schilfbecken zu bauen. und Die Praxis hat allerdings gezeigt, daß noch

Das Schilfbecken mit den Schlammzuleitungen viel experimentiert werden mußte. Unter verschiedenen Schilfarten mußte die für die Extrembelastung mit Klärschlamm geeig­ nete Schilfpflanze gefunden werden. Ein besonderes Problem trat zur Menge, Zeit und Art der Schlammbeschickung auf. Auch bei der Schlammbelüftung in den Schilf­ becken mußten Erfahrungen gesammelt werden. Zusammengefaßt waren fünf Ve­ getationsperioden bzw. viel Pragmatismus und Ideenreichtum des Klärwerkpersonals erforderlich, bis der für die Vererdung erfor­ derliche Schilfwuchs gesichert war. Im zehnten Betriebsjahr kann allerdings festgestellt werden, daß für kleine Kläranla­ gen die Vererdung des Klärschlamms in einem Schilfbecken eine echte Alternative ist. Weil je nach Klimazone und Lage für den Schlammanfall von drei bis fünf Einwoh­ nern ein Qiadratmeter Schilfbecken erfor­ derlich ist (in U nterkirnach grenzt das Schilf­ becken an eine Nordhanglage, deshalb wird für den Schlamm von drei Einwohnern ein Qiadratmeter Schilfbecken erforderlich), sind dem Einsatz Grenzen gesetzt. Wo die Flächenvoraussetzungen gegeben sind, ist die Klärschlammvererdung sowohl wirtschaftlich wie auch umweltverträglich eine echte bzw. die bessere Alternative zur üblichen Entsorgung über hohe Investitio­ nen für eine Schlammpresse mit hohem Energieaufwand und anschließender Depo­ nierung des Klärschlamms auf den Müllde­ ponien, wo der Schlamm zunehmend zur Destabilisierung und zum besonderen Pro­ blem wird. Es ist abzusehen, daß der Klär­ schlamm schon in Bälde nur noch in getrocknetem Zustand auf den Mülldepo­ nien aufgenommen werden kann. Schon mittelfristig ist die thermische Behandlung vorgeschrieben. Es ist damit zu rechnen, daß diese Art der Klärschlammentsorgung die Abwassergebühren um 2,- DM bis 4,­ DM/m3 zusätzlich belasten wird. Zum Ver- 41

gleich sei erwähnt, daß die Entsorgung über unser Schilfbecken die Abwassergebühr zur Zeit mit ca. 0,10 DM/m3 belastet. Weil der biologische Vorgang nicht an den allgemei­ nen Kostenentwicklungen teilnimmt, sind nur minimale Kostensteigerungen für die personelle Betreuung (z. Zt. täglich ca. zehn Minuten) und für die Räumung des Beckens alle zehn bis fünfzehn Jahre erforderlich. Wir gehen davon aus, daß ein großer Teil der Kosten für die Ausräumung des Schilfbek- kens mit der Vermarktung des hochwertigen Humus‘ gedeckt werden kann. Zusammenfassend kann festgestellt wer­ den: Für die Abwasser-Gebührenzahler der Gemeinde Unterkirnach hat sich die Experi­ mentierfreude des Gemeinderats und der Gemeindebediensteten gelohnt. Die Um­ welt ist geschont. Für eine zukunftsträchtige Innovation wurde mit dem Schilfbecken ein Beweis geliefert. Siegfried Baumann Schlußbetrachtung Die Abfallwirtschaft im Schwarzwald­ Baar-Kreis hat in den vergangenen fünf Jah­ ren eine vielschichtige und gute Entwicklung genommen. Die Reduzierung der Restmüll­ mengen von 1989 bis 1995 um 50 0/o unter­ streichen die Erfolge, die hierbei von allen Beteiligten erzielt worden sind. Eine weitere Reduzierung des heutigen Aufkommens um nochmals 30 0/o auf eine Restmüllmenge von dann noch etwa 70 000 t ist im Bereich des Möglichen. Diese weiteren Reduzierungen werden jedoch nicht mehr zu den Entsor­ gungsgebühren von heute zu machen sein. Verringerungen sind erzielbar im Bereich der Biomüllerfassung sowie der Klärschlamm­ entsorgung. Für den Aufbau einer Biomüll­ sammlung und Verwertung muß bei einem 4-Personen-Haushalt mit jährlichen Zusatz­ kosten von 150,-DM gerechnet werden. Die Klärschlammtrocknung und Verwertung wird bei diesem Modellhaushalt Jahresko­ sten von etwa 80,-DM nach sich ziehen. Derzeit ist der Landkreis in der Spitzen­ gruppe der günstigsten Landkreise in Baden­ Württemberg im Hinblick auf die Entsor­ gungsgebühren, die er von den Bürgern und Betrieben erheben muß, um die Abfallwirt­ schaft zu finanzieren. Entsorgen kostet in Zukunft immer mehr Geld. Faktoren der langfristigen Gebühren­ entwicklung sind die Reduzierung des Rest­ müllaufkommens (Verwertung von Biomüll und Klärschlamm), die Reinigung der Depo- 42 niesickerwässer, die neuen bautechnischen Anforderungen der Technischen Anleitung Siedlungsabfall, die auf den Deponien Hüfingen und Talheim (Landkreis Tuttlin­ gen) umzusetzen sind. Ggf. sind Sanierungs­ maßnahmen auf der Deponie in Tuningen durchzuführen, um technische Mängel zu beheben, die sich aus dem Stand der Depo­ ruetechnik von vor 20 Jahren inzwischen ergeben haben. Schließlich werden weitere Kosten aufgrund der Restmüllbehandlung auf uns zukommen. Ganz gleich, ob dies im Wege der biologisch-mechanischen Abfall­ behandlung, der thermischen Abfallbehand­ lung oder einer Kombination von beiden er­ folgt, wird diese Form der Abfallbehandlung stets teurer sein, als die derzeitigen Kosten des Mülldeponiebetriebes. Schließt sich der Landkreis an die Nut­ zung einer thermischen Abfallbehandlungs­ anlage an, so wird aus heutiger Sicht für einen 4-Personen-Haushalt eine Jahresent­ sorgungsgebühr in Höhe von 600,-DM er­ wartet. Die vorher genannten Faktoren, die· zur Gebührenentwicklung beitragen kön­ nen, sind hier noch nicht berücksichtigt. Das Zusammenspiel aller dieser Faktoren hat z. T. auch wechselseitige Auswirkungen, so daß sich rue Berechnung von verschiedenen Kostenszenarien als sehr schwierig erweist. Bei allem Bemühen um das Vermeiden und Verwerten von Abfällen aus den Haus­ halten, Betrieben und Kläranlagen des Land-

kreises, wird eine erhebliche Menge von Reststoffen auch zukünftig zu entsorgen sein. Der Gesetzgeber macht heute zurecht die Vorgabe, daß aus den verbleibenden Reststoffen keine neuen Altlasten entstehen sollen. In der Technischen Anleitung Sied­ lungsabfall werden deshalb Grenzwerte for­ muliert, die eine Ablagerung nur noch dann erlauben, wenn die Reststoffe erdkrusten­ ähnlichen Charakter haben. Dies ist heute nur mit thermischen Verfahren, mit der Ver­ schwelung oder Verbrennung möglich. Die Umsetzung dieser Anforderungen wird das bestimmende politische Thema in der Abfallwirtschaft unserer Region in den näch­ sten Jahren sein. Albrecht Tschackert Wutachwehr bei Achdorf Helmut Groß 43

Unsere Städte und Gemeinden, Wappen Erdmannsweiler Erdmannsweiler, an der Ostabdachung des mittleren Schwarzwaldes zwischen St. Geor­ gen und Rottweil, etwa 11 Kilometer nordöst­ lich von Villingen gelegen, ist heute mit 748 Einwohnern der viertgrößte Teilort der Ge­ meinde Königsfeld. In östlicher Richtung ist ein herrlicher Blick auf die Schwäbische Alb möglich, bei guter Fernsicht erscheinen im Süden die Ber­ ge der Schweizer Voralpen. Die frühe Ortsgeschichte ist eng mit dem Ursprung und der Entwicklung des Klosters St. Georgen verbunden. Ihr verdankt Erd­ mannsweiler seine erste urkundliche Erwäh­ nung in einer Abschrift aus dem Schen­ kungsbuch des Klosters St. Georgen. Darin heißt es, daß an einem nicht näher feststell­ baren Tag anno 1094 Manegold und Gott­ schalk dem Kloster schenkungsweise Grund und Boden überließen. Über die Persönlich­ keiten und Herkunft der beiden ist uns nichts bekannt. Es ist möglich, daß beide Angehörige einer begüterten, ortsansässigen Familie waren. Doch dafür gibt es keine wei­ teren Hinweise. Der ursprüngliche Namen 44 „Ortinswilere“ oder „Ortintinswiler“ steht mit dem Personennamen „Ortwin“ in en­ gem Zusammenhang. Das Wort „vilare“ = Gehöft ist in der Zeit um 700 n. Chr. feststell­ bar und hat als mittelhochdeutsches Wort ,,wiler“ Einzug gefunden. Im Hochdeut­ schen erscheint „wiler“ als Weiler, was so viel bedeutet wie eine kleine Gehöftengruppe. Damit wäre Erdmannsweiler als Weiler des Ortwin zu verstehen. Genaueres ist uns von diesem Ortwin nicht bekannt. Einiges deutet jedoch darauf hin, daß es sich bei ihm um ,,Ortuni“ gehandelt hat, der im Verbrüde­ rungsbuch des Klosters Reichenau seine Er­ wähnung fand. Im Jahre 1139 wartet Erdmannsweiler mit weiteren Besitzvergebungen zugunsten des Klosters auf Der Edelfreie Burchard und dessen Sohn Hermann schenken in diesem Jahr der Klostergemeinschaft alles, was sie an Feldern, Wiesen und Wäldern in „Ortinswi­ ler“ besitzen. Im Jahre 1324 werden in einer klöster­ lichen Urkunde fünf kleine Hofbauern in ,,Erkmannes Wiler“ genannt.

Eine weitere Erwähnung des Ortes Erd­ mannsweiler findet sich in dem 1380 -1400 angelegten Berain, wo vier zinspflichtige Un­ tertanen in „Erkmanswiler“ genannt werden. Aufgrund der Abhängigkeit und Zugehö­ rigkeit zur Herrschaft Burgberg kam Erd­ mannsweiler 1472 durch Verkauf an den Gra­ fen Eberhard von Württemberg und war fortan der Hauspolitik der Herzöge von Württemberg unterworfen. Diese Zugehö­ rigkeit dauerte mit nur kurzer Unterbre­ chung 338 Jahre lang. Während dieser Zeit, genau 1556, nahm Erdmannsweiler den pro­ testantischen Glauben an. Als 1810 Napo­ leon Europa „neu ordnete“, wurde der Ort badisch. In den Wirren des 30jährigen Krie­ ges wurde Erdmannsweiler 1633 überfallen und fast völlig durch Brand zerstört. Abt Gaisser beschreibt diesen Vorfall in seinen Tagebüchern ausführlich. Bis Mitte des 17. Jahrhunderts bildeten die Dörfer Erdmannsweiler, Weiler und Burg­ berg den Stab Weiler mit Sitz in Weiler. 1851 wurden die drei Gemeinden selbständig. Seit wann genau Schulunterricht in Erd­ mannsweiler erteilt wurde, läßt sich nicht genau feststellen. In den Kirchenbüchern von Weiler wird schon 1609 ein Jacob Stortz als erster Schulmeister genannt. 1686 findet sich im Lagerbuch von Hornberg ein weite­ rer Hinweis auf einen Schulbetrieb. Ein Hans Hermann erhält den „Befehl“ von Her­ zog Friedrich von Württemberg, ein Schul­ und Hirtenhaus auf einem Wildfeld zu bauen. In der Amtszeit von Bürgermeister Philipp Burgbacher entschließt sich die Gemeinde zum Bau eines Rat- und Schul­ hauses, das 1876 feierlich eingeweiht wurde. Am 8. September 1962 ziehen Kinder und Lehrer in das neu erbaute Schulhaus ein. Bereits zehn Jahre später lösen die Gemein­ den Erdmannsweiler, Burgberg und Weiler ihre Schulen auf und schließen sich zu einem Schulverband, mit Sitz in Burgberg, zusammen. 1887 kauften die Gemeinden Burgberg und Erdmannsweiler von Mathias Götz ein Gelände für den gemeinsamen Friedhof. In Eigenarbeit erstellten engagierte Bürger bei­ der Gemeinden eine Friedhofskapelle, die 1976 feierlich ihrer Bestimmung übergeben wurde. Im Zuge der Gemeindereform wurde Erd­ mannsweiler 1974 nach Königsfeld einge­ meindet. Die Erschließung eines Neubauge­ bietes machte den Bau eines Kindergartens dringend notwendig. Dank der Gründung eines Fördervereins und der tatkräftigen Un­ terstützung durch Eltern, konnte der Bau des Kindergartens 1990 realisiert werden. 1994 wurde Erdmannsweiler 900 Jahre alt. Dieses Jubiläum wurde lange und gründlich vorbereitet. Bereits im Vorfeld wurde heftig gefeiert. Alte Bräuche wie das „Funkefir“ wurden neu belebt, mit kleineren Festen wie dem Singen unterm Lindenbaum, dem Back­ hausfest oder dem Nikolausmarkt wurde das ,,große Fest“ vorbereitet. Vom 12. bis 15.Au­ gust 1994 fanden die Festtage statt. Höhe­ punkt war ein über zwei Stunden dauernder historischer Umzug, bei dem über sechs­ tausend begeisterte Zuschauer die Straßen säumten. Während der Vorbereitungen ent­ wickelte sich ein bis dahin nicht gekannter Gemeinschaftssinn. Und noch ein Ereignis bleibt zum Schluß zu vermelden. Wie aus dem Nichts tauchte in dieser Zeit plötzlich ein „Erdmännle“ auf. Dieses Männchen war das ganze Jahr über nie zu sehen, aber zur Fastnachtszeit erschien es plötzlich rudel­ weise, verteilte Erdnüsse, erfreute die Mit­ menschen und verschwand wieder genauso geheimnisvoll, wie es gekommen war. Axel Strecker Quellen: Beiträge zur Ortsgeschichte Erdmannsweiler 45

Das Wappen von Erdmannsweiler Wappen: Unter goldenem Schildhaupt, darin eine liegende schwarze Hirschstange, in Blau schräMe­ kreuzt ein silberner Spaten und eine silberne Hacke, beide golden gestielt. Erdmannsweiler wurde erst mit Gesetz vom 2. Dezember 1850 eine selbständige Gemeinde. Sie bildete vorher mit Burgberg und Weiler zusammen den „Gemeindever­ band Weiler“, der 1810 mit dem zuvor würt­ tembergischen Amt Homberg an das dama­ lige Großherzogtum Baden kam. Diese würt­ tembergische Vergangenheit wird durch die ,,württembergische Hirschstange“ im Schild­ haupt angezeigt. – Zu einem Wappen kam die Gemeinde erst spät. Im vorigen Jahrhun­ dert wurden Siegel und Farbdruckstempel verwendet, die nur Schrift aufweisen. Im Jahre 1902 kam vom großherzoglichen Generallandesarchiv ein Wappenvorschlag: Unter goldenem Schildhaupt mit querlie­ gender schwarzer Hirschstange in Rot eine ,,gestürzte“ goldene Pflugschar. Doch konn­ te sich der Gemeinderat damit nicht an­ freunden. Erst im Januar 1952 kam der Gemeinderat auf die Angelegenheit zurück. Um das Wap­ pen „redend“ zu machen, wünschte man je­ doch statt der Pflugschar einen „Erdmann“, d. h. einen Mann, der eine landwirtschaftli­ che Tätigkeit ausführt! Für ein Wappen ist eine solche Darstellung allerdings nur schlecht geeignet- außerdem geht der Orts- Aasen name auf ein mittelalterliches „Ortiniswi­ lare“ (d. h. Weiler des Ortin) zurück. Das GLA schlug darauf das Wappen mit Spaten und Hacke vor, dem der Gemeinderat im März 1952 zustimmte. Das Innenministerium Baden-Württem­ berg prach schließlich am 2.Dezember1960 die Wappenverleihung aus. Doch wurde Erdmannsweiler im Zuge der Gemeindere­ form am !.Januar 1974 nach Königsfeld im Schwarzwald eingemeindet. Damit ist das Wappen erloschen. Prof. Klaus Schnibbe Q}tel!en und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Wappenakten Amtsbezirk Villin­ gen, Landkreis Villingen und Schwarzwald­ Baar-Kreis. – GLA Wappenkartei Schwarz­ wald-Saar-Kreis. – GLA Siegelkartei Schwarz­ wald-Baar-Kreis. – Gemeinsames Amtsblatt Baden-Würllemberg, 9.jahrg. (1961) Nr.1. – H. G. Zier, Wappenbuch des Landkreises Vil­ lingen, Stuttgart 1965. Die Ostbaargemeinde Aasen, die von wis­ senschaftlich umstrittenen Qiellen schon im Jahre 805 n. Chr. als „Asinheim“ genannt wurde, fand die erste offizielle Bestätigung im Jahre 973 in einer Schenkungsurkunde des Grafen Berthold an die Insel Reichenau. Eine traditionsbewußte Gemeinde kann auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken. 46 Eine herausragende Bedeutung hatte die Landwirtschaft in unserer ehemals selbstän­ digen Gemeinde immer. Selbstbewußte Bau­ erngeschlechter, die über große landwirt­ schaftliche Nutzflächen verfügten, konnten Knechten, Mägden und Taglöhnern einen geringen Verdienst anbieten. Die ortsansässigen Handwerker wie

Blick vom Scheibenrain auf Aasen Schmied, Schuster, Glaser, Küfer, Schneider und Zimmermann stellten fast alles her, was in der Dorfgemeinschaft benötigt wurde. Bescheiden waren die Gehälter, die der Bür­ germeister und der Ratschreiber bezogen. Mit noch bescheidenerem Verdienst mußte der Polizeidiener, der Forstwart, der Schul­ diener, der Wegwart und der Farrenwärter zufrieden sein. Trotz der geringen Verdienst­ möglichkeiten waren alle diese Posten sehr gefragt. Schon im Jahre 1780 zählte man in unse­ rer Gemeinde 441 Einwohner. Ca. 700 Men­ schen wohnten 1945 in unserer Dorfgemein­ schaft. Langsam stieg die Einwohnerzahl in den 50er und 60er Jahren. Im Jahre 1970 erstellte die Gemeinde den ersten Bebauungsplan »Kirchsteig“. In regel­ mäßigen Abständen folgten weitere Bebau­ ungspläne. Umfangreiche Erschließungsmaß­ nahmen waren die Folge dieser Bebauungs­ pläne. Von diesem Zeitpunkt an wurde auch Neubürgern die Möglichkeit gegeben, sich in Aasen einen Bauplatz zu kaufen und auch zu bauen. Schneller stieg von diesem Zeit­ punkt an die Einwohnerzahl. Jetzt sind bei uns 1107 Bürger gemeldet. Helmut Groß Bei Kriegsende traf es unsere Gemeinde sehr hart. Französische Panzer fuhren am 21. April 1945 in Aasen ein. Aus dem Keller des Schulhauses kam Gewehrfeuer. Die Pan­ zerspitze umstellte das Schulhaus. Nachkur­ zem Feuerwechsel war der geringe Wider­ stand gebrochen und diese Einheit fuhr in Richtung Donaueschingen weiter. Man glaubte, daß damit alles vorbei wäre. Aber es kam ganz anders. Noch am selben Tag ka­ men erneut französische Truppen und be­ setzten unser Dorf. Vergewaltigungen und Plünderungen durch die marokkanische Be­ satzung konnten nicht verhindert werden. Es sollte aber noch viel schlimmer kommen. Am 25. April versuchten deutsche Truppen, von Tannheim kommend, über das Brigach­ tal sich den Rückzug in Richtung Bodensee freizukämpfen. Wie schon erwähnt, war unser Dorf besetzt. Mit Artillerie und Gra­ natwerfern schossen die deutschen Soldaten in unser Dorf. Von der französischen Besat­ zung wurde zum Teil auch mit schwerer Artillerie erwidert. Der deutsche Angriff blieb in der Wiesengasse stecken. Unser sonst so friedliches Dorf wurde in einen schrecklichen Kriegsschauplatz verwandelt.47

Die Bevölkerung suchte Schutz in den Kel­ lern. Französische Patrouillen durchstreiften die Straßen und schossen wahllos umher. Lina Erndle, Maria Grießhaber und Adolf Veit mußten als Opfer der Zivilbevölkerung beklagt werden. 55 deutsche Soldaten fan­ den bei diesem sinnlosen Kampf den Tod. Auf unserem Friedhof konnten diese Solda­ ten ihre letzte Ruhestätte finden. Starke Beschädigungen an zahlreichen Häusern, darunter besonders das Gasthaus „Krone“, mußten verzeichnet werden. Durch eine Explosion am 27.April kam das Haus „Gott­ lob“ zu Schaden. Die Ursache dieser Explo­ sion, bei der marokkanische Soldaten zu Tode kamen, konnte nie richtig geklärt wer­ den. Der Rest des Hauses wurde von der fran­ zösischen Besatzung angezündet. Das Nach­ barhaus „Maier“ fing ebenfalls Feuer. Bei diesen Löscharbeiten verunglückte Josef Buck tödlich. Es waren grauenvolle Tage für die Menschen in unserer Gemeinde. Nach dem Bergen der Toten mußten alle arbeitsfähigen Männer wochenlang Kriegs­ material und Pferdekadaver beseitigen. Es ging lange, bis diese Wunden geheilt waren. In einem Buch mit dem Titel „Aasen – Schicksal einer Division“ hat Autor Riedel von Villingen alle diese schrecklichen Ereig­ nisse festgehalten. Nur langsam normalisierte sich das Leben in unserer Gemeinde wieder. Die kriegszer­ störten Häuser mußten instand gesetzt wer­ den. Kostenlose Bauplatzzuteilungen er­ möglichten drei Flüchtlingsfamilien im Jahre 1950 das Bauen eines eigenen Hauses. So nach und nach kam das Vereinsleben wie­ der voll in Gang. Sportverein, Musikverein, Schützenverein, Landfrauen, Landjugend, Kirchenchor und neuerdings auch ein Nar­ renverein sind die tragenden Säulen unserer Dorfgemeinschaft. Auch die freiwillige Feu­ erwehr Aasen ist eine nötige und wichtige Einrichtung, auf die man nicht gerne ver­ zichten möchte. Ein Strukturwandel vollzog sich auch in unserer Gemeinde. Die rückläufige Entwick­ lung in der Landwirtschaft zwang manchen 48 Do,jplatz Aasen Helmut Groß Landwirt zum Umdenken. Der bäuerliche Charakter unseres Dorfbildes verwässerte sich zusehends. Gutgehende Handwerks-, Gewerbebetriebe richten sich in unserer Ge­ meinde ein und können zahlreichen Men­ schen Arbeit und Brot geben. Die Flurberei­ nigung, die zusammen mit der Nachbarge­ meinde Heidenhofen durchgeführt wurde, begann im Jahre 1966. Aussiedlungswillige Landwirte erhielten die Möglichkeit, arron­ dierte Höfe zu errichten, um sich damit bes­ sere Entwicklungsmöglichkeiten zu schaf­ fen. Im Zusammenhang mit der Flurbereini­ gung stellten Gemeinde und Grundstücks­ eigentümer für den zu bauenden Golfplatz 76 ha Land zur Verfügung. Dies bedeutete grünes Licht für den Bau der attraktiven Frei­ zeiteinrichtung mit dem bekannten Hotel ,,Öschberghof“. Verantwortungsvolle Entscheidungen muß­ te der Gemeinderat in Sachen Gemeindere­ form treffen. Donaueschingen und Bad Dürr-

heim mühten sich um unsere Gemeinde. Donaueschingen gewann das Rennen. Am 1. Februar 1972 konnte der Zusammenschluß vollzogen werden. Ver- und Entsorgungseinrichtungen sind, Dank großer Anstrengungen der Stadt Donaueschingen, auf einem zeitgemäßen Stand. Mit unserer Mehrzweckhalle, die im Jahre 1989 erbaut werden konnte, schaffte man einen kulturellen Mittelpunkt in unse­ rer Dorfgemeinschaft. Das Wappen von Aasen Wappen: Von blauem Wolkensaum umgeben, in Silber schräglinks ein schwarzes Mühleisen. Der Wolkensaum ist aus dem Wolkenfeh­ Schildrand des fürstenbergischen Wappens abgeleitet und soll an die Zugehörigkeit des Dorfs zur fürstenbergischen Landgrafschaft Baar bis zum Jahre 1806 erinnern. Das Mühl­ eisen stammt aus dem Familienwappen der Herren von Balgheim, die im 14. und 15.Jahr­ hundert als fürstenbergische Vögte in Aasen saßen. Nachdem im 19.Jahrhundert die Gemein­ de nur Schriftsiegel führte, schlug das groß­ herzoglich badische Generallandesarchiv im Jahre 1895 obiges Wappen vor, das die Ge­ meinde nach anfänglicher Ablehnung 1896 doch in ihren Stempel aufnahm. – Mühlei­ sen dienten in Mühlen als Mitnehmer zur Übertragung der Drehbewegung auf den Oberstein eines Mahlganges. (Übrigens beschreibt Kindler von Knobloch das Wap­ pen des Burghard von Balghan, Edelknecht, 1396 zu Aufen gesessen, als eine linksschräge ,,Armbrust ohne Bügel“.) Als Aasen am 1. Februar 1972 in die Stadt Donaueschingen eingemeindet wurde, ist dieses einprägsame Wappen zwar als amtli­ ches Zeichen erloschen, es wird aber im Ort durchaus noch weiter verwendet. Prof Klaus Schnibbe Grundschule und Kindergarten sind be­ liebte und wichtige Einrichtungen, die uns erhalten geblieben sind. Für das leibliche Wohl sorgen zwei gutgehende Gaststätten. Ofenfrisches Brot und sonstige Lebens­ und Gebrauchsmittel können bei unserem Bäcker gekauft werden. Auch nach der Ein­ gemeindung läßt es sich in unserer Teilorts­ gemeinde ganz gut leben. Otto Maus Quellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Wappenakten Amtsbezirk Donau­ eschingen, Landkreis Donaueschingen und Schwarzwald-Baar-Kreis. – GLA Wappen­ kartei Schwarzwald-Baar-Kreis. – GLA Sie­ gelkartei Schwarzwald-Baar-Kreis. -]. Kind­ /er v. Knobloch, Oberbadisches Geschlechter­ buch, Band 1, Heidelberg 1898 (v. Balgheim). – K. Schnibbe, Gemeindewappen im ehem. Landkreis Donaueschingen, in: Schriften d. Vereins/ Geschichte u. Naturgesch. d. Baar in Donaueschingen, Band 33 (1980). 49

Fützen Zwischen Randen und Wutach Man muß die Feste feiern, wie man Lust dazu hat. Als die Fützener im Mai 1983 (vgl. Almanach 84, Seite 82-86) ihr 900-Jahr­ Jubiläum begingen, lagen sie weder richtig noch falsch. Hätten sie doch ebenso ihre frühmittelalterliche oder merowingerzeitli­ che Siedlung und damit 1200 Jahre feiern können. Und was das Dokument betrifft, auf das man sich bei der Feier im Jahre 1983 stützte, so ließen sich daraus eine ganze Reihe von ,,Festjahren“ ableiten. Es ist nämlich keines­ wegs so, wie vielfach zu lesen, daß Fützen in einer Urkunde vom 4. Januar 1083 zum erstenmal erwähnt wird. Dies ist nur das in der Gründungsnotiz des Klosters Sankt Georgen genannte Datum, an dem der Schenker Hezelo das Dorf Walda (Königs­ eggwald bei Saulgau) zum Ausgangspunkt eines dort zu errichtenden Benediktiner- klosters machte, das aber in Wirklichkeit schließlich ein Jahr später im Schwarzwald gebaut wurde. In dem wahrscheinlich zwischen 1092 und 1094 niedergeschriebenen Gründungs­ bericht, der, was Fützens Ersterwähnung be­ trifft, auf einer Pergamenthandschrift des 15.Jahrhunderts überliefert ist, wird der Orts­ name in der Erzählung über die Schaffung des zentralen Grundbesitzes des Klosters erwähnt. Nach dem 7. März 1083 und vor dem 22. April 1084 erhielt ein gewisser „Wal­ tarius von Teningen“ (Tuningen? oder Dun­ ningen ?) dafür, daß er sein Land beim künfti­ gen Kloster hergab, von dem Mitausstatter des Klosters Hesso als Entschädigung eine und eine halbe gute sehr vorteilhafte Bauern­ stelle im Dorf „Phoezen“. Teile von Fützen waren demnach schon vor 1084 in der Hand des Hesso. so

Schon früher bestanden Weiler oder Ge­ höfte auf dem heutigen Gemarkungsgebiet. Eine Urkundenkopie des 16. Jahrhunderts, welche sich auf ein angebliches Original von 973 stützt, nennt eine Örtlichkeit „Tale“. Von ihr bleiben im 16.Jahrhundert nur ein Hof und eine Kapelle, die heute beide ver­ schwunden sind. Seit 1099 hatte das Kloster Alpirsbach Be­ sitzungen, die ihm von Adelbert von Zollern geschenkt worden waren. Wessen Dienst­ mannen die Familie derer von Fützen war, die von 1245 bis 1339 nachweisbar ist, bleibt ebenso zu erforschen wie ihr Schicksal über­ haupt. Auch wie Fützen Zubehör der Herrschaft Blumegg wurde, ist nicht bekannt. In dieser Eigenschaft geriet der Ort nacheinander in die Hände mehrerer Adelsfamilien. 1366 waren es die von Wolfurt, 1415 die von Frie­ dingen, 1436 die von Hallwyl. Sie alle besa­ ßen im Ort als Inhaber der Herrschaft Blumegg auch die Niedere Gerichtsbarkeit. Letztere kam zusammen mit der Herrschaft erstmals 1432 was Fützen betraf und dann 1456 an Sankt Blasien. Um die Hohe Gerichtsbarkeit stritten sich zunächst einmal die Grafen von Nellenburg, die Grafen der Grafschaft Stühlingen und die Grafen von Fürstenberg als Inhaber der Landgrafschaft der Baar. Es war dies durch eine Unsicherheit bezüglich des Grenzver­ laufs zwischen den Herrschaften bedingt, wie sie uns in jener Zeit oftmals entgegentritt und erst im Laufe der Zeit durch Verträge und viel später, ab Ende des 18.Jahrhunderts, durch deutliche Grenzziehung beseitigt wird. Die Ansprüche der Stadt Schaffhau­ sen, die 1722 vertraglich an Sankt Blasien abgetreten wurden, beruhten auf einer ande­ ren Grundlage. Als Rechtsnachfolgerin des Klosters Aller­ heiligen hatte die Stadt in dem ehemaligen Klosterbezirk, der auch kleine Teile der spä­ teren Gemarkung Fützen umfaßte, Gerichts­ barkeit und Hoheitsrechte erworben. Der Bezirk erhielt den vom lateinischen „immu­ nitas“, der Gerichtsbefreiung von Graf- schaftsrechten, abgeleiteten Namen „Mun­ dat (am Randen)“. Der noch 1457 als Einzel­ hof genannte abgegangene Weiler Hetzen­ hofen wird 1500 als Grenzmarke der Mundat genannt. Dessen Gemarkung, die 1331 von den Blumeggern an Fützen verkauft wurde, bewirkte anscheinend, daß Schaffhausen auch Fützen als Mundatsgebiet ansah und so die Hoheit beanspruchte. Auch für Fützen unter der Herrschaft St. Blasien kann gelten, was man für die geist­ lichen Gebiete des Heiligen Römischen Rei­ ches mit „Unter dem Krummstab ist gut leben“ umschrieben hat. Von den Pestseu­ chen (1543, 1611) oder den Verheerungen in den militärischen Auseinandersetzungen wie dem Dreißigjährigen Kriege einmal ab­ gesehen, verlief das Leben geruhsam und be­ schaulich ohne allzu große Einschnitte. Die Landwirtschaft war Haupterwerbs­ zweig, wobei jedoch zwei Einnahmequellen nicht verschwiegen werden sollen, die das Dorf weit über die Grenzen der Herrschaft hinaus bekannt machten. Spätestens seit 1561 besaß Fützen das Recht, an bestimmten Feiertagen und allen Sonntagen Markt ab­ zuhalten. Hier trafen sich die Einwohner umliegender Herrschaften zum Einkauf. An den Hauptmessetagen, am Vitustag (15.Juni) und am Kirchweihtag gar kamen die Besu­ cher von fern, nicht wenige aus dem Schwei­ zer Gebiet. Noch einträglicher, und für Fützens Ein­ wohnerschaft bedeutend, waren die auf der Gemarkung befindlichen Gipsvorkommen sowie die ebenfalls dort zu findende feinkör­ nige Abart des Gipses, der Alabaster. Dieser sieht dem Marmor zum Verwechseln ähn­ lich und ist für den Nichtfachmann nur schwer davon zu unterscheiden. Der bereits seit dem frühen 16.Jahrhundert in Kirchen­ bauten verwendete Fützener Alabaster fand seine höchste Bestätigung als edles Bau- und Ziermaterial, als der französische Architekt und berühmte Baumeister Michel d’Ixnard (1723-1795) zum Bau der Kathedralkirche von Konstanz 1775 eine Anzahl Alabaster­ blöcke orderte. 51

Der seit dem 16. Jahrhundert ebenfalls nachweisbare Gipsabbau entwickelte sich trotz des Streites zwischen Schaffhausen und Sankt Blasien um die Bergrechte und damit verbundenen Einnahmen zu einem ortsprä­ genden Wirtschaftsfaktor. Während zu Be­ ginn durch die von Schaffhauser Kaufleuten beherrschte Art und Organisation des Absat­ zes im Dorf kein Verdienst blieb, änderte sich dies im 18.Jahrhundert. Als die einhei­ mischen Brüder Gleichauf die Konzession erhielten, verschafften sie einem Teil der Füt­ zener Einwohner durch Transportdienste ein gutes Einkommen. Unbeschadet des dar­ aufhin von Neidern in Zusammenarbeit mit den vom Markt verdrängten Schaffhausern Kaufleuten angezettelten Widerstandes, der sogenannten „Gipsrevolte“ (1755-1757), hielt sich der Gipsabbau bis in die jüngste Zeit. Noch kurz vor der Einstellung des 1946 wiedergegründeten Gipsbetriebes im Jahre 1977 wurden monatlich 3000 bis 3500 t Gips­ stein gefördert, die mit Lkw in die Schweiz transportiert wurden. Aufschwung brachte auch der Bau der 1890 eingeweihten „Kanonen“- und heute „Sauschwänzlebahn“ genannten Bahnlinie Immendingen – Waldshut, die zahlreichen Einwohnern durch Materialtransporte lange Jahre ein gutes Einkommen verschaffte. Ein Gotteshaus im Besitz der Klöster Sankt Georgen und Reichenau ist mit dem Jahre 1179 erstmals urkundlich bezeugt, wobei der Turmsockel von der Mittelalter­ archäologie in das Jahr 1100 datiert wird. Die heutige Kirche, deren Patrozinium St. Vitus erst 1444 nachgewiesen ist, stammt allerdings aus dem Jahre 1734. Die 1874 nach einer öffentlichen Disputa­ tion zwischen dem katholischen Pfarrer Schöttle und dem suspendierten Theologie­ professor Friedrich Michaelis gegründete alt­ katholische Gemeinde ist bis heute mitglie­ derstark. Die nach 1875 errichtete Notkirche der Katholiken wurde 1890 den Alt-Katholi­ ken übertragen, nachdem sich das Verhältnis der Gläubigenzahlen zu ihren Ungunsten gewandelt hatte. Die 1930 wegen Baufällig- 52 Vitus-Statue in der katholischen Efarrkirche St. Vitus zu Pützen keit und Rechtsstreit mit der katholischen Kirche bezüglich der Notkirche errichtete Eigenkirche wurde zusammen mit der evan­ gelischen Landeskirche ins Werk gesetzt, die sich gegen ein eingetragenes Mitbenutzungs­ recht mit 6 000 Mark am Bau beteiligte. Die­ ser Fall einer durch gütliche Übereinkunft zustandegekommenen simultanen Benut­ zung einer Kirche scheint in Deutschland einzigartig zu sein. Von all den Auseinandersetzungen und Kriegen, dem Bauernkrieg im 16. Jahrhun­ dert oder dem Dreißigjährigen Krieg, haben vor allem zwei Zeitabschnitte sich tief in das kollektive Gedächtnis eingegraben. Es sind dies zuerst die Revolutionskriege 1796 bis 1800. Auf der Durchmarschstraße der öster­ reichischen wie der französischen Truppen gelegen, hat Pützen in einem fürchterlichen Reigen Plünderungen und Brandschatzun-

gen erlebt, die den Ort in einem vielfach zer­ störten und demoralisierten Zustand 1806 an das neue Großherzogtum Baden übergaben. Kurz zuvor, 1803, war Pützen noch dem Mal­ teserorden zugeschlagen und 1805 noch ein Jahr württembergisch geworden. Wenn auch die Rückzugskämpfe des 24./26. April 1945 in ihrer Zerstörung das Ausmaß der Revolu­ tionskriege nicht überschritten, so waren sie dennoch folgenreicher. Unter den 18 total zerstörten Gebäuden befanden sich auch das Schul- und Rathaus. Der völlige Verlust des im Gebäude gelagerten Gemeindearchives, das durch SS-Truppen in Brand gesteckt wurde, hat Pützen seiner Dorf- und Alltags­ geschichte beraubt und ihm nur die in ande­ ren Archiven lagernde Herrschaftsgeschich­ te gelassen. Nach dem Kriege gelang die Erneuerung. Wichtige Marksteine der Wiedererrichtung und des Ausbaues der Infrastruktur waren dabei der Neubau des Rat- und Schulhauses (1950), die Kanalisation (1957), das neue elek­ trische Ortsnetz (1959), die neue Priedhofs­ kapelle (1963) oder die Mehrzweck-(Buch- Das Wappen von Flitzen Wappen: In Gold, auf grünem Boden (Schildfuß) stehend, der rotgewandete heilige Veit (Vitus), gol­ den nimbiert, mit blauem Mantel in der Rechten einen grünen Palmzweig, in der Linken einen gol­ denen Reichsapfel haltend. Vitus ist der Kirchenheilige von Pützen, vermutlich leitet sich auch der Ortsname von ihm her („Vitusheim“?). Er erscheint schon in dem hochovalen Siegel aus der er­ sten Hälfte des 19.Jahrhunderts mit der Um­ schrift GEMEINDERATH / PÜEZEN, hier allerdings aus einem Kessel „wachsend“, die Rechte erhoben, in der Linken ein Kreuz hal­ tend. Nach der Legende wurde er in einem Kessel mit siedendem Öl gemartert. In einem Runderlaß vom 6. März 1895 machte das großherzoglich badische Mini­ sterium des Innern bekannt, daß künftig das berg)halle (1973). Auch die Eingemeindung nach Blumberg (1. 1. 1975) hat die Entwick­ lung nicht unterbrochen. 1992 wurde der 1959 begonnene Sportplatz erneuert (Ra­ sensanierung). Im April 1993 schließlich ging die neue Kläranlage in Betrieb und im Au­ gust öffnete das Vereinsheim der Eggäsi­ Zunft und der Landfrauen. Wichtigstes Ereignis für Pützen im Jahr 1994 war die Einweihung im August der 46 Millionen Mark teueren neuen, nördlich um den Ort führenden Bundesstraße 314. Nach fünf Jahren Planung und Vorbereitung war mit dem technisch aufwendigen Bau der Straße, die auch Epfenhofen umgeht, im Herbst 1985 begonnen worden. Auf 8,24 km Länge leitet diese nun, teilweise entlang der Museumsbahnlinie, den Verkehr aus dem Wutachtal auf die B 27 bei Randen. Aus der einstigen wirtschaftlichen und verkehrs­ mäßigen Randlage erlöst, ist der Ort heute so zu einem einladenden Rastplatz an einer süddeutschen Hauptschlagader des interna­ tionalen Verkehrs geworden. Dr.Joachim Sturm großherzogliche Generallandesarchiv in Karls­ ruhe auf Antrag kostenlos Vorschläge für Ge­ meindewappen ausarbeiten wird. – Die erste Gemeinde, die davon Gebrauch machte, war Pützen, und bereits Anfang Juni legte das GLA einen Entwurf vor, der noch im selben Jahr vom Gemeinderat angenommen wurde. Leider steht seither ein bärtiger Heiliger im Wappen. Friedrich von Weech schreibt 53

dazu, daß zu seinem Vorbild „eine alte Sta­ tue in der Kirche zu Mühlhausen in Würt­ temberg“ gedient habe (welches Mühlhau­ sen ist nicht gesagt). – Zum einen wäre die jugendliche Vitus-Figur in der Fützener Kir­ che mit Palmzweig und Ölkessel wohl geeig­ neter gewesen (Vitus soll im Alter von 12 Jah­ ren den Märtyrertod erlitten haben}. Zum andern ist in der Heraldik (Wappenkunde) ein Symbol (Attribut} für einen Heiligen wir- kungsvoller – man denke z.B. Die Zugehörigkeit zur Herrschaft Blum­ egg (Blumenegg) hätte sicher auch gut als U an die Petersschlüssel, das An­ dreaskreuz usw. – als die ganze qestalt. Hier wäre vor allem der Olkessel infrage gekommen. Der Palmzweig (Siegespalme) ist ganz allgemein ein Zeichen für einen Märtyrer. Der Reichsapfel als Zei­ chen für das „Reichspatronat“, wie Wimmer sagt, erscheint allerdings auf dem ersten Sie­ gel 1896 und auf den folgenden Farbdruck­ stempeln stets nur als „Kugel“. Grundlage für ein eindrucksvolles Gemein­ dewappen getaugt. Doch sind solche Überle­ gungen heute müßig. Durch die Eingemein­ dung in die Stadt Blumberg zum 1. Januar 1975 ist das Wappen erloschen. Prof. Klaus Schnibbe Quellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Wappenakten Amtsbezirk Bonn­ do,f, Landkreis Donaueschingen und Schwarzwald-Baar-Kreis. – GLA Wappen­ kartei Schwarzwald-Baar-Kreis. – GLA Sie­ gelkartei Schwarzwald-Baar-Kreis. – R. Pjlei­ derer, Die Attribute der Heiligen, 2.Aujl.. Ulm 1920. – 0. Wimmer, Die Attribute der Heili­ gen, 2. Aufl.. Innsbruck – Wien – Miinchen 1966. – K. Schnibbe, Gemeindewappen im ehern. Landkreis Donaueschingen, in: Schrif ten d. Vereins/ Geschichte u. Naturgesch. d. Baar in Donaueschingen, Band 33 (1980). – P. Willimski, Pützen im laufe der Zeit, Blumberg 1981. Das Wappen von Königsfeld im Schwarzwald Wappen: Geviert von Gold und Rot, im J. Feld aus grünem Dreiberg zwei schräggekreuzte rote Roggenhalme mit geneigten Ahren, im 4. Feld auf grünem Dreiberg eine rote Burg mit zwei Zinnentürmen. Die durch Zusammenschluß von Bu­ chenberg, Königsfeld und Neuhausen am 1. Januar 1975 neugebildete Gemeinde Königsfeld im Schwarzwald hat lange gezö­ gert, sich ein Wappen zuzulegen. Erst der Neubau des Landratsamts in Villingen­ Schwenningen, in dem die Wappen aller selbständigen Gemeinden des Landkreises präsentiert werden sollten, gab letztlich den Anstoß zur Schaffung eines Wappens. 54 An sich hätte es nahegelegen, das Wappen der früheren Gemeinde Königsfeld: In Blau auf goldenem Dreiberg zwei schräggekreuzte sil­ berne Roggenhalme mit geneigten Ahren wieder aufzunehmen – evtl. vermehrt um eine (Königs-)Krone (?). – Jedoch entschied sich der Gemeinderat am 9. Oktober 1991 für einen Entwurf des Generallandesarchivs Karlsruhe. Diesem schönen Wappen liegt das Wappen der alten Herren von Burgberg

Geviert von Silber und Rot, im ersten Feld auf blauem Berg (oder Dreiberg) eine zweitürmige goldene Zinnenburg. zu Grunde, die im Mittelalter Grundherren der Gegend waren und im 15. Jahrhundert ausgestorben sind. Sie führten als Wappen: Bei der Neuschöpfung wurde die Burg ins letzte Feld versetzt, um den Ähren aus dem alten Königsfelder Wappen Platz zu machen, und die Farben wurden verändert, um ein harmonisches Bild zu erhalten. -Die Wappenverleihung sprach das Landratsamt des Schwarzwald-Baar-Kreises am 1.Juli 1992 aus. Prof. Klaus Schnibbe Quellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Wappenakten Amtsbezirk Villin- gen, Landkreis Villingen u. Schwarzwald­ Baar-Kreis. – GLA Wappenkartei, Schwarz­ wald-Baar-Kreis. GLA Siegelkartei Schwarzwald-Baar-Kreis. – ]. Kindler v. Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch, Band L Heidelberg 1898, betr. v. Burgberg. – W Merz u. F. Hegz� Die Wappenrolle von Zürich, Zürich-Leipzig 1930, betr. v. Burg­ berg(,,KVRBERG“). -H. G. Zier, Wappen­ buch des Landkreises Villingen, Stuttgart 1965. – K. Schnibbe, Die Wappen des Schwarzwald-Baar-Kreises, seiner Städte und Gemeinden, Faltblatt, hrsgg. v. Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis, Villingen-Schwen­ ningen 1991. – Gem. Amtshi. Bad.-Württ. 41 (1993) s. 420. Dämmerung an der Donau Aquarell: German Hasen.fratz 55

Behörden, Organisationen Kriminaloberrat Helmut Wider verläßt die Polizeidirektion Villingen-Schwenningen gen. Nach Schulausbildung und Ausbildung im Forstwesen trat er 1957 in die Bereit­ schaftspolizei des Landes Baden-Württem­ berg in Biberach an der Riß ein und wurde nach der Ausbildung 1960 zum Polizeiposten Triberg versetzt. Aufgrund seiner guten �a­ lifikation stieg er nach entsprechender Aus­ bildung in die Laufbahn des gehobenen Dienstes auf. Im Jahre 1970 wurde er zum Kriminalkommissar ernannt. In der Polizei des Landes hatte das Zeital­ ter der elektronischen Datenverarbeitung begonnen. Der junge Kriminalkommissar ließ sich beim Landeskriminalamt Baden­ Württemberg in Stuttgart im Bereich der EDV aus- und fortbilden. Dort folgte eine umfassende Ausbildung für die neue Technik, u. a. beim Bundeskri­ minalamt in Wiesbaden und bei namhaften Firmen wie IBM und Siemens, die es ihm ermöglichte, im Dezernat Rechenzentrum der Innenverwaltung beim Landeskriminal­ amt Baden-Württemberg Wegbereiter der polizeilichen Datenverarbeitung zu werden. In dieser Zeit erfolgten mehrere Beförde­ rungen im gehobenen Kriminaldienst, so 1971 zum Kriminaloberkommissar, 1972 zum Kriminalhauptkommissar und 1979 zum Ersten Kriminalhauptkommissar, dem höchsten Beförderungsamt im gehobenen Dienst. Damit war die Karriere nicht zu Ende. Helmut Wider wurde 1979 zur Ausbil­ dung für den höheren Dienst zugelassen und avancierte nach einem zweijährigen Stu­ dium an der Polizeiführungsakademie zum Kriminalrat. Nach dieser „Bilderbuchkar­ riere“ zog es den Kriminalrat im Juli 1981 wie­ der in die Heimat. Er wurde Leiter der Ab­ teilung II – Kriminalpolizei – und Vertreter Zum 1. Dezember 1994 wurde Kriminal­ oberrat Helmut Wider zur Landespolizei­ direktion Freiburg versetzt. Gleichzeitig wurde er zum Leiter des Referates IIa – Ein­ satz, Organisation, Aus- und Fortbildung – und zum Vertreter des Abteilungsleiters II – Kriminalpolizei – bestellt. Länger als 13 Jahre war Kriminaloberrat Wider Leiter der Abteilung II – Kriminal­ polizei – der Polizeidirektion Villingen­ Schwenningen: er steuerte Ermittlungen, wirkte bei der Personalauswahl mit und orga­ nisierte seinen Verantwortungsbereich. Helmut Wider wurde 1939 in Unterbränd geboren, heute ein Stadtteil von Bräunlin- 56

des Leiters der Polizeidirektion Villingen­ Schwenningen. In diesen Funktionen wurde er am 1. 1. 1988 zum Kriminaloberrat beför­ dert. Während der Amtszeit von Kriminal­ oberrat Wider in Villingen-Schwenningen hat sich das Aufgabengebiet der Kriminal­ polizei in Villingen-Schwenningen ständig erweitert. Neben Kapitaldelikten bearbeitet sie u. a. Fälle der Wirtschaftskriminalität, be­ faßt sich mit Verstößen gegen das Betäu­ bungsmittelgesetz, ermittelt bei Sittlichkeits­ delikten, betreibt Jugendschutz und fahndet nach Straftätern. Hervorzuheben ist der enorme Aufgabenzuwachs durch die Be­ kämpfung der organisierten Kriminalität und spezielle Jugenddelikte. Unterstützt wird die Arbeit der Kriminal­ polizei durch versierte Kriminaltechniker, eine Datenstation und durch eine Führungs- gruppe, die sich u. a. in der kriminalpolizeili­ chen Beratung von Bürgern und in der Vorbeugung engagiert. Zur Bewältigung all dieser Aufgaben standen Kriminaloberrat Wider im Jahr 1994 56 Kriminalbeamte und 26 Angestellte zur Seite. Beispielgebend war sein privates Fortbe­ wegungsmittel. Wenn es möglich war, ver­ zichtete er auf das Kraftfahrzeug und be­ nützte sein Fahrrad. Am Standplatz seines Fahrrades an der Dienststelle konnte man erkennen, ob er sich im Hause befand. Schon viele sind seinem Beispiel gefolgt und benut­ zen wie er das Fahrrad. Die Polizeidirektion Villingen-Schwen­ ningen dankt seinem bisherigen Abteilungs­ leiter II – Kriminalpolizei – für die gute Zusammenarbeit und wünscht ihm für die neue Aufgabe in Freiburg viel Erfolg. Robert Wölker 100 Jahre Forstamt Furtwangen Streiflichter aus seiner Geschichte Im Rahmen einer Feierstunde würdigte die Stadt Furtwangen das lOOjährige Beste­ hen des Staatlichen Forstamts Furtwangen. Repräsentanten des Landes, der Forstverwal­ tung mit Landwirtschaftsminister Gerhard Weiser an der Spitze und zahlreiche aktive und ehemalige Forstbeamte waren hierzu eingeladen. Die Bedeutung des Furtwanger Forstamtes für die geordnete Bewirtschaf­ tung der waldreichen Landschaft und der Waldungen aller Besitzarten im Laufe der 100 Jahre, die Arbeit engagierter Forstleute, fand hier Anerkennung. Am 4. August 1894, so ist es im Staatsan­ zeiger für das Großherzogthum Baden nach­ zulesen, geruhte seine Königliche Hoheit der Großherzog Friedrich der I. mit aller­ höchster Staatsministerialentschließung zu genehmigen: ,,Es wird die landesherrliche Bezirksfor­ stei mit Sitz in Furtwangen begründet.“ Wesentliche Gründe waren die große Ausdehnung der seitherigen Bezirksfor­ steien Triberg, Waldkirch und Freiburg mit den dadurch bedingten Diensterschwerun­ gen, die außerordentliche Vermehrung des staatlichen Grundbesitzes in dieser Gegend, bedingt durch die Ankäufe von Waldparzel­ len und Hofgütern, vor allem nach 1860, und die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse und damit des Holzabsatzes. Damals wenig geordnete Verhältnisse in den zahlreichen zersplitterten bäuerlichen Waldungen war ein weiterer Grund. Die neue Bezirksforstei wurde mit 8951 Hektar Waldfläche ausgestat­ tet. Davon waren 1448 Hektar Staatswald, 1359 Hektar Gemeindewald, wobei Vöhren­ bach mit 1223 Hektar den größten Anteil stellte, 87 Hektar Körperschaftswald, 986 Hektar Standesherrenwald und 5071 Hektar Privatwald. Der Forstbezirk Triberg gab die Waldun­ gen auf den Gemarkungen Gütenbach, Neu­ kirch, Schönwald, Furtwangen und Rohr- 57

Ansicht von Furtwangen 1896/97. Unten links das neu erbaute Forstamt noch mit Baugerüst. bach ab. Der Forstbezirk Freiburg steuerte die Waldungen in Waldau, Wildgutach und Hintertraß, der Forstbezirk Neustadt Lin­ ach, Schollach und Urach bei. Der Forst­ bezirk Villingen trat die Gemarkungen Vöh­ renbach, Langenbach und Schönenbach ab. Dem neuen Amt wurde ferner die Bewirt­ schaftung der Waldungen SimonswälderGe­ markungen, Teile des Martinskapellenwal­ des, des Farnbergs und der Gutacherhalde übertragen. nun Bezirksförster. Waren die früheren „För­ ster“ Wirtschafts- aber auch Waldschutz­ beamte, denen Unterförster, Jägerburschen und Gehilfen beigegeben waren, so legte man jetzt mehr Wert auf praktisch und theo­ retisch ausgebildete Förster, deren Stellung aufgewertet wurde: sie wurden in die Klasse der „eigentlichen Staatsdiener“ gesetzt. Bis 1834 bestanden im Gebiet des späteren Forst­ bezirks Furtwangen die Reviere Simonswald, Triberg, St. Peter, Elzach und die fürstlichen Reviere Vöhrenbach und Eisenbach. Ein Blick zurück Die historische Entwicklung der badi­ schen Forstorganisation war mit geprägt durch die von Großherzog Leopold 1832 ver­ fügte Reform, die Forstreviere auf3600 Hek­ tar Waldfläche zu erweitern. Aus den 150 Revieren oder Forsten, wie sie bei Entstehen des Großherzogtums Baden im Jahre 1806 bestanden, wurden nun 1834 durch die um­ fangreichen Neueinteilungen 71 Bezirksfor­ steien begründet; die Förster nannten sich Die Erwerbungsgeschichte des (späteren) Forstbezirks Furtwangen Die von 1850 bis 1870 beschleunigte Indu­ strialisierung in Baden, die auch die boden­ ständige Hausindustrie des Schwarzwaldes mit erfaßte, Wirtschaftskrisen und zuneh­ mend geringere Rentabilität, waren der Grund für die Aufgabe von Hofgütern durch ihre bäuerlichen Besitzer. Lang ist die Auf­ listung der Waldverkäufe an die Staats- 58

domäne, wie sie uns Chronik und Statistik des Forstamts aufzeigt. Waren es im Martins­ kapellenwald und Farnwaldgebiet 11 Güter, so waren es in Gütenbach und im Kilpen 13 Güter, deren Wald von 1867 bis 1890 den Besitzer wechselten. Im Wagnerstal gehörte unter anderen auch der im Februar 1844 von einer Lawine völlig zerstörte Königenhof da­ zu. Aufschlußreich ist das uns noch erhal­ tene Erwerbungsprotokoll für den 1867 er­ worbenen Vogttonishof in Schönwald. Es verrät uns den Waldzustand; in manchen Fällen mögen ähnliche Verhältnisse bestan­ den haben: ,,Der Wald ist unter Beweidung aufge­ wachsen, er wurde zudem in letzter Zeit schonungslos behandelt und teilweise zu­ sammengehauen. Während bisher die stärk- Rechts: Der Amtsvorstand seit 1972 Oberforstrat Dr. Hink Aufarbeitung von Sturmholz an exponiertem Steilhang im Staatswald {Nonnenbach) 59

sten Stämme ohne Rücksicht auf die Umge­ bung herausgehauen und mitteljährige ange­ hende nutzbare Stangenorte kahl abgetrie­ ben wurden, blieb in den übrigen Waldteilen das dürre und schadhafte sowie gebrochene Holz liegen, so daß der Wald zur Zeit kein erfreuliches Bild bietet.“ Die Erwerbungen setzten sich weiter fort, auch Gemeinde- und Körperschaftswaldun­ gen führen ihre Existenz auf solche Ankäufe von Hofgütern zurück. Eine weitere Vergrößerung des Staats­ besitzes war die durch die Säkularisation be­ dingte Verstaatlichung des Kollegialstiftwal­ des Waldkirch und ehemals vorderösterrei­ chischer Staatsdomänen, die mit dem Ab­ schluß des „Preßburger Friedens“ an das Großherzogtum Baden fielen, gegeben. Die Forstleute der ersten Stunde Der erste Vorstand der Bezirksforstei Furt­ wangen war der Forstpraktikant Friedrich Schöpflin aus Hüfingen. Er erhielt bei sei­ nem Amtsantritt ein Jahresgehalt von 2000 Mark; ein „Diätenaversum“ von 750 Mark ergänzte seine Jahresbezüge. 160 Mark durfte er im Jahr für den sachlichen Aufwand seiner Behörde ausgeben. Bereits 1896 wurde er, inzwischen zum Oberförster ernannt, nach St. Blasien versetzt. Sein Nachfolger war dann bis zum Jahr 1905 Oberförster Leopold Diemer. Schon 1894 bestanden 3 Hutbe­ zirke; die seitherigen Waldhüter waren nun etatsmäßige Forstwarte. Sie verdienten 700 Mark im Jahr. Aufschlußreich auch die damaligen Arbeitslöhne der Waldarbeiter: Der Tagesverdienst lag bei 2,50 Mark; der Hauerlohn für 1 Festmeter lag bei einer Mark. Die tägliche Arbeitszeit lag bei 10 Stunden; die heutige soziale Absicherung für die Winterzeit bestand nicht. … und ihre Aufgaben Die ersten Forstleute trafen den neuen Bezirk als meist entlegene, dünn besiedelte Gegend an. Die Wegverhältnisse waren schlecht, wenn nicht völlige Weglosigkeit herrschte; Holzverbrauchszentren weit ent- 60 fernt. Holzpreise von 12 Mark für Stamm­ holz spiegeln die Marktsituation wider. Die rauhen Höhenlagen überließ man der Fichte, auch mit der heute korrigierten Be­ gründung, die Sturmgefahren zu mildern. Das heutige Übergewicht der 75- bis 120jäh­ rigen Fichtenreinbestände gehen noch auf die Aufforstung der Reut- und Bergfelder mit Fichten zurück. Wo es der Standort zuließ, wurde der Tannenanbau auf Kosten der Buche begünstigt. Große Aufgaben warteten auf die Forstleute. Allein in den ersten 10 Jah­ ren wurden 1 Million Fichten neu gepflanzt. Die Forstamtsgröße im Wandel Bereits llJahre später, im Jahre 1905, wur­ de das Forstamt St. Märgen begründet. Furt­ wangen gab die Waldungen vom Thurner bis St.Peter an das neue Amt ab. Zu einem Groß­ teil waren es ehemalige Klosterwaldungen, die nach Aufhebung des Klosters 1806 an den badischen Staat gefallen waren. Weitere Erwerbungen führten dazu, daß 1925 11 948 Hektar Waldfläche ausgewiesen wurden. 1974 gehörte der Forstbezirk mit 12 627 Hek­ tar, davon 2 098 Hektar Staatswald, zu den 1$:Ößten im Land. Die letzte einschneidende Anderung brachte 1975 die Forstamtsneu­ organisation im Land Baden-Württemberg. Im Zuge der Gemeinde- und Kreisreformen gab Furtwangen den Martinskapellenwald und den Wald auf der Gemarkung Schön­ wald an das Forstamt Triberg ab. Katastrophen erschüttern den Wald Viele außerordentliche Naturereignisse verzeichnet die lOOjährige Geschichte. Expo­ nierte Lagen mit Sturmhäufigkeit und star­ kem Schneefall waren die Gründe für regel­ mäßige Schneebruchschäden bis in die jüng­ ste Zeit. So sind die Waldschäden des Jahres 1923 mit 47 000 Festmeter Schadanfall, Aus­ fälle in einzelnen Beständen bis zu 75 %, noch in überlieferter Erinnerung. Insbeson­ dere die Kammlagen weisen seit den 80er Jahren die neuartigen Waldschäden durch Luftverunreinigungen auf, denen man mit Kompensationskalkungen entgegenwirkt.

Das Forstamt Furtwangen heute Im Jubiläumsjahr präsentiert sich das Forstamt Furtwangen mit einer Forstbe­ triebsfläche von fast 11 000 Hektar. Der Kleinprivatwald spielt mit seinen 6 185 ha = 57 0/o der Gesamtwaldfläche eine bedeut­ same Rolle. 500 Eigentümer teilen sich die­ sen Waldbesitz, 113 bäuerliche Betriebe be­ sitzen zwischen 10 und 50 Hektar, 36 über 50 Hektar Wald. Seit 1972 trägt Oberforstrat Dr. Hink die Gesamtverantwortung. Natur­ naher Waldbau ist das Ziel künftiger Wald- wirtschaft. Es gilt, reine Fichtenbestände in stabilere, ökologisch wertvolle Mischbestän­ de zu überführen, die weniger anfällig gegen Sturmwurf, Schneebruch und Borkenkäfer sind. In der Erhaltung und Pflege des ihnen anvertrauten Waldes sahen die Forstleute der vergangenen 100 Jahre nicht nur Dienstauf­ gabe, sondern auch ureigenstes persönliches Anliegen. Dies wird auch in Zukunft so sein. Karl Krieg Schwenningen: Blick von der Stadtkirche zum Rathaus, Zeichnung 1949 Hans Georg Müller-Hanssen . / / 61

Schulen Die Karl-Wacker-Schule Donaueschingen Ein neues Zuhause in der Fürstenbergstraße Seit dem Jahr 1970 war die Karl-Wacker­ Schule, ehemals Schule für Bildungssehwa­ che, in der Augustastraße beheimatet. Das Gebäude, im Jahre 1925 als Uhrenfabrik er­ baut und genutzt, beherbergte in den weite­ ren Jahren das Tagblatt, die Handelslehran­ stalten und die Realschule. In den vielen Jah­ ren hatte sich zwischen Schule und Umfeld eine gute nachbarschaftliche Verbindung aufgebaut, die Schüler schmückten zusam­ men mit ihren Klassenlehrern regelmäßig die Blumeninseln in der Augustastraße. Der fehlende Aufzug, ein enger asphal­ tierter Pausenhof und unzureichende Sanitär­ einrichtungen machten immer deutlicher, daß das Gebäude zeitgemäßen Erfordernis­ sen nicht mehr genügte. Die Mitglieder des Kreistages besichtigten im Juni 1991 das Gebäude und waren sich einig, daß eine umfassende Sanierung not­ wendig sei. Eine eingehende Bestandsauf­ nahme erbrachte jedoch die Aussichtslosig- Das ehemalige M issionskonvikt früher, heute 62

Carl-Orff-Schule 25Jahre alt Die Carl-0,jf-Schule im Stadtbezirk Villin­ gen feierte am Samstag, dem 20. Mai 1995, ihr 25jähriges Bestehen. Mit einem ökumeni­ schen Dankgottesdienst sowie dem anschlie­ ßenden Festakt gedachten zahlreiche Gäste der Gründung dieser Schule. Kinder, Eltern und die Lehrerschaft freuten sich über die durchweg positive Entwicklung der vergange­ nen Jahre. Die inzwischen 92 Schülerinnen und Schüler rundeten das Fest mit Theater­ spiel einer Zirkusvorstellung und musikali­ schen Darbietungen ab. keit, mit vertretbarem finanziellen Aufwand eine Verbesserung zu realisieren. Nachdem auch das Oberschulamt und die Oberfinanz­ direktion ihre Zustimmung gaben, befürwor­ tete der Kreistag einen Neubau der Schule. Da tat sich im Juli 1991 mit dem Freiwer­ den des ehemaligen Missionskonvikts der Spiritaner in der Fürstenbergstraße eine völ­ lig neue Perspektive auf. Die zentrale Lage, die Nähe zu den Geschäften und öffentli­ chen Freizeiteinrichtungen, den anderen Donaueschinger Schulen und dem Fürstlich Fürstenbergischen Park boten hier einmalige Vorteile. Glücklicherweise erkannten alle be­ teiligten Entscheidungsträger diese beson­ dere Chance und stimmten dem Ankauf des Konviktgebäudes zu. Mit dem Umbau wur­ de das, bereits in Zusammenhang mit dem Bau der Körperbehindertenschule im Stadt­ bezirk Villingen, bewährte Architekturbüro FAl in Stuttgart beauftragt. Für dieses Team war es eine besondere Herausforderung, aus einer ungewöhnlichen Bausubstanz eine be- 63

hindertengerechte, moderne Schule zu schaffen. Während im Innenbereich Räume mit völlig anderen Grundrissen erforderlich waren, sollten die ursprünglichen äußeren Gestaltungsmerkmale des Gebäudes erhal­ ten bleiben. Am 1.10.1993 konnte mit den Umbauar­ beiten begonnen werden. Ein Treppenturm an zentraler Stelle entstand, der gleichzeitig einen behindertengerechten Aufzug um­ schloß. Die transparente Gestaltung dieses Baukörpers öffnet die Flure und Innenräume in die weiträumige Landschaft. Die Bereiche der Ganztagsschule mit der­ zeit 50 behinderten Schülern, sind klar gegliedert. Im Erdgeschoß sind zentral an der Ein­ gangshalle die Verwaltung und das Lehrer­ zimmer angeordnet. Daran anschließend wurden die Werkräume und sanitären Pflege­ bereiche angegliedert. Die Fahrzeuge des DRK, die die Schüler aus dem ganzen süd­ lichen Kreisgebiet zur Schule bringen, kön­ nen in den Hof bzw. unter eine überdachte Zufahrt gelangen. Zwei schirmartige Glas­ dachkonstruktionen in Verbindung mit ei- nem überdachten Zugang und einer, mit Glas überdeckten Pausenfläche, gewährlei­ sten einen sicheren und hellen Zugang. Die allgemeinen Unterrichtsbereiche mit 8 Klassen- und Gruppenräumen sind im 1. und 2.0bergeschoß untergebracht. Im unte­ ren Geschoß sind der zentral gelegene Spei­ sesaal, in dem die Schüler das tägliche Mit­ tagessen einnehmen, sowie die Aufberei­ tungsküche und Lehrküche hell und über­ sichtlich angeordnet. Neben einem Rhyth­ mikraum und einem Universalraum befin­ det sich in diesem Geschoß die Versorgungs­ zentrale und ein Maschinenraum. Aus dem bis vor wenigen Jahren noch dunklen und introvertierten Gebäude ist eine helle, transparente, den Außenberei­ chen und der Natur zugewandte Schule ge­ worden. Gerade an diesem exponierten Punkt an der Stadtgrenze von Donaueschingen, neben dem Schloßparkplatz, bietet dieses Gebäude nun den Ankommenden ein freundliches Willkommen. Am 7. 4.1995 wurde das Gebäude offiziell seiner Bestimmung als neue Karl-Wacker­ Schule übergeben. 64 Drei� die sich .freuen: (von links nach rechts) Schulleiter Gerhard Weeber, Architekt Hans­ Günter Baisch, Landrat Dr. Rainer Gutknecht.

Der Präsident des Oberschulamtes Frei­ burg, Bruno Prändl, sprach dem Landkreis Dank und Anerkennung dafür aus, daß er mit diesem Bau einmal mehr sein Engage­ ment im Schulbereich und insbesondere sein Eintreten zum Wohle behinderter Kin­ der unter Beweis gestellt habe. Landrat Dr. Rainer Gutknecht brachte seine Freude dar­ über zum Ausdruck, daß nach den vielen Jahren enger und unzureichender Bedingun­ gen in der Augustastraße, Schüler und Leh­ rer nun in ein funktionsgerechtes freund­ liches Gebäude einziehen können. Einen be­ sonderen Dank richtete er an die Soldaten der französischen Garnison, die Ende De­ zember zusammen mit Lehrern und Eltern der Schüler den Umzug von der Augusta­ straße in die Fürstenbergstraße übernom­ men hatten. Der Architekt Hans-Günter Baisch übergab den Schlüssel des neuen Hauses an Herrn Landrat Dr. Gutknecht, der ihn an den Hausherrn, Schulleiter Gerhard Weeber, weitergab. Der Rektor dankte allen Verantwortlichen für die Realisierung des Projekts und wies darauf hin, wie glückJjch sich seine Schüler äußerten, als sie Anfang des Jahres in ihre „schöne neue Schule“, wie sie sagten, umziehen konnten. Eine beson­ dere Konstellation für die Karl-Wacker­ Schule sei, daß sie als Kreisschule gleichzei­ tig eine allseits akzeptierte Donaueschinger Schule in fürstlicher Nachbarschaft sei. Schüler des Fürstenberg-Gymnasiums und der Donaueschinger Realschule, die zusam­ men mit den Schülern der Karl-Wacker­ Schule musizierten und ein Schattenspiel aufführten und damit die gute Kooperation zum Ausdruck brachten, trugen zur fröh­ lichen Stimmung der gelungenen Eröffnung bei. Alle Anwesenden erhielten kunstvolle, in der Werkstufe gefertigte, Blumen aus Lin­ denholz, die als Symbole der Lebensfreude den Charakter dieser Schule deutlich ma­ chen sollen: In der Schule für das Leben ler­ nen. Die Schule unterrichtet Schüler mit Be­ hinderungen im Alter zwischen 6 und 24 Jahren. Nach dem Besuch der 3- bis 4jähri­ gen Unter-, Mittel- und Oberstufe erfolgt die berufsvorbereitende Erziehung in der Werk­ stufe. Neben einer Frühberatungsstelle, die entwicklungsverzögerte und von Behinde­ rungen bedrohte Kinder bereits in den ersten Lebensjahren fördert, vermittelt ein „Fach­ dienst Eingliederung“ Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und betreut den Personenkreis der Schulabgänger auch in den Bereichen Wohnen und Freizeit. Das große Interesse der Bevölkerung an der Arbeit der Karl-Wacker-Schule bewiesen die über 1000 Besucher, die am Tag nach der Einweihung zum „Tag der offenen Tür“ in die neue Schule kamen. Gerhard Weeber Die Robert-Gerwig-Schule in Furtwangen vereinigt Gewerbliche und Kaufmännische Schulen Der Neubau wurde bezogen Jeder Bericht über die Schulgeschichte und den Neubau der Robert-Gerwig-Schule Furtwangen muß mit dem Dank an den Mann beginnen, der sich über 20 Jahre sehr intensiv um die Verwirklichung dieses gro­ ßen Projektes verdient gemacht hat. Der Dank gilt dem Ministerpräsidenten des Lan­ des Baden-Württemberg, Erwin Teufel. Bis es zur Einweihung und zum Umzug im Juli 1995 kam, waren lange Jahre des Ver­ handelns, aber auch der Enttäuschung ins Land gegangen. Kompliziert wurden die Schulprobleme der Beruflichen Schule in Furtwangen vor allem dadurch, daß sowohl der Schwarzwald-Baar-Kreis als auch das Land Baden-Württemberg Träger der Schule sind, die inzwischen 11 leistungsfähige Schul­ arten unter einer Schulleitung vereinigt. 66

Ursprünglich gab es drei selbständige Be­ rufliche Schulen in Furtwangen, eine Kauf­ männische und zwei Gewerbliche. Der Landkreis und das Land unterhielten je eine eigene Gewerbliche Schule. Es war geradezu revolutionär, diese drei Schulen mit Erlaß des Kultusministeriums vom 23. 2. 1978 or­ ganisatorisch zusammenzulegen und einen gemeinsamen Schulleiter zu bestellen. Um­ gesetzt wurde der Erlaß am 1. 8. 1980. Aus der Geschichte der Schule 1850 Die Großherzogliche Badische Uhr­ macherschule wurde gegründet. 1903 durfte die Schule Gesellen- und Fach­ arbeiter-Zeugnisse ausstellen und hat so bis heute die Prüfungshoheit einer Kammer. 1914 ging das Gebäude in der Baumann­ straße 38 von der Stadt Furtwangen in die Trägerschaft des Großherzogtums Baden über. 1922 wurde die Schule zur „Staatlichen Fachschule“ erhoben. 1927 Anerkennung des Entlaßzeugnisses als „Mittlere Reife“. 1939 erhielt die Schule den Titel „Höhere Fachschule“ und wenig später hieß sie „Staatliche Höhere Fachschule“ und hatte so den Status einer Techniker­ schule. 1941 kam eine Meisterschule dazu. 1947 erteilte das Badische Ministerium – jetzt in Freiburg – die Erlaubnis, an der Schule Ingenieure auszubilden. 1963 Trennung der Berufsfachschule von der „Staatlichen Ingenieurschule“. 1963 Angliederung einer Berufsaufbau­ schule. 1969 erteilt die Kaufmännische Berufsfach­ schule (Wirtschaftsschule) wieder die Mittlere Reife. 1971 Genehmigung des Technischen Gym­ nasmms. 1974 erweitert das Wirtschaftsgymnasium das Furtwanger Bildungswesen. 1978 Genehmigung eines Kaufinännischen Berufskollegs l. 1980 Einrichtung eines Berufskollegs zum Erwerb der Fachhochschulreife. 1987 Kommunikationselektroniker in Voll­ zeitform werden in Furtwangen aus­ gebildet. 1989 Das Berufskolleg zum Erwerb der Fachhochschulreife erhält ein kauf­ männisches Schwerpunktfach. 1990 Die dreijährigen Berufsfachschulen erteilen durch Zusatzunterricht die Mittlere Reife und die Fachhoch­ schulreife und erlangen den Rang von dreijährigen Höheren Berufs­ fachschulen bzw. dreijährigen Berufs­ kollegs. Durch die Errichtung dieser verschiede­ nen Schulzweige und auch durch den Zu­ sammenschluß der beruflichen Schulen in Furtwangen waren die Voraussetzungen gegeben, an einen Schulneubau zu denken, wie er bereits 1975 geplant war. Ein solcher Neubau war nicht immer un­ bestritten! Zwar stammten beide Gebäude in der Baumannstraße aus dem letzten Jahr­ hundert und es erfolgten ständig An- und Umbauten, aber Flickwerk blieb doch alles. Zusätzlich erhielt Furtwangen auch das Ski-Internat (vgl. Almanach 86, Seiten 248- 250; Almanach 91, Seiten 296-298)- gerade wegen des vielfältigen Bildungsangebots -, aber es hatte keine vernünftigen Werkstät­ ten, die mußten in außenliegenden Keller­ räumen untergebracht werden. Die Jahre 1979-1991 waren dadurch ge­ kennzeichnet, daß um den Neubau der Schule zum Teil heftig gekämpft wurde. Es gab ein Auf und Ab, bis sich das Land im Jahre 1988 zu einem Neubau bekannte. Der Landkreis als Mitschulträger zog mit. In der Rückschau kann man die bisweilen kritisch durchlaufene Entwicklung in einem „milden Licht“ betrachten. Man muß jedoch fest­ halten, daß schwierige Zeiten zu bestehen waren, die auch persönliche Beziehungen auf eine harte Probe gestellt haben. Im Jahre 1989 wurde ein Architektenwett­ bewerb für den Neubau der Robert-Gerwig­ Schule am Großhausberg durchgeführt. An- 67

Einweihung des Neubaus am 25.juli 1995 mit Ministerpräsident Erwin Teufel fang des Jahres 1990 stand das preisgekrönte Modell der Architektengruppe Rutschmann & Partner, Stuttgart, fest. Noch fehlt bei dem Neubau eine Sport­ und Turnhalle, die hoffentlich in einem wei­ teren Bauabschnitt bald folgen wird. Der 1. Spatenstich für das Berufsschulzen­ trum fand am 27. 3.1990 statt. Das Richtfest wurde am 1. 7. 1993 gefeiert. Im Jahre 1995 beziehen wir eine vorbild­ liche Schule, auf die auch der Schwarzwald­ Baar-Kreis stolz sein kann, und in der rund 500 Schüler sowie 64 Lehrkräfte unterge­ bracht werden. Der Einsatz hat sich gelohnt! Viele Stunden mußten für Verhandlungen und Gespräche aufgebracht werden. Unseren Gymnasiasten, Kollegiaten, Be­ rufsfachschülern und Berufsschülern stehen heute in dem neuen Gebäude die nötigen Räumlichkeiten zur Verfügung: Eine Biblio­ thek, hervorragend ausgestattete Werkstät­ ten, Aufenthaltsplätze, Aufenthaltsraum, Kiosk, eine große Halle, eine einmalig an­ sprechende Architektur und eine wunder­ bare Lage über der Stadt. Dieses Gebäude kann auch als Krone Furtwangens angesehen werden. Für alles, was wir empfangen durf­ ten, sagen wir nach badischem Brauch und aus innerer Überzeugung: ,,Vergelt’s Gott!“ Klaus Panther 69

Fachhochschule Furtwangen – Hochschule für Technik Die Fachhochschule Furtwangen mil ihrer Außenstelle in Villingen-Schwenningen hat sich in den ver­ gangenen Jahren im Landkreis und darüber hinaus einen guten Namen gemacht. Sie ist aus den Bil­ dungseinrichtungen im Landkreis nicht mehr wegzudenken. Die Beiträge in dieser Ausgabe setzen die im Almanach 88 (Seiten 39-42), im Almanach 89 (Seiten 34-38) und im Almanach 93 (Seiten 69-7 4) erschienenen Berichte fort. Im Schwarzwald ticken die Uhren schneller Erste Absolventen des Fachbereichs Medieninformatik am Markt Vier Jahre nachdem die traditionsreiche Fachhochschule Furtwangen den Studien­ gang Medieninformatik gegründet hat, er­ hielten die ersten Absolventen ihre Diplo­ me. Schon in der Vergangenheit hatte die Fachhochschule ein Gespür für neue techni­ sche Entwicklungen gezeigt. So wird der von der Furtwanger Fachhochschule konzipierte Studiengang Wirtschaftsinformatik heute an fast jeder technischen Hochschule angebo­ ten. Werden auch die Medieninformatiker der dynamischen Entwicklung auf dem Ar­ beitsmarkt gerecht? Werden hier die Fach­ leute von morgen ausgebildet? Wer braucht Medieninformatiker? Schlagworte wie Mul­ timedia oder Digital Media sind heutzutage in aller Munde. Die Medien befinden sich im Umbruch von analoger zu digitaler Tech­ nologie. Fünfzehn Jahre nach Einführung der CD werden analoge Schallplatten zu Raritäten, das Telefon wird auf das digitale ISDN-Netz umgeschaltet, seit zwei Jahren gibt es die ersten digitalen Videokameras und das hochauflösende Fernsehen der Zu­ kunft wird ebenfalls digital übertragen wer­ den. Mit der rasanten Leistungssteigerung der Computer wird die digitale Integration der Medien im Rechner möglich. Die Ver­ schmelzung von Computer und Medien öff­ nen den Menschen die vielfältigsten Anwen­ dungsgebiete: Ausgefeilte Point-of-Sale-In­ formationssysteme werden im wirtschaftli- 70 chen Konkurrenzkampf unentbehrlich, digi­ tale Videobearbeitung öffnet der Kreativität neue Horizonte. In der Aus- und Fortbil­ dung werden sich bei der heutigen Halbwerts­ zeit des Wissens althergebrachte Methoden alleine als zunehmend ineffektiv erweisen. Ansprechende, technische und gestalterisch perfekte Präsentationen werden zur Darstel­ lung eines Unternehmens immer wichtiger. Die Vielfalt der Technik und ihrer Anwen­ dungsmöglichkeiten wird dabei zunehmend unüberschaubar. Hier ist der Medieninfor­ matiker der Fachmann: Er kennt die wirt­ schaftlichen und praktikablen Verfahren. Er integriert die Medien in einem System, weiß mit welcher Anwendung die größtmögliche Wirkung erzielt wird. Das Medieninformatik-Studium bildet Generalisten aus, Menschen mit der Fähig­ keit zu vernetztem Denken, die Kommuni­ kationsprobleme ganzheitlich lösen anstatt sich in ihrem Spezialgebiet abzugrenzen. Das Studium bildet das Fundament, schafft das Grundwissen, die Kenntnis aller wichtigen Verfahren und Methoden, auf die eine Spezialisierung im Berufsleben auf­ bauen kann. Neben einer soliden theoreti­ schen Ausbildung in Fächern wie Mathema­ tik, Informatik, Betriebswirtschaftslehre und Medientheorie erfolgt eine Vertiefung durch Workshops und Wahlfächer. Das Angebot der Wahlfächer reicht von Projekt-Manage-

ment bis zu Mediengestaltung. Bei den Workshops haben die Studenten die Aus­ wahl zwischen Videotechnik, Audiotechnik, Computeranimation, Telekommunikations­ medien und interaktiven, multimedialen Anwendungen. Dabei wird sozial kompeten­ tes und teamfähiges Verhalten in der Gruppe gefördert- Einzelkämpfer sind nicht gefragt. Das System der Fachhochschule trägt zur praxisnahen Ausbildung bei. Die Dauer des Studiums beträgt acht Semester, wobei zwei Semester in der freien Wirtschaft als Praxis­ semester absolviert werden. Wenn die Stu­ denten ihre Diplome erhalten, gehen sie bereits mit zwölf Monaten Berufserfahrung in die Praxis. Typisch für Fachhochschul­ Studenten: Die meisten besitzen schon vor dem Studium Berufserfahrung. Positiv auf das Lernklima wirken sich auch die klein be­ messenen Semester aus, die im Schnitt aus fünfunddreißig Studenten bestehen. In den Vorlesungen wie in den parallel laufenden praktischen Arbeiten wird die aktive Beteili­ gung gefördert. Dem Fachbereich Medieninformatik ste­ hen an der Fachhochschule Furtwangen mo­ dernste Einrichtungen zur Verfügung, in de­ nen die Studenten ihr theoretisches Wissen ständig in der Praxis umzusetzen lernen: ein Video-Studio, ein Tonstudio, Grafik-Work- stations für Computer-Animation, ein Tele­ kommunikations- und ISDN-Labor, natür­ lich PCs und Unix-Workstations. Die zehn Professoren des Fachbereichs sind mit den hohen Anforderungen der Branche bestens vertraut, denn sie haben mehrere Jahre in der freien Wirtschaft gearbeitet. Ergänzt werden sie durch Spezialisten aus Unternehmen, die als Dozenten aktuellste Erkenntnisse in die Lehre einfließen lassen. Zusätzlich sorgen Assistenten, meist Diplom-Ingenieure/In­ formatiker, für den technischen Support. Die Resonanz des Marktes ist positiv. Den Praktikanten wird fachliche Kompetenz, Kreativität, Flexibilität und Teamfähigkeit bescheinigt. Medieninformatiker sind die Idealbesetzung für vielfältige neue Arbeits­ bereiche, die bislang von konventionell aus­ gebildeten Fachkräften nur unzureichend abgedeckt werden können. Das zeigt, daß die Entscheidung für diesen zukunftsträchtigen Studiengang zum richtigen Zeitpunkt getrof­ fen wurde. Medieninformatiker helfen mit ihrem Know-how unter Einsatz modernster Kommunikationsinstrumente die Entwick­ lung eines Unternehmens in der Informati­ onsgesellschaft zu sichern. Medieninforma­ tiker sind eine Investition in die Zukunft. Professor Fritz L. Steimer Kontakte zur De Montfort University in Leicester/ Großbritannien Unter den Auslandskontakten der Fach­ hochschule Furtwangen haben die Bezie­ hungen zur De Montfort University in Lei­ cester/Großbritannien, ca. 150 km nördlich von London, sicherlich die größte Bedeu­ tung. Es begann vor etwa 15 Jahren mit per­ sönlichen Kontakten von Professoren der Fachhochschule Furtwangen zu Kollegen am damaligen Leicester Polytechnic. Besu­ che von Professoren und Studenten mit Be­ sichtigungsprogrammen an den Hochschu­ len und in Firmen schlossen sich an. Seit mehreren Jahren haben Studierende ver­ schiedener Fachbereiche die Möglichkeit, ihr 7. Semester als Austauschsemester an der jetzigen De Montfort University in Leicester zu verbringen. Ihre dortigen Noten werden hier angerechnet und erscheinen auch im Diplomzeugnis. Das Studium wird so nicht verlängert. Die in England anfallenden Stu­ diengebühren werden (bis auf weiteres) von der Europäischen Union übernommen. Der Fachbereich Product Engineering ist dabei sogar in ein Projekt mit mehreren anderen 71

De Monifort University Leicester (Queens Building) europäischen Hochschulen eingebunden, das aus dem ERASMUS-Programm der EU finanziert wird. Jährlich nehmen ca. 50 Studentinnen und Studenten dieses Angebot wahr, um ihre Sprachkenntnisse weiter auszubauen und durch die gewonnene Auslandserfahrung auch ihren „Marktwert“ als Ingenieur(in) oder Informatiker(in) zu steigern. Darüber hinaus belegen noch jährlich ca. 3-7 Stu­ dent(inn)en einen ljährigen Masterkurs in Leicester, entweder in der Informatik (Hu­ man Computer Systems) oder in Elektronik/ Feinwerktechnik (Mechatronics). Sie erwer­ ben so nach ihrem Fachhochschuldiplom einen zweiten internationalen Abschluß, der auch den in Deutschland für Fachhoch­ schulabsolventen immer noch mühseligen Zugang zur Promotion ermöglicht. Dieser Kurs muß allerdings bezahlt werden. Leider ist der Studentenstrom ziemlich einseitig: Mit Ausnahme der Vermittlung 72 von Praxisplätzen und Betreuung von Pro­ jekten in Furtwangen konnten -vor allem wohl wegen der Sprachprobleme -noch keine englischen Studenten „über den Kanal gelockt werden.“ AJlerdings befanden sich im Sommer 1995 zum zweiten Mal nach 1994 15 polni­ sche Studentinnen und Studenten für 4 Monate an der Fachhochschule Furtwangen im Rahmen eines Aufbau-Masterkurses in Informatik der De Montfort University. In diesem, durch das TEMPUS-Programm der EU zur Förderung der früheren osteuropäi­ schen Länder finanzierten Projekt, können jeweils 30 Absolventen von polnischen Hochschulen ein Zusatzdiplom in Informa­ tik erwerben. Nach zwei Studiensemestern in Gdansk/Danzig und Leicester schließt sich ein Projekt entweder in Eindhoven/Nie­ derlande oder an der Fachhochschule Furt­ wangen an. Prof. Dr. Hans-Volker Niemeier

Forschung und Entwicklung an Fachhochschulen Ohne Forschung ist eine wissenschaftli­ che, praxisbezogene Lehre, wie sie die Fach­ hochschulen pflegen, nicht denkbar. Umge­ kehrt gehört zur Forschung die Lehre. Fach­ hochschulen pflegen traditionell eine inten­ sive Zusammenarbeit vor allem mit der ein­ heimischen Industrie. Ein wichtiger Schritt war 1983 die Einrichtung der Steinbeis-Trans­ ferzentren an den Fachhochschulen in Ba­ den-Württemberg, derer es inzwischen etwa 200 gibt. Dort betreiben Professoren im Nebenamt Forschung und Entwicklung, d. h. zusätzlich zu den Aufgaben als Profes­ sor. Wenig später wurden die Institute für In- Echtzeit-Auswertung von Sonagrammen !���,w-····················· � 8r �································· ··•········•·•·· ….. · 8_ ��,-4-o�o-o�-,-4-2�·�0-o���-,-4-J�o�o���-,-4-5�·�0-o���-,4—s�o�o���-,-s-o’600 Abtastungen (Zeit) Das Bild zeigt die Auswertung von medizinischen Sonagrammen. Sonagramme entstehen bei der Untersuchung von Verengungen (Stenosen) von Arterien mittels Ultraschall. Während das obere Bild anscheinend nichtssagend ist, kann man nach einer aufwendigen Transformation und dreidimensiona­ ler Darstellung bereits eine wesentlich genauere Diagnose stellen. Im nächsten Schritt wird die Verengung in % errechnet, es ergäbe sich hier ein Wert von 80%. Es wurden Spezialrechner entwickelt, die es wirt­ schaftlich gestatten, solche Berechnungen in Echtzeit – entsprechend der Dauer eines Pulsschlages – zu bestimmen. 73

novation und Transfer IIT, jetzt Institute für angewandte Forschung IAF genannt, vom Ministerium für Wissenschaft und For­ schung Baden-Württemberg eingerichtet. Professoren betreiben dort Forschung im Hauptamt, d. h. als Dienstaufgabe. Die Fi­ nanzierung erfolgt teils durch das Ministe­ rium, teils durch den Auftraggeber. Forschung und Entwicklung werden mit starkem Anwendungsbezug betrieben. Da­ mit erfüllen die Fachhochschulen eine wich­ tige Aufgabe für die kleinen und mittleren Unternehmen unserer Region, weil die Er­ gebnisse direkt in Produkte oder Verfahren einfließen. Dafür sorgt schon die Finanzie­ rung, die teilweise oder vollständig vom Auf­ traggeber getragen wird. Zusätzlich werden Mitarbeiter, die im allgemeinen aufZeit ein­ gestellt werden, nach Projektabschluß als Multiplikatoren in die Wirtschaft entlassen. Nicht zuletzt profitiert die Lehre von diesen Aktivitäten, und aktuelle, praxisbezogene Vorlesungen sind gerade im technischen Be­ reich unverzichtbar. Als Defizit ist das ungenügende Fördervo­ lumen des Ministeriums bzw. der öffentli­ chen Hand anzusehen. Aus diesem Grunde konnte nur ein kleiner Teil der Anträge be­ willigt werden. Andererseits zeigt diese Tatsa­ che, daß an den Fachhochschulen noch ein großes nichtgenutztes Potential vorhanden ist. Unbefriedigend ist auch die Situation für wissenschaftliche Mitarbeiter in Forschungs­ projekten, denen eine Promotion an deut­ schen Universitäten im allgemeinen ver­ schlossen ist. Dafür haben unsere ausländi­ schen Partnerunive’rsitäten wie Prag, Buda­ pest, London weniger Berührungsängste, und die ersten Promotionen konnten dort erfolgreich abgewickelt werden. Die Fach­ hochschulen setzen weiterhin auf Forschung, und die Erfolge geben ihnen recht. Die bei­ den letzten Fachhochschul-Forschungstage haben das hohe Niveau der Forschung und Entwicklung in Baden-Württemberg deut­ lich gezeigt. Prof. Dr.-lng. Walter Kuntz 74 Morgen Tag für Tag Perlenschnur Morgen Morgen ist Anfang ist Freiheit ist Weite die Lampe anzünden Licht hinter Nebeln Hoffnung Brücke Morgen ist Zeit Zeit für Neues Anderes Verstehen das Gestern abstreifen das Getane ruht Tun will leben Morgen ist Kampf ist Lachen und Singen Morgen ist Weinen aber auch getröstet werden jemanden trösten verzichten annehmen Morgen ist Ringen um Vollendung ist Erkenntnis Wachsen Sein und Werden Tod und Vergehen Erwachen neu Morgen Perlenschnur Tag für Tag Doris Benz

Industrie, Handwerk und Gewerbe Existenzgründer: Keimzelle für neue Arbeitsplätze Das Thema „Existenzgründungen“ hat gerade in schwierigen wirtschaftlichen Zei­ ten mit hoher Arbeitslosigkeit einen wichti­ gen Stellenwert. Denn diejenigen, die den Schritt in die Selbständigkeit wagen, sind die Keimzelle für neue und zukunftsorientierte Arbeitsplätze. Die Botschaft muß lauten: ,,Den Mut stärken und jede Form der Unter­ stützung bieten, um qualifizierte Existenzen zu gründen!“ So hat auch die Landesregie­ rung besondere Aktivitäten auf diesem Ge­ biet entwickelt, u. a. finanziert durch Erlöse aus dem Verkauf der Gebäudebrandversiche­ rung. Die Kammer unterstützt dieses Ange­ bot und bietet speziell Existenzgründern einen besonderen Beratungsservice. Damit möchte die IHK ganz bewußt zur Existenz­ gründung ermutigen. Existenzgründer sind Hoffnungsträger – das kann man mit Fug und Recht behaupten. Sie wählen den Weg in die Selbständigkeit. Dies kann geschehen in der klassischen Form der Gründung einer eigenen Existenz – mög­ lichst mit der Umsetzung eigener, völlig neuer Produktideen. Oder aber durch Mana­ gement-Buy-Out, Ausgründungen, Betriebs­ übernahmen, durch aktive Beteiligungen oder sonstige Formen der Verselbständi­ gung. Existenzgründungen sind mittel- und langfristig wichtig für gesundes wirtschaftli­ ches Wachstum. Und sie verbreitern die mit­ telständische Basis der regionalen Wirt­ schaft. Einige Daten, Zahlen und Fakten sollen dies untermauern: 1994 gab es im Verantwor­ tungsbereich der IHK Schwarzwald-Baar­ Heuberg bei Unternehmen, die in das Han­ delsregister eingetragen werden, 405 N euein­ tragungen, davon 340 als Neugründungen. Zum Vergleich: 1993 registrierte die Kammer 378 Neueintragungen, davon 291 Neugrün- dungen. Die Zahl der neugegründeten Be­ triebe ist also im Ansteigen begriffen. Bricht man die Daten von 1994 auf die Branchen herunter, so ergibt sich für die Industrie ein Zuwachs von 61 neugegründe­ ten Firmen, im Bereich Handel von 75 Betrieben und auf den Dienstleistungssektor ein Anstieg von 224 Firmen. Zahlenmäßig am stärksten zugelegt hat der Landkreis Schwarzwald-Baar mit i64 neu hinzugekom­ menen Unternehmen, gefolgt vom Land­ kreis Tuttlingen mit 91 Firmen und dem Landkreis Rottweil mit 85 Betrieben. Die Entwicklung bei den nichthandels­ registerpflichtigen Betrieben – den soge­ nannten Kleingewerbetreibenden – ist ähn­ lich. Hier wurden 1994 per Saldo 554 Be­ triebe mehr registriert. 1993 lag der Zuwachs bei 508 Unternehmen. Interessant ist die Vielfalt der Existenz­ gründungen auf dem Dienstleistungssektor. Beispielhaft erwähnt sei hier das Gebiet der EDV: Software, Projektierung, Applikation, Vernetzung, Schulung und Multimedia sowie auf anderem Gebiet die Unterneh­ mensberatung/Technische Beratung und Marketing/Werbung. Wieviel Arbeitsplätze tatsächlich neu geschaffen wurden, läßt sich nur schwer sagen. Aber jede Neugründung eines Unternehmens schafft erfahrungs­ gemäß mittelfristig durchschnittlich drei bis fünf Arbeitsplätze. Zeiten der Arbeitslosigkeit sind Zeiten verstärkter Existenzgründung. Und das gilt erst recht bei der Arbeitslosigkeit qualifizier­ ter Mitarbeiter, und dies sind in unserer Region auch zahlreiche Ingenieure. Erfreu­ licherweise ist zu beobachten, daß sich immer mehr engagierte Mitarbeiter aus dem Beschäftigungsverhältnis heraus selbständig machen. Ihr hauptsächliches Motiv ist der 75

bewußte Schritt in die eigene Existenz zur persönlichen Verwirklichung mit möglichst besserem Einkommen. Nimmt man als Basis die in der Region mit öffentlichen Mitteln geförderten Exi­ stenzgründer, so läßt sich der positive Trend zahlenmäßig nachweisen. Nachdem das Gesamtinvestitionsvolumen der öffentlich Geförderten 1993 noch etwas mehr als 42,1 Mio. DM betrug, stieg es 1994 auf rund 65,6 Mio. DM – immerhin in zwei Jahren knapp 108 Mio. DM. Die dazu gewährte öffentliche Förderung wuchs ebenfalls an. Sie macht nach ihrem Volumen aber auch deutlich, wie wichtig diese Hilfe für Exi­ stenzgründer ist. Im Jahr 1993 erhielten 111 Existenzgründer Fördermittel in Höhe von ca. 17,5 Mio. DM. 1994 stieg die Zahl der geförderten Existenzgründer auf 160 mit einer Förderhöhe von ca. 27,5 Mio. DM. Unter den Geförderten waren 1993 27 und 1994 84 Arbeitslose. Alle Verantwortlichen in Wirtschaft, Poli­ tik und Gesellschaft müssen noch nachhalti­ ger dafür Sorge tragen, daß schlechthin noch mehr Existenzen gegründet werden und ge­ rade auch aus der hohen Zahl qualifizierter Arbeitsloser heraus. Nur so können der wach­ senden Quote der Erwerbslosigkeit Einhalt geboten und zugleich neue Strukturen in der Region geschaffen werden mit einem vielsei­ tigeren Branchenmix. Zum Aufbau neuer Existenzen ist ein passendes Umfeld hilf­ reich. Potentielle Existenzgründer benötigen ein geeignetes und vor allem finanzierbares Umfeld durch die Schaffung eines flächen­ deckenden und miteinander verbundenen Angebotes an Technologie- und Gründer­ zentren. Ein solches Netz ist notwendig, denn vielfach mangelt es nicht an Ideen, son­ dern an dem Einstieg für ihre Umsetzung. Mit dem Thema Technologie- und Grün­ derzentren hat sich intensiv der Arbeitskreis Wirtschaftsförderung Schwarzwald-Baar- Technologie-Park in Villingen-Schwenningen gegründet Die Technologie-Park Villingen-Schwenningen GmbH wurde im Dezember 1994 gegründet. Gesellschafter dieses Unternehmens sind: • die Wirtschaftiforderungsgesellschaft Villin- gen-Schwenningen GmbH (Wifog) • die Sparkasse Villingen-Schwenningen • der Schwarzwald-Baar-Kreis • die Deutsche Thomson-Brandt GmbH Die Gesellschaft wurde gegründet, um neue Arbeitsplätze im innovativen und technologie­ orientierten Bereich zu schaffen. Der Technolo­ giepark soll Existenzgründer und junge Unter­ nehmen anwerben und beraten, zentrale Ge­ meinschaftsl.eistungen und Service-Angebote verwalten, um neuen Unternehmen Starter­ leichterungen zu bieten. Der angesprochene Personenkreis setzt sich damit zusammen aus Existenzgründern in der Region, aus bereits bestehenden Jungunterneh­ men, die Produktionsfläche, Büro und Dienst- 76 leistung suchen, und ausländischen Unterneh­ men, die sich hier niederlassen und ihr bisheriges Betätigungsfeld ausweiten wollen. Insgesamt steht in den Räumen der Deutschen Thomson-Brandt GmbH eine Nutzfläche von 20 000 Quadratmetern zur Verfagung. Diese gliedert sich in: • Büro-/Laborjläche • Produktionifläche • Lagerfläche 4400qm 9300qm 6300 qm Anschrift: Technologiepark Villingen-Schwenningen GmbH Am Krebsgraben 15 7 8048 Villingen-Schwenningen Telefon O 77 21185-31 70 Telefax O 77 21/85-3455 Michael Leiße

Heuberg befaßt. Dieser Kreis – bestehend aus den Landräten, den Oberbürgermeistern und Bürgermeistern dieses Wirtschaftsrau­ mes, dem Regionalverband und der Hand­ werkskammer sowie der IHK – strebt die Schaffung eines solchen Netzes an. Ein er­ ster wichtiger Schritt ist der Technologiepark Villingen-Schwenningen. Weitere Gründer­ zentren, vor allem in den Kreisstädten und Mittelzentren, sollen hinzukommen. Es wäre ein wichtiger Schritt für die Entwick­ lung des Wirtschaftsraumes, daß sich diese Vorhaben verwirklichen und dieses gute Angebot in aller Breite genutzt wird. Die Unterstützung von Existenzgrün­ dern, aber auch die Existenzsicherung, ist ein besonderes Anliegen der Industrie- und Handelskammer. Sie kann in dieser Rich­ tung ein hervorragendes Angebot präsentie­ ren. 1995 veranstaltete die IHK sechs Exi­ stenzgründungsseminare mit 269 Teilneh­ mern. Die Zahl der Beratungen Gründungs­ williger lag bei 1 200. Zusätzlich hat die Kam­ mer 1994 jeweils am zweiten Donnerstag eines jeden Monats bis 19.00 Uhr einen Dienstleistungsabend für Existenzgründer eingeführt mit hoher Akzeptanz. Zudem gehen die IHK-Existenzgründungsberater vor Ort und beraten Interessenten in Zusam­ menarbeit mit den Stadtverwaltungen in den Rathäusern und auch in der Fachhoch­ schule. Diese Palette wird weiterhin ergänzt durch Seminare für Existenzgründer und neuerdings auch solche zur Existenzfesti­ gung. Über die Erstberatung hinaus informiert die Industrie- und Handelskammer die Gründer auch permanent weiter, z.B. über mögliche Aktivitäten im Exportbereich oder durch ihre Innovationsberater auf techni­ schem Gebiet. Die IHK berät angehende Unternehmer/innen über Standortfragen, Marktgegebenheiten, Fördermöglichkeiten, Kapitalbedarf und -beschaffung, über öffent­ liche Finanz- sowie Beratungshilfen, erfor­ derliche Genehmigungen, über die Ge­ schäftsbezeichnung und Handelsregisterein­ tragung, über Rechtsform, Pacht, Franchi­ sing, allgemeine Geschäftsbedingungen, Da­ tenschutz und viele andere betriebswirt­ schaftliche Fragen. Als ergänzendes Element unterhält die Kammerorganisation eine regional und bun­ desweit arbeitende Existenzgründungsbörse. 1994 wurden aus dem Kammerbezirk SO An­ gebote und Nachfragen veröffentlicht. Hin­ zu kommt noch die IHK-weite Koopera­ tionsbörse, in der 1994 90 Kooperationsmög­ lichkeiten angeboten wurden. Verstärkt wird die IHK dazu beitragen, ausgeschiedene oder frühpensionierte Persönlichkeiten aus der Wirtschaft zu finden, die ihr Know-how den jungen Unternehmerinnen und Unter­ nehmern als Paten zur Verfügung stellen und sie begleiten. Die Industrie- und Handels­ kammer bietet also ein umfassendes Bera­ tungsspektrum an. Sie möchte die erste und beste Adresse für Existenzgründer sein. !HK-Präsident Prof. Dr. Dr. Michael Ungethüm Seit vielen Jahren erfolgreich mit „Tipp-Kick“ Die Schwenninger Firma Edwin Mieg OHG Wenn der immer schnellere Wechsel das Charakteristikum unserer Zeit ist, dann paßt die Edwin Mieg OHG aus Schwenningen nicht mehr in unsere Zeit. Denn sie stellt seit nunmehr 71Jahren ein Spiel her, das inzwi­ schen in eine Reihe mit Klassikern wie ,,Mensch ärgere dich nicht“ und „Mono­ poly“ gehört: das „Tipp-Kick“. Hätte man Edwin Mieg 1924 solch einen Erfolg prophezeit, wäre er skeptisch geblie­ ben. Gerade als Exportleiter von J unghans zu Mauthe gewechselt, war er von einem Be­ kannten auf das Spiel aufmerksam gemacht worden, das der Stuttgarter Apotheken­ möbelhersteller Carl Mayer erfunden hatte. Die Sache gefiel ihm, er schloß einen Lizenz-77

vertrag ab, ersetzte die Blechkicker durch Figuren aus Blei und begann in einer Scheuer in der Kornbindstraße mit der Produktion. Obwohl er sich auf der Leipziger Messe keinen Stand leisten konnte, fuhr er hin, setzte sich auf einen Treppenabsatz und ließ seine Kicker und Torwarte in Aktion treten. Bald war er von soviel Interessenten umringt, daß er seinen Platz räumen mußte. Doch un­ beirrt spielte er in der nächsten Halle weiter und machte seine ersten – guten – Geschäfte. Im Prinzip funktionierte Miegs Leipziger Spiel von 1924 wie das ultramoderne „Tipp­ Kick Street Soccer“, das zur WM 1994 auf den Markt kam. Ein einen Meter langes Spielfeld, zwei Tore an den Enden, ein per Stange bewegter Torwart und ein Spieler, dessen rechtes Schußbein mittels Knopf­ druck vorschnellt. Dazu ein zwölfeckiger Ball, halb gelb, halb rot, wobei die obenlie­ gende Farbe entscheidet, wer schießen darf­ so einfach war das und ist das. Trotzdem hat sich an der Grundidee eini­ ges verändert, wie auch Maggi und Cola nicht mehr dieselben sind wie vor 70 Jahren. Vor allem der Torhüter ist viel beweglicher als sein Vorkriegskollege. Lange kniete die Zink-Version, als ob sie einen heranrollen­ den Ball erwarte. Seit 1954 kann sich derToni aus Plastik (benannt nach Toni Turek aus der Herberger-Elf) per Knopfdruck zur Seite hechten, seit zehn Jahren auch nach vorne. Auch die Feldspieler sind inzwischen spe­ zialisiert. Der mit dem runden Schußfuß ist der Allrounder, der mit der angefeilten Fuß­ spitze schlenzt gut, und der mit dem Innen­ rist hat sowohl gefühlvolle Heber als auch harte Hämmer drauf. Die Kugel landet inzwischen in Toren mit echtem Netz, frü­ her taten es auch Plastikmaschen oder Flie­ gendraht. Und der Ball selbst, der besteht nun ebenfalls aus Plastik – obwohl sich Hansjörg, der Sohn des Firmengründers, erinnert, wie er zu Beginn der Fünfziger noch Korkwürfel zwischen Sägeblätter schob und zurechtfräste: ,,Mein Rekord lag bei über 100 pro Minute.“ An Konkurrenten auf dem Tischfußball­ feld hat es nie gemangelt. Vor dem Krieg ver­ wendete der Trossinger Musikinstrumente- Produktionsgebäude Hardtstraße, ca. 1940. Edwin Mieg (rechts im Bild) mit Familie. 78

hersteller Hohner für Pfeifen ungeeignete Hölzer als Fußballer: Man drückte auf eine Feder und schon wurde unten eine Stahl­ kugel herauskatapultiert. Nach dem Krieg legte sich die Hirschhor­ ner Firma Meta mit den Miegs an. Zunächst baute sie Metallkicker, bei denen der Ball per Luftdruck aus einer Düse geblasen wurde; dann imitierte sie mit „Hurra, Tor!“ die Tipp­ Kick-Mechanik. Und schließlich warb sie noch mit dem Slogan „Tipp mit Toto-Kick“ – aber so, daß vor allem die Worte „Tipp“ und „Kick“ ins Auge fielen. Den Urheber­ rechtsprozeß gewannen die Schwenninger. Nach der Wende bekamen die Schwen­ ninger eine Plaste-Billigkopie ihres Spiels aus der DDR geschickt, deren Produktion dann hastig eingestellt wurde. Die jüngste Heraus­ forderung tauchte ausgerechnet zur Fußball­ WM 1994 auf. Der US-Spielwaren-Multi Hasbro (Umsatz weltweit 2,8 Milliarden Dollar, Werbeetat in Deutschland 50 Millio­ nen Mark, das ist zehnmal der Mieg-Jahres­ umsatz) überschwemmte die Spielzeuggroß­ märkte mit „Pro Action“. Die Kundschaft Tipp-Kick-Spiel, Mitte Dreißigerjahre strömte, von der Fernsehwerbung angesta­ chelt – und viele verließen den Laden mit einem Tipp-Kick in der Hand: Die Anstren­ gungen der Konkurrenz steigerten den eige­ nen Umsatz um 50 Prozent. Das brachte den Mittelständler sogar in Lieferschwierigkeiten, denn die Mieg OHG ist immer ein Familienunternehmen geblie­ ben. Firmengründer Edwin Mieg zog von der Kornbind- zunächst in einen Hinterhof der Jakob-Kienzle-Straße. Erst 1939 baute er in der Hardtstraße selbst (dort wird heute noch produziert) und beschäftigte damals vier Mitarbeiter. Nach Kriegsende fing er mit einer einzigen Helferin neu an (die sich lange gegen Neueinstellungen wehrte mit der Begründung „Wo viele Frauen sind, ist viel Streit“). Doch 1949 starb Edwin Mieg, und seine Söhne Peter und Hansjörg weiteten vorsich­ tig auf konstant zehn Festangestellte aus. Dazu kommt ein kleines Heer von Heimar­ beitern – bis zu 40 -, denn jede einzelne Fi­ gur wird immer noch handbemalt – zuletzt sogar in den Trikotfarben aller WM- Teilneh- 80

Bildmontage mit Hansjörg (links) und Peter Mieg mer in den USA. ,,Um die Kicker per Ma­ schine bedrucken zu können, müßten wir weg von der natürlichen Körperform, und das wollen wir nicht“, philosophiert Hans­ jörg Mieg. Seit 1961 befinden sich Büro, End­ montage und Versand in der Dickenhardt­ straße. Obwohl sie jeder automatisch mit dem Namen Tipp-Kick identifiziert, haben die Miegs stets auch an anderen Ideen getüftelt. Schon in den Dreißigern brachten sie ein Pferderennspiel und das „Ski-Wipp“ heraus: Eine bewegliche Schanze mußte so einge­ stellt werden, daß der Skispringer einen mög­ lichst großen Satz unternahm. Später kam „ConterBall“ (mit einer Pi­ stole sollte eine rote Stahlkugel in ein Tor ge­ schossen werden), das Eishockeyspiel „Cre­ sta“ (mit Cracks auf hin- und herschiebbaren Stangen) und „Floretto“, wo mit der Spitze eines Degens Ringe aufgespießt werden mußten, die am Handschutz des Fechtgeg- ners hingen. Eines schönen Tages traf Peter Mieg in einem Frankfurter Spielwarenladen Leinwand-Robin Hood Errol Flynn, drückte dem Weltstar sein „Florette“ in die Hand – und hatte die beste Werbung, die sich den­ ken ließ. Ähnliches Glück hatten die Schwennin­ ger, als sie ein Jahrzehnt später mit einem ziemlich unbekannten Fußballer einen Tipp­ Kick-Werbevertrag abschlossen. Für 1000 Mark stellte dieser Gerd Müller sein Konter­ fei zur Verfügung – und scheiterte vor Ge­ richt, als er seine steigende Berühmtheit spä­ ter in ein steigendes Honorar ummünzen wollte. Golf-, Crocket-, Boccia- und erst kürzlich zwei neue Brettspiele haben die Miegs kre­ iert. Ihr festes Standbein war, ist und bleibt Tipp-Kick.180 000 Stück verkauften sie 1954, als die Helden von Bern Weltmeister wur­ den; jetzt hat sich die Stückzahl auf 50 000 eingependelt. In einem WM-Jahr steigt die 81

Werbefoto mit Peter Mieg, 1974 Nachfrage auf 65 000, und wenn die Konkur­ renz freundlicherweise mithilft (siehe oben), können es auch mal 80 000 werden. Schauspieler mögen ihre Fanclubs haben und Swatch-Uhren ihre Sammlerbörsen. Tipp-Kick hat es viel weiter gebracht. In zwei Bundes-, drei Ober- und elf Regionalligen tragen die 180 im Deutschen Tischfußball­ verband organisierten Vereine jedes Wochen­ ende Turnierspiele aus; es gibt Auf- und Absteiger und einen Deutschen Tipp-Kick­ Meister. Zu den jüngsten Tipp-Kick-Infizier- 82

Boris Becker mit Tipp­ Kick, ca. 1989 ten gehört TV-Starmoderator Friedrich Küp­ persbusch. Selbst unser Duden hat Notiz genom­ men. Dort stand wörtlich: „Tipp-Kick“, engl. für Tischfußballspiel. So ehrenhaft die Er­ wähnung für den Hersteller war, er mußte Einspruch erheben. Denn Tipp-Kick ist ein eingetragenes Warenzeichen, und jeder hätte sich auf den Duden berufen können, der ein Spiel dieses Namens herausgebracht hätte. Der Duden-Verlag unterläßt seitdem diesen Eintrag. Hanns-Georg Rodek Weißer+ Grießhaber GmbH Ein kunststoffverarbeitendes Unternehmen in Mönchweiler 1969 gründeten die Familien von Lothar Weißer und Paul Grießhaber eine kleine Firma mit einer Produktionsfläche im Wohnzimmerformat von gerade 80 O!ia­ dratrnetern. Bis heute wuchs ihr Familien­ unternehmen – wegen seines Designs mit ei­ nem Architekturpreis ausgezeichnet – samt nigelnagelneuem Anbau auf fast 8000 O!ia­ dratmeter an. Über 130 Mitarbeiter finden bei Weißer+ Grießhaber eine zukunftsorientierte Arbeit. Und jedes Jahr kommen wegen der soliden Auftragslage mehr hinzu. Worin liegt nun das Geheimnis, weshalb die Firmengründer Lothar Weißer und das Ehepaar Paul und Christa Grießhaber die Krisenzeiten in den Anfangen und negative wirtschaftliche Ströme so gut überstanden haben? Wohl stecken hinter einem mittelständi­ schen Unternehmen wie Weißer + Grieß­ haber ein enormer Fleiß und Einsatzwille, nicht nur von Unternehmerseite. Aber das genügt nicht. Der Erfolg von Weißer + Grießhaber liegt vor allem auch in der spe­ ziellen Firmen-Philosophie, auf Qualität zu setzen. Präzisionsprodukte von Weißer + Grießhaber werden aus diesem Grunde nicht nur von deutschen Markenfirmen bevor­ zugt, weil sie halten, was sie versprechen. Durch eine qualifizierte Entwicklungsabtei­ lung lassen sich auch spezielle und kompli­ zierte Kundenwünsche in Kunststoff ab 4 83

Milligramm bis 300 Gramm verwirklichen. Weißer + Grießhaber beliefert Kunden aus nahezu allen Branchen wie Uhren, Auto­ mobil, Sanitär, Elektro, Haushalt, Medizin, Telekommunikation, Heizung, Belüftung, Optik, Meß-, Antriebs- und Regeltechnik. Bei Weißer + Grießhaber werden über 400 verschiedene Material- und Farbsorten in etwa 2800 Teilen verarbeitet. In Zahnräd­ chen klein wie Konfetti liegt die Stärke von Weißer + Grießhaber. Weißer + Grießhaber spezialisierte sich auf winzige und kleinste Teilchen aus Kunst­ stoff in vielfältigsten Formen. Dabei vertraut der umfangreiche Kundenstamm auf die gleichbleibende Qualität. Im Jahr 1995 legte Weißer + Grießhaber als weiteren erfolgrei­ chen Abschnitt in die Zukunft die Prüfung für das Qialitäts-Zertifikat ISO 9001 auf höchstem Niveau ab. ,,Wir sind aufgenom­ men in den Reigen der Besten“, umschreibt die Firmenspitze dieses Zertifikat. ISO 9001 ist ein Nachweis für ein doku­ mentiertes Qialitäts-Management-System. Das bedeutet eine Garantie für eine gleich­ bleibende Qialität für den Kunden. ,,Über 130 Mitarbeiter stehen für Qialität“, be­ schreibt Vertriebsleiterin Ute Grießhaber diese weltweit anerkannte Norm. Die beiden 84 Töchter arbeiten bereits schon in leitenden Funktionen, Ute Grießhaber zeichnet für den Vertrieb verantwortlich und Elke Fricker für Projekte. Der Erfolg des Familienunternehmens gründet sich vor allem auch darin, daß die beiden Familien stets an einem Strang zie­ hen und sich auch in ihrer Freizeit häufig treffen. Wobei sich Lothar Weißer mit sei­ nem unternehmerischen Mut zum Risiko und Paul Grießhaber mit seinem kritischen Blick für das Machbare immer perfekt er­ gänzten. Das Ziehen und das Halten endete im goldenen Mittelweg und damit zielstre­ big im Erfolg. Weißer+ Grießhaber wagte nie den Sprung ins Ungewisse, sondern expandierte auf soli­ der Grundlage. Beim 25jährigen Betriebsju­ biläum im Jahr 1994 meinte Lothar Weißer in seiner Festansprache aber auch: ,,Wer uns damals gesagt hätte, daß wir unseren 25jähri­ gen Geburtstag in einer festlichen Versamm­ lung erleben würden, dem hätten wir das nicht geglaubt. Weder Paul Grießhaber, seine Frau Christa noch ich haben daran gedacht, einmal 130 Mitarbeiter einschließ­ lich 16 Auszubildende zu führen, als wir am 29.April 1969 den Entschluß faßten, uns auf eigene Füße zu stellen.“

Ein roter Faden zieht sich sowohl durch die Firmengeschichte wie auch durch den Umgang mit Kunden. Weißer+ Grießhaber setzt auf Partnerschaft. Mit Hilfe des Fraun­ hoferinstitutes entwickelte das Unterneh­ men Strategien, um seine Mitarbeiter für ihre Arbeit zu motivieren. Bei Weißer + Grieß­ haber bildeten sich verschiedene Arbeits­ gruppen, die Feste ebenso organisieren wie Fremdsprachenkurse und innerbetriebliche Fortbildungen. In der Werkstatt sind ein- zeine Arbeitsgruppen jeweils für ein Produkt verantwortlich und übernehmen dafür auch den Service. Ziel: Die Mitarbeiter sollen sich aktiv mit Ideen am Betrieb beteiligen und Verantwortung übernehmen. Auch das bürgt für die gute �alität der Produkte. Nicht nur zum 25jährigen Betriebsjubiläum im Jahre 1994 wählte sich das Unternehmen bewußt das Motto: ,,Im Aufwind mit einem starken Team.“ Ute Grießhaber 85

Internationalität und Innovation Dieter Grässlin KG in St. Georgen Es war ein Betriebsstundenzähler. Der Verkaufserfolg motivierte zu weiteren Eigenentwicklungen in den nächsten Jahren. Der große entscheidende Durchbruch gelang mit der Realisierung der ersten Kleinzeit­ schaltuhr im Jahr 1964; nicht nur in ihrer Komplexität und auch vorher nicht gekann­ ten Schaltmöglichkeiten, sondern auch die Ganggenauigkeit des patentierten Antriebs­ systems waren eine Sensation in der Branche. Dazu kam als weiteres Novum für die damalige Zeit der Einsatz moderner Ther­ moplaste in der Getriebetechnik. Durch die Beherrschung der Spritzgußtechnologie er- Das Unternehmen, 1956 von Dieter und Anna Grässlin gegründet, hat sich in seiner nahezu 40jährigen Geschichte beispielhaft entwickelt. Der Beginn, fast traditionell für den Schwarzwald, ein junger Techniker und Konstrukteur sieht nur den Weg der Selb­ ständigkeit, um seine Vorstellung von Pro­ duktentwicklungen und Innovation zu ver­ wirklichen und die eingefahrenen Struktu­ ren zu verlassen. Sein Name: Dieter Grässlin. Sein Thema: Die Feinwerktechnik. Die Selbständigkeit begann in der Maler­ werkstatt des Großvaters. Die ersten Aufga­ ben waren anspruchsvolle Montagearbeiten für die heimische Uhrenindustrie. Das Geschäft dehnte sich aus, und bald waren Maschinenanschaffungen notwendig. Ein halbes Jahr dauerte der Aufschwung, dann kam die Ernüchterung: Die Aufträge blieben aus, es war praktisch keine Arbeit mehr da. Zum ersten Mal bekam man zu spüren, daß die Abhängigkeit als reiner Zulieferbe­ trieb groß ist. Die Erkenntnis, daß nur eigenentwickelte Produkte und deren Vermarktung eine ge­ wisse Unabhängigkeit bringen, dominierte in den Gedanken, und schon ein Jahr später war das erste Produkt fertig. 86

öffneten sich große Chancen für den Bau technischer Geräte wie der Zeitschaltuhr. Neben der Möglichkeit, die Produkte wesentlich preisgünstiger zu fertigen, konnte man hauptsächlich in Sachen Produktdesign und Farbgestaltung vollkommen neue Wege gehen. Hier setzte Grässlin neue Akzente, welche in den folgenden Jahren zu einer Vielzahl an Designpreisen führten, aber auch die gesam­ te Branche beeinflußten. Der Einstieg in die Elektronik im Jahre 1968 war ein weiterer Meilenstein und ein weiteres Beispiel für die Innovationskraft des mittlerweile schon weltbekannten Unter­ nehmens. Nicht nur der Produktentwicklung, son­ dern auch der Vermarktung wurde im Hause Grässlin schon frühzeitig Priorität einge­ räumt. Die ersten Vertriebspartnerschaften wur­ den bereits im Jahre 1963 im In-und Ausland geknüpft, und speziell der Export spielte in den folgenden Jahren eine wichtige Rolle. Die bessere Bearbeitung des damals wie heute sehr wichtigen Exportlandes Schweiz führte zu der Überlegung, eine eigene Nie­ derlassung für Produktion und Vertrieb in unserem Nachbarland zu gründen. Im August 1976 konnte nach sehr kurzer Vorbereitung die Produktion eines auf dem Markt noch neuen Programmes für Haus­ haltsschaltuhren aufgenommen werden. Leider konnte der Firmengründer die positive Entwicklung dieser ersten Auslands­ tochter in der Firmengeschichte nicht mehr lange miterleben, er starb erst 50jährig im November 1976. Es war ihm und seiner Art, Mitarbeiter zu führen und zu fördern, zu verdanken, daß die entstandene große Lücke durch seinen engsten Mitarbeiter, Herrn Wolfgang Haas, wieder geschlossen werden konnte. Er ent­ wickelte die Firma als Geschäftsführer zu ihrer heutigen Größe. In den folgenden Jahren wurde auf die Entwicklung elektronischer Produkte ein Hauptaugenmerk gerichtet. So wurde 1977 /78 die erste in Serie herge­ stellte Digitalschaltuhr auf den Markt gebracht, ein weiterer Beweis für die Lei­ stungsfähigkeit der Firma Grässlin. Mit dem Wachstum des Marktes wuchs auch das Unternehmen. Im Jubiläumsjahr 1981 konnte man das ,,25jährige“ mit einem Fest begehen. Gleichzeitig wurde der geplante zweite Bauabschnitt eingeweiht. Die 80er Jahre waren neben der stetigen Weiterentwicklung der Produkte geprägt durch große Anstrengungen im Ausbau der Organisation, der Logistik und der Modula­ risierung von Baugruppen und Endproduk­ ten. 1986 wurde der Grundstein für ein Joint Venture in Taiwan gelegt. Die Grasslin Far East Corporation wurde gegründet. Die Zusammenarbeit mit einem Unter­ nehmen, das Haushaltsschaltuhren fertigt, war der richtige aber auch manchmal stei­ nige Weg, um zu verhindern, daß auf dem 87

� � a• a- e 00000 Je nach Bedarf konnte nun nach entspre­ chenden Sanierungsmaßnahmen die Pro­ duktion nach Peterzell verlagert werden. Die immer schneller voranschreitende Elektronisierung der Produkte wurde von Grässlin energisch vorangetrieben. Immer wieder bessere, in kurzer Folge angebotene Mikroprozessoren erforderten einen schnel­ len Entwicklungsrhythmus. Die einfache Bedienung dieser modernen Produkte war das oberste Gebot, um die Akzeptanz der Kundschaft zu bekommen. Hier kam dem Unternehmen die langjährige Erfahrung im Bau von elektronischen Zeit­ schaltuhren zugute. Die Öffnung der Ostmärkte war Anfang der 90er Jahre eine neue Herausforderung. Es war klar, daß man als exportorientiertes Unternehmen dieses riesige Potential sah und sofort eine Marketing- und Vertriebs­ strategie für diese Länder entwickelte. Der Lohn für die sofortige Reaktion: die Marktführerschaft in einigen Ländern des ehemaligen Ostblocks. Markt ein gefährlicher Wettbewerber als Konkurrent auftritt. Die Notwendigkeit, durch steigenden Ko­ stendruck die Produktionsabläufe zu auto­ matisieren, führte im Jahre 1987 zur Grün­ dung der Grässlin Automationssysteme. Es entstand auf der Basis von speziell ent­ wickelten Aluprofilen ein Baukasten von Handlingskomponenten als Basis für die fle­ xible Montageautomation. In Zusammenarbeit mit der Entwicklung und Konstruktion für Zeitschaltgeräte konn­ ten nun frühzeitig die Belange der Montage­ automation berücksichtigt werden, ein Muß, wenn man erfolgreich automatisieren will. Durch die stetige Expansion des Unter­ nehmens war absehbar, daß die vorhande­ nen Räumlichkeiten bald aus allen Nähten platzen. Als Grundstein für eine Weiterentwick­ lung konnte mit dem Industrieareal der Firma Zeyko ein passendes Grundstück mit Gebäude erworben werden. 88

.1 Für die Zukunft hat man bei Grässlin klare Visionen: Die immer stärker ausgebaute Elektrifizie­ rung auch in Schwellenländern, der Wunsch nach mehr Komfort und die Notwendigkeit, Energie zu sparen, lassen den Weltmarkt für Zeitschaltsysteme weiter wachsen. Mit dem kontinuierlichen Ausbau des Vertriebsnetzes werden diese Potentiale ge­ nutzt. Neue Technologien der Hausleit- und Energietechnik erfordern große Anstrengun­ gen in der Forschung und Entwicklung, sind aber auch große Chancen für ein mittelstän­ disches Unternehmen. Um die Marktversorgung und die Kon­ kurrenzfähigkeit auf den Weltmärkten zu sichern, müssen die Arbeitsprozesse perma­ nent verbessert werden. Für diese Aufgaben kann die Geschäftslei­ tung des Familienunternehmens, die 1994 durch Thomas Grässlin als weiteren Ge­ schäftsführer erweitert wurde, auf eine moti­ vierte, traditionell engagierte Mannschaft von heute weltweit ca. 530 (St. Georgen 440) Mitarbeitern zurückgreifen. Ein Potential, welches in der Kette der Erfolgsfaktoren eines der wichtigsten ist. Wolfgang Haas 89

Firma Gehr. Grieshaber GmbH in Triberg Draht- und Blankstahlzieherei Bis ins Jahr 1823 reicht die Geschichte der Gebr. Grieshaber GmbH zurück. Gegründet wurde das Unternehmen in Triberg von Valentin Kammerer. Anno 1867 ging das bis dahin herunter­ gewirtschaftete Unternehmen an die aus Furtwangen stammende Familie Grieshaber über. Der Abnehmerkreis des Unternehmens beschränkte sich zu dieser Zeit auf die auf­ strebende Uhrenindustrie und die noch in ihren Anfängen steckende feinmechanische Industrie. Aufgrund der stark ansteigenden Nach­ frage nach Produkten aus Draht wurde ein Standort im Bereich des heutigen Schwarz- wald-Baar-Kreises als lohnenswerte Alterna­ tive zu den zumeist in den Schwerindustrie­ zentren des Ruhrgebietes und des Saarlandes drahtherstellenden Unternehmen angese­ hen. Zumal die in unserer Zeit selbstverständ­ liche Infrastruktur im Schwarzwald des ver­ gangenen Jahrhunderts noch in den Kinder­ schuhen steckte. Die Rohmaterialien mußten jedoch schon im vorigen Jahrhundert hauptsächlich aus den Industriezentren bezogen werden, da sich hier die Standorte der Hochöfen befan­ den. Dabei handelte es sich im vergangenen Jahrhundert um kleine Eisenbarren, die im firmeneigenen, 1838 errichteten, kleinen 90

Ursprünglich als Zulieferer der Uhrenin­ dustrie tätig, gesellten sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts auch Produkte für die Land-, Forst- und Bauwirtschaft hinzu, wie ver­ schiedenartige Ketten und Nägel für den damals noch vorherrschenden Holzbau. Um die Jahrhundertwende wurde das Fer­ tigungsprogramm erneut erweitert, dies be­ deutete einerseits die Produktion von Federn und Federdraht verschiedenster Güten, andererseits wurde damals auch der Grund­ stein für das heutige Produktionsprogramm gelegt: Die Herstellung von, für die damalige Zeit, besonders präzise gezogenen Ring- und Stangendrähten. Dies waren keine Endprodukte wie im frü­ heren Produktionsprogramm, sondern Vor­ produkte für die immer stärker expandie­ rende feinmechanische und die Drehteile­ industrie. Um nach dem 2. Weltkrieg in den darnie­ derliegenden Märkten besser Fuß fassen zu können und dabei ein gewisses Maß an Unabhängigkeit zu ermöglichen, wurde die Betriebsabteilung Drahtwarenfertigung ge­ gründet. Erste Schritte wurden mit Blumen- 91 Walzwerk zu Walzdraht verarbeitet wurden. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts wur­ den jedoch die Walzwerke im Ruhrgebiet immer weiter verbessert und ein kostengün­ stiger Bezug in großen Mengen war möglich. Die neugebaute Schwarzwaldbahn sorgte damals für den sicheren und kostengünsti­ gen Transport. Zwischenzeitlich kann das Unternehmen auf die 5. Generation im Familienbesitz zurückblicken. Nach dem ursprünglichen Gründer Valentin Kammerer ging das Unter­ nehmen an C. A. Grieshaber sen. und seine Brüder Adolf und Engelbert, daher der Na­ me Gebr. Grieshaber. Im Jahr 1903 wechselte die Unterneh­ mensführung zu C. A. Grieshaber jun. und Fritz Grieshaber. In den Kriegswirren des Jahres 1943 wurde Dipl. Kfm. Helmut Grieshaber zum Ge­ schäftsführer bestellt. Sein Sohn Jürgen übernahm im Jahre 1972 die Leitung des Un­ ternehmens. Seit dem !.Januar 1995 wurde Dipl. Kfm. Cornel Grieshaber als Vertreter der 5. Generation in das Amt des Geschäfts­ führers bestellt. Die Produktpalette des Familienunter­ nehmens variierte im Verlauf der Jahrzehnte viele Male, jedoch blieb das Unternehmen immer im Bereich der Metallverarbeitung.

töpfen, Teppichklopfern aus Draht und anderen Haushaltswaren gewagt. Später dehnte das Unternehmen die Pro­ duktion auf Drahtkörbe, Grill- und Kühl­ schrankroste und weitere Artikel für den Bürobedarf aus. Heute fertigt die seit 1978 selbständige Grieshaber GmbH in Mühl­ heim/Baden eine breite Palette von Produk­ ten im Bereich Postbearbeitung, EDV und Ladeneinrichtung, ergänzt durch vielfältige Vorprodukte für die Haushaltsgeräte- oder auch Automobilindustrie. Das Kriegsende war für die Inhaberfamilie wie auch die Mitarbeiter ein totaler Neuan­ fang. Zwar gab es im Bereich von Triberg nur wenige direkte Kriegsschäden, jedoch er­ folgte eine gezielte Demontage des Maschi­ nenparks durch die Besatzungsmacht Frank­ reich. Für das damalige Produktionsprogramm notwendige Maschinen wurden abgebaut und mittels der Schwarzwaldbahn in andere Regionen verbracht. In dieser Phase von knapp zwei Jahren war das Unternehmen auf die Kreativität des Geschäftsführers Helmut Grieshaber angewiesen, der es mit viel Ge­ schick verstand, die notwendigen Maschi­ nen und Materialien zu „organisieren“. Ein wichtiger Handelsfaktor war zu dieser 92 Zeit der noch vorhandene Bestand an Nä­ geln aus der Produktion vor dem Kriegsende. Wegen der großen Nachfrage nach Materi­ alien für den Wiederaufbau bildeten diese Nägel einen der Grundsteine für den raschen Wiederaufbau des Unternehmens. Im Stammproduktionsbereich wurde das Produktionsprogramm Mitte der SOer Jahre stark bereinigt, es erfolgte der endgültige Wandel zur reinen Blankstahlzieherei, dies bedeutet die ausschließliche Produktion von Gütern für die weiterverarbeitende Industrie. Eine Erweiterung fand unser Produktions­ programm durch die Ergänzung mit Han­ delswaren im Abmessungsbereich oberhalb des eigenen Abmessungsspektrums sowie im Handel mit nichtrostenden Stählen. Heute werden sogenannte Automatenstäh­ le in einem Abmessungsbereich von 0,5 mm bis zu 16 mm hergestellt. Es handelt sich dabei sowohl um Rundmaterialien als auch um Profilgüten, wie z.B. Vier- und Sechs­ kant. Toleranzhaltigkeiten bis in den Bereich von wenigen tausendstel Millimetern sind dabei selbstverständlich. Der Kundenkreis der Gebr. Grieshaber GmbH umfaßt heute, neben den Drehe­ reien, die unterschiedlichsten Abnehmer­ branchen. Beispielhaft erwähnt seien hier

die Automobil-, die Elektro- und die Be­ schlagindustrie, aber auch der Maschinen­ bau und die Spielzeugindustrie, hier insbe­ sondere die sich bei Söhnen und Vätern immer größerer Beliebtheit erfreuenden Spielzeugeisenbahnen. Jedoch finden sich Endprodukte aus unserem Vormaterial auch in High-Tech-Produkten wie Computerfest­ platten, in der Steuer- und Regeltechnik, in ABS-Systemen oder Herzschrittmachern. Dem Einsatzbereich von Produkten aus Blankstahl, den Drehteilen, sind fast keine Grenzen gesetzt, zumal es sich bei den Pro­ dukten um voll recyclingfähige Bauteile han­ delt. Ebenfalls grenzenlos, im Sinne des Wortes, ist der Kundenkreis des Unterneh­ mens. Waren zu Beginn des Jahrhunderts direkte Lieferungen ins Ausland eher die Ausnah­ me, so sind sie heute fester Bestandteil der Geschäftspolitik. Produkte der Gebr. Gries­ haber GmbH werden direkt oder über Korre­ spondenten in alle S Erdteile verkauft. Sie kommen immer dort zum Einsatz, wo hohe Präzision und engste Toleranzen gefordert werden. Der Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern kann über die Jahrzehnte ebenfalls als Spie­ gelbild der wirtschaftlichen Entwicklung an­ gesehen werden. So startete das Unternehmen bei seiner Gründung mit rund 25 Arbeitskräften, um die Jahrhundertwende waren es schon ca. 90 Mitarbeiter. Zusammen mit der jetzt selb­ ständigen Drahtwarenproduktion beschäf- tigte die Firma Grieshaber in den 60erJahren ca.140 Mitarbeiter. Heute liegt die Zahl der im Kernunternehmen tätigen Personen bei ca. 65. Sein Verantwortungsbewußtsein für die Mitarbeiter zeigte das Unternehmen durch zwei heute eher unübliche Strategien. So wurde 1910 ein Pensions- und Versorgungs­ werk gegründet, um pensionierten, verun­ glückten und erkrankten Mitarbeitern und deren Witwen bei sozialen Härten zu helfen. Dieses Pensionswerk ist bis zum heutigen Tage aktiv und betreut aktuell rund 110 Rent­ nerinnen, Rentner und Rentenanwärter. Eine weitere Säule der Mitarbeiterversor­ gung war der Werkswohnungsbau; so ver­ fügte das Unternehmen über bis zu knapp SO werkseigene bzw. angemietete Wohnungen für seine Mitarbeiter und Rentner. Heute hat sich die Anzahl auf rund 25 reduziert, da sich mit dem verbesserten Angebot auch auf dem freien Markt genügend Wohnungen fanden. Nach dem für die gesamte Wirtschaft in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg pro­ blematischen Jahr 1993 mit seinen starken Einschnitten sieht die Firma Gebr. Griesha­ ber GmbH optimistisch in die Zukunft. Für das Jahr 1995 wird mit einer mehrere Millio­ nen Mark teuren hochmodernen Beizanlage ein neuer Beweis dafür geliefert, daß ein Standort in der Region mit ihrem innovati­ ven Potential nach wie vor zukunftsträchtig ist. Cornel Grieshaber Ausbau und Jubiläum der Dögginger Lackfabrik Frei Über die Dögginger Lackfabrik Frei wurde zum ersten Mal im Almanach 79, Seiten 56-58, berichtet. Der Neubau eines zweistöckigen Pro­ duktionsgebäudes im J ahrel 994 sowie das 70jäh­ rige Firmenjubiläum am 15. September 1996 geben Veranlassung, erneut auf die Firma und ihre leitenden Herren einzugehen. Das Jubiläum der Dögginger Lackfabrik Frei wäre mit dem 70. Geburtstag des langjährigen Geschäftiführers Emil Frei zusammengefallen. Leider ist Herr Emil Frei am 24.juni 1995 über­ raschend verstorben. Die Auiführungen über ihn sind nunmehr auch ein Nachruf auf seine Ver­ dienste um die Firma. Im Februar 1992 gab der Ortschaftsrat Bräunlingen-Döggingen für den Ausbau der Lackfabrik grünes Licht. Geplant wurde ein 93

. neues zweistöckiges Produktionsgebäude von 84 m Länge und 30 m Breite, parallel zur jetzigen Jethalle. Ein Großteil der Produk­ tion wurde in das neue Areal verlegt, wo die baulichen Voraussetzungen nicht nur opti­ male Produktionsabläufe garantieren, son­ dern auch die vielen Auflagen des Personen­ und Umweltschutzes den neuesten techni­ schen Erkenntnissen entsprechend, realisiert wurden. Als markantes Datum geht der l.J uli 1992 in die Annalen der Firma Frei Lacke ein. Seit 1966, als anläßlich des 40jährigen Firmenju­ biläums der Senior Emil Frei seine Söhne Franz, Erwin und Emil Karl mit den Geschik­ ken der Firma betraute, verabschiedeten sich diese altershalber. 66jährig trat Emil Karl 1992 in den Ruhestand. Mit der Führung des Unternehmens wurde nun RudolfLuley als Ge­ schäftsführer verpflichtet. Franz, Erwin und Emil Karl bilden fortan mit zwei weiteren Herren den fünfköpfigen Beirat ihrer Firma . Die weltweite wirtschaftliche Rezession im letzten �artal 1992 verschonte auch die­ ses Unternehmen nicht. Durch das erwei­ terte Produktionsvolumen sollte einer Kom­ pensation des bis dahin dreiprozentigen Umsatzminus gegenüber dem Vorjahr und mit der Erschließung weiterer Märkte in den neuen Bundesländern und im Osten begeg­ net werden. Im Oktober 1993 verstarb RudolfLuley an den Folgen eines Fahrradunfalls. Dies be­ deutete ein tragisches Ende seiner Geschäfts­ führertätigkeit bei Frei Lacke. Durch Gesell­ schafterbeschluß wurde Emil Karl Frei wieder als Geschäftsführer bestellt und hat die von Luley vorgegebene Linie „Vision 2000″ wei­ tergeführt. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, mußten Kosten in der Produktion, Logistik, Verwaltung und Labor gesenkt werden. Die Grundlagen für das �alitätssiche- 94

rungssystem nach „ISO 9000″ zur Steige­ rung der Wettbewerbsfähigkeit und des Ver­ trauens gegenüber den Kunden wurden neu geschaffen. Im April 1994 konnte als Nachfolger von Herrn Luley ein neuer Geschäftsführer, Dr. Ing. Kurt Fahrbach, gewonnen werden. Emil Karl Frei arbeitete ihn in seine neue operative Tätigkeit ein. Zuerst sollte eine Kapazitätser­ weiterung durch die neue Produktionshalle, seit Herbst 1994 teilweise und im April 1995 vollständig, in den Produktionsprozeß inte­ griert werden. Produktionsreserven sind auch in einer effektiveren Nutzung des Maschinen­ parks und in einer räumlichen Erweiterung der Pulverlack-Produktionsstätte vorhanden. 95

Auf Zukunftssicherung ausgelegt ist auch die Aus-und Weiterbildung bei Frei Lacke, es wurden bei 330 Mitarbeitern 17 Jugendliche ausgebildet. Durch den Konjunktureinbruch bis weit über die Jahreshälfte 1994 konnte ein über­ durchschnittliches Plus von 3 0/o gegenüber dem Vorjahr erwirtschaftet werden. Emil Karl Frei konnte sich Anfang Sep­ tember 1994 wieder in den Ruhestand zu­ rückziehen. In Döggingen am 15.Januar 1926 geboren, besuchte er acht Jahre die Volksschule, an­ schließend zwei Jahre die höhere Handels­ schule. Siebzehnjährig wurde Herr Frei 1943 zum Kriegsdienst einberufen. Schwerverwundet im Einsatz an der Front mit anschließender Internierung, kehrte er 1945 wieder heim. Die dreijährige Berufsausbildung als In­ dustriekaufmann im väterlichen Betrieb schloß sich an, welche er mit erfolgreichem Abschluß beendete. Eine große Herausforderung stellte sich Emil Karl Frei, als er 1948 seine Tätigkeit im Außendienst des Unternehmens Frei auf­ nahm. Der alte Kundenstamm mußte be­ treut, neue Kunden gewonnen werden. Sein besonderes Interesse galt dem Vertrieb, der Organisation, ebenso dem Personalwesen. Emil Karl Frei hatte 1966 von seinem Vater, Emil Frei sen., dem Gründer der Fir­ ma, als persönlich haftender Gesellschafter die Geschäftsführung übernommen und das Unternehmen mit seinen Brüdern Franz und Erwin zu der heutigen Größe und Be­ deutung in der Lackbranche geführt. Die Fir­ ma erwirtschaftete Ende 1990/91 mit 330 Be­ schäftigten einen Jahresumsatz von mehr als 100 Mio. DM. In vielfacher Weise war der gelernte Indu­ striekaufmann auch ehrenamtlich tätig. Ne­ ben seiner mehr als 35jährigen Mitglied­ schaft in der Vertreterversammlung der AOK gehörte er seit 1973 der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Schwarz­ wald-Baar-Heuberg an, deren Vizepräsident er seit 1988 war. Emil Freit Lackfirma erhält Urkunde für die inter­ nationale Norm ISO 9001 Nach fast dreijähriger Vorbereitungszeit erhielt die Dögginger Lackfabrik Emil Frei, vertreten durch den Geschäftsfüh­ rer Kurt Fahrbach, am 9.Februar 1995 aus der Hand des TÜV-Südwest-Prüfers Christoph Grüner die Urkunde für die internationale DI N ISO 9001 überreicht. Die Firma Frei ist damit eine der ersten Lackfabriken in Süddeutschland, die die hohen Anforderungen der ISO-Norm dokumentiert bekamen. Fahrbach kün­ digte im Rahmen einer kleinen Betriebs­ feier auch an, daß inzwischen schon die Vorplanungen für das „Ökoaudit“ lau­ fen, mit dem die Firma dokumentieren will, daß der Betriebsablauf und die Pro­ dukte ökologisch einwandfrei sind. 96

Zum Handelsrichter an der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Konstanz wurde er 1972 berufen. Für die Branche enga­ gierte er sich schon lange im Lackverband. Er war über 20 Jahre lang Fachvorstandsmit­ glied der Fachgruppen Industrie- und Pulver­ lacke. Darüber hinaus war Emil Karl Frei viele Jahre in verschiedenen Gremien seiner Hei­ matgemeinde (Gemeinderat, 29 Jahre im Vorstand der Raiffeisenbank) und als Mit­ glied des Kreistages gewählt worden. Walter F. Bogotsch Bäurer Unternehmensberatung und Software GmbH in Behla Hersteller von Software zur Produktionsplanung und -Steuerung Fährt man von Donaueschingen in Rich­ tung Schaffhausen, so führt der Weg auch durch das kleine Örtchen Behla. Behla mit seinen knapp 440 Einwohnern macht einen eher ländlichen Eindruck. Um so erstaunter ist man, gleich am Ortseingang rechterhand die Firma Bäurer in ihrem modernen, 1991 erbauten, in weiß und blau gehaltenen Fir­ menhauptsitz zu sehen. Heinz Bäurer, der zusammen mit seiner Frau Christa die Geschäfte der Firma Bäurer leitet, hat 1980 die Chancen im Bereich In­ formationstechnologien erkannt und die Firma Bäurer gegründet. Ursprünglich mit 2 Mitarbeitern angefangen, entwickelte die kleine Behlaer Softwarefirma ihre Program­ me noch lange Zeit in den Räumen des Pri­ vathauses der Familie Bäurer. Anfängliche 97

Christa und Heinz Bäurer, Geschäftsleitung Aufgabenschwerpunkte waren im Bereich der EDV- Beratung sowie generelle Software­ projektarbeit. 1982 kam jedoch die Firma Bäurer in ein neues „Fahrwasser“, das die wei­ tere Entwicklung der Firma nachhaltig be­ einflussen sollte. Durch neu geknüpfte Kon­ takte mit der Firma Mannesmann-Kienzle bekam Bäurer erste Aufträge für Kunden­ anpassungen und Support der Kienzle-Pro­ gramme. Im Jahre 1988 initiierte Bäurer maßgeb­ lich die Umstellung von KIFOS auf das neu­ zeitliche Betriebssystem UNIX und die rela­ tionale Datenbank Informix und war bis zum Jahre 1993 in Zusammenarbeit mit Digital-Kienzle federführend in der KIFOS­ Entwicklung tätig. Anfang der 90er Jahre, mit damals ca. 45 Mitarbeitern, wurde schließlich der Neubau des Firmensitzes begonnen.1995, nur knapp 5 Jahre nach dem Bau des Gebäudes, zählt die Bäurer-Untemehmensgruppe bereits über 100 Mitarbeiter, so daß der Ausbau des Dachgeschosses notwendig wurde. Ein Er­ weiterungsbau scheint mittelfristig unum­ gänglich. Neben den stetigen Erfolgen und strategischen Weiterentwicklungen der Fir­ ma Bäurer gehörte jedoch, wie so oft im Leben, auch das besagte Quentchen Glück dazu, das die positive Entwicklung noch be­ schleunigte. Der rasante Mitarbeiterzuwachs 98 der Firma Bäurer in den letzten zwei Jahren liegt nämlich zum Teil in den großen Um­ strukturierungen begründet, die die Firma Digital Equipment, die Ende der 80er Jahre die Firma Kienzle aufgekauft hatte, im Jahre 1993 durchsetzte. Ein rigoroser Sparkurs wurde international angesagt und so be­ schloß die Digital Deutschland, sich künftig auf ihren strategischen Kernbereich, das Hardwaregeschäft, zu konzentrieren und die Betreuung der Software von qualifizierten Vertriebspartnern übernehmen zu lassen. Heinz Bäurer, der mit seinen Mitarbeitern bereits seit 1988 maßgeblich an der Entwick­ lung der Software KIFOS beteiligt war, er­ warb Anfang 1994 alle Rechte und Pflichten an dieser Produktionsplanungs- und -steue­ rungssoftware, die bei über 500 Firmen im deutschsprachigen Raum für die komplette Abwicklung ihrer Geschäftstätigkeit einge­ setzt wird. Seither ist die Firma Bäurer offi­ zieller Vertriebspartner der Digital Equip­ ment GmbH. Zugleich mit den Rechten für die Software übernahm Heinz Bäurer im Rahmen eines klassischen Management-Buy­ Outs von Digital-Kienzle auch die wichtig­ sten Know-How-Träger für den Bereich KIFOS. Zur besseren Aufteilung der Ge­ schäftsaktivitäten wurden die einzelnen Ge­ schäftsfelder auf fünfUnternehmen verteilt. Die Entwicklung der Software, die Anpas-

1989 wurde die Firma SHS Informations­ technik GmbH gekauft, die mit einem eige­ nen Softwarepaket und Beratungsdienstlei­ stungen den Themenbereich „vorbeugende Instandhaltung“ abdeckt. Die dritte Firma, die zur Bäurer-Gruppe gehört, ist die CCG „Cost Consulting Group“. Sie bietet neben betriebswirtschaft­ licher Beratung auch Know How im Umfeld der SAP-Beratung an. Unmittelbar nach Grenzöffnung zwischen der Bundesrepublik und der ehemaligen DDR, wurden auch für die Ostmärkte die Weichen gestellt. Heute sind 6 Mitarbeiter der Firma Bäurer Software GmbH in Dresden vorwiegend mit der Pro­ grammierung von individuellen Kundenan­ forderungen beschäftigt. sung der Programme an kundenspezifische Bedürfnisse und die Beratungsdienstleistun­ gen sind die strategischen Geschäftsfelder der Bäurer Unternehmensberatung und Soft­ ware GmbH. Sie stellt den eigentlichen Schwerpunkt der Bäurer Unternehmens­ gruppe dar und hat heute ca. 70 Mitarbeiter beschäftigt. Um strategische Ziele direkt am Markt durchsetzen zu können, wurde 1994 eine eigene Vertriebsfirma für die Bäurer-Gruppe, die Bäurer Systemhaus GmbH, gegründet, die 16 Mitarbeiter umfaßt. Dabei reicht das Produktspektrum von der Hard- über die Software bis hin zu Vernetzungen, techni­ scher Unterstützung und Beratungsdienst­ leistungen. Mit Niederlassungen in den Städten Hamburg, Bielefeld, Dortmund, Dresden, Ulm, Würzburg und München zeigt Bäurer heute in der ganzen Bundesre­ publik Präsenz. Die gute und schnelle Be­ treuung der Kunden steht für das Familien­ unternehmen noch immer an erster Stelle und dafür ist die weitere Ausdehnung der Niederlassungen ein wesentlicher Wettbe­ werbsfaktor. Schließlich muß sich Bäurer heute neben den ganz Großen der Software­ branche (wie z.B. SAP, die knapp 2000 Mit­ arbeiter in Deutschland haben) behaupten. Aber die Weichen für die Zukunft sind bereits gestellt. Möglichst vielseitige Einsatz- möglichkeiten und flexible Handhabung sind für die Kunden oberste Priorität im Soft­ warekauf. Bäurer hat sich daher bereits An­ fang 1994 entschieden, die komplette Soft­ ware mit Hilfe eines neuen Entwicklungs­ werkzeuges ,JAM“ noch flexibler für die Zu­ kunft zu gestalten. Die Umstellung des Pro­ gramms KIFOS auf JAM ist beinahe abge­ schlossen. JAM unterstützt dabei alle gängi­ gen Hardwareplattformen, Datenbanken und Benutzeroberflächen, so daß eine noch grö­ ßere Einsatzbasis für KIFOS in Zukunft neue Perspektiven eröffnet. Auch die Mehrspra­ chigkeit der Software soll schon bald reali­ siert werden, so daß sie außerhalb des deutsch­ sprachigen Raumes verkauft und eingesetzt werden kann. Große Pläne also für die wei­ tere Verbreitung des Programms KIFOS: Auch der Bereich Dienstleistungen wird noch weiter ausgebaut. Neben der bislang schwerpunktmäßig durchgeführten PPS­ Beratung erweitert sich Bäurer jetzt auch den Schritt in die betriebswirtschaftliche Bera­ tung. Themen wie Rechnungswesen oder Re-Engineering, also Beratung zur radikalen Neustrukturierung ganzer Unternehmens­ prozesse sind für seine Mitarbeiter schon lange kein Neuland mehr. Besonders erwei­ tert wurde auch der Bereich Schulungen. Rund 500 Firmen, die die Software KIFOS im Einsatz haben, haben eben auch einen großen Schulungsbedarf. So beheimatet das kleine Örtchen Behla jede Woche Mitarbei­ ter von Firmen aus der gesamten Bundesre­ publik. Wen wundert es daher, daß erst vor kurzem wieder neue Schulungsräume im Bäurer-Gebäude eingerichtet wurden. Ob solch einer Fülle von Aufgabenberei­ chen und eines so großen Kundenpotentials scheint die Zukunft der Firma Bäurer schon gesichert. Fest steht jedenfalls, daß die ra­ sante Weiterentwicklung im Bereich Infor­ mationstechnologien und die breite Kun­ denbasis im deutschsprachigen Raum gute Aussichten für die weitere Verbreitung von Software aus dem kleinen Örtchen Behla eröffnen. Susanne Wack 99

Firma ELVEDI GmbH in Blumberg-Riedöschingen Eine Schweizer Niederlassung in Blumberg erfolgreich Waren Sie schon einmal in Graubünden? Es gehört sicher zu den schönsten und auf­ regendsten Gegenden Europas. Klare Seen, tiefe Schluchten, hohe Berge. Aus dieser Gegend stammt ursprünglich der Name ELVEDI. Walter A. Elvedi nahm 1984 die Entwicklung seines Unternehmens in Angriff Heute gehört die ELVEDI-Grup­ pe zu den international anerkannten Lager­ logistik-Spezialisten, und der Name ELVEDI ist zu einem geschätzten Markensymbol für zuverlässige und wirtschaftliche Lager- und Regaltechnik geworden. Als Walter A. Elvedi vor zehn Jahren in Dübendorf bei Zürich (Schweiz) die ELVEDI AG zum Leben erweckte, bestand für den dynamischen Geschäftsmann ein klares Ziel: Entwicklung und Herstellung von Lager- und Regalsystemen – speziell für die Langgut- und Schwerlastlagerung. Stan­ dardlösungen aber standen trotz ausgefeilter Systemtechnik nie im Vordergrund. Kun­ denwünsche erfassen und diese dann tech­ nisch wie wirtschaftlich von der Planung bis zur Inbetriebnahme für den Betreiber zu der bestmöglichen Lösung umzusetzen, ist ein Grundsatz des Unternehmers. Diese bis heu­ te von allen Mitarbeitern übernommene 100 und gelebte Unternehmensdevise ist sicher ein wesentliches Motiv für das ungewöhn­ lich schnelle Wachstum der ELVEDI-Grup­ pe im wettbewerbsharten Umfeld der Lager­ technik-Hersteller. In vielen Ländern Europas wie Deutsch­ land, Frankreich, Österreich, Belgien, Hol­ land, Großbritannien, Dänemark, Norwe­ gen wie auch im vorderen Orient stießen die Erzeugnisse auf so großes Interesse, daß man umgehend mit dem Aufbau einer leistungs­ starken Fertigung und internationalen Ver­ triebsorganisation begann. Zunächst richtete W A. Elvedi eine auf hohem �alitätsniveau arbeitende Produk­ tion durch Vergabe von Lizenzen an die ita­ lienische Firma „M.C.T. spa“ in Bergamo em. Blumberg wird Produktionsstandort Die Gelegenheit, in Deutschland nicht nur eine Vertriebsniederlassung zu führen, sondern die Kundennähe durch einen weite­ ren Fertigungsbetrieb zu verstärken, reali­ sierte das erst vier Jahre junge Unternehmen durch einen Betriebserwerb in Blumberg­ Riedöschingen. Die Nähe zur Schweizer Grenze war dabei natürlich mit ein Grund

für die Standortwahl, aber vor allem auch die positive Unterstützung und Aufnahme durch die Stadt Blumberg. Auf einer Ge­ samtfläche von 11000 Quadratmeter wurden zu Beginn nebst bestehendem Verwaltungs­ gebäude mit Lagerhalle, eine neue Lager­ und eine Produktionshalle erstellt. Heute ist die Niederlassung in Blumberg eines der Nervenzentren der international tätigen ELVEDI-Gruppe. In diesem Betrieb installierte der Firmen­ inhaber eine auf modernste Technologien ausgerichtete Fertigung, in der auch Umwelt­ schutz und ressourcensparende Aspekte einen sehr hohen Stellenwert erhalten. So hat man unter anderem in eine vollautomati­ sche Pulverbeschichtungsanlage investiert, mit der weit unter den gesetzlichen �mmissi­ onswerten für Luft und Abwasser alle Regal­ komponenten umweltschonend und nach Kundenwünschen farblich beschichtet wer­ den. EU = Elvedis Unternehmungen … Die Betriebe in Italien und Deutschland aber sind noch nicht das Ende des unterneh­ merischen Wachstums. Zahlreiche Bera­ tungs- und Verkaufsbüros in verschiedenen europäischen Ländern wurden errichtet und speziell in Frankreich die Aktivitäten intensi­ viert.1989 erwarb W. A.Elvedi eine federfüh­ rende Beteiligung an der in der französischen Lagerbranche bekannten „Arvas Equipment SA“ in Rouen. Gleichzeitig wurde das Unter­ nehmen in ELVEDI France SA umbenannt. Diesem Schritt folgten die Gründung einer Verkaufsniederlassung in Paris sowie 1993 die Übernahme der französischen Firma „SUPERACK“, die ebenfalls im Bereich der Lagertechnik tätig ist und sich auf die Her­ stellung von hochwertigen Palettenregalen spezialisiert hat. Durch diesen Firmenkauf konnte die ELVEDI-Gruppe nun ihr eigenes Palettenregal-System im Verkaufsprogramm führen. Gleichzeitig mit dem Einstieg in Zusammenarbeit über die Grenze mit dem Kanton Schaflhausen Der Schwarzwald-Baar-Kreis grenzt im Süden auf einer Länge von 18 Kilometern an den Kan­ ton Schaffhausen. Trotz klarer raumordneri­ scher Zielsetzungen ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in unserem Raum noch we­ nig ausgeprägt. So wurde beispielsweise schon 1983 im Landesentwicklungsplan Baden­ Württemberg eine Entwicklungsachse Donau­ eschingen – Blumberg – Schaffhausen ausge­ wiesen. Die hier vorhandenen Entwicklungs­ potentiale sind bei weitem noch nicht ausge­ schöpft, vielmehr besteht auf beiden Seiten ein großer Nachholbedarf. Mit Hilfe einer Studie sollen zunächst die ge­ meinsamen grenzüberschreitenden Entwick­ lungsmöglichkeiten im Raum Blumberg – Schaffhausen aufgezeigt werden. Anknüp­ fungspunkte ergeben sich etwa in den Bereichen Wohnen, Arbeiten, Verkehr, Energie, Freizeit oder Naherholung. Im Vordergrund stehen da- bei die Förderung des grenzüberschreitenden Leistungsaustausches und die Nutzung der grenzlandspezifischen Entwicklungschancen. Dies stellt auch einen Beitrag zur Auiformung der Entwicklungsachse Donaueschingen – Blumberg – Schaffhausen und deren Vernet­ zung mit dem schweizerischen Entwicklungs­ konzept dar. Zur Verwirklichung des Projekts hat die Euro­ päische Union im Rahmen ihrer Gemein­ schaftsinitiative lnterreg II Fördermittel bereit­ gestellt. Daneben beteiligen sich die Stadt Blum­ berg, der Schwarzwald-Baar-Kreis, der Regio­ nalverband Schwarzwald-Baar-Heuberg und das Land Baden-Württemberg sowie der Kan­ ton Schaffhausen an den Kosten der Studie. Nach Vorliegen der Studie wird es daraef an­ kommen, einzelne in Frage kommende Projekte in praktische Politik umzusetzen. Michael Leiße 10 1

Frankreich erfolgte die Gründung der Ver­ kaufsniederlassung in Graz/Österreich. Zusammenarbeit gezielt gesucht Vom kleinen Ein-Mann-Betrieb ist die ELVEDI-Gruppe mittlerweile auf rund 80 Mitarbeiter angewachsen und das Ferti­ gungs- und Vertriebsprogramm kompletter geworden. Heute werden Kragarm-, Palet­ ten-, Durchlauf-, Ein- und Durchfahrregale, Fachboden-, Archiv- und mobile Regale sowie Lagerbühnen, Spezialkonstruktionen und lagertechnisches Zubehör für praktisch alle Aufgaben und Anforderungen der Lager­ und Materialflußtechnik gefertigt. Die ELVEDI-Gruppe setzt sich aus einem Team von Fachleuten mit umfassenden, langjährigen Erfahrungen zusammen. Für die Mitarbeiter ist nach wie vor jedes Projekt, unabhängig von Größe und Komplexität, ein individuelles, denn die Bedürfnisse des Kunden werden noch stets in den Vorder- grund gestellt. Das nunmehr vervollstän­ digte Angebotspotential, gepaart mit engster Kundenzusammenarbeit in der Erarbeitung von Problemlösungen, erzeugt größte Effi­ zienz in Planung und Realisierung. Unver­ bindlich bietet deshalb das Team seine Hilfe in der Lösungssuche an. Ein Service, der das ELVEDI-Unternehmen europaweit zu ei­ nem verläßlichen Partner in Planung und Errichtung von Lagerlösungen gemacht hat. Und das wissen die Kunden zu schätzen. Funktionell richtig dimensioniert Die Palette der realisierten Projekte um­ faßt Bände. Und jedes dieser Projekte verfügt immer wieder über eine ganz bestimmte In­ dividualität, die nicht zuletzt das Salz in der Suppe ist. Es wurde zum Beispiel ein 13 Meter hoher Lagerhallenneubau in einem Schweizer Unternehmen errichtet, bei dem das Betondach direkt auf der Regalständer­ Konstruktion aufgesetzt wurde. Eine Beson- Kragarmregalefür übersichtliche Holzlagerung 102

Basis für die Zukunft Bisher nur angesprochen, nicht aber näher spezifiziert, wurde die �alität der ELVEDI-Produkte und deren Erzeugung. �alität wird durch die Mitarbeiter und den eingesetzten Mittel geprägt. Modeme Tech­ nologien sind für hohe �alitätsansprüche unabdingbar. Vernetzte inner- und außerbe­ triebliche elektronische Datenverarbeitung, zu der als Anlagenfabrikant natürlich ein effizientes CAD-System gehört, bilden die Basis. ISO 9000, die höchste zertifizierte �alitätssicherung in Industrieunterneh­ men ist für das Stammhaus und andere Nie­ derl;ssungen bereits eingeleitet. Die Ferti­ gung der Palettenregale und Applikationen davon erfolgen bereits heute in einem IS0- 9000-zertifizierten Betrieb. Dieses Zertifikat ist auch für Neukunden von vornherein ein sichtbares Merkmal der guten ELVEDI-�a­ lität. Die ELVEDI-Gruppe hat sich trotz schwieriger Marktsituation in der jüngsten Vergangenheit behauptet und ist für die Zu­ kunft gut gerüstet, weil ihr Gründer von An­ fang an konsequent auf hohe �alität, Kun­ denbedürfnisse und -forderungen sowie auf Europa als Markt gesetzt hat. Georges Lüscher SO Jahre TRW Werk Blumberg Am 8.juli 1995 wurde mit einem Festakt und einem Tag der o.ffenen Tür das 50jährige Bestehen des Hauses TR W Blumberg be­ gangen. Als Hersteller von Motorenventilen – inzwischen ist die Gesamtmenge aller herge­ stellten Ventile auf über 560 Millionen Stück angewachsen – ist das Werk ein bedeutender Zweig der Zulieferindustrie im Automobil­ bereich. Im Schwarzwald-Baar-Kreis ist die Firma einer der größten Arbeitgeber. Geschiiftsleitung und Belegschaft duiften aus Anlaß des Jubiläums herzlichen Dank und hohe Anerkennung entgegennehmen. 103 Palettenregal zur Lagerung von Chemikalien derheit, die keineswegs mit jeder Lagertech­ nik verwirklicht werden kann. Schlank, stabil, last-und funktionsgerecht lautet die Thematik, mit der sich die Regal­ bauer von ELVEDI beschäftigen. Sie legen alle Regale ressourcenbewußt und nach den statischen Anforderungen aus. Im Laufe der Zeit sind dazu neue Fertigungstechnologien entwickelt worden, die die Zielsetzung kon­ sequent erfüllen. Es darf nicht vergessen werden, daß alle ELVEDI-Regalsysteme ein Höchstmaß an Flexibilität bieten. Ein raffinerter Lochraster ermöglicht jederzeit die rasche Regalfachein­ richtung durch einfaches Versetzen der Trä­ gerelemente. Wird noch mehr Lagerflexibili­ tät verlangt, ist auch dies mit der ELVEDI­ Technik problemlos zu realisieren. Fertigung und Montage der Regalelemente sind teil­ weise sogar patentrechtlich geschützt.

Villinger Kutmühle Unter den „besten Bäckern“ Deutschlands Im Januar 1995 ging die Meldung durch die Presse, daß die Villinger Kutmühle wegen ihres schmackhaften Brotes von der Fachzeitschrift ,,Der Feinschmecker“ in die Liste der besten Bäk­ ker Deutschlands aufgenommen worden ist. Die Redaktion des Almanach bat den Autor des im Almanach 85, Seite 70-73, erschienenen Beitra­ ges über die Kutmühle, die A uszeichmmg im Zusammenhang mit der neueren Entwicklung der Kutmühle für unsere Leserinnen und Leser festzuhalten. „Vom Korn zum Brot“, diese Philosophie des Müllers und Bäckers Berthold Riegger umschließt zum einen den Alltag in einer der ältesten Mühlen der Stadt, zum anderen auch die Geschichte dieses Unternehmens. Am Anfang, und der liegt bei dieser Mühle im geschichtlichen Dunkel, gab es nur das Korn. Die Zähringerstadt Villingen ist seit Jahrhunderten der Kristallisationspunkt ur­ banen Lebens am Rande der Baar und war auf die Mühlen in ihrem Bannkreis ebenso angewiesen wie die Mühlen auf den Schutz der befestigten Stadt. Aus dem Dunkel der Geschichte taucht die „Eschinger Mühle“, wie die Kutmühle einst hieß, durch eine Urkunde aus dem Jahr 1438 auf. Zu Maria Lichtmeß jenes Jahres überschreibt die Kon­ ventualin Lucia Tanhaimerin die Mühle den Clarissen des Benediktinerklosters in Villin­ gen. In großen Zeitabständen erhellt die Müh­ le an der unteren Brigach den Horizont der Heimatgeschichte. Meist waren es Brände, die wie Schlaglichter aufleuchteten. So im Jahr1539, bei der Belagerung der Stadt durch die Württemberger und dann noch einmal sechzigJahre später. Ihren heutigen Namen erhielt die Mühle 1849, als Anton Kuth das Anwesen kaufte. Schon vier Jahre später er­ warb der Ochsenwirt Xaver Riegger die Mühle, die seither im Besitz der Familie blieb. 104 „ Vom Korn zum Brot‘: das ist die Philosophie des Kutmüllers Berthold Riegger, der zugleich auch Bäckermeister ist. Seit Generationen wird in die­ ser Villinger Mühle auch gebacken. Den ersten Schritt auf dem Weg vom Korn zum Brot verdankt die Mühle den Backkünsten einer Müllerin in den zwanzi­ ger Jahren dieses Jahrhunderts. Sie verteilte nämlich an die eislaufende Jugend aus der Stadt Brotscheiben, die so gut schmeckten, daß alsbald eine Nachfrage nach diesem köstlichen Brot entstand. Hinzu kam eine Entwicklung, die den da­ maligen kleinen Mühlen betrieben schwer zu schaffen machte. Sie bekamen Konkurrenz durch Großmühlen. So war auch der dama­ lige Müller gezwungen, für die Kutmühle neue Wege zu suchen. Da wies das schon damals geschätzte Brot aus der Mühle den Weg. Selbstvermarktung ist also keine Erfin­ dung unserer Zeit, denn der Müller Riegger entschloß sich, nun auch Bäcker zu werden und sein eigenes Mehl auf diese Weise zu ver-

längst ist der holzbeheizte Backefen in der Kut­ mühle durch moderne Einrichtungen abgelöst worden. Doch geblieben ist die handwerkliche Sorgfalt, mit der hier das tägliche Brot gebacken wird. Ein breites Sortiment bietet die Kutmühle ihrer Kundschaft. Das reicht vom Mehl über Korn und Müsli bis hin zum Brot, das in einer Vielzahl von Sorten täglich frisch in die Filialen kommt. 105

kaufen. In einem Anbau entstand ein holz­ beheizter Ofen und damit war der geschicht­ liche Schritt vom Korn zum Brot vollzogen. Die folgenden Generationen gingen die­ sen Weg weiter und aus der Mühle mit dem einen Backofen wurde die wohl größte Bäk­ kerei in der Region. Zur Zeit gibt es allein im Oberzentrum vier Kutmühle-Verkaufsstel­ len und vier weitere im Kreisgebiet. Bekannt und geschätzt ist das Brot aus der Villinger Mühle auch in Trossingen und Rottweil. Das Unternehmen beschäftigt sechzig Mitarbei­ ter und sie halten ebenso treu zu ihrer Mühle wie die zahlreichen Kunden, die oft schon seit Jahrzehnten ihr tägliches Brot beim ,,Kutmühle-Beck“ kaufen. Aus berufenem Munde wurde der Kut­ mühle erst kürzlich bestätigt, daß ihr Brot zu den schmackhaftesten in ganz Deutschland zählt. Eine Feinschmeckerzeitung ent­ schied, daß die Villinger Bäckerei auf einer Liste der 21 besten Bäckereien ihren wohlver­ dienten Platz hat. Zu dieser Qualität des Bro­ tes und der anderen Backwaren kommt bei der Kutmühle eine breite Vielfalt an Sorten. Bis zu Beginn der fünfziger Jahre wurde nur Brot gebacken und das höchstens in fünf ver­ schiedenen Varianten. Mittlerweile liegen über ein Dutzend verschiedener Brotlaibe in den Regalen und dazu kommen noch viele Sorten von Brötchen und einfachem Hefe­ gebäck. Für Berthold Riegger hat dieser Erfolg, auf den er zurecht stolz ist, viele Gründe. Da ist einmal die Nähe zum Kunden und damit die enge Verbundenheit mit dem Verbraucher. Die Bäckerei kann so auf Wünsche und Ge­ schmacksrichtungen reagieren. So wurde speziell für die Kundschaft in Trossingen kürzlich ein Vollkorntoast neu in das Sorti­ ment aufgenommen. Zum Bereich Kunden­ nähe gehört auch die enge Bindung zu den Mitarbeitern, die sich mit ihrem Betrieb identifizieren. Hier ist in guter Handwerks­ tradition nicht nur soziale Verantwortung, sondern auch ein partnerschaftliches Ver­ hältnis zwischen dem Chef und seinen Angestellten entstanden. Die Qualitätskon- 106 trolle für das, was täglich über den Laden­ tisch geht, geschieht nach Schwarzwälder Art beim Vespern in der Mühle. Dabei wird das eigene Brot von Berthold Riegger und seinen Mitarbeitern kritisch geprüft und, so der Inhaber, ,,wenn es uns schmeckt, dann sind sicher auch die Kunden zufrieden.“ Natürlich haben sich Bäckerei und Mühle im Zuge der Jahrzehnte gewandelt. Obwohl die Brigach noch das alte Wasserrad treibt, gibt es längst elektrische Motoren, um Mahl­ werk und Maschinen in Gang zu halten. Die körperlich schwere Arbeit der Bäcker und Müller haben Maschinen übernommen. Doch Berthold Riegger hat auch zu dem Be­ reich Modernisierung seine eigenen Vorstel­ lungen. Die Technik, so seine Devise, muß der handwerklichen Fertigung angepaßt sein, denn ein Teig, so der erfahrene Bäcker­ und Müllermeister, muß langsam geknetet werden, damit der Verbraucher im täglichen Brot das Korn der Heimat noch schmecken kann. So ist der Grund für den Erfolg dieses Unternehmens sicher nicht ein geheimes Backrezept, sondern die Unternehmensphi­ losophie, die zwar unserer Zeit angepaßt ist, ihre Wurzeln aber in der bäuerlich-boden­ ständigen Vergangenheit und in handwerk­ licher Tradition hat. Klaus-Peter Friese Sehunke-Ab fäll Zorn Metzger Johann kunnt en halbgroße [Bua Uhni Schtrümpf un uhni Schuah: „Ich han wieder welle e Pfund Sehunke-Abfall für de Hund. Sie sotte aber nit so fais si, gell, gisch acht, Waisch, di letschte hen im Vadder schlecht (gmacht.“ Bertin Nitz

In Triberg noch eine einzige Bäckerei Gremmelsbacher Bäckermeister Christian Weisser Wer hätte das vor einem halben Jahrhun­ dert für möglich gehalten, daß in der Stadt Triberg heute noch eine einzige Bäckerei betrieben wird – und dies auf der „Ecke“ in Gremmelsbach, an der Grenze zu Langen­ schiltach – im übrigen das Brot von auswärts herangefahren werden muß. Bäckermeister Christian Weisser, der „Eckebeck“, führt den Betrieb, den sein Vater Johannes mit seiner Ehefrau Karolina und seiner Schwester Salomea (dem „Sali“) 1902 begründete, mit unwandelbarer Treue bis zum heutigen Tag weiter. Ein Teil leben­ diger Ortsgeschichte! Wie war doch damals das Leben hart! Jeder Arbeitsschritt war zunächst in Handarbeit auszuführen, wobei Johannes Weisser mit einer schweren Behin­ derung an einer Hand aus dem Ersten Welt­ krieg zurückkehrte, ein Fuhrwerk hatte er nicht, das Brot mußte er in der Krätze zu den Kunden tragen. Und außerdem gab es in Gremmelsbach noch die Bäckerei Furtwäng­ ler, zu der er in Konkurrenz trat. Erst 1930 kam elektrischer Strom ins Haus, ein Benzin­ motor neben der Backstube trieb mit dem Transmissionsriemen die Teigmaschine an. War die Arbeit in der Backstube bei Nacht schon hart genug, so war es das Ausfahren, wetter- und wegebedingt, nicht minder. Auf ein Bernerwägele wurden die Brotlaibe gela­ den, Stollen wurden erst nach 1945 gebak­ ken. An drei Pferde, die jahrzehntelang die Last zogen, erinnert sich Christian Weisser bis heute: Fritz, der auf einem Auge blind war, Peter, der altersschwach an einem Herz­ schlag auf dem Heimweg zwischen Täler­ bauer und Bopper starb, und die feurige Fanni. Dreimal wöchentlich wurde die Tour gefahren. Einmal durch den Leutschenbach bis zur Dorfmitte und zurück, zweimal 107

durch Gremmelsbach, zur Bundesstraße, zur Steinbissäge, und über Nußbach, Bopper und Staude wieder nach Hause. Das Gefährt gehörte ganz selbstverständlich zum Stra­ ßenbild im Dorf. Christian Weisser kann Dramatisches erzählen. Im Winter mußte auf der Höhe erst der Weg freigeschaufelt werden, einmal benötigte man 14 Mann dazu, und auf der Bundesstraße beim „Römi­ schen Kaiser“ in Nußbach mußte das Brot vom Wagen auf den Schlitten umgeladen werden. Menschen und Tieren wurde die äußerste Kraftanstrengung abgefordert, des­ halb auch die ausdrückliche Erwähnung der Pferde. Es wurde immer darauf geachtet, daß wegen der Witterungsverhältnisse jeweils ein Vorrat an Mehl für ein Viertel bis ein halbes Jahr im Haus war. Schlimme Erinnerungen hat Christian Weisser an die Kriegszeit. Das Aufkleben der „Reichsbrotmarken“ war eine stundenlange Arbeit, als Klebstoff fand man, da es dafür keinen gab, schließlich „Eiwohl“, eigentlich 108 zum Einlegen der Eier hergestellt, als geeig­ net heraus. Nach den abgelieferten Marken wurde das neue Quantum Mehl berechnet. Dieses mußte von Hornberg herauftranspor­ tiert werden, und nachdem die Stadt bom­ bardiert worden war, befanden sich im Mehl Metallsplitter, so daß es gesiebt werden mußte. An Austausch war nicht zu denken. Beim Umsturz lagerten in der Bäckerei Weis­ ser 500 Zentner Mehl; aus Sorge darüber, es könnte gestohlen oder von der Besatzungs­ macht beschlagnahmt werden, wurde es an die Kunden verteilt und pfundweise für Brot wieder zurückgenommen. Neben aller Ar­ beit tat Familie Weisser immer auch allen, die es wünschten, den Gefallen, auf der war­ men Decke des Backofens Obst zu dörren, geschnitzte Äpfel und Birnen, sie brauchten eine Woche, ganze Zwetschgen gar zwei Wochen. Während es im Krieg nur Schwarz­ brot gab, begann der „Eckebeck“ bald nach 1945 mit Feinbackwaren, Lebkuchen gehör­ ten zu den ersten, Torten kamen hinzu, eine

besondere Spezialität ist die „Schwarzwälder Kirschtorte“, die eine Entwicklung von der Creme zur Sahne genommen hat. Auch Lau­ genbrezeln wird er in Bälde wieder anbieten. Der Radius seiner Kundschaft hat sich buch­ stäblich erweitert. Christian Weisser verkauft Backwaren auch in Triberg bis zur Oberstadt. Doch die Nachtarbeit ist geblieben, zweimal in der Woche beginnt sie um 1 Uhr und dau­ ert bis 8.30 Uhr in der Frühe. Die Technisierung hielt auch bei Chri­ stian Weisser Einzug. 1957 übernahm er, zwei Jahre nachdem er in Konstanz die Mei­ sterprüfung abgelegt hatte und ein Jahr nach dem Tod seines Vaters, den Betrieb. Er brach­ te das Brot mit einem Eicher-Traktor zur Kundschaft, später mit einem Unimog, heu­ te ist es ein VW-Bus. In jungen Jahren schaff­ te er mit dem Motorrad frühmorgens die Brötchen in einer Krätze in die Gasthäuser ,,Staude“, ,,Rößle“ und „Pflug“. Nicht genug: Christian Weisser fuhr auch zehn Jahre lang die Milch von den Bauern­ höfen zur Sammelstelle, und volle 30 Jahre bahnte er (1963-1993) einen Teil von Ge­ meindeverbindungsstraßen und Hofzufahr­ ten in Gremmelsbach bis in die äußersten Zinken. Selbstverständlich hat er auch innerbe­ trieblich investiert. Er hat eine Knetma­ schine für den Brot-, Mürb-, Süß- und Hefe­ teig, eine Rührmaschine für Tortenböden, eine Teigteilmaschine für die Brötchen und eine Rollfix für Stollen, Blätterteig und Hefe­ teig. In Ehefrau Friedhilde hat Christian eine Helferin von unverbrüchlicher Treue; die Freude beider ist, erleben zu dürfen, daß ihr Sohn Willi, nachdem er die Meisterprüfung abgelegt hatte, das Bäckergewerbe nunmehr in der dritten Generation fortführen will. Auch er wird – ein Glück für Triberg, Grem­ melsbach und Nußbach – wie Vater und Großvater den Kunden das tägliche Brot ins Haus bringen, er wird mit der gleichen Regel­ mäßigkeit wie sie für viele einen weiten Weg auf sich nehmen, die Familientradition fort­ führen und so die Menschen mit dem trotz aller Veränderungen und Verfeinerungen in den Essensgewohnheiten wichtigsten Grund­ nahrungsmittel versorgen. Nach vierzigjähriger Tatigkeit als Bäcker­ meister erhielt Christian Weisser im Früh­ jahr 1995 aus der Hand von Kammerpräsi­ dent Bernhard Hoch den Goldenen Meister­ brief. Die Auszeichnung der Handwerks­ kammer Konstanz wurde ihm bei der In­ nungsversammlung m VS-Villingen über­ reicht. Karl Volk Der grimmige Gremmelsbach/Untertal Helmut Groß 109

Wirtschaftsgeschichte Von 1934 bis 1942 Doggererzabbau in Blumberg Für das ehemalige 700 Einwohner zäh­ lende Dorf Blumberg auf der Baar war der Frieden bereits dahin, ehe die Nazis Europa in den Zweiten Weltkrieg stürzten. Das war im Jahre 1934. Ein Jahr zuvor hatten die Nazis in Deutschland die Macht ergriffen. Blumberg gehörte zu den ersten Opfern des Regimes. Jahrhunderte hatte die Gemeinde in einer heilen Welt gelebt. Allerdings auf einem Pulverfaß. Denn unter der Erdober­ fläche des weit verzweigten Gemeindege­ biets ruhten hunderte Millionen Tonnen Eisenerz. Das Wissen darüber stammte aus dem 16.Jahrhundert. Graf Friedrich zu Für­ stenberg ließ Mitte des Jahrhunderts das erste Erz abbauen. Nach dem 30jährigen Krieg hatte der damalige Landesherr Graf Franz Christoph von Fürstenberg in dem Bestreben, dem verarmten Land eine neue Erwerbsquelle zu erschließen, 1663 das erste Blumberger Hüttenwerk zur Erzgewinnung errichten lassen. Es förderte 2600 Tonnen Eisenerz. Indessen, die Kosten waren hoch, die Rentabilität mager und so wurde das Pro­ jekt wieder aufgegeben. Das war um die Wende des 17./18.Jahrhunderts. Die Betriebs­ gebäude wurden abgebrochen, die Hütten­ arbeiter verschwanden wieder. Blumberg sank in die friedliche Stille eines kleinen Pfarrortes zurück. Bis das Schicksal erneut an seine Pforten klopfte. Es war vor über 60 Jahren. Im Früh­ jahr des Jahres 1934 erschien der Saar-Indu­ strielle Kommerzienrat Dr. Hermann Röch­ ling in Blumberg, der im Auftrag der natio­ nalsozialistischen Reichsregierung die Ma­ schinerie des Erzabbaus im Blumberger Revier erneut in Gang setzte. Die Eisenerz­ vorkommen sollten im Zuge der Autarkiebe­ strebungen des Deutschen Reiches erschlos- 110 Er brachte den Erzabbau in Blumberg 1934 in Gang: Kommerzienrat Dr. Hermann Röchling, gestorben 1955. sen werden und damit der Saarhütten-Indu­ strie die Basis wieder geben, die sie durch den Verlust der lothringischen Minette einge­ büßt hatte. Unverzüglich wurde am Stoberg, Eichberg, Ristelberg und Lindenbühl mit Probeschürfungen in Form von vier Meter tiefen Gruben begonnen. Die Schürfko­ l01111e unter ihrem Vorarbeiter Otto Cosal­ ter, aus bäuerlicher Familie stammend, för­ derte Ende des Jahres 1934 am Stoberg täg-

Erstes Schürfkommando unter Otto Cosalter (Bildmitte} 1934 am Stoberg lieh zwei bis drei Waggons Eisenerz, die nach Völklingen/Saar geschickt wurden, wo die Techniker nach den wirtschaftlichsten Auf­ bereitungsmethoden forschten. Sie kamen zu dem Ergebnis, ,,daß wir die Erze an Ort und Stelle rösten und die dadurch um 20 Prozent ihres an sich geringen Eisengehalts anreichern und transportfähig machen müs­ sen. Die Verarbeitung müßte sich dann im einzelnen je nach den Einrichtungen der ein­ zelnen Werke vollziehen.“ So Kommerzien­ rat Dr. Hermann Röchling. Als erster Be­ triebsfuhrer kam 1934 der Steiger Karl Brei­ ing als erster Bergwerksinspektor nach Blum­ berg mit dem Markscheider Saßning im Gefolge, der die Erzlager kartierte. Blumbergs Bürgermeister T heo Schmid, ein Randener Bauern- und Handwerker­ sohn, der sich schon in jungen Jahren in der Welt umgesehen und es zum Architekten in staatlichen Diensten gebracht hatte, ehe ihn die Blumberger 1928 aufs Gemeindeamt beriefen, ahnte, was dies alles für Blumberg bedeuten und daß es mit der friedlichen Ländlichkeit fortan vorbei sein würde. Pflichtschuldigst hatte er die Reichsregie­ rung ja auf die reichen Erzvorkommen auf­ merksam machen müssen. Im Sommer 1935 erschien der Gauleiter Robert Wagner auf der Bildfläche und befahl, daß Blumberg Bergarbeiterstadt werden soll, während die Nachbardörfer in ihrer ländlichen Struktur zu erhalten sind. Nazigrößen wie auch der Reichsorganisationsleiter Dr. Robert Ley tauchten in der Folgezeit wiederholt in Blumberg auf. Dem Bürgermeister, der gleichzeitig auch Ortsgruppenleiter war, sei­ nen engen Mitarbeitern, Ratschreiber Max Schlenk und Gemeinderechner Karl Müller, und den Räten wurde eine gewaltige Bürde 111

…. I Bürgermeister in schweren Zeiten von 1928 bis 1945: Theo Schmid am Reißbrett in seinem Büro. Bäckermeister En“ch Knöpfte, erster gewählter Nachkriegsbürgermeister aufgeladen: Aus der dörflichen Gemeinde in rasendem Tempo eine Stadt zu formen, ge­ wissermaßen aus der Retorte, vom Reißbrett. An der ersten Stelle aller Überlegungen’stand nun die Beschaffung von Wohnraum für die vielen bergbaubedingten Zuwanderer. Blum­ berg wurde zu einem Schmelztiegel, wie manche Ruhrgebietsstädte im vorigen Jahr­ hundert. Es kamen Arbeiter aus dem Ruhr­ gebiet, aus Schlesien, von der Saar und aus Sachsen, später auch aus Polen, der Tsche­ choslowakei, aus Jugoslawien und Italien. Teils kamen sie freiwillig, teils wurden sie dienstverpflichtet. Die Zahl der Einwohner hatte sich bis 1945 verzehnfacht. Es fehlte dabei aber jegliche Infrastruktur für eine derart explosiv wachsende Gemein­ de. Zuerst werden Baracken zur Unterbrin­ gung der Arbeiter aufgestellt. Wohnsiedlun­ gen müssen erst aus dem Boden gestampft werden. Den einheimischen Grundeigentü- mern bleibt keine andere Wahl als Bauge­ lände zur Verfügung zu stellen. Kanalisation und Wasserversorgung müssen geplant und gebaut werden. Die Dorfschule hat nur zwei Klassen. Baracken werden auch hier als Pro­ visorium eingesetzt. Es fehlen Einrichtun­ gen wie Krankenhaus, Gemeinschaftshaus oder Badeanstalt. Es gibt zur Unterhaltung nur ein Kino. Eine einzige Metzgerei und nur vier Lebensmittelgeschäfte müssen die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen. Daß es zu tätlichen Auseinandersetzungen kam, lag auf der Hand. Von der Wohnungsbaugesellschaft der 1936 gegründeten und 1940 unter Beteili­ gung des Reiches in eine AG umgewandelten Doggererz GmbH wurden ab 1937 bis 1940 1100 Wohnungen errichtet: an der Schwarz­ waldstraße, Tevesstraße, Kirchstraße, Im Winkel, Scheffelstraße. Im typischen Berg­ mannssiedlungsstil. 112

In ebensolcher Rekordzeit waren die Werksanlagen ab dem Jahre 1935 aus dem Boden gestampft worden, das Nordwerk am Stoberg und das Südwerk in Zollhaus. Durch eine 1200 Meter lange Förder­ brücke, die sich auf Stelzen über das Ried schwang, wurden die Werke miteinander verbunden. Vom Nordwerk liefen die mit Erz beladenen Rollwagen zum Südwerk, wo das Erz aufbereitet werden mußte, ehe es zur Verhüttung ins Saarland transportiert wurde. Die Förderziffern stiegen rapide von Jahr zu Jahr. Betrug die Menge des geförderten Erzes 1936 noch 19 600 Tonnen, stieg sie 1937 auf 157 000 Tonnen, 1939 auf 920 000 Tonnen und 1940 sogar auf 953 000 Tonnen. Der Zweite Weltkrieg war bereits im Gange. ,,Eisen schaffen für das kämpfende Heer“ – das war jetzt die Devise. Im Jahre 1941 war die Förderung allerdings auf 918 000 Tonnen Prokurist und Verwalter der Doggererz-Anlagen: Ernst Denzer. zurückgefallen. Mit Hilfe zahlreicher Pro­ duktionsverbesserungen sollte 1942 eine Re­ kordtonnage erreicht werden. Da trifft es die junge Bergbaustadt auf der Baar wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Der Reichsminister für Rüstung, Albert Speer, legt per Verfügung vom 10. April den Dog­ gererzabbau in Blumberg von einem auf den anderen Tag still. ,,Der Führer hat sich eben­ falls mit der Einstellung der Vorhaben ein­ verstanden erklärt“, teilt er lapidar mit. Das Reich verfügte zu diesem Zeitpunkt durch die Eroberungsfeldzüge der Wehrmacht über reichere und bessere Erzlager in besetz­ ten Gebieten, als sie in Blumberg vorhanden waren. „Es ist die große Tragik des Bergbaus in Blumberg, daß er ausgerechnet in dem Au­ genblick gedrosselt wurde, wo sich ein neues Abbauverfahren bergmännisch bewährt hat­ te und nur noch der Maschinisierung bedurf­ te, für die alle Voraussetzungen gegeben sind.“ So Bergwerksdirektor Dr. Bornitz an den Vorstand der Doggererz AG. Für Blum­ berg eine neue Katastrophe. Der Bürgermei­ ster alarmiert die Behörden und fordert Hilfe für die Gemeinde, ,,um die Erregungen und die grobe Mißstimmung der Bevölkerung zu beheben und das Vertrauen in die neue Hei­ mat und den Ausbau Blumbergs wiederzuge­ ben.“ Aber es bleibt dabei. In den Werksanla­ gen wird demontiert und das Material ande­ ren kriegswichtigen Betrieben zugeführt. Stoberg- und Eichbergstollen müssen zuge­ baut werden. Die ganze Abwicklung liegt nun in den Händen des Prokuristen Ernst Denzer. Er verwaltete bis zuletzt Grund und Boden und Immobilien der Doggererz AG. In Blumbergs schwerster Zeit blieb er der Gemeinde Ratgeber und Helfer. Um den Verlust an Industrie auszugleichen, bemühte sich die Gemeinde um neue Unternehmen. Mit der Firma Kopperschmidt aus Hamburg, die Plexiglaskanzeln für Flugzeuge herstellte, dem Minenbetrieb Otavi (Vanadium-Erzeu­ gung) und der Firma Teves (Produktion von Motorenteilen) konnte die wirtschaftliche Basis der Gemeinde in etwa wieder gestärkt 113

Von der Natur wieder eingeholt: Das Mundloch des Stoberg-Stollens von 1935. werden. Eine 1944 wegen Verlust der Erzvor­ kommen in den eroberten Gebieten erneut erwogene Abbauphase in Blumberg wurde durch das Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr praktikabel. In den ersten Monaten des Jahres 1945 gelangte abermals Abbaugerät in die Baar. Bevor jedoch eine regelmäßige Förderung in Gang kommen konnte, hatte die deutsche Kapitulation allen weitgespannten Erzab­ bauplänen ein Ende bereitet. Für Blumberg ist der Zweite Weltkrieg am 23. April 1945 nach tagelangem heftigem Beschuß zu Ende gegangen. Die Franzosen nahmen den Ort ein und besetzten das Rat­ haus. Unter Einsatz ihres Lebens, denn die SS trieb sich noch in der Gegend herum und machte in solchen Fällen meist kurzen Pro­ zeß, waren Ratschreiber Schlenk und Ge­ meinderechner Müller den Franzosen mit einer weißen Fahne bis Zollhaus entgegenge­ laufen, um schljmmeres Übel zu verhüten. Bürgermeister Theo Schmid war noch im Februar als Kompanieführer zum Volks­ sturm kommandiert worden. Nach dessen Auflösung hatte er sich weisungsgemäß einer deutschen Wehrmachtseinheit angeschlos­ sen. Über Randen sollte sie in Richtung Engen den Vormarsch der Franzosen aufhal- 114 ten. Mit ihr geriet Schmid in französische Gefangenschaft. Bittere Jahre warteten auf ihn. Ehe er Blumberg und sein „Lebensauf­ bauwerk“, wie er es nannte, verließ, hatte er Ratschreiber Max Schlenk als Nachfolger eingesetzt. Schlenk, Müller und Prokurist Ernst Den­ zer von der Doggererz AG, der fließend Fran­ zösisch spricht, verhandeln sofort mit den Franzosen. Denzer darf die Werksanlagen nicht mehr betreten. Die vom Volkssturm kurz zuvor auf Befehl noch zugesprengten Stolleneingänge müssen wieder geöffnet werden, verlangt die Besatzungsmacht. Gro­ ße Mengen wertvollen Geräts und Mascru­ nen waren in den Stollen verborgen und fal­ len nun den Alliierten in die Hände. Für Blumberg beginnt das schwärzeste Kapitel seiner jüngeren Ortsgeschichte. Es schien, als ob die auf allerhöchsten Befehl aus dem Boden gestampfte, halbfertige Stadt ganz allein die Folgen für die von der Nazi­ Regierung überstürzte Industrialisierung und ihren unorganischen Aufbau tragen sollte. Viele tausend Menschen hungern, Blumberg kann sie nicht ernähren, Betriebs­ stätten werden demontiert. Es gibt Über­ griffe. Bürgermeister Max Schlenk, Gemein­ derechner Karl Müller, der katholische

Stadtpfarrer Wieck und sein evangelischer Kollege Lohr und einige weitere entschlos­ sene Bürger, zu denen nach Rückkehr aus der Gefangenschaft auch Bäckermeister Erich Knöpfle gehört – er wurde 1946 erster frei gewählter Bürgermeister – arbeiten Hand in Hand, die größte Not für die Bevölkerung zu bannen. Diese schweren Jahre der Nachkriegszeit und die Aufbaujahre in Blumberg bilden ein besonderes Kapitel. Das wäre noch zu schrei­ ben. Damit nachfolgende Generationen die Zeit nicht vergessen. Zehn Jahre später. Die Stadt Blumberg hat sich nach dem Desaster erstaunlich gut kon­ solidiert. Auch wenn noch vieles zu leisten bleibt. Sie macht einen positiven Eindruck. Die Heimatzeitung „Südkurier“ beauftragte den Chronisten mit einer Darstellung über die Schicksalsjahre des Doggererzabbaus. Die jüngere Generation ahnt nämlich kaum noch etwas von den ungeheuren Problemen ihrer Heimatstadt. Auf der Spurensuche: In der Gemeinde leben noch die Persönlichkeiten, die Zeit- zeugen sind. An erster Stelle der integre und von der Bevölkerung anerkannte Theo Schmid. Er betrieb nun ein privates Architek­ turbüro. Die Bürger hatten ihn in den Ge­ meinderat gewählt. Er war Bürgermeister­ Stellvertreter. Da war auch der Otto Cosal­ ter, Leiter der ersten Schürfkolonne, nach dem Krieg städtischer Arbeiter. Der Proku­ rist Ernst Denzer, Verwalter von der Dogger­ erz AG. Sie hatten den Krieg überlebt. Max Schlenk, Karl Müller und Erich Knöpfle, Männer der ersten Stunde nach dem Krieg­ sie alle gaben bereitwillig Auskunft über die folgenschweren Jahre. Ihre Berichte fanden ihren Niederschlag in einer Berichtsreihe ,,Das Doggererz ist Blumbergs Schicksal“. Eine erste Dokumentation. Im Rathaus am­ tete nun Bürgermeister Karl Wilhelm Schmid. Er hatte große Aufgaben vor sich. Im Gemeindegebiet waren noch die stum­ men Zeugen dieser Jahre zu sehen: die Beton-Pfeiler der Förderbrücke, Stollenein­ gänge zu den Bergwerken. In ehemaligen Betriebsstätten hatten sich verschiedene Fir­ men etabliert. Am Eichberg hatte sich die 115

Erinnerung an die Bergbauzeit: Der „Schwarze Mann‘: ein Denkmal das Kommerzienrat Dr. Her­ mann Röchling 1940 gestiftet hat. 116

Schützengesellschaft einen Schießstand er­ richtet. Blumberg war auf einem guten Weg in eine neue Zeit. Abermals 30 Jahre später am gleichen Ort. Die Stadt ist eine hübsche und blühende Gemeinde auf der Baar geworden und auch größer. Frühere Nachbargemeinden wurden nach der Gebietsreform ihrem Stadtgebiet eingegliedert. Sie besitzt so etwas wie städti­ sches Flair, hat nun wohl fast alle Einrichtun­ gen, die sie sich einst in ihrer Pionierzeit gewünscht hat: Modeme Schulen, Sportstät­ ten, Sportzentrum, Freibad, Geschäfte, Gast­ stätten, Hotels. Aus den typischen Bergar­ beitersiedlungen sind schmucke, blumenrei­ che, moderne Straßenzüge geworden. Blumberg wuchert mit seinen Pfunden: Mit der landschaftlich reizvollen Lage inmit­ ten seiner Hausberge, den zahlreichen Wan­ der- und Erholungsmöglichkeiten, der Nähe zur Schweiz, mit der einzigartigen Muse­ umsbahn, die viele zur Mitfahrt verlockt. Auch ein Eisenbahn-Museum ist inzwischen dazu gekommen (vgl. Almanach 95, Seiten 153-158). Für die Stein- und Mineralien­ sammler ist das Gebiet ein Eldorado gewor­ den. Sie kommen aus ganz Deutschland. Nur noch wenig erinnert an die Doggererz­ Zeit. Die allmächtige Natur hat ihre Zeugen in der Landschaft allmählich gnädig über­ wachsen. Das Tagebaugelände am Ristelberg wurde von ihr zurückerobert. Es mutet wie eine Urlandschaft an. Die meisten Persön­ lichkeiten aber, die die Jahre des Erzabbaus von Beginn an miterlebt haben, deckt der kühle Rasen. Die Doggererz AG existiert nicht mehr. Es hatte sich Ende der 60erJahre die Erkenntnis durchgesetzt, daß in der Baar wohl nie mehr Erz gefördert würde. Die AG wurde 1973 wieder in eine GmbH umgewan­ delt. Der Immobilienbesitz wurde verkauft und 1978 wurde das Unternehmen durch die Gesellschafter liquidiert. Aber sichtbar in der Stadt erinnert das von Kommerzienrat Hermann Röchling 1940 gestiftete, aus Blumberger Erz geschaffene, Bergmannsdenkmal an der Einmündung der Berg- in die Tevesstraße an die Zeit des Dog- gererzabbaus und an die schweren Jahre in Blumberg. Könnte es reden, würde es dies vielleicht mit den Worten von Peter Bernard tun, einem der ersten Saarbergleute in Blum­ berg: ,,Allen, die in späteren Tagen aufBlum­ bergs Straßen gehen und hier leben, möchte ich sagen: Blumberg hat seine Schicksals­ probe gut bestanden. Seine Straßen haben ein festes Fundament von Blut und Tränen, von Freud und Leid, von Fleiß und Aus­ dauer. So sage auch ich als Bergmann von der Saar, und ich glaube im Namen aller zu sprechen: Blumberg und das Doggererz waren unser Schicksal.“ Arthur Lamka Literaturangaben: Arthur Lamka: Das Doggererz ist Blumbergs Schicksal, 15teilige Berichtsserie im „Süd­ kurier‘: Ausgaben vom 24. November 1959 bis 12. Dezember 1959 für den Bezirk Donau­ eschingen. Berichte von Zeitzeugen. Doggererzakten. Bürgermeister Karl Müller, Niederschrift der Gemeinde zur Entwicklung Blumbergs aus Anlaß des Baus eines Fabrikgebäudes der Firma Spinnerei Lauifenmühle KG Tiengenl Oberrhein, 27 August 1949. Günter M. Walcz, Doggererz in Blumberg, das ungewöhnliche Schicksal einer Stadt – ein Kapitel deutscher Bergbaugeschichte, im Ver­ lag des „Südkurier“ Konstanz, 1983. Jürgen Henckel/, Blumberg vom Erzbergbau geprägt, Bericht im „Südkurier“ vom 28. Februar 1989. Roland Peter, Auf dem Reißbrett entsteht am Rande des Schwarzwalds ein Mini-Ruhr­ gebiet, ,.Schwäbische Zeitung“, 30. März 1994. Wo!f Ingo Seidelmann, Badische Eisenerz­ politik und Pläne zum A ujbau einer Montan­ Industrie (1917-1978), in „Zeitschrift.für die Geschichte des Oberrheins·: 142. Band, 1994. Stadt Blumberg, Blumberg zwischen Schwarz­ wald und Schweiz – Einladung zur Erholung. Fremdenverkehrsprospekt, Text von Jürgen Henckel/, Blumberg, ohne Jahresangabe. 117

Aus der Geschichte der Elektrizität in St. Georgen und Umgebung Vorreiter in der Verbreitung der Elektrizi­ tät in unserem engeren Raum war die Stadt Triberg. Bereits Ende des Jahres 1883 wurde die Gießhalle der Fa. Gebrüder Siedle mit elek­ trischem Licht einer einzigen Bogenlampe, System Gram, beleuchtet. Im Mai 1884 wur­ den auf dem Marktplatz zwei Bogenlampen aufgestellt. Noch im gleichen Monat geneh­ migte der Bürgerausschuß die Mittel für eine elektrische Straßenbeleuchtung, welche n0ch im selben Jahr die Nächte von Tri­ bc cg erhellte. Sogar die „Kölnische Zeitung“ ruhmte 1885 Triberg, weil die Stadt „ihr Bo­ genlicht nicht auf rohe Weise durch Dampf­ maschinen, sondern mittels der nichtsko­ stenden Wasserkraft“ erzeugte. Es spricht für eine schnelle Verbreitung dieser Erfindung, wenn man bedenkt, daß 1877 die Straßenbeleuchtung in Paris instal­ liert wurde, die erste Kohlefaden-Glühlampe mit Schraubensockel 1879 erfunden und das erste elektrische Kraftwerk von Th. A. Edi­ son 1882 errichtet wurde.1893 wurde von Tri­ berg aus Hornberg mit hochgespanntem Drehstrom beliefert. Furtwangen beteiligte sich noch im selben Jahr daran. 1896 wurde mit der Gemeinde Schönwald ein Stromlie­ ferungsvertrag abgeschlossen. Noch 1896 führte die finanzielle Notlage der Fa. Meiß­ ner & Co. zur Gründung der Elektrizitäts­ gesellschaft Triberg (EGT). St. Georgen stand etwas abseits dieser Ent­ wicklung, obwohl es im Jahre 1900 mit 3520 Das erste Elektrizitätswerk in St. Georgen wurde 1898 erbaut. Aufnahme aus dem Jahre 1908 118

Das 1949 neuerbaute Schallhaus in St. Georgen und die Fa. Staiger vor dem Umbau um 1970 sogar 600 Einwohner mehr hatte als Triberg. Erst 1896 wurde die Fa. 1. G. Weisser mittels eines Gleichstrom-Dynamos mit Bogen­ und Glühlampen elektrisch beleuchtet. Damit war sowohl in Triberg als auch in St. Georgen die Industrie der Innovations­ agent der Elektrizität. In St. Georgen hat man die Möglichkeit gehabt, sich vor der Errichtung der öffentlichen Beleuchtung an Ort und Stelle über die Wirkung der elektri­ schen Beleuchtung zu überzeugen. 1897 äußerte der Gemeinderat den Wunsch nach elektrischer Beleuchtung. Im März 1898 wurde mit der EGT ein Stromlieferungsver­ trag unterschrieben und bereits am Sonntag, dem 5. Februar 1899, fand die Probebeleuch­ tung der Stadt St. Georgen statt. Triberg nutzte die Wasserfalle zur Erzeu­ gung von Strom. Ein Teil der elektrischen Versorgung von St. Georgen wurde direkt von Triberg durch elektrische Leitung ge­ währleistet. Zwischen EGT und Brigach wurde ein Vertrag am 1. Mai 1899 unter­ schrieben, da die Leitung entlang der Bun­ desstraße durch Sommerau verlief. In dem EGT-Werk St. Georgen wurde zusätzlich ein Lokomobil mit 75 PS aufgestellt und im Jahre 1900 noch eins mit 150 PS. Im Jahre 1904 wurden an das E-Werk bereits 37 Elek­ tromotoren und an die 1200 Lampen ange­ schlossen. Die Beleuchtung wurde auch zu festlichen Anlässen genutzt. Während des großen Festes zur Einweihung des Krieger­ denkmals 1904 machten sich „die verschie­ denen Illuminationen“ recht schön. Die Erwartungen waren groß. Bereits ei­ nen Monat vor der Einweihungsfeier druck­ te der „Brigach-Bote“ am 5. Januar 1899 ein Gedicht des Hauptlehrers W. Wiedemann ab: 119

Elektrisch Licht! Hurrah, Blitz! Elektrisch Licht! – (Wie’s der „neuen“ Stadt entspricht) – Finsternis ist überwunden, Und die Nächte ganz verschwunden! Glücklich hat nun Sankt Georgen Ewig seinen „hellen“ Morgen; Schwere „Affin in der Nacht“ Werden sicher heimgebracht. – Jetzt noch eine Drahtseilbahn Aef den Berg zum „Adler“ ran, Fortgefahrt in die „ Türkei‘: ‚1 Daß die „ Großstadt „fertig seif Helle also ist die Stadt, Helle Bürgerschaft und -Rat, Mögen helle Bier und Wein, Hell die ganze Zukunft sein! •) Türkei = Gewann in St. Georgen Elektrizität in der Umgebung So gelang es St. Georgen, noch rechtzeitig den Sprung in das 20. Jahrhundert mit Hilfe des elektrischen Stroms zu schaffen. In Villingen wurde das Elektrizitätswerk erst 1905 errichtet. 1903 wurde Schonach an die EGT angeschlossen, 1910 Niederwasser und erst nach dem Krieg, 1919, Nußbach. Der Energiebedarf stieg also stetig, so daß die EGT 1913 mit dem Kraftwerk Laufenburg einen Fremdstrombezugsvertrag abschloß. Dadurch wurde die Eigenversorgungsanlage in St. Georgen bedeutungslos und nach und nach stillgelegt, schließlich zu einem Um­ spannwerk umfunktioniert. 1920 wurde die Fernleitung Triberg – St. Georgen aufl5 000 Volt umgebaut. Zwei Jahre danach, Ende 1922, kam es zu einer grundsätzlichen Änderung der Gesell­ schaftsform von EGT. Die Städte Triberg, St. Georgen, Furtwangen, Hornberg und die Gemeinde Schonach wurden gemeinsam zur Hälfte an der EGT beteiligt und das Stammkapital der Gesellschaft neu geregelt. Auch die an St. Georgen anljegenden Ge- 120 meinden wünschten elektrische Versorgung. Doch sind die Konditionen der EGT fur den Strombezug anders geworden wie am An­ fang. Die Gemeinden mußten diesmal ihre Ortsnetze selbst aufbauen und unterhalten, was fur die durchaus armen Gemeinden mü einer erheblichen finanziellen Belastung ver­ bunden war. So brachte z.B. die Gemeinde Brigach im Jahre 1919 nur ein Drittel der ver­ anschlagten Kosten auf. Den anderen Ge­ meinden erging es nicht anders. Nur Som­ merau war, seiner Lage wegen, Nutznießer der 1899 erbauten Fernleitung nach St. Geor­ gen. Bereits 1904 bekam der Sommerauer Bahnhof ein Anschluß, die Sommerau aber erst 1921. Die Höfe in Brigach wurden inzwi­ schen Eigenversorger. Nach einer Werbe­ aktion des Bezirksamtes Villingen, Mitte der zwanziger Jahre, entschlossen sich die Ge­ meinden zum Strombezug. Die Gemeinden sind damals nicht reicher gewesen als im Jahre 1919; die Anschaffungskosten wurden etwas günstiger. Nachdem die Gemeinden selbst, oder wie in Brigach durch eine neugeschaffene Strombezugsgesellschaft, die Ortsnetze hat­ ten aufbauen lassen, wurde 1925 Langen­ schiltach, 1928 Brigach, Oberkünach und Peterzell an die EGT angeschlossen. 1939 wurden die Ortsnetze der Gemeinden von der EGT aufgekauft. Während des Bombenangriffs am 22. 2. 1945 wurde in St. Georgen die Schaltanlage vollständig zerstört. Erst 1949 konnte das neuerbaute Schalthaus in St. Georgen in Betrieb genommen werden. In den 50er und 60er Jahren wurden mehrere Trafostationen in St. Georgen aufgestellt und die Leitungen unterirdisch verlegt. Da das Werk in Laufen­ burg keinen weiteren Strom mehr für den ansteigenden Bedarf liefern konnte, wurde mit dem Badenwerk ein Vertrag über den Bezug des elektrischen Stromes abgeschlos­ sen, welcher ab 1957 in die elektrische Lei­ tung einfließt. Seit dieser Zeit wird das Netz der EGT gering von Triberg, vor allem aber aus Offenburg gespeist. Dr. Carl Heinz Ciz

Geschichte Aus dem letzten Jahr der Selbständigkeit des Fürstentums Fürstenberg Die Redaktion des Almanach freut sich, einen weiteren Beitrag aus der Feder des bekannten Rechtshistorikers Professor Dr. Bader veröffentli­ chen zu können, der am 2Z Augi1st 1995 seinen 90. Geburtstag begehen konnte. Professor Dr. Bader, der in Waldau im Hochschwarzwald geboren ist und seine frühe Jugend in Gutmadin­ gen verbrachte, ist mit unserem heimatlichen Raum immer engverbundengeblieben. lmAlma­ nach 81 (Seiten 1491150) wurde er daher zu Recht als Persönlichkeit der Heimat gewürdigt. Das „Donaueschinger Wochenblatt für sämtliche Hochfürst!. Fürsten bergische Lan­ de“ – so der Titel des fürstenbergischen Amtsblatts in den Anfangsjahren des 19 .Jahr­ hunderts – ist eine von der Landes- und Hei­ matgeschichte eher wenig benutzte, für ver­ schiedene Sparten ergiebige Quelle. Mir lie­ gen die Lieferungen Nr.21 bis 25 vom 22.Mai bis 19.Juni 1805 vor, deren Hauptinhalt die anschaulichen Berichte über den „Einzug“ des nach dem überraschenden Tode des letz­ ten Reichsfürsten Karl Joachim (17. Mai 1804) zum Erbfürsten gewordenen knapp neun­ jährigen Prinzen Karl Egon (als Reichsfürst der Zweite dieses Namens nach dem Groß­ vater aus der Böhmischen Sekundogenitur) darstellen. Der seiner Erscheinung und sei­ nem Wesen nach noch eher dem Kindes- als dem Jünglingsalter zugehörige, nach dem Tod von Fürst Karl Aloys in der Schlacht bei Liptingen-Stockach 1796 vaterlose Erbe überschritt am Vormittag des 19. Mai 1805 mit großem Gefolge die Grenze des Fürsten­ tums bei Neufra, um die östlichen Teile der „fürstlichen Lande“ – eher ein Gebietswürfel als ein geschlossenes Territorium (clausum) – nacheinander in Augenschein und Besitz zu nehmen. Ranghöchste und, wie sich in Landgraf Joachim zu Fürstenberg von Weitra­ Wien (1749-1828) den folgenden Jahren überdeutlich heraus­ stellen sollte, wichtigste Begleiterin war die Fürstinwitwe Elisabeth geb. Fürstin (nicht Prinzessin!) von Thurn und Taxis, eine Frau von scharfem Profil und hohen geistigen Ga­ ben. Gesetzlicher Vormund und Landesver­ weser war der in Weitra bzw. Wien woh­ nende LandgrafJoachim Egon, dessen in der Folge nicht immer leichte Aufgabe es war, sich mit der Fürstinmutter in Erziehung und Fortbildung des Jungfürsten zu teilen und gleichzeitig das Geschick der gefährdeten Herrschaft im de forma noch bestehenden Reich und im aufziehenden Kaisertum Na­ poleons zu leiten. Er und seine Gemahlin gehörten mit weiteren Mitgliedern seiner 121

Familie zum Gefolge, zu dem aber auch zwei nachmals heftig rivalisierende Männer zähl­ ten: der (wie man in Donaueschingen sagte) ,,allmächtige“ Präsident Kleiser von Kleis­ heim, von Hause aus ein Bauernsohn aus dem Urachtal, und der jung-schöne Forst­ mann Joseph Freiherr von Lassberg, über dessen Rolle gerade in unseren gegenwärti­ gen Tagen viel gesprochen und geschrieben worden ist. So zog man von Neufra über Meßkirch, Hohenhewen-Engen, Möhringen und Geisingen nach Donaueschingen, je­ weils fast überschwenglich begrüßt von der aufgebotenen Bevölkerung, Geistlichkeit und Beamtenschaft. Und wie sehen nun die Formen dieser Huldigungen aus? Ein wenig wird man an Fronleichnam oder an die Kirchweih erin­ nert. Auf der Landstraße vor dem DorfNeu­ fra unweit Riedlingen „war eine sehr schön gemalte Ehrenpforte errichtet, neben wel­ cher die bürgerliche Infanterie in blauer Uni­ form mit rothen Aufschlägen unter Beglei­ tung türkischer Musik“ – Vorläufer heutiger Blechmusik – ,,paradiert.“ Chöre von Mäd­ chen und Knaben in Landestracht, mit Krän­ zen geschmückt, ,,verherrlichen das länd­ liche Fest. Die Mädchen streuen Blumen, überreichen Blumensträuße, und der kleine achtjährige Sohn des Herrn Rathes und Rentmeisters .. . übergab nach einer kurzen Anrede Seiner Erlaucht dem Herrn Landgra­ fen . .. eine auf höchstdero Ankunft verfaßte Ode.“ So begrüßen „die redlichen Unterta­ nen ihren weisen und väterlich milden Lan­ desadministrator.“ Auf seine „hohen Ein­ sichten und rastlose Tätigkeit für das allge­ meine Beste“ wird für die Zukunft vertraut. ,,Sie leben, sie leben!“ schrie die gegenwär­ tige zahlreiche Volksmenge. So geht der Zug in Flecken und DorfNeufra hinein, und von dort aus wiederholen sich an allen Stationen des Einzugs die offenbar sorgfältig von Obervögten und Dorfschultheißen angeord­ neten und überwachten Begrüßungsfeiern. In Meßkirch reitet der Forstmeister und ein Oberjäger mit sieben berittenen Revierjä­ gern dem Zug entgegen, und selbst die ver- 122 Elisabeth, Fürstin zu Fürstenberg (1767-1822) witwete „Fürstin-Großmama“, die zweite Gemahlin des unvergessenen Reichsfürsten Joseph Wilhelm Ernst, des Einigers der für­ stenbergischen Lande, die ihren Gemahl um beinahe 50 Jahre überleben sollte, schickt zur Verschönerung des Zuges einen mit sechs Pferden bespannten „sehr geschmack­ vollen Wagen“. Das Schauspiel erneuert sich an den verschiedenen Herrschaftsmittel­ punkten mit sorgsamer Wiederholung aller Einzelheiten in Form und Farben. In Donau­ eschingen ist es schließlich die „bürgerliche Garde“ in roten Uniformen, die unter be­ ständigem Kanonendonner die Reisenden bis in den Schloßhof eskortiert. Das ganze Zeremoniell wäre einer eigenen selbständi­ gen Studie wert: Hofkultur und Volksbräu­ che verbinden sich, wie es in Donaueschin­ gen übrigens durch das gesamte 19.Jahrhun­ dert trotz Mediatisierung und Achtundvier­ ziger-Revolution geblieben ist. Eine andere Frage ist es, was sich das für­ stenbergische Volk bei alldem dachte und was es erwartete. Leise Zweifel werden laut, auch wenn sie im „Wochenblatt“ nur in Bei-

läufigkeiten zum Ausdruck kommen. Man ist gut fürstenbergisch und setzt auf den klei­ nen Karl Egon, weil man, im ganzen zufrie­ den, Angst vor der unbekannten nahen Zu­ kunft hat. Daß die Souveränität des Hauses höchst bedroht war, ist schon in diesem Zeit­ punkt niemand entgangen. Man wollte aber doch eher bei dem Bestehenden bleiben, statt auf Baden und Württemberg abzustel­ len und mit neuen Behörden und Beamten sich abmühen zu müssen. Daß man mit neuen Abgaben rechnen mußte, lag in der Luft – schon die Säkularisierung der Klöster und Hochstifte sprach von bisher unbekann­ ter direkter Besteuerung. Daß im Fürstentum selbst wacker mitsäkularisiert wurde, um, mit Kleiser zu sprechen, anderen zuvorzukom­ men, war ein böses Omen. Die einheimi­ schen Klöster waren zwar im ganzen eher un- Fürst Karl Egon II. zu Fürstenberg (1796-1854) im Ornat des Ritters des Ordens vom Goi.denen Vlies. bedeutend gewesen, sie hatten aber doch gerade der ärmeren Bevölkerung caritativ beigestanden. Alles in allem: die patriarchali­ schen Verhältnisse waren nicht in allem beliebt, aber doch bequem. Republikanische Gelüste, wie sie in den neunziger Jahren des eben vergangenen Jahrhunderts von einigen Hitzköpfen mehr oder minder offen geäu­ ßert worden waren, hatten sich in den Kriegs­ jahren 1796 und 1799 verflüchtigt, echte Jakobiner waren im Fürstenbergischen selten anzutreffen, auch wenn im Gefolge der neu­ fränkischen Patrioten im Kinzigtal oder im Stühlingischen sogar unter den Augen der Obervögte Freiheitsbäume errichtet – und nach Abziehen des „Feindes“ wieder prompt beseitigt worden waren. Der Landesadmini­ strator war ein guter Österreicher, von dem man in der Tat nichts Böses zu erwarten hatte, aber in der fürstlichen Großfamilie waren die Neigungen eher gespalten. Als die Dinge sich schlecht entwickelten, schickte man die verwitwete Fürstin Karoline nach Paris, um am neuen französischen Hof gut Wetter zu machen; aber sie mußte nach dem Kniefall vor dem Despoten aus Napoleons Mund vernehmen, man wisse wohl, daß das Haus Fürstenberg stets „ein wenig österrei­ chisch“ gewesen sei. Kleiser selbst gab von sich, es sei eben ein Jammer, daß der junge Fürst ein Knabe und für eine Napoleonidin nicht heiratsbereit sei! Im „Wochenblatt“ war von alldem natür­ lich mit keinem Wort die Rede. Dort wurde vorerst noch streng fürstenbergisch geschrie­ ben. Die Zeiten eines regen Journalismus waren noch nicht gekommen, amtliche Er­ lasse füllten die sparsamen Seiten. Über Prei­ se und Löhne wurde ein wenig berichtet, Marktzeiten angekündigt, die Leistungen der Brandversicherung gebührend geprie­ sen. Selten, daß ein mitmenschlicher Zug zum Vorschein kam, so wenn in der Sparte „Gerichtliche Bekanntmachung“ unter dem 7.Juni von einem Blumberger Ereignis mit einigem Mitgefühl berichtet wurde, es seien in einem vom Mühlebach gebildeten „Gum­ pen“ zwei Blumberger Schulknaben ertrun- 123

ken, dieweilen die Kameraden achtlos dem Glockenton folgend nach Hause liefen. In meiner inzwischen aufgelösten Hand­ und Hausbibliothek befand sich, unter Nr. 197 schon 1930, also in meiner „vorfürsten­ bergischen“ Zeit erworben, ein jüngerer Jah­ resband des Wochenblattes, das 1808 nun als ,,Fürstlich-Fürstenbergisches Bezirksblatt“ zu seinem Eingang einen „Herzenswunsch“ des Redakteurs vorbrachte. Er galt jetzt in erster Linie dem „Landesvater“ Karl Fried- rich von Baden, daneben (aber dahinter) auch dem nun zur „Standesherrschaft“ ge­ wordenen einheimischen Hause Fürsten­ berg. Der gereimte Spruch fügte immerhin freundlicherweise hinzu: ,,Ich wünsche k: dem guten Untertan Zufriedenheit und Glück auf seiner Bahn“. Sich selbst erbat der bescheidene Reimverfasser „die werthe Gunst von Jedermann“. Prof. Dr. Karl S. Bader, Zürich Vor 200 Jahren: Kriegsnöte auf der Baar Aus dem Tagebuch des F. F. Archivars Merk 1796 Zwar ist 1996 bei weitem kein so wichtiges Gedenkjahr wie das letzte mit der fünfzig­ jährigen Wiederkehr des Endes des Zweiten Weltkriegs. Aber auch dieses Jahr gibt Anlaß zurückzublicken – waren doch weite Teile Europas vor 200 Jahren ebenfalls durch Krieg belastet, wenn auch auf eine Weise, die uns heute fast harmlos anmutet und es doch für die betroffene Bevölkerung überhaupt nicht war.Jener Krieg gehört zu den Erschüt­ terungen, die die Französische Revolution in Europa auslöste. Seite 1792 befand sich das revolutionäre Frankreich mit Österreich und Preußen im Krieg; nachdem Preußen im Sonderfrieden von Basel 1795 aus der Koali­ tion gegen Frankreich ausgeschieden war, richteten sich die französischen Stöße kon­ zentriert gegen Österreich. Die Folge war, daß Zehntausende von Soldaten, Franzosen wie Österreicher, in immer neuen Wellen auch durch unsere Gegend zogen und ihre Bewohner weniger durch Kampfhandlun­ gen, aber durch Einquartierungen, Requisi­ tionen und Plünderungen bedrückten. Der fürstenbergische Archivar ]. P. Merk hat 1789-1798 ein ausführliches Tagebuch der „Kriegsvorfallenheiten“ geführt; mit seiner Hilfe können wir die Ereignisse jenes Jahres 1796 und dabei auch die Gefühle und Nöte der Menschen auf der Baar noch einmal nacherleben. 124 Am 24.Juni 1796 überschritt eine franzö­ sische Armee unter dem General Moreau bei Kehl den Rhein und rückte über den Kniebis nach Württemberg vor. ,,Mit diesem Tag“, schreibt Merk, ,,[nahm] auch die höchste Stuffe des Elends ihren Anfang“ [91]. Als die Kunde davon am 4.Juli in Villingen eintraf, herrschte große Bestürzung, und zahlreiche Bürger flohen in die Schweiz. Das war keine übertriebene Panik; denn nur eine kurze Zeit lang hatten sich die Franzosen als Befreier unterdrückter Völker verstanden – schon längst kamen auch die Soldaten der Repu­ blik als Eroberer ins Feindesland. Zunächst jedoch wurde die Stadt mit „Kaiserlichen“ belegt; auch das auf kaiserlicher Seite kämp­ fende Emigrantencorps des Prinzen Conde tauchte wieder, wie schon 1792/93, in Villin­ gen auf, zahlte diesmal aber nicht, sondern mußte von den Bürgern unentgeltlich ver­ pflegt werden, wie alle anderen Soldaten auch. Diese Truppen zogen sich vor einer Unterabteilung der Moreau-Armee zurück, die am 21. Juli in die Stadt einrückte. Ihr General Jordis, der im Benediktinerkloster logierte, hatte seine Soldaten zwar im Griff, aber er verlangte riesige Mengen an Getreide, Heu, Stroh und Geld. In Donaueschingen lösten die Nachrichten von diesen Ereignis­ sen äußerste Besorgnis aus – ,,jeden Tag wuchß die Angst und Schröken für die Be-

Zechende französische Grenadiere werden von österreichischen Husaren überfallen. Johann Baptist Seele, Öl 1800 wohner hiesiger Gegend“, so Merks Kom­ mentar vom l.Juli 1796 zum Vorrücken der Franzosen auf den Kniebis. ,,Serenissimus regnans samt dero Frau Gemahlin und ein kleiner Hor‘ bereiten ihre Flucht auf den Heiligenberg vor und reisen am 4.Juli dort­ hin ab. Sämtliche fürstlichen Beamten aller­ dings werden „bey Verlust ihres Dienstes ver­ pflichtet, auf ihren Posten zu bleiben und den Unterthanen mit Rath und That zur Seite zu stehen.“ Allerdings schaffen sie ihre Wertsachen in die Schweiz, und der Fürst hat „die höchste Gnade, die Bestreitung der Kösten zu übernehmen“ [94]. Aus der Flucht des Fürsten, ,,der immer bies auf die äußerste Gefahr im Land zu bleiben versi­ cherte, schlosse man . .. auf die Nähe der Ge­ fahr, und wer bies nun herzhafft war, wurde in diesem Augenblick kleinmüthig“ [96]. Jetzt wird ein schon lange gedruckter Aufruf an die Bevölkerung verteilt. ,,Die Untertha- nen wurden hierin ermahnt, sich bei Eintritt des Feindes ruhig zu verhalten“ – Ruhe ist auch hier schon, wie überhaupt in den Krie­ gen dieser Jahre, auf deutscher Seite erste Bürgerpflicht … In diesem Zusammenhang fällt immer wieder auf, wie das Kriegsgeschehen von den Beteiligten und Augenzeugen, auch von dem Chronisten Merk, als übermächtiges Geschehen erlebt wird, das über eine Gegend hereinbricht, das man erdulden muß, an dem man nichts ändern kann. Von einer Par­ teinahme für die kämpfenden Seiten ist kaum etwas zu spüren; die Menschen hier haben kein Anliegen in diesem Krieg außer dem, möglichst verschont zu bleiben. Ent­ sprechend gering ist auch die Bereitschaft, selber zu den Waffen zu greifen. Am 11.Juli erlassen das „Ausschreibamt“ des Schwäbi­ schen Kreises und die vorderösterreichische Regierung in Konstanz einen Aufruf, ,,daß 125

bey gegenwärtiger Gefahr für das Deutsche Reich alle streitbare Manschafft aus den Reichsbesitzungen zwischen 20 und 40 Jah­ ren sich unverzüglich … bewaffnen und auf dem Samelplatz Donaueschingen zu Ret­ tung des Vatterlandes erscheinen solle“ [102]. Aber was ist denn des fürstlich-fürstenber­ gischen, was ist des kaiserlich-vorderöster­ reichischen Untertanen Vaterland? Schon 1793 mußte das Amt Löffingen berichten, daß es keinen einzigen freiwilligen Rekruten für das Schwäbische Kreiskontingent habe anwerben können. Jetzt ist auch die F. F. Re­ gierung der Ansicht, daß es für Gegenwehr schon zu spät sei; man setze sich dadurch nur der Rache des Feindes aus. Serenissimus gibt vom Heiligenberg aus seinen Beifall zu dieser Auffassung, und so sind Errichtung und Bewaffnung eines Landsturms in dieser Situation gänzlich unterblieben. Angesichts der vorrückenden Franzosen wich die kaiserliche Armee nach Osten aus; die ganze Nacht vom 18.auf den 19.Juli mar­ schierten Kolonnen durch Donaueschin­ gen. Viele Soldaten quartierten sich dabei bei Bürgern ein „und saufften in den Würthshäu­ sern, ohne einen Kreuzer zu zahlen“ [109]. Leider zieht aber das kaiserliche Heer nicht zügig ab, sondern schlägt zunächst in der südlichen Baar sein Lager auf. ,,Die ganze Länge unten am Fuß ist mit weißen Zeiten bespikt“, beobachtet Merk. Die Menschen machen sich deshalb große Sorgen, einmal, weil weitere Lieferungen an diese Armee sie in den Ruin treiben, aber auch, weil Kampf­ handlungen mit den Franzosen die Ernte auf den Feldern vernichten würden. Deshalb ist man sehr erleichtert, als die Kaiserlichen endlich im Laufe des 21. aus dieser Gegend verschwinden. Die letzten, die noch in Do- Badendes Mädchen, das mit dem Pferd eines verfolgenden Franzosen flieht. Johann Baptist Seele, Öl, um 1802 126

naueschingen ausharren, sind eine Abtei­ lung Conde-Soldaten bei der Sebastians­ kapelle. Diese zieht sich erst am Abend des­ selben Tages zurück, zertrampelt dabei blü­ hende Wiesen und „überlließ ins endlich dem Feinde, nach [sie] sich noch zuvor auf unsere Kosten recht satt gefressen und gesof­ fen hatte“ [117]. Auf ihrem Rückzug reißen diese Emigranten die Umzäunung des fürst­ lichen Wildgeheges in den Unterhölzern nieder, schießen rund 50 Stück Wild ab und rauben den fürstlichen Forstaufseher aus. ,,Nun standen wir ganz verlassen zwi­ schen freund- und feindlichen Trouppen und zitterten vor Angst über das uns bevor­ stehende Schicksal“ [111]. Man hielt es in Donaueschingen für ratsam, jetzt eine Depu­ tation zu dem „Frankengeneral“ nach Villin­ gen zu entsenden. Sie kam mit der Nachricht zurück, die Franzosen hätten bei ihrem Ein­ marsch in Villingen Kaufläden und Wirts­ häuser geplündert, und man riet, in Donau­ eschingen entsprechende Vorsorge zu tref­ fen. Im übrigen versprach GeneralJordis, die Franzosen kämen als Freunde und Brüder und würden jedes Bürgers Person und Eigen­ tum schützen [120]. Bald stellte sich heraus, daß man an den falschen geraten war: Jordis zog nämlich mit seiner Armee in Richtung Hochemmingen -Tuttlingen weiter; Donau­ eschingen hingegen wurde am 28.Juli von der Armee des Generals Ferino besetzt, die mit 14 000-15 000 Mann von Neustadt­ Löffingen her anrückte. Bei ihrem Ein­ marsch sah man „von hier bies Hüfingen … nichts als eine blaue Reihe von Trouppen und Kanonen“ [126]. Leider hatte man einen Fehler begangen: Man war dem Herrn, pardon dem Bürger General nicht entgegengezogen, um ihn mit einer hübschen Summe Geldes wohlwol­ lend zu stimmen. Die Folge war, daß er trotz des schönen Sommerwetters kein Lager auf­ schlug, sondern verlangte, daß alle seine Sol­ daten in Donaueschingen einquartiert wür­ den. So „traff es den ärmsten Bürger [mit] wenigstens 12 Mann, jeden Beamten [mit] 3-4 Officiers, und die Residenz war gesteckt voll.“ Täglich wurden 3 000 Flaschen Wein und 6 000 Flaschen Bier gefordert. Außer­ dem mußten sofort 1 600 Paar Schuhe abge­ liefert werden. Der Ziegler an der Dürrhei­ mer Straße wurde von plündernden Solda­ ten erschossen. Die Franzosen schimpften über das Pferdefutter, das ihnen in Donau­ eschingen geliefert wurde, ,,das Brod war nicht weis genug, bald nicht ausgebacken“ [129]. Kurzum, man merkte bald, daß man um eine größere Ausgabe nicht herumkam, wenn man den General bei Laune halten wollte, und so schickte man ihm am folgen­ den Tag doch noch ein Präsent von 1 000 Louisdors. Die Wirkung blieb nicht aus: Der General befahl strengste Manneszucht und vor allem den Abmarsch für den folgenden Tag. So „brache endlich die ganze Armee, unter deren Truck wir hier 3 Täge lang ge­ schmachtet, auf und zog sich nach Engen . . . Alles war frohe, dieser sauberen Gäste loß zu seyn“ [130 f.]. Allerdings währte die Freude nicht lange. Der Rückzug der kaiserlichen Armee war ein strategisches Manöver gewesen. In Bayern wurden die Franzosen von Erzherzog Carl zur Umkehr gezwungen, und Moreau orga­ nisierte seinen berühmten Rückzug durch den Schwarzwald. So tauchten seine Trup­ pen Anfang Oktober wieder auf der Baar auf, viele von ihnen in erbärmlichem Zustand. Am 9. kam es vor Villingen zunächst zu einem Gefecht, dann zu einer mehrstündi­ gen Kanonade, wobei die Franzosen von der Wanne, die Kaiserlichen mit zwei Geschüt­ zen vom Bickeberg her feuerten. Nachdem die Franzosen sich durchgesetzt hatten, drangen sie in die Stadt ein und nahmen den Leuten auf offener Straße Geld, Kleidung und Uhren weg. Kaum waren die Franzosen wieder abgezogen, rückten auch schon 7 000 Mann kaiserliche Kavallerie heran und muß­ ten ebenfalls von den Bürgern umsonst ver­ pflegt werden. Freund oder Feind – aus der Sicht der Einheimischen gab es kaum einen Unterschied, die einen waren eine ebenso große Plage wie die anderen. So endete das Jahr 1796 in allgemeiner Be- 127

drückung. Zwar wurde der Krieg 1797 durch den Friedensschluß von Campo Formio beendet. Aber bereits zwei Jahre später brach er wieder aus und legte den Menschen auf der Baar erneut die Belastungen auf, die manchen schon 1796 an den Rand des Ruins Michael Tocha getrieben hatten. Quelle: Alle Zitate aus:]. P. Merk, Tagebuch über die täglichen Kriegsvoifallenheiten 1789 bis 1798. Hrsg. v. F L. Baumann, in: Schriften des Vereins für Geschichte und Naturge­ schichte der Baar Vl, 1888, S. 91.ff. Das Triberger Malefizgericht und der unselige Galgen Erinnerungen an grausame und leidvolle Zeiten rund um Triberg Heute führt eine moderne Straße unmit­ telbar an zwei verwitterten, doch gut erhalte­ nen, sich verjüngenden Sandsteinsäulen vor­ bei, oben auf der Hochfläche, nicht weit vom Stöcklewaldturm: das ist die frühere Triberger Richtstätte, der sagenumwobene Galgen. Er steht in einer kleinen Lichtung auf einer flachen, kleinen Hochfläche, ein­ gerahmt von hohen Bäumen. Schicksale haben sich am Triberger Gal­ gen erfüllt und der Geschichten darüber gibt es viele. Mit den Jahren und Jahrzehnten haben sich manche Gedanken, Vorstellun­ gen und verklärende Zierrate hinzugesellt; aber steht man nachdenklich zwischen den beiden makabren Sandsteinpfosten, so weht einen auch heute noch ganz leise ein seltsa­ mer Hauch an. Manche Strauchdiebe und Schelme haben am „Tryberger Galgen“ ihr Leben beenden müssen. Für ältere Mitbürger von Triberg, Schön­ wald, Furtwangen und der umliegenden Orte ist der geschichtliche Themenkreis „Tri­ berger Malefizgericht und Galgen“, gespeist aus Gerichtsakten, Aufzeichnungen und mündlichen Überlieferungen, in guter Erin­ nerung. Der Blick in eine oft grausame Ver­ gangenheit in unserer Raumschaft wird durch vielfältige Urteile, Protokollberichte, Schilderungen von Gerichtsabläufen und Gerichtstagen gesichert und belegt. Am Ende vieler Prozesse in jenen Jahren stand in den meisten Fällen das Urteil: ,,Der Delin- 128 Das „Richtschwert“ der Triberger Herrschaft aus dem 18.Jahrhundert (1721-1779)

Triberg, 685 m ü. M., bad. Schwarzw., Der Marktplatz von Süden nach Norden. Die Aufnahme düifte um 1880 entstanden sein. quent ist vom Leben zum Tode zu bringen.“ Wie angedeutet: Mit den Jahren hat die Volksseele, aus welchen Beweggründen auch immer, manche großzügigere Auslegung von jenen Geschehnissen hingenommen. Manchesmal könnte man an der Frage ,‘;llar es wirklich so?“ nicht ganz vorbeikommen. Die Jahre und Jahrzehnte verklärten man­ ches. Geblieben ist durch alle Zeiten mit Sicherheit die Erkenntnis, daß es – zumin­ dest ausgehend vom Mittelalter – auch in unserer Raumschaft vernichtende und men­ schenverachtende Prozesse und Urteile gege­ ben hat, denen viele Menschen auf mannig­ fache Weise zum Opfer gefallen sind. Vergli­ chen mit jenen Untaten, die sie mit ihrem Leben bezahlt haben, sind ihre Vergehen heute kaum mehr als Kavaliersdelikte. Triberger Malefizgericht und Galgen gehören zusammen Was über die Geschichte des „Galgen“ durch alte Schriftstücke belegt ist, hat der Tri- berger Heimatforscher Wilhelm Maier (Mit­ verfasser der „Geschichte der Stadt Triberg“, erschienen 1964) zusammengetragen. So sind beispielsweise noch Aufzeichnungen über die Beköstigung der Handwerker vor­ handen, die im Jahre 1700 einen hölzernen und um 1721 den steinernen Galgen aufrich­ teten. Auch berichten die Akten über eine Hinrichtung am Galgen im Jahre 1776. Damals wurde der „ wegen Schelmereien und Diebstählen“ schwer belastete Josef Klaus aus Niederschopfheim (,,Oppenauer-Seppl“ genannt) zum Tode durch den Strang verur­ teilt, nachdem er schon 33 Wochen schwere Kerkerhaft verbüßt hatte. Der Henker voll­ streckte das Urteil an dem 25jährigen Übeltä­ ter in Gegenwart einer großen Volksmenge am 17. Mai 1776. Den Zuschauern sollte der Vollzug einer solchen Strafe als Abschrek­ kung dienen. Die letzte Hinrichtung am Tri­ berger Galgen fand wohl am 23. November 1779 statt, als der 30 Jahre alte Johann Fackler aus Osterberg (entweder Osterberg bei Iller- 129

Aufnahme vom Tn“berger Marktplatz aus den zwanziger Jahren. Hier war der Schauplatz der berüch­ tigten „Malefizprozesse“ im 18.jahrhundert. rissen oder bei Erfurt} dort den Tod fand. Mit dieser Art der Todesstrafe ahndete man in jenen Jahren vor allem den nächtlichen Diebstahl. Kaiser Karl V. führte das Römische Recht em Als das Römische Recht in Deutschland Aufnahme fand, hielt auch der lnquisitions­ prozeß seinen unheilvollen Einzug. Kaiser Karl V. (1500-1558) führte des „Heiligen Römischen Reiches Peinliche Gerichtsord­ nung“ im Jahre 1532 ein. Siebenerlei Todesstrafen hielt die reichs­ gesetzliche Bestimmung für Zauberei bereit. Das war die „Hoch-Zeit der Malefizpro­ zesse“. Hinrichtung durch Feuer, durch das Schwert, durch Vierteilung, durch das Rad, durch Erhängen, Ertränken und lebendiges Begraben. Die Furie des Dreißigjährigen Krieges zeitigte traurige Verirrungen des 130 menschlichen Geistes. Über einhundert Hexenprozesse zieren die Annalen des grau­ samen Obervogts Fabri von Triberg. Noch heute gibt es den Ankenbühl Im Jahre 1625 wurde die Bäuerin Agathe Ketterer aus dem Lehmannsgrund in Güten­ bach als eine Hexe gefangen und nach Tri­ berg geschleppt. Sie wurde beschuldigt, den Bauern ihre Kühe zu verzaubern, so daß diese nur blaue Milch gäben, während die Hexe selbst reichlich Butter mache. Den Anken, warf man ihr vor, mache sie nachts auf dem Bühl. Der Gewanname heißt heute noch ,,Ankenbühl“. Die Bäuerin wurde durch Folter zu einem Geständnis gepreßt und auf dem Marktplatz in Triberg öffentlich ver­ brannt. Das gleiche Schicksal traf den Bau­ ern auf dem oberen Fallengrund in Güten­ bach (gehört heute zu Neukirch). Auch er wurde der Zauberei beschuldigt und da er bei

Der „ Galgen“ bei der Fuchsfalle. Der Blick geht nach Norden, Richtung Hausach. Auf diesem Bild fehlt der Querbalken, der heute vorhanden ist (siehe Bild rechts). der Folter nicht so hartnäckig war, mußte er durch das Schwert des Henkers sein Leben lassen. Das Richtschwert befindet sich heute im Triberger Schwarzwaldmuseum. Vom Fallengrundbauern erzählt die Sage, er habe vor seiner Hinrichtung zu seinen Peinigern gesagt: ,,Wenn ich nach meinem Tode hinkomme, wo Gott ist, so will ich ihn bitten, auch mein Kind zu sich zu nehmen.“ Und wirklich, fünf Wochen nach seinem Tode starb der Knabe. Das Malefizgericht tagte auf dem Triberger Marktplatz Versammlungsort des „Malefizgerichtes“ war wohl immer der Marktplatz in Triberg (zu der damaligen Zeit Tryberg). Wichtig ist es, zu wissen, daß es damals kein Strafgesetz­ buch gab, vielmehr geschriebenes und unge­ schriebenes deutsches Volksrecht, was – mit kleinen Abweichungen – in ganz Deutsch- land Geltung hatte. Es war hart und streng und entsprang dem Bedürfnis, den damals zügellosen Zeiten ein Ende zu bereiten. Das Urteil sollte abschreckend wirken, daher wurde es öffentlich vollzogen. Man darf auch nicht übersehen, daß es damals, mit Ausnahme der Stadttürme, weder Gefängnis noch Zuchthäuser gab. In den heute noch vorliegenden Akten ist vor 1500 keine Hin­ richtung in Triberg amtlich nachzuweisen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß es keine Hinrichtungen gegeben hätte. Triberg war im Mittelalter ein richtiger Kleinstaat; zu ihm gehörten Burg und Stadt Triberg sowie die zehn Landgemeinden Nie­ derwasser, Gremmelsbach mit Burg Alt­ Hornberg, Nußbach, Schönwald, Schon­ ach, Rohrhardsberg, Gütenbach, Neukirch, Furtwangen und Rohrbach. Dieser Klein­ staat hatte ein eigenes, selbständiges Ge­ richtswesen. Es bestand aus neun Nieder- 131

gerichten, von denen sich eines in der Stadt und die anderen als Dorfgerichte in den Landgemeinden befanden. Dazu kam das gemeinsame Hochgericht für den nörd­ lichen Herrschaftsbereich von Niederwasser bis Schönwald. Es hatte seinen Sitz in Triberg, unterstand aber nicht dem Stadtgericht. Dieses „Landgericht“ tagte allgemein zweimal im Jahr und zwar als Ding-Gericht um Johanni und um Weihnacht. Es handelte sich bei diesen Sitzungen meistens um die Kontrolle der gegenseitigen Rechte und Pflichten zwischen Landesherren und Un­ tertanen. Peinlich wurde es erst, wenn es sich mit Untaten, den sogenannten „malefizi­ schen Händeln“ befassen mußte. In diesen Fällen hieß es Malefizgericht, Blutgericht oder Hochgericht. Im Sinne des Volkes bedeutete das Hochgericht der Galgen. Hier wurden „die zum Galgen Verurteilten“ hin­ gerichtet, während die Urteile, die Rad, Feuer, Schwert oder „Schwert und Feuer“ als Todesart vorsahen, ihre Vollstreckung auf dem Triberger Marktplatz fanden. Eine genau festgestellte Hinrichtung, die aktenmäßig (d. h. handschriftlich verfertigt und im Schwarzwaldmuseum Triberg zu besichtigen) belegt ist, erfolgte auf dem Tri­ berger Marktplatz am 26. April 1686. Die umfangreiche Akte trägt den Titel: Kriminal­ prozeß gegen). Duffner vom 26. 4. 1686 in Triberg mit Hinrichtung. Ein lediger, junger Mann aus Furtwangen namens Josef Duff­ ner, der im Zinken Katzensteig tätig war, wahrscheinlich als Hirte oder Hütebub, wurde schwerer sittlicher Verfehlungen an­ geklagt und am 16. März 1686 von vier kräfti­ gen Männern von Furtwangen nach Triberg ins Rathaus abtransportiert, wo er dem Stadt­ knecht in Gewahrsam gegeben wurde, der angewiesen war, ihn gut zu verpflegen, wozu auch Wein gehörte. Als amtlicher Kläger (heute Staatsanwalt) fungierte nach altem Herkommen der Stadtschreiber von Elzach. Sein Name ist nicht bekannt. Schultheiß in Triberg war damals Jakob Schmied, Amts­ schreiber war Johann Ketterer und Stadt­ knecht war Jakob Ketterer. 132 Am 21. März 1686 kam der österreichische Hofadvokat Dr. Meyer zu Pferd von Walds­ hut nach Triberg geritten, wo er im „Löwen“ �artier nahm und drei Tage verblieb. Im Beisein von ObervogtJosefHeinrich Moser und dem Amtsschreiber Johann Kettererver­ hörte er als Untersuchungsrichter den Ange­ klagten. Als die „Siebner“, das sind sieben Personen, die als Zeugen gegen den Ange­ klagten dienten, gegen ihn aussagten, schien Josef Duffners Schicksal besiegelt. Sie alle bestätigten unter Eid, daß der Angeklagte des bezichtigten Verbrechens schuldig sei. Das Malefizgericht gegen Josef Duffner wurde auf den 26. April 1686 festgesetzt. Der Schultheiß, in der Hand den Richterstab, leitete die Verhandlung. Der Stadtschreiber von Elzach erhob die Anklage, die „Siebner“ gaben ihre Erklärung ab. Zwei Fürsprecher waren zugegen; einer sprach für den Ange­ klagten, der andere gegen ihn. Die zwölf Richter wurden befragt, danach verfaßte der Amtsschreiber das „Endurteil“: ,,Nach der gemeinen Gewohnheit und nach § 116 der Peinlichen Gerichtsordnung muß der Delin­ quent mit dem Feuer vom Leben zum Tode gerichtet werden.“ Es wurde ihm eine „Straf­ milderung“ gewährt. Josef Duffner wurde zuerst enthauptet und anschließend ver­ brannt. Der Schultheiß erhob sich von sei­ nem Richterstuhl, zerbrach den Stab und übergab den Verurteilten dem Scharfrichter, der nach dem Urteil, und seinem Eide gehor­ sam, an ihm handelte. Gnadenerweis am Galgen – nicht immer willkommen Bei den Hinrichtungen am Galgen war auch ein Gnadenerweis in letzter Minute üblich, wenn die nötigen Voraussetzungen dafür erfüllt waren. So sollte einmal ein 19jähriger Mann den Tod am Galgen sterben. Er hatte schon den Strick um den Hals, als sich der Henker an das zuschauende Volk wandte und erklärte, daß dieser ledige junge Mann begnadigt würde, falls sich unter den Zuschauern „ein jungfräuliches Wesen“ be­ finde, das bereit sei, den Todgeweihten zu

merei“. Er hatte auf Geheiß seiner Mutter einige Nähnadeln gestohlen, die in jener Zeit erfunden wurden und deshalb eine Kostbar­ keit darstellten. Der „Schelm“ wurde er­ wischt und nach monatelangem Kerker zum Tod am Triberger Galgen verurteilt. Unter dem Galgen fragte der Henker den Todge­ weihten, ob er einen letzten Wunsch habe. Der Verurteilte äußerte den Wunsch, seiner Mutter, die sich unter den gaffenden Zu­ schauern befand, einen Abschiedskuß geben zu dürfen. Der Wunsch wurde gewährt, er stieg vom Gerüst herunter, näherte sich sei­ ner Mutter. Er umarmte sie, aber anstatt sie zu küssen, biß er ihr die Nase aus ihrem Gesicht und sprach: ,,Mutter, Du hast mich zum Stehlen verleitet, Du bist schuldig, daß ich hier am Galgen sterben muß und nun hast Du auch Deine Strafe.“ Dann trat er wie­ der unter den Galgen und starb. Epilog Bald zwei Jahrhunderte sind vergangen oder noch mehr, seit sich diese Geschichten um „Malefizgericht und Galgen“ ereignet haben. – Geblieben ist die Erinnerung an eine böse Zeit, die man sich heute kaum noch in dieser Form vorstellen kann. – Geblieben und unverändert schön ist der weite Blick vom Galgen in den nördlichen Schwarzwald. – Geblieben ist die Erkenntnis, wie wunder­ voll diese Schwarzwaldheimat ist. – Geblieben ist jenes unaussprechliche Ge­ fühl tief drinnen, das einen beim Schauen erfüllt. Und geblieben ist wohl auch das leise Gefühl der Wehmut für viele todgeweihte Menschen und die stumme Bitte, daß sie nun alle „daheim“ sein dürfen. Alexander Jäckle 133 heiraten. Da ertönte von unten eine kräch­ zende Stimme und rief: ,,Henker, laß‘ Gnade walten, ich möchte den Mann ehelichen.“ Der Henker löste den Strick vom Hals des Todeskandidaten und ließ ihn vom Gerüst heruntersteigen. Da trat aus der Menge ein „steinaltes Jüngferle“ heraus, schon weit nach vorn gebeugt, mit spitzer Nase und einem faltigen, zahnlosen Mund. Erschreckt über soviel Häßlichkeit drehte sich der Todeskandidat zum Henker um, machte mit der Hand die bezeichnende Bewegung des „Hängens“ und sprach laut und deutlich, so daß es alle hören konnten: ,,Hängen“ – stieg wieder auf das Gerüst und starb. Wieder einmal mußte ein junger Mann am Galgen sterben und zwar wegen „Sehei-

Zeitungskampf auf der Baar Das Donaueschinger Tagblatt im Strudel von Wirtschaftskrise und nationalsozialistischer Pressekonzentration (1932-1936) Im Almanach 94, Seite 110-114, wurde der Weg des „Donaueschinger Tagblatts in den National­ sozialistischen Staat“ nachgezeichnet. Der diesjährige Beitrag ist die Fortsetzung jenes Beitrages und vertieft die Zeit von der Macht­ übernahme 1933 bis zum endgültigen Erlöschen des Donaueschinger Tagblattes im fahre 1936. Es geht um den wirtschaftlichen Konkurrenz­ kampf der Nationalsozialistischen Presse und des Donaueschinger Tagblattes, um das aussichtslose Bemühen der Gesellschafter, das Blatt über die Runden zu bringen. ,,An unsere Leser und Freunde! Nach den allgemeinen Verlautbarungen der Regierungsstellen im Reiche und in den Ländern, kann Niemand verwehrt werden, das Donaueschinger Tagblatt, das alte Heimatblatt zu bestellen. Wer als Werber durch Druckmittel die Abbestellung des Blattes erreichen will, dem sage man, daß er die Grenzen des freien Wettbewerbes unbefugt über­ schreitet u. gegen das Gesetz verstößt. Man lasse sich nicht einschüchtern und halte nach wie vor die Zeitung, die dem Leser gefällt und das ist doch das Donaueschinger Tagblatt“. [. . .] Redaktion und Verlag des Donaueschinger Tagblatts bringen in dieser für heutige Ver­ hältnisse ungewohnten und wenig nachvoll­ ziehbaren Mitteilung vom 11. August 1933 ihre Besorgnis zum Ausdruck, die aus einer unmittelbaren Bedrohung der wirtschaftli­ chen Existenz des Blattes herrührte. Überall im Reich eröffneten im Sommer und Spät­ sommer 1933 die nationalsozialistisch ge­ führten Zeitungen und Gauverlage die Jagd auf die Abonnenten der bürgerlichen Pro­ vinzpresse. Zeitungen wurden zu jener Zeit 134 üblicherweise noch an der Haustür bestellt und auch bezahlt. Vor allem in landwirt­ schaftlich geprägten Gebieten haben die Bauern während der arbeitsreichen Sommer­ monate die Zeitung oftmals abbestellt, da ihnen kaum Zeit zum Lesen übrig blieb. Monat für Monat mußte erneut um die Abonnenten geworben werden. Die Sitten im Zeitungsgeschäft waren schon in der Weimarer Republik ziemlich rauh gewesen, doch die Werbemethoden der nationalsozialistischen Presse mündeten in einen regelrechten Zeitungskampf. Werber in SA-Uniform und mit „schwarzen Listen“ der Bezieher gegnerischer Blätter ausgestat­ tet zogen von Haus zu Haus. Die braune Arbeitskleidung verfehlte ihre Wirkung nicht, und wer keinen Grund sah, seine alte Zeitung abzubestellen, dem wurde Gewalt ange­ droht. In der Folge häuften sich die Be­ schwerden der genötigten Zeitungsleser. Auch auf der Baar wurden die Bezieher des bürgerlich-demokratischen Donaueschinger Tagblattes diesem physischen und morali­ schen Druck ausgesetzt. Bereits in den Jahren 1931 und 1932 hatte das zum Nationalsozialismus konvertierte Schwarzwälder Tagblatt in Furtwangen der bürgerlichen Presse der Region wiederholt gedroht. Am 30. Dezember 1931 zitiert der Verlag des Donaueschinger Tagblattes „einen Ausspruch des Schriftleiters des Schwarzwäl­ der Tagblattes [ … ], der lautet: Wenn wir erst einmal am Ruder sind, dann werden wir ver­ bieten.“ In der Ausgabe des Donaueschinger Tag­ blatts vom 17. Februar 1932 gibt die Redaktion Auszüge eines Artikels des Schwarzwälder Tagblatts wieder, der mit polemischen Äuße­ rungen gespickt ist. So hatte das Schwarzwäl­ der Tagblatt am 13. Februar geschrieben:

kolonnen“ waren vielfältig und wirkten oft unterschwellig; sie gingen bis hin zu Ver­ leumdungen, böswilligen Unterstellungen und der Verbreitung geschäftsschädigender Gerüchte. Am 22. September 1933 warnte das Donaueschinger Tagblatt seine Leser davor, solchen Aussagen Glauben zu schenken. ,, Wie uns mitgeteilt wird, werben auswär­ tige Personen am hiesigen Platze gegen das Donaueschinger Tagblatt mit der Behauptung: es hätte keinen Wert, das Donaueschin­ ger Tagblatt zu bestellen, am 1. Oktober ginge es ein. Wir warnen vor dieser Wer­ bungsmethode und verweisen auf das bestehende Verbot: sich über Zeitungen von Mitgliedern des Vereins südwestdeutscher Zeitungsverle­ ger, dem wir angehören, sich in wahr­ heitswidriger, herabsetzender oder ver­ ächtlichmachender Weise zu äußern. Das Donaueschinger Tagblatt wird, was wir unseren Lesern in aller Form mittei­ len auch am 1. Oktober 1933 weiter er­ scheinen.“ Das Donaueschinger Tagblatt versuchte, sich mit der Veröffentlichung geschickt aus­ gewählter, informeller Bekenntnisse zur Hei­ matpresse aus dem Munde von NS-Funktio­ nären gegen die Angriffe auf seine wirtschaft­ liche Existenz zu wehren. Unter der Schlag­ zeile „Boykottmaßnahmen gegen bürgerli­ che Zeitungen untersagt“ bringt das Donau­ eschinger Tagblatt am 17.Juli 1933 auf der Titel­ seite den Wortlaut eines Telegramms des Reichsarbeitsministers an sämtliche Treu­ händer der Arbeit: „Reichsleitung der NSDAP hat Gauleiter und Gauzeitungen angewiesen, Boykott­ maßnahmen und Zwangsandrohungen gegen bürgerliche Zeitungen zu unterlas­ sen und alle in dieser Richtung ergange­ nen Aufrufe zurückzuziehen. Bitte Treu­ händer, an Durchführung dieser Maß­ nahme mitzuwirken.“ Einen Tag nach dem Appell an seine ,,Leser und Freunde“, den Einschüchterun- 135 Im Handelsschulgebäude in der Augustastraße in Donaueschingen waren Redaktion und Drucke­ rei des Tagblatts bis 1934 untergebracht. „Wahr ist allerdings auch, daß wir der Journaille‘ des sterbenden Systems im­ mer den Vorwurf machen werden, daß sie das Erwachen der deutschen Volksge­ nossen mit den infamsten Mitteln der Lüge, Verleumdung und Verdrehung zu verhindern versucht hat.“ Diese unverhüllten Drohungen richteten sich eindeutig gegen das Donaueschinger Tag­ blatt und den Donauboten in Donaueschin­ gen. Die ,Journaille“, das war im Sprachge­ brauch der Nationalsozialisten die gesamte gegnerische Presse, insbesondere jene, die angeblich in irgendeiner Form kapitalabhän­ gig war. Denn nach Lesart der nationalsozia­ listischen Propaganda hatte sich die Presse im „System“ der Weimarer Republik voll­ ständig dem „jüdisch-marxistischen“ Groß­ kapital ausgeliefert. Die Methoden der braunen „Drücker-

gen zu widerstehen und dem Blatt weiter die Treue zu halten, macht das Donaueschinger Tagblatt am 12 . August 1933 erneut auf die Unzulässigkeit derartiger Konkurrenzme­ thoden aufmerksam und zitiert zu diesem Zweck den stellvertretenden Reichspresse­ chef mit der Aussage, daß „die Regierung [ … ] von jetzt an jeden Versuch den Konkur­ renzkampf mit den machtpolitischen Mit­ teln zugunsten der Parteizeitung zu führen, aufs schärfste bekämpfen [werde], … „. Dem verantwortlichen Schriftleiter des Donaueschinger Tagblattes, Anton Rehse, war aber bereits wenige Wochen nach der Macht­ übernahme bewußt, daß sich seine Zeitung nicht lange gegen den Druck der national­ sozialistischen Presse halten konnte. Wie Anton Rehse bei einer Zeugenvernehmung nach dem Krieg selber aussagte, fuhr er im Mai 1933 heimlich nach Karlsruhe und erkundigte sich beim Pressereferenten der Badischen Regierung nach den Überlebens­ chancen der Zeitungen, „die in Opposition gegen die NSDAP standen“. Die Antwort des Pressereferenten )ieß keinen Zweifel darüber, daß die in Opposition gestandene bürgerliche Presse keine Fortkommensmög­ lichkeiten mehr habe“. Die wirtschaftliche Situation des Donau­ eschinger Tagblatts hatte sich als Folge der all­ gemeinen Wirtschaftskrise bereits vor der nationalsozialistischen Machtübernahme er­ heblich zugespitzt. Die Umsätze des Verlags waren seit 1927 permanent zurückgegangen und für 1932 mußte Geschäftsführer Frech einen Verlust von 7000 Rentenmark auswei­ sen. Die Lage verschlechterte sich 1933 noch­ mals katastrophal; auch ein „Darlehen“ des ehemaligen Reichsministers und Gesell­ schafters Hermann Dietrich in Höhe von 10 000 RM konnte das Blatt nicht lange über Wasser halten. Wie der ehemalige Minister später in einer Zeugenvernehmung angab, rechnete er von vornherein damit, ,,daß es sich um einen verlorenen Zuschuß handeln würde, wie dies dann auch der Fall war“. Mit einer Auflage von nicht viel mehr als 1200 Exemplaren im November 1933 war das Blatt nicht länger überlebensfähig. Noch 1932 hatte die Auflage einschließlich des Bregtalboten bei 2000 bis 2500 Zeitungsexem­ plaren gelegen. Mitte der 20 er Jahre hatte das Blatt einmal über eine Auflage von gut und gerne 3000 Exemplaren verfugt. In gleichem Maße wie die Abonnentenzahl gingen auch die Anzeigenaufträge zurück. Redakteur „Toni“ Rehse erinnerte sich 1951 , daß sich die in der Druckerei beschäftigten Mitarbeiter bei ihm über die Hereinnahme von „Insera­ ten gegen Entlohnung in Naturalien“ be­ schwert hatten. Die Gründe für den wirt­ schaftlichen Niedergang beschreibt Ge­ schäftsführer Georg Frech in einer „Denk­ schrift“ vom 3 .Januar 1934: „Die hier zahlreichen Ämter, wie aber auch die auf diesen Ämtern tätigen Be­ amten haben mit wenigen Ausnahmen das Donaueschinger Tagblatt abbestellt, und zwar die Ämter bis auf3 Ausnahmen von Amts wegen. Sie haben auf Anre­ gung das in Furtwangen im Druck herge­ stellte nat. soz. Schwarzwälder Tagblatt bestellt. Eine im Monat Oktober durch­ geführte Werbung des Schwarzwälder Tagblattes, bei der die Werber allerlei un­ haltbare Gerüchte über unsern Betrieb ausgesprengt haben, hat uns ebenfalls Schaden in Abbestellungen gebracht.“ Ein schwerer Schlag für das Donaueschin­ ger Tagblatt war der Entzug der bezahlten Aufträge für die amtlichen Bekanntmachun­ gen der Stadtgemeinde Donaueschingen und des Bezirksamtes. Georg Frech beklagt in seiner „Denkschrift“ außer dem finanziel­ len auch den damit verbundenen Prestige­ verlust: „Auch die Stadt Donaueschingen will uns nur noch gestatten, die Bekanntma­ chungen im neuen Jahre zwar abzudruk­ ken, sie will aber dafür nichts bezahlen, sie hat uns auch im alten Jahr die Vergü­ tung ab April verweigert. Der Ausfall der amtlichen Bekanntmachungen macht bei uns den Lohn aus für 3 Angestellte neben dem Schaden, der sonst aus psy­ chologischen Gründen entsteht, wenn 137

wir die amtlichen Bekanntmachungen nur nachdrucken dürfen.“ Die NSDAP hatte schon bald nach den Reichstagswahlen vom März 1933 erkannt, daß sie der verhaßten bürgerlichen Presse durch den Entzug der bezahlten Bekannt­ machungen schweren Schaden zufügen konnte. In den neu zusammengesetzten Stadt- und Gemeinderäten der deutschen Provinz stellte sie daher Anträge, den Auf­ trag zur Veröffentlichung der amtlichen Mit­ teilungen nunmehr einzig und allein an die NS-Presseorgane zu vergeben. Die niederen Funktionäre, Ortsgruppen- und Kreisleiter der NSDAP, übten auf diese Weise Rache für die Demütigungen, die ihre Blätter erleiden mußten, als die Nationalsozialisten noch nicht an der Macht waren. Als das Schwarzwälder Tagblau zum Bei­ spiel Ende 1931 mit einem fünftägigen Erscheinungsverbot belegt worden war und den Entzug der Bekanntmachungen hinneh­ men mußte, hatte es dafür das Donaueschin­ ger Tagblatt verantwortlich gemacht. Dessen Verlag hatte jedoch auf diese Anschuldigun­ gen am 30. Dezember erwidert, daß es nicht stimme, „daß das Donaueschinger Tagblatt a. den Entzug der amtlichen Bekannt­ machungen b. und im Zusammenhang damit auch die Änderung des Untertitels: ,amtli­ ches Verkündigungsblatt‘ beim Mini­ sterium und Bezirksamt veranlaßt hat. Das hat sich alles die Schriftleitung des Schwarzwälder Tagblattes als Kampf­ blatt, wie es sich jetzt bezeichnet, selbst eingebrockt.“ Die durch die allgemein schlechte Wirt­ schaftslage zugespitzten finanziellen Ver­ hältnisse des Donaueschinger Tagblattes wur­ den durch die Terrormethoden der national­ sozialistischen Konkurrenz soweit ver­ schärft, daß der Verlag Ende 1933 keine andere Möglichkeit mehr sah, als die Verlags­ rechte zum 1.Januar 1934 auf die Konstanzer Zeitung zu übertragen und die Zeitung im Lohndruck herstellen zu lassen. 138 Zuvor hatte es jedoch einen ersten Über­ nahmeversuch des Schwarzwälder Tagblattes gegeben, der unter nicht näher erläuterten Umständen zum Scheitern gebracht werden konnte. Georg Frech schildert den Vorgang in seiner „Denkschrift“: „Am 28. November trat die NSDAP durch Herrn Amtsgerichtsrat Dr. Schmoll .. . an mich heran zwecks Aufnahme von Verhandlungen wegen Erwerb des Blat­ tes mit Gebäude durch die NSDAP mit dem Zwecke, das Schwarzwälder Tag­ blatt in Furtwangen nach Donaueschin­ gen zu verlegen. Ich mußte mich auf diese Verhandlungen einlassen, weil ich mich vor dem Vorwurf, daß ich keine Gelegenheit gegeben habe, die Arbeiter weiter wenn auch in anderer Form zu beschäftigen, schützen mußte.“ Der aus purer Not heraus gebildeten „Interessengemeinschaft“ mit der Konstanzer Zeitung hatten sich in den Wochen und Mo­ naten zuvor bereits der Seebote in Überlin­ gen, die Meßkircher Zeitung, das Stockacher Tagblatt und die Oberländer Zeitung in Singen angeschlossen. Am 18. Mai 1935 werden Grundstück und Verlagsgebäude in der Augustastraße für 39 000 RM an die Stadt Donaueschingen verkauft; seit dem 24. Ok­ tober 1935 erscheint das Donaueschinger Tag­ blatt schließlich nur noch als Bezirksausgabe der Konstanzer Zeitung. Anfang 1936 hat die nationalsozialistische Presse ihr Ziel erreicht: Die Konstanzer Zei­ tung fällt an das NS-Organ Bodensee-Rund­ schau; das Donaueschinger Tagblatt und der Donaubote Donaueschingen gehen auf den neugegründeten und parteieigenen Verlag des Schwarzwälder Tagblattes über, dessen Erscheinungsort von Furtwangen nach Vil­ lingen verlegt wird. Am 31. Januar 1936 erscheinen in der Konstanzer Zeitung die Nachrufe auf zwei ehemals traditionsreiche Blätter im Südwesten Deutschlands. Das Donaueschinger Tagblatt richtet sich ein letztes Mal an seine Leser: ,,Mit Ende des Monats stellt das Donau­ eschinger Tagblatt sein Erscheinen nach

157jährigem Bestehen ein, nachdem auch die im Jahre 1727 gegr. Konstanzer Zeitung, in deren Verlag unser Blatt seit 1. Januar 1934 im Drucke hergestellt wurde, ihr Erscheinen auf diesen Zeit­ punkt ebenfalls einstellen wird. Das Un­ ternehmen der Konstanzer Zeitung ist in seiner Gesamtheit an den Verlag der Boden­ see-Rundschau käuflich übergegangen. Das an uns zurückgefallene Verlagsrecht des Donaueschinger Tagblatt haben wir dem Verlag des Schwarzwälder Tagblatt übertragen. – Das Schwarzwälder Tag­ blatt wird ab 1. Februar 1936 unsere Leser beliefern. Wenn wir heute von unseren Lesern, Mitarbeitern und Geschäftsfreunden Abschied nehmen, ist es uns zugleich ein Herzensbedürfnis, allen für die wertvolle Unterstützung und opferwillige Treue aufrichtig zu danken.“ Oliver Kopitzke Vom Bau der Schwarzwaldbahn durch Gremmelsbach Den Fahrgast, der im Seelenwald zwi­ schen Gremmelsbacher Tunnel und Gum­ mambs und wieder am Forellenberg aus dem Fenster sieht, werden kaum die Probleme um die Voraussetzungen politischer, wirt­ schaftlicher und technischer Art beschäfti­ gen, die für den Bau der Schwarzwaldbahn erfüllt sein mußten; auch nicht der Gewinn einer sicheren Existenz durch die Anstellung bei der Bahn mit Aufstiegsmöglichkeiten für strebsame junge Menschen, die dann durch die hohe Verantwortung ihres Dienstes in ihrem Charakter zutiefst geprägt wurden; wenig Zeit wird ihm auch bleiben, die Folgen der verkehrsmäßigen Erschließung einer Gebirgslandschaft für ihre Einwohner zu bedenken, das Bewußtsein, für immer zur großen Welt einen kurzen, bequemen Weg zu haben, wie auch diese die Schwarzwald­ täler jetzt leicht erreichen konnte; eher mag ihn, wenn ihm die faszinierende Aussicht dafür Zeit läßt und nicht der nächste Tunnel seine Gedanken unterbricht, für Augen­ blicke die Frage bewegen, wie es möglich war, mit den Mitteln früherer Technik eine Bahn­ linie an solch halsbrecherischem Steilhang entlangzuführen. Die Planung der Strecke Homberg-Som­ merau, bereits diese eine von mehreren Vari­ anten, mit einem Höhenunterschied von 471 m aufll km Luftlinie, forderte die ganze Meisterschaft des genialen Bahnbautechni- kers Robert Gerwig. Ursprünglich hatte er in Triberg und schon wieder im nur 3 km ent­ fernten Seelenwald in Gremmelsbach, bei der Gummambs, eine Kopfstation vorgese­ hen. War nun die Oberdirektion des Wasser­ und Straßenbaues in Karlsruhe noch mit einer Spitzkehre in Triberg einverstanden, weil „ohnehin alle Züge hier halten werden“, so mußte sie eine zweite als „an einem unbe­ deutenden Ort gelegen, der für den Eisen­ bahnverkehr nicht in Betracht kommt“, ent­ schieden ablehnen. Eine Denkschrift der Gemeinden Hornberg, Triberg, St. Georgen und Villingen spottete noch 1866, es sei ein Unterschied, ,,ob eine Kopfstation an einem Platz liegt, wo großer Verkehr ohnehin län­ gere Aufenthalte veranlaßt oder ob solche bei einem einzelnen Wirtshaus oder an einer unzugänglichen Bergwand, fern von mensch­ lichen Wohnungen, angelegt werden will.“ (Kuntzemüller S. 19) Gerwig beschäftigte sich wieder mit dem Projekt und fand wenig mehr als einJahr vor Baubeginn eine Lösung (vorgetragen am 23. Dezember 1865), die danach verwirklichte Streckenführung mit dem kleinen und großen Triberger Kehrtun­ nel und dem Gremmelsbacher Tunnel, im Volksmund „Gremmelsbacher Loch“ genannt. Die Arbeiten wurden von der Oberdirek­ tion des Wasser- und Straßenbaus in Karls­ ruhe über die Großherzogliche Eisenbahn­ bau-Inspektion in Triberg, die im Gasthaus 139

,llie fif rnba�n • Bnultn anf btm .Sd)wnt}tualb. , Ori9in11f)ti�nungm bon ff. ßolltt. Eine Zeichnung: Sprengung auf der Schwarzwaldbahnstrecke, rechts Brücke über den Nußbach(?) ,,Löwen“, geleitet von Ingenieur Grabendör­ fer, ihr Büro hatte, ausgeschrieben und an selbständige Unternehmer (sog. Akkordan­ ten) vergeben, die teilweise mit ihren Arbei­ tern von weither angereist kamen, aus Ita­ lien, von Tirol, aus Württemberg usw. Von den Anstrengungen und Schwierig­ keiten aller Beteiligten läßt sich aus den Akten ein realistisches Bild rekonstruieren. Schwerste körperliche Arbeit in hartem Gra­ nit im Berg, und auffreier Strecke den U nbil­ den der Witterung ausgesetzt, hatten die Arbeiter zu leisten. Unter Termindruck stan­ den die Akkordanten, häufig lebten sie in der Sorge, ob der vereinbarte Akkordlohn ausrei­ chen oder ein zu niedrig angesetzter ihre Exi­ stenz gefährden würde. Der Gremmelsba­ cher Tunnel und die Strecke im Seelenwald bis zur Gummambs, die schwierigste auf der gesamten Schwarzwaldbahn, stellten das 140 Können und den Durchhaltewillen aller Be­ teiligt�n auf die härteste Probe. Die Akkordanten Josef Litterst, Josef Krautschneider und Konrad Gollrad waren um ihre Aufgabe an ihren Baustellen zwi­ schen Gummambs und Seelenwaldtunnel wahrlich nicht zu beneiden. Um eine nach­ trägliche Erhöhung ihres Akkords um 20 0/o zu erreichen, schilderten Litterst und Kraut­ schneider ihre Situation in glaubhafter Spra­ che. Zunächst Litterst: Zur Verteuerung trug bei, daß die Arbeiter alle Materialien wie Eisen, Stahl, Hölzer, Öl, Schienen, Rollwa­ gen usw. den Berg hinauftragen mußten. Einen Weg zur Bahnstrecke gab es nicht. Da sich zu solcher Arbeit niemand gedrängt fühlte, hatten die Akkordanten Mühe, Ar­ beiter zu finden, sie mußten sie auswärts suchen und minder geübten Leuten große Taglöhne bezahlen. Vor dem Regen suchten

Die Skizze zeigt die Varianten der Teilstrecke Hornberg- Sommerau. Sreinenbilcher .. �,—.f!.oie f j , .. ········ I I / 1 , ······….. -,,} ‚�. ….._ ,. .,..- )‘) Hornberg -··-·· – altes Gcrwigschc, Projekt (1857) schcs PruicktJ (lSo.’1) ; – Schw!n:w:1.lclbahn (ausgcnihrtcs Gc:–wi�­ j i -• -· – erstes Projekt (S:1.ucrbeck u. a) (1SJ6) i‘ —- \’cuelschcs Projekt (1962) . i •••••••• •• l!lnct·rc Tu:111(:btrecl.:c:n (OorrJO M“ederwasser ••• ••• , I / r/Sranon) •: Gremmelsbach ‚ ‚ ‚ , ‚ K ,Y\ _./ {IJ�· .·· ‚! ··� / …….. «-j6em I 1. . …………. .,. O I � – 1, j „ltf!“..:_’0….-/-j‘ :/ ·-·· , .. ,o Haldehof ! ···· …. . .. .. /( / .. .,··· ••• •• •••• Sommerau ………… � � nael, ll’///;l’l9�n die Arbeiter in ihren Wohnungen Schutz, die weit entfernt lagen, so daß sie sich oft am gleichen Tag nicht mehr an der Baustelle ein­ fanden, die Schmiede aber, die die Stoß- und Schlagbohrer zu spitzen hatten, mußten das Feuer weiterbrennen lassen. Auch dem Auf­ sichtspersonal war der volle Lohn auszuzah­ len. Die Schmiede hatten nicht einmal Was­ ser, sie mußten entweder ihre Arbeit im Tal verrichten oder Wasser über eine längere Strecke herbeiholen lassen, was die Kosten in die Höhe trieb. Der Fels war „ein schwierig zu behauender, äußerst harter Granit.“ Pro­ bleme brachte es auch mit sich, daß unmit­ telbar unter der Gummarnbs die Straße vor­ beiführte, und „dem ungehinderten Passie- ren der Postwagen, der ,Omnibusse‘ (der letzten Postkutschen) unbedingter Vorrang eingeräumt, die Sprengzeit auf ein Mini­ mum beschränkt … werden mußte .“ Dies hatte für den Betrieb schwerwiegende Fol­ gen. Die Sprengungen, die „Schüsse „, muß­ ten gleichzeitig gezündet werden, was ihre Wirkung verminderte; aber die Zünd­ schnürn versagten bisweilen, die Zeit, ,,den Schuß nochmals anzuzünden „, fehlte, und bis zur nächsten Sprengzeit war das Pulver feucht, nicht mehr zu verwenden. Mußte das Sprengen auch nur ein wenig verschoben werden oder rollte ein Stein aus Versehen die Halde hinunter, ,,so schwebt(e) die Polizei­ strafe über unserem Haupte.“ Deshalb war 141

immer eine Wache an der Straße aufzustel­ len, die Passanten und Fuhrwerke auf die Gefahr hinzuweisen hatte. Krautschneider ergänzte die Ausführun­ gen Littersts: ,,Der Transport des Materials insbesondere hat die Mehrkosten verur­ sacht, denn täglich war die Herstellung von Terrassen im Auffüllmaterial erforderlich, um das Abrutschen des Materials an der stei­ len Bergwand zu verhindern. Da ferner, um Platz für die Anschüttung zu gewinnen, das Böschungspflaster rasch aufgefüllt werden mußte und hier häufig Mauersteine mangel­ ten, so mußte man mit großer Mühe einen jeden einzelnen Stein langsam herunterlas­ sen. Die Masse des herzustellenden Bö­ schungspflasters ist überdies im Vergleich zu(r) Masse des Dammes so bedeutend, daß nicht (ein) einziger Mauerstein des besseren und leichteren Transportes wegen in kleine Stücke geschlagen werden darf. Der Trans­ port an größeren Mauersteinen kostet aber mindestens das Dreifache des Akkordprei­ ses.“ Verluste machte der Akkordant ferner beim Ausheben der Fundamente für das Böschungspflaster. ,,Die Fundamente muß­ ten in ganz losem Gerölle ausgegraben wer­ den, und da an der steilen Bergwand ein Ab­ sprießen nicht möglich war, so wurde einige­ mal die fertig hergestellte Baugrube durch herabrutschendes Gerölle gänzlich verschüt­ tet.“ Der Böschungsfuß lag 150 Fuß (über 60 m) unter der Bahnlinie. ,,Die Arbeiten wurden vom Akkordanten, wo es nur mög­ lich war, in Unterakkord vergeben, meistens aber wurden diese Akkorde des geringen Ver­ dienstes wegen bald wieder aufgelöst.“ Die schwierigste Arbeit hoffte Krautschneider hinter sich gebracht zu haben, er hoffte, den Verlust mit bevorstehender Tunnelarbeit wettmachen zu können. Ein Schreiben von Gollrad liegt nicht vor, er hatte dem wohl nichts mehr hinzuzufü­ gen. Diese unbestreitbaren Tatsachen mußte die Großherzogliche Bahnbauinspektion Tri­ berg ernstnehmen, und zwar um so mehr, als Akkordant Krautschneider wahrheitsgemäß 144 versichern konnte, mit der notigen „Ge­ schäftskenntnis“, richtigem Urteil, mit aus­ reichender Anzahl von Arbeitern immer per­ sönlich auf der Baustelle gewesen zu sein, „alle Anordnungen willig befolgt und sich angestrengt (zu haben), mit der Arbeit zur rechten Zeit fertig zu werden.“ Ingenieur Grabendörfer sah die bedroh­ liche Lage der Unternehmer und beantragte mit einem ausführlichen Bericht bei der Oberdirektion des Wasser- und Straßen­ baues eine Aufbesserung von 16 0/o der ur­ sprünglich vereinbarten Summe. Zwischen dem großen Triberger Kehrtun­ nel und dem Gummambstunnel hatte Ak­ kordant Knoblauch mit den gleichen Schwie­ rigkeiten zu kämpfen, nur daß bei ihm noch die Gefahr der Beschädigung von Häusern dazukam. Auch er machte Verluste, wenn auch nach der Berechnung der Triberger Inspektion von nur 6 %. Knoblauch argu­ mentierte, in zwei Jahren keinen Gewinn erzielt zu haben, im Gegenteil gab er einen Verlust von zunächst 3000, danach von 4000 Gulden an. Die beantragten 16 0/o Akkorder­ höhung sah Grabendörfer als ungerechtfer­ tigt an, 110/o waren nach seiner Meinung an­ gemessen. Von der Oberdirektion wurde er zu einer Erhöhung von 10 bis 110/o ermäch­ tigt, vorausgesetzt, Knoblauch war damit ein­ verstanden. Wenn nicht, bleibe es bei 6 0/o. Ein Anspruch auf Erhöhung bestehe nicht, diese werde nur „aus Billigkeitsrücksichten nach unserem freien Ermessen gewährt.“ Aber der Druck wich nicht von ihm, dies­ mal der Termindruck. Am 16. April 1872 mußte Sektionsingenieur Hof der Inspek­ tion in Triberg berichten, absehbar sei, der Ausbruch des Einschnittes werde nicht ter­ mingerecht am 15. Mai 1872 fertiggestellt sein. Darauf ließ ihm Grabendörfer eröff­ nen, nach diesem Termin werde seine Arbeit im Muggenloch einem anderen Unterneh­ mer übertragen – auf Knoblauchs Kosten und bei einer Konventionalstrafe von 10 0/o des Wertes der rückständigen Arbeit. Aber der Seelenwald bereitete der Inspek­ tion in Triberg auch oberhalb des Anwesens

,./ – ; . ,4: . /_.- Oberer Voreinschnitt des Gummambstunnels Eble Schwierigkeiten, wo Akkordant Leucht­ mann beschäftigt war. 300 Kubikruthen wa­ ren am 15. März 1872 noch zu beseitigen, der Termin (1. Januar 1872) lange überschritten. Sektionsingenieur Wenner sah die Gründe in der Person Leuchtmanns, der vor wenigen Tagen noch 35 Mann, jetzt aber auf zwei Baustellen, wo 40 Mann beschäftigt werden könnten, ganze 17 stehen habe. Im vergange­ nen Monat, der von der Witterung her be­ günstigt war, seien etwa 30 Kubikruthen Material ausgebrochen worden, gerade der 10. Teil der zu bewältigenden Masse. Es ver­ ließen trotz großen Abzugs an ihrem Lohn deshalb so viele Arbeiter die Baustellen Leuchtmanns, weil sie auf anderen im See­ lenwald besser bezahlt und behandelt wür­ den. Dort könnten Akkordanten sogar Ar­ beitssuchende auswählen und weniger taug­ liche abweisen. Leuchtmann solle am kom- menden Zahltag die Gelegenheit wahrneh­ men, um neue Arbeiter einzustellen, von denen es genug gebe. Ihm wurde eine Frist­ verlängerung bis zum l.Juli 1872 eingeräumt, sonst treffe ihn eine Konventionalstrafe, er habe an Eble bis zur Vollendung monatlich 195 Gulden zu bezahlen, innerhalb von 8 Ta­ gen erwarte man eine schriftliche Äußerung, falle diese nicht befriedigend aus, werde das Geschäft von einem anderen auf seine Ko­ sten fortgesetzt. Hier war kein Mißverständ­ nis möglich. Leuchtmann versprach, den Felseneinschnitt im Seelenwald bis zum November „volstendich vertich“ zu machen. Grabendörfer konnte jetzt großzügiger sein. Am 1. August werde festgestellt, ob Aussicht bestehe, den Novembertermin einzuhalten. Sollte dies nicht der Fall sein, werde man „ohne Ermahnung vorgehen und die Vollen­ dung auf seine Kosten verakkordieren.“ 145

So paradox es erscheinen mag, die Arbei­ ten im Berg waren bisweilen besser berechen­ bar als die Hanganschneidung und die Siche­ rung der Trasse. Der Durchschlag des Gum­ mambstunnels erfolgte am 6. Mai 1870, die Akten vermerken die Bitte, den dort Beschäf­ tigten aus diesem Anlaß einen Imbiß verab­ reichen zu dürfen, und es wurden dafür 30 Gulden bewilligt. Eine der größten Arbeiten an dieser Strek­ ke war die Herstellung des „Gremmelsbacher Tunnels“, des zweitlängsten der Schwarz­ waldbahn. Mit den längsten Tunnels wurde zuerst begonnen. Für einen Akkordanten ge­ hörte das ganze Selbstbewußtsein eines er­ fahrenen Unternehmers dazu, sich mit einer Mannschaft an das Durchbohren des Berges zu wagen. Domenico Benonet war nicht von diesem Zuschnitt. Mit ihm sei „nichts anzu­ fangen“, schrieb Sektionsingenieur Gastei- ger schon am 12. März 1870. Er scheint seine Aufgabe sehr zögerlich in Angriff genom­ men zu haben. Die Eisenbahn-Inspektion mußte ihn schon drängen, auf den 30. Mai 1870 den unteren Voreinschnitt zu vollen­ den. Ursprünglicher Termin war der l. De­ zember 1869 gewesen. Im März liefen weitere Verhandlungen über 1000 Fuß Tunnelaus­ bruch vom unteren Portal aus. Der deut­ schen Sprache nicht recht mächtig, hatte er Bedenken, diese Teilstrecke im Innern des Berges – erst im Laufe dieser Jahre setzte sich ,,das neue französische Maß“ durch – her­ auszubrechen mit Ausflüchten wie: ,,Etwas passieren, schlechte Luft, Leute nicht aushal­ ten, nicht bleiben.“ Von Anfang an forderte er auf Kosten der Bauverwaltung die Aufstel­ lung einer Dampfmaschine zum Ventilieren. Von Seiten der Inspektion war höchstens an ein Entleihen einer der im Sommerauer Tun- Oberer Teil des Gummambstunnels vor dem Durchschlag mit Eisdecke über der Sohle 146

Seelenwald mit Gummambstunnel und Räuberhöhlegebiet nel vorhandenen Dampfmaschinen zu den­ ken, ,,und zwar vorbehaltlich der Rückstel­ lung in gutem Stande.“ Benonet bekam sie nicht. Ebensowenig konnte er erreichen, daß die Länge des Voreinschnitts gekürzt wurde. Am 24. März hatte er die 1000 Fuß übernom­ men, wurde aber schon am 3.April von Sekti­ onsingenieur Gasteiger gedrängt, eine grö­ ßere Leistung zu erbringen und so viele Ar­ beiter wie zweckmäßig einzusetzen, sonst müsse man ihm den Akkord wieder entzie­ hen. Es nützte alles nichts. Benonet bekam mit dem härter werdenden Gestein im Berg immer größere Schwierigkeiten, bis der Tag nahte, da er nicht mehr weiter wußte. Am 14. Juni 1870 kündigte er den Vertrag, am 17.Juni stellte er die Arbeit ein und behielt alle Geräte unter Verschluß. Seine Entschei­ dung begründete er mit der „peinlich trauri­ gen Lage“, die sich „seit mehr als einem hal­ ben Jahr Tag für Tag verschlimmert . . . trotz aller unausgesetzter Anstrengung und rast­ loser Tätigkeit.“ Schon jetzt habe er einen Verlust von 6 bis 7000 Gulden, in wenigen Monaten wäre er mit einem Minus von 40 bis SO 000 Gulden „ein vollständig ruinierter Mann.“ Deshalb habe er schon mehrfach ,,um Enthebung dieses Geschäftes“ gebeten. (Bemerkung am Rand: ,,Unwahr“.) Die Stel­ lungnahme von Sektionsingenieur Gasteiger sah die Situation nur teilweise so. Richtig war: Das Gestein wurde härter, es war ,,fein­ körnig und sehr hart, schwer zu bohren und schlecht brechend.“ Im Januar und Februar brauchte man für ein Bohrloch von einem Fuß Tiefe 42, jetzt 65 Minuten. Nach dem Sprengen in zwei Fuß tiefen Bohrlöchern blieb immer noch ein Rest des Bohrlochs von zwei bis drei Zoll. Aber Benonet habe auch nicht die entsprechend energischen Anordnungen gegeben, etwa durch Akkord­ vergaben seine Arbeiter „zu besserer Tätig­ keit“ anzuspornen, noch habe er probiert, „mit Dynamit zu schießen.“ Im Gegenteil, es schien der Akkordant sein Geschäft so einzu­ richten, daß das Mißliche des Gesteins so 147

recht zur Anschauung kam, um dann den Weg zu einer Preisaufbesserung oder zu sei­ nem jetzigen Vorgehen zu gewinnen. Die von Benonet angegebenen Verluste seien entweder „auf eine sehr schlechte Buchfüh­ rung oder aber fingierte Zahlen zu einer Schraubung der Preise“ zurückzuführen. Jetzt handelte die Großherzogliche Eisen­ bahnbau-Inspektion Triberg mit der Präzi­ sion und Konsequenz eines Automaten. Grabendörfer veranlaßte sofort alle notwen­ digen Maßnahmen. Benonet ließ er durch Gasteiger ausrichten, er könne den Vertrag nicht einseitig kündigen, für die Folgen und alle Unannehmlichkeiten sei er allein verant­ wortlich, von einer Abrechnung in der Mitte des Monats könne keine Rede sein, er habe das Geschäft weiterzuführen, ohne Einver­ nehmen mit der Großherzoglichen Oberdi­ rektion des Wasser-und Straßenbaus gehe nichts. Man werde sich an seine Kaution und sein Restguthaben halten. Doch Benonets Entscheidung war end­ gültig. Gasteiger erhielt die Weisung, noch am 17.Juni 160 Mann einzustellen. Benonet habe seine Baustelle innerhalb zweimal vier­ undzwanzig Stunden zu entfernen, Akkor­ dant Willibald Rieger sei das Geschäft auf Kosten Benonets zu übertragen, Benonet habe das Restguthaben anzuerkennen, der Stand der Arbeit sei aufzunehmen, Rieger solle sofort Schlegel und Bohrer aus dem Magazin beziehen, wegen befürchteter „Ru­ hestörungen“ durch die Arbeiter wurde das Bezirksamt schon um Maßnahmen ersucht. Die Oberdirektion in Karlsruhe legte Gra­ bendörfer nahe, Benonet zurückzuweisen, wenn er wegen einer „Preisaufbesserung“ einkomme. Sonst sei ein Präzedenzfall ge­ schaffen. Auch die Oberdirektion entschied rasch, indem sie vorschlug, den Vertrag mit Benonet „ganz aufzulösen, damit … kein Rechtsstreit daraus hervorgehe.“ Das ge­ schah bereits am 27. Juni 1870, Benonet Kolorierte Postkarte mit falschem Aufdruck„Partie der Höllentalbahn“. Das Gutachtal mit dem Hang des Seelenwalds. Links der später abgebrochene „Kaisertunnel“. Im Hintergrund das Rappenfelsengebiet Partie Ji.er H,;ttn,tafbalm. 148

wurde dies am 29.Juni in Anwesenheit von Gremmelsbachs Bürgermeister Schwer eröff­ net. Der Gesamtverlust Benonets wurde von Gasteiger auf höchstens 500 Gulden ge­ schätzt. Die Arbeiten wurden unverzüglich wieder aufgenommen. Schon um 6 Uhr in der Frühe des 17. Juni führte Akkordant Rieger provisorisch mit 16 Arbeitern das Geschäft weiter, für so viele war Gerät zu beschaffen gewesen. Die Sache lag in guten Händen. Chef und Arbeiter hatten die notwendigen Kenntnisse. ,,Die übrigen, meistens Italiener ziehen herum u. werden wohl Skandal an­ fangen, wenn ihnen der Lohn für die voll­ ständigen 15 Arbeitstage im Juni nicht be­ zahlt werden.“ Wegen des Deutsch-Französischen Krie­ ges wurde die Arbeit unterbrochen. ,,Die einstweilige Einstellung des Eisenbahnbaues dahier“ gab Bürgermeister Schwer am 31.Juli 1870 dem Gemeinderat bekannt. Im Januar 1871 wurde die Arbeit wieder aufgenommen. Im GremmelsbacherTunnel arbeiteten noch viele Akkordanten. Das Durchstoßen der Reststrecke wurde in mehreren Zeitungen ausgeschrieben, billigster Bieter war Giaco­ mo Battista (155 200 Gulden). Er war im Nie­ derwasser-Kehrtunnel und im Eisenbergtun­ nel beschäftigt. Am 9. Januar erhielt er ge­ naue Anweisungen. Bis zum 14.Januar wurde das Geschäft von der Bauverwaltung betrie­ ben. ,,Am Sonntag, 15.Januar, wird der Stand der Arbeit aufgenommen, woselbst Sie ge­ genwärtig sein müssen. Vom Montag, den 16. an haben Sie die Arbeiter 60 Tage lang zu behalten, sofern diese bei Ihnen bleiben wol­ len.“ Weiter habe er darauf zu achten, ,,daß der Ausbruch vor Ort mit aller Energie unausgesetzt Tag und Nacht betrieben wird.“ Battista aber war an Blattern erkrankt und konnte erst am 1. Februar beginnen. Wie die Zeit überbrückt wurde, ist den Akten nicht zu entnehmen. Eine Vollzugsmeldung, ob der Durchbruch am 4. September 1871, den man zum Ziel gesetzt hatte, erfolgte, war ebenfalls nicht zu entdecken. Die lebendige Erinnerung weiß jedoch von diesem Ereig- nis, daß sich die Arbeiter vor Freude umarmt hätten, sie seien zur Kirche hinuntergegan­ gen und Pfarrverweser Hermann habe mit ihnen eine Dankandacht halten müssen. Karl Volk Quellen und Literatur: Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe 421/385-387. – (Pfarrakten Gremmelsbach). – (Personalakte Ffarrverweser Karl Hermann, Erzbischöfl. Archiv Freiburg). – Gemeindear­ chiv Gremmelsbach „Eisenbahn „. – Gemein­ deratsprotokolle Gremmelsbach. – Rudolf Friedmann: Die Schwarzwaldbahn, in: Ba­ dische Heimat 1960, S. 329 .ff Selbsterkenntnis Normalerweis‘, so saget d’Leut, wird an Schwob mit vierz’ge g’scheit. Bei mir hot’s no bis heut it g’schnackelt. Hau i mi ganz umsonscht abdackelt. I glaub‘, i be scho drüber nomm ond stirb wia älle andere domm. Dietrich Schnerring Gedicht von Sabine Angst, wieder zu verlieren, bevor ich gewonnen habe. Angst, nicht bestehen zu können in dieser Welt, die oft genug kalt und brutal zuschlägt. Angst, vor grauen, kalten Tagen. Sehnsucht nach einem Zuhause. Sabine Schnerring 149

Ein Dreibahnenblick. Im Vordergrund Schonachbach, ganz links Gasthof,,Bachjörg‘: im Hintergrund der Seelenwald. 150

Persönlichkeiten der Heimat Superiorin Schwester Eva-Maria Lapp Die Seele des Klosters St. Ursula ist eng verbunden mit Villingen und Umgebung Eine herzliche und ausgeprägte Fröhlich­ keit wurde Frau Supe­ riorin, Schwester Eva­ Maria Lapp, vom Kloster St. Ursula von Gott als Lebensmitgift schon in die Wiege ge­ legt. Sie wurde am 24. August 1929 in der Breisgaumetropole Freiburg als älteste Tochter geboren und mit dem Namen Erika ins Taufbuch eingetra­ gen. Gemeinsam mit ih­ ren drei Geschwistern verbrachte Erika im elterlichen Haus in Wildtal eine glückli­ che Kindheit und Ju­ gendzeit. Die Lehrer schlugen den Über­ gang auf eine höhere Schule vor. So kam es, daß sie fortan das Frei­ burger Goethe-Gym­ nasium besuchte und dort im Jahre 1950 das Abitur ablegte. Neben Schulbesuch und Hausaufgaben gab es noch viel anderes zu tun: Mithilfe in Gar- ten und Feld und im eigenen Rehberg. Der bescheidene Verdienst des Vaters mußte auf­ gebessert werden. So zogen Mutter und Tochter Erika oft fünf Kilometer weit mit einem Ziehkarren, vollbeladen mit allerlei frischem Gemüse auf den Freiburger Mün­ stermarkt. Nicht vergessen seien aber auch ihre ak­ tive Tätigkeit in der katholischen Pfarrju­ gend zu Wildtal und die Mitgestaltung kirch- 151

licher Feste. An hohen Feiertagen trug das Breisgauer „Maidli“ die schmucke Glotter­ täler Tracht, und mit Stolz erzählt Frau Eva­ Maria wie sie dereinst mit anderen Erstkom­ munikanten am Weißen Sonntag mit dem Landauer zur Kirche gefahren wurde. Nach dem Abitur besuchte Eva-Maria die Lehrerinnenakademie in Gengenbach, und diesen Lebensabschnitt bezeichnet sie als den unbeschwertesten ihres Lebens. Hier lernte sie viele gute Freundinnen kennen, mit denen sie bis heute in Verbindung steht. Wie wurden die Weichen von der Or­ tenau bzw. dem Breisgau nach Villingen zum Kloster St. Ursula gestellt? Schon vor ihrer Studienzeit nahm sie – damals noch als Fräulein Erika Lapp – einen mehrtägigen „Schnupperbesuch“ im Kloster St. Ursula wahr. Dabei lernte sie die ehemalige Lehr­ frau Theodora Prestel kennen, eine leibliche Schwester des einstigen Bürgermeisters von Waldkirch. Diese Frau war für sie eine so beeindruckende Persönlichkeit, daß in ihr der Entschluß reifte: Dieser Kongregation will auch ich einmal angehören. Und dabei blieb es auch. Ohne zu zögern, unmittelbar nach dem erfolgreich bestandenen Lehrerin­ nenexamen setzte sie ihr Vorhaben in die Tat um und trat als Novizin ins hiesige Kloster ein. Am 19.Juni 1955 feierte sie ihre Ordens­ profeß. Mit dem Eintritt ins Kloster begann auch ihre Lehrtätigkeit an der Villinger Mädchen­ schule, später Klosterringschule. Hier ver­ richtete sie ihren Dienst bis zum Jahre 1988, sowohl in der Grund- als auch in der Haupt­ schule. Nach ihren ehemaligen Schülern befragt, antwortet sie prompt: ,,1 han sie mege.“ Und ihre einstigen Zöglinge schwär­ men: ,,Bei Frau Eva-Maria machte das Ler­ nen Spaß, sie hat uns oft tolle, spannende Geschichten erzählt, da wurde gesungen, Theater gespielt, da gab’s herrliche Wander­ tage, Ausflüge und als Höhepunkte die un­ vergeßlichen Schullandheimaufenthalte im schönen Südtirol. Im Kloster bereitet ihr heute noch Freude, das Blumengärtchen im Hinterhof 152 zu pflegen – und ganz besonders die Kloster­ kirche mit herrlichem Blumendekor zu schmücken. Wenn es die Zeit erlaubt, fertigt sie auch wundervolle „Ikebanagestecke“; sie hat sich als Autodidaktin mit dieser bezau­ bernden japanischen Blumenkunst befaßt. Am 6. Juni 1979 wurde Schwester Eva­ Maria als Nachfolgerin von Schwester Maria-Anna Schätzle zur Superiorin ge­ wählt. Seither nimmt sie alle Obliegenhei­ ten, die sich aus diesem Amte ergeben, mit großer Gewissenhaftigkeit und Umsicht wahr. Sie sorgt für das leiblich seelische und das geistig geistliche Wohl ihrer Gemein­ schaft; besonders ihre hochbetagten Mit­ schwestern erfahren ihre liebevolle Fürsorge bis zur letzten Stunde. Sie erledigt das Ge­ schäftliche mit dem Ordinariat und anderen kirchlichen Stellen, hält Verbindung zu be­ freundeten Klöstern im In- und Ausland, vertritt St. Ursula gegenüber der Stadt, als deren Bestandteil sich das Kloster sieht, und bemüht sich auch um ein gutes Verhältnis zu den Mitbürgern. Viel Mühe wird auch inve­ stiert in gute Zusammenarbeit mit der Schul­ leitung der „St. Ursula Schulen“, wo es gilt, den guten Ruf dieser Einrichtungen zu erhal­ ten und auszubauen; die gegenwärtigen bau­ lichen Maßnahmen legen davon Zeugnis ab. Nach zweijähriger Restaurierung konnte im Herbst 1989 die Klosterkirche in neuem Glanze eingeweiht werden. Ein besonders wertvolles Schmuckstück darin ist die von dem aus Hinterzarten stammenden und heute im Allgäu lebenden Hermann Weber nach Plänen des berühmten Orgelbauers Silbermann gebaute neue Orgel. Ein Werk tätiger Nächstenliebe ist seit 1991 die „Rumänienhilfe“, über die in der Regionalpresse schon mehrfach berichtet wurde. Gemeinsam mit Frau Irmgard Rösch, der Dekanatsvorsitzenden der katholischen Frauengemeinschaft, organisiert und unter­ stützt die Superiorin diese Hilfsaktion. Meh­ rere Male begleitete sie persönlich die Lkw­ Transporte nach Oradea (Großwardein), wo Kleider, Medikamente und andere Sach­ spenden an Kliniken, Kranken- und Waisen-

häuser verteilt werden. Ihre Schilderungen über die dortige Situation der menschlichen Not, besonders die der Kinder, sind erschüt­ ternd. Mit Recht wird der Leser nun fragen: ,,Wie kann Schwester Eva-Maria dies alles bewälti­ gen?“ Gerne gibt sie Auskunft: ,,Es sind meine Mitschwestern, die mir treu und eifrig in allen Bereichen zur Seite stehen.“ Als Belohnung für diese tatkräftige Unterstüt­ zung gibt’s dann nicht selten eine frohe Fete, von denen ein besonders fröhliches Ereignis das sogenannte „Schänzelefest“ ist auf dem zum Kloster gehörenden Teil der Stadt­ mauer. Wer das Glück hat, einmal hier dabei zu sein, der weiß, wie lustig es dabei zugeht, besonders wenn Frau „Sup““. Regie führt oder selbst als Akteurin auftritt. Mit Vorliebe trägt sie humorvolle Reime und originelle ,,G’schichtle“ aus dem Alemannischen vor. Für Mundart hat sie nämlich eine besondere „Ader“ – und wen wundert’s da noch, wenn sie der historischen Villinger Fasnet von Her­ zen verbunden ist. Des Dankes Krönung aber an die lieben Mitschwestern ist der er­ lebnisreiche Südtirol-Aufenthalt in der Wo­ che nach dem heiligen Pfingstfest. Über die­ sen „verlängerten Betriebsausflug der Ursuli­ nen“ wurde bereits ausführlich in der Alma­ nach-Ausgabe 1993 berichtet. Zwei weitere Gründe für das erfolg- und segensreiche Wirken der Superiorin von St. Ursula sind noch hervorzuheben: Ihre posi­ tive Lebenseinstellung, resultierend aus der natürlichen und unbekümmerten Fröhlich­ keit, – wie sagt sie doch selber? ,,Heiter, wenn’s goht – immer goht’s nit“ – und ihr für den Ordensberuf selbstgewähltes Leit­ motiv „in der Nachfolge Jesu stehen und die Verehrung der Gottesmutter.“ • .Sup“: Abkürzung für Superiorin. Helmut Groß Kreiskrankenhaus Donaueschingen Privatdozent Dr. med. Ruprecht Zwimer Der Chefarzt der chirurgischen Abteilung trat Ende 1994 in den Ruhestand Am 16. 12. 1994 wurde Dr. med. habil. Ru­ precht Zwimer in einer zu seinen Ehren im Kreis­ krankenhaus Donaueschingen abgehaltenen Feier in den Ruhestand verabschiedet. Sein langjähriger Wegbegleiter, Prof. Dr. med. Dieter Klemm, Ärztlicher Direktor im Kreiskrankenhaus Donaueschingen, hielt eine ebenso gekonnte wie eindrucksvolle Abschiedsrede. Auf Bitten der Redaktion hat er die frei gehaltene Rede ausfor­ muliert und dem Heimatjahrbuch zur Ve,fügung gestellt. Um die unmittelbare Wirkung auch im gedruckten Text beizubehalten, ist der vertraute ,,Du-Stil“ nicht geändert worden. Lieber Ruprecht, der versierte historische Betrachter teilt den Lebensweg, der bis zum heutigen Tag hinter Dir liegt, in zwei geschichtliche Abschnitte, nämlich: 1. die präalemannische Periode und 2. die alemannische Periode. Die erste Periode ist kürzer, gemessen am Gesamtzeitraum, nichtsdestoweniger aber entscheidend für die Prägung der späteren Persönlichkeit. Diese Periode beginnt mit der Geburt des Carl Christoph Maximilian Eberhard Ruprecht am 28. November 1929 in Berlin, wo Du im Kreise von vier Geschwi­ stern eine behütete und ungetrübte Kindheit verbracht hast. Die sorgfältige, vorausschau­ ende Erziehung, die Du dabei erfahren hast, gab Dir im späteren Leben Deine Sicherheit und Gewandheit im Umgang mit jedermann. Es gibt aus dieser Zeit eine Anekdote, die so bezeichnend ist schon für den kleinen Zwir­ ner, daß ich sie nicht verschweigen möchte: Du fuhrst eines Tages mit Deinem Vater Paddelboot auf einem der Berliner Seen, saßest zwischen seinen Füßen im Bug und schautest durch ein Fernglas, das er Dir umgehängt hatte. Auf seine Frage: ,,Was 153

und 1956 folgten Staats- examen die Pfli eh tassisten tenzei t im Krankenhaus Meß­ kirch und einer Land­ praxis in der Pfalz. 1958 Promotion über das Thema „Bei­ trag zur lnneroation des Kehlkopfes“ bei Kurt Goerttler an der Frei­ burger Anatomie. 4 Jahre, von 1958 bis 1962, warst Du dann Assistent am Anatomischen Insti­ tut der Universität Freiburg. In dieser Zeit hast Du geheira­ tet, um durch Deine liebe Frau den „sitti­ genden Einfluß“ zu erfahren, der von Goethe beschrieben und hervorgehoben uns allen so notwen­ dig ist. schaust Du Dir denn an, Ruprecht“, die überlieferte Antwort: ,,Ich schaue den Wald an, der freut sich, wenn ich ihn anschaue!“ Es folgte der Umzug der Familie nach Mün­ ster in Westfalen und dann nach Braun­ schweig. Mit 21 Jahren hast Du dort Dein Abitur abgelegt und damit den präaleman­ nischen Zeitabschnitt beendet. Man darf den Begriff der nun folgenden ale­ mannischen Periode nicht all zu eng fassen. Wie wir noch sehen werden, wurde dieser lange Zeitabschnitt immer wieder unterbro­ chen durch kurzfristige, auswärtige Episoden. Aber ich will nicht vorgreifen. Im Jahre 1950 hast Du in Freiburg Dein Medizinstudium aufgenommen, vielleicht beeinflußt durch eine fast 300jährige tradi­ tionelle Zuwendung zu diesem Beruf in der Familie Deines Vaters. 154 In dieses Jahr fiel aber auch ein erster längerer Auslandsaufenthalt in Südpersien, wo Du an der medizinischen Hochschule Ahwaz im Zweistromland an der irakischen Grenze einen Lehrauftrag für Anatomie erfülltest. Ein gleicher Lehrauftrag führte Dich dann 1961/62, begleitet von Deiner Frau und dem erst 6 Monate alten Sohn, an die neugegrün­ dete Universität Hue in Südvietnam. Die grausame Eskalation des Vietnamkrieges beendete diesen Abschnitt. Nicht alle, die seinerzeit von Freiburg auf­ gebrochen sind, um dort in Hue den Aufbau einer Hochschule zu ermöglichen, kamen lebend wieder heim. Ich erinnere mich an einen Sommermorgen auf dem Freiburger Friedhof, als wir unseren Konassistenten Discher beerdigt haben, der mit einer Draht­ schlinge um den Hals nach einem ersten

Wiederabzug der Vietkong aus Hue dort auf­ gefunden worden war. Euch war die glückliche Heimkehr ver­ gönnt. Unter Hermann Kraus, diesem faszinie­ renden Arzt und Chirurgen, begann dann dort Deine chirurgische Fachausbildung: 1967 wurdest Du Oberarzt, zunächst am städtischen Krankenhaus Lörrach. 1969 führte Dich Dein Weg an der Seite Dei­ nes Chefs, Ernst Kern, an die chirurgische Universitätsklinik Würzburg und dort 1972 zur Habilitation über das T hema: »Die druck­ adaptierte Arterialisierung des intrahepatischen Ejörtadersystemes nach portocavaler Anasto- mose. “ Am 1. August 1974 wurdest Du Chirurg am Kreiskrankenhaus Donaueschingen. Von dem Architekten, der hier später Dein Haus gebaut hat, ist der Vergleich über­ liefert, daß das Grundstück, das Dir die Stadt seinerzeit abtrat, wie eine Muschelschale sei, in der das Haus die Perle werden muß. Ich möchte dieses Bild übertragen auf Deinen beruflichen Werdegang: Muschel ist die ganze alemannische Periode, die Perle darin unsere gemeinsame Donaueschinger Zeit. Sie begann mit einem ersten Gespräch auf der Mauer des damals noch im Rohbau ste­ henden Kreiskrankenhauses. Wir beide, die wir uns von unserer ge­ meinsamen Freiburger Zeit als Assistenten zweier verschiedener Kliniken nur flüchtig kannten, beschlossen, die Aufgabe hier gemeinsam anzugehen, wenn man uns ließe! Und sie haben uns gelassen! Sie, das ist der Kreistag des Schwarzwald­ Baar-K.reises, der Dich unter scharfen Kon­ kurrenten auserwählte. Was dann folgte, waren 20 Jahre erfüllter gemeinsamer Arbeit, wie sie in dieser Form wohl nur ganz selten einem Krankenhausin­ ternisten mit seinem Chirurgen vergönnt sind. Wir beiden wollten bewußt die Tradi­ tion unserer klinischen Lehrer HeiJmeyer und Kraus fortsetzen. Ich meine, was das ver­ trauensvolle Zusammenarbeiten angeht, ha- ben wir sie eher übertroffen. Lieber Ruprecht, mit Dir verläßt ein Voll­ blutchirurg den Operationstisch, geprägt vom Arztbild und der Tradition einer noch heilen medizinischen Welt, geprägt vom Pflichtgefühl, aber auch der unbändigen Freude am Beruf, der Hinwendung zu den Menschen – allen Menschen – und dem Verantwortungsgefühl gegenüber dem Kran­ ken. Salus aegroti suprema !ex. Diese Inschrift über dem Eingang der Frei­ burger chirurgischen Klinik hat Dich ein Leben lang als Maxime Deines ärztlichen Handelns begleitet. Du hast als klinischer und akademischer Lehrer eine Generation junger Menschen zu Ärzten und Chirurgen geformt und Du hast darüberhinaus in den letzten Jahren mit der Freude und der Begeisterung und der Kom­ petenz, mit der Du alles aufgenommen hast im Leben, Dich mit der Standespolitik und der Zukunftsgestaltung unseres Berufsstan­ des befaßt, eine Aufgabe, die Dich auch wei­ terhin nicht loslassen wird. Lieber Ruprecht, ich möchte Dir von Her­ zen danken, danken im Namen dieses Hau­ ses, im Namen Deiner Patienten, vor allem aber ganz persönlich, danken für Deine Arbeit, für Deine Freundschaft und für alles, was Du in den zurückliegenden 20 Jahren uns so überreichlich gegeben hast. Ich möchte am Ende meiner Worte aus Fontane zitieren, dem Mann aus dem Umfeld Deiner präalemannischen Zeit, der Dich ein Leben lang beschäftigt und beein­ flußt hat: Der ist beglückt, der sein darf was er ist, der Bahn und Zeit nach eigenem Auge mißt; nie sklavisch folgt, oft selbst die Wege weist, ununtersucht nichts tadelt und nichts preist. Und damit Weggefährte der letzten zwei Jahrzehnte: Vale! Du bleibst hier unvergessen! Prof. Dr. med. Dieter Klemm 155

Unvergessen – SABA-Mutter Gretel Scherb sie Unter den rund 4000 Betriebsangehö­ rigen bei SABA war die Seniorin des Hau­ ses so populär, daß man liebevoll ,,SABA-Mutti“ nannte. Außenstehende frag­ ten oft: ,,Wie ist es möglich, daß eine Ka­ pitalistin so beliebt ist bei ihren Mitarbei­ tern?“ Die Frage nach ihrem Geld verwirrte Frau Scherb niemals. „Selbstverständlich bin ich Kapitalistin“, sag­ te sie, wie andere sich ,,Angestellte“ oder „Ar­ beiter“ nennen. Als Tochter eines Schwarz­ wälder Fabrikanten ist sie das Leben mit und für die Belegschaft von Kindheit an ge­ wohnt. Zeitlebens hat sie von ihrem Vermö­ gen einen solchen Ge­ brauch gemacht, daß sie für viele Menschen zur Nothelferin gewor­ den ist. Ihre Populari­ tät in der Belegschaft und darüber hinaus in der Stadt und in der ganzen Region war der Lohn für ihre nim­ mermüde Hilfsbereitschaft. Am 3. April 1905 wurde sie in Triberg als Margarete Schwer geboren. Ihr Groß­ vater August Schwer und ihr Vater Her­ mann Schwer waren die eigentlichen Begründer der später weltweit anerkann­ ten SABA-Werke in Villingen. Der Umzug von Triberg nach Villingen erfolgte im Jahre 156 1918. In der ehemaligen „Waldmühle“, vor den Toren der Zähringerstadt, hatte man geeignetes Gelände und Bauten gefunden, die der Expansion des Betriebes gerecht wur­ den. ,, Willst Du glücklich sein im Leben, trag bei zu andrer Glück. Denn die Freude, die wir geben, kehrt ins eigene Herz zurück-“

Diesen Sinnspruch, den ihr eine Triberger Schulkameradin ins Poesiealbum schrieb, ohne zu ahnen, daß sie ihrer Freundin zwi­ schen die rührseligen Reime und getrockne­ ten Blumensträußchen ein wegweisendes Wort fürs Leben auf ein Albumblatt malte, wurde für Grete! Scherb zum Leitfaden für ihr ganzes Leben. ,,Der einfältige Spruch ist wahr“, betonte sie immer wieder. Schon als junges Mädchen lernte sie begreifen, daß zum Helfen vor allem die persönliche An­ teilnahme gehört, daß dazu Herz, Verstand und Geld gehören. ,,Als einziges Kind bin ich von meinen Eltern sehr verwöhnt wor­ den“, sagte Grete! Scherb immer wieder, und verwies zum Beweis auf ein liebevoll geführ­ tes dickes Familienbuch. Darin waren unge­ zählte Fotos, Scherenschnitte, Zeitungsarti­ kel und handschriftliche Aufzeichnungen. Bilder vom drolligen Kind, vom Mädchen mit den langen Zöpfen, von der weißen Kommunikantin in der Triberger Wallfahrts­ kirche, vom Fräulein mit der Haarkrone, einer Gretelfrisur, und natürlich Zeugnissen voll guter Noten und Lobesworte. Nach Art derTöchter von damals hat Frau Scherb keinen Beruf erlernt. Ihre Mutter war der Ansicht, das gehöre sich nicht. Ihr Vater wollte· es eigentlich anders. Aber anno 1920 schickte man die „höheren“ Töchter besten­ falls auf die Bürger- oder auf die Realschule, in ein Internat oder ein Pensionat. Sie sollten schöngeistiges Wissen. sammeln, gute Kon­ versation machen, musizieren, anmutig tan­ zen, vielleicht ein bißchen Tennis spielen. Es wurde ihnen schon viel zugemutet, wenn sie in der Führung eines Haushaltes unterrichtet wurden.. Mutter.Schwer war keineswegs eine welt­ fremde Frau, die ein exklusives Leben abseits der Gemeinschaft der Mitbürger geführt hätte. Die Triberger Fabrik wäre bei einer sol­ chen Einstellung niemals gediehen. Der Betrieb war ganz aus der handwerklichen Tradition der Schwers entstanden: die Fami­ lie wohnte im Vorderhaus und in den Rück­ gebäuden wurde „geschafft“. Der Fabrikant trug werktags weder Stehkragen noch flotte Maßanzüge, sondern legte den ganzen Tag im „blauen Anton“ mit Hand an. Seine Fa­ milie gehörte damals zum Werk wie das Wohnhaus auch. Grete! Scherb lernte ihr ,,Handwerk“ sozusagen von der Pike auf. Vater Schwer nahm seine Tochter oft bei der Hand und führte sie durch die Werkräume, aber weder in der Werkstatt noch in der win­ zigen Verwaltung war sie tätig. Aber sie kannte alle, und alle kannten sie. Zur Vesper­ zeit ging sie am liebsten in den Betrieb, und es gab in späteren Jahren noch einige Be­ triebsangehörige, die einst die kleine Grete! auf ihrem Arm getragen haben. Sozialarbeit und Werkfürsorge kannte der patriarchali­ sche Betrieb damals noch nicht. Aber „Papa Schwer“ sorgte eigenhändig für die Leute. Wenn Nachtschicht angesagt war, bedeutete das für die Frauen im Hause Schwer: Kaffee zu kochen und Vesperbrote zu schmieren, und nachts wurden dann die Körbe und Kannen in die „Waldmühle“ geschleppt. In den Jahren des Aufbaues hatte die Un­ ternehmerfamilie Schwer oft große Sorgen. Immer wieder erzählte Frau Scherb die Geschichte ihres Vaters, der um den Tisch herumgerannt ist und die Frauen aufforderte zu beten, weil er den Zahltag nicht beieinan­ der hatte. Zu wenig Lohngelder- das bedeu­ tete Bittgänge zu den Banken. Von ihrem Erfolg hing damals die Existenz der Familien ab, deren Väter und Mütter bei SABA arbei­ teten. Die Inhaberfamilie spürte die Verant­ wortung für die Beschäftigten ganz unmittel­ bar. Mit ihren eigenen Mitteln versuchten sie bei persönlichen Notlagen zu helfen: Wenn z.B. eine Mutter erkrankte, wurde der Mittagstisch aus der Küche der Familie Schwer mitversorgt. Je größer der Betrieb wurde, desto weniger war mit solcher Hilfe auszukommen, desto notwendiger wurde eine regelrechte Organisation für die „Sozial­ arbeit“. Frau Grete! Scherb mochte zwar die­ ses Wort nie, aber sie liebte die Arbeit, die es bezeichnet. Mit der Sozialarbeit hatte sie ihre Lebensaufgabe gefunden. Solange die Eltern noch lebten, stand sie im Schatten ihrer Mutter. Mit 21 Jahren heiratete sie sei- 157

ber, gebar zwei Söhne und lebte mit ihrer Familie im oberen Stockwerk der „Wald­ mühle“. Als die Eltern Schwer gestorben waren, mußte sie sich dem Betrieb stellen. Sie hat sich durch zielsichere kluge Fragen über alles informiert. Aber sie hat nie in die Geschäftsführung des Betriebes eingegriffen. Sie wollte über alles Bescheid wissen, aber nur dort tätig werden, wo sie sachkundig auf Erfolg hoffen durfte: in der Betreuung der Belegschaft. Vorbild in diesen Dingen war für sie ihr Vater. ,,Mein Vater hat sich mehr als Sachverwalter denn als Fabrikant gefühlt“ erzählte sie immer wieder, ,,und bei mir kommt hinzu, daß ich nie Eigentümer der SABA gewesen bin.“ Erben waren ihre Söh­ ne Hans-Georg und Hermann Brunner­ Schwer. Sie war lediglich als „befreite Vorer­ bin“ eingesetzt. Damit war im Testament festgehalten: sie stand hier für ihre Söhne, sie stand hier für SABA. Es kam für die engagierte Frau eine sehr schwere Zeit: der Krieg und die Jahre danach. Bomben zertrümmerten einen großen Teil des Werkes, doch sie war es, die die zuver­ sichtliche Losung ausgab: ,,Das bauen wir wieder auf!“ Das Arbeitsamt schickte Frau Scherb nach dem Kriege zum Putzen in die Gewerbeschule. Mit Eimer und Putzlappen bewaffnet machte sie sich auf den Weg, stieg auf die Bockleiter und rieb die Fensterschei­ ben blank. Als Weihnachten vor der Tür stand, lud Grete! Scherb die 30 Kinder der Werksangehörigen – später waren es weit über 1000 – zu einer bescheidenen Besche­ rung mit Spielzeug und einem Laib Brot ein. Das Mehl für das Brot hatte sie persönlich gehamstert. Für Kinder hatte sie immer ein Herz. Ihrer Liebe zu Kindern war auch die SABA-Kindertagesstätte, der Kindergarten beim Werk, zu danken. Sie sorgte aber nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Rentner bei der SABA. Sie lud sie zum Kaf­ fee, auch zu einem Ausflug an den Bodensee oder in den Schwarzwald ein. Ihre Antwort dafür war denkbar einfach: ,,Sie haben mitge­ arbeitet am Aufbau des Werkes, deshalb gehören sie zu uns.“ 158 Sie wußte um die Einsamkeit der alten Menschen, von ihrem Bedürfnis nach Gesel­ ligkeit und von ihrer Seligkeit, Erinnerungen auszutauschen an „früher“. Frau Scherb konnte nicht alle in den Betrieben persönlich kennen. Aber so ziem­ lich alle kannten sie oder sie hatten von ihr gehört. Sie hatte das Vertrauen der Beleg­ schaft, weil sie persönlich so vielen geholfen hat. ,,Die SABA ist mein Hobby“ war die Antwort auf die Frage nach ihren Liebhabe­ reien. ,,Nicht wem das Werk gehört ist we­ sentlich, sondern die Entwicklung der SABA und der Fortbestand des Unternehmens, die Sicherheit der Arbeitsplätze für die Beleg­ schaft.“ Für ihr einmaliges soziales Engagement wurde ihr im September1983, kurz vor ihrem Tode, das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Was hinter den Türen des Hauses Hermann-Schwer-Straße 1 auf sozialem Ge­ biet alles getan wurde, wissen nur Einge­ weihte. An die „große Glocke“ hat Grete! Scherb das nie gehängt. Der Keller ihres Hauses glich oftmals einem Warenlager und keiner zählte die Pakete, die damals durch den Eisernen Vorhang geschickt wurde. Die geänderten Besitzverhältnisse der SABA, die 1968 den amerikanischen Kon­ zern General-Telephone & Electrics (GTE) ins Haus holte und 1980 in den Besitz des französischen Elektro-Giganten Thomson Brand überging, traf die engagierte Unter­ nehmerfrau schmerzlich, sie verlor aber nicht ihre Herzlichkeit und ihr frohes Wesen, das alle, die sie kannten, so sehr an ihr schätzten. Sie starb am 22. November 1983 und eine große Trauergemeinde begleitete sie auf ihrem letzten Gang. Sie war eine bemerkenswerte Unterneh­ merin, gleich geachtet vom „Kapital“ und ,,Arbeit“. Werner Jörres

Der langjährige Leiter des Donaueschinger Amtsgerichts Volker Schmitt nach kurzem Ruhestand überraschend verstorben Der Beitrag über Volker Schmitt war schon ge­ setzt, als die traurige Nachricht kam, daß er am 18. 8.1995 verstorben ist. Sein Wirken bleibt un­ vergessen. Seine Fähigkeiten und sein zweites juristi­ sches Staatsexamen hatten ihm den Weg für die große Karriere geöffnet. Doch Volker Schmitts Traum war es schon immer, Amts­ richter zu werden, und so zog es ihn 1968 zu­ rück in seine Heimatstadt Donaueschingen. Als guter Richter für die armen kleinen Sünder wirkte er hier fast drei Jahrzehnte lang; in den letzten zehn Jahren als Leiter des Amtsgerichts. Volker Schmitt war mit Leib und Seele Richter. Dennoch ist er 60jährig am 1. März 1995 „befreit“ in den Ruhestand getreten. Im Trend mag es vielleicht stim­ men, aber er kokettierte auch damit, wenn er davon redete, daß im Alter die Kräfte nach­ lassen. Hellwach engagierte er sich als An­ walt für die Senioren und für die Allgemein­ heit im Donaueschinger Gemeinderat, in den er 1994 über die Liste der Gemeinschaft Unabhängiger Bürger (GUB) gewählt wurde. Als Richter interessierte er sich nie für die großen Fälle. Ihn faszinierte das „Mensch­ liche, allzu Menschliche“, wie er das sagte und das nahm man ihm auch gerne ab. Für unbeteiligte Zuhörer konnte Schmitt in der schwarzen Robe so agieren, daß es ein Ver­ gnügen war. Straftäter haben das sicher anders empfunden; auch so mancher junge Staatsanwalt hatte seine Probleme. Schmitt war ein Freund klarer Worte. Er polterte, wenn er jemanden beim Lügen er­ tappte. ,,Das glauben Sie ja selbst nicht“, mußten sich die Beschuldigten vorhalten lassen. Mit Begeisterung war Schmitt Strafrichter für Jugendliche. Die besondere Verantwor­ tung machte für ihn den Reiz aus. Eine große Härte, aber auch eine zu große Milde kann da schädlich sein. Oft kannte er die Verhält­ nisse. Bis zu drei Generationen einer Familie standen vor ihm. Eigentlich einmal von dem Ansatz ausge­ hend, daß der Strafvollzug den Täter bessern soll, erkannte Volker Schmitt im Laufe seines Richterlebens, daß es Kriminelle gibt, die weder fähig noch willens sind, sich in die Gesellschaft einzufügen. Vor diesen Men­ schen müsse man die Gesellschaft schützen. Bei allem Ernst, der hinter dem Scheitern der Schwachen in unserer Gesellschaft steht, hätte Schmitt volkstümlichen Laienbühnen 159

Stoff für etliche Stücke liefern können. Wie viele seiner Generation war Schmitt ein De­ nunzianten-Geschädigter und äußerst vor­ sichtig, was eigene Einmischung anbelangte. Deshalb amüsierte er sich über den Morgen, als zwei von den vielen tausend Angeklagten wegen Trunkenheit am Steuer dran waren: zu­ nächst der Angeschwärzte – dann der Verräter. Wie unangenehm es ist, öffentlich vorge­ führt zu werden, wußte Volker Schmitt nur zu gut. Als Kenner der Menschen im Einzugs­ gebiet zwischen Gütenbach und Blumberg setzte sich der Amtsgerichtsdirektor dafür ein, die Fälle auf informellem Wege zu regeln. In Absprache mit Verteidiger und Staats­ anwaltschaft kam es so häufig bei geringem Verschulden, einer einmaligen Entgleisung oder nach Eingestehen der Schuld nicht mehr zu einer öffentlichen Anklage. Den Be­ troffenen blieb dadurch der Eintrag ins Straf- register erspart. Es wurde keine Geldstrafe verhängt, die der Justizfiskus vereinnahmte. Stattdessen waren Bußgelder zu zahlen, die gemeinnützigen Einrichtungen zugute kamen. Was Schmitt immer besonders naheging, waren Klagen, daß der Sohn den Vater ver­ prügelt hat, Beleidigungen, übelste Beschimp­ fungen bei Familienstreitigkeiten. Die bei diesem Beruf zwangsläufig erworbene Men­ schenkenntnis brachte Schmitt Sicherheit, daß ihm so schnell keiner etwas vorflunkerte. Am Verhalten des Angeklagten in den ersten 15 Sekunden im Gerichtssaal hat er oft vor­ hersehen können, wie sich dieser Mensch verhalten wird. Doch es gab auch Fälle, bei denen sich Schmitt getäuscht hatte, wie er im Nachhinein bedauerte. Letztlich ist es eben doch schwierig, in einen Menschen zu schauen, und oft ist die Wahrheit das Un­ wahrscheinlichste. Verena Wider In memoriam Edwin Nägele Der erste Nachkriegsbürgermeister von Villingen Er war ein Mann der ersten Stunde und im wahrsten Sinne des Wortes ein Kind dieses Jahrhunderts. Edwin Nägele, der am 22. März 1900 als waschechter R.ietvogel und ohn des Schreinermeisters Johann Nägele und dessen Gattin Rufina, geb. Dold, in der Villinger R.ietgasse 28 zur Welt kam und am 14.Januar 1995 in seiner Heimatstadt ver­ starb, war der erste Nachkriegsbürgermeister der Zähringerstadt (nach dem von den Fran­ zosen für kurze Zeit in sein Amt eingesetzten Fotografen Bräunlich) und von 1951 bis 1965 der alleinige Vorstand der Badischen Staats­ brauerei Rothaus AG. Daher war es nicht ver­ wunderlich, daß bis zuletzt alle 14 Tage ein Kasten „Tannenzäpfle“ als Haustrunk im Eingangsbereich seines Wohnhauses in der Bleiehestraße 14 stand. Seine Wahl zum ersten Bürgermeister Vil­ lingens nach der schrecklichen Zäsur des Zweiten Weltkrieges erfolgte am 22. Septem- ber 1946, als er auf Vorschlag der beiden Gemeinderäte Frech und Kuppel von der CSP (Christlich Soziale Partei, der Vorläufe­ rin der CDU in Baden) gewählt wurde. Zum Zeitpunkt dieser Wahl gehörte Nägele noch keiner Partei an. Nach der Wahl, die auf zwei Jahre erfolgte, wurde er für den Zeitraum vom 23. Dezember 1948 bis zum 31. Dezem­ ber 1950 durch das damalige Innenministe­ rium in Mannheim im „Interesse der geord­ neten Fortführung der Gemeindeverwal­ tung“ ernannt. Zuvor konnte in drei Wahl­ gängen kein Kandidat die erforderliche Mehrheit auf sich vereinen. Seine Ernen­ nungsurkunde zum Rathauschef hing bis zu Nägeles Tod an einem Ehrenplatz in seiner Wohnung, eingerahmt von den vielen Aqua­ rellen, die er selbst gemalt hatte. Unmittelbar vor seiner Wahl zum Bürger­ mei ter war er von Juni bis September 1946 Kreisstellenleiter des Badischen Landesam- 160

und war von 1927 bis 1933 als Oberle-Reprä­ sentant in Berlin tätig. Nägele, nach eigenem Bekunden ein „engagierter Nazi-Gegner, der für seine Überzeugungen schwer büßen mußte“, verließ die alte Reichshauptstadt, um in Villingen ein eigenes Treuhandbüm zu eröffnen. Der zufälligen Begegnung mit dem Uhrenfabrikanten Franz Kaiser ist es zu verdanken, daß er dort als Prokurist und Finanzchef tätig wurde. 1938 wechselte er in jene Branche, der er fortan einen Großteil seiner Schaffenskraft widmen sollte: bei der Herkules-Brauerei in Kassel sammelte er jene Erfahrungen, die ihn befähigen sollten, die Geschicke der Rothaus-Brauerei von 1951 bis 1965 zu leiten. Über seine Zeit als Rothaus-Chef berich­ tete Nägele dem Autor in einem Gespräch, welches aus Anlaß seines 94. Geburtstages geführt wurde, daß er für einen kargen Lohn (,,Ich war miserabel besoldet“) Enormes lei­ sten mußte. So habe er innerhalb einer drei­ monatigen Probezeit den gesamten Fuhr­ park umkrempeln, den Vertrieb wiederauf­ bauen und die „Bilanzen in Ordnung brin­ gen müssen“. Bei Rothaus habe er sich seine Altersversorgung redlich verdienen müssen, da es ihm gelang, den Bierausstoß mehr als zu verdoppeln. Als Prokurist der Kasseler Herkules-Brauerei allerdings hat der Träger des Verdienstkreuzes Erster Klasse der Bun­ desrepublik- mehr Geld bekommen als der spätere Vorstand der Schwarzwälder Staats­ brauerei. Das monatliche Nettogehalt Näge­ les als Villinger Bürgermeister betrug, wie sich den Akten des Stadtarchivs entnehmen läßt, 642 Reichsmark. Hinzu kam eine mo­ natliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 100 Reichsmark. Auch wer die unmittelbare Nachkriegs­ zeit nicht aus eigenem Erleben kennt, der weiß, daß Nägele als erster ziviler Bürgermei­ ster Villingens Dinge organisieren mußte, die von allen heute nur noch als Selbstver­ ständlichkeit wahrgenommen werden. Es ging um das nackte Überleben und darum, den französischen Besatzern möglichst viele (Fortsetzung Seite 163) 161 Ernennungsurkunde zum Bürgermeister, Auf nahme im März 1994 in seiner Villinger Woh­ nung tes. Nägele gehörte nie der NSDAP an und wurde im Januar 1945 noch für fünf Tage zum sogenannten“ Volkssturm“ nach Kassel eingezogen. Nach vierjähriger Arbeit als Bürgermeister wurde 1950 der zunächst par­ teilose, später der CDU beigetretene Ober­ justizrat Severin Kern zum Rathauschef ge­ wählt (vgl. Almanach 81, Seite 151-153). Doch erzählen wir der Reihe nach. Edwin Nägele absolvierte nach dem Besuch des Realgymnasiums eine Banklehre und stu­ dierte ab April 1920 an der Handelshoch­ schule in Mannheim, die er 1924 mit dem akademischen Grad eines Diplom-Kauf­ manns wieder verließ. Bei der damaligen Backofenfabrik Gebrüder Oberle bekleidete er seine erste Stelle als Chef der Buchhaltung

Der Villinger Münschterbrunne Am Münschterplatz, eweng verschteckt, en Kaschte sich gen Himmel reckt. Isches en Turm, isches e Huus? Es gucket Liit zum Fenschter nuus. De Herr Dekan, jetzt saget au, duet sich e Zigarr schmecke lau. Bim Roseschtock, wo uffwärts schießt, e Jungfer iiri Blueme gießt. Und unne danne, ganz im Schatte, luuret miiseel zwei dicki Ratte. Am Erker loehnet on; o jeh, isch sell jetzt nit de Alt-OB? Daß ihm jo konn zu nahe kunnt, wacht nebem seller giftig Hund. E Büebli pinklet, gamit dumm, de Modder über d’Ahsel numm. Und sell jung Päärli uni Hääs dunkt manchs villiicht eweng kowäs. En Abtritt giits scheints konn dert dinne. Die, YO ebs nit vehebe kinne, leeret de Hafe wie zum Schpaß zum Fenschter nuus und nab uf d’Gaß. Zum Glück duet als de Käener triel� und so es Pflaschter suuber schpüele. Isch Wasser dert noo luschtig grunne, häsch gmerkt: Der Kaschte isch en Brunne!! Dunkt Dich des Ganz eweng vehext: Uff selle Tafle schtoht de Text. Wär ’s Hirn zwar willig, d’Auge schwach, no fallt d’Erklärung freili flach. Vum Sinn häsch Du konn blasse Dunscht bim Denkmal der moderne Kunscht. Dätsch Du jetzt läschtere uni Pause, guckt mer Dich aa fer en Banause. Doch ’s Münschter, baut us rote Schtäe, hät gwiß scho manchi Kunschtwerk gsäeh; ’s word allgemein und au im Bsundere sich wellwäeg über nint me wundere. Elisabeth Neugart 162

Zugeständnisse abzutrotzen. Die dringend­ sten Herausforderungen fur Nägele hießen: die zahllosen Flüchtlinge aus dem Osten unterbringen, verhindern, daß der Jungwald gänzlich eingeschlagen wurde sowie Auf­ rechterhaltung der Strom- und Wasserver­ sorgung. Nägele konnte sein Organisations­ geschick unter Beweis stellen, wenn es galt, Glühbirnen oder Zement fur die Wiederher­ richtung der Gehwege zu besorgen (nachzu­ lesen in: ,,Edwin Nägele -Ein Bürgermeister erinnert sich“, Jahresheft des Villinger Geschichts- und Heimatvereins, Jhg. 1987 / 88). Darin berichtet das Gründungsmitglied der örtlichen CDU auch, daß er sich das Viertele zur „Nachsitzung“ des Gemeindera­ tes im Hotel Blume-Post vom französischen Gouverneur genehmigen lassen mußte. Der Gemeinderat zählte damals übrigens ganze 13 Mitglieder (7 CDU, 3 SPD, 2 FDP und einen Kommunisten). Um so erstaunlicher, daß es fur eine Freiwilligkeitsleistung reichte: Nägele schaffte es, beim Villinger Kneipp­ bad auf dem Gelände der ehemaligen Stadt- gärtnerei einen Kleinzoo mit zwei waschech­ ten Bären einzurichten. Nägele fiel der Abschied vom Amt des Bürgermeisters alles andere als leicht, wie sich den Seitenhieben in dem erwähnten Beitrag auf seinen Nachfolger Severin Kern unschwer entnehmen läßt. Die Enttäu­ schung war sogar so groß, daß er sich wei­ gerte, seinem Nachfolger zur Wahl zu gratu­ lieren. Offensichtlich, so deuten Zeitgenos­ sen diesen Umstand, fuhlte er sich in seinen Leistungen fur Villingen von der Bevölke­ rung verkannt. Die aktive Politik gab er nach seiner Abwahl nicht völlig auf. Von 1946 bis 1951 gehörte er dem Kreistag des ehemaligen Landkreises Villingen an. Noch bis wenige Tage vor seinem Tode ging er regelmäßig in Villingen spazieren. Dabei war er in den Ringanlagen anzutref­ fen, wo er versonnen dem Treiben der Jünge­ ren zusah und die letzten Sonnenstrahlen genoß. Er selbst konnte auf ein erfülltes Leben zurückblicken. Joachim Siegel Der gute Geist von Andara Dr. med. Anneliese Bonath Viele Jahre Leiterin eines Krankenhauses in Namibia Es war der gebürtigen Villingerin bestimmt nicht in die Wiege gelegt worden, daß sie ein­ mal als Leiterin eines Krankenhauses im fer­ nen Afrika vielen hunderten von hilfsbedürf­ tigen Menschen als Wohltäterin erscheinen würde. Doch bis dahin war es ein langer und beschwerlicher Weg. In ihrer Heimatstadt Villingen verlebte sie, wie viele andere Jungen und Mädchen, ihre Jugendzeit. Sie gehört zum Jahrgang 1925 und ist jeden Tag treu und brav in die Mädchenschule in der Bärengasse mar­ schiert. Um eine solide Ausbildung nachwei­ sen zu können, wechselte sie auf die dama­ lige Realschule und anschließend auf die Höhere Handelsschule. Daß sie nebenbei auch eine ausgezeichnete Leichtathletin war, sei nur am Rande erwähnt. Etliche Gaumei­ stertitel in verschiedenen leichtathletischen Disziplinen brachte sie von vielen Wettbe­ werben mit nach Hause. In der Zwischenzeit brannte es in der Welt lichterloh, denn der grausame Zweite Weltkrieg zog über Europa. Daß es in dieser schwierigen Zeit überall und an allem fehlte, sah auch Anneliese Bonath. Ein großer Teil der Männer stand den Ange­ hörigen zu Hause nicht mehr zur Verfügung, kräftige und geschickte Frauenhände waren mehr denn je gefragt. Anneliese Bonath ent­ schloß sich der Freiwilligen Feuerwehr bei­ zutreten, um so ihren Teil zum „Dienst am Volke“ beizutragen. Zu Hause, in der Metz­ gerei Bonath in der Niederen Straße, wurde auch von ihr tatkräftige Mithilfe gefordert. 163

Dies alles stellte für sie keine Probleme dar. Sie war von einem gelernten Metzger nicht zu unterscheiden, denn ihre sprichwörtliche Bereitschaft zu allem Tun ließ sie schon in jener schweren Zeit erkennen. Die harte AI­ beit im elterlichen Betrieb mag vielleicht auch ihre Persönlichkeit geprägt haben, wel­ che nötig wurde, um sich später im fernen Afrika durchzusetzen. Durch die Krankheit ihres Vaters war sie gezwungen, in den harten Kriegsjahren von 1940 bis 1945 die Metzgerei voll verantwortlich zu führen. Doch die Vorstellungen über ihr späteres Leben waren ganz andere. Nachdem sie eine gewisse Zeit im Theresien-Krankenhaus in Mannheim im Wirtschaftsbereich tätig war, wurde in Anneliese Bonath der Wunsch wach, Ärztin zu werden. Das bedeutete für sie, noch einmal die Schulbank zu drücken, um in den Jahren 1947 bis 1949 das Abitur nachzuholen. Damit waren für sie die Grundlagen für das Medizinstudium ge­ schaffen. Ihr Eifer und ihr unstillbarer Wis­ sensdurst brachten die Studentin schnell voran. Im Jahre 1955 baute sie ihr Staatsexa­ men und war Ärztin für Allgemeinmedizin. Das Jahr 1956 war für die junge Ärztin ent­ scheidend: sie entschloß sich, dem Missions­ orden der Benediktinerinnen in Tutzing bei­ zutreten, der seine hochqualifizierten Kräfte überall dort einsetzt, wo Hilfe erwartet wird. Sie trägt seit dieser Zeit den Namen Maria Gottfried. Ihr Engagement zu lernen und sich Wissen anzueignen war aber noch lange nicht erschöpft. Einen Lehrgang in Ham­ burg über Schiffs- und Tropenkrankheiten brachte sie ebenso mit der Note eins hinter sich wie ihre Prüfung zum Zahnarzt. Mit solch enormen Wissen ausgestattet, wurde sie im Jahre 1963 nach Namibia, dem frühe­ ren Südwestafrika, als Leiterin eines Mis­ sionshospitals beordert. Neue Dimensionen taten sich für Dr. Anneliese Bonath auf. Wenn man bedenkt, daß das Land mit rund 842 000 Qµadratkilo­ metern viermal so groß wie Großbritannien und äußerst dünn besiedelt ist, dann ist es für einen Neuling nicht gerade einfach, sich dort 164

__ ,…. … Angola ———– ,, • • ‚,, ,,., … ‚ •u,••‘ 1 1 1 1 : , , Andara r,.. .,. c•• .. -�-… -� .. , 1 —–….. ,–:– ,.,.‘ 1 ••1 • r·� 1 • 1 … ,, ‚ I , , ___ , Botswana I 1 I L 1 1 ‚ 1 1 ,_ .. , ,…. ,‘ , Namibia • Wlndha•k Südafrika einzuleben. Die vielen Bevölkerungsgrup­ pen mit ihrem Sprachengewirr machen dem Fremden doch immer wieder, wenn es um Verständigung geht, erhebliche Schwierig­ keiten. Auch im fernen Afrika hat sie ihr Wis­ sen erweitert, denn im Jahre 1968 bestand sie die Prüfung zum Facharzt für Chirurgie. Dr. Anneliese Bonath selbst spricht drei europäi­ sche Sprachen, dazu die Owarnbosprache, so daß sie in ihrem Hospital gut zurecht kommt. Die medizinische Versorgung und der ganze hochtechnisierte Apparatismus in den Krankenhäusern der alten Welt, sind in Afrika nicht anzutreffen. Andara, im Capri­ vizipfel gelegen, liegt runde 1000 Kilometer von der Hauptstadt Windhoek entfernt und ist zum großen Teil nur über Schotterstraßen und Wüste zu erreichen. Das Einzugsgebiet des Hospitals in Andara ist riesengroß. Tage­ lange Fußmärsche der Patienten sind an der Tagesordnung, Nichtgehfahige werden auf Karren ins Hospital gebracht. Trotz vieler „Unebenheiten“, die sie in den vergangenen 32 Jahren als Leiterin „ihres“ Hospitals besei­ tigen und überwinden mußte, hat Dr.Anne­ liese Bonath ihre aufopfernde Arbeit in 165

Afrika immer mit viel Engagement und Freude verrichtet. Der anstrengende Alltag in Afrika hat die Gesinnung und die Lebens­ einstellung der Ärztin nicht verändert. Noch heute, im hohen Alter von 70 Jah­ ren, ist sie tagtäglich inmitten ihrer Kranken präsent, versieht ihre verantwortungsvolle Tätigkeit mit demselben Elan, den sie schon in ihrer Jugendzeit an den Tag legte. Die we­ nigen Urlaubstage, alle sechs Jahre einmal, benützt sie, um, fern ihres anstrengenden Alltags in Namibia, Erinnerungen an ihre Heimat aufzufrischen. ,,Ihr Hospital“ geht ihr auch während die er Zeit nicht aus dem Kopf, denn die Menschen werden dort auf sie warten, um Trost und Heilung zu erfah­ ren. Im Frühsommer des Jahres 1995 wird sie jedoch ihre Station in Andara verlassen, nicht um in ihr Mutterhaus nach Tutzing zurückzukehren, sondern um sich in der Hafenstadt Swakopmund wieder kranken, hilfesuchenden Menschen zu widmen. Sie übernimmt dort die Vertretung eines Arztes in einem Krankenhaus. Das Berufsleben von Dr.Anneliese Bonath als „Buschdoktor“, wie sie es selber nennt, ist ein erfülltes Leben und wird es wohl auch in Zukunft noch sein. Werner Jörres Senator h. c. Hans Schmidt Eine erfolgreiche Unternehmerpersönlichkeit, Träger der Wirtschaftsmedaille des Landes Baden-Württemberg „Wenn Sie mich fragen“, sagte Senator h. c. Hans Schmidt mit einem Lächeln, ,,wenn Sie mich fragen, was mein per ön­ liches Geheimrezept für unternehmerischen Erfolg gewesen ist, dann antworte ich Ihnen: Ich habe immer an die Zukunft geglaubt und andere motiviert, gemeinsam für die Zu­ kunft zu arbeiten.“ Dreiundvierzig Jahre ist es nun her, daß dem damals jungen Ingenieur Hans Schmidt von seinem Vater und seinem Onkel, den Gebrüdern Schmidt in St. Georgen, die Auf­ gabe übertragen wurde, deren bis dahin hand­ werklich gefuhrten Betrieb zu einem erfolgrei­ chen Industrieunternehmen umzugestalten. Von seiner beruflichen Entwicklung hatte er allerdings ganz andere Vorstellungen. Nach dem erfolgreich absolvierten Inge­ nieur-Studium der Fachrichtung Feinwerk­ technik, an der Ingenieurschule Furtwangen, von 1948 bis 1951, folgte die Wunschanstel­ lung bei Robert Bosch in Stuttgart. Hier, in dem damals schon weltweit operierenden Unternehmen, sah der junge Entwicklungs­ ingenieur seine berufliche Zukunft. Der Wunsch einer Familie war jedoch sehr bald schon ein anderer. Nachdem der 166 1938 zur Herstellung von Drehteilen gegrün­ dete Betrieb 1945 bis auf die Grundmauern niederbrannte und 1948 aus dem Nichts auf­ gebaut wurde, sollte Hans Schmidt die Pro­ duktion wieder auf die Beine bringen. Am !.Januar 1953 tritt er als Geschäftfuh­ render Gesellschafter in das Familienunter­ nehmen ein, das mit der Fertigung von Kugelschreiberminen interessantes Neuland betreten hatte. Risikofreudig, doch stets das Machbare wohl abwägend, ging er an die Arbeit. Im Zuge einer schrittweisen Automati­ sierung der Produktion entwickelt Hans Schmidt eine Vielzahl neuer Produkte wie Druckmechaniken fur Einfarb-Kugelschrei­ ber und völlig neue Minentypen, die in die DIN-Norm aufgenommen wurden. Die folgenden Jahre sind von einer schritt­ weisen Erweiterung der Produktion und In­ vestitionen in den Maschinenpark gekenn­ zeichnet. Aus einigen für den Eigenbedarf ent­ wickelten Sondermaschinen fur die Schreibmi­ nenfertigung entstehen ausgereifte Produkte wie Sägeautomaten, Rohrverformungsauto­ maten, Zahnstangen- und Kniehebelpressen, die nun auf dem Markt angeboten werden.

bäude, das von 1973 an beste Voraussetzun­ gen für die weitere Ent­ wicklung des Unter­ nehmens bot. Bei allem Engage­ ment im eigenen, auf­ strebenden Unterneh­ fand Hans men Schmidt immer die Zeit, zahlreiche ehren­ amtliche Tätigkeiten in Organisationen und Gremien der Wirt­ schaft sowie im Hoch­ schul- und Forschungs­ bereich auszuüben. Eine Übersicht hierzu ist beeindruckend: – 1962-1977: Beirat im Wirtschaftsverband für Baden (WVIB), Freiburg – 1968-1973: Kura­ toriums-Mitglied der Staatlichen Ingenieur­ schule Furtwangen – 1968-1980: standsvorsitzender der Fördergesellschaft der Fachhochschule Furtwangen – 1980: Ernennung zum Ehrensenator der Vor- Fachhochschule Furtwangen – 1981-heute: Mitglied des Fördergesell­ schaft-Vorstandes der Fachhochschule Furt­ wangen – 1986-heute: Vorstands-Mitglied des Indu­ strieverbandes Schreib- und Zeichengeräte in Nürnberg – 1989-1991: Mitglied des Kuratoriums der Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung, Stuttgart – 1991-heute: Mitglied des Aufsichtsrates des Hahn-Schickard-Institutes für Mikrosy­ stem- und Informationstechnik, Villingen­ Schwenningen 167 So entstand der zweite Geschäftsbereich und trägt seither erfolgreich zur Entwicklung des Unternehmens bei. Ein Meilenstein in der Fortentwicklung des Unternehmens wurde von Hans Schmidt mit unternehmerischer Weitsicht 1968 ge­ setzt. Er beschloß, den im Laufe der Jahre auf mehrere Gebäude in der Innenstadt von St. Georgen verteilten Betrieb nicht mehr zu erweitern und statt dessen nach einem neuen Produktionsstandort zu suchen. Auf einem Areal von 25.000 m2 entstand nach einem General-Bebauungsplan ein hoch­ modernes Produktions- und Verwaltungsge-

Das unternehmerische Selbstverständnis von Hans Schmidt war zudem stets die Triebfeder für sein soziales Engagement und die Sorge um seine Mitarbeiter. Er unter­ nimmt hierbei außergewöhnliche Anstren­ gungen, um jungen Leuten zu einer soliden beruflichen Grundlage zu verhelfen. So wer­ den ständig ca.10 O/o der Mitarbeiter zu Fach­ arbeitern verschiedener technischer Berufe bzw. in kaufmännischen Berufen ausgebil­ det. Es ist wirklich bei allem in erster Linie der Mensch, welcher im Mittelpunkt seiner Überlegungen steht. Schließlich wurde 1984 der sehr zukunfts­ orientierte Geschäftsbereich Sensorik und Mikroelektronik gegründet, welcher sich unter Ausnutzung vieler Synergieeffekte har­ monisch in das Gesamtunternehmen ein­ fügt. Wieder gelang es Hans Schmidt, durch geschickte unternehmerische Weichenstel­ lung und beachtliches finanzielles Engage­ ment ein weiteres, drittes Standbein zu Sicherung der Arbeitsplätze am Standort St. Georgen zu schaffen. Mit großen Zuwachsraten werden nun Sensoren für die physikalischen Parameter Beschleunigung, Strömung und Rotation hergestellt. Highlights in diesem Programm sind Auslösesensoren für Airbag, Gurtstraf­ fer und Überrollbügel im Automobilbau. Die intensive Erkundung der internatio­ nalen Absatzmärkte führten Hans Schmidt im Laufe der Jahre auch bei einer Vielzahl von Auslandsreisen rund um den Globus. Schon Ende der 60erJahre wurden von ihm eine ganze Reihe ostasiatischer Länder be­ sucht, um in diesen aufstrebenden Industrie­ nationen Kontakte zu knüpfen. An vielen wichtigen Orten wurden weltweit Verkaufs­ stützpunkte errichtet und 1992 wurde als Basis für den amerikanischen Kontinent die SCHMIDT Feintechnik Corporation in Pittsburgh, USA, gegründet. Jährlich über 20 Auslandsmes ebeteiligungen sichern den Absatz der Produkte in über 70 Ländern. Im Dezember 1994 wurde Senator Hans Schmidt aus der Hand des Baden-Württem- 168 bergischen Wirtschaftsministers, Dr. Dieter Spöri, eine besondere Ehrung zuteil. Für her­ ausragende Verdienste um die Wirtschaft des Landes Baden-Württemberg wurde ihm die Wirtschaftsmedaille des Landes im Marmor­ saal des Neuen Schlosses in Stuttgart verlie­ hen. In seiner Laudatio bemerkte der Mini­ ster unter anderem: ,,SCHMIDT Feintech­ nik ist eine feine Adresse, deren guter Ruf weithin bekannt ist. Die hohe Qualität seiner Produkte sieht Hans Schmidt als Verpflich­ tung an. Das Unternehmen hat frühzeitig die Weichen für die Zukunft gestellt und die Chancen neuer Techniken erkannt. Schmidt hat sich darüber hinaus für den Ausbau der baden-württembergischen Forschungs-Infra­ struktur in vorbildlicher Weise eingesetzt.“ Dies war sicher einer der Höhepunkte auf dem Lebensweg des kreativen Unternehmers Hans Schmidt und man darf gespannt sein, welche innovativen Ziele er sieh für die näch­ sten Jahre noch gesteckt hat. Nun bleibt zu wünschen, daß sein hoch­ geschätztes unternehmerisches und fach­ liches Wissen und sein Elan noch lange er­ halten bleiben. Joachim Liedgens Ein gebürtiger ,,Schwarzwald-Baaremer“ Rektor der Universität Freiburg Prof Dr. Wo!fgang}äger wurde am26.April 1995 vom Großen Senat der Universität Frei­ burg zum neuen Rektor der Albert-Ludwigs­ Universität Freiburg gewählt. Er hat sein Amt am 1. Oktober 1995 angetreten. In Nie­ dereschach geboren und in Villingen aufge­ wachsen, ist Prof Dr.Jäger ein Sohn unserer Landschafl. Die Wahl von Prof. Dr. Jäger erinnert an Mathäus Hummel den Gründungsrektor und ersten Rektor der Universität Freiburg, der ein Villinger war und auf den Tag genau, am 26.April vor 535}ahren gewähltwurde (siehe Almanach 88, Seiten 19-23). Die Redaktion des Almanach gratuliert zu der ehrenvollen Berufimg!

De Münschterdorm Gi Friborg bini gfahre mol und ha de Bue mitgnomme, dor Gäßli simer kumme zmol as Münschter, zu dem fromme. Dear Bue, dear hät zwoa Auge gmacht, we Pflugrädli, so groß. Zmol hättermi am Kittel packt und gseit: ,,jetzt ninnt we los! Dear Dorm, dear isch jo ganz verheit, ear hätt jo Loch a Loch. Fort jetzt, bevor er zsämmitkeit, hei, Vadder, folg mer doch!“ De Betziitliiter Vorem Münschter bini gschtande, ha de Artur beimer kha, Vill hät ear jo nitt verstande, hät nu gfroget wie und wa. Womer sind ums Kaufhus boge hätter nomol umigschächt, mech ganz fescht am Schobbe zoge, und no seit der Dunderschlächt: Do mont bösi Kinder wohne, wo am Obed hoam nit gont, daß sie hie e so en hohne große Betziitliiter hond. Gottfried Schafbuch t, Hüfingen 169

Dr. Axel Borchers Arzt mit einem Herz für die Behinderten Nein, gradlinig und reibungslos verlief der Lebensweg von Dr. Axel Borchers sicher­ lich nicht. Klippen und Hürden, wie das im Leben so ist, waren zahlreich vorhanden. Jedoch, blickt Axel Borchers heute zurück, so tut er dies zumeist schmunzelnden Auges und mit der Gewiß­ heit, zumindest ein bißchen von den leid­ lichen Umständen zum Besseren gewendet zu haben. Für seine zahl­ losen Verdienste und das entschiedene Ein­ treten für die Belange von behinderten Men­ schen wurde der 71- jährige Axel Borchers geehrt und ausge­ zeichnet. Zuletzt im Jahre 1994, als er das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen bekam. Aufgewachsen mit fünf Geschwistern in Tübingen, lernte Bor­ chers schnell, sein ei­ genes Leben und eige­ ne Probleme in die Hand zu nehmen, aber auch, die Probleme von anderen zu erken­ nen und ernst zu nehmen. Wie sein Vater wurde Borchers Arzt, studierte in Freiburg, Tübingen und Heidelberg. In Tübingen, wo Borchers während der Kriegsjahre studierte, gerät er in die Fänge des Rassenwahns: Weil er „aussähe wie ein Jude“, wird er für kurze 170 Zeit von der Uni geschmissen. Sein Vater, der an der Uni früher gelehrt hatte, ,,geht des­ wegen hoch wie eine Rakete“, wird beim Rektor vorstellig und paukt seinen Sohn durch diese ekelhafte Angelegenheit. Bor­ chers beendet dort noch das Semester und wird dann kurz vor Kriegsende aus dem Stu-

dium gerissen und in Aachen zum Assisten­ ten eines Krankenhauschirurgen verpflich­ tet. Als das Krankenhaus kurz nach dem Ein­ marsch der Amerikaner geschlossen wird, schlägt sich Borchers mit Gelegenheitsjobs durch. ,,Auch als Heizer bei den Amis, irgendwie brauchte man ja was zwischen die Zähne.“ Im Rundfunk hörte er die Nach­ richt, daß man in „Heidelberg wieder anfan­ gen wollte“. Wieder hilft ihm sein Vater und so kann Borchers „relativ nahtlos“ sein Stu­ dium fortsetzen und dann es auch in Heidel­ berg „genau am Tag der Währungsreform“ mit dem Doktorexamen beenden. In Aachen, wo sein Vater am Hospital arbeitet, kommt der junge Doktor zunächst unter. Eine weitere Station wird das Kassler Kran­ kenhaus. Doch nach fast zehnjährigem „Krankenhaustrott“ schaut sich Borchers nach was eigenem um. Außerdem lernt er damals seine „Braut kennen“, was seinen „Freiheitsdrang“ noch verstärkte. Doch alle seine alten Studienfreunde, die es in alle Richtungen zerstreute, schildern ihm die Chancen für einen niederlassungswilligen Internisten als „katastrophal“. Nur aus dem Schwarzwaldstädtchen Villingen kommt von einem ehemaligen Kollegen eine positive Nachricht. Nur ein Internist sei in Villingen und einen weiteren „könnte es ruhig noch brauchen“. So kommt Borchers zusammen mit seiner „Braut“ 1957 nach Villingen und ist von der Stadt „sofort begeistert“. Doch auch hier beginnt der Start in die eigene Exi­ stenz nicht reibungslos. ,,An Kassenzulas­ sung ist überhaupt nicht zu denken“ be­ kommt Borchers von Kollegen zu hören. Doch damals „ war ich schon nicht mehr auf­ zuhalten, wo ich doch schon so weit gekom­ men bin“, erzählt Borchers. Er wagt den Start ohne Kassenzulassung und kann zunächst nur Privatpatienten gegen Rechnung behan­ deln, was damals alles andere als eine sichere Existenzgrundlage war. ,,Es war wirklich schlimm, wir lehnten oft nachmittagelang am Fenster und schauten aufs verlassene Trottoir oder ins menschenleere Wartezim­ mer“, erinnert sich Borchers. Dann aber fällt das Bundesverfassungsgericht ein Urteil, daß allen Ärzten, die sich niederlassen wollen und die entsprechenden Qualifikationen er­ füllen auch die Kassenzulassung erteilt wer­ den muß. Borchers ist seine Existenznöte los und ist auch an dem Richterspruch nicht ganz unbeteiligt. ,,Damals in Aachen sam­ melte der Marburger Bund Geld für die Ver­ fassungsklage und an dieser Sammlung habe ich mich auch beteiligt“, so Borchers, für den sich das damalige Engagement tatsächlich lohnte. ,,Von da an ging es dann aufwärts.“ Doch die härteste Prüfung hatte das junge Ehepaar Borchers noch vor sich. Infolge der Contergankatastrophe kommt die Tochter geistig und körperlich behindert auf die Welt. Dieses Schicksal „veränderte das Le­ ben“ des jungen Ehepaars, das sich mit die­ sem aber niemals passiv auseinandersetzte, sondern schaute, wie ihr eigenes Kind und auch andere behinderte Kinder bestrnög­ lichst gefördert werden können. So wird Axel Borchers Ende 1969 auf einer Schulver­ sammlung als Vorsitzender einer Elternver­ tretung gewählt, die die Belange behinderter Kinder konzentrierter als bisher ansprechen wollte. Die Kreisvereinigung der Lebenshilfe war geboren, deren Vorsitzender Dr. Axel Borchers 23 Jahre lang war. Auch wenn man sich unter das Dach der damals schon recht großen Hilfsorganisa­ tion Lebenshilfe stellte, fühlte man sich besonders zu Beginn der Vereinsarbeit im hohen Maße der Sonderschule für Geistig­ behinderte verpflichtet. ,,Das hieß damals in erster Linie, Räumlichkeiten zu finden“, er­ zählt Borchers. Anfang der 70er verbuchte der Hilfsverein den ersten großen Erfolg. Die Junghansvilla, in der damals noch das Kin­ derkrankenhaus untergebracht war, wurde nach dem Umzug der Kinderklinik zur end­ lich großzügigeren Herberge der Sonder­ schule, die seit 1969 in der Schulträgerschaft des Landkreises stand. Die Mitglieder der Lebenshilfe beteiligten sich damals nicht nur aktiv daran, den Gemeinderat zu dieser Orts­ entscheidung zu stimmen, sondern packten auch bei der Gestaltung der Außenanlagen 171

und des Spielplatzes selbst mit an. ,,Wir leg­ ten dabei immer großen Wert darauf, daß die Spielgeräte sowohl für behinderte als auch für nichtbehinderte Kinder nutzbar waren“, so Borchers, der sich immer um die Integra­ tion von behinderten Menschen bemühte, ja darin eine der wichtigsten Aufgaben der Le­ benshilfe überhaupt sah. Um in der Öffent­ lichkeit mehr Verständnis für Behinderte zu etablieren, machte sich die Lebenshilfe schon früh und mit originellen Veranstaltungen be­ merkbar. Mit Konzerten und Sommerfesten, die jeden üblichen Rahmen bei weitem spreng­ ten, zogen die Mitglieder der Lebenshilfe die Menschen an und machten diese quasi ,nebenbei‘ auf die Probleme von behinder­ ten Menschen aufmerksam, um so Toleranz und Sensibilität zu schulen und zu fördern. Außer der 23 Jahre währenden Vorsitzen­ dentätigkeit für die Lebenshilfe kümmerte sich Axel Borchers aber auch um die Nach­ sorge von Herzkranken. Seit 1981 betreut Borchers die Herzgymnastikgruppe als Me­ diziner und Organisator. In allen seinen ehrenamtlichen Amtern, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde, spiegelte sich der Wil­ le Borchers‘, sich mit leidlichen Umständen nicht abfinden zu wollen. Dort anzupacken, wo Not am Mann ist und Veränderungen notwendig sind, hat Borchers mit seiner langjährigen Tätigkeit als Vorsitzender der Lebenshilfe vielen vorgelebt. Jens Pottharst Dr. Helmut Pfäffle Ein weltoffener Apotheker aus St. Georgen Geboren ist Dr.Helmut Pfäffle 1922 in der international geprägten Bäderstadt Baden­ Baden, wo er auch seine Jugend bis zum Ende der Gymnasialzeit verbrachte. Nach der Teilnahme am Kriege, seit 1942 in einer Panzereinheit an der Ostfront, wurde der junge, aus Gefangenschaft entlassene Leut­ nant zunächst einmal Praktikant der Phar­ mazie, bevor er sein Studium in Karlsruhe und Freiburg aufnahm. Nach Staatsexamen und Approbation 1949 folgte 1953 seine Pro­ motion mit einer Arbeit zum Stoffwechsel. Bei dieser Forschung stieß Helmut Pfäffle auf eine grundlegende Voraussetzung für die Wirksamkeit von Medikamenten, die end­ lich auch sein eigenes Leben bestimmte. Me­ dikamente, so fand er heraus, konnten in den Körper nur dann wirksam eingebaut werden, wenn sie durch ihren von der Produktion zu beachtenden Aufbau die stufenweisen Um­ wandlungen am geeigneten Ort und zur pas­ senden Zeit vollzogen. Diese Erkenntnis konnte er später nicht nur bei seiner Arbeit im Zentrallaboratorium der deutschen Apo­ theker praktisch umsetzen, sondern beein- 172 flußte maßgeblich seinen Berufsweg. Der stufenweise Aufstieg in die pyramidenför­ mige Spitze der Fach-Hierarchie erfolgte nach dem gleichen Muster! 1953 trat er auf Wunsch seines Schwieger­ vaters, er hatte 1950 die Studienkollegin J uliane Brünner geheiratet, in die St.-Georgs­ Apotheke ein. 1955 übernahm er diese selb­ ständig in Pacht und wiederum fünf Jahre später wurde er Eigner der Offizin, die er bis 1994 führte. Drei Kinder wurden geboren. 1978, nach 28 gemeinsam verbrachten Jah­ ren, starb die Gattin. 1994 ging Dr. Pfäffle eine zweite Ehe mit seiner neuen Lebensge­ fährtin Ingrid Uthe ein. 1954 wurde er zum Kreisapotheker ge­ wählt. 1962 folgte die Wahl in die baden­ württembergische Vertreter-Versammlung der Apotheker. Seit 1970 stellvertretender Kammer-Präsident, rückte er von 1974 bis 1982 an die Spitze. Schon 1972 war er zudem in den Vorstand der Bundes-Apotheken­ Kammer berufen worden und zwei Jahre spä­ ter war er auch hier Vize-Präsident. An die Spitze wollte er jedoch nicht treten, denn als

teresse führte ihn in den Vorstand der Villin­ ger Volksbank, sein soziales Bemühen hieß in, sich am Aufbau und Fortbestand der Schwesternschule am Krankenhaus St. Geor­ gen zu beteiligen. Den Ausgleich und Gegenpart fand er gerade in sportlichen Aktivitäten, die körper­ liche Anstrengung mit einem geistigen An­ spruch verbanden. Seine Bergwanderungen faßte er so in anschauliche Vorträge, bei de­ nen er bemerkenswerte botanische Kennt­ nisse verriet. Im Tennissport suchte er das „Spiel“, wo lange, flache Ballwechsel von der Grundlinie ihm mehr Genuß als die Aus­ sicht auf Sieg brachten. Und im Skifahren war es nicht der Rausch der Geschwindig­ keit, sondern die Körperbeherrschung über schwierigem Gelände als ein Zwiegespräch mit der Natur. Wer dem Charakter und Temperament Dr. Pfäffles nachspürt, findet sie zunächst in seinen Reden. Ständig wurden seine Tagun­ gen mit lehrreichen Referaten und kritischer Diskussion gewürzt. Er verschloß sich kei­ nem Streitgespräch, war lebhaft und sprühte vor Vitalität. Stets zur Rede bereit, schlank, charmant und fair, unterstrich er das, was er durchweg sprachlich glänzend vortrug, auch mit dem Körper. Selbst korrekt gekleidet, duldete er auch bei anderen keine Nachläs­ sigkeit. Hier hatte die sonst von ihm gepfleg­ te Toleranz ihre Grenzen. Die starke Rationalität seines Denkens war in seiner Studien- und Assistentenzeit entstanden und hatte sich seither durch Übung immer mehr verfeinert. Er stellte sie in den Dienst des kranken Menschen, der durch die Vermittlung des Pharmazeuten die ihm dienliche chemische Substanz, d. h. Medizin, erhalten sollte. Aus diesem Span­ nungsfeld zwischen Chemie und Mensch­ lichkeit wuchs die ihm eigene kreative Span­ nung, der Kraftschub, welcher sein ganzes Leben kennzeichnete. Aber vielleicht hat auch der Standort der Apotheke einiges zur Charakterentwicklung Dr. Pfäffles beigetragen. Nach zahlreichen Umzügen im Innern des einstigen Klosterbe- 173 ,,Hauptamtlicher“ hätte er seine Basis ver­ mißt. Auch Bonn war in diesen Jahren auf ihn aufmerksam geworden und entsandte ihn 1971 in die deutsche Delegation, die im Rah­ men der Europäischen Gemeinschaft Richt­ linien zur Harmonisierung des Apotheker­ standes und der Arzneimittelproduktion entwickeln sollte. Aufgrund seines Einsatzes in Brüssel erhielt er das Bundesverdienst­ kreuz !.Klasse und die Verdienstmedaille der baden-württembergischen Apotheken-Kam­ mer. Bei all dieser rastlosen Tätigkeit für den Apothekerstand vergaß Dr. Pfäffle seine Hei­ mat und ihre Belange nicht. Zu erwähnen ist deshalb sein Engagement für die Gemeinde­ politik im Kreis der Freien Wähler. Zwölf Jahre, von 1959 bis 1971, arbeitete er im Ge­ meinderat zum Wohle seiner Stadt St. Geor­ gen. Er war aktives Mitglied im Verein für Heimatgeschichte. Sein wirtschaftliches In-

zirks hat die Apotheke heute zwischen Apsis und Langhaus einen würdigen Standort ge­ funden. Die Fundamente der ersten romani­ schen Bauphase lassen sich noch im Keller des Hauses verfolgen. So strahlt die spiri­ tuelle Kraft, wie sie vor fast eintausend Jah­ ren von der Konzentration mönchischen Zusammenlebens ausging, gewissermaßen noch heute in die Räume des Gebäudes und auf einen mit dem Gespür für geheimnisvol­ les Geschehen begabten Herrn des Hauses. Wie sonst hätte dieser auch jenes glückliche Zusammenspiel dreier Ereignisse im letzten Jahr erleben dürfen, wo Heirat mit der Le­ bensgefährtin, Vollendung des siebten Jahr­ zehnts und Übergabe der Offizin an einen langjährigen Mitarbeiter die Höhepunkte bildeten. Wen wundert’s daher, daß die aus Lindenholz geschnitzten, dunkel getönten Schutzpatrone der Ärzte und Apotheker, Kosmas und Damian, bis zum heutigen Tage den Besucher aus dem Hintergrunde des Ver­ kaufstresens her anlächeln. Dr. Walter Probst Dr.Joachim Sturm Paul Haaga Ein engagierter Bürger mit vielen Ehrenämtern und Auszeichnungen ,,Paul Haaga war in Schwenningen der Ge­ meinderat, der Bürgernähe und Bürgerhilfe nicht nur als theoretische Begriffe verstand, sondern sie direkt und unkompliziert auch praktizierte.“ Mit diesen Worten charakteri­ sierte Oberbürgermeister i. R. Dr. Gebauer Paul Haaga anläßlich der Verleihung der Bürgermedaille in Gold der Stadt Villingen­ Schwenningen im Herbst 1994. Paul Haaga erkannte schon früh die be­ fruchtende Wirkung des persönlichen Ge­ sprächs, für das er sich deshalb immer – sowohl im Beruf, als auch in seinen vielen Ehrenämtern – viel Zeit nahm. Die offene, direkte, unkomplizierte Art, mit der er auf die Menschen zuging, nicht minder aber auch seine Hilfsbereitschaft, brachten ihm schnell Vertrauen und Anerkennung, aber auch Einfluß und beruflichen Erfolg. Paul Haaga wurde 1919 als Sohn eines Werkmeisters in Beffendorf bei Oberndorf geboren und wuchs dort mit noch drei Geschwistern in der Idylle eines kleinen Dor­ fes auf. Seiner eigenen Au sage zufolge wurde er streng und christlich erzogen. Her­ kunft und Elternhaus haben ihn geprägt. Die Wurzeln in die Heimat pflegt er heute noch, über die Spracheigentümlichkeit hinaus auch in menschlichen Beziehungen. 174 Nach der Volksschule besuchte Paul Haaga eine private Handelsschule in Obern­ dorf, wurde anschließend bei der Volksbank Alpirsbach zum Bankkaufmann ausgebildet und arbeitete danach bis zu seiner Einberu­ fung zur Wehrmacht 1940 bei der Haupt­ zweigstelle Oberndorf der Kreissparkasse Rottweil. Nach Rückkehr aus Krieg und Gefangen­ schaft 1945 wurde ihm die Leitung der Spar­ abteilung der Kreissparkasse Rottweil über­ tragen. Da der dynamische und ehrgeizige junge Mann dort für sich keine beruflichen Perspektiven sah, ließ er sich bereits 1949 zur damaligen Hauptzweigstelle Schwenningen der Kreissparkasse Rottweil versetzen. Nach dem Besuch der Württembergischen Spar­ kassenschule in Stuttgart im Jahre 1949 wurde Paul Haaga Kreditsachbearbeiter bei der Sparkasse Schwenningen. Die eigentli­ che berufliche Karriere aber begann, als er 1956, also schon mit 37 Jahren, in den Vor­ stand der Volksbank eGmbH Schwenningen berufen wurde, wo er in erster Linie für das gesamte Kreditgeschäft der Bank zuständig und verantwortlich war. Aufgrund seiner Kontaktfreudigkeit und seines hohen Sachverstandes wurde er bald in überregionale Bankgremien berufen, wie

stand des neuen Vereins BSV Schwennin­ gen. Anerkennung fand dieses Engagement u. a. – und darauf ist Paul Haaga besonders stolz – durch die Einladung als Ehrengast – zusammen mit dem allzufrüh verstorbenen Gustav Strohm – zur Teilnahme am Europa­ cup-Spiel 1960 in Glasgow zwischen Ein­ tracht Frankfurt und Real Madrid sowie der Verleihung der Ehrennadel in Silber des Württembergischen Fußballverbandes. Positiv herauszustellen ist auch seine 17jährige Tätigkeit als Hauptschöffe bei den Landgerichten Rottweil und Konstanz, wo er seine große berufliche und Lebenserfahrung bei den Verhandlungen einbringen konnte. Das bedeutendste und wichtigste Ehren­ amt im öffentlichen Leben aber war seine langjährige kommunalpolitische T ätigkeit. Paul Haaga war 35 Jahre lang Stadtrat und eine Wahlperiode auch Mitglied des Kreista­ ges des Schwarzwald-Baar-Kreises: ein Be­ weis für den Bekanntheitsgrad und die Wert­ schätzung, die er bei der Bevölkerung über Jahrzehnte genoß. Bereits 1959 wurde er in den Gemeinderat der Stadt Schwenningen als Mitglied der CDU-Fraktion gewählt. Als es um den Städtezusammenschluß ging, war es für ihn eine Selbstverständlichkeit, daß er im gemeinsamen Ausschuß, in dem die Fusion der beiden Städte Schwenningen und Villingen vorbereitet wurde, engagiert mitar­ beitete. Seit der Fusion am l.Januar 1972 bis zum 31. August 1994 war er Mitglied des Gemeinderates der Stadt Villingen-Schwen­ ningen. In den 35 Jahren kommunalpoliti­ scher Tätigkeit arbeitete er in insgesamt 7 Ausschüssen, vor allem aber im Kultur- und Verwaltungsausschuß und im Personalaus­ schuß. Außerdem gehörte er dem Aufsichts­ rat der Wohnungsbaugesellschaft mbH, der Kunsteisbahn GmbH sowie der Stadtwerke Villingen-Schwenningen GmbH an. Seine Mitarbeit in diesen Gremien wurde wegen seiner Fachkompetenz und seines unterneh­ merischen Denkens sehr geschätzt. Für seine großen Verdienste als Kommu­ nalpolitiker wurde Paul Haaga 1971 mit dem Ehrenring der Stadt Schwenningen, 1994 mit 175 z.B. in den Aufsichtsrat der Zentralkasse Württembergischer Volksbanken, der Ge­ nossenschaftszentralbank Stuttgart, der Re­ chenzentrale Württembergischer Genossen­ schaften in Stuttgart, ja sogar in den Beirat der Deutschen Genossenschafts-Hypothe­ kenbank AG Hamburg. Für die Verdienste um das Genossenschaftswesen wurde er beim Ausscheiden aus dem Beruf Ende De­ zember 1983 mit der Ehrennadel des Würt­ tembergischen Genossenschaftsverbandes ausgezeichnet. Trotz seiner anspruchsvollen und zeitin­ tensiven beruflichen Arbeit engagierte sich Paul Haaga über vier Jahrzehnte in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens. Neben der Mitgliedschaft in den verschiedensten Vereinen der Stadt widmete er einen großen Teil seiner Freizeit dem Sport und hier insbe­ sondere dem Fußballsport. Er war u. a. Vorstandsmitglied des SC Schwenningen und ist nach dem Zusammen­ schluß dieses Vereins mit dem VfR Schwen­ ningen seit nunmehr 20 Jahren Ehrenvor-

der Verdienstmedaille und der Bürgerme­ daille in Gold der Stadt Villingen-Schwen­ ningen ausgezeichnet. Die anspruchsvolle berufliche Tätigkeit und die vielen Ehrenämter haben auch von seiner Gesundheit Tribut gefordert. So ist Paul Haaga zu wünschen, daß er noch viele glückliche und zufriedene Jahre bei besserer Gesundheit im Kreise seiner Familie, mit sei­ ner Frau Franziska, seinen Kindern und Enkeln, erleben darf Alfons Grimm Zum Gedenken Peter Gramlich Ein Lehrer und Mitbürger, der in den Herzen fortleben wird „Der langen Rede kurzer Sinn … „, mit diesen Worten brachte Peter Gramlich seine engagierten Redebeiträge häufig auf den Punkt. Ja, es war wirklich eine Freude, mit diesem Lehrer zu reden und er tat es gerne und oft mit Unzähligen und mit großer Lei­ denschaft. Das wird künftig nicht mehr so sein, denn wir mußten diesen rührigen Pädagogen, poli­ tisch aktiven Bürger und lebensfrohen Chri­ sten mit erst 47 Jahren am 3. Dezember 1994 auf dem Kirchdorfer Friedhof zu Grabe tra­ gen. Peter Gramlich war ein imponierendes Beispiel positiver Menschlichkeit. Am 30. November 1994 verstarb er über­ raschend an Herzversagen. Sein Tod löste eine Welle von Trauer und Betroffenheit aus. Seine Familie, die Schüler und Lehrer der Realschule und eine breite Öffentlichkeit in Brigachtal und Bad Dürrheim empfanden seinen frühen Tod als herben Verlust; sie trauern diesem wertvollen Menschen sehr nach. Wer war dieser Peter Gramlich? Am 21.2.1947 in Walldürn in einer Lehrers­ familie geboren, wollte er nach dem Abitur und dem Wehrdienst selber Lehrer werden. Er studierte in Karlsruhe und machte dort sein Examen als Realschullehrer in den Fä­ chern Deutsch und Kath. Religion. 1971 verheiratete er sich mit seiner Frau Gabi. Die Hochzeitsreise führte die beiden in den Schwarzwald nach St. Georgen und Schonach. In diese Gegend verliebten sie 176 sich so sehr, daß sie auch die berufliche Zu­ kunft in dieser Region suchten. Die Freude war groß: Herr Gramlich durf­ te 1973 seinen Schuldienst an der Realschule Bad Dürrheim beginnen, wo er über 20 Jahre bis zu seinem Tode verblieb. Die Familie ließ sich in Kirchdorf nieder, was der Gemeinde Brigachtal zum Gewinn

werden sollte. Aus der Ehe gingen drei Kin­ der hervor. Neben seiner Berufsarbeit als Lehrer be­ teiligte er sich von Anfang an mit großer Selbstverständlichkeit am öffentlichen Le­ ben. In zwei Bereichen brachte er seine Talente em. Da gab es für den überzeugten Katholiken das Feld der Kirchengemeinde. Ob als Lektor oder Kommunionhelfer, ob als Mitglied der Brigachtaler Kolpingfamilie oder als Religionslehrer, immer war er ein Inspirator, Beweger und Helfer in den An­ liegen seiner Kirchengemeinde und be­ sonders den Schwachen und Ausgegrenz­ ten zugetan. Zu einer Spezialität seiner Person wurden seine Nikolausauftritte, sei es beim Bad Dürrheimer Weihnachtsmarkt oder bei vielen Gelegenheiten in Kindergärten, Schulen, Vereinen oder in Familien. Das war für ihn nicht einfach frommes Spiel mit religiösem Unterhaltungswert; er ver­ mittelte vielmehr die ganze Kraft und Bot­ schaft eines beeindruckenden Glaubens­ zeugen und Freundes der Kinder. Es gab auch noch den Bereich des enga­ gierten Bürgers und politischen Men­ schen. Bereits seit 1966 CDU-Mitglied, gehörte er von 1975 bis 1989 dem Gemein­ derat Brigachtal an. Seine Tätigkeit als Kreisrat im Schwarzwald-Baar-Kreis schloß sich 1989 an, wo er als Schwerpunkte sei­ ner Arbeit die Bereiche Kultur, Soziales und Jugendhilfe wählte. Doch zurück zu dem LEHRER und ER­ ZIEHER GRAMLICH, das war und blieb sein Beruf im wahrsten Sinne des Wortes. Herr Gramlich war ein Pädagoge, der diese Bezeichnung verdient. Er liebte junge Men­ schen und begegnete ihnen mit vorbildli­ chem Charakter, mit Wert- und Standpunkt­ festigkeit. Er wollte erziehen; er wollte Werte vermitteln. Er wich den Problemen nicht aus und verstand, in einer sehr liebevollen, ge­ winnenden Art auf seine Schüler erfolgreich Einfluß zu nehmen. Die Schüler schätzten seine lautere Ge­ radlinigkeit, sie wußten wo sie dran waren und vertrauten ihm. Seinen klar überzeugten religiösen Standort kannte jeder. Er ging feinfühlig damit um, bedrängte niemanden, was entscheidend zur hohen Akzeptanz des Faches Religion an der Schule beitrug. In großer Harmonie verband er fachliche Kompetenz mit seinem ganz persönlichen Lebenszeugnis. Nicht von ungefähr wählte ihn der Frei­ burger Erzbischof unter seinen Religionsleh­ rern aus und ernannte ihn noch im Herbst 1994 zum kirchlichen Schulbeauftragten für das Fach Kath.Religion im Schulkreis Villin­ gen-Schwenningen. Herr Gramlich wollte allen Religionsleh­ rern im Kreis ein guter Berater, Förderer und Begleiter sein. Noch ein Schwerpunkt dieses Lehrers muß erwähnt werden. Die Schüler erinnern sich sicherlich noch lange an die wöchentlichen Schülergottes­ dienste mit ihm und an die vielen Aktionen für die Notleidenden in dieser Welt. So setzte er sich auch immer wieder für das Ju­ gendhilfeprojekt ALBAY auf den Philippi­ nen ein, das der Schwarzwald-Baar-Kreis seit Jahren zum eigenen Anliegen machte. Bei vielen Festen trat Gramlich als Leierkasten­ mann auf und sammelte dafür. Über das Leben dieses Pädagogen stellte der Schulleiter der Bad Dürrheimer Real­ schule am Beerdigungstag das Wort des Phi­ losophen und Pädagogen Gustav Siewerth: „Alles Gute das den Menschen bewegt, berührt sein Herz mit dem Glanz und der Macht göttlichen Lebens.“ Peter Gramlich bewegte in seinem Leben viel Gutes. Er lebte aus seinem Herzen als herzerfri­ schender Mensch und ging mit allen herz­ lich um. Der Glanz und die Macht seiner Person waren bemerkenswert und bezogen ihre Kraft aus seinem göttlichen Quellgrund. 177

Michael Weinmann und hielt mit seiner Meinung nicht hinterm Diesem Menschen konnte man täglich Berg. Für so einen befähigten Lehrer und Erzie­ begegnen, er nutzte sich nicht ab. Er hatte die Gabe, von allen akzeptiert, zu her, für so einen aktiven und gestalterischen integrieren, zusammenzuführen, zu versöh­ Bürger, für so einen liebenswürdigen und nen und friedliche Lösungswege zu suchen. Er war nicht eben nett, ohne Biß und wertvollen Menschen kann man nur dank­ standpunktlos; -im Gegenteil: jeder wußte, bar sein. Sehr viele sind das, -dessen bin ich mir wo Peter Gramlich stand, immer mischte er sich aktiv und positiv ein, bezog Stellung Ernst Lutz gewiß. Mit Weitsicht die Geschicke der EGT Elektrizitäts-Gesellschaft Triberg GmbH geleitet Als Michael Weinmann im Jahre 1963 in das Energieversorgungsunternehmen in Tri­ berg eintrat, konnte selbst er nicht ahnen, welche beeindruckende Entwicklung dieses regionale EVU in den über dreißig Jahren seiner Tätigkeit, erst als kau&nännischer Leiter, dann als Geschäftsführer, nehmen würde. In Stuttgart aufgewachsen, ließ sich Mi­ chael Weinmann nach dem Abitur zum Industriekaufmann ausbilden. Danach stu­ dierte er in München und Wien Betriebs­ wirtschaft und machte 1957 sein Examen zum Diplom-Kaufmann. Seine über 5jährige Tätigkeit bei der WIBERA Wirtschaftsberatung AG in Stutt­ gart führte ihn auch nach Triberg zur EGT. Offenbar machte dieses U nternehrnen einen so guten Eindruck auf ihn, daß er im Jahre 1963 in dessen Dienste als kau&nännischer Leiter eintrat. 1971 wurde der erfolgreiche Prokurist vom Aufsichtsrat zum alleinigen Geschäftsführer der EGT bestellt. Im Januar 1995 wurde Michael Wein­ mann in den Ruhestand verabschiedet. Zum Festakt waren zahlreiche Vertreter aus Wirt­ schaft, Politik und öffentlichem Leben gela­ den. In den Festreden wurden die Verdienste Weinmanns auf beeindruckende Weise dar­ gestellt. Seine unternehmerischen Fähigkei­ ten wurden durch Zahlen aus seiner 30jähri­ gen Tätigkeit deutlich gemacht: 178 Der Stromverkauf hat sich in dreißigJah­ ren vervierfacht, der Umsatz verzehnfacht, die Zahl der Mitarbeiter auf nahezu 300 ver­ doppelt. Es wurden über 600 km Strom-und 250 km Gasleitungen gebaut. Während sei­ ner Tätigkeit wurden vornehmlich für die Verstärkung der Energieversorgung, die Ver­ besserung der Versorgungsmöglichkeiten

und Versorgungssicherheit über 250 Mio. DM investiert. Michael Weinmann hat aus der Elektrizi­ täts-Gesellschaft Triberg GmbH ein mo­ dernes und zukunftsorientiertes Dienstlei­ stungsunternehmen gemacht, das mit einem Einsatz von über 70 Mio. DM auch noch die Gasversorgung in 9 Städten und Gemeinden der Region sowie in zwei Städten durch die Erstellung von Blockheizkraftwerken auch eine Wärmeversorgung aufgebaut hat. Im Jahre 1983 konnte das unter seiner Regie entworfene neue Verwaltungsgebäude in der Schonacher Straße in Triberg bezogen werden, das heute noch als besonders gelun­ gen, hochmodern und zweckmäßig geprie­ sen wird. Den Betriebszweig Elektro-Installations­ technik hat Michael Weinmann konsequent ausgeba.ut und durch die Gründung einer Tochtergesellschaft, der EGT Elektrotechnik GmbH, zu großer Bedeutung in ganz Baden­ Württemberg geführt. Inzwischen hat die Tochtergesellschaft zwei eigene Tochterfir­ men im Großraum Stuttgart und in Offen­ burg. Seine Mitarbeiter schätzten an ihm seinen außergewöhnlichen Führungsstil, der jedem den Freiraum zu persönlicher produktiver und schöpferischer Entfaltung zum Wohle des Unternehmens ließ. Die Persönlichkeit und die Leistungen von Michael Weinmann sind auch außer­ halb der EGT anerkannt. Bis zu seiner Pen­ sionierung bekleidete er zahlreiche wichtige Positionen in der Energiewirtschaft. So war er Mitglied des Vorstandrates der Vereini­ gung Deutscher Elektrizitätswerke Baden­ Württemberg sowie des Arbeitgeberverban­ des der Elektrizitätswerke Baden-Württem­ berg und außerdem Mitglied des Landes­ fachausschusses für Stromtarife. Michael Weinmann war Gründer der Industriege­ meinschaft Triberg und des Lions-Club Tri­ berg. Außerdem bekleidet er noch immer eine Reihe ehrenamtlicher Tätigkeiten u. a. als Richter beim Arbeitsgericht Freiburg und als Handelsrichter beim Landgericht Kon- stanz. Für seine hervorragenden Leistungen als Unternehmer und in Anerkennung seiner Verdienste für das Gemeinwohl wurde Michael Weinmann bereits im Jahre 1988 das Bundesverdienstkreuz verliehen. Außerdem erhielt er bei seiner Verabschiedung aus der Hand des Triberger Bürgermeisters Klaus Martin die Bürgermedaille der Stadt Triberg. Ein Portrait von Michael Weinmann wäre nicht vollständig, wenn man nur den Unter­ nehmer, nicht aber den Menschen würdigt. Sein ausgleichender Charakter, die großzü­ gige Art des Denkens und Handelns, die wohl jedem auffällt, der mit ihm geschäftlich oder privat Kontakt hat, machen ihn zu einem besonders sympathischen und ange­ nehmen Mitmenschen. Dies und seine Er­ fahrung sowie seine Urteilskraft bewog die Gesellschafter der Elektrizitäts-Gesellschaft Triberg GmbH, ihn ab 1995 in den Aufsichts­ rat der Gesellschaft zu berufen. Unternehmer wie Michael Weinmann, die sich immer neue realistische Ziele stek­ ken und auch erreichen, sind es, die unsere Region positiv prägen. Manfred Wühr In unserer Zeit Du, stell dir vor, stündest vor verschloß’nem Tor, grau und alt, zitternd, kalt; pochst und pochst, hoffst und hoffst auf ein gütig‘ Kind, das dich an die Wärme bringt. – Knarrend fliegt da auf geschwind das Tor – doch hervor fegt nichts als Wind, eisigkalter Wind – nur Wind. – Bald bist du alt, bald – bald! – Helmut Groß 179

Lebensfreude durch Gymnastik Ruth Stockburger hält in Triberg Senioren in Schwung Donnerstagnachmittag in Triberg: Fröhli­ ches Lachen schallt aus dem Gymnastik­ raum der Turnhalle. „Und hopp -und jetzt -und hoch“ wird gerufen. Dazu erklingen flotte Weisen. Rund 30 Paar Damenbeine schnellen in die Höhe. Einige Beine bleiben zwar fast am Boden, aber das ist nicht so wichtig. Hier turnen nämlich die Seniorin­ nen der Kurstadt. Ruth Stockburger, mit 62 Jahren fast die Jüngste in der Gruppe, ist die Vorturnerin. „Seniorengymnastik“ heißt das offiziell, was Ruth Stockburger seit rund 16 Jahren im Rahmen des Deutschen Roten Kreuzes ver­ anstaltet. Und donnerstags kommt „ihre“ Triberg-Gruppe zusammen, die 42 Teilneh­ merinnen umfaßt. Manchmal kommt auch ein Mann, aber: ,,Die Männer tun sich schwerer.“ Die Seniorengymnastik wird vom Ortsverein des Deutschen Roten Kreuzes 180 angeboten. Ruth Stockburger gehört dem DRK schon seit ihrem 17. Lebensjahr an. Bis auf wenige Jahre der Mutterpflichten nahm sie seither aktiv am Vereinsgeschehen teil. Doch sie turnt nicht nur in Triberg mit Senioren. In Nußbach betreut sie ebenfalls eine Senioren-Gymnastikgruppe mit jetzt zwölf Frauen. ,,Wir haben viele Alleinste­ hende, die kommen immer gern.“ Zweimal die Woche ist Ruth Stockburger im Alten­ und Altenpflegeheim und bietet auch dort Gymnastik an und lebt und arbeitet so für ihre Mitmenschen. Für die ehemalige Schwesternhelferin ist das selbstverständ­ lich. Als Ruth Stadelmann kam die Tribergerin 1933 zur Welt, sie besuchte in Triberg die Schule und arbeitete später im Haushalt und im Laden ihrer Tante. 1958 wurde sie in St. Georgen zur Schwesternhelferin ausgebil­ det und war fortan im Einsatz für das Rote Kreuz. Dann heiratete sie, bekam 1960 ihren Sohn, 1967 noch ein Zwillingspärchen und die aktive DRK-Arbeit mußte zunächst ruhen. ,,Wenn Not am Mann war, habe ich im­ mer geholfen“, erinnert sich heute Ruth Stockburger. Der soziale Gedanke hatte in ihrem Elternhaus breiten Raum, er trägt sie noch heute. Im ehemaligen Triberger Kran­ kenhaus machte sie häufig Nachtwache oder übernahm Wochenend-Dienste. Sie war da­ bei, wenn die Blutspende-Einsätze es forder­ ten und sie begleitete 15 Jahre lang Behinder­ ten-Schulbusse, erst vor zwei Jahren hat sie diesen Dienst aufgegeben. Ruth Stockburger ist schon seit vielen Jah­ ren Wittfrau, doch einsam und allein ist sie nicht. Ihre Aktivität und Lebensbejahung gibt die fröhliche Frau gern an ihre Senioren weiter: Wer beweglich bleibt, bleibt inner­ lich jung und ist nicht einsam. ,,Eine Absage unseres Übungstages ist für alle fast eine Katastrophe“, bestätigt Ruth Stockburger, Donnerstag ist eben Gymnastik-Tag.

Für diesen Einsatz hat die T ribergerin eini­ ges auf sich genommen: Zwei Jahre lang nahm sie in Freiburg an Seminaren teil und erhielt dann ihren Lehrschein. ,,Mit alten Menschen muß man ganz andere Übungen machen, meistens sitzend auf dem Stuhl oder am Stuhl“, erläutert Ruth Stockburger. Überanstrengen darf sich keiner. 1994 mach­ te die vitale 62jährige noch den Lehrschein für Seniorenjoga, dessen Übungen ebenfalls anders ausfallen als die jüngerer Menschen. „Es macht mir einfach Spaß, mit den alten Damen und Herren zu arbeiten“, um­ schreibt sie ihre Motivation. Daß sie in ihrer Freizeit mit ihnen Fasnacht feiert, einen Aus­ flug organisiert, eine Wallfahrt zur Nußhurt unternimmt oder ein Terrassenfest bei einer Teilnehmerin organisiert, gehört für sie ein­ fach dazu wie auch der jährliche Drei-Tage­ Ausflug. Stolz ist Ruth Stockburger, die inzwi­ schen auch für die CDU im Gemeinderat sitzt, auf die Partnerschaft der Triberger Senioren mit dem „Club de l’age d’or“ (Club der goldenen Jahre) in Frejus, der Mittel­ meerstadt, die Partnerstadt Tribergs ist. ,,Wir sind die ersten Senioren, die so etwas ge­ macht haben.“ 1991 wurde eine entsprechen­ de Partnerschaftsurkunde unterzeichnet. Nach einer guten Stunde sind alle Da­ men, die ein einheitliches T-Shirt tragen, müde, aber aufgekratzt. Nun folgt der gesel­ lige Teil und man hat sich viel zu erzählen. Es wird wieder ein fröhlicher Abend. Und wenn einer oder eine aus der Gruppe sagt. ,,Wie schade, daß ich nicht schon früher dazuge­ kommen bin“, dann ist Ruth Stockburger glücklich und für ihre Mühe belohnt. Renate Bökenkamp In memoriam Emil Winterhalter Bürgermeister und Ortsvorsteher von Wolterdingen Das Wirken für die Gemeinde wurde dem am 6.März 1928 in Wolterdingen geborenen Emil Winterhalter gewissermaßen in die Wiege gelegt, hatte doch sein Vater Alfred Winterhalter damals das wichtige Amt des Farrenwärters inne. Die Lehr- und Ausbil­ dungszeit Emil Winterhalters fiel in die schwierigen Jahre des Zweiten Weltkrieges. Doch hat dies im nachhinein gesehen seiner Laufbahn als Kommunalpolitiker keinen Abbruch getan. Durch seine Berufswahl als Rechtsanwalt-Lehrling mit Besuch der Han­ delsschule hatte er nämlich bereits seinen Weg zur Kommunalpolitik vorgezeichnet. Mit juristischem und wirtschaftlichem Grundwissen versehen fand er 1947 Eingang in die mittlere Beamtenlaufbahn beim In­ nenministerium des Landes Baden, das ihn zur Ausbildung dem Landratsamt Donau­ eschingen zuwies. Kaum sieben Jahre später, 1955, trat er nach Besuch der Gemeinde-Ver­ waltungsschule in die gehobene Verwal­ tungslaufbahn. Inzwischen hatte er sich 1952 mit der Wolterdingerin Anni Egle verheira­ tet, die ihm im Laufe der Ehe drei Kinder schenken sollte. Die glückliche Verbindung von Kenntnis­ sen in der Gemeindeverwaltung mit seinem Interesse an Politik und seiner Verbunden­ heit zu seinem Heimatort Wolterdingen drängte ihn 1956 in den Gemeinderat. Dort legte er mit den Grundstein zu den großen Investitions- und Infrastrukturmaßnahmen der Gemeinde wie den Neubau des Farren­ stalles 1957 /58, der Festhalle (1959) oder des Feuerwehrgeräte- und Schlachthauses (1964). Am 21. Mai 1967 schließlich wurde er mit mehr als 60 0/o der Stimmen zum Bürgermei­ ster gewählt. Viel packte er in den folgenden Jahren an, 181

Umland eingebunden, zu nahe am Mittel­ zentrum Donaueschingen, als daß der Ort hätte seine Selbständigkeit bewahren kön­ nen. Die Eingemeindung am 1.Januar 1972 und die Einstufung Wolterdingens als Orts­ teil konnten die Kraft Emil Winterhalters nicht brechen. Auch als Ortsvorsteher war er unablässig um das Wohl seiner Mitbürger und seiner Gemeinde bemüht und vertrat stets die Interessen seines Ortsteiles in der Gesamtstadt. Neben seiner Tätigkeit an der Spitze der Gemeinde war er in vielen Vereinen und im kirchlichen Leben aktiv. Als Vorsitzender beim Ortsverein des Roten Kreuzes, beim Fußballclub, Gesangverein und dem Akkor­ deonverein gestaltete er zwei Jahrzehnte lang das Gemeinschaftsleben. Im Stiftungsrat der katholischen Pfarrgemeinde kümmerte er sich um soziale Belange und den Unterhalt des Kirchenvermögens. Anerkennung für sein rastloses Tätigsein für die Gemeinschaft fand Emil Winterhal­ ter in zahlreichen Ehrungen. Der Gemeinde­ tag von Baden-Württemberg verlieh ihm 1985 die Ehrenmedaille. Nach einer längeren, mit viel Geduld und Hoffnung ertragenen Krankheit entschlief Emil Winterhalter am 19. Februar 1990. Dr.Joachim Sturm Zeichnung: Helmut Groß um den Bürgern eine moderne Infrastruktur in den Bereichen Daseinsvorsorge, Gesund­ heit und Gemeinschaftsleben zu geben. Die Kanalisation wurde ausgebaut, eine Kläran­ lage errichtet, eine Fahrzeugwaage und eine Aussegnungshalle auf dem Friedhof. Dann kam die Gemeindereform. Zu stark war Wol­ terdingen bereits in das Donaueschinger 182

Gerd Bender Weithin bekannt durch seine Arbeiten über die Geschichte der Schwarzwälder Uhrmacherei Wer Gerd Sender besucht, der hat meist etwas zum Thema Schwarzwalduhr im Sinn, sei es aus wissen­ schaftlichen Gründen oder einer ganz pri­ vaten Leidenschaft wegen. Beim Eintritt ins Haus am Furtwan­ ger Sommerberg fällt der Blick auf eine lie­ bevoll restaurierte ba­ dische Grenztafel und bleibt dann am Heili­ genbildchen hängen; Zeugnisse einer tiefen Volksfrömmigkeit in vergangener Zeit. Zu ihnen gesellen sich Darstellungen der Hei­ matstadt Furtwangen, frühe Lithographien, Holz- und Kupfer­ stiche. Natürlich auch eine klassische Lack­ schild-Achttageuhr aus dem Schwarzwald, die ein schönes Barock­ stuckschild aus emer Furtwanger Werkstatt trägt. Gerd Bender ist vielseitig interessiert und leidenschaftlicher Sammler. Zumal wenn die Objekte mit der Geschichte seiner Hei­ mat zusammenhängen, dem Schwarzwald um Furtwangen herum. Dieser Heimatver­ bundenheit und einem ausgeprägten wissen­ schaftlichen Interesse ist das zweibändige Standardwerk „Die Uhrmacher des hohen Schwarzwaldes“ zu verdanken, das noch heute seinesgleichen sucht und den Furt­ wanger in der Fachwelt europaweit bekannt machte. Im November 1923 geboren, folgte in den Kriegsjahren 1940 bis 1942 auf den Besuch der Berufsschule eine Ausbildung an der tra­ ditionsreichen Staatlichen Uhrmacherschu- 183

Je Furtwangen. Doch nicht die Uhrmacherei hatte Bender dabei im Sinn, sondern die noch junge Funk-und Nachrichtentechnik. Auf Kriegsdienst in Rußland und amerikani­ sche Kriegsgefangenschaft folgte schließlich im Jahre 1949 eine Anstellung bei SABA in Villingen. Neben seiner Berufstätigkeit be­ reitete er sich auf die Meisterprüfung vor, die er 19 52 bei der Handwerkskammer Konstanz mit Erfolg ablegte. Und in die 1950er Jahre fallt auch ein Fund mit Folgen: Gerd Bender stößt beim Stöbern auf dem Speicher seines Schwieger­ vaters Oskar Mark auf die von AdolfKistner im Jahr 1927 verfaßte Schrift „Die Schwarz­ wälder Uhr“. Begeistert vom Inhalt, bemüh­ te sich Bender um weitere Literatur zu die­ sem Thema, die aber gab es kaum. Selbst Antiquare hatten für den Uhrenliebhaber aus Furtwangen meist nur Absagen bereit. Historische Schriften zur Entstehung der Schwarzwälder Uhrmacherei sind äußerst selten. Dem Interesse für den „Lauf der Zeit“ kam ein Berufswechsel im Jahr 1962 entgegen. Gerd Bender kehrte zu seinen Wurzeln zurück, er begann eine Tätigkeit als techni­ scher Lehrer für den Fachbereich Elektronik an der Staatlichen Berufsfachschule, die da­ mals noch der Staatlichen Ingenieurschule angegliedert war, und die er bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1987 ausübte. In dieser Zeit erhielten viele Schülerjahrgänge durch Gerd Bender eine umfassende und praxis­ nahe Ausbildung auf diesem modernen Fachgebiet. So konnten auch viele seiner damaligen Schüler beim späteren Studium an der Fachhochschule Furtwangen auf seine jahrelange Industrieerfahrung in der Kon­ struktion elektronischer Geräte zurückgrei­ fen. Nachdem er zwischendurch geplant hat­ te, eine Bibliographie zum Thema Schwarz­ walduhr zu verfassen, wagte sich Gerd Ben­ der auf Anregung des damaligen Rektors der Staatlichen Ingenieurschule, Prof.Lehmann, der an der Uhrmacherschule noch sein Leh­ rer war, doch an sein Standardwerk. Unter- 184 stützung fand der Furtwanger beim Villinger Verlag Müller und in neun Jahren entstand schließlich eine umfassende Beschreibung der Schwarzwälder Uhrmacherei wie sie bis heute kein zweites Mal zusammengetragen wurde. Unzählige von Archivbesuchen, For­ schungen bei Firmen und in Privatarchiven waren vonnöten, denn Grundlagenmaterial gab es kaum. Inklusive dieser Vorarbeiten beschäftigten den Furtwanger seine beiden Standardwerke insgesamt 25 Jahre lang und am Schluß dieser Arbeit galt es hunderte von Manuskriptseiten zu tippen, mit zeichneri­ schen Darstellungen und Fotografien zu ergänzen. 1975 war es schließlich soweit, der erste Band kam auf den Markt und fand ein uner­ wartet großes Echo. Mittlerweile ist auch die dritte Auflage des Standardwerkes ausver­ kauft. Es gehört zum festen Repertoire jeder wissenschaftlichen Bibliothek und fand selbst in Japan, Rußland, in den USA, Eng­ land, Irland und Frankreich Abnehmer. Dem Technischen Oberlehrer ist es gel un­ gen, die Geschichte der Uhrmacherei nicht nurumfassend aufzuarbeiten, sondern leicht verständlich und unterhaltend zugleich dar­ zustellen. Der erste und der 1978 erschienene zweite Band bieten auf 1280 Seiten und durch 450 Abbildungen jedem etwas, der sich in irgendeiner Form für die Geschichte der Schwarzwälder Uhrmacherei interes­ siert. Sei es, weil man sich Grundwissen über die Technik aneignen will, oder weil man sich für ehemalige Uhrenproduktionsstät­ ten, die Arbeitsverhältnisse in Fabriken und im Handwerk, die Uhrmacher selbst oder den historischen Hintergrund der Uhrma­ cherei interessiert. Und Gerd Bender räumt auch mit Klischees auf. So mit dem, daß die Schwarzwälder die Uhren mit ihrem Brot­ messer schnitzten. Geschichten, die sich gehalten hatten, weil sie zu schön waren, die aber jeglicher Grundlage entbehren. Daß „Die Uhrmacher des hohen Schwarz­ waldes und ihre Werke“ noch heute als wis­ senschaftliche Nachschlagwerke ersten Ran­ ges gelten, ist weiter in dem Bemühen des

Thematik hatte sich Bender aus dem Berufs­ leben heraus erschlossen. Als Leiter der La­ borunterlagenstelle bei SABA fand er heraus, daß es über die neuartigen Geräte noch keine Literatur gibt. Die Arbeit geht Gerd Bender nicht aus. Gegenwärtig beschäftigt er sich mit der Strohflechterei im Schwarzwald, gleichfalls ein Gebiet, zu dem es nur wenige Qiellen gibt. Die lange Reihe von Büchern über Land und Leute, die in den Regalen des Wohnzimmers zu finden ist, füllt auch die Freizeit mit Lesen aus. Dazwischen steht ein Merian-Heft über den südlichen Schwarz­ wald, das auch einen Beitrag über Gerd Ben­ der und Furtwangen enthält. In seinem Arbeitszimmer findet sich je­ denfalls kaum ein Plätzchen, das nicht mit Büchern und Archivmaterial belegt ist. Wohlgeordnet und griffbereit stehen die Nachschlagewerke zur Orts-und Landesge­ schichte und Aktenordner mit jahrelang gesammeltem Schrift-und Bildmaterial zur Geschichte des Schwarzwälder Hausgewer­ bes bereit. Eine heimelig anmutende Unord­ nung findet man auf dem massiven Eichen­ schreibtisch, ein Erbstück aus dem Besitz sei­ nes Vaters. Die stattliche Anzahl von Pfeifen läßt eine weitere kreative Beschäftigung des „Unruheständlers“ zum Thema Heimatfor­ schung erahnen. Die Uhrenstadt und Gerd Bender, beide sind ein weithin bekannter Begriff geworden. Wilfried Dold Autors begründet, seine Quellen lückenlos aufzuzeigen. Besonders wertvoll ist die Fak­ similewiedergabe zweier seltener Schriften über die Frühzeit der Schwarzwälder Uhr­ macherei, die Schrift von Pater Steyrer aus dem Jahr 1796 und die 1826 erschienene Ab­ handlung von Jäck, Pfarrer von Gütenbach und Triberg. Auch in anderer Hinsicht findet sich in den vergriffenen Büchern von Gerd Bender vieles an Schrift-und Bildmaterial, das dem interessierten Laien -und selbst Wissenschaftlern -heute nicht mehr zu­ gänglich ist. Die umfassende Arbeit Benders fand viel­ fache Würdigung. Eine der schönsten Aus­ zeichnungen erhielt der Furtwanger Uhren­ freund im Jahr 1989, als ihm im Asam-Saal des Ettlinger Schlosses der Landespreis für Heimatforschung verliehen wurde. Die Jury würdigte das zweibändige Werk als Muster­ beispiel hochrangiger Heimatforschung. Und 1994 folgte eine weitere Ehrung, der Förder­ verein Schwarzwalduhr verlieh Gerd Bender den jährlich ausgeschriebenen Joumalisten­ pre1s. Gerd Ben der hat aber auch weitere Bücher veröffentlicht, neben zahlreichen Aufsätzen für Fachzeitschriften und die Schriftenreihe des Furtwanger Geschichts-und Heimat­ vereines. Darunter auch eine Schrift, die das Schaffen des Furtwanger Uhrengenius Lo­ renz Bob würdigt. Und zum Schaffen Ben­ ders gehört weiter ein Fachbuch über Elek­ tronenblitzgeräte, das 1956 erschienen ist und 1962 nochmals aufgelegt wurde. Diese Bürgermeister und Ortsvorsteher von Döggingen (1953-1979) Die Bürgerschaft von Döggingen wählte im Jahre 1953 Karl Ketterer mit großer Mehr­ heit zum Bürgermeister. Mit 33 Jahren war er der jüngste Bürgermeister des damaligen Landkreises Donaueschingen. Voll Idealis­ mus und mit hohem persönlichem Einsatz ging er die anstehenden Projekte und Pro- Karl Ketterer bleme der Gemeinde an, die sich während der Kriegs-und Nachkriegszeit ergeben und angestaut hatten. Es galt damals, zuerst die notwendigsten Aufbauarbeiten in Angriff zu nehmen. Aber nicht alle Wünsche der Bür­ ger konnten gleichzeitig erfüllt werden. Zuerst wurde das Gemeindehaus mit zwei 185

Schulsälen gebaut und der neue Farrenstall seiner Bestimmung übergeben. Während der fünfziger Jahre wurden landauf und -ab auch in den Dörfern Schlachthäuser mit Kühlanlagen gebaut. Öfters mußten Not­ schlachtungen durchgeführt werden, aber auch die Hausschlachtungen sollten in einem geeigneten Gebäude vorgenommen werden können. Die Einwohner Döggingens schlossen sich dem Trend jener Jahre an und forderten den Bau einer Gefrieranlage. Kühl­ schränke und Kühltruhen waren damals noch lange nicht in allen Wohnungen vor­ handen. Mitten im Dorf, für alle Bürger leicht zugänglich, wird diese Einrichtung heute noch in An pruch genommen. Inzwi­ schen war die Sanierung und Erweiterung der Wasserversorgung unumgänglich gewor­ den. Es gelang Karl Ketterer, die Männer des Dorfes zu bewegen, nach Feierabend an der Verlegung des Stromkabels zur Pumpsta­ tion unentgeltlich mitzuarbeiten. Dadurch sparte die Gemeinde Zeit und Geld, denn die beauftragten Firmen hätten ohne diese Mit­ hilfe die vereinbarten Fristen nicht einhalten können. Auch die Abwasserbeseitigung – Oberflächen- und Schmutzwasser – stand an. Gleichzeitig mit der Kanalisation wurden die Ortsstraßen ausgebaut. Alle Straßen des Dorfes sind seither staubfrei. Auch Döggin­ gen hatte während der ersten Nachkriegs­ jahre Flüchtlinge aufzunehmen. Wie den jungen Familien im Dorf, sollte auch ihnen die Möglichkeit geboten werden, ein Eigen­ heim zu erstellen, um ein Stück Heimat in Döggingen finden zu können. Im Fohental und auf dem Kalberrain fand man das geeig­ nete Baugelände, das zügig erschlossen wurde. Die fortschreitende Motorisierung und Technisierung der Landwirtschaft machte die Flurbereinigung dringend erforderlich. Mit viel Einfühlungsvermögen und starkem persönlichem Ein atz gelang es Bürgermei­ ster Ketterer, Uneinigkeit, Hader und Zer­ würfnisse in der Gemeinde zu vermeiden; der Dorffrieden geriet während des Bereini­ gungsverfahrens nie ins Wanken. Damals erklärten sich vier Landwirte bereit, auszusie- 186 dein. Dadurch wurde ein weiterer Ausbau der Wasserversorgung notwendig. Mit Mit­ teln aus dem „Grünen Plan“ konnten die Feldwege ausgebaut und mit Makadamdek­ ken versehen werden. Im Rahmen der Schulreform des Landes Baden-Württemberg wurde Döggingen Mit­ telpunktschule für die Orte Döggingen, Unadingen und Mundelfingen, die bis zur Gemeindereform bestand. Die Einrichtung dieser Mittelpunktschule bedingte, zusam­ men mit geburtsstarken Schülerjahrgängen, den Bau eines entsprechenden Schulhauses samt Turnhalle. Dieses Bauprojekt bereitete dem Bürgermeister viele Sorgen. Die schwie­ riger gewordene Finanzlage der Gemeinde erzwang den Verkauf des örtlichen Strom­ netzes. Seine zeitgemäße Unterhaltung machte Investitionen erforderlich, die Dög­ gingen in zu hohe Schulden gestürzt hätten. Wie viele andere Gemeinden im Land verlor auch Döggingen durch die Gemeinde­ reform seine Selbständigkeit. Die staatliche

Planung wies die Gemeinde der Stadt Hüfin­ gen zu. Jedoch auch Bräunlingen bemühte sich um den Anschluß Döggingens. Im Dorf entwickelte sich eine starke Unruhe. Der Bürgerfrieden schien nachhaltig gestört. Schließlich entschieden sich die Einwohner in einer Bürgerbefragung mehrheitlich für die Eingemeindung nach Bräunlingen. Karl Ketterer hatte viel Mühe und Geduld zur Beruhigung der Einwohner aufgebracht. In langwierigen Verhandlungen mit der Stadt Bräunlingen versuchte er, für „seine“ Ge­ meinde optimale Anschlußbedingungen zu erreichen. Nur wer Bürgermeister Ketterer kannte und nahen Kontakt zu ihm hatte, kann ermessen, welche Sorgen ihn damals belasteten. Von allen Seiten wurde er be­ drängt und bestürmt. Es gelang ihm in seiner ruhigen, überzeugenden und menschlichen Art, den Frieden im Dorfe wiederherzustel­ len. Der Abschlußvertrag über die Einge­ meindung nach Bräunlingen wurde zur Zufriedenheit der Bürger ausgehandelt. Während seiner Amtszeit konnte Karl Ketterer nun als Ortsvorsteher noch die neue Straßenbeleuchtung, die Erschließung wei­ terer Baugebiete, die Errichtung der Einseg­ nungshalle, die Friedhofserweiterung und die restlichen Arbeiten am Abwassersystem mitverwirklichen. Mit der Stadtverwaltung Bräunlingen verband ihn bald ein herzliches Einvernehmen, das durch verständnisvolle, fundierte Zusammenarbeit geprägt war. Neben der Tätigkeit als Bürgermeister und Ortsvorsteher widmete sich Karl Kette­ rer in besonderem Maße auch den Vereinen, die nach seiner Meinung besonders gemein­ schaftsbildend wirken und die Gemeinden mit Leben erfüllen. Schon vor dem Kriegs­ ausbruch war er aktives Mitglied im Musik­ verein. Als der Verein 1948 wiedergegründet wurde, wirkte Ketterer erneut aktiv mit und trug vier Jahre Verantwortung als zweiter Vorsitzender. In seiner Eigenschaft als Bür­ germeister oblag Karl Ketterer der Vorsitz im DRK-Ortsverband Döggingen, dem bis zur Gemeindereform auch Unadingen, Hausen vor Wald und Behla angehörten. Er half maßgeblich mit, dem jungen Ortsverband Rückhalt und Ansehen zu verschaffen. In Anerkennung seiner Verdienste wurde Karl Ketterer Ehrenvorsitzender des Ortsvereins. Von 1946 an bis zu seiner Wahl zum Bürger­ meister war er auch Vizekommandant der Freiwilligen Feuerwehr Döggingen, der er auch jederzeit mit Rat und Tat zur Seite stand. Als Karl Ketterer 1979 aus gesundheitli­ chen Gründen sein Amt als Ortsvorsteher aufgab, hatte er sich um Döggingen in hohem Maße verdient gemacht. Er war in der Gemeinde wegen seiner menschlichen Qialitäten hochgeachtet sowie Vertrauens­ person und Ansprechpartner für jedermann. Häufig hatte er seine persönlichen Belange hinter das Gemeindewohl zurückgestellt. Aufgrund der großen Verdienste um seine Heimatgemeinde konnte Landrat Dr. Gut­ knecht Karl Ketterer am 15. März 1985, dem 32.Jahrtag seiner Wahl zum Bürgermeister, das ihm von Herrn Bundespräsidenten ver­ liehene Bundesverdienstkreuz am Bande aushändigen. Karl Ketterer starb am 8. September 1989 völlig unerwartet. Sein HeimatdorfDöggin­ gen trauerte um eine hochangesehene Per­ sönlichkeit, deren Wirken in der Gemeinde und deren Dienen zum Wohle der Bürgerin­ nen und Bürger unvergessen bleiben. Werner Dold Psalm (3) sin deno vo alle dene wörter d’lippe ufgrisse ab de mieih un de schuld bliibt schwiige ellai Johannes Kaiser 187

Für Hüfingen ein Gewinn Landwirt und Kommunalpolitiker Emil Moog Zu den engagierte­ sten Bürgern der Stadt Hüfingen zählt zwei­ fellos Landwirtschafts­ meister Emil Moog. Speziell die Belange seines Berufsstandes – aber nicht nur diese – liegen ihm am Her­ zen, und trotz seines umfassenden Einsatzes für seinen 150-Hektar­ Betrieb, den er zusam­ men mit seinem Sohn Georg als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts bewirtschaftet, bleibt ihm Zeit für Aufgaben im öffentlichen Leben. Seit 1968 ist er Mit­ glied des Gemeindera­ tes in der CDU-Frak­ tion und seit fünf]ah­ ren Stellvertreter des Bürgermeisters. Auch in berufsständischen Gremien leistet Moog vorbildliche Arbeit. Er ist stellvertretender Vorsitzender des BHLV im ehemaligen Kreis Donaueschingen. Sein Wort und sein Rat haben großes Gewicht bei Berufskollegen. In seiner knapp bemessenen Freizeit engagiert er sich in der Kolpingfami­ lie und als stimmgewaltiger Baß im katholi­ schen Kirchenchor. 1977 wurde dem 63jährigen auf Antrag der landwirtschaftlichen Abteilung des Regie­ rungspräsidiums Freiburg für seine Ver­ dienste um die Ausbildung des landwirt­ schaftlichen Nachwuchses das Bundesver- 188 dienstkreuz verliehen. Inzwischen sind es 50 junge Menschen, denen Emil Moog das Rüstzeug für ihren Beruf vermittelt hat. Auf dem Moog’schen Hof waren sie nicht nur in die Arbeitsprozesse eingebunden, sondern sie erfreuten sich auch der mütterlichen Für­ sorge von Emil Moogs Ehefrau Maria, die den künftigen Landwirten auch ein Stück Teilnahme am Familienleben ermöglichte. 1955 war Moog mit seinem Betrieb aus

der Stadt zu den „Eichhöfen“ ausgesiedelt. Schon als junger Landwirt hatte er sich um die Belange seines Berufsstandes geküm­ mert, und dies in einer Weise, die weit über das übliche Maß hinausging. Als vor mehr als 20 Jahren in Hüfingen die Flurbereini­ gung eingeleitet wurde, wählten ihn die Teil­ nehmer zu ihrem Vorstandsvorsitzenden. Noch heute blickt Emil Moog nicht ohne Stolz auf die Tatsache zurück, daß die gesamte Flurbereinigung in Hüfingen ohne Gerichtsverfahren und zur Zufriedenheit aller Beteiligten abgewickelt werden konnte, auch wenn ihm Sorgen, die mit dieser Maß­ nahme verbunden waren, nicht erspart blie­ ben. 1993 konnte der Abschluß der Flurbe­ reinigung dann festlich begangen werden. Nach wie vor fühlt er sich dem landwirt­ schaftlichen Nachwuchs verpflichtet, der, so Moog, ,,immer rarer“ werde. Aus dem gesam- ten Schwarzwald-Baar-Kreis werde derzeit nur ein einziger Lehrling ausgebildet. In der Regel handle es sich um junge Leute aus bäu­ erlichen Betrieben, die später deren Bewirt­ schaftung übernehmen möchten. Emil Moog ist ein ebenso kompetenter wie verständnisvoller Lehrherr. Sein Hof, so betont er, sei keine „Agrarfabrik“, sondern verstehe sich als landwirtschaftlicher Betrieb ,,zum Anfassen“. Er zählt zu den neun Be­ trieben im Schwarzwald-Baar-Kreis, die sich dem „integrierten Landbau“ verschrieben haben. Emil Moog bietet jeweils nach Ver­ einbarung Hofbesichtigungen an. Alle Eh­ rungen und Auszeichnungen, die ihm bisher verliehen wurden, versteht er als bleibende Verpflichtung zum Engagement für seinen Berufsstand wie für das Leben als praktizie­ render Christ in Staat und Gesellschaft. Käthe Fritschi Erwin Gießler Ein Gremmelsbacher im Guinness-Buch der Rekorde Er ist ein bekannter Mann, ,,Meister Er­ win aus Gremmelsbach“, sechsmal erreichte er mit seinen Musikinstrumenten „Guin­ ness-Buch“-W ürden. Er ist auf dem Titel­ blatt eines Bildbandes über das Elsaß abge­ bildet. Auf Ansichtskarten, die in Colmar verkauft werden, firmiert er als „Musikus Elsaß“, freilich in historischer Schwarzwäl­ der Tracht (Melone, rote Weste, schwarze Kniebundhose, weiße Strümpfe, schwarze Schuhe); ungezählte Zeitungsartikel, die ihm längst nicht alle zu Gesicht kommen, wurden – so von amüsierten wie von stau­ nenden und kritischen Beobachtern – über ihn und seine Kuriositäten geschrieben. „Orchestrophone“ nennt er seine originellen Straßenmusikinstrumente, die in ihrer Art die einzigen und größten der Welt sind. Er begann mit einer Elektronenorgel, schuf ein „Ein-Mann-Orchester“, und es sollten völlig neue Kreationen, seine „Orchestrophone“, hinzukommen. Als Material verwendet er entweder massives Holz (z. B. Kirschbaum­ holz für die Elektronenorgel) oder alte Möbelstücke, Antiquitäten (z. B. Stuhlleh­ nen aus dem Elsaß für das Bimbamphon), die die Händler nicht günstig absetzen konn­ ten und ihm verkauften. Sein „Epiphon“ zum Beispiel mißt 2,43 m in der Höhe und ist 92 cm breit. Es ist wie alle anderen so konstruiert, daß er auf verschie­ denen Instrumenten (Höchstzahl 13) spielen kann, zu ihnen gehören das Metallophon, die Mundharmonika, zwei Harfenzithern sowie Glockenspiele. Die Kunst also nach seiner Fasson liegt ihm im Blut, er sagt es selbst, wenn er darüber seine – nicht leicht nachvollziehbare – Phi­ losophie ausbreitet: ,,Wir haben das alles von unseren Schwarzwälder Vorfahren ge­ erbt, es steckt in uns.“ Er will nur das Tüfteln der Vorfahren fortsetzen. In Gremmelsbach kennt ihn nur noch die vorgerückte Generation, lebt er doch schon 189

seit seiner Jugend fern dem Schwarzwald, in der Heimat hält er nur noch zu wenigen die Verbindung aufrecht, der Künstler und Musiker, dem ein einziger Beruf nie genügen konnte und ihn in unerträglicher Weise ein­ geschränkt hätte. Seine universale Begabung machte ihm ein ruhiges, geradliniges Leben unmöglich. In der Volksschule bewunderten wir ihn, weil er zu den wenigen Schülern gehörte, die schon in den ersten Nachkriegs­ jahren unter Anleitung von Schulleiter Carl Neumayer Geige spielen konnten, er war während seiner Lehrzeit – er erlernte das Bäckerhandwerk in der Bäckerei Wehrle in Triberg – selbstverständlich Mitglied der Gremmelsbacher Blaskapelle mit dem Es­ Horn, er spielte in der Orchestergemein­ schaft Triberg und später in einem Duett in Gutach. Das Wohnen am gleichen Ort über Jahrzehnte war seine Sache nicht. Sein Zu­ hause ist die weite Welt. Er verbrachte seit 1960 Jahre in München, nicht als Bäcker, sondern als Holzwarenhersteller (Schatul­ len, Türschilder, Handtuchhalter) und Anti­ quitätenrestaurateur z. B. für Musikinstru­ mente (er entwarf auch Uhrenschilder)- die Holzschnitzkunst, die er sich autodidaktisch aneignete, ist neben der Musik seine zweite große Leidenschaft. Er reparierte Musikin­ strumente und Antiquitäten aller Art in der Westendstraße, entwarf Wandschränke und Uhrenschilder. Doch der Sohn Gremmels­ bachs, dessen Elternhaus in großer Einsam­ keit stand, kehrte der Großstadt den Rücken, der Trubel verleidete ihm. Ein Zeitungsinse­ rat lockte ihn, für sieben Jahre mit Frau und Sohn nach Frauenau im Bayrischen Wald zu ziehen, in eine bekannte Glasmalerstadt mit reicher Tradition an „Trachtlern“, Sängern und Musikanten. Es war ein singendes Dorf dazu – ein Eldorado für Erwin Gießler. Seine Wohnung, oberhalb von der zweier Künstler gelegen, deshalb wurde er von diesen „Ober­ künstler“ genannt, mit einer geräumigen Werkstatt ermöglichte es ihm, in der Stille zu arbeiten. Mit einer Dekupiermaschine für Kuckucksuhrenschilder aus dem Schwarz­ wald konnte er Schnitzwerke aller Art aussä- 190 Erwin Gieß/er unter den Arkaden der Alten Wache (Ancien-Corps-de-Garde) in Colmar mit Cordelion, einer Orgel mit Saiten und Glocken­ spiel, größte Straßenmusikorgel. gen. In Frauenau baute er seine erste Elektro­ nenorgel und sein „Ein-Mann-Orchester“, im Frauenauer Glasmuseum spielte er im Sommer Melodien, die sich großer Beliebt­ heit erfreuten und jeweils eine Attraktion waren. Er erregte Aufmerksamkeit für seine historischen Harfen. Er wirkte auch bei meh­ reren Radiosendungen über die Glasherstel­ lung mit. Die Bildende Kunst allein konnte Erwin Gießler nicht auf Dauer befriedigen. Er nahm an einem Kurs für Journalismus teil, arbeitete mit der Kötztinger Zeitung zusam­ men, er hielt auch Diavorträge. Achtmal rei­ ste er in dieser Zeit nach Südostasien, um auch Antiquitäten der orientalischen Kultur kennenzulernen, brachte auch einige Gegen­ stände mit wie Schnupftabaksdosen oder alte Grammophone, seine Verbindungen

zur Stadt Haputale auf Sri Lanka waren bereits so intensiv, daß eine Städtepartner­ schaft zwischen ihr und Kötzting bereits im Bereich des Möglichen schien. Doch die Beziehungen blieben in den Anfängen stek­ ken. In sein Haus verirrten sich jedoch nur Wanderer, so daß sich ein Wohnungswech­ sel empfahl. Er zog in die belebtere Zellertal­ straße in Matzelsdorf, wo eine geschnitzte V isitenkarte auf die „Holzkunst Zellertal“ aufmerksam machte. Den Bereich der Volks­ kunst, der mit Holz zu tun hat, deckte er ab: Brandmalereien (mit glühendem Stahlstift in Holz gebrannte Bilder), Schnitzereien aller Art, Bilderrahmen, Schlüsselhalter, Tel­ ler, Schalen sowie eigene Entwürfe. Er rückte später von der Herstellung dieser Kleinmö­ bel vollständig ab, kaufte wertvolle Truhen und Schränke auf – Kulturgüter aus dem Bayrischen Wald – stellte sie in einem geräu­ migen Ausstellungsraum aus, einer ehemali­ gen Scheune, verkaufte sie an Interessenten und lieferte sie selbst aus bis nach Lörrach und ins Rheinland. In einem Raum nebenan spielte er seinen Gästen Musik vor: er hatte bereits sein Ein-Mann-Orchester, zwei Zi­ thern mit Harmonika. In dieser Zeit begann er mit einer ganz neuen Schöpfung, seinem Orchestrophon. Aber Erwin Gießler war immer für große Überraschungen gut. Er wollte sich total ver­ ändern, verkaufte nach sieben Jahren alles, ließ alles zurück, auch die Familie, nur sein „Orchestrophon“ nahm er mit, und so zog er nach Frankreich, machte auf der Straße Mu­ sik, entlang der französischen Mittelmeer­ küste, in Marseille und Avignon, in Aix en Provence, in Annecy an der Schweizer Gren­ ze usw., um die Reaktion der Zuhörer zu testen. Es hielt ihn jedoch nirgends, bis er Colmar mit seiner lieblichen historischen Altstadt entdeckte und seine Menschen, die er den Schwarzwäldern – Alemannen wie sie – so ähnlich fand. ,,Bei unserer Sorte“ von Menschen fühlt er sich unter Verwand­ ten. In der Stadt Martin Schongauers und des Isenheimer Altars ist er also anzutreffen, je­ des Wochenende, sein Standort ist das Bar­ tholdimuseum, die Alte Wache, einige Schrit­ te vom Martinsmünster entfernt. Gelegent­ lich musiziert er auch im Ecomusee, den oberelsässischen Freichlichtmuseum in Un­ gersheim. Colmars Fremdenführer kommen alle mit ihren Gästen. Für sie spielt er eigene Kompositionen, festliche Weisen, fröhliche Weisen, klassische Melodien. Die Schwarz­ wälder, die mit Bussen anreisen, singen alle mit. Als wir ihn aufsuchten, sangen wir mit ihm „Es steht eine Mühle im Schwarzwälder Tal“ und „Freude, schöner Götterfunken“. Erwin Gießler ist ein gefragter Mann. Er hat ein Angebot in der Tasche, auf der Basler Mustermesse zu spielen, auf einer Moden­ schau könnte er spielen, mehrere Ortschaf­ ten im Elsaß versuchten ihn zur Unterhal­ tung der Gäste zum Spielen zu bewegen. Er kann nicht alle Angebote wahrnehmen. Sechsmal (1991 mit dem Epiphon, 1993 mit dem Cordelion, 1994 und 1995 mit Mimiaphon und Cordelion, nicht angemel­ det wurden Barockophon und Bimbam­ phon) im Guiness-Buch der Rekorde er­ wähnt, gelüstet es ihn nach weiteren Rekor­ den. Erwin Gießler schwebt vor, mit all sei­ nen Instrumenten ein ganzes Orchester von Orchestrophonen zu bilden, sie alle gleich­ zeitig erklingen zu lassen. Sein Problem ist aber noch, dafür Spieler zu finden. Sollte ihm dies nicht gelingen, so hat er schon für 1996 etwas „in der Hinterhand“. Er kann mit beiden zu einer Höhlung gefügten Händen die Töne zweier Oktaven blasen, das hat ihm bisher noch keiner nachgemacht. Karl Volk 191

Jahreszeiten unter der Hecke ducken sich die ersten Veilchen vor frostigen Windstößen, über grauem Wald liegt eine Ahnung von Grün, Meisen suchen ihre Gefährten und über wassergefüllte Senken gleitet der Schatten des Milan – er ist wieder gekommen – Frühling auf der Baar. hoher Sommer macht träge und sanft – über nackte Haut steigt Wärme bis ins Haar – komm Farn schattet neugierige Sonnenstrahlen ab und vielleicht sind deine Hände kühl Rascheln von trockenem Laub ist wie Geflüster aus vergangenen Tagen – Nebelgestalten winken – jäher Windstoß treibt sie zu atemlosen Tanz und mit taumelnden bunten Blättern wehen Träume dahin früher Schnee goldgefärbt von herabgefallenem Birkenlaub – Rauhreif adelt das geringste Geäst und macht es zum Szepter über die Winterwelt Der Schwarzwald-Baar­ Kreis in Farben 1. Ostbaar mit blühendem Raps (German Hasenfratz, Hüfingen) 2. Weide bei Vöhrenbach (German Hasenfratz, Hüfingen) 3. Im Schloßpark in Donaueschingen (German Hasenfratz, Hüfingen) 4. Im Katzensteig (German Hasenfratz, Hüfingen) 5. Wanderer bei Furtwangen (German Hasenfratz, Hüfingen) Christiana Steger 6. Hof bei Gütenbach mit Feldberg (German Hasenfratz, Hüfingen) 7. Die jahrhundertalte Entenburg bei Pfohren (German Hasenfratz, Hüfingen) 8. Bauernhaus im Ortsteil „Holz“/Schonach (Erwin Kienzler, Schonach) 192

Heiteres aus dem Klosterleben St. Ursula Der Auftrag für Frau Lindewisch 1. Die Bestellung Superiorin – neu im Amt – als vor ihrer Türe stand ein Dame, blond, adrett. Der erste Eindruck: Sie ist nett, beredsam, selbstbewußt, gepflegt; Sympathie sie gleich erregt. „Lindewisch, so ist mein Name,“ stellt sich vor die Tugendsame, „ich bin Vertreterin für Sachen, die angenehm die ,Sitzung‘ machen auf dem Örtchen, namens Klo; dies‘ verläßt du wieder froh, hast du benützt dies Top-Papier – ein Muster zeig ich Ihnen hier!“ Dann rührt sie Superiorins Herz, indem sie spricht von ihrem Schmerz, den sie erfuhr zur Jugendzeit, auch von der Eltern schwerem Leid, das die im Osten einst erlebt. Die „Sup“* ist sichtlich tief bewegt. Ihr gütig Herz ist butterweich; sie bestellt deshalb sogleich für EINtausend Mark Papier zum Verbrauch im Kloster hier. Ein gutes Werk ist angebracht, hat die „Sup“ dabei gedacht; Zumal Frau Lindewisch gab an: „Empfohlen selbst vom Vatikan der Artikel – kuschelweich, geeignet im Gesamtbereich für Schwestern, Gäste, Pädagogen, 193

Hausmeister, Schüler, Theologen, die Q!ialität -phänomenal, dreilagig, zart -kurz: ideal!-“ Frau Lindewisch ist sehr zufrieden, den Bestellschein unterschrieben, verläßt sie flugs St. Ursula, ein Liedchen trällernd: ,,trallala!“ 2.Die Bescherung (drei Wochen später) Im Kloster klingelt’s Telefon: ,,Hier Güterbahnhof -Spedition. Frau Superiorin -sind Sie dran? Ein Güterwagen kam hier an, vollgestopft von Eck‘ zu Ecke bis obenhin zur Waggondecke, laut Lieferschein mit Klopapier Marke ,Popokavalier‘. Ich bitte, dies gleich abzuholen, so sei Ihnen noch empfohlen. Sie können Standgeld dann ersparen für den großen Güterwagen!“ – Der Ohnmacht nahe ist die „Sup“. Sie kommt jetzt sichtlich unter Druck. Da hilft nur noch ein Stoßgebet zum Himmel -ach, wie sie doch fleht, daß sie solch‘ Unbill übersteht. – Jetzt faßt sie sich ein mutig Herz, und hofft: Vielleicht ist’s nur ein Scherz. Sie eilt, so schnell sie rennen kann, zu dem Güterbahnhof dann. Im Handumdreh’n wird ihr dort klar: Der Anruf doch kein Märchen war. Vor ihr steht in voller Größe das leibhaftig „Bitterböse“: der riesengroße Güterwagen mit Klopapier, ganz vollgeladen. 3.Der Transit bzw. die Überführung Nach solchem Los heißt die Devise: Sei ja nicht trübe oder miese; pack‘ an und hol die Sachen ab! Alle Schwestern sind auf Trab. Auch’s ganze Personal hilft mit bei dem Klopapier-Transit. Drei Lkw-und Karrenfuhren sind nötig, wie wir dann erfuhren, ____ ., I TOllETTt: 1 194

bis die Fracht im Kloster ist. Keiner je den Tag vergißt, am wenigsten die gute „Sup“, die Mitschuld trägt an diesem Spuk. – Wie kam’s dazu, was war geschehen? Auf dem Lieferschein zu sehen: Eine Null (0) war angefügt – so dreist man heutzutag‘ betrügt! – Zehnmal mehr das Resultat, Frau Lindewisch den Schwindel tat. – Jetzt kann im Kloster man – potztausend – ach, weit noch übers Jahr 2000 die Hinterteile sauberwischen; auch Staub von Treppen, Stühlen, Tischen mit dem Klopapier entfernen. – – – Aus derlei Fällen kann man lernen: Bei Bestellungen gib acht, daß keiner Gaunereien macht! – • .Sup“: Kurzbezeichnung für Superiorin. Nachwort Ja – und die Geschichte geht noch weiter, wenn auch nicht in Reimen: Nach nicht ein­ mal drei Jahren steht die berüchtigte Dame, deren Name ebenso wie derjenige ihres Ver­ kaufsartikels vom Autor geändert wurden, wiederum an der Klosterpforte. Sie will eine Bestellung entgegennehmen. Ihr Aussehen ist verändert, ihre Haare sind pechschwarz eingefärbt, geblieben aber ist ihr couragiert dreistes Auftreten. Diesmal jedoch hat Frau Lindewisch kein Glück. Unsere Frau Supe­ riorin erkennt sie sofort, und so plötzlich der unerwartete Besuch erschienen war, so schnell war dieser auch wieder an die frische Luft gesetzt. Helmut Groß Villingen: Blick auf die Benediktiner-Kirche, 1963 Zeichnung: Hans Georg Müller-Hanssen 195

Kirchen Konrad Kaltenbach – Ein Priester als Heimatforscher Der „Hansjakob von Niederwasser“ war Pfarrer in Aasen und Zimmern „Als Schwarzwälder Bauernsohn bin ich von Natur aus historisch veranlagt. Ich neige also mit Vorliebe zur geschichtlichen und sprachwissenschaftlichen Betrachtung der Dinge, aber nicht erst als Greis, sondern von Jugend an. Den ersten Anreiz zu heimatli­ chem Denken bekam ich auf dem Schul­ und Kirchenweg sowie beim Hüten, aber auch beim täglichen Anblick der Burgruine Althornberg auf der Gemarkung Gremmels­ bach und der gelegentliche Blick auf den Bergfried über der Stadt Hornberg.“ Mit die­ ser Feststellung erinnerte sich der ergraute, hochgeachtete Pfarrer Konrad Kaltenbach im Rückblick auf sein bewegtes Leben über seinen Zugang zur Heimatforschung. Gleichzeitig machen wir damit die erste Bekanntschaft mit einer markanten, ver­ dienstvollen Persönlichkeit, deren Lebens­ licht in der Bannmeile des historischen „Karlstein“ im majestätischen Obergießhof in Niederwasser zu leuchten begann, dann später weit über die Heimatgrenzen hinaus, besonders in der Baargemeinde Aasen bei Donaueschingen, erstrahlen sollte, bis es nach einem reicherfüllten Priester- und For­ scherleben erlosch, um dann in der heimatli­ chen Erde des Bergfriedhofs seine letzte Ruhestätte zu finden. Damit ist mit wenigen Strichen der weithin glänzende Lebensbo­ gen des Geistlichen Rates Kaltenbach aufge­ zeigt, der auf den Säulen des 29. Septembers 1877 und des 10. Dezembers 1955 ruht. Vom Hirtenbub zum Seelenhirten Doch hinter diesem ersten, kurzen Licht­ blick verbirgt sich nicht nur das Leben eines anerkannten Heimatforschers, sondern auch eines Menschen und Seelsorgers, der mit bei- 196 Der junge, tatendurstige Priester Konrad Kalten­ bach den Füßen auf der Erde stand und mit wachen Sinnen das Tagesgeschehen ver­ folgte. Das zeigte sich bereits durch eine harte Kinder- und Jugendzeit, als dem neun­ jährigen Konrad der Vater Franz Xaver durch den Tod entrissen wurde, und die Mutter Helene – eine geborene Moser aus dem nachbarlichen Oberprechtal – mit der acht­ köpfigen Bubenschar und dem großen Schwarzwaldhof alleine dastand. Doch der begabte Hirtenbub durfte trotzdem studie­ ren. 1897 legte er am Großherzoglichen Gymnasium in Konstanz das Abitur ab.

sorge im Dreiländereck engagierte. Die von kindauf gepflegte Vorliebe für alles Histori­ sche und Traditionelle erhielt weiteren Auf­ trieb und sollte sich später zur vollen Reife entwickeln. Aber noch eine weitere gute Eigenschaft setzte sich beim damaligen Wei­ ler Pfarrer durch: Er glänzte bei seinen an­ dächtigen Zuhörern als wortgewaltiger Predi­ ger. 1910 wurde Kaltenbach als Pfarrverweser nach Wehr und 1911 nach Birndorf entsandt. Noch im gleichen Jahre zog es dann den geschätzten Geistlichen, dessen Anlagen und Begabungen noch längst nicht voll zum Vorschein kamen, in den Schwarzwald hin­ ein, nach Höllstein im Wiesental. Diese Ge­ meinde sollte für ihn zehn Jahre lang zur Heimat werden. Dann siedelte er hinauf auf die rauhe Baar in das hügelumrandete Dörf- Konrad Kaltenbach bei einem Besuch (1925) auf dem elterlichen Hof im Obergieß in Niederwasser mit der Familie seines Bruders, der das Anwesen bewirtschaftete. 197 So präsentiert sich heute der stattliche Bauernhef, in dem die Kaltenbachs im malerischen Obergieß das Andenken an ihren berühmten Vorfahren Konrad Kaltenbach wachhalten. in Über die theologischen Studien an der Albert-Ludwig-Universität Freiburg (1897-1900) bereitete er sich auf das Priester­ tum vor und empfing am 4. Juli 1901 in St. Peter die Priesterweihe vom damaligen ErzbischofThomas Nörber. Als Vikar wirkte er zunächst in Herten in der St.Josefsanstalt, in Röhrenbach und in Sasbach bei Achern. In den Jahren 1905 bis 1910 widmete er seine ganze Kraft der Diasporagemeinde Leo­ poldshöhe, das spätere Weil am Rhein. Die Nähe zur Universitätsstadt Basel reizte den jungen wissensdurstigen Geistlichen Vorle­ sungen über Nationalökonomie und Ge­ schichte zu belegen. Die dabei erworbenen Kenntnisse setzte er nach und nach in die Praxis um. So kam seine soziale Einsatzbe­ reitschaft alsbald zum Tragen, indem er sich schon damals tatkräftig in der Ausländersee!-

Von 1921 bis 1942 wirkle Kaltenbach als Seelsorger, Heimaiförscher und volksverbundener Pfarrer in der Baargemeinde Aasen bei Donaueschingen. !ein Aasen in die Nähe der Residenzstadt der Fürsten zu Fürstenberg mit ihren Archiven und Sammlungen über. Für Konrad Kalten­ bach begann mit diesem Umzug (1921) die umfassendste Schaffensperiode in seinem Leben! Der Pfarrer von Aasen und seine „Heimat­ blätter“ In erster Linie widmete er sich seiner eigentlichen Berufung als Priester dem seel­ sorgerlichen Dienst in der ihm anvertrauten Gemeinde. Dann aber ritt er, wo es ihm die Zeit erlaubte, sein Steckenpferd, die �eimat­ liche Geschichtsforschung. Die eigentliche Schicksalsstunde schlug ihm, als er bei der Renovation der Dorfkirche auf dem Dach­ boden vergilbte Akten auffand. Dabei schlug das Herz des einstigen naturverbundenen Hirtenbuben für seine Heimat im Gutachtal. Dessen weithin noch nicht durchschaubare Vergangenheit wollte er durch seinen For­ scherdrang erhellen, für die Gegenwart be­ greifbar machen. Zunächst forschte er in den Unterlagen des reichhaltigen fürstlichen Ar­ chivs im nachbarlichen Donaueschingen. Doch sein Tatendrang ließ ihn nicht ruhen. Um in die Tiefe vorzudringen, suchte er die 198 Archive in Karlsruhe, Innsbruck, Wien und St. Paul in Kärnten auf, um nur einige aus der Vielzahl der Orte in Süddeutschland, in der Schweiz und Österreich zu nennen, die der Aasener Dorfpfarrer in der Hoffnung durch­ stöberte, �ellenmaterial für die Auswer­ tung seiner Forschungen zu finden. Schon wurde ihm der Beiname „Reisepfarrer“ ver­ liehen. Doch dies sollte weniger seine häu­ fige Abwesenheit dokumentieren als viel­ mehr sein Bestreben herausstellen, die Wahrheit seiner Aussagen durch Quellenan­ gaben zu belegen. Nein, der Pfarrer Kaltenbach vernachläs­ sigte seine Schäfchen nicht! Treu und brav kam er seinen seelsorgerlichen Pflichten nach. Mehr noch, der vielseitig begabte Bau­ ernsohn unterwies die Leute in die Geheim­ nisse der Bienenzucht und des Obstbaus, selbst in den rauhen Lagen der Baar. Dabei übte er sich beispielgebend in der Nächsten­ liebe, verschenkte den Honig an die Kran­ ken, die Äpfel an seine Pfarrkinder und das Geld an Bedürftige. Nicht selten mußte die treusorgende Pfarrhaushälterin Marie den freigiebigen Herrn darauf aufmerksam machen, daß auch der eigene gedeckte Tisch Kosten bereite. Dadurch, aber auch durch

seine leutselige, ausgeglichene und beschei­ dene Art, gepaart mit priesterlicher Zurück­ haltung, verschafften ihm die Zuneigung und Achtung seiner Pfarrgemeinde. Mit der Zeit aber wurde aus dem Pfarrer auch ein anerkannter Heimatforscher und Schriftsteller, der gelegentlich den Pegasus bestieg. Kaltenbach gab nämlich seine fun­ dierten Forschungsergebnisse in schriftli­ cher Form an das Volk weiter. Als Beilage zur Tageszeitung „Triberger Bote“ erschienen ab 1926 über viele Jahre die „Heimatblätter – Triberg-Burg und Stadt, Herrschaft, Amtsbe­ zirk und Dekanat in Wort und Bild – Nach geschichtlichen Qiellen dargestellt von Pfarrer Konrad Kaltenbach in Aasen.“ Sie beinhalten geschichtliche Abhandlungen und Hinweise über die Herren von Horn­ berg, deren Besitz später in die Herrschaft Triberg und Hornberg aufgeteilt wurde. Dabei legte der rastlose Forscher sein Augen­ merk auf die Ritter von Hornberg und das Leben und die Abstammung der Herren von Triberg. Dann begegnen wir in den gesuch­ ten „Heimatblättern“ den Kapiteln „Heimat – Schrifttum“ und „Heimat – Volkstum“. Hier erzählt er über Brauchtum, Volkstum, Volkskunde und fügt Berichte über Land und Leute an (,,Männer der Heimat“). Die im allgemeinen den Zeitraum von 1100 bis 1800 umfassenden, meist den einstigen Amtsbezirk Triberg betreffenden Artikel sind bis heute eine historische, volkskundli­ che Qielle ersten Ranges. Selbstverständlich wird auch dem unteren Gutachtal eine gebührende Reverenz in diesen Beilagen erwiesen. Von seinen Freunden wurde er ermutigt, sogar gedrängt, seine Veröffent­ lichungen in einem Buch zusammenzufas­ sen. Kaltenbach lehnte bestimmend ab, da er fürs einfache Volk, für den Bürger schreibe, für Menschen, die sich kein Buch leisten können, wohl aber Zugang zu den „Heimat­ blättern“ haben. Von vielen Seiten bekam Konrad Kaltenbach inmitten seiner großen Verwandschaft bei einem Treffen vor dem „Rössle „in seinem heimatlichen Niederwasser 199

der Pfarrer von Aasen für seine heimatkund­ liche Tätigkeit Lob, Anerkennung und Auf­ munterung. Dann aber, sein silbernes Priesterjubi­ läum (1926) lag schon lange hinter ihm, wurde es nach und nach um den geistlichen Heimatforscher ruhig. Die neuen Machtha­ ber des Dritten Reiches setzten dem aufrech­ ten, seine christkatholische Grundüberzeu­ gung in den Alltag hinaustragenden Pfarrer von Aasen zu. Seine Feder erkaltete, seine schriftlichen Ausführungen verstummten Im Alter von 65 Jahren entschloß sich Kaltenbach, Aasen zu verlassen und für 11 Jahre die kleine, donauabwärts liegende Pfar­ rei Zimmern bei Immendingen zu überneh­ men (1942). Zur Feier des goldenen Priester­ jubiläums (1951) ernannte der Erzbischof den unerschrockenen, verdienstvollen Die­ ner des Herren zum Geistlichen Rat. Als die­ ser spürte, daß ihn die Kräfte immer mehr verließen, setzte er sich in das nahegelegene Geisinger Spital ab, um auch dort noch den Alten und Gebrechlichen nahe zu sein. Eine schwere Krankheit zwang ihn, das Freiburger Loretto-Krankenhaus aufzusuchen. Dort er­ eilte ihn – 78jährig- am 10. Dezember 1955 der Tod. Wenige Tage darauf wurde sein Leib in die heimatliche Erde des Bergfriedhofs von Niederwasser gesenkt, in eine Land­ schaft, deren Vergangenheit er Odem und Licht verliehen hatte. Vom Tode ihres hoch­ geschätzten Sohnes überrascht, ernannte die Gemeinde Niederwasser Pfarrer Kaltenbach posthum zum Ehrenbürger. Anerkennung über das Grab hinaus Verschiedentlich vergleicht man das Leben und Wirken Kaltenbachs, des „Hans­ jakobs von Niederwasser“, mit dem des bekannten Schwarzwälder Volksschriftstel­ lers Hansjakob. Beide Männer gehörten dem geistlichen Stand an, und der Pfarrer von lfarrer Kaltenbach am Tage seines 25jährigen Prieste,jubiläums 200

waren echte Volkspfarrer, die es verstanden, den einfachen Menschen anzusprechen und für Höheres zu begeistern. Hansjakob wie Kaltenbach glänzten als unerschrockene Künder des Wortes Gottes und der Erfor­ schung der heimatlichen Geschichte. Als gute Prediger waren beide bekannt. Nach dem Tode Kaltenbachs wurden seine gesamten Forschungsunterlagen dem Archiv des Triberger Heimat- und Gewerbe­ vereins übereignet als eine heimatkundliche Fundgrube über die Vergangenheit des ge­ samten Gutachtales, vom Stöcklewaldkopf aus bis hin zur Mündung bei Gutach-Turm. Zunächst wurde es nach seinem Tode etwas ruhig um den Pfarrer Kaltenbach. Dann aber regten sich in Homberg Heimat­ freunde, die zusammen mit dem Musik­ verein Niederwasser im Mai 1970, die von Das Kirchlein von Zimmern bei lmmendingen, die letzte Pfarrstelle des alternden Kaltenbach. Von 1942 bis zu seiner Übersiedlung ins nahe­ gelegene Geisinger Spital war er dieser kleinen Gemeinde ein guter Seelenhirte. 201 Der Pfarrer und Heimaiförscher Konrad Kalten­ bach mit seinem breitrandigen Hansjakobhut Aasen trug auch gerne den breitrandigen, schwarzen Schlapphut, den „Hansjakob­ hut“. Doch diese Vergleiche wären doch zu gering. Dringen wir etwas tiefer vor, dann erfahren wir, daß die beiden Priester gemein­ same verwandtschaftliche Wurzeln haben, denn die Mutter von Hansjakob ist eine geborene Kaltenbach, die auf dem Wald beheimatet sind. Beide Geistliche zeichne­ ten sich durch ihr soziales Engagement aus und sahen in ihrer Schriftstellerei in erster Linie auch einen seelsorgerlichen Auftrag. Es ging ihnen darum, die Werte der Heimat, der Vergangenheit, von Sitte und Brauchtum, von einer gesunden Traditionspflege aufzu­ zeigen, um damit einer drohenden Entwur­ zelung des Volkes entgegenzuwirken. Da­ durch wurde aber letztlich der Glaube geför­ dert und gefestigt. Hierbei wurde keine Ver­ beugung vor dem Zeitgeist und dem herr­ schenden System gemacht. Beide Geistliche

rungstafel zu lesen ist: ,,Hier wurde Geistli­ cher Rat Konrad Kaltenbach (1877-1955) geboren, Heimatforscher des Gutachtales, errichtet von Heimatfreunden aus Nieder­ wasser und Homberg im Jahre 1971.“ Ganz groß wurde sein 100. Geburtstag als gehalt­ volles Volksfest in Niederwasser begangen. So durfte dieser vielseitig begabte und enga­ gierte Heimatsohn, der zeitlebens von Be­ scheidenheit geziert war und persönlichen Ehrungen gerne aus dem Wege ging, doch noch die ihm gebührende Anerkennung fin­ den. Zur Ehrung Kaltenbachs schrieb der Verfasser des Freilichtspiels „Das Hornber­ ger Schießen“, Erwin Leisinger aus Hom­ berg, folgende Zeilen: Dein Mund er schweigt! Du schläfst in unserer Heimaterde, geborgen wie in einer Mutter Schoß. Vor deiner Größe neigt sich, vom Winde angehaucht, wipfelwiegend unser Wald. Und moosgrasüberdeckte Fluren durchwandern wir – geführt von deinen Spuren. Je mehr wir uns mit dem Leben, vor allem mit der wertvollen heimatgeschichtlichen Hinterlassenschaft Konrad Kaltenbachs be­ schäftigen, um so mehr spüren wir die Ver­ pflichtung, sein Andenken in der Reihe unserer großen heimatlichen Geister zu wah­ ren und nach seinem Vorbild den Menschen und der Heimat zu dienen. Kurt Klein 1971 wurde vor dem Geburtshaus von Konrad Kaltenbach im Obergirß von Niederwasser zu sei­ ner Erinnerung dieser Graniifindling enthüllt. ihnen zu Ehren des Heimatforschers einge­ richtete Heimatstube im Gasthaus „Rößle“ der Öffentlichkeit übergaben. Ein Jahr spä­ ter, im Mai 1971, konnte vor dem Geburts­ haus Kaltenbachs im Obergieß ein Granit­ findling enthüllt werden, auf dessen Erinne- Die Augenkapelle in Obereschach – ein christliches Naturheiligtum Seit Jahrhunderten wird das Wunder im­ mer wieder zur Gegenwart: Der Landwirt M. erkrankt am Auge. Eine schlimme Sache. Er muß nach Freiburg in die Klinik. Dort kann man ihm nicht helfen. Sein Weg führt zur Kapelle. Der Altar ist über jener Qielle errichtet, aus der seit Urzeiten Menschen das Wasser schöpfen, um ihre erkrankten Augen 202 zu netzen und um Heilung zu bitten. Auch er wird wieder gesund. Es ist ein jahrtausendaltes Geheimnis um Quellen als Ursprung des Wassers. Mit ihm verbindet sich der Glaube an die Heilkraft des Wassers, wenn es an einem ganz be­ stimmten Ort aus dem Schoß der Erde quillt. Auf diese Weise wird der Ursprung des flie-

ßenden Wassers geheiligt, und kultische Bräuche werden zur frommen Sitte der Ver­ ehrung. Die Kapelle liegt südlich der Verbin­ dungsstraße Obereschach -Mönchweiler, nahe dem Waldrand, auf Obereschacher Markung und gehört heute als Bestand dieses Ortsteils der Stadt Villingen-Schwenningen. Die Entstehung des Wunderglaubens ver­ liert sich im Dunkel einer längst untergegan­ genen Kultur. Historisch faßbar gibt es im Bereich alter Religionen und Kulte im euro­ päischen Raum und damit auch bei uns, mindestens seit der Keltenzeit vor mehr als zweieinhalbtausend Jahren, Orte der Kraft: Naturheiligtümer wie Haine, Felsen oder Steine, Bäume und Q!iellen. Gelegentlich finden sich auf Felswänden, als Örtlichkei­ ten früher Steinkulte, geheimnisvolle Zei­ chen, magische Symbole. Neben ihnen christliche, mit denen oft die älteren Zeichen überritzt wurden, ein Hinweis auf die Aus­ einandersetzung mit den vorchristlichen Kulten. Mit dem Einzug des Christentums wandeln sich heidnische Glaubensinhalte in ein neues Bild von der Schöpfung und Welt. An die Stelle von Dämonen, unsichtbaren Wesen oder Wassergeistern treten Heilige. Von einem solchen Übergang ist uns aller­ dings bei der Augenkapelle nichts überlie­ fert. Aber vielleicht ist sie dennoch eine Spur zurück zu den abgelösten Kulten, ist sie doch unbestreitbar christliche Architektur gewor­ dener Ausdruck eines Naturheiligtums. Die Augenkapelle ist der heiligen Odilia geweiht, und so steht es auf der Predella über dem Altar. -Gegen Ende des 7. Jahrhunderts wollte der alamannische Herzog Athich seine blind geborene Tochter töten lassen. Der Mutter gelingt es, das Kind in ein Kloster zu retten. Dort erhält es das Augenlicht, als der durch einen Engel zur Tochter gewiesene Wanderbischof Erhard von Regensburg sie tauft. Später gründet sie, mit dem Vater ver­ söhnt, das dann nach ihr benannte Kloster Odilienberg im Elsaß. Am Fuße des Berges 203

entsteht eine zweite Gründung mit Spital und heilkräftiger Qielle, die ihr der heilige Johannes der Täufer in einer Vision gezeigt hatte. Unterhalb des Altarbildes findet sich in einer Aufschrift der älteste Hinweis auf die Kapelle. Er lautet übertragen: Der Allerhei­ ligsten Dreifaltigkeit zu Lob und Mariae der Mutter Gottes zu sondern Ehren, habe ich, Johann Hoch von Haigerloch, derzeit Pfar­ rer allhier, diesen Altar erbauen und aufrich­ ten lassen. Anno Domini 1604. Im Innern befindet sich, außer dem Altar mit der Brunnengrotte darunter und dem Dreifaltigkeitsbild, eine Barockfigur der hei­ ligen Odilia. An der Westwand ist ein Kruzi­ fixus angebracht, mit mächtigen Nägeln in den Wundmalen. Es heißt, der Mesner von Obereschach nähme den Gekreuzigten je­ weils am Karfreitag wie ein Nikodemus vom Marterholz ab, lege dessen Arme, die kunst­ voll mit Scharnieren am Körper befestigt sind, zusammen und verbringe den Corpus ins Heilige Grab in der Kirche zu Ober- 204

dem Dreifaltigkeitsauge, ein eingemauerter Stein mit der Jahreszahl 1747, ein Hinweis auf die Bedeutung der Kapelle in der Barock­ zeit. Es soll einst eine vielbesuchte Wallfahrt gegeben haben. Eine weitere Jahreszahl, 1826, belegt, daß auch diese Kapelle über die Säkularisation hinweg christlicher Kultplatz geblieben ist. Zuletzt ließ die Stadt Villin­ gen-Schwenningen die Kapelle restaurieren. An Christi Himmelfahrt 1975 wurde sie neu geweiht. Im Jahre 1970 siedelte der Landwirt Hubert Mosbacher aus dem Dorf aus und gründete den Kapellenhof. Seit dieser Zeit betreut er ehrenamtlich das kleine Gottes­ haus. Er stiftete den Dachreiter mit der Glocke, die 1970 in Heidelberg gegossen wurde. Seit zwanzig Jahren läutet er jeden Morgen um fünf Uhr, vor dem Tagwerk, das Glöcklein. Noch immer finden zu diesem Ort des Glaubens, der Tröstung und Heilung Bitt­ prozessionen statt. Kinder werden getauft und Ehen geschlossen; meist aber sind es die Wenigen mit der stillen Andacht im Herzen. Der Ort ist gleichsam ein Bild aus der Tiefe, das uns wie ein verborgenes Geheimnis um­ gibt, das unser Verstand nicht zu fassen ver­ mag. WemerHuger eschach. – Noch lange nach dem Zweiten Weltkrieg befanden sich in der Kapelle beim Altar mehrere gerahmte Votivinschriften als Zeichen der Dankbarkeit, daß den Stiftern ihr Augenleiden geheilt wurde. Sie sind inzwischen nicht mehr auffindbar. Über der Eingangstür befindet sich am äußeren Giebel, unterhalb des Dreiecks mit Die Schonacher Pfarrkirche St. Urban erstrahlt in neubarockem Glanz Ein unbekanntes Kleinod Fast 900 Jahre reicht die Geschichte der für ein Dorf ungewöhnlich großzügigen und stattlichen Pfarrkirche St. Urban in Schon­ ach zurück; denn bereits um das Jahr 1100 dürfte eine erste kleine Kirche gebaut wor­ den sein. Bis zur Einrichtung einer selbstän­ digen Pfarrei im Jahre 1150 wurde diese vom 1084 gegründeten Kloster St. Georgen aus betreut. Im Jahre 1542 trat dann ein Neubau an die Stelle des zu klein gewordenen Kirch­ leins. Von diesem Bau hat das Untergeschoß des Turmes, das heute als Eingangshalle dient und früher der Chorraum war, die Zei­ ten überdauert. In den Jahren 1748/49 wurde die gotische Kirche vergrößert. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts tauchten dann abermals Pläne zu einer Vergrößerung des Gotteshauses auf. Unter Pfarrer Johann Röderer kam das Projekt 1862/63 zur Aus­ führung. Doch nur wenige Jahre später erwies sich die Kirche erneut als zu klein. Eine Ortsbesichtigung im September 1895 205

Bauamtes sollte für die Anzahl der Sitzplätze 2/3 der Seelenzahl berechnet werden. Für Schonach wären demnach 1866 Sitzplätze erforderlich gewesen. Das Erzbischöfliche Bauamt versuchte immer wieder, eine Ein­ schränkung des Projekts zu erreichen und so sollten schließlich 1000 Plätze genügen. Der Stiftungsrat mit Pfarrer Fichter an der Spitze reagierte ungehalten: ,,Man hege noch immer das Vertrauen, daß der Oberstiftungs­ rat und das Erzbischöfliche Ordinariat sich entschließen, der großen Pfarrei Schonach nicht eine verpfuschte, sondern eine geräu­ mige Kirche zu genehmigen.“ Doch das Erzbischöfliche Bauamt blieb zunächst bei seiner Linie und, um mit einer möglichst kleinen Kirche auszukommen, wurden schließlich drei Gottesdienste pro Sonntag erwogen, was am 3. März 1912 probeweise praktiziert wurde. Kurz darauf gab der Stif­ tungsrat eine umfassende Antwort über die Unmöglichkeit einer solchen Gottesdienst­ ordnung. Ausführlich wurde die Problema­ tik erläutert, von den weiten Kirchwegen und der Unmöglichkeit, darum im Winter schon zur Frühmesse in der Kirche sein zu können, über den Brauch, daß sich der ganze Ort nach dem Gottesdienst auf dem Kirch­ platz trifft, die Notwendigkeit des einheitli­ chen Beginns der Christenlehre, die große Zahl der Kirchenbesucher an Festtagen bis hin zur Furcht, daß das Hab und Gut der Leute nicht mehr sicher sei, wenn nicht alle gleichzeitig im Gottesdienst wären. Schließlich war den Schonacher Bemü­ hungen doch Erfolg beschieden, und am 15. März 1912 erteilte das Erzbischöfliche Ordinariat und am 15.Juli das Bezirksamt die Genehmigung zum Abbruch der alten und zum Bau der neuen Kirche mit 1600 Sitzplät­ zen. Die Pläne fertigte RaimundJeblinger. Der Oberösterreicher hatte 1901 in Freiburg die Nachfolge des Erzb. Baudirektors Max Mek­ kel angetreten. Als Stil für die neue Kirche wählte man barocke Bauformen. Nachdem seit der Mitte des 19. Jahrhunderts vorwie­ gend auf romanische und gotische Stilele- ergab die Unmöglichkeit, den bestehenden Bau nochmals zu erweitern. Bald darauf erhielt Schonach einen neuen Pfarrer. Als 36. Seelsorger kam am 24. April 1906 der aus Achkarren am Kaiserstuhl gebürtige Wilhelm Fichter hierher. Er war wohl der volkstümlichste und schaffens­ reichste Pfarrer in all den Jahrhunderten und noch heute erinnert in Schonach eine ihm zu Ehren benannte Straße an sein segensrei­ ches Wirken. Mit einer Energie sondergleichen ging er sofort an die große Aufgabe heran, eine wür­ dige und ausreichend große Kirche zu erhal­ ten. Noch im Sommer des gleichen Jahres erklärte er, Veränderungen an der bestehen­ den Kirche vorzunehmen, wäre eine Torheit, da die Kirche zu klein sei und eine neue gebaut werden müsse. Bald wurden erste Pläne gefertigt, doch folgten nun lange und zähe Auseinandersetzungen um die Größe, die das neue Gotteshaus bekommen sollte. Nach einem Erlaß des Erzbischöflichen 206

mente zurückgegriffen worden war, entstan­ den in einer relativ kurzen Zeitspanne, etwa zwischen 1905 und 1914, Neubauten im Barockstil. Diesen hatte man zuvor als „ver­ schnörkelt“ abgelehnt. Ihr Kennzeichen ist, daß sie oft viel prächtiger gestaltet wurden als ihre originalen Vorbilder, denn solch reicher Schmuck, wie er nun in die Kirchen einzog, war früher meist reichen Städten und Klö­ stern vorbehalten. In unserem Kreisgebiet stammt die Pfarrkirche in Obereschach aus dieser Epoche, ein weiteres WerkJeblingers ist St. Laurentius in Friesenheim (Ortenau­ kreis). Als Bauführer wurde der Triberger Archi­ tekt Haas bestimmt. Die Arbeiten gingen zügig voran und bereits am Nikolaustag 1912 waren Chor und Sakristei im Rohbau fertig. Immer wieder gab es jedoch Reibereien, da der Stiftungsrat Arbeiten nach seinem Gut­ dünken und ohne Genehmigung ausführen ließ. Dazu meinte Pfarrer Fichter immer wie­ der: „Wir müssen den ganzen Bau alleine bezahlen, es hilft uns niemand; dann bauen wir aber auch die Kirche so, wie wir sie gebaut haben wollen.“ Am 24. August 1913 konnte schließlich der Grundstein gelegt werden. Jedoch standen der Stiftungsrat und das Erzbischöfliche Bauamt auch in der Folge­ zeit oft in krassem Gegensatz. Es ging so weit, daß Pfarrer Fichter ein Disziplinarverfahren angedroht wurde, wenn noch einmal Arbei­ ten ohne Genehmigung ausgeführt würden. Nun beklagte sich der Stiftungsrat: „Wir haben indes die Komödie satt … Es wird bald Zeit, daß die Welt erfährt, wie mit den Fondsgeldem und Erträgnissen der Kirchen­ steuer gewirtschaftet wird.“ Der Oberstif­ tungsrat war empört: »Die ungebührlichen Ausfälle des dortigen Berichts gegen das Bau­ amt müssen wir rügen. Auch für den Stif­ tungsrat in Schonach bleibt unsere kirchli­ che Ordnung und die Zuständigkeit des Bau­ amts verbindlich. Jede Erörterung in der Presse hätte Strafen zur Folge. Wir warnen rechtzeitig!“ Auch in der Folgezeit gab es weitere Schwierigkeiten. So bildeten sich im Kirchturm, der beim Neubau stehenblieb, 207

Risse, als dieser entblößt vom stützenden Mauerwerk des Kirchenschiffs dastand, und er drohte einzustürzen. Nur mit größter Mühe konnte er schließlich gerettet und dann um ein paar Meter erhöht werden:,, … ganze Wagen von Beton flogen um das Fun­ dament, Betonstreben mußten den wanken­ den Turm halten und mehrere 100 Ztr. Eisen legten sich um den Leib des Lebensmüden … „. Zu Beginn des Jahres 1915 war der Bau dann im wesentlichen vollendet, seine Weihe durch Erzbischof Dr. Karl Fritz erhielt er jedoch erst am 29. Mai 1922. Damals unterblieb die Vollendung der inneren Ausgestaltung. So blieben die gro­ ßen Gewölbefelder an der Decke über 30 Jahre lang leer. Erst 1956/57 ließ Pfarrer Hugelmann die drei großen Hauptbilder und die anderen Gemälde durch den Kunst­ maler J osefB ra un aus Wangen im Allgäu aus­ führen. Bereits am 17. Oktober1954 hatte die Gemeinde eine neue Orgel weihen können. Der herrliche Prospekt in Rokokoforrnen, der fast den ganzen Ostteil der Kirche aus- 208 füllt, wurde von Angela Valentin aus Offen­ burg geschaffen und zählt sicherlich zu den schönsten weit und breit. Mit den Jahren hatte jedoch der Zahn der Zeit an der Schonacher Kirche genagt und der barocke Glanz war allmählich verblaßt. Eindringende Feuchtigkeit hatte ein Übriges geleistet. Schon vor einigen Jahren hatte die Kirche eine neue Beleuchtung erhalten und war neu isoliert worden. Das große Anliegen der Pfarrgemeinde, eine umfassende Innen­ renovierung, mußte jedoch aus finanziellen Gründen immer wieder zurückgestellt wer­ den. Nach einer langen Geduldsprobe konn­ te im Dezember 1988 endlich mit den Arbei­ ten begonnen werden. Zuerst stand die Trok­ kenlegung des Kirchplatzes mittels einer Drainage an. Bald darauf zeigte sich dann das Innere von großen Baugerüsten ver­ deckt. Die Firma Fuggis aus Haslach konnte mit ihren Arbeiten beginnen. Zuerst kam die vordere Hälfte, dann die hintere an die Reihe. Sämtliche Wand-und Deckenflächen wurden neu verputzt und präsentieren sich

Maria mit Kind HI. Urban (Patron der Ffarrgemeinde) nun in strahlendem Weiß. Die Deckenge­ mälde wurden ebenso vom Schmutz der Zeit befreit wie die Altäre, die Kanzel und der Orgelprospekt. Neue Blattgoldverzierungen wurden angebracht und verleihen nun den Werken festlichen Glanz. Sämtliche Figuren wurden in mühevoller Arbeit in der Werk­ statt des Meisters restauriert. Kurz vor Weih­ nachten 1990 sind die letzten Stücke zurück­ gekehrt, erst im Frühjahr 1992 wurde der neu­ geschaffene Ambo aufgestellt. Viel Arbeit und Geld erforderte auch die Reinigung und Neuintonation des Orgelwerks, dessen Klang mit den Jahren dumpf geworden war. Doch nicht nur das Bestehende wurde erneuert, das Gotteshaus erfuhr auch einige Veränderungen. So wurde beispielsweise eine neue Heizung eingebaut und, damit verbunden, ein völlig neuer Bodenbelag in einem warmen Braunton. Die vorderen Rei­ hen des Gestühls, die sog. kleinen „Kinder- bänke“, wurden entfernt. Dafür wurde die Altarinsel vergrößert, so daß der Zelebrati­ onsaltar nun näher an die Gemeinde heran­ gerückt ist. Die restaurierten Reliefs der ehemaligen Kommunionbank haben dort inzwischen einen neuen Platz gefunden. Auch der Taufstein erhielt einen neuen Standort. Das gesamte Gestühl, das sich bis­ her in einem dunklen Braun gezeigt hatte, wurde abgelaugt. Darunter kamen herrliche Schnitzereien zum Vorschein. Über 1,5 Millionen Mark haben die Arbei­ ten verschlungen. Durch Spenden und Festerlöse haben die Schonacher bisher 500.000 Mark dazu beigetragen, 300.000 Mark mehr, als der Neubau der Kirche vor 80 Jahren gekostet hat. Ohne Innenausstattung mußten damals über 200.000 Mark aufge­ bracht werden. Doch die Mühe hat sich gelohnt, strahlt doch nun die Pfarrkirche, deren freie Nachschöpfung einer Barockaus- 209

stattung Seltenheitswert besitzt, in neuem Glanz: Da sind die drei aus der alten Kirche über­ nommenen Altäre, von denen zumindest die Gemälde wohl noch aus dem 18. Jahr­ hundert stammen. Das des Hochaltars stellt die Krönung Mariens dar. Flankiert wird der Hochaltar von den Figuren der hl. Wende­ lin, Josef, Sebastian und Johannes Nepo­ muk. Das linke Seitenaltarbild zeigt, wie Maria dem hl. Dominikus und der hl. Katha­ rina den Rosenkranz reicht, im rechten liest Mutter Anna ihrer Tochter Maria aus der Schrift vor. Von den Heiligenfiguren, die in der ganzen Kirche verteilt sind, ist eine die Marienfigur, die auch im Schonacher Orts­ wappen dargestellt ist. Von den drei großen Deckengemälden schildert das über der Orgel das Weihnachtsgeheimnis. Das Mitt­ lere zeigt die Kreuzigung Jesu, das Vordere das Pfingstwunder.Umrahmt werden sie von einer Reihe kleinerer Bilder, die thematisch auf die Hauptgemälde bezogen sind. Das Bild im Chorraum schließlich zeigt den Namen Gottes im alten Bund, Jehova, in hebräischer Sprache. Über den Bogen der einzelnen Joche sind umlaufend die 12 Apo­ stel dargestellt. Umspielt wird alles von prächtigem Rocailleschmuck, geschaffen von dem gebürtigen Schonacher Eduard Kuner. Beachtenswert sind auch die schwungvolle Kanzel, die sehr schönen Kreuzwegstationen und der Taufstein (1624), das älteste Aus­ stattungsstück der Kirche. Beim Verlassen des Gotteshauses sollte man noch kurz in der Vorhalle verweilen. Sie ist das Untergeschoß des Turmes. In ihm hängt noch die alte Marienglocke von 1501, zu der nach der Glockenweihe vom 1. Okto­ ber 1950 fünf weitere Glocken kamen. Seit­ her künden folgende Glocken das Got­ teslob: Christkönigsglocke (2500 kg), St. Urbansglocke (1400 kg), Michaelsglocke (1000 kg), die alte Marienglocke (820 kg), Josefsglocke (400 kg) und die Engelsglocke (300 kg). Die neuen Glocken entstammen der Werkstätte von Meister Benjamin Grü­ ninger in Straß bei Neu-Ulm. Dort wurden 210 sie am 11. August 1950 gegossen. 1948 hatte Grüninger seinen Betrieb von Villingen nach Straß verlegt, da ihm in Villingen keine geeignete Ersatzfläche für eine neue Gießerei an Stelle der im Krieg zerstörten zur Verfü­ gung gestellt worden war. Die Vorhalle selbst, die von einem schö­ nen gotischen Netzgewölbe überspannt wird, beherbergt neben einem Kruzifix noch einige alte Grabsteine aus vergangenen Jahr­ hunderten. Kann sich eine solche Kirche von ihrem künstlerischen Anspruch her auch nicht mit den berühmten Werken barocker Architek­ tur messen, so ist es doch ein festlicher Raum, der erfüllt ist von der Freude des Glau­ bens und eine der schönsten Kirchen unserer Heimat. Jochen Schultheiß �eilen: 1) ,,Chronik der katholischen Kirchenge­ meinde Schonach“, in: Chronik der Ge­ meinde Schonach im Schwarzwald, 1981. 2) Eigene Aufzeichnungen. 3) Pfarrer Ehrath: Kirchenführer Schon­ ach, 1. Auflage 1969, 2. Auflage 1980, 3. Auflage 1992. Wetter II (Gewitter) Gewölk zieht auf fern murmelt Donner blauer Horizont färbt sich fahl Mauersegler suchen kreischend Unterschlupf vor heftigen Windböen im Duett mit nahen Blitzen fallen schwere Regentropfen auf Grün und Gold der Ebene brennende Kerze Segensspruch gegen Wetternot und Hagelschlag Sommergewitter Christiana Steger

Museen Das Uhrenindustriemuseum Villingen-Schwenningen Eine nicht gehaltene Ansprache zur Eröffnung des Museums am 10. Dezember 1994 Über die planerischen Arbeiten des neuen Muse­ ums wurde bereits im Almanach 93, Seiten 290 bis 293, berichtet. Nach der Eröffnung des Mu­ seums ist unsere Museumslandschaft noch reicher geworden. Es war ein langer Weg bis hierher, und er ist noch nicht zu Ende. Pläne, in Villingen­ Schwenningen ein regionales Industriemu­ seum zu gründen, reichen bis in die frühen 1970er Jahre zurück. Sie wurden erstmals vom Leiter des Schwenninger Heimatmuse­ ums, Dr. Manfred Reinartz, skizziert, der erkannte, daß die im Schwenninger Heimat­ museum befindliche wertvolle Sammlung handwerklich gefertigter Uhren durch Zeug­ nisse hiesiger Industriekultur ergänzt werden müßte. Dr. Reinartz begann, im Heimatmuseum eine Sammlung von industriellen Produk­ ten anzulegen, besonders solchen aus der Uhren-und feintechnischen Industrie. In zahlreichen Gesprächen mit Fabrikeignern und -geschäftsführem wurde ihm Interesse an einem solchen Industriemuseum und Ko­ operationsbereitschaft signalisiert. Am 3. Oktober 1979 beschloß der Ge­ meinderat, im Stadtbezirk Schwenningen, im sogenannten Vogtshaus in der Kronen- 211

straße, ein Industriemuseum einzurichten. Aber die bereits im Detail vorliegenden Pläne kamen nicht zur Ausführung, weil das Geld fehlte. Auch alternative Pläne zur Eta­ blierung einer eigenständigen Abteilung des Heimatmuseums mit dem Thema Uhren­ industrie konnten damals nicht realisiert werden. In den 1980er Jahren wurden die Pläne, allerdings mit einem etwas anderen Akzent, neu belebt. Nicht mehr das ganze Spektrum der Schwenninger Industrie vergangener Tage stand im Blickpunkt, sondern allein die Uhrenindustrie, die freilich eine Schlüssel­ industrie dieser Stadt war und zum Teil noch ist. Konkrete Chancen für die Errichtung eines Uhrenindustriemuseums ergaben sich schließlich, als im Rahmen der Stadtsanie­ rung in Schwenningen auch für die ehe­ malige Württembergische Uhrenfabrik in der Bürkstraße ein neues Nutzungskonzept erarbeitet werden mußte. Der Geschäftsfüh­ rer der städtischen Wohnungsbau GmbH, Walter Grimminger, kam auf die Idee, daß sich die in dem Fabrikgebäude vorgesehene Wohnnutzung gut mit einem Museum am gleichen Ort nachbarschaftlich verbinden ließe, ja daß dies sogar eine ganz besondere, einzigartige Form von Wohnqualität erge­ ben könnte. Mit dem Leiter des städtischen Fremden­ verkehrsamtes, Ulrich Schlichthaerle, war er sich darin einig, daß man so ein Museum mit anderen musealen Einrichtungen in der wei­ teren Umgebung in einen größeren Zusam­ menhang einbinden, ja sogar mit bereits bestehenden Uhrenstraßen im Ausland in Verbindung bringen könnte. Und es dauerte in der Tat gar nicht lange, bis durch den Regierungspräsidenten Dr. Conrad Schroe­ der am 15. April 1992 die „Deutsche Uhren­ straße“ offiziell eröffnet werden konnte, mit Villingen-Schwenningen als Ausgangs­ und Zielort (vgl. Almanach 94, Seiten 223 bis 234). Eine Gruppe des Schwenninger „Arbeits­ kreises Heimatkunde“ um den jetzigen Vor- 212 sitzenden des Schwenninger Heimatvereins, Jörg Weisbrod -dessen Engagement für die Erhaltung des Wohngebiets Ob dem Brüclle in guter Erinnerung ist -suchte nach Mit­ teln und Wegen, den Gedanken eines Uh­ renindustriemuseums in die Tat umzuset­ zen. Diese Enthusiasten begannen in den späten 1980er Jahren mit der Sammlung von alten Fertigungsmaschinen aus der Uhren­ industrie. Herr Weisbrod und Herr Walter Schlen­ ker berieten sich damals unter anderem mit dem Leiter des Deutschen Uhrenmuseums, Prof. Richard Mühe, mit Prof. Lothar Suh­ ling vom Mannheimer Landesmuseum für Technik und Arbeit und mit Dr. Reinartz über die Chancen, hier am Ort ein regionales Uhrenindustriemuseum zu schaffen. Aber die mutige Aktion hätte womöglich nicht den ihr bis heute eigenen Schwung erhalten, wenn nicht ein paar Schwenninger Fabrikanten und Kaufleute -ein paar „rääte aalte Schwenninger“, wie man so sagt -die Idee Uhrenindustriemuseum des „Arbeits­ kreises“ begeistert aufgegriffen hätte, an ihrer Spitze ein Mann, dessen visionäres und doch stets realitätsbezogenes Engagement etliche Jahre zuvor schon ein anderes, damals eben­ falls „phantastisches“ und angeblich „nicht machbares“ Projekt, die Schwenninger Kunst­ eisbahn, erfolgreich auf den Weg gebracht hatte: der Unternehmer Max Ernst Haller (vgl. Almanach 93, Seiten 203-205). Zusammen mit seinem Freund, dem Fa­ brikanten Manfred Link, mit dem er seiner­ zeit auch die Realisierung der Eisbahn ausge­ heckt hatte, schmiedete er Pläne, wie man das nun einmal unabdingbare Geld zusam­ menbekommen könnte, um das Projekt zu verwirklichen. Am 2. Mai 1990 wurde der „Förderkreis Lebendiges Uhren-Industriemuseum“ ge­ gründet, und Herr Haller gewann tatsächlich einige potente Mitstreiter, die bereit waren, sogenannte „Patronate“ zu übernehmen. Sie verpflichteten sich schriftlich, drei Jahre hin­ tereinander einen bestimmten, namhaften Geldbetrag für die Realisierung des Muse-

derat und Kreistag für eine großzügige Betei­ ligung an der Mitfinanzierung des Projektes gewonnen werden konnten, ist dem über­ zeugenden Engagement von Alt-Oberbürger­ meister Dr. Gerhard Gebauer und Landrat Dr. Rainer Gutknecht zu verdanken. Noch im Jahr 1991 legte die „Forschungs­ gruppe Kulturgeschichte und Sachgut (Focus)“ im Auftrag der Stadt eine Rahmen­ konzeption für das Uhrenindustriemuseum vor. Sie war gemeinsam mit den Mitgliedern des Förderkreises, mit Dr. Reinartz als Vertre­ ter der städtischen Museen und unter Mit­ hilfe von Dr. Axel Burkarth von der Landes­ stelle für Museumsbetreuung erarbeitet wor­ den. Und sie bildete die Basis aller weiteren Arbeiten. Am 30. Januar 1992 wurde der Verein Uhrenindustriemuseum gegründet. Er ist der eigentliche Trägerverein des Museums. Alt-Oberbürgermeister Dr. Gebauer über­ nahm darin den Vorsitz, Landrat Dr. Gut­ knecht und Herr Weisbrod wurden seine Stellvertreter. Der Schwenninger Museums­ leiter Dr. Reinartz wurde vom ehemaligen OB Dr. Gebauer zum Geschäftsführer be­ stellt und von der Mitgliederversammlung bestätigt. Frank Lang, Kulturwissenschaftler aus Vaihingen/Enz, entwickelte das Focus-Kon­ zept später zu einer detaillierten Gesamt­ planung weiter. Die von ihm erarbeiteten Inhalte der einzelnen Ausstellungsabteilun­ gen setzte das vom Verein beauftragte Stutt­ garter Gestalterbüro Nicolai Koncza plane­ risch um. Für die Graphik war Hans Joachim Fladda aus Stuttgart zuständig. Bei allem Respekt vor dem beträchtlichen finanziellen Engagement der „Patrone“: Die beeindruckendste Leistung im Zusammen­ hang mit der Realisierung des Uhrenindu­ striemuseums war wohl doch die der zahlrei­ chen ehrenamtlichen Helfer. Über Jahre hin­ weg haben sie durch ihren persönlichen kör­ perlichen Einsatz und das Einbringen ihrer zum Teil jahrzehntelangen fachlichen Erfah­ rungen -als Uhrmacher, Feinmechaniker, Maschinenbauer und was es sonst sein mag-213 ums bereitzustellen, einige von ihnen stell­ ten dreimal 10.000, daß heißt je 30.000 Mark zur Verfügung! Die Patrone des Uhrenindustriemuse­ ums, deren beispielhaftes Vorangehen das Projekt erst möglich gemacht hat, seien hier namentlich genannt, es sind: Herr Max Ernst Haller bzw. die Firma Friedrich Ernst Benzing, Technische Uhren; (siehe Almanach 91, Seiten 66-69, Alma­ nach 95, Seiten 210-211); Herr Walter Bürk bzw. die Firma Autohaus Walter Bürk; Herr Bernhard Schlenker bzw. die Firma SEL VA Uhrenbau & Hobby; Herr Michael Kopp bzw. die Firma Gustav Kopp, Uhrengroßhandlung; die Schwenninger Volksbank; die Sparkasse Villingen-Schwenningen und die Firma IVO Irion & Vosseler, Zählerfabrik (siehe Almanach 82, Seiten 64-65). Die Mitgliederzahl des Förderkreises stieg schnell auf über hundert. Durch deren tat­ kräftiges Eintreten für die Bewahrung eines wichtigen Denkmals der Industriekultur be­ eindruckt, konnte sich schließlich auch die Stadt Villingen-Schwenningen der Verpflich­ tung zur Mithilfe nicht entziehen. Ebenso der Schwarzwald-Baar-Kreis. Daß Gemein-

die Voraussetzung geschaffen, daß die ehe­ mals in dieser Stadt und in der Region domi­ nierende Uhrenindustrie in wirklichkeits­ naher Darstellung im Museum gezeigt wer­ den kann. Stellvertretend für die vielen, die bis in die späten Vorabendstunden des Eröffnungs­ tages hinein an „ihrem Museum“ gearbeitet haben, seien hier jene genannt, die in beson­ ders herausragender Weise und mit der größ­ ten Ausdauer von Anfang an ehrenamtlich tätig waren, damit das große Werk gelinge: Arthur Beck, Rolf Goebel, Horst Haller, Hans Herbert Kammerer, alle aus Schwen­ ningen, Norbert Knauer aus Trossingen, Klaus Lonzer, Walter Morath, Christian Oberndorfer, Karl Schlenker, alle aus Schwenningen, und Jörg Weisbrod aus Bad Dürrheim. Sie haben – zum Teil schon in beträchtli­ chem Alter- ein Stück ihrer eigenen Lebens­ zeit in verdienstvoller Weise für das Uhren- industriemuseum hingegeben! An dieser Stelle muß auch der vielen Frauen dankbar gedacht werden, die es die ganze Zeit lang mitgetragen haben, daß ihre Männer bis an die Grenze der Zumutbarkeit ihre Privatzeit für das Museum geopfert haben. Es ist bedauerlich, daß am 10. Dezember 1994 noch nicht das vollständige Projekt in der ursprünglich geplanten Form der Öffent­ lichkeit übergeben werden konnte. Bekannt­ lich hat das Land Baden-Württemberg die Förderung solcher Unternehmungen seit dem Jahr 1993 erheblich gekürzt, so daß sich der Vereinsvorstand schweren Herzens ent­ schließen mußte, das Projekt in zwei Bauab­ schnitte aufzuteilen. Etliche Finanzierungslücken konnten durch großherzige Spenden des Verbandes der Deutschen Uhrenindustrie, der Landes­ girokasse Stuttgart, der Firma PRO NET Johannes Rietschel und anderer geschlossen werden, aber die Zurückhaltung des Landes 214

wird dem Verein Uhrenindustriemuseum auch in Zukunft noch gehörig zu schaffen machen. Unter diesen Vorzeichen ist es wichtig, den Erfolg des Museums durch das weiterhin enge Zusammenwirken aller sicher­ zustellen. Denn nur so kann es durch regen Besucherverkehr seine Einnahmen erhöhen und sich allmählich ein wenig freischwim­ men. Zu einem größeren Museum gehört heut­ zutage ganz selbstverständlich ein Museums­ laden mit Cafe. Man kann es deshalb nur begrüßen, daß Herr Bernhard Schlenker bzw. seine Firma SELVA Uhren + Hobby auf dem Museumsareal eine solche Einrich­ tung geschaffen hat. Die angestrebte Sym­ biose nützt vermutlich dem Museum, wie umgekehrt das Museum zur Attraktivität des Museumsladens und des Museumscafes bei­ tragen dürfte. Auf jeden Fall ist das Uhrenindustriemu­ seum Villingen-Schwenningen ein wichtiger und notwendiger Teil unserer städtischen und regionalen Museumslandschaft und ein Glanzpunkt an der „Deutschen Uhren­ straße“. Diejenigen, die dazu beigetragen haben, daß es Wirklichkeit wurde, dürfen auf das Erreichte mit Recht stolz sein. Ein Dankeswort muß auch den Leihge­ bern und den zahlreichen Spendern abge­ stattet werden. Unter den Leihgebern -Pri­ vatleute und Firmen – sind solche, die Objekte aus ihren persönlichen Sammlun­ gen für die Museumsabteilung „Produktpa­ lette“ zur Verfügung stellten, und solche, die dem Museum Maschinen oder Werkzeuge verschiedenster Art als Leihgabe überließen, damit sie ausgestellt oder in der Museums­ werkstatt eingesetzt würden. Der Name von Eduard Hauser, Fabrikant in Weigheim, sei an dieser Stelle besonders hervorgehoben. Aber auch allen anderen Leihgebern und Spendern sei von Herzen Dank gesagt. Dem Museum ist Erfolg zu wünschen, 215

Die astronomische Kunstuhr von Hans Lang im Deutschen Uhrenmuseum tritt mehrmals das damals noch im Aufbau befindliche Museum besucht und der aus der Bevölkerung heraus erbrachten Leistung Respekt und Anerkennung ausgesprochen hat. Das gibt Anlaß zur Zuversicht. Das Uhrenindustriemuseum in der Bürk­ straße 39 (Tel. 0 77 20-3 80 44) ist dienstags bis sonntags von 10 bis 12 und von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Dr. Manfred Reinartz liehen Region finden wir neben der welt­ berühmten Straßburger Münsteruhr den Uhrenturm in Solothum, die öffentliche Uhr der „Zytglogge“ in Bern oder die Villin­ ger Kunstuhr, im 14. Jahrhundert gebaut, jedoch seit 1714 verschollen. Gemeinsame Merkmale der astronomi­ schen Kunstuhren von ähnlicher Gestalt allen Menschen nah und fern aber Gefallen an unserem Uhrenindustriemuseum Villin­ gen-Schwenningen. Denen, die jetzt und in Zukunft für die Stadt Verantwortung tragen, legen wir dieses Museum ans Herz. Es war eine Ermutigung für alle an dem Projekt Be­ teiligten, daß der neue Oberbürgermeister von Villingen-Schwenningen, Dr. Manfred Matusza, schon lange vor seinem Dienstan- Keine Region Europas ist ohne astrono­ mische Kunstuhr aus den Jahrzehnten nach Erfindung der Räderuhr. Sowohl die Hanse­ städte Lübeck, Rostock, Stralsund, Danzig, die oberdeutschen Städte Nürnberg, Ulm, Heilbronn wie auch die europäischen Me­ tropolen Paris, Prag, Padua oder Venedig ber­ gen sie in ihren Mauem. In unserer heimat- Frontseite der Hans-Lang-Uhr 216

und Funktion aus dem Spätmittelalter seit etwa 1350 sind – die kompakte Darstellung aktueller, auf Tag und Stunde bezogener Zeitdaten am zentralen Zifferblatt, meist mit einem Astrolabium verbunden, – vielfältige Kalenderindikationen, pro­ grammiert für Jahrtausende und die Veranschaulichung besonderer Ereig­ nisse des christlichen Jahres durch Auto­ matenspiele bewegter Figuren. Nach dem ersten Aufkommen dieser Uhren im 14. Jahrhundert suchten Städte und Landesherren mit immer interessante­ ren Kunstuhren zu wetteifern. Etwa um 150 Jahre später kam eine andere Art astronomi­ scher Uhren auf. Vielgestaltige, auch phanta­ stische Formen mit Bildzyklen und unge­ wohnten Indikationsarten wurden erson­ nen. Es entstanden die Globenuhren von Jost Bürgi in Zürich und Kassel, die Kunstuh­ ren von Eberhard Baldewein in wertvollen Metallgehäusen, jetzt in Dresden und Kas­ sel, auch Planetarien oder „Orreries“. Ein besonderes Planetarium von Philipp Mat­ thäus Hahn finden wir im Deutschen Uh­ renmuseum Furtwangen. Die Erklärung des Gestirnelaufs und neue Vorstellungen vom Kosmos traten an die Stelle des vorher eng umschriebenen und nahezu festgeprägten Bild- und Funktionsprogramms der frühen Kunstuhren. Die Uhrmacher verbanden mit ihren Schöpfungen nicht nur aktuelle Zeitanga­ ben; sie wollten die Welt und ihre Ordnung über Gestirnebewegungen erklären. Der Wandel vom geozentrischen zum heliozen­ trischen System oder von Ptolemäus zu Kopernikus, die Vielfalt der Zeitanzeigen, manchmal vor allem die Gestaltung bestim­ men das Gesicht dieser Uhren. Sie waren für fürstliche Schatzkammern, nicht als öffent­ liche Rathausuhren geschaffen. Die Ausfüh­ rung im Stil der Renaissance ist meist von bewundernswerter Schönheit sowohl im künstlerischen Entwurf wie in der handwerk­ lichen Vollendung. Im 19.Jahrhundert wurden Nachahmun­ gen früher Kunstuhren in modischen Gestal­ tungen üblich. Meist sind es erstklassige Handwerksarbeiten. Doch wird ihr künstle­ rischer Wert gelegentlich in Frage gestellt, wenngleich sie in Perfektion und automati­ sierten Funktionen bemerkenswert sind. Kennzeichen unseres Zeitalters sind Sach­ lichkeit, Funktionalität, Komplexität sowohl im Grundsätzlichen wie in Details. Unter diesen Aspekten sind astronomische Kunst­ uhren unserer Jahrzehnte zu beurteilen. Her­ ausragend ist eine Kunstuhr im Kopenhage-217

Verschiedene Einblicke in das Uhnoerk endeter Klarheit und Präzisionsuhren-Ge­ nauigkeit, die durch Atomuhren-Steuerung über Funksignale erreicht wird, ist sie Zeuge ihrer Entstehungszeit. Brillant demonstriert sie in formaler Nüchternheit wichti�ste Aspekte moderner Technik und ihrer Ara. Eine ausführliche Darlegung der Räderwerke – die Herstellung von 412 Zahnrädern war dafür nötig-, Getriebe und Kurvensteuerun­ gen kann hier nicht unser Ziel sein. Vielmehr wollen wir uns aufVerständnis, Indikationen und astronomische Daten konzentrieren. Das funkgesteuerte Hauptuhrwerk treibt neun Nebenuhrwerke für Zeitanzeigen mit Kalenderdaten wie für die Veranschaulichung kosmischen Geschehens. Diese Werke sor­ gen auf den fünf nebeneinanderstehenden Anzeigetafeln für die Indikation von Son­ nen- und Sternpositionen. Bei der mittleren Tafel beginnend finden wir ganz oben die – MESZ -, – mitteleuropäische Sommer- zeit – als Normalzeit, links un­ ten die – MOZ -, – mittlere Ortszeit -, weiter rechts die die – MEZ-, – mitteleuropäische Zeit – und – WSZ -, – wahre Sonnenzeit -. Darüber erscheint in der Mitte al Differenz von MOZ und WSZ die ner Rathaus von Jens Olsen, der vor der Voll­ endung 1945 starb. Erst seinen Schülern gelang 1955 die Inbetriebnahme. Wir wollen unsere besondere Aufmerk­ samkeit einer einmaligen astronomischen Kunstuhr widmen, die von dem Glashütter Uhrmachermeister Hans Lang in 25 Jahren ersonnen, in allen Details konstruiert und während 6 Jahren in 8200 Arbeitsstunden gefertigt wurde. Diese astronomische Uhr, von ihrem Meister 1986 vollendet, ist ein besonderer Glanzpunkt der klassischen Uhr­ macherei. Mit modernster Funkuhrsteue­ rung für höchste Zeitgenauigkeit und kom­ plexen Räderwerken, 412 Zahnräder enthal­ tend, steht sie in der Folge ihrer Vorläufer. Dort fanden wir so unterschiedliche Gestal­ tungen wie etwa die Planetenuhr von Gio­ vanni de Dondi zu Padua. Die Fassadenuhr auf der Isle de la Cite von Paris oder die ganz anders gestalteten Globenuhren von Jost Bürgi. In ihrer kulturhistorischen Bedeutung sind all diese Objekte Zeugen ihrer Zeit. Das gilt auch für die erst jüngst entstandene, noch nicht altehrwürdige Hans-Lang-Uhr, wobei Alter oft als Zeichen für besonderen Wert angesehen wird, die am Ende der gro­ ßen Epoche mechanischer Uhrmacherei steht. Als mechanisches Kunstwerk von voll- 218

-Zeitgleichung -(ZGL = -ZGL -, MOZ -WSZ), links und rechts flankiert von zwei Zifferblättern für den Sonnenauf-und -untergang. Mondkugel und Zeiger geben das -Mondalter -an. Die Anordnung von drei Zifferblättern über diesen Indikationen gibt die -UTC -, -universale Weltzeit -an, die auf den Meri­ dian von Greenwich bezogen ist. Die drei Zifferblätter rechts gelten der Sternzeitan­ zeige. Sternzeit ist im Unterschied zur „nor­ malen“ Sonnenzeit als Abstand zweier auf­ einanderfolgender Kulminationen oder Durchgänge eines Fixsterns durch den Orts­ meridian definiert. Die Länge von Sonnen­ tag und Sternentag unterscheidet sich um knapp 4 Minuten. Die Anzeigetafel rechts der Mitte bringt auf dem großen unteren Zifferblatt das Datum im gregorianischen Kalendersystem. Der von der UNO favorisierte, aber bisher nicht eingeführte Weltkalender ist hier wohl erstmalig auf einer Uhr realisiert. Darüber zeigt eine getriebegesteuerte Kugel den Ster­ nenhimmel zwischen 35 und 65 Grad nörd­ licher Breite. Zusammen mit ihren Stern­ bildern sind 750 markante Sterne in fünf Größenklassen auf der Kugel markiert. Sie liefern jederzeit das aktuelle Bild des Ster­ nenhimmel über uns. Die Anzeigetafel links der Mitte trägt oben ein Zifferblatt, das Sonne, Mond und Erde im geozentrischen Weltbild zeigt. Die Umläufe von Sonne und Mond um die Erde sind hier zu verfolgen. Sie sind den Tierkreis­ zeichen der Sternbilder zugeordnet. Die Zuordnung dieser Gestirnebewegung ist hier besonders anschaulich zu verfolgen, wenn sie auch nach dem heliozentrischen Welt­ bild nicht richtig ist. Auf dem unteren Zifferblatt dieser Tafel bewegen sich die Planeten Venus, Erde und Mars im heliozentrischen System um die Sonne. Venus und Mars rotieren entgegen dem Uhrzeigersinn und verändern ihre Ent­ fernung zur Erde deutlich, wie es hier sicht­ bar gemacht wird. Die Anzeigetafel ganz links wird von einem Planetarium ausgefüllt, das die Plane­ tenbewegungen im Sonnensystem zeigt. Die momentanen Planetenstände sind ablesbar. Von innen nach außen finden wir, unsicht­ bar langsam rotierend, Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. Den unteren Rand der Tafel nimmt eine maßstabsgerechte Darstellung ihrer Größen ein. Pluto fand aufgrund seiner gro­ ßen Entfernung in diesem Maßstab keinen 219

Platz mehr. Auch die Planeten selbst mußten zwecks Sichtbarkeit vergrößert werden. Sonst hätte die Erde, auf ihren Abstand von der Sonne bezogen, nur 0,00085 Millimeter Durchmesser. Im gleichen Verhältnis würde der Sonnendurchmesser dem äußeren Ge­ häuserand der Uhr entsprechen. Die Um­ laufzeiten der Planeten variieren von 88 Tagen für Merkur bis zu 165 Jahren für einen Neptun-Umlauf. Die fünfte Anzeigetafel rechts außen gibt die Bewegungen des Planeten Jupiter mit sei­ nen vier Monden Io, Europa, Ganymed und Kallisto wieder. Diese Monde wurden 1610 von Galilei entdeckt und werden relativ häu­ fig beobachtet. Sie sind schon mit einfachen Feldstechern gut sichtbar, und sie weisen Umlaufzeiten von nur 2 bis 17 Tagen auf. In der Mitte des Zifferblattes steht Jupiter. An den vier Zeigerenden sind die vier Monde in ihrem Größenverhältnis durch winzige Löcher gekennzeichnet. Von der Erde aus vollführen diese Monde statt der eiwarteten Kreisbewegung um Jupiter eine Pendelbewe­ gung. Denn ihre Bahnen liegen fast exakt in der Erdbahnebene. Deshalb sehen wir sie von Ost nach West und wieder zurück wan­ dern.Jupiter selbst verändert seinen Abstand zur Erde zwischen 599 und 967 Millionen Kilometern. 220 Planetarium Zur Darstellung der kleinen Monde krei­ sen zwei Speichen über dem Zifferblatt und scheinen eine Pendelbewegung zu machen. Dadurch werden Verfinsterung, Durchgang, Bedeckung und Schatten erkennbar. Diese Anzeige demonstriert erstmals bei Uhren diese Vorgänge in unserem Planetensystem. Bei der Hans-Lang-Uhr sind verschiedene Indikationen erstmalig in einer astronomi­ schen Kunstuhr veiwirklicht, nämlich die äkulare Akzeleration (Beschleuni­ gung in Jahrhunderten) des Mondes der Weltkalender als echter ewiger Kalender – die heliozentrischen und geozentrischen Positionen von Venus und Mars unter Berücksichtigung ihrer scheinbaren Rück­ läufigkeit – die Marsbewegung unter Berücksichti­ gung des zweiten Keplersd1en Gesetzes das Spiel der vier Jupitermonde – die Entfernungs­ anzeige zwischen Erde und Jupiter – der Winkelabstand von Jupiter zu sei­ nem Perihel. Uhnoerkfiirdie Darstel­ lung der inneren Plane­ ten im heliozentrischen System

Diese Uhr ist somit nicht nur Zeitmesser, sondern ein Spiegel des Kosmos, der in mechanische Bahnen gebannt scheint. Als Instrument zur Zeitanzeige ist die Uhr gleichzeitig ein Spiegel der Welt und kon­ frontiert uns mit der Unendlichkeit des Uni­ versums. Dabei hilft sie, unsere subjektive und objektive Bedeutung in der Welt zu ermessen. Das Meisterwerk von Hans Lang bietet umfassende Zeit-und Gestirneanzei­ gen wie bisher keine andere Uhr. Damit ist sie eine Bereicherung für die Uhrenwelt und das Museum, in dem sie ihren Platz hat. Wesentliche Gesichtspunkte unserer kultur­ historischen Epoche werden demonstriert. Im mechanischen Räderwerk zeigt sie nicht allein technische Funktionen. Vielmehr birgt sie in der Unendlichkeit der ungreifbaren Zeit weit darüber hinausgehende Ideen. Das Uhrwerk führt über das ästhetische Eine Kostbarkeit im Schwarzwaldmuseum in Triberg Einen weiten Weg hätte die Technik, aus Stroh, ausgerechnet aus diesem zarten, als sehr vergänglich geltenden Material Intar­ sien herzustellen, zurücklegen müssen, wenn sich Hersteller in China namhaft machen ließen, deren Erzeugnisse im 15.Jahrhundert in Europa, in den Ländern Frankreich, Flan­ dern, Deutschland, England, Italien und Österreich von Künstlern aufgenommen und zu einer Kunst eigener Schönheit und Anmut entwickelt wurden. Weit davon ent­ fernt, nur als Tiernahrung, Dünger, Streu, Strohlager, Fiecht-, Dachdeck-und Isolier­ material gebraucht zu werden, fand es wegen seiner Elastizität und der Dauerhaftigkeit seines Glanzes für Einlegearbeiten von un­ widerstehlichem Zauber vielfältige Verwen­ dung. Was dem Gedächtnis längst ent­ schwunden ist: die Herstellungstechnik wur­ de in der Barockzeit gleichzeitig mit der für Holz-, Metall-und Elfenbein, Schildpatt, Die Marketerie Ansprechen von Form und Konstruktion zum letzten Zweck der Uhr, dem Erkennen unserer menschlichen Position im Kosmos. Höchster Stand klassischer Uhrmacherei und neuester Stand der Zeitmeßtechnik sind hier vereint. Analog zum Mittelalter, als die Darstellungen des Weltgerichts die Endlich­ keit des Menschen zeigten, rückt diese Uhr die Winzigkeit des Menschen angesichts scheinbar grenzenloser Zeiten ins Bewußt­ sein. Bei den mittelalterlichen Kunstuhren spiegeln bildhafte Darstellungen der religiö­ sen Welt die damals bestimmenden schola­ stischen Vorstellungen wider. Den heutigen Wissenschaftsstand der Astronomie dage­ gen demonstriert uns die Hans-Lang-Uhr in zeitgemäßer Art und Weise. Prof. Dr. Richard Mühe Glas und Gold, Schuppen und Messing ent­ wickelt. -Und wofür? Stroh eignete sich als Dekor für die Ober­ fläche ungezählter Gegenstände wie Schmuck­ kästchen, Schachteln, Schatullen, Brillen­ etuis, Teedosen, Büchsen, Schnupftabak­ dosen, Vitrinen, Bilderrahmen, Buchdeckel, Spiele, Schubladen, Blasebälge, Schreib­ pulte, Bonbonieren, Möbel aller Art, im letz­ ten Jahrhundert in Paris sogar Wandverklei­ dungen und Zimmerdecken. Und wie wäre es in Zeiten lebendiger Volkfrömmigkeit denkbar, daß Strohmarketerien nicht auch für Devotionalien verwendet worden wären, sog. ,,Berchtesgadener Waren“! An Motiven herrschte nie Mangel. Be­ wegte menschliche Szenen, Landschaften, Ornamente in Schachbrett-, in Zickzack-, in Rautenform, in Bändern, in Dreiecken, Ster­ nen, Landschaften, Architekturen, rokoko­ hafte Filigrangebilde … 221

Die Herstellungsweise ist die der Intarsien überhaupt: geplättete, gefärbte Strohhalme wurden auf Holz, Metall oder Pappmache aufgeklebt. Diese diffizile und zeitraubende Arbeit wurde mit viel Kunstsinn, mit hinge­ bender Liebe und Geduld von Nonnen, von Sträflingen, von Kriegsgefangenen, jedoch auch im Hausgewerbe von Handwerkern, Designern, Meistern ihres Fachs, angefer­ tigt, die ihre Werke selbstbewußt signierten. (Prachtvolle Stücke wurden in den Hafen­ zuchthäusern in Toulon, Brest und Roche­ fort angefertigt). Der Merkantilismus Jean­ Baptiste Colberts (FAZ 18. 2.1995) zog auch hier die Künstler nach Paris. Niederländi­ sche und französische Kriegsgefangene fer­ tigten in England Marketerien, französische Soldaten, die 1870 von deutschen Truppen in die Schweiz abgedrängt wurden, taten in ihrer Internierungszeit dasselbe. Bilder des flämischen Malers David Teniers und des französischen Rokokomalers Jean Antoine 222 Watteau erscheinen als Imitationen in Stroh -gewiß ein aufwendiges und anspruchsvol­ les Bemühen! In der Mitte des letzten Jahr­ hunderts verschwand die Technik der Stroh­ Marketerien zum großen Teil, erlebte jedoch in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts in Paris mit der Dekoration ganzer Zimmer­ wände mit Stroh eine Renaissance, wurde vorübergehend noch einmal stilbildend. In den Schulen Österreichs wurden bis vor kur­ zem noch Handarbeiten dieser Art angefer­ tigt, Strafgefangene stellen dort bis heute Strohintarsien her. Die zeitliche Parallele des Barock mit sei­ ner Freude an Bildern, seiner Freude an Far­ ben blieb nicht ohne Einfluß auf die Klein­ kunst aus Stroh. Seine Liebe zu allem Pflan­ zenhaften, zum Exotischen, zum Bewegten, zum Ornamentalen ist unverkennbar. Mu­ scheln, Blattwerke, Schnecken, Ovale und Kreise schlingen sich um das Horizontale und Vertikale, das durch die Gestalt des Hai-

mes vorgegeben ist. Blumen, vor allem Ro­ sen und Lilien, waren häufige Motive, dem (oder der) mit einer solchen Marketerie Be­ schenkten das Eingeständnis der Liebe, lei­ denschaftliche Liebe zeigte sich in karmesin­ roter, unerwiderte Liebe in weißer Farbe. Wasserlilien signalisierten Gleichgültigkeit, überhaupt hatten Farben ihre eigene Spra­ che. Blau bedeutete reine Zärtlichkeit, Gelb reines Glück. Mitteilungen in Worten konn­ ten lauten: ,,Befreit diesen Gefangenen!“ – „In Freundschaft überreicht.“ – .,Mein Herz ist winzig.“ (Es hat nur für einen Platz, es ist treu). Volkskundler vieler europäischer Länder bemühen sich, diese Kleinodien zu retten, zu sammeln und sie in Ausstellungen der Nachwelt vorzustellen. Unsere Marketerie in Triberg mit der Be­ zeichnung „Lisabon“ auf der Schauseite ist das einzige Juwel dieser Art im Schwarzwald­ museum in Triberg. Eine Tradition für Mar- keterien hat es im Schwarzwald offenbar nicht gegeben. Erstaunlich ist der gute Erhal­ tungszustand und der unverblaßte Glanz des Strohs. Die Bilder im Innern strahlen die Fri­ sche des ersten Tages aus. Auf seiner Unter­ seite trägt das Kästchen eine Aufschrift, die zum größten Teil nicht mehr lesbar ist. Ein­ deutig erkennbar ist aber die Ortsangabe ,,Annweiler“ und die Jahreszahl „1818″. Da es eine teure Anschaffung oder ein graziles, wertvolles Geschenk darstellte, eher zum Repräsentieren als zum täglichen Gebrauch geeignet war, muß es im Besitz einer begüter­ ten Familie gewesen sein. Und es diente buchstäblich als Schatzkästlein, denn darin waren im allgemeinen goldene und silberne Ketten, Perlen und Schmuck aller Art auf­ bewahrt. Die Außenseiten sind mit Darstel­ lungen von Straßenzügen dekoriert, hier überwiegen die Horizontale und die Verti­ kale, die einzelnen Flächen im Innern zeigen (wohl) allegorische Häusergruppen mit spit- 223

zen Kirchtürmen, ein moscheeähnliches Ge­ bäude mit einer Kuppel, eine Burg mit einer überdimensional großen Fahne. Wo nicht in Frontalansicht „gemalt“ ist, versuchte der Künstler sich auch in der Perspektive. Im Ganzen ist dem Schwarzwälder eine fremde, wenn auch nicht typisch exotische Welt vor Karl Volk Augen geführt. [ßtellen: Osterreichisches Museum für Volkskunde Sonderausstellung – STROH-INTARSIA Kunsthandwerk, Hausgewerbe und Volks­ kunde in Europa vom 17. bis 20.jahrhundert Sonderausstellungvom 23. September 1993 bis 9.Januar 1994. Michael Peppiat: ANTJQUES: FRENCH STRAW WORK, SUPERPRISING DE- CORAT!VE EFFECTS FROM THE HUMBLEST OF MAMTAERIALS in Architectural Digest 1994 VOLKSKUNDE IN ÖSTERREICH – NACHRICHTEN DES VEREINS FÜR VOLKSKUNDE Jahrgang 28 Wien 1993: Strohintarsia – La Marqueterie de Paille DIE FURCHE, 23. SEPTEMBER 1993: Möbel mit Stroh-Intarsien RAIFFEISEN-ZE!TUNG (Wochenzeitung des österreichischen Raijfeisenverbandes Nr. 39, 30. September 1993: Meisterwerke aus Stroh KUNST UND ANTIQUITATEN HEFT 11. MÜNCHEN 1993: Stroh-Intarsia Chronik der Volkskunde Heft 3, 1993: ,,Stroh­ lntarsia“ – Kunsthandwerk, Hausgewerbe und Volkskunst in Europa vom 17. bis 20. Jahrhundert. Fürstlich-Fürstenbergische Gemäldesammlung in Donaueschingen ,,Versuchung des Heiligen Antonius“ Meister mit dem Veilchen 1510, Züricher Meister Ob ein Besuch in der fürstlich-fürstenber­ gischen Gemäldesammlung dem Besucher auch einen Schrecken einjagen könnte? Wer nach dem großen Saal der Meister von Sigmaringen in das 4. Kabinett einbiegt, der steht ihm persönlich gegenüber: dem ,,schönsten“ Teufel von der Baar. Nachdem wir viele harmonische Bilder gesehen haben, springt uns hier etwas Dämo­ nisches ohne Vorwarnung an. Bevor wir auch nur im geringsten die Schönheit dieses Altarbildes des Veilchenmeisters wahrneh­ men können, greift uns das Groteske einer scheußlichen Dämonengestalt an. Ein Rot, wie von glühendem Eisen, leuchtet aus dem Bild heraus. Ein Rot, wie es in der ganzen Gemäldesammlung nicht mehr vorkommt. Eine Mischung aus Menschengestalt, Schna­ beltier und Bocksgestalt tritt uns gegenüber. Bewohnt ist diese Gestalt von wurmartigen Schlangen mit ekelerregender Wirkung. Nicht im wilden Angriff wird dieser Teufel gezeigt, sondern im eindringlichen Einspre- chen auf eine andere Person. Erst jetzt kann sich das Auge der Hauptperson des Bildes zuwenden. Im Zentrum des Bildes sitzt auf einer Art Grasbank ein Mann mit wallen­ dem, feingekämmtem Bart, der mit gelasse­ ner Handbewegung den aufihn einredenden Teufel zurückweist. Er ist ein Mann im reifen Alter. Er steht offenbar im Dialog mit dem Teufel. Um wen handelt es sich? Wie viele Heiligenfiguren hat er sein per­ sönliches Kennzeichen. Links unten im Bild sehen wir ein Schweinchen mit einem Glöck­ chen im Ohr. Der Kenner des Isenheimer Altars kennt dieses Heiligenattribut genau und weiß damit, daß es sich nur um den Hei­ ligen Antonius von Ägypten handeln kann, der im Jahr 356 im Alter von 105 Jahren gestorben ist. Er lebte als Einsiedler und gilt als der „ Vater der Mönche“. Deshalb hält er das zweistufige Patriarchenkreuz in seiner Hand. Seine Bildwirkung geht von seinem geradezu eleganten Gewand aus, das in einer 225

ungewöhnlich schönen Auberginefarbe ge­ malt ist. Auch sie kommt in den ganzen Sammlungen nicht wieder vor. Das Ungewöhnliche an unserer Szene liegt darin, daß kein Dämonenkampf zwi­ schen Antonius und dem Teufel stattfindet, sondern daß die zwei Bildfiguren miteinan­ der diskutieren. Um zu überzeugen, zählt der Teufel seine Argumente an den Fingern auf Nach alter theologischer Diskussions­ methode benötigt er dazu die 10 Kategorien von Aristoteles. Antonius kann bei diesem Geisteskampf in guter Ruhe bleiben. Der Teufel bekommt die nötigen 10 Kategorien nicht zusammen, denn er hat an jeder Hand nur 4 Finger. Eine dritte Person fällt im Bild noch auf Rechts unten kniet ein elegant gekleideter Mann. Er blickt zu Antonius auf und hält ihm seine brennende rechte Hand entgegen. Hiermit wird eine schlimme Krankheit der damaligen Zeit symbolisiert: das „Antonius­ feuer“. Die späteren Antonitermönche ver­ suchten in ihren Hospitälern, zum Beispiel auch die von Isenheim im Elsaß, den von dieser Krankheit befallenen Menschen zu helfen. Wurde vom Mutterkorn befallenes Getreide nicht sorgfältig gereinigt, so wurde es mitgemahlen und geriet so ins Brot. Mut­ terkorn wirkt gefäßverengend und kann bei Dauerzufuhr alle Gliedmaßen brandig ma­ chen und „brennende“ Schmerzen hervorru­ fen. Dagegen sollte Antonius und seine Mönche helfen in dieser vorwissenschaft­ lichen Zeit. Ein Blick auf den Hintergrund unserer Szene läßt uns ein wunderbares Kunstwerk der Landschaftsmalerei erleben. Der Fluß rechts soll den Nil darstellen. Die Landschaft könnte aber an das Rheintal erinnern. Die Landschaft links im Bild ist so idyllisch, daß sie mit der ägyptischen Wüste auch gar nichts mehr zu tun hat. Sie könnte ein Stück­ chen Schweizer Mittelland darstellen. Was tut unser Maler? Er aktualisiert. Er versetzt die Szene in seine eigene Zeit, um sie dem damaligen Betrachter noch näher zu bringen. Die Qialität der Landschafts­ malerei ist von so hohem Rang, daß sie leicht mit Landschaften von Albrecht Dürer ver­ glichen werden kann. Daran läßt sich ablesen, was für ein hoch­ rangiger Meister der anonyme Maler unse­ rers Bildes gewesen sein muß. Unter dem rechten Schweinchen entdecken wir sein Werkstattzeichen, ein Ackerstiefinütterchen, das die Kunsthistoriker als Veilchen bezeich­ nen. Daher heißt er der „Meister mit dem Veilchen“. Martin Hermanns Das Gütenbacher Dorfmuseum Bei vielen Besuchern des Oberen Bregtals ruft die Wirtschaftsstruktur Verwunderung im positiven Sinn hervor. Trotz relativ gro­ ßer Distanz zu industriellen Ballungsräu­ men, schwieriger topographischer Bedin­ gungen und ländlicher Prägung konnte sich in Furtwangen, Vöhrenbach und Gütenbach eine relativ große Anzahl mittelständischer Unternehmen etablieren, die bislang geringe Arbeitslosenraten und materiellen Wohl­ stand garantierten. Diese Situation kommt nicht von ungefähr. Sie ist das Ergebnis eines langwierigen Prozesses, der im 1988 eröffne- ten Gütenbacher Dorfinuseum auf ein­ drucksvolle Weise nachvollzogen werden kann. Die vom Gütenbacher Geschichts­ und Heimatverein getragene Einrichtung re­ flektiert die Wirtschafts- und Sozialgeschich­ te des Ortes zwischen Mitte des 18.Jahrhun­ derts und der Nachkriegszeit. Sie widmet sich dabei vor allem der Entwicklung der Uhrenproduktion und den Lebensverhält­ nissen der mit ihr beschäftigten Menschen. Mit der Uhrenherstellung nahm die Indu­ strialisierung im Oberen Bregtal bekanntlich ihren Anfang und sie prägte über lange Zeit 227

hinweg das Bild der heimischen Wirtschaft. Das Original einer alten Uhrmacherwerk­ statt bildet das Zentrum des im ehemaligen Gütenbacher Schulhaus untergebrachten Museums. In ihr können Besucher die Werk­ zeuge betrachten, mit denen die einheimi­ schen Uhrmacher vor 100 Jahren ihrer Arbeit nachgingen. Für die unverzichtbare Q!ialität der Endprodukte sorgten unter anderem Prä­ zisionsinstrumente wie der hölzerne Zahn­ stuhl, mit dem die Tüftler aus dem hohen Schwarzwald einst millimetergenau die Uhrenräder zahnten. Auch ein Spindelboh­ rer und zahlreiche Handwerkzeuge vermit­ teln einen Eindruck von der damaligen Pro­ duktionstechnik. Zudem wird dem Interessierten anschau­ lich vor Augen geführt, daß die heutige Tren­ nung zwischen Arbeitsplatz und Wohnung noch vor nicht allzu langer Zeit kaum ver­ breitet war. Die Werkstatt befindet sich in­ mitten einer Wohnstube, Essenstisch und Werkbank stehen dicht beieinander. Ein Zustand, der erst im Zuge der industriellen Revolution verschwand. Damals wurde die Herstellung von Gütern vom Haus in die gerade entstehenden Fabrikhallen verlegt, wo mittels maschineller Fertigung eine grö­ ßere Produktivität erzielt werden konnte. Die ersten Schritte in Richtung Industria­ lisierung sind in den Räumen des Museums ausführlich dokumentiert. An den Wänden hängen Abbildungen der ersten Uhrenfabrik in Gütenbach, die von dem 1832 geborenen Uhrmacher Leo Faller gegründet wurde. Er hatte frühzeitig die Kostenvorteile einer fabrikmäßigen Herstellung erkannt und da­ mit einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Uhrenproduktion in Gütenbach gelei­ stet. Dies war für die Entwicklung des Ortes von entscheidender Bedeutung, da in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts mehr als 200 der insgesamt 800 Einwohner direkt oder indirekt mit der Uhrenfertigung ver­ bunden waren. Daß die heimische Wirtschaft schon da­ mals stark exportorientiert war, zeigt das Geschäftsjournal des Uhrenhändlers Adolf 229

Adrian Furtwängler, das ebenfalls im Dorf­ museum in Augenschein genommen wer­ den kann. Die Aufzeichnungen zeugen von den vielfältigen und weitreichenden Han­ delsbeziehungen der damaligen Zeit. Die Kontakte des Händlers reichten unter ande­ rem bis in das zaristische Rußland. Der Ein­ blick in Schwarzwälder Erfindungsreichtum wird abgerundet durch eine Kuckucksuhren­ sammlung. Die Markenzeichen heimischer Schaffenskraft stammen aus der Zeit zwi­ schen 1760 und dem Ende des Ersten Welt­ kriegs. Als Prunkstück gilt eine Holzräder­ Kuckucksuhr, auf die man in den Reihen des Vereins besonders stolz ist. Die Mitglieder des Geschichts-und Hei­ matvereins verstehen ihr Dorfmuseum aller­ dings keinesfalls als „kleinen Bruder“ der gro­ ßen Uhrensammlung im Nachbarort Furt­ wangen. Vielmehr wollen sie in ihrem Mu­ seum auch andere Aspekte dörflichen Le­ bens beleuchten. Und so befinden sich ne­ ben der Uhrmacherwerkstatt eine alte Küche und ein Schlafzimmer aus der vorindustriel- 230 Jen Zeit. Die beiden mit viel Liebe zum Detail eingerichteten Räume zeigen, unter welchen häuslichen Bedingungen die Vor­ fahren der Gütenbacher einst gelebt hatten. Von Töpfen, altem Geschirr bis hin zu einem gemauerten Herd und einem 300 Jahre alten Schrank reicht die Spannbreite der Ausstel­ lungsstücke. Das Bild wird vervollständigt durch eine Schuhmacher-und eine Schreinerwerkstatt. Sie sind zusammen mit der Kuckucksuhren­ sammlung im Dachgeschoß des alten Schul­ hauses untergebracht, das dem Verein seit Sommer 1994 als zusätzliche Ausstellungs­ fläche dient. Hier werden die Blicke des Betrachters vor allem von den unterschiedli­ chen Werkzeugen angezogen, die im Zeital­ ter industrieller Massenproduktion nur noch den wenigsten vertraut sind. Dazu gehört zum Beispiel ein Leistensortiment, mit des­ sen Hilfe die Schuhmacher einst clie Schuhe der Fußform und den individuellen Ge­ schmacksvorlieben ihrer Träger anpaßten. Einen eigenwilligen Charme versprühen

die übrigen Räume des Dachgeschosses. Beim Anblick der Phonoschränke aus den fünfziger Jahren fühlt man sich in die Nie­ rentischatmosphäre von Ludwig Erhards Wirtschaftswunder zurückversetzt, das auch die Gütenbacher Industrie rasch expandie­ ren ließ. Allen voran die Firma Faller, die mit ihren Modellhäusern für Spielzeugeisenbah­ nen ungeahnten materiellen Wohlstand nach Gütenbach brachte und die Schwarz­ waldgemeinde weit über die Kreisgrenzen hinaus bekannt machte. Die Entwicklung des Unternehmens ist im Dorfmuseum an­ schaulich nachgezeichnet. Auf die anfängli­ chen Produkte -es waren Holzkämme – folgten bald die ersten Modellhäuschen, de­ ren Pappkartonwände die Heimarbeiterin­ nen noch mit eßbarem Gries bewarfen, um für die richtige Fassade zu sorgen. Doch damit nicht genug: Wer will, kann in den Räumen des alten Schulhauses auch alte Geldscheine bestaunen, die in der Infla­ tionszeit von der Furtwanger Stadtverwal­ tung gedruckt worden sind. Oder der Muse- umsbesucher kann sich mit den Bildern der ehemaligen Gütenbacher Bürgermeister ver­ traut machen, die ebenfalls im Dorfmuseum zu finden sind. Dafür haben Interessenten an zwei Tagen in der Woche Gelegenheit: Am Sonntag zwi­ schen 10 und 12 Uhr steht die Tür des Muse­ ums ebenso offen wie am Mittwoch zwi­ schen 14 und 17 Uhr (Gruppen finden nach Voranmeldung auch außerhalb der norma­ len Öffnungszeiten Einlaß). Immer sind es Mitglieder des Geschichts-und Heimatver­ eins, die die Besucher mit dem „Leben, Woh­ nen und Arbeiten auf dem hohen Schwarz­ wald“, so das Motto des Museums, vertraut machen. Überhaupt ist das Dorfmuseum ein Mu­ sterbeispiel einer gelungenen Privatinitia­ tive, bei der die öffentliche Hand nur für die nötigen Rahmenbedingungen sorgte. Sie stellt dem Verein die Räumlichkeiten kosten­ los zur Verfügung und half bei der Realisie­ rung der Museumserweiterung 1994. Ein Umstand, der den ersten Vorsitzenden des 231

Als wichtiger Garant für den Erfolg des Museumsprojektes erwies sich die Güten­ bacher Bevölkerung. Sie stellte nicht nur 80 Prozent der Ausstellungsstücke zur Verfü­ gung, sondern ließ auch reichlich Spenden in die Kassen des Vereins fließen, der 1994 mit der gelungenen Museumserweiterung seinen zehnten Geburtstag feiern konnte. Bernd Kramer gen. Dank gebührt in diesem Zusammen­ hang der Einwohnerschaft von Buchenberg und Umgebung, die viele der Gegenstände zur Verfügung stellten, der Gemeinde, wie Alte Taufbriefe im Doifmuseum Geschichts- und Heimatvereins und Muse­ umsinitiator, Oswald Scherzinger, keines­ wegs verbittert. Schon zur Eröffnung des Museums sei klar gewesen, daß die Gemein­ de angesichts der angespannten Haushalts­ lage dem Verein finanziell nicht unter die Arme greifen könne. Allerdings half die Ver­ waltung unter den Bürgermeistern Richard Krieg und Thomas Klüdtke den Mitgliedern in jeder anderen Hinsicht bei der Gründung und dem Betrieb ihres Museums. Dorfmuseum Buchenberg Ausdruck kulturellen Eigenlebens Der Geschichtsverein Buchenberg hat sich bei seiner Gründung im Oktober 1987 die Aufgabe gestellt, die Geschichte von Buchenberg und ihre Zeugen zu erfassen, zu pflegen und zu bewahren sowie im Rahmen eines Dorfmuseums der Öffentlichkeit dar­ zustellen. Mit der Eröffnung des Dorfmuse­ ums im August 1989 wurde ein vorläufiges Ziel erreicht. Mit der Sanierung des Rathau­ ses und der Bereitstellung der Räume hat die Gemeinde mit einigem finanziellen Auf­ wand die erforderlichen Voraussetzungen dazu geschaffen. Auch die örtlichen Vereine haben bei den Renovierungsarbeiten in frei­ willigem Einsatz mitgeholfen. Zu erwähnen sind dabei auch die Arbeiter des Bauhofes der Gemeinde wie auch die Handwerker. In vielen Sitzungen und Zusammenkünf­ ten haben die Mitglieder der Vorstandschaft und des Beirates des Geschichtsvereins in den vorangegangenen Monaten und Jahren in intensiver Arbeit ein Konzept für die Gestaltung des Dorfmuseums erarbeitet. „Heimatbewußtsein braucht in Buchenberg nicht erst geweckt werden; es ist in reichem Maße vorhanden“ betonte Bürgermeister Horst Ziegler in seinem Grußwort zur Eröff­ nung. Eine weitere bedeutende Arbeit bestand darin, die für die Ausstellung not­ wendigen Exponate aufzuspüren, zusam­ menzutragen und in einen Rahmen einzufü- 232

Motiv aus dem Musterbuch des Buchenberger Uhrenschildmalers und Heiligenpjlegers Jakob Maier (1822-1899) auf der Halde auch dem Land Baden-Württemberg für die finanzielle Unterstützung. Fachmännische Hilfe kam sowohl von der Landesstelle für Museumsberatung in Tübingen wie auch von dem Graphiker und Designer Erich Villa, der mit seiner Arbeit viel zur anspre­ chenden Gestaltung beitrug. Noch gibt es einiges zu tun, um die geplanten endgültigen Vorstellungen zu verwirklichen und dazu bedarf es weiter der Unterstützung der Ein­ wohnerschaft, um das örtliche Brauchtum und das kulturelle Eigenleben von Buchen­ berg zu erhalten und zu pflegen. Mit großem Interesse haben die vielen Besucher der Gestaltung und Einrichtung des Dorfmuse­ ums volle Anerkennung und ein uneinge­ schränktes Lob gezollt. Die Texttafeln im Eingangsbereich des Dorfinuseums infor­ mieren über die Besiedlung des Raumes, die bäuerliche Wirtschaft, das dörfliche Hand- werk, die Rolle der Bäuerin und des Gesindes wie auch über Daten aus der Geschichte von Buchenberg. Auf dem weiteren Rundgang sind in zwei Räumen die wichtigsten dörf­ lichen Gewerbe vertreten: die Weberei, Ver­ arbeitung der Wolle und des Flachses, Schreiner- und Schuhmacherwerkstatt und die Werkzeuge des Zimmermannes. Der Hauptraum zeigt in lebensgroßen Figuren die Buchenberger Tracht, die Uhrmacherei und an Uhrenschildern, Wandtafeln, Tru­ hen, Schränken und einem Kappentrögle die Arbeiten des Buchenberger Uhrenschild­ malers Jakob Maier. Buchenberger Kultur­ denkmale und Gegenstände werden mit dem St.-Nikolaus-Kirchlein, seinen Wandmale­ reien und der Burgruine Waldau dargestellt. Hinzu kommt das Buchenberger Herrgöttle, ein aus Lindenholz geschnitzter Kruzifixus aus dem 12. Jahrhundert, eine 200 Jahre alte 233

faktur Zell a. H., eine bemalte Rahmenuhr als „Augenwender“ sowie eine Schwarzwäl­ der Figurenuhr, sogenannte Glockenschläger mit drei Figuren aus der Zeit von etwa 1810. Weiter hinzu kam ein restaurierter Schrank, eine Spende von Luise und Erich Fischer, aus dem Jahre 1843. Zahlreiche Besucher haben die Sonderausstellungen „Schwarzwälder Ge­ brauchs- und Zierglas aus zwei Jahrhunder­ ten“ im Jahre 1991 und „Schwarzwälder Kera­ mikgeschirr und Steingut aus Schramberg, Homberg, Zell a. H. sowie Hafnergeschirr aus St. Georgen, Tennenbronn, Buchenberg und Umgebung“ im Jahre 1992 besucht. Dokumente der Vergangenheit in Form von rund 150 Bildern des Malers Otto Leiber mit Motiven von vielen alten Höfen und Landschaften wurden im Jahre 1993 in einer weiteren Sonderausstellung gezeigt. Johann Haller Gemälde in der „Otto-Leiber-Ausstellung“ im Doifmuseum in Buchenberg Kappentrögle mit Motiven des Uhrenschild­ malers Jakob Maier (1822-1899) im Dorf museum Buchenberg Bibel, die Abendmahlskelche aus dem Jahr 1615, ein geschmiedeter Truhenschrank der Zollstation auf dem Brogen und die Darstel­ lung von Tauf-, Konfirmations- und Hoch­ zeitsbräuchen sowie Trachtenpuppen als eine besondere Augenweide. In einem fünf­ ten, kleineren Raum wird die Glasherstel­ lung in Buchenberg durch alte Scherben und Werkzeuge aufgezeigt. Ergänzt wird das Kunsthandwerk durch altes wertvolles Kera­ mikgeschirr. Die Frühzeit wird mit dem alten Steinbeil und den Gefäßscherben aus der Horgener Kultur verdeutlicht. Der Rundgang führt sodann zu den bei­ den bedeutenden Buchenberger Künstlern Otto Leiber und Mechthild Weitbrecht. Gezeigt werden Ausschnitte des künstleri­ schen Schaffens mit Gemälden, Plastiken und auch Puppen. Besonders geweckt wurde das Interesse zur Eröffnung der „Deutschen Uhrenstraße“ durch eine spezielle Sonder-Taschenuhraus­ stellung mit einer Auswahl von rund 30 selte­ ner Taschenuhren, einer Sammlung aus Eng­ land, Frankreich, Amerika und Deutschland aus der Zeit des 18. und 19. Jahrhunderts. Erweitert wurde die Ausstellung von alten Schwarzwalduhren um ein Dutzend wert­ voller Kleinlackschilder-Wanduhren. Dar­ unter auch eine Sorguhr,Jockele-Uhren mit gemalten Porzellanschilder aus der Manu- 234

Der Narrenschopf in Bad Dürrheim Baudenkmäler Ein Haus voller Narren und noch mehr Der Narrenschopf in Bad Dürrheim wurde be­ reits in der 1. Ausgabe des Almanachs in Form eines Rundgangs vorgestellt (siehe Almanach 77, Seiten 8-11). Der Autor des 1. Beitrags, der langjährige Mitar­ beiter im Almanach, Dr. Lorenz Honold, hat auch den 2. Beitrag im Almanach 85 (Seiten 165-170) verfaßt. Der Narrenschopf in Bad Dürrheim ist nach sei­ ner nochmaligen Erweiterung nicht nur eine wür­ dige Stätte, um die schwäbisch-alemannischen Fasnachtsbräuche lebendig zu erhalten, auch als Bauwerk verdient er festgehalten zu werden. Die Redaktion des Almanach hat den Vorsitzenden des Vereins Narrenschopf Bad Dürrheim e. V, Martin Blümcke, um eine Gesamtschau des Ge­ schaffenen gebeten. Im Süden des Bad Dürrheimer Kurparks lenkt ein eigenartiger Gebäudekomplex die Aufmerksamkeit auf sich: drei riesige, dun­ kelrote Runddächer. Sie sind durch einen lichten Zwischenbau verbunden, aus dem ein hölzernes Türmchen emporragt, in dem ein Hofnarr lässig Platz genommen hat. ,,Narrenschopf, größtes deutsches Masken­ museum“ kann man auf Schildern lesen, und in der Tat umschließen zwei der Kuppelbau­ ten 400 lebensgroße Narrenfiguren aus dem Einzugsbereich der Vereinigung schwäbisch­ alemannischer Narrenzünfte, das sich vom Allgäu bis zum Kaiserstuhl und von der Landschaft Neckar-Alb bis in die alemanni­ sche Schweiz ausdehnt. Der dritte überdi­ mensionierte Iglu wird für Feste und Tagun­ gen, vor allem aber für Ausstellungen mit wechselnden Themen genutzt. Oft werden diese Kuppeln als Solebehäl­ ter bezeichnet, und viele meinen, sie seien Überreste der Bad Dürrheimer Saline. Um es gleich zu sagen: Beides ist falsch! Zwar wur- den in dem neubadischen Dorf Dürrheim, das zuvor dem Johanniterorden gehört hatte, 1822 Salzlager erbohrt und das in Was­ ser gelöste „Weiße Gold“ als Sole heraufge­ pumpt. Doch die Württemberger folgten diesem Beispiel und wurden im benachbar­ ten Schwenningen und bei Rottweil gleich­ falls fündig. Von 1825 bis 1827 legte hier Sali­ neninspektor Friedrich von Alberti die Sa­ line Wilhelmshall an; für sie mußte die Sole aus dem Primtal nach Rottweil hinaufge­ pumpt und in ausgemauerten Erdgruben ge­ lagert werden, bis das Sieden, bis die Salzge­ winnung beginnen konnte. Um eine Ver­ dünnung der Sole durch Regen und Schnee 235

Im Jahre 1969 wurde die Saline Rottweil vom Eigentümer, vom Land Baden-Würt­ temberg, stillgelegt. Bald danach las man in der Presse, die Überdachungen der Solebe­ hälter sollten abgebrochen werden. Otto Weissenberger, damals Bürgermeister und Kurdirektor in Bad Dürrheim, erkannte die Chance, verhandelte mit den zuständigen Behörden wegen einer Überlassung der Bau­ ten und ließ, bevor sie abgeschlagen und auf die Baar transportiert wurden, von Stuttgar­ ter Architekturstudenten genaue Bauaufnah­ men anfertigen. Die achteckige Kuppel wurde sogleich am Rand des Bad Dürrheimer Kurparkes aufge­ stellt und mit alten handgestrichenen Zie­ geln gedeckt; Architekt Guido Rebholz war beauftragt worden, das Baugesuch zu erstel­ len. Dabei wußte damals noch niemand so recht, wie das Gebäude zu nutzen wäre. Als Jugendhaus? Dieser sympathische Plan schied wegen der Feuergefährlichkeit aus. Wäre es nicht der geeignete Platz für ein Heimatmu­ seum? Wie wäre es mit einem Fasnachtsmu­ seum, fragten hingegen Walter Sieger und seine Dürrheimer Zunftmitglieder. Hans Strähle, seinerzeit Präsident der Vereini­ gung, wurde ins Vertrauen gezogen und ver­ handelte mit Bürgermeister Weissenberger, der am 10. Januar 1970 bei der Hauptver­ sammlung der Vereinigung in Bräunlingen vorschlug, das „Narren-und Brauchtums­ museum schwäbisch-alemannischer Narren­ zünfte“ in einem ehemaligen Solebehälter in Bad Dürrheim einzurichten. Alle Anwesen­ den stimmten dem Angebot zu. Bürgermei­ ster Weissenberger hatte nur eine Bedin­ gung, die gerne akzeptiert wurde: Wilhelm Kutter müsse die Aufstellung übernehmen, seines Zeichens Kulturreferent der Vereini­ gung und Volks-und Landeskunderedakteur beim Süddeutschen Rundfunk. Nachdem der Dürrheimer Gemeinderat zugestimmt und den Einbau einer eisernen Plattform gebilligt hatte, konnte am 24. No­ vember 1971 Richtfest gefeiert werden. Ne­ ben Bürgermeister Otto Weissenberger und Präsident Hans Ströhle hatte auch der örtli- zu verhindern, ließ man innerhalb weniger Jahre über den Behältern zwei riesige Kup­ peldächer mit mehr als 20 Meter Durchmes­ ser in Holzkonstruktion und Schindelabdek­ kung errichten. Ein oder mehrere unbekannte Zimmermänner, wahre Meister ihres Fachs, haben das Holzgerippe entworfen und aus­ geführt. Im älteren Typ laufen von einem Achteck aus die Holzbinder im gleichen Ab­ stand nach oben und vereinigen sich dort, wo sie aufeinander stoßen; ihre Zahl nimmt also zum höchsten Punkt der Kuppel hin ab. Ganz oben im Scheitelpunkt treffen nur noch wenige Rippen zusammen und sind miteinander verzahnt. Im anderen Typ lau­ fen von einem Kreis aus 32 viertelsrunde Trä­ ger in 7,5 Meter Höhe in einer Laterne zu­ sammen, in einem gewaltigen runden Leim­ binder mit ca. 4 Meter Durchmesser. Oben­ drauf sitzt eine Glas-Aluminium-Konstruk­ tion, nach der dieser Bau von den Dürrheimern den Namen „Pickelhaube“ bekommen hat. 238

ehe Zunftmeister Walter Sieger in den „Nar­ renschopP‘ eingeladen. Ein Schopf, das ist im Dialekt ein Gebilde aus Holz, oft ein Anbau, in dem man das abstellt, was man nicht jeden Tag braucht. Das war das Zauber­ wort für dieses Vorhaben: Mit der Verbin­ dung von Narr und Schopf war die Schwie­ rigkeit der Namensgebung behoben, denn gegen die Etikettierung als Museum hatte es von Anfang an Widerstände gegeben, da die Fasnacht und ihre traditionellen Gestalten nichts Museales sind. Zumindest nicht im deutschen Südwesten. Danach wurde im winterlich kühlen und im sommerlich warmen Narrenschopf ge­ hämmert, gesägt, geschraubt und aufgestellt, um auf den 550 Quadratmetern Grundflä­ che rund 300 Narrenfiguren, deren Larven und Gewänder von den Zünften samt den Schaufensterpuppen zur Verfügung gestellt worden waren, in Gruppen zu präsentieren. Zu den Zünften der Vereinigung schwä­ bisch-alemannischer Narrenzünfte gesellten sich auch solche, die mittlerweile ausgetre- ten waren: Villingen, Überlingen und Oberndorf am Neckar, später noch Elzach, nicht jedoch Rottweil, dessen Zunft das An­ gebot einer Ausstellung entschieden ablehn­ te. Am 5. Mai 1973, an einem frühlingsfri­ schen Maientag auf der Baar, wurde dieses Museum mit einem Festakt im Bad Dürrhei­ mer Kursaal eröffnet. Beim anschließenden Rundgang war die politische Prominenz be­ eindruckt von der Reichhaltigkeit der über­ lieferten Gestalten, aber auch vom Alter ein­ zelner Ausstellungsstücke: so werden eine Laufenburger Holzmaske mehr als 300 Jahre und Narrenkleider aus Kiebingen und Möh­ ringen gut 150 Jahre „auf dem Buckel“ haben. Weiterhin erregten Dokumente wie Fahnen und vergilbte Narrenblätter die Aufmerk­ samkeit. Unübersehbar war aber die Enge, das Ge­ dränge der Narrenfiguren. Doch dieser erste Narrenschopf war nur als Übergangslösung gedacht, und der zweite Kuppelbau sollte, so Bürgermeister Weissenberger, rasch folgen. Doch trotz des erfreulichen Zuspruchs, den 239

die Ausstellung durch die Besucher erfuhr, geschah nichts, weil im Zuge einer Rezession die finanzielle Decke der Stadt Bad Dürr­ heim immer enger wurde. Im Herbst 1978 lehnte der Gemeinderat die Erweiterung in städtischer Regie ab. Ein Jahr später waren viele Zunftmeister von dem Gedanken über­ rascht, das Schicksal in dieser Sache in die eigenen Hände zu nehmen, und wieder ein Jahr danach stimmten sie bei der Hauptver­ sammlung in Haslach mit überwältigender Mehrheit zu. Am 19. April 1980 wurde dann der Verein Narrenschopf Bad Dürrheim gegründet, der die Trägerschaft für die beste­ hende Ausstellung im ersten Kuppel bau und die Bauherrschaft für die zwei danach errich­ teten Rundlinge übernahm. Zum Vorsitzen­ den wurde der Autor dieses Artikels gewählt, zum Schatzmeister Architekt Guido Rebholz aus Bad Dürrheim; als „geborene“ Mitglie­ der des Vorstandes fungieren der jeweilige Bürgermeister, damals schon Gerhard Hag­ mann, und der jeweilige Präsident der Verei- 240 nigung, seinerzeit Karl Dilger aus Donau­ eschingen, heute Horst Bäckert aus Lindau. Guido Rebholz plante sogleich die zweite Kuppel und einen verbindenden Zwischen­ trakt. Als man dann die Konstruktionsteile im städtischen Bauhof suchte, wurden die Gesichter lang und länger. Unter dem Lager­ dach fand man nur noch einige Reste, darun­ ter die Laterne. Die Erklärung: Eine Familie, die in der Nähe wohnte, hatte im Verlauf von acht Jahren das alte Bauholz nach und nach verheizt. Ein Denkmal war, in ofengerechte Scheiter zersägt, in Flammen aufgegangen. Nach diesem Befund genehmigte das Frei­ burger Denkmalamt eine wortwörtliche Kopie des Ganzen, nur sollten anstelle der Holznägel nun aus Sicherheitsgründen Schraubendübel die Leimbinderrippen zu­ sammenhalten, die in Stahlschuhen auf dem kreisrunden Betonfundament stehen. Kurz vor Pfingsten 1981 war der erste Spa­ tenstich für dieses Bauwerk, im Dezember dann das Richtfest. Zimmermeister Karl

Goetz, der auch schon den ersten Schopf aufgerichtet hatte, trug in seinem Richt­ spruch vor: Sehr heißen Dank für alle Spenden, die wir an diesem Bau verwenden. Ich sag es frei und unbenommen, es werden noch weitere angenommen. Sei’s in natura oder Geld, auch viele Arbeitsleistung zählt. An Spenden und Preisnachlässen fehlte es nicht, auch nicht am Einsatz zahlreicher Helfer aus den Zünften, die jeden Samstag auf der Baustelle arbeiteten, um die Bau­ summe so niedrig wie möglich zu halten. Auch wenn die Baaremer Zünfte wegen des kurzen Anfahrtsweges die meisten Arbeits­ stunden erbrachten, so sei doch dankbar ver­ merkt, daß zwei Drittel aller Mitgliedszünfte mindestens einmal nach Bad Dürrheim gekommen sind. 820 �adratmeter Holz­ schalungen, 700 Quadratmeter Glaswolle und Dachpappe, 7 Kilometer Dachlatten und -nicht zu vergessen -30.000 alte Biber­ schwanzziegel waren in Handarbeit anzu­ bringen. Dank dieses Einsatzes konnte mit einem Kapital von weniger als DM 600.000 ein Werk vollendet werden, das mindestens doppelt so teuer zu veranschlagen ist. Am Samstag, dem 17. September 1983, gab es in Süddeutschland zwei überragende volkstümliche Ereignisse, die Eröffnung des Münchner Oktoberfestes und die Einwei­ hung des erweiterten Narrenschopfes in Bad Dürrheim. Kein Zweifel, das für die Narren wichtigere Ereignis wurde auf der Baar gefei­ ert. Jürgen Hohl, der Leiter des kulturellen Beirats der Vereinigung, hatte die Narrenge­ stalten aus dem alten, dem ersten Narren­ schopf großzügig auf beide Kuppelbauten verteilt und nach Narrenorten gruppiert: insgesamt fast 400! Der Rundgang ist ein optisches Defilee der acht Fasnachtsland­ schaften: Baar, Schwarzwald, Hegau, Do­ nau, Hochrhein, Bodensee-Linzgau-Schweiz, Neckar-Alb und Oberschwaben-Allgäu. Die Figuren stehen in Flächen, die mit Kies beschüttet sind, der Besucher wandelt dazwi­ schen auf Parkettwegen hindurch. Abgese- hen von der großräumigeren Gliederung zie­ hen gelegentliche Brauchdarstellungen – Stockacker Narrenbaumsetzen und Fridin­ ger Pflugumzug -sowie die bemalten und fotografischen Kulissenwände das Augen­ merk auf sich. Es ist für Eingeweihte wie für Neulinge in Sachen Narretei ein Vergnügen, durch die Vielfalt der Gestalten hindurchzu­ gehen, ihre Gewänder zu betrachten, ihre hölzernen Gesichtszüge zu prüfen und die närrischen Attribute und Dokumente zu stu­ dieren. Das tun durchschnittlich 25.000 Be­ sucher im Jahr. Sieht man einmal von den Videofilmen ab, die auf dem stählernen „Kuchenteller“ im ersten Schopflaufen und die örtliche Fas­ netsbräuche zeigen, so ist die Dauerausstel­ lung statisch, unbeweglich. Da lag der Ge­ danke nahe, noch einen Raum für Wechsel­ ausstellungen zu schaffen, für Tagungen und Begegnungen. Zudem war der Eingangsbe­ reich zu klein, wenn ein Bus ankam und 30 oder 40 Personen vor der Kasse standen. Weiterhin war das Archiv der Vereinigung auf sechs Quadratmeter Fläche und mit einer alten Schulbank als Arbeitsplatz im Keller des Zwischentrakts mehr als unzulänglich untergebracht. Nachdem sich 1990 die Stadt Bad Dürr­ heim entschieden hatte, sich für die Landes­ gartenschau 1994 zu bewerben, erfolgreich wie man weiß, da war für Guido Rebholz und bald auch für den Vorstand des Vereins und das Präsidium der Vereinigung klar: Mir münt nomel baue! Ein dritter Kuppelbau, die Kopie des zweiten, sollte entstehen, mit einem Archivraum im Kellergeschoß, mit einem größeren Foyer und mit einem Türm­ chen als Akzent, in dem mittlerweile der Hofnarr mit einer einladenden Pose erstarrt ist. Angesichts der nochmaligen Erweiterung gab es bei der Herbstarbeitstagung 1991 in Lindau und im folgenden Jahr bei der Haupt­ versammlung der Vereinigung in Bonndorf lebhafte Diskussionen, nicht zuletzt wegen einer Bauumlage von DM 4.000 pro Zunft, um die Archivetage zu finanzieren. Das war 241

ein Novum, dem jedoch zuletzt mit klarer Mehrheit zugestimmt wurde. Im Juli 1992 wurde von Präsident Horst Bäckert und dem Vorsitzenden Martin Blümcke mit einem Doppelspaten der erste Spatenstich getan, und am 19. März 1994 konnten Foyer und dritter Kuppelbau, ein weiter, lichter Raum mit mehr als 20 Metern Durchmesser, in Anwesenheit von Ministerpräsident Erwin Teufel sowie weiterer politischer und närrischer Prominenz eingeweiht werden. Danach war diese Ausstellungsmöglichkeit während der Landesgartenschau an das Land vermietet, das sich darin mit seinem „ Treffpunkt Baden-Württemberg“ den rund 750.000 Besuchern präsentierte. Seitdem wird dieser Bau für unterschiedliche Ausstellungen ge­ nutzt; die erste hieß „70 Jahre Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte“. Die Linach-Talsperre der Stadt Vöhrenbach Die Redaktion hat den Verfasser des im Alma­ nach 81, Seite 185/186, erschienenen Beitrages über die Linach-Talsperre um eine weitere Doku­ mentation gebeten. Es sind Tausende im Jahr, die im Linachtal das „Billionen-Loch“ bestaunen: Die Lin­ ach-Talsperre der Stadt Vöhrenbach, ein in Europa einzigartiges Technik-Denkmal. Doch was Fremde beeindruckt, reißt unter den Einheimischen selbst 70 Jahre nach der Voll­ endung immer wieder tiefe Gräben auf: „Weg damit“, ,,sprengen“, ,,dem Erdboden gleichmachen“, lautet das Urteil derer, die nicht verstehen können, weshalb sich eine badische Kleinstadt der 1920er Jahre jemals auf ein derart gigantisches Projekt einlassen konnte. Unentschlossen steht die Stadt im Jahr 1995 vor dem Problem, die Zukunft der Linach-Talsperre zu regeln, die ihrem Zerfall entgegensieht: Eine 1990 begonnene Sanie­ rung wurde wegen Finanzmangel eingestellt, nicht einmal dringendste Sanierungsarbei­ ten werden gegenwärtig ausgeführt. Dieser neue stimmungsvolle Rundbau und der großzügig gestaltete Zwischenraum haben – samt der Innenausstattung – rund zwei Millionen gekostet, wobei Zuschüsse von der Stadt Bad Dürrheim und aus dem Landesprogramm Ländlicher Raum geflos­ sen sind. Spenden und Preisnachlässe, für die Guido Rebholz wortreich geworben hat, und erneute Eigenleistungen vieler Zünfte haben zu diesem günstigen Abschluß ge­ führt. Nun steht am Rand des Bad Dürrhei­ mer Kurparks ein einmaliges Ensemble, ein unverwechselbares Bauwerk am Übergang vom Garten zur freien Landschaft. Für die Badestadt und für die Region zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb ein eigenwilliger kultureller Schwerpunkt. Martin Blümcke Längst haben Denkmalschützer und Kom­ munalpolitiker vor dieser Aufgabe kapituliert, das Technik-Wunderwerk anderen überlas­ sen. Ingenieuren, die am Wochenende die Talsperren-Bautechnik studieren und beim anschließenden Hock im nahen Talsperren­ Gasthaus Planspiele zur Reaktivierung der Anlage betreiben. Die darüber sinnieren, wie die 143 Meter breite Mauer und das gleich­ falls unter Denkmalschutz stehende Kraft­ werksgebäude bei der Kohlbrücke erneut zur Stromgewinnung mittels Wasserkraft heran­ gezogen werden könnten. Ist es heute die Finanznot, die den Zerfall der Talsperre endgültig zu besiegeln droht, so ist die Anlage in den 1920er Jahren aus einer ganz anderen Not heraus entstanden, einer frühen Energiekrise: Um 1915 reichte die im Vöhrenbacher E-Werk erzeugte Strom­ menge bei weitem nicht mehr aus, um den Energiebedarf der Industrie zu decken. Der Siegeszug der Elektrizität ging schneller vor sich, als das kleine städtische E-Werk Strom 243

erzeugen konnte. So lieferte in der Folge auch das Kraftwerk Laufenburg Strom nach Vöhrenbach, doch den Bedarf konnte man auch auf diesem Wege nicht decken. Als 1920 sogenannte Stromsperrtage eingeführt wur­ den und somit in den Vöhrenbacher Fabri­ ken die Maschinen an bestimmten Wochen­ tagen stillstehen mußten, hatte diese frühe Energiekrise ihren Höhepunkt erreicht. Das 2058 Einwohner zählende Vöhren­ bach suchte nach einem Ausweg, denn mitt­ lerweile hing das Wohl der meisten der rund 520 Familien vom guten Gang der Industrie ab, denn über 350 männliche Bewohner arbeiteten in der Fabrik. Deshalb sollte ein Speicherkraftwerk und damit eine eigene Stromversorgung den geregelten Gang der Industrie sicherstellen. Vöhrenbach wagte sich an den Bau des zunächst Millionen, dann Milliarden und zuletzt Inflations-Bil­ lionen teuren Staubeckens im Linachtal. Am 6.NovemberdesJahres 1921 beschloß der Bürgerausschuß im Rahmen einer Bür­ gerversammlung in der Festhalle den Bau der Linach-Talsperre. 500 Vöhrenbacher wohn­ ten der Versammlung bei, was das große Interesse der Bevölkerung an diesem Tech­ nik-Wunderwerk dokumentiert. Bei nur ei­ ner Nein-Stimme und drei Enthaltungen stimmten die Vöhrenbacher für das Projekt. Bereits am 1. Januar des Jahres 1922 war im Linachtal die Baustelle eingerichtet, die Bau­ leitung hatten die Vöhrenbacher dem Karls­ ruher Diplomingenieur Fritz Maier übertra­ gen. In den Jahren 1922 bis 1925 entstand eine 143 Meter breite Staumauer, die etwa drei Meter stark und 25 Meter hoch ist. Diese Eisenbetonmauer in aufgelöster Bauweise ist heute einzigartig in Europa; zu ihrem Bau wurden 11000 Kubikmeter Beton benötigt. Das besondere an der Gewölbemauer sind ihre Pfeiler, die den Wasserdruck auf den Felsuntergrund übertragen. Die Gewölbe, es gibt davon dreizehn, sind 10,80 Meter weit gespannt und geben der Talsperre ihr Gepräge. Die Baugeschichte der Linach-Talsperre bietet Stoff für einen Abenteuerroman: 244 Immer wieder neue Schwierigkeiten bei der Ausführung, dazu Menschen, die von über­ all her nach Vöhrenbach zur Arbeit kamen und die ständige Finanznot der Stadt sind das Gerüst der Handlung. Im Mai 1922 lief der Baubetrieb an, ein größerer Trupp Öster­ reicher, Durchwandernde, Arbeitslose, ent­ lassene Strafgefangene und Einheimische Kräfte wurden beschäftigt, insgesamt 350 Arbeiter waren es im Juli. Die hatten die Straße durch das Linachtal um 30 Meter höher zu legen, im Steinbruch wurde Steinma­ terial gebrochen und die mühevollste Arbeit war das Ausheben der Fundamente, die bis zu 14 Meter tief im Erdreich verankert sind. Die Skepsis der Behörden gegenüber der neuen Talsperrenbauweise brachte weitere Verzögerungen, immer wieder neue statische Berechnungen mußten vorgelegt werden. So konnte erst im Oktober 1922 der erste Beton eingebracht werden. Schweißtreibend war auch der Bau des Stollens, am 23.Juni 1922 verunglückte dabei ein Bergmann aus Yach tödlich. Als der von zwei Seiten in Angriff genommene Stollen endlich bewerkstelligt war, schrieb Bürger­ meister Kraut, das sei ein denkwürdiger Tag und im „Ochsen“ versammelte sich alles zu einer kleinen Feier. Ein 315,28 Meter langer Stollen war durch den Berg getrieben wor­ den, jetzt war es Winter und die Arbeiten ruhten. Wie rasch die Talsperre in Anbetracht ih­ rer Dimension voranschritt, geht aus einem Brief von Bürgermeister Kraut hervor, den er am 2.Juni 1923 an die Girozentrale in Mann­ heim schickte: ,,Das Maschinenhaus ist fer­ tig. Die ganze elektrische und maschinelle Ausstattung ist vorhanden und hat einen Wert von 1,5 Millionen Mark. Staumauer, Stollen, Rohrleitung und Wasserschloß sind so weit gediehen, daß der Betrieb Ende des Jahres aufgenommen werden kann. Die ge­ samten Aufwendungen für das Kraftwerk be­ trugen bis zu diesem Zeitpunkt annähernd fünf Milliarden Mark.“ Ein weiterer Höhepunkt in der Bauge­ schichte fand am 24. Juni des Jahres 1923

Zu den Fotos vgl Erkl.ärung Seite 246. statt, die Grundsteinlegung. Der Bauleiter und Planer, Oberbaurat Dr. Maier, sprach dabei von einem Markstein in der Geschich­ te des deutschen Talsperrenbaues, weil im Linachtal die erste Eisenbetonstaumauer Deutschlands entstehe. Doch bei aller Freu­ de: zu diesem Zeitpunkt bedrohte längst die Inflation das Werk. Das Geld war immer schneller immer weniger wert. Bis Ende März konnte Vöhrenbach den Kraftwerks­ bau aus Holzerlösen finanzieren, der Wald­ reichtum der Stadt Vöhrenbach hatte das ge­ waltige Projekt überhaupt erst ermöglicht. Doch die Kosten begannen nun infolge der Geldentwertung zu explodieren. Vöhren­ bach konnte sein Holz gar nicht so schnell schlagen, wie neuer Finanzbedarf entstand. Ein Beispiel: Im Juli 1923 mußte die Stadt vier Darlehen in Höhe von über 800 Millio­ nen Mark aufnehmen, im August folgten zwei Kreditanträge über 4 sprich 4,5 Milliar­ den Mark. Da die Reichsbank zu diesem Zeitpunkt alle Kreditanforderungen ablehn­ te, begannen die Vöhrenbacher selbst Geld zu drucken (vgl. Almanach 94, Seiten 90-105) 245

Historische Bil4folge vom Bau der Staumauer und dem Kraftwerksgebäude samt Aufnahme der Turbi­ nen. Das Kraftwerkshaus steht heute unter Denkmalschutz, es ist im Jugendstil erstellt. Die 143 Meter breite Staumauer im September 1924 und im Sommer 1925, kurz vor ihrer Fertigstellung. 246

Bilder vom Zeifall. Der Betonübergang hat bereits Risse und ausgebrochene Stellen, die Gewölbe sind mit Moos bewachsen. Nach dem A blassen des Sees im] ahr 198 8 hat sich die Natur den Seegrund rasch zurückerobert. Betreten der Anlage auf eigene Gefahr 247

Die Dimension des Bau­ werkes zeigt der Größen­ vergleich, allein der Hochwasserentlastungs­ turm ist an die sieben Meter hoch und kann bis zu 40 Kubikmeter Was­ ser je Sekunde abführen. und eigene Schuldverschreibungen auszu­ geben. Gegenwert war das Holz im Stadt­ wald. Als Folge begannen die Arbeiten ins Stok­ ken zu geraten, die Zahl der Arbeitskräfte wurde von über 500 auf 150 reduziert. An­ fang Oktober mußte man die Arbeiten gar völlig einstellen. Nur Dank der Hilfe der Holzanleihe, in die viele kleine Sparer inve­ stierten, weil das wertbeständige Holz eine sichere Geldanlage bedeutete, konnte das Projekt weiter voranschreiten. So konnte am 16.Dezember des Jahres 1923 erstmals mit Hilfe der Talsperre Strom erzeugt werden, 248 die Vöhrenbacher feierten ihr „Lichtfest“. In einem historischen Zeitungsbericht heißt es dazu: ,,Schon hörte man das Wasser der Linach rauschen. Herr Kupfer setzte mit einem ,Glück auf‘ die Turbinen in Bewe­ gung. Um 14.43 Uhr erstrahlte erstmals Vöh­ renbacher Licht … “ Im Jahr 1924 konzentrierten sich die Arbeiten hauptsächlich auf die Fertigstel­ lung der Staumauer. Dabei wurde der Beweis geliefert, daß sich die Vöhrenbacher für die richtige Bauweise entschieden hatten. Dank der sogenannten „aufgelösten Konstruk­ tion“ gewann die Mauer in nur 3 Monaten

Stolz der Stadt, der in ganz Deutschland Beachtung fand. Am Wochenende pilgerten die Menschen zum „Bootle-Fahren“ auf dem Kunstsee im Linachtal, im Sommer wurde dort gebadet. Kritiker gab es zu dieser Zeit keine mehr, der Nutzen dieser Investition zeigte sich jeden Tag. Die „Zeitenwende“ aber kam in den 1960er Jahren. Eine falsche Finanzpolitik der Stadt -und nur diese -ließen die Defizite aus dem Kraftwerksbetrieb immer größer werden, da das Geld für dringende Investitio­ nen fehlte, unter anderem in den weiteren Ausbau des Ortsnetzes. Und die Kommu­ nalpolitiker fürchteten vor allem die Lasten, die aus einer notwendigen Sanierung der 249 14 Meter an Höhe. An ihrem Fuß staute sie vom 17.Dezember an das Wasser der Linach, mit dem von sofort an Strom erzeugt wurde. Aus einer Notiz geht hervor, daß bis zu die­ sem Zeitpunkt für den Bau der Staumauer rund 564 000 Arbeitsstunden aufgewendet wurden, man hat 2150 Tonnen Zement, 550 Tonnen Trass und unter anderem 30Tonnen Eisen verarbeitet. 1925 schließlich konnte die Anlage end­ gültig fertiggestellt werden, am 8. Mai 1926 genehmigte das Bezirksamt Donaueschin­ gen den vollen Einstau. In Linach war jetzt ein Kunstsee mit einem Kilometer Länge vorzufinden, der 1,1 Millionen Kubikmeter Wasser beinhaltete und eine Fläche von 110 000 �adratmetem überflutete. Was der Talsperrenbau gekostet hat, läßt sich aufgrund der Inflationszeit nur schät­ zen, nicht exakt beziffern: Es waren Billio­ nen von Mark, womit sich der Kreis zum eingangs zitierten „Billionen-Loch“ wieder schließt. Wie dringend der Talsperrenbau war, zeigte sich bereits im 1. Jahr seiner Fertig­ stellung, als die Stadt einen Strombedarf von 518 000 Kilowattstunden hatte, wovon 374 000 Kilowattstunden das eigene Kraft­ werk lieferte. Die Talsperre war damals der

Mit Probebohrungen zur Überprüfung der Be­ tongüte begannen 1990 die Sanierungsarbeiten, die nach einer Kostenex­ plosion, erste Schätzun­ gen sprachen von 4,5, eine zweite von 8,5 Mil­ lionen Mark, so.fort ein­ gestellt wurden. Seitdem zerfällt die Anlage. Staumauer auftreten würden. So beschloß der Gemeinderat im Dezember 1969 mit 8:3 Stimmen die Stillegung der Talsperre und den Verkauf des Ortsnetzes an das Kraftwerk Laufenburg. Von Laufenburg bekam die Stadt sogar 250 000 Mark für den Abbruch der Staumauer, der bis heute glücklicher­ weise ausblieb. Allerdings: Noch 1968 hatten die Vöhrenbacher mit ihrem Kraftwerk 65 000 Mark Gewinn erwirtschaftet. Damals eine beachtliche Summe. Wäre auch der Ge­ winn der Vorjahre in die Anlage reinvestiert worden, könnte die Linach-Talsperre wahr­ scheinlich noch heute kostengünstigen und umweltfreundlichen Strom erzeugen. Was nun begann, war ein „Streit“ der Gut­ achter. Die Gutachter waren an der Stille­ gung der Anlage maßgeblich beteiligt und auf Gutachter stützte man sich auch, als 1990 unter tatkräftiger Hilfe des Landes die Sanie­ rung der Talsperre in Angriff genommen wurde. Damals ging man davon aus, daß die Anlage frühestens 1992 wieder in Betrieb genommen werden könnte. Auch hatte man bereits am 28.April 1988 das Wasser abgelas­ sen. Schon seit Jahren war ein Volleinstau verboten, da die Behörden um die Stand­ festigkeit der Mauer fürchteten. Daß es in diesem hoffnungslosen Sta­ dium zum Stillstand der Arbeiten kam, wurde mit neuen Kostenschätzungen be­ gründet: Mindestens 8,5 Millionen Mark, ursprünglich war man von 4,5 Millionen Mark ausgegangen. Die Mehrkosten resul­ tierten aus einem Gutachten der Techni­ schen Universität Karlsruhe, die den Zu- 250

Die Talsperre, aufgenommen bei einem Hochwasser im Jahr 1983, das zu einem unbeabsichtigten Voll­ stau führte, dem die Mauer aber problemlos standhielt. Das Wasser stieg nach heftigen Regenfällen innerhalb weniger Stunden um zehn Meter, bis etwa einen Meter unterhalb der Gewölbeoberkante. stand des Betons der 13 Tunnelgewölbe als schlecht bezeichnete. Im Augenblick ruhen alle Arbeiten, nur der Zahn der Zeit nagt an der Linach-Tal­ sperre, die in den 1960erJahren bis zu 1,9 Mil­ lionen Kilowattstunden Strom im Jahr er­ zeugte. Im Mittel konnten die Vöhrenba­ cher in den 1960er Jahren rund 30 Prozent ihres Strombedarfes aus dem Betrieb der Linach-Talsperre decken. „Wanderer, führt dich dein Weg ins stille Linachtal“, steht in einer historischen Frem­ denverkehrsbroschüre von Vöhrenbach zu lesen, ,,dann versäume nicht, die Linach-Tal­ sperre zu besuchen.“ Wie lange das für eine große Touristenattraktion im Bregtal und ein Technik-Denkmal von europäischem Rang noch gelten wird, ist offen. Wer die immer rascher um sich greifenden Schäden sieht, die überall zutage treten, zweifelt am baldi­ gen und endgültigen Zerfall nicht mehr. Wilfried Dold 251

Hausmühle des Weiberhofes in Buchenberg-Martinsweiler vor dem Verfall bewahrt Vor dem Veifall gerettet wurde die Hausmühle des Weiberhofes in Buchenberg-Martinsweiler Mit finanzieller Hilfe des Amtes für Denkmalspflege wurde die letzte noch vor­ handene Hausmühle in Buchenberg-Mar­ tinsweiler vor dem völligen Verfall gerettet. Es handelt sich um die Mühle der Familie Bittlingmayer vom Weiherhof. Von den rund einem Dutzend Mühlen im oberen Glasbachtal und am Roggenbächle auf der Gemarkung Buchenberg sind nur noch zwei übriggeblieben. Es ist die Mühllehenmühle und die Hausmühle des Weiherhofes. Beim Brand des Weiherhofes am 28. Februar 1981 konnte die wenige Meter vom ehemaligen Hof entfernte Mühle gerettet werden. Doch in den Jahren danach verfiel sie zusehends. In der Zwischenzeit wurde das Dach erneu­ ert und auch das verfaulte Wasserrad wieder instandgesetzt. Auch die Mahlsteine ver­ richten wieder ihren Dienst. Lediglich das eigentliche Mahlwerk ist noch nicht in Betrieb. Durch viel Eigenarbeit hat die Fami­ lie Bittlingmayer zu der Instandsetzung bei­ getragen. Wann die Mühle gebaut wurde, steht nicht mit Sicherheit fest. Auf zwei höl­ zernen Hemmrädern sind die Jahreszahlen 1744 und 1761 vermerkt. In einem Bericht über „Das Ende der Mühlen und Speicher im Schwarzwald“ schreibt Alfons Beck 1963 in der „Badischen Heimat“ von einer Mühle unterhalb des Tonishofes unter anderm: ,,Die Nachforschungen beim Bauer, vermut­ lich Bartholomäus Lehmann, enthüllten das Schicksal dieser Mühle: um 1888 herum, als der Bauer ein kleiner Junge war, wurde die 252

Mühle abgetragen, ihr Material wurde ver­ kauft und eine halbe Stunde Weges weit wie­ der für eine andere Mühle verwendet. Die Mühle feiert also fröhliche Auferstehung und existiert heute noch, wenn sie auch nicht mehr in Tätigkeit ist. Ihr Standort ist bei der Ruine Waldau, an der Umbiegung gegen das Glasbachtal. Es wäre wünschens­ wert, daß diese Mühle unter Denkmals­ schutz gestellt würde, um sie damit der Nachwelt zu erhalten. Alle anderen Mühlen in der Nähe sind abgetragen oder aufgeho­ ben.“ Soweit Alfons Beck im Jahre 1963. Nach diesem Bericht zu schließen, wurde die Mühle unterhalb des Donisweihers am Hüh­ nerbach, eingezeichnet in alten Lageplänen von Königsfeld, in den 80er Jahren des ver­ gangenen Jahrhunderts abgerissen und beim Weiherhof wieder aufgebaut. Auf einem der entfernten Balken hatte sich auch Nikolaus Howard durch einen mit Bleistift geschriebenen Spruch verewigt. Nikolaus Howard zog 1853 mit seinem Bru­ der Samuel nebst den Familien und einer großen Viehherde von Wengi im Kanton Bern in der Schweiz nach Königsfeld und Buchenberg, wo er den Schloßhof kaufte und auch kurze Zeit Besitzer des Weiher­ hofes war. Das Vieh, gegen dreißig Stück schöner Schweizer Kühe, wurde in mehreren Tagereisen hergetrieben und die zahlreiche Familie fuhr den größten Teil des Weges hin­ terdrein. Es war ein Ereignis für Königsfeld, als die stattliche Karawane unter dem voll­ tönenden Geläute der Alpenglocken, die die Kühe um die Hälse trugen, einzog. Der Name Howard ist heute noch durch einen Waldweg bekannt, den er zum Besuch der Gottesdienste in Königsfeld im Schloßwald angelegt hatte. Matthias Ettwein, gebürtig im Weiherhof, starb im Januar 1995 als ältester männlicher Einwohner von Buchenberg und als letzter von elf Geschwistern der Familie Ettwein. Er erinnerte sich, daß in der Mühle in den 60er Jahren noch gemahlen wurde. In den Zeiten des Ersten und Zweiten Weltkrieges hatte die Hausmühle Hochkonjunktur. Wenige Meter von der Hausmühle ent­ fernt steht noch ein altes Backhäusle. Auch dieses wurde 1981 von dem Brand verschont, verfiel aber in den vergangenen Jahren zuse­ hends. Christian Bittlingmayer nahm sich auch dieses alten Häuschens an und hat es in den vergangenen Monaten in Eigenarbeit soweit restauriert, daß die Familie Bittling­ mayer an diesem kleinen Bauwerk nun Richtfest feiern und zu diesem Fest darin auch wieder backen konnte. Johann Haller Drescherei Wa word nu de Nochber dresche? ’s ischt jetzt Mai und leer ischt d‘ Schiir. Mit sim Pflegle, sim verrockte, macht er mech schier hinterfiir. Tale, tak, tak, tak, scho zwo Schtunde schtoht im Drasch de Adolf loa, pfleglet, daß ihm d‘ Ohre gwacklet. Selli gearn mueß er des doa. Hoppla, er duet d‘ Sünd verdresche wo ihm geschtert ischt passiert. ’s hätt ihm i sim Sarawackel grussig schnell halt zmol pressiert. Z‘ spoot ischt er uffs Hüsle kumme, hätt e mords Bescheerung g’ha. ’s Suurkruut, d‘ Knöfpli und baar Griibe kleabet a de Hose aa. Hinterm Dorm, am Gartehägli, knipft de Adolf d‘ Hose uff. Duet sie i de Sunn schnell rösche, schleet jetzt mitem Pflege! druff. Gearschteagle spritzet koni, ’s giit kon Schtaub und ’s giit ko Schtrau … duet mer d‘ Hose gherig dresche, brucht mers scho niit wäsche lau. Gottfried Schafbuch t 253

Kreuze im Schwarzwald-Baar-Kreis Die Kreuze im Katzensteig Das Kreuz im Katzensteig la Familie Pahling Am Eingang zum Ortsteil Katzensteig steht, wenn man von Furtwangen kommt, auf der linken Seite am Hang ein Steinkreuz. Das Kreuz gehört zum Anwesen Pahling, Katzensteig la. Auf einem Vierkantfuß erhebt sich ein mächtiger Schaft. Auf der Seite, die zur Straße zeigt, ist in den Schaft eingraviert: Es ist voll­ bracht. Dann folgt ein waagerechter Strich und darunter sind die zwei ersten Worte des Gebetes des Herrn zu lesen: Vater unser. Der Schaft ist dann nach oben abgestuft, und darüber ist das Steinkreuz aufgerichtet. Es trägt keine Figur des Gekreuzigten. Der Anfang des „Herrengebetes“ lädt da­ zu ein, ein Vaterunser oder sonst ein Gebet zu sprechen. In jedem Fall mahnen uns sol­ che Kreuze, an unsere Erlösung durch Jesus Christus zu denken. Das Kreuz auf dem Käppeleberg Von der Straße von Furtwangen zum Katzensteig Ja, Familie Pahling Wegkreuz auf dem Käppeleberg 254

Brend zweigt nach dem Anwesen Muckle auf der sog. Ladstadt vor dem Anstieg zum Brend ein Waldweg ab. Dieser führt über den Käp­ peleberg hinab zum Josenhof im Katzensteig. Wenn man diesem Weg aufwärts folgt, kommt man nach ca. 400 m an ein Kreuz, das rechts des Weges steht. Dieses Kreuz steht auf einem Granitsok­ kel, der an den Kanten und oben glatt be­ hauen ist. Über diesem Sockel erhebt sich zunächst ein Aufbau aus Metall, der in der Grundfarbe Schwarz gehalten ist. Dieser Aufbau besteht aus Ranken, silbern gestrichen, in dessen unteren Teil ein Totenkopf mit Knochen auszumachen ist, ebenfalls aus Metall. Darüber erhebt sich schräg nach links oben – vom Betrachter aus – eine ovale Tafel mit der Aufschrift: Bei dem Herrn ist Barm­ herzigkeit und bei ihm ist überreiche Erlö­ sung. Angegeben wird auch die Fundstelle die­ ses Textes: Psalm 129,8. Darunter sind die ersten zwei Worte des ,,Herrengebetes“ zu lesen: Vater unser … Darüber erhebt sich ein rankenförmiger Aufbau bis zum Fuß des Metallkreuzes. Auf diesem Aufbau sind links und rechts vom Kreuz zwei Figuren angebracht: links die Mutter Jesu, Maria, und rechts der Lieblings­ jünger Jesu, Johannes. Diese Figurengruppe spielt an auf die Kreuzigung Jesu, wie sie der Evangelist Jo­ hannes überliefert. Beide Figuren sind aus Metall und bron­ zefarben gestrichen. Der Kreuzesstamm, der ebenfalls aus Metall und schwarz gestrichen ist, ist wie aus Holz geformt und mit Ranken verziert. Der Metallkorpus trägt eine Farbe aus Gold­ bronze, ebenso die beiden Figuren, wobei das Lendentuch Jesu, das rechts verknotet ist, in Silberbronze gehalten ist. Über dem Gekreuzigten auf dem oberen Teil des Kreuzesstammes ist die Kreuzes­ inschrift INRI angebracht. Da deutlich erkennbar ist, daß das Kreuz vor nicht allzu langer Zeit restauriert wurde, ist das Kreuz heute wieder Zierde unserer heimatlichen Flur. Das Kreuz beim ehemaligen „Hirschen“ im Katzensteig Im Katzensteig, beim Haus Nr. 55, dem ehemaligen Gasthaus „Hirschen“, zweigt rechts von der Straße, wenn man von Furt­ wangen kommt, ein Weg ab. Dieser Weg führt hinter dem Haus Nr. 55 ca. 60 m von der Straße schräg den Hang hinauf in einen Dobel, den man „die Schweiz“ nennt. Wenn man diesen Weg etwa 150 m hinauf geht, kommt man an ein Steinkreuz. Dieses Kreuz, so erzählt man im Katzen­ steig, wurde vom „Hirschen-Sepple“, einem frommen Mann, errichtet, zum Dank, daß er von der Wallfahrt nach Lourdes wohlbehal­ ten zurückkehrte. Das Kreuz dürfte etwa nach dem 1. Weltkrieg errichtet worden sein. Auf einem Vierkantsockel aus Granit er­ hebt sich ein Schaft aus Stein, der abgestuft Beim ehemaligen „Hirschen“ 255

ist. Im unteren Teil ist auf der Vorderseite zu lesen: Mein Jesus Barmherzigkeit. Im obe­ ren, · größeren Teil des Schaftes ist eine Nische gehauen, in der eine Muttergottes­ figur mit einem Jesuskind auf dem Arm steht. Die Nische ist mit einem 4teiligen Glasfenster verschlossen. Mit einem leichten Rundbogen schließt dann der Schaft nach oben ab. Auf einer Vierkantabdeckplatte er­ hebt sich das schlichte Steinkreuz, an dem der Korpus aus Eisen hängt. Der Gekreuzigte hat den Blick nach oben gerichtet. Das Kreuz bei der „Pelzkappe“ Etwa auf der Höhe des Josenhofes, steht rechts oben am Waldrand in der Nähe des Hauses „Pelzkappe“ an einem sonnigen Platz ein Feldkreuz aus rotem Sandstein. Ursprünglich war das Kreuz auf dem Feld von Gutsbesitzer Duffner errichtet. Als dann 1936 der Hof an den Staat verkauft wurde, wollte Duffner, daß dieses Kreuz wieder auf Bei der „Pelzkappe“ 256 seinem Feld aufgestellt wird. Also wurde es beimJosenhof abgebrochen und 1937 an sei­ nem jetzigen Standort wieder errichtet. Das Kreuz selbst hat einen Vierkantfuß, auf dem sich ein achteckiger Schaft erhebt. Dieser verjüngt sich nach oben in 4 Wölbun­ gen. In den mächtigen Teil des Steinschaftes waren einst 8 Emailletafeln eingelassen. Heute sind allerdings von den 8 Tafeln nur mehr 2 vorhanden; die eine hängt noch am Schaft an dem dafür vorgesehenen Platz, die andere liegt neben dem Kreuz auf dem Waldboden. Auf der weißen Emailletafel, die noch am Schaft hängt, kann man lesen: ,,An Gottes Segen ist alles gelegen“. Wo die restlichen Tafeln hingekommen sind, ist nicht be­ kannt. Rechts neben der Emailletafel ist auf dem freien Feld zu lesen, allerdings schon sehr verwittert und daher nicht mehr ganz zu entziffem:JosefDuffner, darunter Dr. med., darunter stehen zwei Jahreszahlen, die aber teilweise schon unlesbar sind: … 24. Feb. 1897 und … Juni 1865. Die zweite Emailleplatte, die am Boden liegt, hat reiche Verzierungen und in der Mitte einen Kreis, in dem die Jahreszahl 1901 zu lesen ist. Auf einer abgeflachten, ebenfalls achtek­ kigen Abdeckplatte erhebt sich das Stein­ kreuz aus Granit. Der Korpus am Kreuz ist aus Eisen. Das Kreuz selbst ist an den Kanten ausgehöhlt und hat in der Nähe des Korpus Verzierungen aus Stein. Da das Kreuz direkt am Waldrand steht, und der Jungwald davor schon höher ge­ wachsen ist, kann man das Kreuz von der Katzensteigstraße aus nicht mehr sehen. Aber wer sich die Mühe macht, dort hinauf­ zusteigen, wird sehen, daß man unterhalb des Waldes einen herrlichen Blick auf den Josenhof und seine Umgebung hat. Das Kreuz der Familie Brugger im Katzensteig, Nr. 59 Im Katzensteig beim Haus Nr. 59, wo Familie Brugger wohnt, steht etwa 50 m rechts neben der Straße ein schmiedeeiser­ nes Kreuz auf einem Feld der Familie Brugger.

Bei Familie Brugger, Katzensteig 59 Beim Vogtshüsle Der Gestaltung nach dürfte das Kreuz zwischen 1850 und 1880 errichtet worden sein, so vermuten es auch die Anwohner. Der Grund für die Errichtung des Kreuzes war, so erzählen die Besitzer, daß dadurch das Haus und der Hof unter den Segen Got­ tes gestellt werden sollte. Diese Gepflogen­ heit ist auch sonst bei Kapellen und Weg­ kreuzen zu finden. Damit wird ein Brauchtum gepflegt, das die gläubige Gesinnung der Menschen zum Ausdruck bringt. Das Kreuz beim Vogtshüsle im Katzensteig Bei dem neugebauten, aber im alten Stil wieder errichteten Vogtshüsle im Katzen­ steig in der Nähe der Piuskapelle findet sich ein sehr schön gestaltetes schmiedeeisernes Kreuz. Das Kreuz, das auf Grund seiner Gestal­ tung ein Alter von 150 bis 200 Jahre vermu­ ten läßt, stand ursprünglich in Furtwangen in der Bregstraße beim sog. „Schattenküfer“, jetzt Hausnummer 44. Ursprünglich stieg 257 Das Kreuz aus Eisen trägt hinten eine Stütze. Etwa in der Mitte zwischen Korpus und Boden ist eine weißgestrichene Blechta­ fel angebracht, die mit einem gewölbten, etwas vorspringenden Blechdach abschließt. Auf dieser Tafel ist folgender Text zu lesen: Gelobt seist Du, Herr] esu Christ, der Du den Weg zum Himmel bist. Herr erbarme Dich, Vater unser. Farn. Brugger- Löffler, erneuert 1970. Das obere Ende des Kreuzes und die Enden des Querbalkens sind weiß gestrichen und nach vorne gebogen. Der Metallkorpus ist mit Goldbronze überzogen. Über dem Kreuz spannt sich ein 20 cm breites Blechdach, das innen weiß gestrichen ist und so dem Ganzen einen freundlichen Ausdruck verleiht im Gegen­ satz zum schwarzgefärbten Kreuz.

dort die Straße etwas an und führte über den Buckel bei der Schreinerei Schwer wieder abwärts. Beim Beginn dieser Steigung stand auf der linken Seite der Straße vor dem Haus des „Schattenküfers“ dieses Kreuz auf einem viereckigen steinernen Sockel. Dieses Haus, das über 200 Jahre alt war, brannte in der Nacht vom 23. auf den 24.10.1983 völlig ab. Von den Besitzern des Hauses und des Grundstückes bekam Herbert Dold aus Furt­ wangen das stark verwitterte Kreuz ge­ schenkt, allerdings mit der Auflage, es wie­ derherstellen zu lassen. So ließ er das Kreuz von Walter Hättich restaurieren und stellte es im Jahre 1984 beim Vogtshüsle im Katzensteig, das ihm gehört, wieder auf. Das Kreuz steht heute auf einem abgerun­ deten Granitblock, den der damalige Förster der Martinskapelle, Willi Hug, lieferte. Das Kreuz selbst ist am Fuß über dem Granit­ block, unter dem Korpus und an den Enden oben und an den Seiten reich verziert und goldfarben bemalt, während das Metallkreuz schwarz gehalten ist. Der Korpus aus Metall hat eine weiße Bemalung mit einem braunen Lendentuch, das mit einem Goldrand versehen ist. Über dem Gekreuzigten ist in �erformat die Kreuzesinschrift INRI angebracht. Man kann mit Recht sagen, daß dieses Kreuz durch die Restaurierung vor dem Verfall gerettet wurde. So steht es heute beim Vogts­ hüsle im Katzensteig als ein Schmuckstück. Das Kolmenkreuz auf der Martinskapelle Am Wanderweg Pforzheim -Basel, dem sog. Westweg, steht ca. 500 m nach dem Gasthaus „Martinskapelle“ in Richtung Brend auf der rechten Seite, bevor der Hoch­ wald beginnt, ein Steinkreuz. Auch im Win­ ter ist dieses Kreuz ein markanter Punkt; denn der Fernskiwanderweg Schonach – Belchen führt ebenfalls bei km 16 an dieser Stelle vorbei. In sehr schneereichen Wintern kann es schon mal vorkommen, daß dieses Kreuz ganz eingeschneit ist. 258 Kolmenkreuz auf der Martinskapelle Über die Entstehung des Kreuzes war fol­ gendes zu erfahren: In den Jahren 1813-1815 (Ende der napoleonischen Kriege) gab es auch im Schwarzwald zahlreiche Deserteure. Auf Desertion stand aber eine hohe Strafe, oft sogar die Todesstrafe. Für die Ergreifung eines Deserteurs wurden ansehnliche Beloh­ nungen bezahlt. Auch auf dem Weg von der Martinska­ pelle zum Brend seien damals häufig Deser­ teure gesehen worden. Eines Tages kam einem Sohn des damaligen Kolmenbauers der Gedanke, sich die Belohnung für die Ergreifung eines Deserteurs zu verdienen. So hielt er kurzerhand auf der Martinskapelle kurz vor dem Wald einen Deserteur an, der sich auf dem Weg über den Schwarzwald in Richtung Brend befand. Er forderte ihn auf, mitzukommen. Darauf habe der Soldat gesagt, der junge Mann soll ihm aus dem Weg gehen, da sonst ein Unglück passiere.

Kurz darauf hörte man einen Schuß und man fand den jungen Mann vom Kolmen­ hof in seinem Blut liegen. Kurze Zeit später starb er. An der Stelle des Unglückes wurde dann ein Holzkreuz errichtet. Als dies verwittert war, stellte man ein zweites Holzkreuz auf, das aber ebenfalls der extremen Witterung zum Opfer fiel. Damals sei gerade auf dem Furtwanger Friedhof ein nicht mehr verwendeter Grab­ stein gestanden, und man habe diesen dann an dem jetzigen Ort aufgestellt. (Eine Vertie­ fung auf der Vorderseite des Schaftes könnte auf eine ehemalige Kreuzesinschrift oder Namensangabe hindeuten!) Dieses Kreuz trug einen Metallkorpus, der aber ca. 1975 gewaltsam abgeschlagen und gestohlen wurde. Später fand ihn der Förster im Wald wie­ der. Er hat ihn zunächst wieder angebunden, Oberkatzensteig beim ehemaligen Rotehof dann aber wurde der Metallkorpus wieder mit Metallstiften befestigt. Das Kreuz ruht mit seinem zweigeteilten Schaft auf einer viereckigen Steinplatte. Der obere Abschluß des Schaftes ist zum Kreuz hin abgeflacht. Das Kreuz selbst ist ein schlichtes Stein­ kreuz, dessen oberes Ende sowie die Enden bei den Querbalken abgerundet sind. Am Kreuz hängt ein ebenso schlichter Korpus aus Metall. Da das Gelände dort zum Kolmenhof in der Nähe gehört, wird dieses Kreuz das Kolmenkreuz genannt. In der Vertiefung des Schaftes steht jetzt auf der Vorderseite des Kreuzes die Bezeich­ nung „Kolmenkreuz“, was auf die Herkunft des Kreuzes hinweist. Das Kreuz beim ehemaligen Rotehof (Benjaminenhof) im Oberkatzensteig Seit 1991 steht beim Leibgedinghaus des ehemaligen Rotehof (Benjaminenhof) im Oberkatzensteig rechts neben der Straße gegen das Furtwängle in der Kurve ein schön gestaltetes Holzkreuz. Es wurde vom Besit­ zer des Leibgedinghauses Sauter errichtet. Der Vierkantstamm, der bis zur Höhe von 74 cm vom Boden aus verbreitert ist, ist mit einer Metallschiene an der Rückwand im Boden befestigt. Das Kreuz hat eine Rückwand, die schräg nach unten gezogen ist, als Schutz gegen die Witterung. Denselben Zweck erfüllt auch das spitz zulaufende Holzdach, das bei den Enden des Qp.erbalkens gerade abfällt. Durch seine Bemalung wirkt der Korpus, der aus Holz geschnitzt ist, sehr eindrucks­ voll: Blutstropfen von den Wunden der Gei­ ßelung und Dornenkrönung -die Dornen­ krone ist grün bemalt -ebenso die Wunden der Kreuzigung und des Lanzenstiches durch den römischen Hauptmann verleihen der Gestalt des Gekreuzigten einen starken Ausdruck. Das Lendentuch, das rechts ge­ knotet ist, zeigt eine graue Farbe mit einem Goldrand am unteren Ende. Johann Hieb! 259

Kunst und Künstler Felix Schlenker Zum 75. Geburtstag des Schwenninger Künstlers und Kunstsammlers Er hat den Nagel stets auf den Kopf ge­ troffen und versucht, aus dem O!iadrat eine runde Sache zu ma­ chen. Felix Schlenker, der als Urschwennin­ ger am 12.Juli 1920 das Licht der Welt erblick­ te und im Neckarstadt­ teil aufwuchs, kann aus Anlaß seines 75. Ge­ burtstages auf ein for­ menreiches künstleri­ sches Schaffen und eine anregende Samm­ lertätigkeit zurückblik­ ken. Er hat in seiner Doppelrolle als Künst­ ler und als Sammler die moderne Kunst nach Schwenningen gebracht. Was berich­ ten und was weglassen bei einem derart pro­ duktiven Menschen, der ein Leben lang die Goethe-Maxime be­ herzigt hat, wonach der Mensch arbeitend immer gleich eine Stufe höher steigt. Denn wer hätte dieses Schaffen vorherzu­ sagen gewagt? Der Weg eines Felix Schlenker reicht von den naturalistischen Aquarellen, welche die Menschen und Dorfidyllen aus dem Ort Fluorn der Jahre 1947 /48 aufs Papier bringen, bis zu den späten Werken aus den 80er Jahren mit jener strengen Formenspra­ che, die alles Verzichtbare wegläßt und dem Betrachter einen großen Freiraum für Inspi­ ration läßt. Da alle Kunst eigentlich verlangt, von ihrem Betrachter hervorgebracht zu wer- 260 Der Künstler und Kunstsammler Felix Schlenker, der im Juli sein 75. Lebensjahr vollenden konnte. Das Foto zeigt den Künstler mit einem Band seiner Tagebücher in seiner Wohnung in Mühlhausen. den, beherrscht Schlenker die Kunst des Aussparens. Manche seiner Werke haben den Zauber der Unmittelbarkeit und sind doch Ausdruck lebendiger Gedanken. Felix Schlenker nimmt bereits kurz nach Kriegsende in Schwenningen Kontakt zu Dr. Lovis Gremliza (Lovis-Presse), Wilhelm Graf von Hardenberg, Werner Gotheim und Walter Herzger auf. Er, der von 1945 bis 1978 als Fachlehrer für bildhaftes Gestalten, Wer­ ken und Musik tätig war, nimmt ab 1958 an Gruppen- und Einzelausstellungen teil. Er­ wähnt seien hier nur die Galerie d’art modern in Berlin (1960), die Staatsgalerie Stuttgart

(1966), die ,,Art“ in Basel (1971 und 1972) und regelmäßige Teilnahmen an den Künstler­ bund-Ausstellungen in Baden-Württemberg. Neben Erich Hauser war der Schwenninger die treibende Kraft, als es 1970 in Rottweil zur Gründung von „Forum Kunst“ kommt. Ohne Felix Schlenker und ohne den Archi­ tekten Karl Heinichen hätte es auch jene legendäre „Kleine Galerie“ (1961 bis 1967) nie gegeben, in der unter anderem Thomas Lenk, Gerlinde Beck, Paul Wunderlich, H. P. Alvermann auftauchten. Es war immerhin 262 der heutige Berliner Kunstprofessor Robert Kudielka, der in diesen Jahren Rezensionen für die Schwenninger Tageszeitung „Neckar­ quelle“ schrieb. Ironie der Geschichte: Bedürfen in der Regel die Künstler eines Förderers, so kehrt Felix Schlenker den Spieß einfach um und schlüpfte 1992 als Künstler in die Rolle des Mäzens. Er vermachte der Stadt 225 Bilder als Bestandteil der „Sammlung Felix Schlen­ ker“. Darunter befinden sich beispielsweise Werke von Sol Lewitt, Otto Herbert Hajek,

Hans Peter Alvermann oder Jochen Winck­ ler. In einem seiner vorläufig letzten Werke, das am 10. Dezember 1994 aus Anlaß der Er­ öffnung des Schwenninger Uhrenindustrie­ museums in der ehemaligen Württembergi­ schen Uhrenfabrik erstmals der Öffentlich­ keit gezeigt wurde, ist Felix Schlenker wieder ganz der Alte und der Ewig-Junggebliebene. Aus Fundsachen, die der Industrielle Max­ Emst Haller auf seiner Bühne entdeckte, fer­ tigt der Kunstprofessor (eine der wenigen Auszeichnungen, auf die Schlenker wirklich stolz ist) jenes „Schwenningen, zahngerä­ dert“ genannte Werk, das trotz seiner schein­ baren Beliebigkeit Ausdruck einer wohl­ durchdachten Ordnung ist. Felix Schlenker sammelte schon als Kind alles, was nicht niet-und nagelfest war. Er, der später zu einem wahren Archäologen sei­ ner Heimatstadt wurde, wollte Dinge für die Nachwelt aufbewahren, die nicht dem Ver­ gessen anheirnfallen sollten. Es ist wohl der gleiche Antrieb, der ihn zur Feder greifen 263

ließ, um ein Werk zu schaffen, das nach mei­ nem Dafürhalten dem Wert seiner Samm­ lung – mindestens in lokalhistorischer Be­ trachtung – gleichkommt. Die Rede ist von jenen Tagebüchern, die der Autodidakt seit seinem 14. Lebensjahr lückenlos führt. Da mischt sich Privates mit Reflexionen über die eigene Arbeit. In den handgebundenen Ta­ gebüchern finden sich – eine wahre Berei­ cherung – Zeichnungen als Erinnerung an Reisen nach Italien oder Griechenland eben­ so wie Skizzen für zukünftige Arbeiten. 264 So ist unter dem Datum des 29. Novem­ ber 1947 beispielhaft über die eigene Arbeit zu lesen: »Man muß mit den malerischen Mitteln ge­ rungen haben, um sie später souverän zu beherr­ schen und in eigener Art neu entstehen zu lassen. Es ist 5.30 Uhr nachmittags, das Dunkel der Nacht senkt sich langsam herab und ich bin mit dem, Winterbild‘ heimgekehrt. Es sind die ergötz­ lichen Augenblicke, wenn man sich in seine Bilder versenken kann. Sie fallen sehr artig natumah aus. Wo bleibt die Entmaterialisierung, die trans-

,,fensterhaft“ ,,schleierhaft“ felix s das Licht nach draußen verdüstert der Blick nach innen getrübt quadratisch die geteilte Fläche gegliedert ins Mehrfache gefügt zum Raster -da scheint Zweifel durch Müdigkeit liegt hinterm Strich Trauer in Grautönen tranchierte Lust eines Sommers gelöschte Freude im Geviert die Suche nach Heiterkeit skandaliert wo Hoffnung trüge, dräut düstere Gegenwart ,,phrasenhaft“ die Helle heraus gedämpft die Sicht einwärts getrübt das Quadrat permutiert im Raster gerafft sachter Zweifel rührt von Tag zu Tag das Blatt kaskadisch aus grauer Pracht glimmende Freude Heiteres zur Ecke gedrängt hoffend im freien Spiel mit Würde felix s ,,endlich“ für meinen Bruder Gerhard t 1944, für meinen Freund Walter Baur t 1942, für alle Opfer des deutschen Faschismus. 265 zendente Uteformung? Aber ich muß hier sehr wohl dem Gremliza recht geben: Eh man zu sol­ cher Steigerung durchdringt, muß man diese Phase bestanden und sehr wohl ausgetreten haben. Kürzlich schaute eine Frau eine Zeichnung an. Zu meiner Verwunderung konnte sie diese nicht ,lesen‘. Die Aufaahmefähigkeit in bezug auf Kunstwerke ist also sehr wohl vom Intellekt ab­ hängig und es darf einen daher nicht stören, wenn die Allgemeinheit mit abstrakten Bildern nichts anzufangen weij?. Der Menge wird das Bild an sich immer ein Rätsel bleiben. “ (Zitiert nach: Fluom – Dorfzeit, 1947-1948, Seite 60/) Bei allem könnte über Schlenkers Leben und Werk ein Satz des französischen Aphori­ stikers Paul Valery stehen: ,,Mon systeme, c’est moi.“ Joachim Siegel

,,Was ich möchte: Transparenz und Dichte.“ Ein Künstler aus Schwenningen Anmerkungen zur Bildwelt von Harald Kille Gruppenbilder! In seinem künstlerischen Schaffen hat sich Harald Kille in den letzten Jahren einem Genre zugewandt, das seit jeher in der Bildenden Kunst unterschied­ liche Darstellungsweisen erfahren hat. Ob in den Wandmalereien der ägyptischen Grab­ bilder in den Totenkammern der Mächtigen oder in den ersten Abendmahl-Darstellun­ gen in der Calixtus-Katakombe in Rom, ob bei der sogenannten „Nachtwache“ von Rembrandt oder dem gemeinsamen fotoge­ nen Auftritt neugewählter Regierungen oder siegreicher Fußballmannschaften, immer sind es Bilder von Menschen, die eine An­ sammlung von Individuen zeigen, mit glei­ chem Ziel, Interesse oder doch zumindest einer sie alle verbindenden Idee. Dabei be- gründet sich die Darstellungsabsicht sowohl in sakralen Handlungen, in rituellen Umset­ zungen theosophischer Vorstellungen oder aber in der Wiedergabe repräsentativer Figu­ ren als Mandatsträger in einem Gemeinwe­ sen beziehungsweise in einer bloßen bildhaf­ ten Erinnerung und Dokumentation eines gewesenen Jetzt. Harald Kille -er wurde 1958 in Schwen­ ningen am Neckar geboren; an der Akade­ mie der Bildenden Künste in Karlsruhe stu­ dierte er ab 1978 bei den Professoren Max G. Kaminski und, ab 1982 als Meisterschüler, bei Hiromi Akiyama; 1986/1987 wurde er mit dem Graduiertenförderungsstipendium des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet und erhielt 1987 ein DAAD-Stipendium für 266 Abbildung 1: ,,Ananas“, Öl und Acryl auf Lein­ wand, 86x86cm, 1988

Abbildung 2: „Weltgesicht III (Edzard Reuter)‘: Öl auf Leinwand, 110 x 110 cm, 1990 Unten: Abbildung 3: ,,Kunst an der Plakatwand‘: Karlsruhe-Neureut, 1994 Griechenland – greift die Gattung des Grup­ penbildes auf, macht sie zur Grundlage sei­ nes Gestaltungswollens. In seinen früheren Bildern wählte er als Motiv Gegenstände des Alltags, Gläser, Flaschen, Obst oder anderes, die er isoliert und überdimensional vor pla­ nem Malgrund mit kräftiger Farbe zum Thema seiner malerischen Fragestellung machte (Abbildung 1). Diesen Arbeiten folg­ ten Bilderserien, in denen er den Physiogno- 267

Abbildung 4: ,,Fünf weibliche Figuren‘: Acryl Pigment auf Holz, 260 x 360 cm, 1994 mien deutscher Wirtschaftsbosse wie Edzard Reuter, Walter Dürr und anderen Persönlich­ keiten des öffentlichen Lebens nachspürte (Abbildung 2). Die malerische Umsetzung des gegenständlichen Motivs in diesen Ar­ beiten veränderte sich vom pastosen Auftrag mit leuchtenden, grellen Farben zu Bildern, bei denen die Gesichter der Porträtierten sich erst aus der Verdichtung verschiedenartiger Pinselstriche im Auge des Betrachters bilde­ ten. Harald Killes heutige Bildthemen sind Frauenbildnisse, die er im Aquarell oder als großformatige Ölbilder ausführt. Im Vor­ dergrund seines Arbeitens stehen dabei weniger physiognomische Details der Figu­ ren, sondern eher Haltung und Verdichtung der Figurengruppen sowie die malerische Transparenz mittels gestischem Farbauftrag und nachvollziehbarer Ordnung im Bild­ raum. 268 1994 wurde Harald Kille aufgefordert, für die Ausstellungsreihe „Kunst an der Plakat­ wand“, bei der seit einigen Jahren im Karlsru­ her Stadtteil Neureut in unmittelbarer Nach­ barschaft zu einer kommerziellen Werbe­ Plakat-Wand, im Freien, zeitgenössische Kunst gezeigt wird, eine Arbeit zu schaffen. Aufgebaut und ausgestellt – in Konkurrenz für mehrere Wochen zu einer McDonalds­ Frühstücks-Werbung, der dann das feinste ,,Mineralwasser aus dem Schwarzwald“ folgte (Abbildung 3) – wurde das Bild „Fünf weibliche Figuren“ 1994 (Abbildung 4). Es trotzte an diesem Ort über mehrere Wochen Wind und Wetter und behauptete sich mühelos gegenüber der millionenfach ver­ breiteten Produktwerbung. Das großformatige Tafelbild zeigt fünf spärlich bekleidete Frauen, die in Frontal­ sicht, dicht zusammengedrängt, in 4/5- Größe das Bild ausfüllen. Ihre Haltung ist

posenhaft, geradezu starr und nur die jewei­ lige Neigung des Kopfes deutet geringfügige Bewegung an. Neben der unterschiedlichen malerischen Behandlung der einzelnen Kör­ per sind die Köpfe der Figuren betont und beleben die marionettenhaft wirkenden Per­ sonen. In differenzierten Rottönen, verhal­ tenem Blau und nur spärlich verwendetem, mattem Weiß ist der gestische Farbauftrag als malerisches Herantasten an die Dargestell­ ten zu verstehen. Die aufrechte Haltung der Figuren betont die Vertikale; ein gleichseiti- ges Dreieck, das die mittlere Figur umfängt, löst ein eingeschriebenes Parallelogramm im Kompositionsschema spannungsvoll auf Als Vorlage dienten dem Künstler Werbe­ fotos für Dessous, Bilder somit, bei denen nicht die Menschen, sondern die Produkte, die sie tragen, im Vordergrund stehen. Vom Fotografen in Szene gesetzt hatten die Auf­ nahmen einzig das Ziel, Kaufinteresse beim Betrachter für die präsentierten Waren zu wecken. Zwar entsprechen die ausgewählten Models alle einem heutigen Schönheits- Abbildung 5: »Drei weibliche Figuren‘: Acryl Pigment auf Leinwand, 140 x 140 cm, 1994 269

Abbildung 6: ,,Drei weibliche Figuren‘: Acryl Pigm.ent auf Leinwand, 140 x 140 cm, 1994 ideal, sind jung, schlank und sportlich, doch eben auch damit anonym, austauschbar und beliebig. In ihrer Künstlichkeit werden sie selbst zur Ware, ihr Idealkörper, oder was uns die Werbeindustrie dafür halten läßt, wird zum verfügbaren Produkt einer (projizier­ ten) männlichen Phantasie. Den im Werbeprospekt mit einem Hauch von Erotik und Exotik wiedergegebenen Körpern der Frauen stellt Harald Kille seine mit heftigen Pinselstrichen, mit Übermalun- gen und Korrekturen herausgearbeiteten Bil­ der von Frauen gegenüber. Im steten Ringen um die gültige Form gilt sein Anliegen der „Transparenz und Dichte“, wie er einmal im Gespräch sagte. Transparenz des maleri­ schen Standpunktes heißt hier, daß die Malerei als Prozeß nachvollziehbar wird bei gleichzeitiger Dichte in der sensiblen Behandlung des motivischen Sujets. Der Anonymität und Austauschbarkeit der weiblichen Models in der Vorlage setzt 270

Abbildung 7: ,,Fünf weibliche Figuren·: Öl auf Leinwand, 125 x 190 cm, 1994 Abbildung 8: ,,Fünf weibliche Figuren·: Öl auf Leinwand, 125 x 190 cm, 1994 271

Harald Kille in seinen Bildern ein Ensemble von weiblichen Körpern gegenüber, die sich in ihrer malerischen Ausarbeitung indivi­ duell unterscheiden. Die Figuren bestehen so, jede für sich, als selbständiges Motiv, als eigenständige Figur im Bild. Der Beliebigkeit wird das Bestimmte, dem Anonymen das Be­ nannte gegenüber gestellt. Harald Kille verweist in seinem maleri­ schen Werk auch auf die Gefahren, die im schnellen Konsum von Bildern liegen kön­ nen. Den vordergründigen Lockungen der Werbebilder setzt er differenzierte und kom­ primierte malerische Bildlösungen gegen­ über. Seine Bilder sind in ihrem Entste­ hungsprozeß nachvollziehbar und in ihrer Unverwechselbarkeit und Offenheit können sie im Betrachter Neugierde und eine Lust zum Sehen evozieren. Wendelin Renn Holzbildhauer Otmar Mayer aus Hüfingen Der im Jahre 1931 geborene Otmar Mayer aus Hüfingen ist Holzbildhauermeister. Im Bayerischen würde man ihn möglicherweise „Herrgottsschnitzer“ nennen, doch diese Berufsbezeichnung träfe auf den Meister aus Hüfingen nur teilweise zu. In seiner Werk- statt, in der es heimelig ist und nach Holz riecht, findet sich in trautem Verein „Heili­ ges“ und „Profanes“, Kreuze, Krippen- und Madonnenfiguren, aber auch Fastnachts­ masken in reicher Auswahl. Skulpturen, eigene Entwürfe oder nach Vorlagen, als Links Hexen und Hansele- rechts „Ecco homo “ – Profanes und Sakrales- in Otmar Mayers Werkstatt findet sich beides in trauter Gemeinsamkeit. 272

der gleichzeitig sein Hobby ist, nicht mehr vorstellen, und der Gedanke, daß eine an­ dere berufliche Orientierung ihm mehr zu­ gesagt hätte, ist ihm nie gekommen. Die Aus­ bildung bei seinem Meister bestätigte May­ ers Talent. Auch nach der Gesellenprüfung, die er 1949 ablegte, blieb er für weitere zwei Jahre bei seinem Lehrherrn, wollte sich dann jedoch einmal „draußen“ umschauen. Dabei stand ihm das bayerische Ober­ ammergau als lohnendes Ziel vor Augen. Per Fahrrad und mit seinem Werkzeug im Ge­ päck erreichte er die Heimat der „Herrgotts­ schnitzer“, wo er zwar Arbeit hätte bekom­ men können, nicht jedoch eine Unterkunft. Ernüchtert kehrte er in den Schwarzwald zurück, und Karl Rieber freute sich, Otmar Mayer wieder in seine Dienste nehmen zu können. Insgesamt sechs Jahre pendelte er von Hüfingen nach Furtwangen, ehe er 1955 Otmar Mayer mit einigen seiner zahlreichen Kreationen närrischer Masken. 273 Die Figur des heiligen Laurentius entsteht. Gast-oder Ehrengeschenke gedacht, tragen des Meisters eigene unverwechselbare Hand­ schrift, sind seine „Kinder“, die er jeweils mit einem lachenden und einem weinenden Auge aus seiner Werkstatt scheiden sieht. Im Laufe von fast 40 Jahren hat er sich einen Namen gemacht, weit über die Region hinaus. Und dabei hatte er es sich als Junge nicht träumen lassen, jemals kunsthand­ werklich tätig zu sein. Er hatte nach Beendi­ gung seiner Schulzeit bereits eine solide Lehrstelle als Schreiner in Aussicht, als sein früherer Lehrer Otto Heizmann ihm riet, es doch mit der Bildhauerei zu versuchen, da er in dem jungen Hüfinger ein förderungswür­ diges Talent vermutete. Und Otto Heiz­ mann hatte auch schon eine Lehrstelle parat bei dem Furtwanger Holzbildhauer Karl Rie­ ber, bei dem Otmar Mayer dann auch seine Ausbildung erhielt. Heute, im nachhinein, könnte er sich ein Leben ohne diesen Beruf,

vor der Handwerkskammer Freiburg seine Meisterprüfung ablegte. Für ihn bedeuteten Meisterehren aller­ dings nicht, auf Lorbeeren auszuruhen. In den verschiedensten Seminaren bildete er sich weiter. Sein Bedürfnis nach immer neuen Eindrücken und dem Kennenlernen von Menschen befriedigte er auf weiten Rei­ sen, und immer wieder entdeckte er Neues, was sich in seinen Arbeiten niederschlug. Darüber hinaus belegte er Kurse an der Frei­ burger Volkshochschule und bildete sich im Figurenzeichnen und in Kunstgeschichte weiter. In seiner 1956 gegründeten Werkstätte brennt speziell vor Beginn der närrischen Zeit das Licht oft bis in den frühen Morgen, denn Jahr für Jahr schnitzt der Meister höl­ zerne Fastnachtsmasken. Eine Vielzahl von ihnen hat er für ganze Gruppen selbst ent­ worfen oder nach vorgegebenen Modellen angefertigt. Etwa 65 Zünfte stattete er mit ,,Gesichtern“ aus, und rund 100 unterschied­ liche Masken konnte er bisher an seine Auf­ traggeber liefern. Ungebrochen ist in den einzelnen Orten der näheren und weiteren Umgebung das Bestreben, eine eigene, unverwechselbare Larve für ihre Gruppe zu erhalten. Insbesondere Hexenmasken sind gefragt, wobei der Meister oft beratend zur Seite stehen muß: Es reicht eben nicht, daß eine Maske besonders „ wüscht“ ist, wenn der spezielle Ausdruck fehlt oder die Ähnlich­ keit zu anderen Gruppen gar zu augenfällig wäre. Otmar Mayer wird regelmäßig zur Fasnet selbst vom närrischen Bazillus befallen. Wenn der Narrenmarsch erklingt, hält ihn nichts mehr in seiner Werkstatt. Er schlüpft ins „Häs“ des von ihm entworfenen „Berche­ appeli“, jener verschmitzt lächelnden Hüfin­ ger Sagengestalt, die mit allerlei Schabernack die närrische Szene belebt. Zu Mayers größeren Arbeiten zählen das Hüfinger Kriegerehrenmal sowie die Ehren­ male von Pfohren und Kluftern. Eine der jüngsten größeren Auftragsarbeiten war eine fast lebensgroße Figur des heiligen Lauren- 274 tius für die Pfarrkirche in Tengen. Hinzu kamen Weihnachtskrippen für Kirchen, Ma­ donnen und Kreuzwege. Der Meister schuf auch eine Kopie der Johannesstatue aus der Klosterkirche in Birnau, die in der Pfarrkir­ che von Oppenau steht. Nicht selten kopiert er auch wertvolle Figuren, die anstelle der Originale in Kirchen aufgestellt werden, um diese vor Kunstdieben zu schützen. Eine reizvolle Aufgabe war für Otmar Mayer auch Entwurf und Ausführung eines Wachs­ modells für die 1991 gegossene Hüfinger Frie­ densglocke. Einige Male hat Otmar Mayer auch in Stein gearbeitet. Er schuf Brunnenfiguren für Unadingen und Behla. Doch sein liebstes Material blieb das Holz. Derzeit arbeitet er an einem Grabmal, das er für den Auftragge­ ber entwarf. Viel Feingefühl gehört mit dem Kunstverständnis und dem handwerklichen Können zu einer solchen Aufgabe, die Ot­ mar Mayer als sehr anspruchsvoll und auch dankbar empfindet. Zwei der sechs Söhne Mayers sind beruf­ lich in des Vaters Fußstapfen getreten, Ger­ hard und Michael. Letzterer hat sich inzwi­ schen mit einer eigenen Werkstatt in Hüfin­ gen etabliert, wo er des Vaters Nachfolge antreten wird. Seine aus Fürstenberg stammende Ehe­ frau Luise ist Otmar Mayer stets eine unent­ behrliche Stütze gewesen. Ohne sie, so versi­ chert er, wäre er beruflich nicht so weit gekommen, und insbesondere in dem ange­ schlossenen Foto-, Buch- und Kunstgewer­ begeschäft ist ihre Mitarbeit unverzichtbar. Sie hat auch immer viel Verständnis für die sporadisch auftretende Reiselust ihres Mannes bewiesen, und wenn sie auf dessen Werkbank eine Landkarte entdeckte, so wußte sie, daß es ihn wieder einmal fortzog. Nie hat sie versucht, ihn zurückzuhalten, im Gegenteil, sie redete ihm zu, weil sie wußte, daß er neue Eindrücke brauchte. Ansonsten möchte Otmar Mayer, der in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Ehrenämter bekleidete, etwas kürzer treten und das schnitzen, was ihm selbst Spaß und

Villinger Krippen und Krippenkünstler Freude macht, ohne zeitlichen Druck und ohne festes Datum für die Fertigstellung. Neben dem Vorsitz des katholischen Kir­ chenchores, dem er sich eng verbunden Die Kultur des christlichen Abendlandes kennt eine große Zahl von Darstellungen, die sich um das Geschehen im „Stall von Bethlehem“ und die an dieses Geschehen sich knüpfenden Vorkommnisse drehen. In der Stadt Villingen, die vom 13. bis zum 18. Jahrhundert zu den bedeutenden deut­ schen Städten zählte, kann man an den Kul­ turerzeugnissen die Strahlkraft wie Anzie­ hungskraft heute noch erkennen. Wir wis­ sen, daß etwa zur Zeit des Ausbaues des Münsterchors (Fertigstellung 1282) Heinrich und Agnes von Fürstenberg der Münster­ pfarrei ein großes Kunstwerk, den Fürsten­ bergkelch, vermacht haben. Zur selben Zeit scheint sich die Bürgerschaft der Stadt zu­ sammengetan und der Münsterpfarrei ein bedeutendes Kunstwerk geschenkt zu haben: das „Scheibenkreuz“. Die Vorderseite zeigt vom Jahre 1268 eine Krippenszene, eine Ver- fühlt, bleibt ihm dann noch Zeit für seine zahlreichen Hobbies, zu denen auch Filmen und Fotografieren zählen. Käthe Fritschi kündigung und die Szene der Taufe im Jor­ dan. Aus der ersten Urkunde des Kreuzes wissen wir, daß der „Priester Ulrich, Rektor der Kirche zu Schabenhausen und Kunrad Stehelin, Bürger zu Villingen, dieses Werk im Auftrag der Villinger Bürger gekauft haben von dem Meister Johannes, Gold­ schmied in Freiburg, im Jahre des Herrn 1268, am Tag des heiligen Valentin, in Ge­ genwart des Priesters Ulrich, des Bürgers Konrad und des Ulrich Rinkoph, Ritter zu Freiburg sowie des Albert, Leutpriester zu Feldkirch, des Spoerlin und des Bugenruiti“. Versucht man, für die alte Stadt Villingen das Weihnachtsgeschehen in den von hier ausgehenden und hier entstandenen künst­ lerischen Darstellungen zu erfassen, so muß man zwischen Weihnachtsdarstellungen und Krippendarstellungen unterscheiden. Die Weihnachtsdarstellungen beginnen 275

mit dem Scheibenkreuz, die zeitlich unmit­ telbar übergehen in Freskomalereien. Drei­ Königs-Darstellungen werden Ende des 15. Jahrhunderts und vor allem im 16. Jahr­ hundert aufgegriffen durch Stickereien, die besonders für das hiesige Franziskanerinnen­ (Bicken-)Kloster nachzuweisen sind, sodann in auch heute noch zahlreich erhaltenen Tafelmalereien des Villinger Malers Anton Berin (1570-1623). Bereits für diese Zeit des 16.Jahrhunderts, vor allem in der Person des Hafuerkünstlers Hans Kraut, darf man den Beginn der FigurenhersteUung aus Ton in Villingen annehmen. Das Ursulinenkloster bewahrt eine größere Anzahl von schönen und auch bekleideten Figuren, deren älteste dem Renaissance-Stil zuzuweisen sind. Im Museum ist außerdem eine spätgotisch zu interpretierende künstlerisch hochstehende Darstellung der Krippenszene, in Speckstein geschnitzt und farbig gefaßt, vorhanden. Weitere Krippenfiguren-Darstellungen be­ finden sich im Museum, die der Zeit des Manierismus in einigen Figuren, d. h. etwa 1640, zuzuordnen sind, sodann der Barock­ zeit bis um 1800. Mit dem „Berglehafuer“ JosefWalser be­ ginnt dann die breite Bewegung in Villingen, die im Schwerpunkt bis 1840/45 anhält und bis Anfang des 20. Jahrhunderts in einigen Teilen fortgeführt wird, nämlich die Herstel­ lung von Tonfiguren, farbig bemalt und gla­ siert zum Weihnachtsthema. Dieses Thema ist weit gespannt über volkstümliche Darstel­ lungen von der Geburts-und Dreikönigs­ szene bis zur Taufe Jesu im Jordan. Über die Herstellung der Tonfiguren selbst lassen wir den ehemaligen Villinger Hafnermeister und späteren Professor Karl Kornhaas, der an der Gewerbeschule in Karlsruhe gelehrt hat, sprechen (veröffent­ licht 1926 im Jahrbuch der Badischen Hei­ mat/Ekkehart): „Der bildsame, eisenschüssige Ton, der im Gebiet der Stadt zutage tritt oder gegraben wird, war der Werkstoff. Wegen seiner Weich­ heit waren Arme und Beine nicht selbsttra­ gend, und so mußte der Ton um ein Draht- 276 gerüst geformt werden, was große technische Fertigkeit und Erfahrung voraussetzte. Um ungehindert modellieren und später malen zu können, setzte man die Figürchen mit den gebohrten Löchern aufHolzstäbchen, nahm diese in die linke Hand, während mit der rechten modelliert und gemalt wurde. Die Figürchen wurden in Brennöfen, aber auch im Topf über dem Herdfeuer gebrannt, was zur Folge hatte, daß fast alle keramischen Härtegrade vom porösen, weichen bis zum harten gesinterten zu finden sind. Es sind so­ gar Figürchen darunter, die kein Feuer gese­ hen haben und wie die Ziegelsteine im alten Babylon an der Sonne getrocknet wurden. Das alles deckte dann die schützende und er­ haltende Decke der Öl-und Lackfarben zu, die durch Übung und künstlerisches Emp­ finden diese Malerei zu vorteilhaftester Wir­ kung steigern konnte.“ Am stärksten vertreten unter den „Ton­ künstlern“ ist die Familie Ummenhofer: Zunächst der Vater Xaver Ummenhofer, 1774-1843, Leinenweber, Mesner und Land­ wirt, dessen Figuren, z.B. der Hochzeit von Kanaa (die auch zum Weihnachtsthema zählt, wie der Opfertod des HI. Stephan, die Flucht nach Ägypten, der Kindermord, die Beschneidung und der 12jährige Jesus im Tempel), Villinger Tracht zeigen oder dessen „Zahnzieher“ fein beobachtenden Humor beweist. Erhalten sind von ihm ferner Schafe, Ziegenbock, Reh, Hirsch und Hase. Sein Sohn Dominikus, 1805-1856, Uhr­ macher und später Kirchenvogt, mit dem Übernamen „Guller“, dessen Ölportrait uns erhalten ist, hat die größte Bedeutung und große biblische Gruppenplastiken mit Ton­ plattenhintergrund geschaffen. Er hat wohl weitaus am meisten produziert, was aber immer noch nicht rechtfertigt, alle übrigen Krippenwerke der Stadt rundweg „Gullerfi­ guren oder -krippen“ zu nennen, wie es in Villingen geschieht. Der zweite Sohn des Xaver, Michael Um­ menhofer, 1816-1852, war ebenfaUs Künstler und sehr begabt, wie die erhaltene offene Krippe oder die originelle „Flucht nach

Ägypten“ zeigen, auf die man am ehesten die oft gehörte Formel „tief empfunden“ anwen­ den darf. Der früh verstorbene Sohn Fridolin Um­ menhofer, 1831-1856, Maler, hatte zu großer künstlerischer Hoffnung Anlaß gegeben, wie sein erhaltener HI.Josef und das 70 cm hohe Kruzifix beweisen. In chronologischer Reihe folgte dann Johann Baptist Binder, 1800-1882, Weber­ meister und Kaufhausverwalter, der – seines schwächeren plastischen Könnens sich bewußt – seine Figuren mit reichem Farb­ schmuck, Gold und Silber geziert, was durch seine hermelinbesetzten Figuren erkennbar ist. Ein Bildnis Binders und seiner Frau ent­ stammt der Freundschaft mit dem hiesigen Hofmaler Wilhelm Dürr. Auch der Kamm­ macher Fidel Singer, alias „Butterfidele“, geb. 1813, gehört zu den schwächeren Kleinplasti­ kem. Neben der Familie Ummenhofer traten die beiden Göth auf:JosefGöth, 1805-1883, Schreiner und Stiftungsverwalter, von dem es in der Stadt noch zwei gut erhaltene Kastengrippen gibt, davon eine vielleicht später übermalte Figuren aufweist. Hier sei erwähnt, daß es unter den Villinger Krippen außer solchen Kastengrippen auch offene Krippen und Krippen unter kugeligem Glas gibt. Mit seinem Sohn Theodor Göth, 1833- 1879, tritt uns ein Künstler entgegen, der nicht in den Kreis der Villinger Laienkünst­ ler paßt. Er studierte als Bildhauer bei Prof Halbig in München. In seine Vaterstadt zu­ rückgekehrt, betätigte er sich als Lehrer im Zeichnen und Modellieren und fertigte Modelle für Uhrenschilder bis zu Glocken und deren Dekorationen. Aber der �t der Neuromantik paßte den Villingem nicht, so daß Theodor Göth einem Ruf an das Gym­ nasium in Straßburg folgte. Seine im Mu- Heilige Drei Könige, ,,Berglehafner“ josef Walser, Villingen, 1781-1845, in Ton modelliert, Glasur­ farbenfassung. 277

seum der Stadt erhaltene Krippe mit dem dekorativen Holzrand zeigt die grazile Aus­ arbeitung und gründliche Schulung. Zu den Familien, die dem Beruf nach z. T. künstlerisch tätig waren, gehören die Säger (Albert Säger ist bei den alten Villingern noch ein Begriff) und Ackermann, deren be­ kanntester Vertreter unter dem Beinamen Ölmüller bekannt ist. Einern A. Ackermann wird auch eine im Museum erhaltene Ka­ stenkrippe zugeschrieben, die mit bemalten Papierfiguren besetzt ist. Dem großen Zyklus von Papierkrippenfiguren, der im Museum erhalten ist und dynamisch bewegten Barock­ stil in Schnitt und Malweise zeigt, müßte eine eigene Darstellung gewidmet werden. Diese Art scheint ein Hinweis darauf zu sein, daß die Villinger Krippenkünstler nicht ganz ohne Kenntnis davon geblieben sind, was auf dem Gebiet der Krippenherstellung seit dem 16. Jahrhundert – Hauptort war wohl Neapel -alles geschaffen wurde. Erst später hielten die Prachtkrippen des Adels auch in die Bürgerhäuser Einzug. Dr. Josef Fuchs Töpfermarkt und Keramikwochen Hüfingen Alljährlich ein Ort künstlerischen Austausches Seit 1992 lockt der H üfinger Sennhofplatz jeweils im Herbst zum internationalen Stell­ dichein der Töpfer. Die bunten, reichbe­ stückten Ausstellungsstände beleben damit alljährlich am zweiten Septemberwochen­ ende die Hüfinger Altstadt. Eine Vielfalt getöpferter Ware-vom schlichten Gefäß für den Alltagsgebrauch bis hin zum kunstvoll geschaffenen Einzelstück – wetteifert hier um die Gunst des Publikums. Der bis heute mittelalterlich geprägte Sennhofplatz, dessen Idylle trotz Stadtsanie­ rung erhalten blieb, bietet für das herbstliche Fest der „tönernen Handwerkskunst“ einen besonders reizvollen Rahmen. Auch die Be­ sucher der Region, Keramiksammler und Galeristen aus ganz Baden-Württemberg, aus der Schweiz und Frankreich haben Hüfingen als attraktiven Anziehungspunkt zum Thema „Keramik“ längst entdeckt. Mit nur rund 40 Teilnehmern ist der Hüfinger Töpfermarkt bewußt „überschaubar“ gehal­ ten. Zu Gunsten der O!ialität und seiner Atmosphäre soll er auch in Zukunft nicht zur „Großveranstaltung“ entwickelt werden. Nicht selten werden hier auch Kontakte für Galerieausstellungen in anderen Orten ge­ knüpft. 278 Doch der „Publikumsmagnet“ Töpfer­ markt mit dem Titel „Töpfern: Hand-Werk und Kunst“ ist nur ein Bestandteil der Ge­ samtveranstaltung „Internationale Keramik­ wochen Hüfingen“. Ebenso vielbeachtete „Highlights“ bilden vor allem Ausstellungen im Stadtmuseum, in der Rathausgalerie und im Rathausfoyer. Dabei werden seit 1992 international renommierte Keramiker vorge­ stellt, deren Werk einen Beitrag zur zeitge­ nössischen, europäischen Keramik darstellt. Das Konzept dieser Präsentationen befaßt sich inhaltlich mit den Themen „Gefäß – Skulptur – Objekt“. Die Stadt Hüfingen als Gesamtveranstal­ ter der „Internationalen Keramikwochen Hüfingen“ verbindet neben der Fortführung einer publikumswirksamen Veranstaltung auch noch weitere Ziele: Sie gelten der För­ derung der Keramiker. So soll die herbstliche Veranstaltung auch als Forum verstanden werden. Ein Keramik-Forum, auf dem sich die überwiegend jüngere Generation jener Töpfer darstellen kann, die nach zeitgemä­ ßen Kriterien arbeitet, dabei die klassische Linie des traditionell handgeformten Gefä­ ßes achtet und sich mit hohem Anspruch ihrer Handwerkstradition verpflichtet sieht.

Ebenso wendet sich dieses Forum an Kera­ miker, die das Werkmaterial“ Ton“ zur künst­ lerischen Auseinandersetzung reizt. Handwerk, Kunst und Kultur haben in Hüfingen seit langem Bestand und Tradi­ tion. Gleichwohl man sich in diesem Zusam­ menhang an den Hüfinger Künstler Franz Xaver Reich (1815-1881) erinnert, der in Hüfingen 104 Terrakotta-Medaillons für das Hoftheater Karlsruhe schuf (vgl. Almanach 83, Seiten 209-211), kann man in der Breg­ stadt auf keine nachhaltige Tradition der Töpferzunft zurückgreifen. Vor fünf Jahren (1992) startete dennoch mit nur 18 handver­ lesenen Töpfermarktteilnehmern sowie ei­ ner Ausstellung im Stadtmuseum mit sechs namhaften Schweizer Keramikern ein Pro­ jekt, das über das Stadium eines Experimen­ tes überraschend schnell hinausgewachsen war. Bereits nach einem Jahr hatten sich die Marktteilnehmer ebenso verdoppelt wie die Ausstellungen und Zusatzveranstaltungen. Damit, und mit einer enormen Besucher­ resonanz, war bereits im zweiten Jahr eine „gesunde Basis“ für Folgeveranstaltungen ge­ schaffen. 1994 expandierte das Projekt noch einmal: Zu den bestehenden Veranstaltungs­ komplexen bildet eine Künstlerperformance als „Open air“-Abend auf dem „Alten Fest­ platz“ seitdem einen festen, vielbesuchten Programmbestandteil. 1996 schließlich feiern die „Keramikwo­ chen Hüfingen“ nun ein halbes Jahrzehnt ihres Bestehens. Trotz dieser noch „jungen“ Veranstaltungsreihe gelten die Bemühungen dem Erhalt eines möglichst langen Fortbe­ standes der Gesamtveranstaltung. Und dies ist nicht zuletzt im Sinne der Töpfermarkt­ teilnehmer. Sie sind wie kaum eine andere Handwerkszunft unserer Zeit zum existenz­ erhaltenden Absatz ihrer handgefertigten Ware -die von dem Aufbereiten des Tones bis zum fertigen Stück einen aufwendigen Arbeitsprozeß erfordert -auf Töpfermärkte angewiesen. Andererseits bedarf auch das Kunstschaffen der Keramiker im Bereich der „zeitgenössischen Keramik“ steter Förde­ rung. Denn obwohl der „Fachbereich Kera- mik“ mit eigenen Lehrstühlen für Professo­ ren an den Universitätsfakultäten „Bildende Kunst“ seit vielen Jahrzehnten besteht und in aller Welt vielbeachtete Wettbewerbe auf hohem Niveau durchgeführt werden, fristet die oft mit hochdotierten Preisen ausge­ zeichnete Keramik als „Kunst“ bisher eher ein Schattendasein. Verständlicherweise standen 1991 in der Vorbereitungsphase die gezielt ausgesuchten Künstler der Stadt Hüfingen, einem in der „Keramikszene“ völlig unbekannten Ort, skeptisch gegenüber. Dieselbe Reaktion zeig­ ten auch die, die man „handverlesen“ als Töpfermarktteilnehmer für 1992 gewinnen konnte. Der qualifizierte Kreis von Mitbe­ werbern, sichtbare Konzeptions-und Orga­ nisationsstrukturen der Veranstaltung wirk­ ten dann doch überzeugend. Hüfingen, als „Veranstaltungsort in Sachen Keramik“, mußte sich also erst „bewähren“. Das damals geleistete Stück Aufbau-und Überzeugungs­ arbeit hat sich dem Ergebnis nach bis heute gelohnt. Dies bestätigen einmal mehr die Bewerbungsanfragen aus der gesamten Bun­ desrepublik und dem Ausland. Mit all diesen Aspekten stellt sich Hüfin­ gen als geeigneter Ort dar, alljährlich das Thema Keramik in einem repräsentativen Q!ierschnitt zu präsentieren. Die Resonanz der jährlich mehr als zehntausend Besucher erkennt damit wohl die „Keramikwochen“ und Hüfingen als einen Ort des lebhaften künstlerischen Austausches an, womit sich die Ziele des Veranstalters auf erfreuliche Weise erfüllen. Ingrid Rockrohr 281

Musik Johann Wenzel Kalliwoda Ein Fürstlich Fürstenbergischer Hofkapellmeister im 19.Jahrhundert Am 3. Dezember 1996 jährt sich zum ein­ hundertdreißigsten Mal der Todestag des Komponisten und Dirigenten Johann Wen­ zel Kalliwoda, der in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts über mehrere Jahrzehnte das Musikleben am Hofin Donaueschingen maßgeblich beeinflußte. Der Name Kalli­ woda ist heute nur wenigen Kennern der Musikgeschichte ein Begriff. Seine Werke spielen im Repertoire unserer großen Orche- 282

ster, Chöre und Kammermusikvereinigun­ gen nur eine bescheidene Rolle. Bereits in seinen letzten Lebensjahren geriet das Lebenswerk Kalliwodas in Vergessenheit. Daß er kein unbedeutender Kleinmeister war, sondern ein großes Talent als Kompo­ nist und Dirigent zu entfalten vermochte, bezeugen noch heute erhältliche Notenaus­ gaben, mehrere Schallplattenaufnahmen und Lexikonartikel über sein Leben und Werk. In diesem Beitrag soll sein Leben in knappen Strichen skizziert und seine musi­ kalische Bedeutung im Kontext der Musik­ geschichte des deutschen Südwestens gewür­ digt werden. Kalliwoda wurde am 21. Februar 1801 in Prag geboren. In seiner Geburtsstadt genoß er eine solide musikalische Ausbildung. Be­ reits als Zehnjähriger konnte er in das neuge­ gründete Prager Konservatorium aufgenom­ men werden. In der letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts brachte Böhmen eine Reihe von hervorragenden Musikern hervor, die einen großen Einfluß auf das Musikleben an den deutschen Fürstenhöfen ausübten. Künstler böhmischer Abstammung wie Sta­ mitz, Benda, Danzi, Krommer u. a. gestalte­ ten maßgebend die damalige musikalische Landschaft. Auch Kalliwoda sollte später gleich anderen Künstlern seine Heimat Böh­ men verlassen, um sein Glück an einem fürstlichen Hof innerhalb des habsburgisch geprägten süddeutsch-österreichischen Kul­ turkreises zu suchen. In den Jahren 1814/15 tritt Kalliwoda in Prag bereits öffentlich auf. 1816 spielt er mit großem Erfolg sein Prüfungskonzert und erlangt die Aufmerksamkeit des berühmten Komponisten Carl Maria von Weber. Noch im selben Jahre tritt er in das Orchester des ständischen Theaters in Prag ein, in dem Weber die Operndirektion innehatte. Dort lernt er auch seine spätere Gattin, die Schau­ spielerin und von Weber im Klavierspiel unterrichtete Sängerin Therese Brunetti ken­ nen. 1821 gibt Kalliwoda sein erstes eigenes Konzert. Er bleibt bis zum Jahre 1822 Mit­ glied des Orchesters des ständischen Thea­ ters in Prag. Bald unternimmt er seine ersten Konzertreisen nach Linz, nach München und auch in die Stadt, die er vier Jahrzehnte lang musikalisch prägen sollte: Donau­ eschingen. Am Fürstenbergischen Hofe hatte sich zum Ende des 18. Jahrhunderts ein reges musikalisches Leben entwickelt. Am damali­ gen Hoftheater gelangten Werke berühmter Komponisten wie Mozart, Haydn und Dit­ tersdorf zur Aufführung. Die Auflösung der Reichsfürstentümer im Zuge der Mediatisie­ rung von 1803 bis 1806 unterbrach dieses 283

1– l_,1 /tfrJ.i:-. rege kulturelle Leben für mehrere Jahre. Nach der Übernahme der Regierung im Jahr 1817 beriefFürst Carl Egon II. aus Schaffhau­ sen den aus Meßkirch stammenden Musik­ direktor Konradin Kreutzer an die Spitze des Hoforchesters. Als Kalliwoda 1822 seine Reise nach Donaueschingen unternahm, war die Stelle des Hofkapellmeisters durch den Weggang von Kreutzer nach Wien ge­ rade vakant geworden. Eigentlich hatte Kalli­ woda nur die Absicht, seinen Bruder Franz zu besuchen, der im Verwaltungsdienst des kunstsinnigen Fürsten Carl Egon II. stand. Doch bald wurde er dem Fürsten vorgestellt und muß so großen Eindruck auf ihn ge­ macht haben, daß dieser ihm das Hofkapell­ meisteramt übertrug. Am 19.12.1822 tritt Kalliwoda sein neues Amt an. Er hat die Oper zu leiten, sich als Solist und Komponist in den Hofkonzerten zu betätigen, die Kirchenmusik zu betreuen und die fürstlichen Kinder musikalisch zu 284 unterrichten. Kurz zuvor schloß er die Ehe mit Therese Brunetti. Aus dieser Verbindung gingen acht Kinder hervor. In Zusammenar­ beit mit neuverpflichteten Künstlern, den musikalisch befähigten Kräften des Hofes und der fürstlichen Beamtenschaft entfaltet Kalliwoda nahezu 40 Jahre hindurch ein reges künstlerisches Leben. In Donaueschin­ gen gelangen unter seiner Leitung Mozarts „Don Giovanni“, ,,Titus“ und „Zauberflöte“, Cherubinis „Wasserträger“ sowie Orchester­ werke von Weber, Mendelssohn und ande­ ren zur Aufführung. Berühmte Pianisten der damaligen musikalischen Welt wie Robert und Clara Schumann, Franz Liszt und Sigis­ mund Thalberg treten in Donaueschingen auf. Mit Weber, den er schon in Prag kennen­ gelernt hatte, und Mendelssohn, der bei ihm eine Ouvertüre bestellte, bleibt er freund­ schaftlich verbunden. Mit leichter Feder schreibt er daneben eine Fülle von Komposi­ tionen für unterschiedlichste Gattungen

und Besetzungen. Die Großzügigkeit des Fürsten gestattet ihm die Durchführung vie­ ler Konzertreisen. Sein Auftreten als Kapell­ meister und Violinvirtuose ist in vielen zeit­ genössischen Berichten überliefert. Deshalb verwundert es nicht, daß Kalliwoda mehr­ mals Angebote erhält, hoch angesehene mu­ sikalische Positionen zu übernehmen, so in Mannheim, Leipzig oder Prag. Diese schlägt er jedoch zugunsten Donaueschingens regel­ mäßig aus. Das beharrliche Festhalten an sei­ ner musikalischen Position in Donaueschin­ gen abseits von den Großstädten kennzeich­ net seine konservative Wesensart, die es ihm letztlich unmöglich machte, die große musi­ kalische Karriere zu wagen. Seine Tätigkeit in Donaueschingen wird jäh im Revolutionsjahr 1848 unterbrochen. Mit Erlaubnis des Fürsten verweilt er für ei­ nige Zeit in Karlsruhe, wo er sich ausschließ­ lich der Komposition widmet. Nach dem Brand des Hoftheaters 1850 kehrt Kalliwoda nach Donaueschingen zurück, wo es ihm jedoch nicht in gleicher Weise gelingt, an die früheren großen Leistungen anzuknüpfen. Die Aufgabe, das Orchester und den Kon­ zertbetrieb wieder aufzubauen, glückt nicht mehr; die Glanzzeit war vorüber. Ein letztes Mal kommt Kalliwoda 1858 nach Prag zurück Im Frühjahr 1866 wird er von seinen Dienst­ pflichten entbunden und nimmt seinen Auf­ enthalt in Karlsruhe, wo er nach längerer Krankheit am 3. Dezember 1866 verstirbt. Seinem Sohn Wilhelm Kalliwoda vererbte er das musikalische Talent, das dieser als Kon­ zertpianist, Dirigent und Komponist bis in das letzte Jahrzehnt des 19.Jahrhunderts im Karlsruher Musikleben zur Geltung brachte. Im Schloßpark von Donaueschingen ließ der Fürst Johann Wenzel Kalliwoda ein Denkmal errichten; noch heute erinnert eine Straße in Donaueschingen an dessen Wirken. Jnnerc Ansicht [von aerreclrten La�e aus] das frühem Fiil’stt.c Hoftheaters fa Ilonaueschin§en im Jahre 1$43- 285

–5üdwe�oohsiciit d���e.afu • sene[l füitba1m jn IJonauasc1tiuqen vor d.J. 1843. aagelmmnt dm 1:Jlir l113t1n 2 01tlidtt•t nnsterj,hörtm 3ur §eschlos,enen fÜrsllic w1. �1!b�hn,. =) 2t.April .185a. 286

Kalliwodas kompositorisches Schaffen er­ streckte sich auf nahezu alle damals gepfleg­ ten Gattungen und Besetzungsformen. Sei­ ne Kompositionen nahmen von 1825 bis etwa zur Mitte des 19.Jahrhunderts im Reper­ toire der deutschen Theater, Orchester und Chöre einen beachtlichen Platz ein, gerieten aber dann schnell in Vergessenheit. Musika­ lisch frühreif prägte er seinen musikalischen Stil in seinem dritten und vierten Lebens­ jahrzehnt aus, den er sodann nicht mehr wei­ terentwickelte. Mit seiner ersten Symphonie gelang ihm ein genialer Wurf, der zu großen Hoffnungen berechtigte. Er machte „vielsei­ tig, auf jedem Gebiete sicher, oft neu und ori­ ginell und doch einfach und natürlich, wie­ derholt den Eindruck eines Auserwählten“ (so Kretzschmars Konzertführer). Melodi­ sche Erfindungsgabe, gehaltvolle Thematik und solide Kontrapunktik machen die Stär­ ken seines Stiles aus. Wäre Kalliwoda nur ein unbedeutender Epigone Webers, Spohrs und Mendelssohns gewesen, hätte ihm Robert Schumann sicher nicht mehrere Beiträge in der von ihm begründeten „Neuen Musikzei­ tung“ gewidmet. Schumann lobt an Kalliwo­ das fünfter Symphonie „die in allen Sätzen herrschende Zartheit und Lieblichkeit und die vielen feinen und kunstreichen Züge, sowie die glänzende Instrumentation.“ An anderer Stelle vergleicht Schumann Kalliwo­ das Symphonien mit „Blitzen, die einmal an römischen und dann an griechischen Rui­ nen hingleiten.“ Im Formalen tadelt er je­ doch die übermäßigen Breiten in der Aus­ fuhrung und die Ungleichwertigkeit der ein­ zelnen Teile. Kalliwodas Ouvertüren zeigen anfangs noch Schwung und frische Natür­ lichkeit. Die späteren Werke lassen keinen musikalischen Fortschritt im Sinne einer Vertiefung oder Vergeistigung seines Stils erkennen. Aus heutiger Sicht kann man die meisten seiner späteren Werke der gehobe­ nen Unterhaltungsmusik zurechnen. Seine zeitgenössischen Kritiker halten ihm „routi­ nierte Vielschreiberei“ vor. ,,Schade um ein ursprünglich so schön angelegtes Talent“ ist schließlich in der Fachpresse zu lesen. Seinem persönlichen Wesen fehlte jeder extravagante und künstlerisch exaltierte Zug. Seine Werke zeichnen sich durch rhythmi­ schen Schwung, heitere Gelassenheit und apollinische Klarheit aus. Tiefe des Aus­ drucks oder dramatische Leidenschaft blie­ ben ihm fremd. Viele Seiten seiner Persön­ lichkeit lassen ihn eher als Hofbeamten erscheinen denn als freischaffenden Musi­ ker. Letztlich blieb seine Persönlichkeit ähn­ lich wie die Rossinis dem Ancien Regime des 18. Jahrhunderts zugetan und dem Bieder­ meier-Stil verhaftet. Auch musikalisch ge­ lang es ihm aufDa uer nicht, Anschluß an die bürgerlich geprägte Musikkultur der deut­ schen Hochromantik zu finden, die mehr am vorwärtsorientierten Wirken und Schaf­ fen von Brahms, Wagner und Liszt Anteil nahm.Kalliwoda ging es wie vielen Komponi­ sten, die in jungen Jahren zu großem Ruhm gelangt waren: In seinem letzten Lebensjahr­ zehnt mußte er zur Kenntnis nehmen, daß die musikalische Fachwelt sich für ihn nicht mehr interessierte. Möglicherweise trug die Abgeschiedenheit der kleinen Residenz Do­ naueschingen auch zur künstlerischen Isola­ tion des Komponisten bei. Seine Werke ver­ schwanden ab 1850 schnell von den Konzert­ programmen. Etwas länger hielten sich seine Kammermusik-und Chorwerke im Reper­ toire. Zu seinen besten Werken gehören sei­ ne erste und fünfte Symphonie sowie seine Messen für Chor und Instrumente, die zum größten Teil noch in Donaueschingen in der Hofbibliothek aufbewahrt werden. Eine be­ sondere Vorliebe muß Kalliwoda dem soli­ stischen Konzertieren von Blasinstrumenten entgegengebracht haben; auffallend viele Solokonzerte und Konzertstücke sind für Flöte, Oboe, Fagott und Horn geschrieben. Darüber hinaus schuf Kalliwoda eine Fülle von Liedern und Chormusik. Von diesen Werken blieb allein das „Deutsche Lied“ bis in die dreißiger Jahre bei Chorfesten leben­ dig. In der zeitlichen Distanz erscheint Kalli­ wodas Werk als letzter und bedeutender Bei-287

trag zum Stil der deutschen Frühromantik. Eine jedem Pathos abholde Schönheit und unaufdringliche Eleganz spricht aus den Werken, die sein Wirken überdauert haben. Daß das 20.Jahrhundert Kalliwodas künst­ lerische Bedeutung wohl gerechter als sei­ ne jüngeren Zeitgenossen einschätzt, wird durch die Tatsache belegt, daß mittlerweile eine ganze Reihe von Werken in Musikverla­ gen ediert bzw. neu aufgelegt wurden oder aufTonträgern erhältlich sind. Als Beispiele seien genannt: Introduktion und Variation für Klarinette und Klavier op. 128, Variatio­ nen und Rondo für Fagott und Orchester op. 57, Divertissement für zwei Hörner und Orchester, Introduktion und Rondo für Horn und Orchester op. 51 (alle bei Edition Eulenburg/Kunzelmann verlegt). Auf Schall­ platte/CD sind in den letzten Jahren die erste, fünfte und sechste Symphonie (Can­ dideNox bzw. Disco-Center/Centaur), das Concertino op. 110 F-Dur für Oboe und Orchester (Edition Capricio), Introduktion, Thema und Variationen op. 128 für Klari­ nette und Orchester (Edition Koch) sowie einige Kammermusikstücke erschienen. Besonders das Lied- und Chorschaffen sowie das Klavierwerk Kalliwodas harrt noch der Wiederentdeckung. Es wäre zu wün­ schen, daß eine Auswahl dieser Werke Kalli­ wodas der Öffentlichkeit in Aufführungen und Editionen bekannt gemacht würde. Willi Frank ,,MUSICA MECHANICA“ Ein neuer programmatischer Akzent der 40. Donaueschinger Musiktage 1994 Die gewerblichen Schulen in der Träger­ schaft des Landkreises wurden vom 14. bis 16. Oktober 1994 im Rahmen der Musiktage zur Pilgerstätte von Musikexperten, Tonkünst­ lern und Besuchern aus der ganzen Welt. Ein neuer Akzent im Programm der 40. Donaueschinger Musiktage war die „Musica mechanica“, die elfTonkünstler zur Vorfüh­ rung ihrer mechanischen Instrumente in die Werkstätten der Schule führte. Bei der Eröff­ nungsfeier freitagabends in der Aula der Gewerbeschule erklang einleitend und als Uraufführung die Etude pour Piano No. 14a COLOANA PARA SFARSIT. Von den zwei pianistenlosen Flügeln war bei den Uraufführungen und auch bei den Player-Piano-Workshops 1 und 2 am Samstag bzw. Sonntag „mechanische Musik“ zu hören. Da die Kompositionen technisch äußerst schwierig sind, kanh Genauigkeit, Schnellig­ keit und Brillanz auf den Flügeln nur durch Lochstreifen und Computersteuerung er­ reicht werden. Die rasenden Tonleitern und Klangfolgen 288 der kaum mehr als fünf Minuten dauernden Stücke voller Klangfülle waren für das mensch­ liche Ohr fast nicht mehr unterscheidbar. Darüberhinaus sprach die Komposition auch gewollt den Sehsinn als Hilfe und Un­ terstützung an. Man setzte das Klanggesche­ hen in Bilder um, wobei bewegte graphische Strukturen auf einer Leinwand zu sehen waren. Auf die Leinwand projiziert wurden dabei die Perforationslöcher des als Tonin­ formationsträger dienenden Papierstreifens. So wurde die jeweils innere musikalische Logik in Form von graphischen Stickmu­ stern sichtbar. Während mit Hilfe des Selbstspielklaviers und Notenrollen die . . . Möglichkeiten des Klangspektrums erforscht wurden, bildeten die ,,Musikmaschinen“ im Programm eine wei­ tere Neuerung. Diese hatten zum Ziel philo­ sophische Gedanken zum Phänomen der Zeit in Musik beziehungsweise in Töne umzusetzen (Helmut Weidhase, Südkurier). So wurden mechanische Musikinstrumente der Ausstel­ lung „Musica mechanica“ in Räumen der

� Ll.w„u J. ,t • • Loch-1„Stickmuster“, Programmheftauszug zu Hans Haass, Intermezzo Auszug aus dem Musiktageprogramm zur Eröffnungsfeier Gewerblichen Schulen von zwanzig Künst­ lern mit der Absicht vorgeführt, andere Kunstformen mit der Ton-Kunst zu verbinden. ,,Musique machinales“ (Gitarrenart mit Bau­ kastenelementen) Eröffnung der Ausstellung Musica mechanica Mechanische Musikinstrumente György Ligeti �TUDE POUR PIANO No. 14a „COLOANA FARA SFARSIT“ (1993) Übertragung von Francis Bowdery Uraufführung Dauer: ca. 2 Minuten Carlos Sandoval FAST PIECE für Player Piano (1991) Uraufführung Dauer: 6 Minuten Tom Johnson STUDY für Player Piano (1994) Uraufführung Dauer: 3.40 Minuten Hans Haass FUGE IN C für mechanisches Klavier (1926) Dauer: 4.30 Minuten INTERMEZZO für mechanisches Klavier (1927) Dauer: 4.40 Minuten Conlon Nancarrow STUDY No. 40 a, b (1988) für 2 Player Pianos Live-Uraufführung der Version für 2 Player Pianos Dauer: 8’40 Minuten Jürgen Hocker Player Pianos Sendung: Diens1ag, 1. November 1994, 19.05 Uhr über 52 Kultur 289

„Hangi.ng Klompen“ (hängende Holzschuhe) Vorgestellt wurden selbstspielende, aus unterschiedlichen Elementen zusammenge­ setzte Gegenstände, die auch die räumlichen Vorgaben der Gewerbeschule mit einbezo­ gen. Zwei Ausstellungsstücke können diesen Akzent recht gut verdeutlichen: So war beispielsweise im Raum E 1.07 die Installation HANGING KLOMPEN (von Trimpin) zu sehen und zu hören. Rund ein­ hundert holländische Holzschuhe (Klom­ pen) hingen wie ein Mobile von der Ecke. Der Betrachter oder Zuhörer wandelte nicht nur durch einen „Klang-und Farbenwald“, sondern er löste beim Betreten gleichzeitig eine Melodienfolge aus, deren durchdrin­ gender Klang durch kleine Klöppel in jedem Schuh elektro-mechanisch erzeugt wurde. Darüberhinaus konnte jeder Besucher an den Klompen „spielen“, indem er Knöpfe betätigte, die den elektromechanischen Ab­ lauf beeinflußten (nach Trimpin, 135). 290 Die MUSIQUES MACHINALES von Pierre Bastien werden als Musikautomaten beschrieben, die aus Teilen der Meccano­ Metallbaukästen für Kinder zusammenge­ setzt wurden. Sie bestehen aus elektronisch betriebenen Maschinen, die rhythmische Folgen auf verschiedenen Musikinstrumen­ ten spielen. Diese ungefähr dreißig traditio­ nellen Schlag-, Saiten-und Blasinstrumente, die aus Europa, Asien und Afrika stammen, wurden automatisiert, programmiert und so an die Maschinen angepaßt. Auf diese Weise entstand eine ganz neue Art der Musikpraxis. Die Meccano Elemente der MUSIQUES MACHINALES verbinden somit Energie und Musik, Elektromotor und Musikinstru­ ment (nach Pierre Bastien, 108). Die Ausstellung „Musica mechanica“ kam bei der Kritik gut an, was sowohl am zahlreich erschienenen interessierten Publi­ kum als auch am Echo in den Medien abzu-

Letzter Schliff vor der Aufführung: Spezialist (rechts) mit Komponist Carlos Sandoval am Welte­ Mignot-Klavier lesen war. Dies war sicherlich auch dadurch möglich, daß die Lehrerschaft der Gewerb­ lichen Schulen uneigennützig und engagiert in ihrer Freizeit die Künstler und Akteure beim Aufbau und während der Veranstal­ tung tatkräftig unterstützte. Der Südwest­ funk dankte in diesem Sinne Schulleitung und Kollegen der Gewerblichen Schulen Donaueschingen. Dr. Winfried Waldvogel Requiem II ich suchte den Wald – über braunen Tannenresten ragt ein Autobahnkreuz – ich suchte die Wiese – zugebaut mit Einzelzellen – ich suchte den Bach – eingedolt in Beton – ich sucht den Menschen und fand einen Hörigen, ausgeliefert dem Lautsprechergequarre und Videogeflimmere das junge, selbsternannte Götter für ihn machen 20. Jahrhundert Christiana Steger 291

Brauchtum Rudolf Gleichauf und die „Badischen Landestrachten“ Rudolf Gleichauf ist neben Lucian Reich der „Kronzeuge“ für die Tracht der Baar. 1826 in Hüfingen geboren und väterlicher­ seits mit Johann Nepomuk Schelble ver­ wandt, wurde ihm eine solide Ausbildung am Städel’schen Institut in Frankfurt ermög­ licht. Er verbrachte mehrere Jahre in Mün­ chen bei Schnorr von Carolsfeld, später lebte und wirkte er in Karlsruhe und starb dort 1896. Gleichauf war ein sehr guter Portraitist, außerdem arbeitete er mit den großherzog- liehen Baudirektoren Hübsch und Dürr zusammen. Er wirkte unter anderem an der Ausmalung der Kunsthalle, des Hoftheaters und des Vierordtbades in Karlsruhe, der Trinkhalle in Baden-Baden und verschiede­ nen Kirchen mit. Auch am fürstlichen Hofe in Donaueschingen war Rudolf Gleichauf als Dekorationsmaler tätig. Die Tracht war nicht sein eigentliches Thema und vermutlich galt ihr auch nicht sein besonderes Interesse. Ein großherzog­ licher Auftrag vom 1. Februar 1861 bewirkte 292

jedoch, daß sich der Künstler mit Akribie mit Trachten befasste: Er sollte eine »systemati­ sche bildnerische Dokumentation“•> der badischen Trachten anfertigen. Rudolf Gleichauf schuf bis zum Ende des Jahres 1869 39 Aquarelle, die heute im Besitz des Badischen Landesmuseums sind. Geplant war, ein umfassendes badisches Trachtenwerk zu veröffentlichen. Der Kunstverlag H. Müller in Stuttgart sollte die Bilder herausgeben – das Unternehmen gelang nur ansatzweise: nachdem zehn Blät­ ter in den Handel gekommen waren, wurde der Druck weiterer Bilder eingestellt, da es an interessierten Abnehmern mangelte.2> Für Hüfingen ist interessant, daß jedoch noch weitere Drucke hergestellt wurden – nicht von Müller, sondern vom Hüfinger Lithographen Johann Nepomuk Heine­ mann. Diese Blätter unterscheiden sich durchaus von den Müller-Drucken, zeich­ nen sich durch zurückhaltendere Farbge- Wt:STLICHl:. BAAi‘ bung aus und sind dem Original-Aquarell von Gleichauf ähnlicher. Die Gleichaufschen Trachten werden von ihren Trägern regelrecht „präsentiert“; auch die den Aquarellen vorhergegangenen Skizzen zeigen keine „Schnappschüsse“, sondern Personen, die dem Künstler Modell saßen. Zieht man noch in Betracht, daß Rudolf Gleichauf selbst zu den baaremer Trachten, die er zwischen 1862 und 1865 dokumentierte, geschrieben hat, daß sie zu diesem Zeitpunkt sehr selten, 40 Jahre zuvor, also um 1820 noch häufiger anzutreffen ge­ wesen seien, so erstaunt seine Darstellungs­ weise nicht. Rudolf Gleichauf kannte dem­ zufolge aus eigener Anschauung die Tracht nicht mehr als allgemein übliche Kleidung, genausowenig wie die Personen, die ihm in der Tracht Modell saßen. Schwierigkeiten, jemanden zu finden, der noch eine Tracht besaß und bereit war, dem Künstler Modell zu sitzen, könnte auch ein Grund für den 293

relativ langen Zeitraum von acht Jahren, die Gleichauf für seine Dokumentation brauch­ te, gewesen sein. Auch die Tatsache, daß die fertige Serie kaum Abnehmer fand und der Druck nach nur zehn Blättern eingestellt worden ist, spricht für sich. Die Gleichaufschen Trachtenbilder ent­ sprechen Darstellungen in einem Modejour­ nal, sind ästhetisch sehr ansprechende Werke, dazu ist Rudolf Gleichauf bis ins Detail genau – jeder Knopf, jede Naht und jeder Stich sind zu erkennen. Dazu kommt die ausführliche Beschreibung jeder Tracht und die Auflistung aller Einzelbestandteile mit der Preisangabe für eine „feinere“ und eine „geringe“ Ausführung. Vergleicht man nun die Kosten für die Anschaffung einer einfacheren Tracht mit dem Verdienst eines Knechtes bzw. einer Magd zu dieser Zeit, so wird schnell deutlich, daß eine Tracht nicht für jeden erschwinglich war. 3> In den nachfolgenden Ausführungen gibt Rudolf Gleichauf eine Beschreibung der Volkstrachten aus der Baar und zwar aus dem westlichen Teil (es handelt sich um hand­ schriftliche Aufzeichnungen, die bisher nicht veröffentlicht worden sind): Die Tracht der Baar ist zu Hause in den Orten: Donaueschingen, Hüfingen, Allmendshofen, Pfohren, Unterbaldingen, Aasen, Gutmadingen, Sumpfohren, Neudingen, Fürstenberg, Behla, Riedböhringen, Riedöschingen, Blomberg, Hau­ senvorwald, Bacheim, Unadingen, Döggingen, Munde!fingen, Ofterdingen, Bräunlingen, Löf­ fingen, Bruggen, Hubertshofen, Wolterdingen, Tannheim, Aufen, etc. Dieselbe wurde vor etwa 40 Jahren noch ziemlich allgemein getragen, gegenwärtig.findet man sie in ihrer Achtheit nur noch bei Einzelnen oder mit vielen modernen Abweichungen. Sie besteht bei den Männern in dem bis an die Hüften reichen­ den Kittel „Schopen“ von dunkelgrünem oder schwarzem Samt mit Stahlknöpfen, oder auch, besonders bei Verheiratheten Männern in dem langen dunkelblauen Tuchrock mit Stehkragen u. engen Ärmeln u. weißem Futtertuch, u. in dem schwarz u. rothseidenen Halstuch, das aber zu­ weilen mit einem goldenen Ring zusammengehal- 294 ten wird u. über welchem der Kragen des Leinen­ hemdes hervorsieht, sodann in der Pelzmütze von Marderpelz mit Goldtroddeln, oder in dem hohen runden, schwarzen Filzhut mit handbreitem Rand, den kurzen schwarzen enganliegenden Lederhosen mit reicher Verzierung an den Hüften u.großen blanken Stahlknöpfen besetzt, den wei­ ßen baumwollen oder wollenen gestrickten Strümpfen u. den bis über die Knöchel reichenden Lederschuhen „Knodenschuhen „oder in Stiefeln, die hier über die Waden oder die Knie reichen, das Hemd ist von Leinenzeug u. hat ziemlich weite Ärmel das Brusttuch von rothem Scharlach bis an die Hüften reichend, wird über der Mitte der Brust mit runden blanken eng aneinander gereih­ ten Knöpfen von Zink zusammengeknöpft. Die weibliche Tracht ist charakteristisch durch den hohen weißen, etwas spitz zulaufenden Strohhut mit schmalem Rand, der an den Stellen wo er über den Schläfen aufzusitzen kommt, mit breiten schwarzen seidenen ,,gewässerten « Bändern be­ setzt ist, die oben zu einer Schleife gebunden zu bei-

und festlichen Anlässen ist sie auch von Seiden­ zeug; das Hemd von Leinenzeug hat faltenreiche Ärmel die über dem Ellenbogen festgebunden wer­ den; an Sonntagen, bei Kindstaufen, Hochzeiten etc. ist die Gürte/kette, über den‘ Hüften um den Leib geschlungen, von versilbertem Messingdraht oder von Silber vorn in vielen Kettenreihen herab­ fallend, eine besondere Zierde; die Strümpfe von weißer Baumwolle sind gestrickt die Schuhe von schwarzem Leder sind weit ausgeschnitten. In früheren Zeiten trugen die Jungfrauen bei Pro­ zessionen, bei Hochzeiten die Braut die Schapel­ tracht; die Schapel war eine 1 Fuß hohe, oben 5 Zoll breite Jungfrauenkrone, von bunten Glasper­ len, Blumen, Gold und Silberflitter, von welcher zwei lange buntseidene Bänder bis aef die Füße herabhingen; in die, von der Stirne straff zurück­ gezogenen Haare wurde hochrothes Wollengarn den Seiten bis beinahe auf die Füße herabreichen, unter diesem, oder auch (wie in gegenwärtiger Zeit) ohne diesen wird die schwarze Kappe getra­ gen, die nach vorne zu mit zwei schwarzseidenen Bändern besetzt ist, die gleich denen auf der Rück­ seite entweder frei herabhängen oder unter dem Kinn gebunden werden, die nur wenig erhöhte handbreite jla.che Rückseite der Kappe ist mit Sil­ ber oder Goldstickereien au/Samt oder mit gelben Brockat verziert, an dem unteren Ende desselben sind zwei schwarzseidene Bänder oben schleifen­ artig verbunden, befestigt, und hängen bis auf die Fi{ße herab; ein weiterer Bestandtheil bildet der Schopen (Armelschopen) von schwarzem Tuch mit engangliegenden vorne umgeschlagenen Ar­ meln, hinten kurz und nach vorn zu länger ausge­ schnitten, auf der vorderen Fläche und auf den Ärmelumschlägen mit au/gemodelten (verzierten) handbreiten schwarzen Seidenbändern besetzt, am oberen Rand und auf der Rückseite in der Form der Schulterblätter ist Plz Zoll breiten gemo­ delten schwarzen Samtbändern besetzt; der Gol­ fer, meist von Samt, mit Gold oder Silberstickerei und Flimmer umschließt zur Hälfte den Hals, und bedeckt den oberen Theil der Brust und des Mieders, an seinen vorderen Ecken rothseidene Bänder oder Ketten, die unter den Armen durch­ geschlungen an den Ecken der hinteren Seite befe­ stigt werden; über dem Golfer ist das große roth oder schwarzseidene Halstuch mit lichten Rand­ verzierungen geschlungen, und auf dem Rücken geknüpft; Brust und Rücken sind von dem oberen Theil der Jüppe (Hüppe) von buntem Brockatsto.ff oder von buntem Samt oder Seidenstoff bekleidet, vorn durch den mit Stickerei verzierten Brustlatz (Vorstecker) verbunden, der durch die Neste! (schmale farbige Samtbändchen oder auch Ketten, die durch die an den Seiten befindlichen Haften gezogen werden)festgehalten wird; die »Hüppe“, der Oberrock besteht aus schwarzem Wollenstoff, ist sehr eng gefältelt, ein Fuß hoch am unteren Rande mit roth und blauem Wollens toff besetzt, und reicht bis an die Knöchel· der Unterrock ist von scharlachrothem Wollenzeug, die Schürze von farbigem, meist blauem oder grünem Baum­ wollensto.ffmit schmalen gelben Streifen ist in viele Falten gezogen und so groß, daß sie beinahe den Oberrock vollständig bedeckt, bei reichen Frauen

Es ist natürlich, daß bei den Feldgeschäften der Landleute manche wesentliche Theile der Tracht zur bequemeren Verrichtung der Arbeit, oder auch um die Kleider zu schonen, nicht angezogen wur­ den, sodaß man, um die ganze Tracht zur An­ schauung zu bringen, genöthigt ist, zumeist die Sonntagstracht darzustellen, und hierbei hat auch selten eine Ausnahme gemacht werden können; zur Sommerszeit arbeiten Männer und Burschen fast immer in gewöhnlichen Kitteln oder Hemdär­ meln, die langen Röcke werden vermieden; Frauen und Mädchen tragen statt der schwarzen „Hiippe“ und statt dem Brustlatz und der engen Nesteleinfassung eine leichtere Bekleidung, auch das enganliegende Käppchen wird oft vennieden, und statt dessen ein farbiges Tuch entweder ein­ fach um den Kopf gelegt und am Kinn gebunden, oder bei großer Hitze nur oben auf dem Kopfe von den Zöpfen festgehalten, sodaß es in leichtem Fal­ temilu,:f über das Gesicht hervorsteht und Schat­ ten gewährt, ist das Mädchen, daß sich einen der­ artigen Kopfputz zurechtmacht, noch jung, viel­ leicht auch hübsch und guter Laune, so wird noch ein lustig blühend und rankendes Zweiglein hin­ eingeflochten, das sich oft nicht minder glücklich geflochten nach millelalterlicher Weise; ein schwarzer Flor oder tajfetnes Tuch war in der Gegend der Schläfen befestigt und nach Art der altdeutschen Marienbilder um Wangen und Kinn und Hals bis auf die Brust herab geschlun­ gen, zu dem festlichen Anzuge trugen sie eine schwarzseidene Schürze und die Gürte/keile, in der Hand eine Wachskerze, und ein weißes Schild mit rothen Rosen und dem Nahmenszug der HI. Maria bemalt. in längsvergangenen Jahren sollen die Männer unter dem blauen langen Tuchrock einen beinahe ebenso langen Rock ohne Kragen von karmesin­ rothem Wollensteff getragen haben,ferner von Her senträgern über dem Brusttuch festgekniipfl; die Frauen der damaligen Zeit Pelzkappen ähnlich denen, wie sie später Männer und Burschen trugen. in Traue,:fällen war die ganze Tracht schwarz, nur der Hut der Frauen weiß und darunter eine Spitzenhaube, die unter dem Kinn mit schwarzen Bändern gebunden wurde. Besuche und Reisen in der Gegend 1t)l(rden von den Bm,ernhefsbesitzern und ihren Frauen zu Pferd gemacht. 296

ausnimmt, als die silbergestickten auf dem sonn­ täglichen dunkelsamtenen Goi/er. In vier Bildern, und zwar drei Bildern in Kniestückformat und ein Gesamtbild in gan­ zen Figuren, beschreibt Rudolf Gleichauf die Trachten der westlichen Baar. Das Bild Seite 293 (rechts) zeigt die männ­ liche Tracht, einen Burschen in dem Samt­ schopen mit Stahlknöpfen, in der Marder­ pelzmütze, in dem „rothen“ Brusttuch „Leible“ mit den vielen runden Knöpfen, den schwarzen, verzierten Lederhosen, die stets bereite Ulmer Pfeife in der Hand steht er im ,,Esch“ (Gemarkung) zwischen Kornfeldern, einen Bekannten erwartend; die Feme ist im Charakter der Baar gehalten. „rothsamtenen“ Nesteln, mit der silbernen Gürtelkette auf der festtäglichen Schürze, dem „Bigkorb“ an dem einen Arm ist sie als auf der Wanderung in ein nahegelegenes Dorf oder Städtchen gedacht. Das Bild Seite 296 (unten rechts) stellt ein junges Mädchen dar als Schnitterin in der fruchtbaren Baar; das Kopftuch aufgebun­ den, mit breiten Zöpfen und grünen Ranken geschmückt, mit der Sichel in der Hand von der Arbeit ausruhend, sitzt sie im Freien neben sich den Krug und ein Sträußlein Erdbeeren. Das Gesamtbild (Seite 292) zeigt männli­ che und weibliche Trachten, wie sie oben beschrieben sind, in ganzen Figuren, darun­ ter auch ein Schapelmädchen. Susanne Huber-Wintermantel M.A. I) vgl. Schmitt, H.: Volkstracht in Baden, S. 59 Z) vgl. Schmitt, H.: a. a. 0., S. 59 J) vgl. Gutmann: Landw. Corresp. blatt, V /VI 1860: Der Jahreslohn eines Knechtes betrug zu dieser Zeit dem­ nach 66 fl.barsowie für6 fl.Tuch; der einer Magd 24 fl. bar und die selbe Menge Tuch. Das Bild Seite 294 (rechts) zeigt die weibli­ che Tracht, eine junge Frau in dem hohen weißen Strohhut mit den schwarzseidenen Bändern zur Seite, in dem großen seidenen Halstuch, in dem schwarzen Ärmelschopen, mit dem gestickten Vorstecker und den Die Triberger Fastnachtsmasken und -kostüme Der „Federeschnabel“ Wie so oft, ja bei fast allem verbergen sich die Anfänge und Urspünge im Dunkel-Ge­ heimnisvollen der Geschichte, und ebenso oft bemächtigen sich Gerüchte und Legen­ den des Geschehens, wo man sichere Quel­ len vergeblich sucht. Irgendwann zu Beginn der Neuzeit, vor 400 Jahren also, wurde die Spottfigur des Federeschnabels als die Ver­ körperung der Armut geschaffen, so weiß es die Überlieferung. Obervögte und Pfandher­ ren ließen sich zwar nicht gebratene, aber doch geschlachtete und gerupfte Vögel (Hühner und Singvögel) ins Haus bringen, darüber hinaus ein großes Maß an Natural­ abgaben, ,,Zuberhaber“ zum Beispiel. Ein Obervogt habe eine Zwangsabgabe an Feder­ vieh für eine Festlichkeit eingetrieben, unge­ wiß ob in einem Mißjahr oder nicht, so daß es den Untertanen nicht mehr möglich war, sich mit warmer Kleidung zu versehen. Es fiel ihnen nichts anderes ein, um ihre Not 297

zum Ausdruck zu bringen, die besonders ihre Winterkleidung betraf, als an ihre Klei­ der Federn zu nähen, und um sich unkennt­ lich zu machen, den Kopf in eine Maske aus Zinkblech zu stecken, der sie die Form eines Schnabels gaben. So wurde der Federeschna­ bel, „die Spottfigur gegenüber der Triberger Burgherrschaft“ (H. Erhardt), zur frühesten Triberger Fastnachtsfigur, gewiß keine ge­ wöhnliche Art, dies zu werden. Der Reim, den man dem Träger des Federeschnabels entgegenrief, „Federeschnabel rät-tät-tät, wenn dich nur de Kuckuck hät.“, bedeutet gleichzeitig Opposition gegen die politische Herrschaft wie Angehen gegen das unfaßbare Schicksal. Die Gestalt existiert im ganzen nur dreimal. Das Orignal (mit dem Zinkblechschnabel) ist Eigentum der Nar­ renzunft Triberg und wird -so will es die Vorschrift -beim Fastnachtsumzug als Ein­ zelfigur getragen. Eine Kopie ist im Schwarz­ waldmuseum ausgestellt. Zweimal erhielt sie ein neues Kleid, 1929 von der Firma Karl Griesbaum und 1959 im Auftrag der Narren­ zunft von Damenschneiderin Emma Dip­ pel. Die dritte Figur ist im Narrenschopf in Bad Dürrheim ausgestellt. Die beiden Figu­ ren haben eine Maske aus Holz. Der „Rote Fuchs“ Wie die zweite Fastnachtsfigur, der „Rote Fuchs“, ursprünglich ausgesehen hat, war nur noch aus alten Fotos zu erschließen. Er war jahrzehntelang in der Versenkung ver­ schwunden, bis er im Auftrag der Narren­ zunft von Holzbildhauermeister David Kienzler in Schonach 1935 neu geschnitzt wurde. Getragen wurde diese Scheme, (in Triberg weiblichen Geschlechts und „Sche­ me“ genannt, vgl. „Geschichte der Stadt Tri­ berg im Schwarzwald“ von Wilhelm Maier und Karl Lienhard, Freiburg 1964, S. 443 f.), Symbol nicht nur für Schläue, sondern auch für Schalkheit, mit Fuchsschwanz und rotem Gewand. Die jetzige, künstlerisch wertvolle Fuchslarve wurde 1953 von Holzbildhauer Manfred Merz, VS-Villingen, geschnitzt. Für 298 die Fastnacht 1958 stiftete Fabrikant und Jäger Paul Furtwängler mehrere Fuchsbälge, d.h. echte Fuchspelze. Fuchsgesicht und Fuchsgewand wirkten jetzt noch naturge­ treuer und bereicherten die Fastnacht in Tri­ berg.Der „Triberger Teufel“ Welche Vermehrung ein Einzelkunstwerk erleben und welches Schicksal es haben kann, zeigt die Maske des Triberger „Teufels“. Zur Entstehung des Teufelskostüms findet sich in den Akten zur Triberger Fastnacht die Vermutung, deren Wahrheitsgehalt noch genauer erforscht werden müßte: Nach dem Ende der Herrschaft der Vögte wurde auch ihre Truppe aufgelöst und ihre Uniformen in Fastnachtskostüme umgemodelt. Erhalten blieben, was diese These stützt, die aufge­ nähten Zackenlitzen, die Doppelknopfrei­ hen, die geknotete Kordel und die über Kreuz getragenen Glockengurte. Das Urbild der Teufelsmaske ging verloren. Nach einem

Spuren zurückgeblieben wären. 1945 mußte man vor dem Einzug der Besatzungsmacht um ihr Leben fürchten. So sorgte Zunftmei­ ster Karl Siebert für ein sicheres Versteck. Sie wurde in einem Tresor der Bezirkssparkasse versteckt, der Tresor im Keller des Gebäudes in den Erdboden versenkt und die Stelle dar­ über glattzementiert. So überstand die Maske auch diese Wirrnis. Heute wird sie zu Recht von Frau Rosemarie Siebert wie ein Heiligtum gehütet. Bis 1959 blieb diese Maske ein Einzelstück, aber dann erlebte sie einen Aufschwung ohnegleichen. Manfred Merz schnitzte nach einem Foto 1952 zwei TribergerTeufel und stellte von 1952 bis 1968 in Handarbeit etwa 80 Triberger Teufelslar­ ven her, die er auch bemalte. In den letzten Jahren wurde er dabei von seinem Vater Eu­ gen unterstützt. Er führte minutiös Buch über jedes Einzelstück. Ab 1968 wurden die Teufelslarven von anderen Schnitzern meist kopiergefräst, wobei ein Merz-Teufel als Vor­ lage diente. Heute gibt es eine Anzahl von etwa 350 Exemplaren, genug um am Abend des „Schmutzigen Donnerstag“ einen reinen Teufelsumzug durch die verdunkelte Stadt ziehen zu lassen. Allein die Fackeln erzeugen ein romantischfastnächtliches Licht. Der Umzug findet seit 1980 auf Initiative von Zunftrneister Theo Hirt und Stadtapotheker Gerd Luz, Bürgermeister i. R. Alfred Vogt und Peter Erhardt statt. Der „Spättlehansele“ 1874 kam der Spättlehansele in Triberg auf. Närrisch wollte man an der Fasnet sein und es äußerlich zeigen, und doch durfte es nicht kosten, was es wolle. Also wußte man sich zu helfen, indem man seine Jacke umdrehte, und um die Wirkung fastnachts­ mäßiger zu machen, möglichst bunte Spät­ ter daraufnähte. Zum farbenprächtigen Spättlekostüm kam eine Maske, die auf der einen Hälfte lachen und auf der anderen wei­ nen kann. Zur Maske trägt der „Spättle“ eine weiße Halskrause, einen Fuchsschwanz an der Scheme und einen Gurt Glocken. Der­ zeit gibt es in Triberg etwa 40 „Hästräger“. 299 aber damals noch vorhandenen Exemplar schnitzte 1893 der aus der Schweiz stam­ mende Holzbildhauer Friedrich Pfahrer eine neue Scheme. Den Auftrag dazu erhielt er von Maskenverleiher Carl Erhardt. Dem jungen Mann, der noch die Schnitzerfach­ schule in Furtwangen besuchte, gelang ein Meisterwerk: das grinsende Teufelsgesicht mit seinen Hörnern, den schwarzen Stirn­ haaren und dem schwarzen Kinnbart. Das rotglänzende Gesicht und das rote Gewand spiegeln den Widerschein des höllischen Feuers. Zu seinen Utensilien gehören heute die gekreuzten Sehellenriemen, die schwarze Halskrause, schwarze Handschuhe, ein Fuchsschwanz an der Maskenhaube und eine Klopfpeitsche oder eine „Sublodere“. Auch Masken können ihr Schicksal haben. Dieses Original (seit 1926/29 im Besitz der Familie Siebert) bekam einmal während eines Umzugs einen so starken Schlag, daß ein Sprung zurückblieb, der zum Glück noch zu reparieren war, ohne daß sichtbare

Der „Gutseleschlecker“ Die neueste Kreation ist der „Gutsele­ schlecker“. Er erblickte erst 1979 in der Stab­ halterei Freiamt das Licht der Welt. Den Namen verdankt er Tribergs lieber Nachbar­ schaft früherer Zeiten, die die Städtler so nannten. Auf diesen Spottnamen also grif­ fen die Narren zurück und schufen eine neue eigenständige Figur mit einem freundlich gehaltenen Maskengesicht. Auf seiner her­ ausgestreckten Zunge ist ein abgelutschtes Bonbon zu sehen. Sein grünes Gewand ist mit vielen „süßen Requisiten“ geschmückt, wie es sich gehört. Mütze und Handschuhe sind in den Triberger Stadtfarben Rot und Weiß gehalten. Die Strümpfe sind gelb und erinnern an die „Badischen Gelbfüßler“, in alter Triberger Tradition stehen die Stroh­ schuhe. Die Fastnachtsgestalten geben natürlich dem Umzug am Fastnachtssonntag ihr Ge­ präge. Vorausgetragen wird eine Standarte, ihr folgen die vier Originalmasken: jeweils ein „Federeschnabel“, ein „Roter Fuchs“, ein 300

„Spättle“ und ein „Teufel“. Hinter diesen gehen die neugeschaffenen „Spättle“, der Narrenrat, die Musikkapelle und schließlich die „Teufel“. Die historischen Fastnachtsgestalten sind nun seit 1977 durch Bildhauer Hubert Bern­ hard aus Waldkirch in Steinguß im Narren­ brunnen verewigt – jedem sichtbar als Zei- chen für das Alter und die Lebendigkeit der Triberger Fastnacht. Karl Volk Für diese (gekürzte) Fassung wurde ein ausführ­ licher Beitrag von Heinz Erhardt f verwendet. In ihrer ganzen Länge konnte diese Arbeit im A lma­ nach keine Aufnahme finden. Trachten in Sunthausen Sunthausen ist die einzige Gemeinde auf der Baar, welche in früheren Jahren zwei ver­ schiedene Trachten ihr eigen nennen konn­ te. Wer kennt nicht den oft gebrauchten, lan­ desweit bekannten Ausdruck „Halb und halb wie Sunthuse“? Im Jahre 1572 wurden die Bürger von Sunthausen durch die Schenkung des da­ mals regierenden Fürstenhauses in zwei kon­ fessionell verschiedene Lager gespalten. Graf Heinrich von Fürstenberg vermachte damals aus einer Spenderlaune heraus das halbe junge Sunthausen“nnen in der alten Tracht, links die evangelische, rechts die katholische 301

schwarz. Das Mieder, das ebenfalls zur ,,Hippe“ gehört, wird vom mit Haften ver­ schnürt. Ein weißes „Koller“ mit weißen Bändern umrahmt den Hals. Die Kappe ist eine runde, enganliegende Haube aus Da­ mast mit Nackenbändem, die ebenfalls bis zum Boden reichen. Die früher getragenen langen Zöpfe waren in Samtbänder ein­ geflochten. Dreiviertellange, weißleinene Hemdsärmel schauen aus dem Mieder her­ vor und lockern somit das etwas strenge Schwarz auf. Über dem Mieder wird eine engärmelige schwarze Tuchjacke, die mit Samt eingerahmt ist, getragen. Das einzig Bunte an der evangelischen Tracht ist der rote Saum am Brustlatz sowie die weithin leuchtenden roten, selbstgestrickten Strümpfe, die unter der Hippe hervorlugen. Die Zeiten haben sich geändert, und die Tracht, welche in früheren Jahren die täg­ liche Bekleidung war, wird nur noch bei be­ stimmten festlichen Anlässen getragen oder zur Schau gestellt. Rudolf Siebold ,,._.,� Mühle im Hintertal/Nußbach Aquarell: Herbert Böhm Dorf Sunthausen mit allen Rechten und Zubehör seiner Gemahlin, Gräfin Sophie von Zollem, ohne sich wohl bewußt zu sein, welches Erbe er damit der Nachwelt und sei­ nen damaligen Untertanen und deren Nach­ kommen aufbürdete. Somit kam es auch zu den verschiedenen Volkstrachten innerhalb der Gemeinde. Der katholisch gebliebene Teil der Bürgerschaft trug nach wie vor seine angestammte Tracht, welche bei den Frauen aus der weithin bekannten Backenhaube besteht mit dem Kappenblätz, der sich durch besonders reichlich verzierte Silbersticke­ reien hervorhebt. Dabei bildet die Rose als Symbol in ihren verschiedenen Stadien (Knospe und Blüte sowie die Blätter und Ranke) die Verzierung des Kappenblätzes. Zu einer großen Schlaufe werden die breiten Bänder, welche am Haubenrand angenäht sind und die Wangen beidseitig bedecken, unter dem Kinn gebunden. Besonders auf­ fallend sind zwei lange Bänder, welche vom unteren Kappenrand von der Nacken­ schleife weg über den Rücken fast bis zum Boden den Abschluß der Kopfbedeckung bilden. Die Kappe und die Bänder sind ebenso schwarz wie der Rücken. Das Mieder oder „Brust“ ist aus Samt und kann rot, grün oder auch blau sein. Reiche Stickereien verzieren das Mieder, welches vorne durch Silberfäden verschnürt ist. Über dem Mieder ist der Halskragen oder wie man hier sagt, das „Koller“, grünseidene Bänder, welche unter der Achselhöhle durchgezogen werden. Aus dem Mieder ragt das „Leib­ chen“ mit seinen Puffärmel heraus, die bis zu den Ellenbogen reichen. Den Abschluß bil­ det eine grün-oder blauschillemde Seiden­ schürze, bekannt unter dem Namen „Für­ tuch“. Der Hüftgürtel setzt sich aus vielen sil­ bernen Kettchen zu einem Schmuckstück zusammen. Die evangelische Frauentracht wirkt in ihrer Art etwas einfacher und schlichter und besteht aus dem vielgefälteten „Hippen­ rock“. Im Volksmund hieß es halt „Hippe­ wieb“ oder ,,’s isch a Hippere“. Der Rock und die ebenfalls gefaltete Schürze sind 302

Die Baaremer Tracht in Hondingen Die Tracht ist für alle, die sie tragen, ein Symbol des Verbundenseins mit der heimat­ lichen Landschaft und ein äußeres Zeichen der Gemeinschaft. Die Tracht soll leben, d.h. gewisse Funktionen im Leben der Gemein­ schaft erfüllen. Sie darf und soll daher bei möglichst vielen kommunalen, kirchlichen und privaten Anlässen (Hochzeiten, Ehrun­ gen, Kommunion, Konfirmation, Schulent­ lassung, Jubiläen usw.) getragen werden, nicht nur etwa bei Heimatabenden oder in der Fremdenverkehrswerbung. Zur Beschreibung der Festtagstracht der Burschen Die schwarze Kniebundhose aus Stoff mit roten Bändern zur Verschnürung am Knie ist an die Stelle der schwarzen Lederhose in der gleichen Form getreten. Dazu gehören wei­ ße, wollene Strümpfe und schwarze Halb- schuhe, die je nach Vermögen quasi als Sta­ tussymbol wie bei den Frauen auch mit sil­ bernen Schnallen, den sog. „Rinken“, ver­ ziert sein können. Ein weißes Leinenhemd, welches in der Hose getragen wird, ist die Unterkleidung. Die in Hondingen rote, ärmellose Weste, das „Gillet“, mit vielen goldfarbenen Metall­ knöpfen versehen, setzt hier den Farbpunkt. Meist nicht ganz zugeknöpft schaut aus ihr das blaue, meist seidene Halstuch heraus. Die bis zur Gürtellinie reichende Jacke, den „Tschoben“, ist in Hondingen grün und hat am Vorderteil ebenfalls goldfarbene Knöpfe sowie am Halsausschnitt ein niedriges Steh­ krägchen. Die Kopfbedeckung ist in der ganzen Baar bis zum heutigen Tag die Pelzkappe. Sie wurde aus den Fellen heimischer Tiere wie Iltis, Marder und Fuchs gefertigt. Der Kap- 303

penboden aus Stoff oder Samt ist ge­ schmückt mit sich überkreuzenden, golde­ nen Borten und dem Troddel, auch „Zeddel“ genannt. Der Pelzaufschlag des vorderen Tei­ les der Pelzkappe ist höher als der rückwär­ tige. Während der kalten Jahreszeit wurde die Pelzkappe aus verständlichen Gründen auch zum langen Rock der Männertracht getragen. Die Freude, eine Tracht zu tragen, wird nur dann aufkommen, wenn sie aus gutem Material und passend gearbeitet ist und sorg­ sam gepflegt wird. Zur Beschreibung der Festtracht der Mädchen Zur Mädchentracht gehört ein langer, schwarzer Rock aus schwerem Stoff, welcher oben eng gefaltet bzw. gerafft ist. Die Falten laufen bald aus, so daß der Rock oder die „Hippe“, wie man in Hondingen sagt, unten sehr weit fällt, was beim Drehen im Tanz besonders zur Wirkung kommt. Die letzten Zentimeter des unteren Rocksaumes ziert ein schwarzer Samtstreifen von etwa 10 cm Breite, den ein schmaler Paspel abschließt. Das Samtrnieder, welches schwarz, rot, blau oder grün sein konnte, hat sich haupt­ sächlich bei der Festtagstracht durch das Besticken zum kostbarsten und schönsten Teil der Tracht entwickelt. Durch die Trach­ tenstickerinnen wurden kunstvolle Blumen und Blattmuster meistens mit Silberfaden aufgestickt. Als Stickunterlagen verwendete man ausgestochene oder ausgestanzte Kar­ tons, über die der Silberfaden gelegt und mit einem normalen Nähfaden festgenäht wurde. Heutzutage wird das Mieder genau auf die Trachtenträgerin zugeschneidert. Eine sil­ berne oder goldene Kordel, die „Nestei“ ge­ nannt wird, wird von sechs bis acht großen verzierten Haken gehalten und kreuzweise verschnürt. Die Kordelenden werden zu einer Schleife. gebunden. Die zwei Qyasten hängen über die Schürze, das „Fürtuch „, her­ unter. Ein ebenfalls samtener und reich bestick­ ter „ Vorstecker“ steckt hinter der Verschnü- 304 rung. Die Schürze, aus feinem Schiller Taft­ stoff bestehend, kann in verschiedenen Far­ ben sein, bildet aber immer einen feinen Kontrast zum Schwarz des Rockes und setzt farbige Akzente. Das bestickte Stehkrägchen des Koller oder „Goller“ umschließt eng den Hals. Der kleine Rand einer schützenden, eingenähten, schmalen und weißen Spitze ist am Hals sichtbar. Rote, schmale und ge­ zackte Moirebänder, an den unteren Koller­ ecken angenäht, hängen jeweils unter dem Arm durch. An einem aus weißem, feinerem Leinen gefertigten „Leibchen“, welches praktisch als Hemd oder Bluse unter dem Mieder getra­ gen wird, sind weite „Puffärmel“ angenäht, die den Oberarm „schinkenartig“ umgeben. Sie sind exakt gefaltet und laufen zu einem Bündchen aus, das über dem Ellenbogen mit weißen Leinenbändeln gebunden wird. Gehäkelte, fingerlose „Handele“ aus wei­ ßer Wolle bedecken Hand und Arm bis knapp unterhalb des Ellenbogens und wär­ men in der kühleren Jahreszeit. Als Kopfbedeckung tragen die Frauen ,,Bändel-Kappen“, die immer schwarz sind. In der Hauptsache bestehen diese Häubchen aus breitem, schwarzen und gezackten Moi­ reband. Breite Backenbänder, ebenfalls aus Moirematerial, werden unter dem Kinn zu einer Schleife gebunden und halten so die Haube fest. Der Kappenboden, ein fast rechteckiger „Kappenblätz“, besteht aus mit Samt überzogenem Karton. Dieser kann ent­ sprechend dem Koller verschiedene Farben haben und ist reich mit Silberfäden bestickt. Bei der Trauerkappe ist der Kappenboden schwarz und mit schwarzer Seide bestickt. Aus einer kleinen Schleife in der Nacken­ gegend hängen zwei breite, schwarze und gezackte Moirebänder bis zum Rocksaum. Die Strümpfe der katholischen Trachten­ trägerin der Baar sind aus weißer Wolle und der Schuh entwickelte sich vom robusten Schnürschuh zu einem zierlichen Halb­ schuh aus Leder. Landjugend Hondingen

Lebendiges kirchliches Brauchtum auf Blumberger Gemarkung Stichworte sind: Lichtmeß, Blasius, Agatha Unendlich eng verflochten sind kirch­ liches Brauchtum und christliche Heiligen­ gedenktage mit dem vom Naturablauf be­ stimmten bäuerlichen Kalender. Reich an Namensfesten und einem wich­ tigen Lostag ist der Monat Februar und hier haben sich in den Ortsteilgemeinden von Blumberg wunderschöne, traditionelle Bräu­ che erhalten. Wesentliches Datum für unsere Altvorde­ ren war der Lichtmeßtag (2. Februar), an dem die Helligkeit eine Stunde länger dauert als an Weihnachten und überliefert ist der Vers: Von Heiligabend bis Neujahr – nur ein Vogelsprung, von Neujahr bis Dreikönig – ein Hirschsprung und von Epiphanie bis Lichtmeß – eine ganze Stunde. Nach der Tagesmesse wurden zu diesem Datum die Kerzen geweiht, die nicht nur der sakralen Handlung in der Kirche dienten, sondern auch die mitgebrachten Wachs­ stöcke der Gläubigen. Diese so geweihten Triumphierend hält die Agatha-Figur, die aus Sankt Märgen nach Riedöschingen kam, dem Betrachter den Palmwedel als Siegeszeichen vor. Der schönen, mädchenhaften Figur der Heiligen Agatha in der Epfenhofener Kirche ist über die Jahre hin der Palmzweig abhanden gekommen. 305

Der Blasius-Altar in der Fützener Sankt Vitus-Kirche zeigt alle Relikte auf, die in der Legende mit dem Heiligen in Verbindung gebracht werden. Kerzen wurden bei Hochzeit und Kindtaufe wieder angezündet, aber auch bei Kranken­ kommunion und der Letzten Ölung. Ebenso holte die gläubige Hausfrau sie bei schwerem Gewitter hervor. Aus Riedöschingen hat sich zudem noch ein alter Brauch überliefert. Am Lichtmeß­ abend wurde für jeden Verstorbenen der Familie eine geweihte »Kerze aufs Bett ge­ setzt und dann gemeinsam drei Rosenkränze gebetet“. 306 Wichtig war der Lichtmeßtag auch als Tag, an dem das Gesinde den Dienst aufkün­ digen konnte. So spricht sicherlich dieser alte Vers manchem der Dienstboten aus dem Herzen, der nicht wegen zu schwerer Arbeit oder der Laune des Bauern den Dienst wech­ seln wollte. ,,S‘ Johr ischt us -und isen ganze Troscht: mir kriaget a neui Bürin und a anderi Choscht.“ Sparsamkeit ist seit jeher als eine Tugend süddeutscher Bauersfrauen bekannt und so gab es zwar nahrhafte und

sättigende, aber eben doch eintönige Kost. Unterbrochen wurde der winterliche Speise­ plan nur durch das Schlemmen zur Fas­ nacht, um dann in das absolute, fleischarme Fasten überzugehen. Im südlichen badi­ schen Raum ist noch der Brauch belegt. So geht am Lichtmeßtag der Imker zu seinen Stöcken und mahnt die Bienen: ,,Bienlein, freut euch, Lichtmeßtag ist da.“ Noch heute in fast allen katholischen Gemeinden der Baar ist der „Blasius-Segen“ am Tag des Heiligen üblich (3. Februar). Eine ganz enge Beziehung dazu hat die Gemeinde Pützen. Links neben dem Hauptaltar der Vituskirche befindet sich ein Bild des Orts­ heiligen Vitus, der wohl dem Ort den Namen gab (Vitsheim, Fietzheimb, Vuezen, Fietzen, Pützen). Auf der anderen Seite ist ein Blasius-Altar. Er deutet auf die uralte Beziehung zwischen dem Kloster Sankt Bla­ sien und dem Ort Pützen hin, gehörte doch Pützen lange Zeit zum Kloster und bekam auch von dort den Ortsgeistlichen gestellt. Das Altarbild zeigt den heiligen Nothelfer im Bischofsornat, seine Freundschaft zu den Tieren stellt ein kapitaler Hirsch zu seinen Füßen dar, für seine vielfältige Marter steht der eiserne Kamm und eine kleine Engels­ figur hält die zum Andreaskreuz gebunde­ nen Kerzen hoch. In dieser Form wird heute noch der Segen in Kopf und Halsbereich gespendet, gilt der Heilige doch als hilfreich gegen Zahnweh und Angina, die „Bräune“ (Diphterie) und gegen „Herz-Bräune“ (Angina pectoris). In früheren Jahren erschienen Kindergarten­ Gruppen und Schulklassen geschlossen, um den Segen zwischen den Kerzen zu erhalten. Der Legende nach errettete Sankt Blasius ein an einer Fischgräte erstickendes Kind vom Tod. In zwei Kirchen auf Blumberger Gemar­ kung sind Figuren der heiligen Agatha aufge­ stellt. In der Kirche von Epfenhofen steht neben dem Aufgang zur Empore ein Bild der standhaften Jungfrau aus Catania, wenn ihr über die Zeit hin auch die Siegespalme, die sie wohl einmal in Händen hielt, abhanden gekommen ist. Mit der Palme in der Hand steht sie in der Riedöschinger Sankt Martins-Kirche, ist sie hier doch die zweite Patronin der Gemeinde­ kirche. Nach der lnnenrenovation der Kir­ che in den 50/60er Jahren kam diese Figur aus Sankt Märgen nach Riedöschingen. Ihr Tag ist der 5. Februar. Unbestimmt sind die Lebensdaten dieser Frau aus frühchristlicher Zeit, aber die from­ men Legenden haben sich ihrer angenom­ men. Standhaft gegen alle Anfechtungen blieb sie ihrem Christenglauben treu und starb nach schlimmen Folterungen, so wur­ den ihr der Vita nach die Brüste abgeschnit­ ten. Dieses wurde im Barock vielfach immer wieder dargestellt und so steht dann die Mär­ tyrerin oftmals mit der abgetrennten Brust auf einem Buch oder einem Teller. Hierauf fußt nun ein frommer, makaberer Irrtum, die Brust wurde als Brot interpretiert und daraus entstand der uralte Brauch der Brotsegnung am Agatha-Tag. Heute noch wird in den Blumberger Ortsteilen frisch gebackenes Brot am Heiligen-Tag mit zum Gottesdienst gebracht und danach gesegnet. Gegen Brandgefahr wurden Brösel des geweihten Brotes in die Hausecken gestreut oder bei schwerem Gewitter ins Feuer gewor­ fen. Gilt doch in der Feuersnot die Jungfrau aus Catania als besonders hilfreich. So sind auch die Agathen-Briefe (Zettel) zu verste­ hen, auf denen die Heilige mit brennender Kerze und einer lateinischen Bittformel dar­ gestellt ist. Im Mauerwerk, hinter Türen, Schlagläden und Sparren sind im Schwarz­ wald-Baar-Kreis in uralten Häusern, oftmals bei Abbruchmaßnahmen, solche alten Bitt­ briefe belegt. Schutz vor Krankheit oder aber Genesung bringt es dem Vieh, nach altem Verständnis, wenn Krümel des Agathen-Bro­ tes unter das Futter gegeben werden. Hier hat sicherlich uraltes, menschliches Denken Einzug in christliche Riten gefun­ den und sich bis jetzt erhalten. Wichtige weitere Daten für die bäuer­ lichen Gemeinwesen früherer Jahrhunderte waren der Peterstag (22. Februar) und Mat­ thias (24. Februar}. Sah man beim einen so 307

langsam das Ende des Winters, so lehrte die Erfahrung: ,,Mattheis brichts Eis – hat er keins, so macht er eins.“ Doch das Ende der kalten, dunklen Jah­ reszeit in den nur von Kienspan oder Herd- feuer erleuchteten niedrigen bäuerlichen Stuben war abzusehen. Vom Lichtmeßtag an werden die Tage merklich länger. Christiana Steger Maria Chmiel-Deusch Trachtenstickerin in zweiter Generation aus Wolterdingen Wohl jeder, der im Schwarzwald-Baar­ Kreis etwas mit Brauchtumspflege zu tun hat, kennt die Trachtenstickerin Maria Chmiel-Deusch aus Wolterdingen. Sie hat die warmherzige Ausstrahlung einer zufrie­ denen Frau, die ihr Leben gemeistert und ihre Berufung gefunden hat. Dabei wurde sie vom Schicksal nicht gerade verwöhnt, son­ dern ist eher durch eine harte Schule des Lebens gegangen. Im Jahre 1932 wurde sie im „Wolfloch“ in Neukirch geboren und wuchs zusammen mit sieben Geschwistern in Wol­ terdingen auf. Schon frühzeitig mußte sie in der elterlichen Landwirtschaft mithelfen. Da blieb keine Zeit für Träume von einer in­ nig gewünschten Schneiderlehre. Nach der Schulentlassung nahm sie bei der Nähsei­ denfabrik Metz in Bräunlingen eine Tätig­ keit in der Zwirnerei auf. Nebenher half sie immer noch tatkräftig auf dem elterlichen Bauernhof, bis sie 1957 Jan Chmiel heiratete. Wenige Jahre später, 1963, konnte die junge Familie ihr eigenes Haus beziehen. Drei Kin­ der machten das Glück komplett. Doch 1967 erkrankte ihr Ehemann lebensgefährlich und wurde trotz aller ärztlichen Bemühungen zum Frührentner. Maria Chmiel-Deusch gab ihre Tätigkeit bei der Firma Metz auf, um 308

sich ganz der Fürsorge um ihren kranken Mann und der Erziehung ihrer Kinder zu widmen. Aber die Schulden des neuerbauten Hauses zwangen sie auch weiterhin, das Familieneinkommen „aufzubessern“. Als Glücksfall bezeichnet es Frau Chmiel­ Deusch, daß sie von ihrer Mutter, der weit über die Grenzen bekannten Maria Deusch, die seltene Kunst des Trachtenstickens erler­ nen konnte, und zuerst für sie arbeitete. Von ihrer Mutter spricht Maria Chmiel-Deusch mit großer Bewunderung. Unter den ge­ schickten Händen der ausgebildeten Trach­ tennäherin und Goldstickerin entstanden rund hundert Trachten und fast ebensoviel wurden noch in Stickkursen unter ihrer An­ leitung gefertigt. Für ihre Verdienste um die Heimattracht und deren Erhaltung wurde Maria Deusch mit der „Goldenen Ehren­ nadel“ des Bundes „Heimat und Volksleben“ ausgezeichnet. Längst nun ist ihre Tochter, Maria Chmiel-Deusch, in die Fußstapfen ihrer großartigen Mutter getreten. Sie hat das Trachtensticken nicht nur in Perfektion er- 309

lernt, sondern es auch in zahlreichen Stick­ kursen weitergegeben. Natürlich hat sie auch ,,so nebenbei“ das Schneidern der komplet­ ten Tracht gelernt, wozu immer auch die pas­ sende Haube gehört, erklärt uns die fröh­ liche Schwarzwälderin. Ja, eigentlich macht sie alles selbst, auch die oft schwierige Mate­ rialbeschaffung. Eine ganze Sammlung alter Mustermotive besitzt die Trachtenstickerin, die sie noch durch eigene Kreationen ergänzt hat. Die heimatlichen Trachten unterschei­ den sich nämlich durch ganz bestimmte Merkmale in der Stickerei. Typisch für die Baaremer Tracht beispielsweise ist die Rose, während die Ähre für Bräunlingen und die Rebe für Hüfingen charakteristisch ist. Die filigranen Motive werden auf festen Karton aufgezeichnet, dann muß das Muster ausge­ stochen werden. Das geschieht sehr sorgfäl­ tig mit feinen Schnitzmessern. Mal rechts herum, mal links herum, für die rechte und linke Seite von Wams und Mieder. Die so entstandenen Vorlagen werden auf dem Samt befestigt und erst jetzt kann das eigentliche Kunststicken beginnen. Gearbeitet wird tat­ sächlich mit einem echten Goldfaden (oder Silberfaden). Er besteht aus einem hauch­ dünnen Leinenfaden als Kern, der mit ganz feinem Goldgespinst umwickelt ist. Der Goldfaden wird jedoch nicht durch das Ge­ webe gezogen, sondern in Hin-und Rück­ reihen eng über die Schablone gelegt und mit dem Nähfaden fast unsichtbar ange­ heftet. Wenn man der berufenen Trachtensticke­ rin über die Schulter schaut, erkennt man, wieviel Geduld und Fingerfertigkeit die kunstvolle Ausarbeitung der Motive ver­ langt. Maria Chmiel-Deusch betont, daß man so höchstens vier Stunden arbeiten kann, dann läßt die Konzentration nach. Für eine fertige Tracht braucht sie rund 150-200 Arbeitsstunden. Im Winter bietet sie Kurse in Goldstickerei in Überauchen im Brigach­ tal am dortigen Heimatmusem an. Durch ihre seltene Kunstfertigkeit ist sie schon weit herumgekommen. Im badischen Landesmu­ seum in Karlsruhe sowie im Museum für 310 D’r Großvadder Volkskunde in Berlin war schon eine Aus­ wahl der schönsten Arbeiten der begabten Schwarzwälderin ausgestellt. Außer Trachten bestickt die vielseitige Künstlerin nämlich auch Bilder, Täschchen, Puppenkleider, Bro­ schen und Krawatten. Ist sie mit ihrer Sticke­ reikunst vollkommen zufrieden? ,,Man lernt immer noch dazu“, räumt sie gerne ein und strahlt. Eine erstaunliche Frau in unserer an Ido­ len so armen Zeit. Ingrid Forster Wia huke si so munder do, Dia dri uff sellem Bänkli; D’r Großvadder ischs im wiße Hoor, Mit zwei von sine Enkli. Ja, d‘ Kinder, selli isch er gwöhnt, Mer künnts nit anderscht sage, Er het scho manich Stumbili Uff sine Arme trage. Dia K.inderli,dia wisse ’s scho, Drum düen si ’n nia verliare, Un wenn sie ebbis von ihm wen, No düen si ihm fladiare. Vom Morge bis zum übe spot, Düen si bi ihm rumschpringe, ’s eine lachet, ’s ander schreit, Un ’s dritt dös duet eins singe! Un kunnt er emol von witem her, Sie wer’ne sicher kenne, Dno düen si gschwind: ,, wa gisch, wa hesch ?“ Ihm gli vergegen renne. Ja, glaub‘ mers nu, wenn älder bisch, Wenn d‘ Hoor dir use falle, Magsch viel au sehe um di rum, Ganz selte wurds dir gfalle. E K.indergsichtli aber, mit Dem unschuldsvolle Lache, Dös wurd im ältste Menschen no Ganz sicher Freude mache! Bertin Nitz

Sagen der Heimat Der Giftbrunnen An der Grenze zwischen dem Fürstlich Fürstenbergischen Forst auf Tannheimer Markung und dem Wald des vormaligen Spi­ talhofbauem, im sogenannten „Kapuziner­ winkel“, ist der „Giftbrunnen“, eine Quelle, deren Wasser einst dem Hof als Viehtränke diente. Der Name der Q!ielle kam nach alter historischer Überlieferung wie folgt zu­ stande: Einmal sichtete der Tannheimer Jäger in fürstlichen Diensten einen kapitalen Bock auf dem Wechsel. Auch am nächsten Abend fand er denselben wieder an gleichem Ort und zur selben Zeit in seinem Revier. Dies wiederholte sich allabendlich, so daß man seine Uhr nach dem Tier hätte stellen kön­ nen. Voller Stolz meldete der Weidmann seine Beobachtungen der vorgesetzten Stelle und vergaß auch nicht, den Bock in den leuch­ tendsten Farben zu schildern. Und wie erhofft, richtete sich bald auch die Aufmerk­ samkeit des durchlauchtigsten Herrn selbst auf dieses Prachtexemplar und seinen Heger. Kurzfristig wurde also eine Jagd angesetzt, auf welcher dero Gnaden selbst gedachte, das Böcklein auf die Strecke zu bringen. Die Schulkinder standen an der Straße und san­ gen: ,,Vivat“, und die älteren Untertanen winkten ehrerbietig mit den Hüten und Kopftüchern, als der Sechsspanner des Für­ sten durch das Dörflein stob. Nach kurzer huldvoller Begrüßung seiner getreuen Tann­ heimer, begab sich der hohe Gast mit seinem Jägersmann sofort zum Anstand, um ja keine Gelegenheit zu verpassen. Doch die durch­ lauchtigste Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Längst war es über die Zeit und kein Wild ließ sich blicken, geschweige denn das Böcklein, das die Jagdleidenschaft so erhitzte. Verärgerung breitete sich aus in der kleinen Jagdgesellschaft und unser Jägersmann wurde immer kleinlauter, denn binnen kurzem hatte er die allerhöchste Gunst verspielt, deren er sich doch so sicher glaubte. Bis auf die Knochen blamiert, kehr­ te er heim, nachdem Seine Durchlaucht nicht einmal geruhten, in einer hiesigen Wirtschaft einzukehren, um dem mißglück­ ten Abend wenigstens ein angenehmeres Ende folgen zu lassen. Anderntags mußte der geplagte Jäger zu allem Verdruß auch noch hören, daß der Spi­ talhofbauer sich damit brüstete, das edle Wild quasi vor der durchlauchtigsten Nase weggeschossen zu haben. Dieser Jagdfrevel“ konnte jedoch nicht geahndet werden, weil es sich bei dem Reh um einen sogenannten „Grenzgänger“ han­ delte, der zudem rechtmäßig im nachbarli­ chen Revier geschossen wurde. Dies verbit­ terte aber unseren Forstmann nur noch mehr, so daß er danach trachtete, der Gerechtig­ keit, so wie er sie sah, selbst und auf eigenem Wege auf die Beine zu helfen. In aller Heim­ lichkeit schüttete er Gift in den Brunnen im „Kapuzinerwinkel“ und sorgte so dafür, daß seine Gerechtigkeit ihren Lauf nahm. 97 Stück Vieh, der gesamte Bestand des Spital­ hofbauem bis auf ein Kalb, wurde dahinge­ rafft, ohne daß der Geschädigte mehr äußern konnte, als einen gelinden Verdacht, dem aber Beweiskraft fehlte. So zogen Jahre ins Land und die beiden Streithähne hatten in dieser Zeit noch so manches Hühnchen miteinander zu rupfen, bis zu dem Tag, als eine Fügung es wollte, daß sich die zwei unverhofft am „Giftbrunnen“ trafen. Unvorbereitet wie sie waren, gerieten sie in ein Gespräch, das immer tiefere Kreise zog und zum Schluß auch den St. Nimmer­ leinstag zum Thema hatte. Vor allem die 311

Links: Der „Giftbrunnen“ im Kapuzinerwinkel bei Tannheim Aussicht auf das Jüngste Gericht ließ die alten Schwerenöter tief seufzen, denn sie spürten das Gewicht doppelt und dreifach, das auf ihrer Seele lastete. So kam es, daß sie sich ein Herz faßten und sich gegenseitig ihre Schuld eingestanden. Nun war es her­ aus, eine Zentnerlast fiel von ihren Schultern und sie glaubten zu schweben, denn wie anders ist es zu erklären, daß sie auf der Stelle gelobten, aus Dankbarkeit, barfüßig bis nach Rom zu pilgern. (Aufgeschrieben nach der mündlichen Überlieferung von Xaver Riesle.) Der Sterngucker Im Jahre 1796 kehrte der Uhrenhändler Jakob Kammerer, von Prag kommend, in seine Heimat zurück. Das väterliche Haus am Roßberg in St. Georgen wurde durch die Franzosen niedergebrannt. Nach Abzug der Franzosen baute Jakob Kammerer das abge­ brannte Haus wieder auf Auf dem Dach sei­ nes Hauses postierte er ein geheimnisvolles „Guckrohr“, das er von Prag mitgebracht hatte. In mitternächtlicher Stunde saß der „vom Teufel besessene“ Jakob vor seinem Guckrohr und schaute unserm Herrgott in die Werkstatt. Man mied den geheimnisvol­ len Mann schon wegen seines „bösen Blicks“ und weil es in seinem Hause umgehen sollte. Liebevolle Mitbürger wollten sogar den Bel­ zebub mit seinem langen Schwanz persön­ lich beobachtet haben. Geschah jemandem Unglück im Stall, dann war der Sterngucker schuld. Gab die Kuh keine Milch, dann hatte er sie aus der Feme mit einem Handtuch ge­ molken. Es war eine wunderliche Zeit da- mals. Der Schimmelreiter ohne Kopf aufs ,,Hiesemicheles Höh“, das „Siebehippewieb­ le“ auf dem Kohlbühl, die Schatzgräber zu mitternächlicher Stunde an den Kreuzwegen und anderer Teufelsspuk treiben in den Köpfen der Waldbauern ihr Unwesen. Trotz aller Anfechtungen studierte der Wälderastronom in seinen „Teufelsbüchern“ und durch ein Guckrohr die Erhabenheit des Himmels, die Wunderwelt der Sterne. Unbeschwert von allem Menschen-und Erdenleid verspürte er die tausendtönige Sternensymphonie. Jahr um Jahr betrachtete er das Stirb und Werde im Weltenraum, bis Urnacht seinen Geist umschattete. Fern der Bergheimat verlöschte das Irrlicht des Sternguckers. Quelle: St. Georgen, Chronik des Klosters und der Stadt, 1972; Stadt St. Georgen im Schwarz­ wald 313

Gesundheit, Soziales In Geborgenheit selbständig sein – 30 Jahre beschützender Lebensraum Heim Fischerhof Im malerischen Bregtal, umgeben von bewaldeten Höhen des Schwarzwaldes, liegt zwischen Vöhrenbach und Wolterdingen das Heim Fischerhof, eine Zweigeinrichtung der HAUS AM BERG gern. GmbH. Im Jahre 1964 wurde das ehemalige Gast­ haus „Fischer“ von der Staatsforstverwaltung von HAUS AM BERG gern. GmbH mit Sitz in Bad Urach erworben. ,,HAUS AM BERG“ ist eine gemeinnützige GmbH und Mitglied im Diakonischen Werk Württemberg und widmet sich mit ihren Einrichtungen seit 42 Jahren in vielfältiger Weise der Alten- und Behindertenhilfe. Das Heim Fischerhof versteht sich als Baustein in der Versorgung von psychisch leidenden Menschen und mehrfachbehin­ derten Menschen im Schwarzwald-Baar­ Kreis. Nach dem Erwerb wurde der Fischerhof entsprechend den damaligen Anforderun­ gen umgebaut und konnte 1965 als Wohn­ heim für 40 Menschen mit geistiger Behin­ derung in Betrieb genommen werden. In den Jahren 1966 bis 1969 wurde das angrenzende landwirtschaftliche Anwesen erworben und mit dem Neubau des Hauses Forbental ein Wohnheim für 40 psychisch leidende Perso­ nen fertiggestellt. 1973 wurde das bisherige Landwirtschafts­ gebäude zu einer Werkstatt und einer Wohn­ gruppe für 12 Personen umgebaut. Das neu erstellte Mitarbeiterhaus wurde 1989 bezo­ gen. Mit dieser Maßnahme wurde es mög­ lich im Haus Forbental nunmehr eine Wohngruppe für 4 psychisch leidende Men­ schen einzurichten. Damit konnten Drei­ bettzimmer entsprechend der Heimmindest­ bauverordnung abgeschafft werden. Einen vorläufigen Höhepunkt in der Entwicklung des Fischerhofes bildete im Herbst 1992 die Einweihung einer nach neuesten Anforde­ rungen konzipierten Werkstatt mit 60 Plät­ zen im Produktionsbereich und 6 Plätzen im Arbeitstrainingsbereich. Im Heim Fischerhof leben zur Zeit im Haus Weiberberg, dem ehemaligen Gasthof, 36 Erwachsene mit Mehrfachbehinderun­ gen in vier Wohngruppen. Im Haus Forben­ tal und im Haus Haselnußhalde wird für 48 psychisch leidende Männer und Frauen in 6 Wohnbereichen ein an den individuel­ len Bedürfnissen der Bewohner orientiertes Spatenstich für die Nachsorgeklinik Tannheim In Anwesenheit von Ministerpräsident Er­ win Teufei Seiner Königlichen Hoheit Carl Herzog von Württemberg und Klausjürgen Wussow sowie vielen weiteren Gästen wurde am 6. 7.1995 der erste Spatenstich für die familienorientierte Nachsorgeklinik für krebs-, herz- und mukoviszidosekranke – Mukoviszidose ist eine angeborene Stoff­ wechselerkrankung- Kinder und jugendliche in Tannheim vorgenommen. In Tannheim, einem Stadtteil von Villingen-Schwenningen, soll bis zum Herbst 1997 ein in der Bundes­ republik Deutschland einmaliges Nachsorge­ modell entstehen. In den Ansprachen wurde die Hoffnung geäußert, daß die Klinik nach ihrer Fertigstellung den erkrankten Kindern und den betroffenen Familien Hilfe in der Bewältigung ihrer lebensbedrohlichen Er­ krankung sein möge. 315

Das Heim Fischerhof mit den Häusern Weiherberg (links), Haus Forbental und Haselnußhalde (rechts) Wohnangebot vorgehalten. Insgesamt bietet damit das Heim Fischerhof derzeit Platz für 84 Menschen. Aufgenommen werden im Heim Fischer­ hof Menschen, die aufgrund ihrer Behinde­ rung nicht mehr oder noch nicht wieder allein oder bei ihren Angehörigen leben kön­ nen. In allen Wohngruppen wird nach Kon­ zeptionen gearbeitet, die sich an den Bedürf­ nissen der Bewohner orientieren und darauf ausgerichtet sind, die Persönlichkeit des Ein­ zelnen weiterzuentwickeln. Das Heim soll für den betroffenen Menschen ein Zuhause darstellen. Davon ausgehend haben sich die Mitarbeiter im Fischerhof zum Ziel gesetzt, den Bewohnern eine ganzheitliche sowie aktivierende Hilfe und Pflege zuteil werden zu lassen. Jedem Bewohner soll es ermöglicht wer­ den, soweit es seine individuellen Möglich­ keiten erlauben, unabhängig von fremder Hilfe zu leben. 316 Um diese Zielsetzung zu erreichen ist es notwendig, daß die Mitarbeiter durch eine qualifizierte Ausbildung auf ihre Aufgaben vorbereitet sind. So arbeiten auf dem Fi­ scherhof Heilerziehungspflegerlnnen mit sozialpsychiatrischer Zusatzausbildung, Er­ zieher, Krankenschwestern mit sozialpsych­ iatrischer Zusatzausbildung, Altenpflegerin­ nen, Sozialarbeiter, Heilpädagogen, Arbeits­ therapeuten, Erzieher am Arbeitsplatz mit sozialpsychiatrischer Zusatzausbildung, Haus­ wirtschafterinnen, Technische Betriebsmei­ ster, Zivildienstleistende, Praktikanten und Schüler der genannten Berufe eng miteinan­ der zusammen. Unterstützt werden die Mit­ arbeiter regelmäßig von einem prakt. Arzt und einem Psychiater. Die Einrichtung Fischerhof ist für die obengenannten Berufe zur Ausbildung aner­ kannt. Das Heim Fischerhof ist eine offene Ein­ richtung, das heißt jeder Bewohner entschei-

Die neu eingeweihte Werkstatt mit 60 Arbeitsplätzen det selbst, ob und wie lange er hier im Haus bleiben will. Es ist selbstverständlich, daß ein Bewohner, der es wünscht und bei dem es erforderlich ist, auch bis zu seinem Lebens­ ende auf dem Fischerhof bleiben kann. Un­ geachtet aber dieses Grundsatzes ist es unser Bestreben, geeigneten Bewohnern einen Wohnplatz in einer Außenwohngruppe an­ zubieten. Dazu wird im Mai 1995 in Ham­ mereisenbach ein neues Wohnhaus fertigge­ stellt, in dem 12 Bewohner ein gemeindena­ hes Wohnangebot erhalten. Die Konzeption des Fischerhofes bietet neben dem Wohnangebot eine Vielzahl von Beschäftigungsmöglichkeiten, sei es in der dem Heim angegliederten Werkstatt, der Be­ schäftigungstherapie, der Hauswirtschaft oder der Hausmeisterei sowie in der Tier- und Landschaftspflege. Während in den An­ fangsjahren des Heimes das Arbeitsangebot der Bewohner auf die Landwirtschaft ausge­ richtet war, wurden nach und nach die land- wirtschaftlichen Tätigkeiten eingestellt. An ihre Stelle traten mehr und mehr Industriear­ beiten. In der neugebauten Werkstatt arbei­ ten die Bewohner täglich bis zu 7 Stunden an geschützten Arbeitsplätzen. Es werden Ar­ beiten für Industriebetriebe aus der Region verrichtet, z.B. Montage von Schreibgerä­ ten, Kartonagearbeiten, Entgratungsarbei­ ten, Senk- und Bohrarbeiten, Leitungskabel­ montage. In der neuen Werkstatt konnte auch die Töpferei vergrößert werden, in der Gebrauchsgegenstände hergestellt werden. Hier können die Bewohner selbst kreativ werden und eigene Ideen verwirklichen. In den letzten Jahren wurden im Fischerhof zwei weitere Angebote zur sinnvollen Be­ schäftigung der Bewohner geschaffen. Eine Arbeitstherapeutin mit sozialpsychiatrischer Zusatzausbildung bietet zusammen mit einem Kunsttherapeuten, einer Kranken­ schwester und einem Zivildienstleistenden für 16 Personen ein umfangreiches Kreativ- 317

Die Arbeit in der Werkstatt – ein Stück Lebensqualität.für behinderte Menschen zu werden. Dieses Gefühl ist für das Wohlbe­ finden oft wichtiger als viele gutgemeinte Therapieangebote. Auch dürfen für die Bewohner die Frei­ zeitangebote nicht zu kurz kommen. Aus­ flüge, Basteln, Kegeln, Schwimmen, Gaststät­ tenbesuche, Gymnastik, Handarbeiten, Thea­ ter-und Konzertbesuche stehen regelmäßig auf dem Programm. Großer Beliebtheit er­ freuen sich die vielfältigen Urlaubsangebote. In jedem Jahr haben die Bewohner die Mög­ lichkeit, in den schönsten Gegenden unserer Heimat neue Eindrücke und Erlebnisse zu sammeln. Ein wichtiges Ziel unserer täglichen Ar­ beit auf dem Fischerhof besteht darin, enge Kontakte zu den Gemeinden und benach­ barten Einrichtungen herzustellen und zu erhalten. Neben vielfältigen Begegnungen mit den Bewohnern der Gemeinden Hammereisen­ bach, Vöhrenbach und Donaueschingen, angebot an. Die Angebote sind Textil-und Webarbeiten, Peddigrohr, Holzwaren, Ma­ len, Lesestunden. Hier sind Bewohner tätig, die auf Grund ihrer psychischen Belastung einen Arbeitstag in der Werkstatt nicht mehr oder noch nicht durchstehen können. Es werden kunsthandwerkliche Gegenstände hergestellt, die auf Verkaufsmessen zusam­ men mit Produkten der Töpferei großen Zu­ spruch finden und gern gekauft werden. Bewohner mit einer geistigen Behinde­ rung, die ebenfalls noch nicht kontinuierlich tätig sein können, arbeiten in aufgelockerter Form in einem eigens für sie geschaffenen Arbeitstrainingsbereich der Werkstatt. Hier wird der tägliche Arbeitstag durch arbeits­ begleitende Maßnahmen aufgelockert und ihnen ein Zugang zu einer ihnen angemesse­ nen Arbeit ermöglicht. Die Arbeit gibt den Bewohnern das Be­ wußtsein Sinnvolles zu tun und von der Gesellschaft auch als Arbeitender gebraucht 318

wo die Bewohner des Fischerhofs bekannt und gern gesehen sind, veranstaltet die katholische Kirchengemeinde in jedem Jahr einen Begegnungsnachmittag mit den Be­ wohnern und Mitarbeitern des Fischerhofes und der Bevölkerung aus Hammereisen­ bach. Bei Kaffee und Kuchen finden viele Gespräche und gemeinsame Spiele statt. Besuche von Angehörigen und Freunden sowie der Kontakt zu Außenstehenden sind selbstverständlich und immer gern gesehen. Es helfen uns auch immer wieder die Ver­ eine der umliegenden Gemeinden mit Einla­ dungen zu ihren Veranstaltungen, das Frei­ zeitangebot bunt und unterhaltsam zu ge­ stalten. All diese Möglichkeiten tragen dazu bei, unsere Bewohner in das Gemeinwesen der Gemeinden zu integrieren. Geistig Behinderte und psychisch kranke Menschen haben oftmals ein ausgeprägtes Verhältnis zu Tieren. Hieraus ergab sich, daß seit 1985 heilpädagogisches Reiten angebo- ten wird. Seit 3 Jahren werden auf dem Fi­ scherhof wieder 2 Pferde gehalten, um dieses Therapieangebot kontinuierlich einsetzen zu können. Diese Pferde werden von den Be­ wohnern unter Anleitung der Mitarbeiter versorgt und gepflegt. Die Pferdepflege ist für viele Bewohner inzwischen zur lieben Ge­ wohnheit und zu einer sinnerfüllten Freizeit­ beschäftigung geworden. Die Mitarbeiter des Fischerhofes werden auch in Zukunft mit dem ihnen zur Verfü­ gung stehenden Fachwissen ihr Bestes ge­ ben, um dem Ziel, ,,den Randgruppen unse­ rer Gesellschaft ein Zuhause zu geben und durch bestmögliche Begleitung die Lebens­ qualität dieser Menschen zu erhöhen“, im­ mer näher zu kommen. Um unsere Arbeit auch für Außenstehende durchsichtig und erlebbar zu machen, stehen interessierten Besuchern unsere Türen jederzeit offen. Alfons Olbrich/Hans Lampe Schuldnerberatung Eine Einrichtung des Landkreises stellt sich vor Der Kreistag des Schwarzwald-Baar-Krei­ ses hat am 5. 3. 1990 beschlossen, eine Schuldnerberatungsstelle einzurichten. Seit 1. 4.1991 ist sie in Betrieb. Über Schulden berichten die Medien fast täglich. Öffentliche Haushalte sind ver­ schuldet. Firmenpleiten nehmen zu. Diese Entwicklung zeichnet sich auch bei den Pri­ vathaushalten ab. Eine steigende Zahl von Menschen in der relativ reichen Bundesrepublik hat Schul­ den. So sind nach neueren Schätzungen allein in den alten Bundesländern 1,5 Mio. Privathaushalte überschuldet. Die Frage ist naheliegend, wie man in eine solche Situation kommt. Das nachfolgende Beispiel das Hans P. (Namen geändert) ist sicher außergewöhn­ lich, verdeutlicht jedoch einiges: Herr P. ist geschieden und unterhalts­ pflichtig für insgesamt drei minderjährige Kinder. Aus einer früheren Selbständigkeit hat er Schulden in Höhe von DM 90 000,­ bei 24 Gläubigern. Als er sich bei der Schuld­ nerberaterstelle einfindet, hat er neben De­ pressionen, deretwegen er bereits in psycho­ logischer Behandlung ist, folgende Probleme: – eine neue Arbeitsstelle ist in Aussicht, aber kein Girokonto für die Überweisung der Bezüge, er sucht nach einem günstigen Zimmer, da er sich keine Wohnung leisten kann, einer Unterhaltsforderung von über DM 1000,- monatlich seitens seiner Frau ist nachzukommen, Herr P. hat Angst, eine Pfändung während der Probezeit könnte seine Arbeitsstelle gefährden. 319

Aufgrund der Flut von Briefen, die Herr P. nach dem Scheitern seiner Ehe und nach der Geschäftsaufgabe erhalten hat, ist er außer­ stande, diese zu öffnen und sich mit der Pro­ blematik auseinanderzusetzen. Zunächst werden mit der Schuldnerbera­ tungsstelle die Unterlagen des Herrn P. gesichtet und geordnet. Nach der Einrich­ tung eines Girokontos mit Hilfe der Schuld­ nerberatungsstelle und deren Kontaktauf­ nahme zu den 24 Gläubigern entspannt sich die Situation zunächst. Der erste Lohn von Herrn P. beträgt netto 1700,- DM. Herr P. hat inzwischen ein Zimmer gefunden. Nach Abzug seiner notwendigen Lebens­ haltungskosten ist es ihm nicht mehr mög­ lich, auch nur annähernd 1000,- DM Unter­ halt an seine Frau für die drei Kinder zu zah­ len. So zahlt Herr P. freiwillig DM 400,- an seine Ehefrau. Seine Schulden steigen täg­ lich um die Kosten der Gläubiger und Zinsen von etwa DM 25,- (DM 750,- monatlich, wenn der Verzugszinssatz des Verbraucher­ kreditgesetzes in Anwendung gebracht wird; zur Zeit 9 0/o p. a.). Herr P. sieht keine Perspektive für ein schuldenfreies Leben. Er kann nicht einmal die Zinsen aufbringen. Durch die Sorgen um die Schulden hat er bereits Schlafstörungen und Selbstmordgedanken. Er kann seine freien Tage nicht genießen. So nimmt er eine zweite Beschäftigung auf 580-DM-Basis an. Diese Beträge setzt er für die Schulden ein, indem er das Geld an die Beratungsstelle weiterleitet. Aufgrund der Tatsache, daß das Einkom­ men des Herrn P. auch mit DM 2300,- netto unpfändbar ist bei einer Unterhaltspflicht für drei Personen, lassen sich die ersten drei Gläubiger zum Verzicht von 70 0/o des Schul­ densaldos bewegen. Mit den ersten 580,- DM können somit die Forderungen von drei Gläubigem von ursprünglich DM 1300,­ beglichen werden. Falls alle Gläubiger Entgegenkommen zeigen, ist Herr P. vielleicht in 5 bis 10 Jahren schuldenfrei. 320 Für ihn eine Perspektive, für die es sich lohnt, weiter zu arbeiten. Schulden zu haben ist nichts Ungewöhn­ liches. Die Grenze von der Ver- zur Über­ schuldung beginnt da, wo die Betroffenen nach Abzug der Lebenshaltungskosten vom Einkommen keine ausreichenden Mittel mehr für die Bezahlung der Schuldverpflich­ tungen haben. In den ersten zwei Jahren des Bestehens der Schuldnerberatungsstelle wandten sich über 300 Einzelpersonen und Familien an die Beratungsstelle. Die Beratung beginnt mit einem Ge­ spräch, das zunächst dazu dient, die Gründe, die zur Überschuldung geführt haben, und die aktuelle Situation zu beleuchten. Schwer­ punkt der Beratung ist die finanzielle Situa­ tion im Haushalt. Zusammen mit der Schuld­ nerberatung werden Wege aus der Über­ schuldung gesucht. Das Hauptziel dabei ist, einen ausgegli­ chenen Haushalt zu erreichen, d. h. keine höheren Ausgaben als Einnahmen. Hierfür können je nach Einzelfall folgende Maßnah­ men ergriffen werden: 1. Streichung/Senkung unnötiger Ausgaben 2. Erhöhung von Einkünften 3. Reduzierung der Schuldenbelastung (z.B. Schuldenerlaß, Vergleich, Zinsreduktion). Neben diesen haushaltsökonomischen Gesichtspunkten der Schuldnerberatung werden z.B. auch Maßnahmen ergriffen in bezug auf Sicherung des Arbeitsplatzes und Wiedereingliederung in das Berufsleben. Die Erarbeitung von Zukunftsperspekti­ ven ist ein wichtiger Teil der Schuldnerbera­ tung. Durch Überschuldung fehlen oftmals jegliche positiven Zukunftsaspekte. Die Schuldnerberatung kann erfolgreich sein, wenn Klienten mitarbeiten und zu Ver­ änderungen an ihrem bisherigen Verhalten bereit sind. Das Phänomen der Überschul­ dung hängt stark mit gesellschaftlichen Wer­ ten zusammen. Materielle Werte wie z.B. Lebensqualität durch Konsum und Status­ symbole spielen dabei eine wesentliche Rolle. Oftmals wird ein mangelndes Selbst-

wertgefühl über Konsum und Statussymbole kompensiert. Je früher Überschuldete zu der Erkenntnis kommen, etwas in ihrem Leben zu verändern, um so größer ist die Chance für den Erfolg. Folgende Ratschläge können unter Um­ ständen zur Vermeidung von Überschul­ dung führen: keine leichtfertige Kreditaufnahme ohne beständige Einkommensbasis für die Ra­ tenzahlung, Führung eines Haushaltsbuchs, -Bedenkzeit vor Kreditaufnahme, -Vorsicht bei Zeitungsanzeigen, welche einen schnellen Kredit versprechen, -keine Schulden mit Schulden bezahlen; dies wird möglicherweise teuer, -planen Sie, z.B. über ein Sparbuch, eine monatliche Rücklage für unerwartete Er­ e1gmsse. Die Situation überschuldeter Haushalte spiegelt in gewisser Weise unsere Gesell­ schaft wider. Es ist schwer, festgefahrene Verhaltens­ muster zu ändern. Gesucht sind dabei We­ ge, wie ein ausgeglichenes und zufriedenes Leben erreicht werden kann. „Nicht wer wenig hat, wer viel wünscht ist arm.“ (Seneca) Irmtraud Kromer Die Geschichte der Luisenklinik in Bad Dürrheim Die Luisenklinik ist nicht ein auf der „grü­ nen Wiese“ errichteter Klinikzweckbau. Stattdessen kann sie auf eine große traditi­ onsreiche Geschichte zurückblicken. Ange­ sichts der Tatsache, daß die Luisenklinik 1912 bis zu Beginn des 2. Weltkrieges eine jüdische Einrichtung war, kann sie nicht nur auf eine stolze, sondern gerade in Bezug auf die natio­ nalsozialistische Zeit auch auf eine sehr leid­ volle und tragische Geschichte zurückblik­ ken. Der 80. Geburtstag des Großherzogs Fried­ rich von Baden war Anlaß für den Oberrat und den Synodalausschuß der israelitischen Gemeinde in Baden, eine Kureinrichtung für israelitische Kinder und sozial schwache Er­ wachsene zu errichten. Diese Einrichtung sollte den Namen des großherzoglichen Paa­ res tragen. Dank dem großen, für diese Zeit ungewöhnlichen sozialen Engagement der Großherzogin Luise, die das Haus großzügig finanziell unterstützte und unter deren Pa­ tronat es gestellt wurde, war auch die Finan­ zierung gleich von Anfang an gesichert. Nach dem Spatenstich im Sommer 1911 kamen die Bautätigkeiten sehr zügig voran, so daß bereits im Dezember des gleichen Jah­ res mit dem Architekten Lehmann aus Mann­ heim Richtfest gefeiert werden konnte. Am 28. 7. 1912 war das geplante Hospiz fertiggestellt, so daß es im Rahmen einer Ein­ weihungsfeier seiner Bestimmung überge­ ben werden konnte. Die Ausstattung des Hauses war so ausgelegt, daß 76 Kinder zu­ nächst zur Aufnahme kommen konnten. Aus Dankbarkeit für das großherzogliche Protektorat und die großzügige finanzielle Unterstützung wurde das Haus schließlich auf den Namen „Friedrich-Luisen-Hospiz“ getauft. Von diesem Zeitpunkt an waren jüdi­ sche Kinder aus dem gesamten badischen, ins­ besondere nordbadischen Raum zur Kur im Friedrich-Luisen-Hospiz in Bad Dürrheim. Desweiteren wurden in dieser Einrichtung zahlreichen jüdischen Praktikantinnen eine solide fundierte Ausbildung ermöglicht. In den ersten Jahren nach der Machter­ greifung durch Hitler war das Luisenheim für viele jüdische Mitbürger in dieser Zeit voller Demütigungen ein Refugium. Mit Beginn 321

rüchtigten Nacht war es dem langjährigen Hausmeister, Valen­ tin Obergfell, zu dan­ ken, daß das Friedrich­ Luisen-Hospiz frei von solchen Verwüstungen blieb. Dieser sehr coura­ gierte und engagierte Hausmeister, Valen­ tin Obergfell, sorgte mit seinem persönli­ chen Einsatz dafür, daß „seinem Haus“, in dem er arbeitete, in dieser Nacht nichts Böses widerfuhr. Mit Beginn des 2. Weltkrieges 1939 muß­ ten alle jüdischen Bür­ ger die Stadt Bad Dürr­ heim verlassen. In die­ sem Rahmen wurde auch das Friedrich­ Luisen-Hospiz zwangs­ geräumt. Alle damali­ gen jüdischen Mitar­ beiter/innen, Patien­ ten und Gäste wurden daraufhin in Konzen­ trationslager depor­ tiert. gleichen Jahr wurde die jüdi­ sche Gemeinde mit ihrem Sitz in Karls- ruhe enteignet und das Friedrich-Luisen-Hospiz wurde durch die deutsche Heeresleitung beschlagnahmt, die das Luisenheim an die Berufskranken­ kasse der Kaufmannsgehilfen in Hamburg veräußerte. Während der ersten zwei Kriegs­ jahre konnten dann im Luisenheim in Bad Dürrheim Mitglieder der kaufmännischen Krankenkasse die entsprechenden Kurein­ richtungen nutzen. 1941 wurde das Luisen­ heim in ein deutsches Kriegslazarett umge­ wandelt. Im des 2. Weltkrieges fand dieses erste große Kapitel in der Geschichte der Luisenklinik ein jähes und zugleich tragisches Ende. Mit der politischen Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 wurden die jüdischen Mitbürger sukzessive und sy­ stematisch ihrer bürgerlichen Rechte be­ raubt. Am 9. November 1938 wurden in der sogenannten Reichskristallnacht unzählige Terrorakte gegen jüdische Mitbürger und deren Einrichtungen verübt. In dieser be- 322

Mit dem Einmarsch der französischen Armee in den letzten Kriegstagen des Jahres 1945 wurde das Luisenheim durch die Fran­ zosen beschlagnahmt und für eii:iige Monate als Lazarett für französische Kriegsverletzte genutzt. Im gleichen Jahr wurde dann aus dem Kriegslazarett wieder eine Kinderkur­ einrichtung, diesmal für französische Kinder. Im Jahre 1949, also genau 10 Jahre nach der Enteignung, wurde das Luisenheim wie­ der an die israelitische Gemeinde, jetzt mit Sitz in Freiburg, zurückgegeben. Mit dieser Rückgabe fand ein sehr tragisches und leid­ volles Kapitel in der Geschichte der Luisen­ klinik ein Ende. Die israelitische Gemeinde in Freiburg hatte für dieses Haus keine direkte Verwen­ dung, und so kam es im November 1949 zu einem Pachtvertrag zwischen der isrealiti­ schen Gemeinde in Freiburg und der Stadt Bad Dürrheim. Das Luisenheim wurde zu­ nächst von der Stadt Bad Dürrheim als K.in- Großherzogi.n Luise derkureinrichtung betrieben und verwaltet. Kinder aus ganz Deutschland konnten in das Luisenheim kommen und dort kuren. Es sollte sich jedoch bald herausstellen, daß die mit dem Pachtvertrag verbundenen Erwartungen in der Stadtverwaltung bald sehr viel nüchterner gesehen wurden. So­ wohl die mit dem Betrieb des Luisenheims verbundene Arbeit als auch die finanziellen Belastungen trugen zu dieser raschen Er­ nüchterung bei. So war die Stadtverwaltung nicht un­ glücklich darüber, daß sich Anfang 1951 der Chrischona-Schwesternverband mit seinem Mutterhaus in der Nähe von Basel für das Luisenheim interessierte und den Vorschlag unterbreitete, das Luisenheim von der israe­ litischen Gemeinde zu pachten und das An­ wesen in Eigenregie zu betreiben. Zur Freude aller wurde sehr schnell eine vertragliche Lösung gefunden, so daß im April 1951 der Chrischona-Schwesternver­ band das Anwesen von der israelitischen Gemeinde in Freiburg übernehmen konnte. Herr Dr. med. Heinz Harrass, damals Stadt­ rat in Bad Dürrheim, der schon die Rückgabe durch die französische Armee organisiert und geleitet hatte, wurde mit dieser Aufgabe betraut. Er war maßgeblich an dem Aufbau des neuen medizinischen Verwendungs­ zweckes beteiligt. Der Chrischona-Schwe­ sternverband führte das Luisenheim dann als Kinderkureinrichtung weiter. Es sollte sich sehr schnell zeigen, daß das Haus unter der neuen Leitung aufblühte und einen sehr guten Ruf gewann. Das Mutter­ Haus der Chrischona-Schwestern war mit der Entwicklung außerordentlich zufrieden und trat infolgedessen an die israelitische Gemeinde in Freiburg heran, um das Luisen­ heim käuflich zu erwerben. Im April 1953 wurde der Kaufvertrag geschlossen und von nun an war der Chri­ schona-Schwesternverband Eigentümer des Luisenheimes. In den folgenden 3 Jahrzehnten stand das Luisenheim in voller Blüte und war immer sehr gut ausgelastet, so daß sich der Träger 323

bald Gedanken machte über eine Erweite­ rung des Luisenheimes. Mitte der 60er Jahre wurde dann der Entschluß gefaßt, das Lui­ senheim zu erweitern und durch einen ent­ sprechenden Neubau zu vergrößern. Der Neubau wurde 1969 erbaut und fertiggestellt und im gleichen Jahr seiner Bestimmung übergeben. Das 1912 erbaute Stammhaus und das neu erstellte Haupthaus wurden über einen Verbindungsgang miteinander verbunden. Aufgrund gewandelter medizinischer Er­ fordernisse entschied sich der Chrischona­ Schwesternverband 1974 zum Bau eines Schwimm- und Bewegungsbades. Ab Mitte der 80er Jahre, verursacht durch vielfältige restriktive Entwicklungen im Ge­ sundheitswesen, wurde es für das Luisen­ heim immer schwieriger, das Haus ganzjäh­ rig voll zu belegen. Ende der 80er Jahre konn­ te das Haus nur noch während den Schulfe­ rien mit Kindern belegt werden, so daß es sich für den Chrischona-Schwesternverband immer deutlicher abzeichnete, daß das Haus als Kinderkureinrichtung aus den genannten Gründen sinnvoller Weise nicht mehr weiter zu führen ist. Zum Jahreswechsel 1990/91 übernahm dann die Gesellschaft für Verhaltensmedizin und Gesundheitsforschung mbH das Lui­ senheim, um dort eine verhaltensmedizini­ sche Fachklinik für erwachsene Patienten zu etablieren. Für den neuen Verwendungs­ zweck der Luisenklinik waren immense Sa­ nierungs- und Umstrukturierungsarbeiten in beiden Gebäuden erforderlich. Das 1912 er­ baute denkmalgeschützte Stammhaus wur­ de in enger Zusammenarbeit mit dem Lan­ desdenkmalamt im Innenbereich grundle­ gend saniert. Die kompletten Neustrukturie­ rungen und Sanierungen des Haupthauses wurden sofort mit dem Jahreswechsel 1990/ 91 in Angriff genommen, und es wurde zwi­ schen beiden Gebäuden ein neuer Speisesaal in Form eines großzügigen Glaspavillons er­ baut. Dieser erhebliche Sanierungsaufwand bedurfte einer exakten Planung und Zusam­ menarbeit zwischen Architekten, Bauträ- 324 gern und Landesdenkmalamt. Bereits im Mai 1991, also 5 Monate nach der Über­ nahme, war das Haupthaus in seiner bauli­ chen Gestalt soweit, daß bereits die ersten Patienten aufgenommen werden konnten. Im August des gleichen Jahres konnte dann das Stammhaus nach einer grundlegenden Sanierung und Restaurierung seiner neuen Bestimmung übergeben werden. Mit der Ubernahme der Gesellschaft für Verhaltensmedizin und Gesundheitsfor­ schung 1990/91 wurde somit ein neues Kapi­ tel in der Geschichte der Luisenklinik aufge­ schlagen. In der jetzigen Luisenklinik stehen 143 Therapieplätze für die Patienten zur Ver­ fügung. Dem persönlichen Engagement des neuen Trägers ist es zu danken, daß im Früh­ jahr 1994, wiederum in Zusammenarbeit mit dem Landesdenkmalamt und der Denkmal­ stiftung Baden-Württemberg, die Außenfas­ sade des 1912 erbauten Stammhauses unter immensem Aufwand originalgetreu wieder­ hergestellt werden konnte. Somit erstrahlt die Luisenklinik seit Herbst 1994 wieder in dem Glanz, wie es bereits bei der Erbauung 1912 der Fall war. Dr. Rolf Wahl, Volker Enser, Ulrike Gaß Trennung Mit dir glaubte ich lachen zu können unbeschwert wie ein Kind – als du gingst nahmst du das Lachen mit und ließest nicht eihmal Erinnerung zurück Christiana Steger

Sport Deutsche Nordische Skimeisterschaften 1995 in Schonach Schonach ist und bleibt d a s Skidorf „Skidorf im Schwarzwald“ – es war ein Ehrentitel, der Schonach schon fast in Urzei­ ten des Skisports verliehen wurde. Er hat heute noch genau so Gültigkeit wie damals. Selbst den Begriff „Dorf“ darf man noch ste­ hen lassen, denn trotz aller Industrieansied­ lung gibt es noch genug Schwarzwaldhöfe, in denen bäuerliche Nutzung Broterwerb ist. Und „Ski“? Da bedarf es keiner Überlegung. In Skikreisen der ganzen Welt ist Schonach ein Begriff Junioren-Weltmeisterschatten (vgl. Almanach 80, Seiten 218/219) und die Weltcup-Kombination um den Schwarz­ wald-Pokal (vgl.Almanach 92, Seiten 318-321) trugen den Namen Schonach bis nach Japan und Nordamerika, und perfekte Organisa­ tion verbunden mit herzlicher Gastfreund­ schatt und damit einer fast einmalig zu n·en­ nenden Atmosphäre haben diesem Namen Glanz verliehen. Im Winter 1994/95 stand Schonach gleich zweimal im Mittelpunkt des skisportlichen Interesses, denn kaum war der Schwarzwald­ Pokal vergeben, standen vom 19. bis 22.Janu­ ar 1995 die Deutschen Nordischen Skimei­ sterschatten auf dem Programm. Fast spie­ lend bestand das Organisationsteam um Ski­ Club-Vorsitzenden Gunter Schuster und Renn-Sekretärin und „Seele“ aller Skifeste in Schonach, Heidi Spitz, diese Doppelprü­ fung. Auch die nationalen Titelkämpfe ge­ reichten Schonach zu Ehren. Bürgermeister Albert Haas (inzwischen Ruheständler), der sich bei allen Veranstaltungen als der „Mann Silber für den Schonacher Hansjörg ]äkle Zusammen mit seinen Teamkollegen Gerd Siegmund (Oberhof), Dieter Thoma (Hinter­ zarten) und Jens Weißjlog (Oberwiesenthal) gewann Hansjörg}äkle (Schonach) Silber im Skispringen bei der Nordischen Ski-Weltmei­ sterschaft 1995 in Thunder Btry (Kanada). Der Mannschaftsolympiasieger von Lille­ hammer (vgl. Almanach 95, Seiten 343/ 344) hat mit diesem Sieg seiner sportlichen Laufbahn einen weiteren Glanzpunkt aufge­ setzt. Am 21. 3.1995 wurde er in seiner Hei­ matgemeinde im festlichen Rahmen empfan­ gen und geehrt. 325

vorderen Platz gut war, hatte man sich so viel versprochen; einmal sportlich, aber auch von den Einnahmen her. Das war wirklich großes Pech. Dem Gesamteindruck von den Meisterschaften konnte es freilich keinen Abbruch tun. Bei den sportlichen Entscheidungen kam bei den Skifreunden aus dem Schwarzwald etwas Wehmut auf. Man dachte zurück an die Zeiten, in denen der Schwarzwald und Bayern sich gegenseitig die Titel abjagten. Diesmal konnte bei der Siegerehrung im „Haus des Gastes“ kein Schwarzwälder als Meister geehrt werden. Dominant war der Schwarzwald nur im Springen auf der Groß­ schanze, mit dem der Ski-Club Neustadt auf seiner Hochfirst-Schanze am Samstag mehr Glück hatte als die Schonacher am Sonntag: Hinter dem an diesem Tag überragenden Jens Weißflog belegten vier Schwarzwälder die nächsten Ränge: Dieter Thoma aus Hin­ terzarten, Hansjörg Jäkle aus Schonach, Sven Hannawald aus Hinterzarten und Chri­ stof Duffner aus dem benachbarten Schön­ wald. Andreas Scherer vom Schonacher Ver­ ein SV Rohrhardsberg wurde noch Achter. Wie schon erwähnt: Schade, daß auf der Langenwald-Schanze in Schonach nicht ge­ sprungen werden konnte … Im Langlauf setzte es Überraschungen ab. Schon am ersten Tag über 30 Kilometer in der klassischen Technik: Jochen Behle, der hohe Favorit, stieg aus und machte den Weg frei für Torald Rein, hinter dem Andreas Schlütter Zweiter wurde. Beide stammen aus den neuen Bundesländern, starten aber für Vereine aus den alten -ein Merkmal für die Zeit seit der Wende. Überraschung zwei: Nicht der hochfavorisierte, durch seine „Spuk­ geschichten“ ins Gerede gekommene Johann Mühlegg gewann, sondern Andreas Schlüt­ ter, ein Talent hohen Grades im 15-km-Ren­ nen in der freien Technik. Als bester Schwarz­ wälder wurde der Furtwanger Walter Kuß einmal Siebter und einmal Fünfzehnter. Bei den Damen, die einen Neuanfang machten, teilten sich lna Kümmel (15 km) und Sigrid Wille (10 km) die beiden Titel. Hier fiel die für alle Fälle“ in den Dienst der Organisation stellte, darüber hinaus aber auch ein stets freundlicher Gastgeber war, der den richti­ gen Ton gegenüber Sportlern und ihren Be­ treuern und Funktionären fand, konnte zu­ frieden sein. Glück und Pech liegen im Leben eng bei­ einander. Auch im Sport und … beim Wet­ ter. An Schnee fehlte es im Gegensatz zu den letzten Jahren nicht. Endlich konnte das kleine Skistadion bei Schule und Rathaus, also mitten im Ort, wieder aufgebaut wer­ den, und dort herrschte bei allen Langläufen großartige Stimmung. Und das Wetter hielt … bis zum Sonntag. Da kam der große Re­ gen, vor allem aber ein orkanartiger Sturm. Das Springen auf der Normalschanze mußte abgesagt werden. Gerade von diesem Wett­ bewerb mit den Olympiasiegern, darunter dem Schonacher Hans-Jörg Jäkle (der sich allerdings verletzt hatte) und einem weiteren Schonacher, Andreas Scherer, der für einen 326

Überlegenheit der jungen Damen aus den neuen Bundesländern in der Breite auf. Die Kombination (ohne den zurückgetretenen Hans-Peter Pohl aus Schonach) ging an den Bayern Thomas Dufter. Erfreulich hier der dritte Platz für einen Schonacher: Christian Dold vom SV Rohrhardsberg. Ein besonderes Ereignis wurde die Mann­ schaftskombination: Der Langlauf nach Art der Sechstagerennen im Radsport wurde am Abend auf einer beleuchteten Strecke ent­ schieden. Viele Zuschauer erfreuten sich an diesem abendlichen Spektakel. Überhaupt: Die Zuschauer nahmen regen Anteil am sportlichen Geschehen, in erster Linie natürlich die Schonacher, die ihre Ver­ bundenheit mit dem Skisport unter Beweis stellten. Die kam auch deutlich in anderer Meinrad Beha Ein Leben für den Laufsport Wenn jemand für „langjährige herausra­ gende sportliche Leistungen“ vom Bürger­ meister seiner Heimatgemeinde geehrt wird und die Glückwünsche vom Ministerpräsi­ denten des Landes Baden-Württemberg ent­ gegennehmen darf, hat das seinen besonde­ ren Grund. In über zwanzigjähriger sport­ licher Tätigkeit auf dem Gebiet des Lauf­ sports erlief sich der Unterkirnacher Post­ bote Meinrad Beha unzählige Siege und Meistertitel. Die so erfolgreiche sportliche Karriere wurde ihm wahrlich an seiner Wiege nicht mit auf den Weg gegeben. Als Drittjüngster von sieben Kindern wurde er am 9.Januar 1952 auf dem elterlichen Bauernhof am Hohrain in Unterkirnach geboren. Viel­ leicht waren die vier Kilometer Schulweg, den die Kinder der Familie Beha zurücklegen mußten, in Wintern wie man sie heute nur noch vom Hörensagen kennt, der Grund­ stein für seine spätere erfolgreiche Sportlauf­ bahn. Kein Schulbus brachte die Kleinen in Hinsicht zum Ausdruck: Die Preise wurden durchweg von einheimischen Firmen (auch aus Triberg und St. Georgen) gestiftet. Sie wurden für Sieger und Plazierte nicht nur zu einer Erinnerung an den Erfolg, sondern auch an Schonach und den Schwarzwald. Beim Empfang für Mannschaftsführer und Medienvertreter im alten Skisportler-Gast­ haus Rebstock und bei der Siegerehrung mit anschließender Unterhaltung im Haus des Gastes durften Bürgermeister Albert Haas und der Ski-Club viele anerkennende Worte von den Spitzen des Deutschen Skiverban­ des hören. Sie waren Lohn für viel Arbeit, aber auch eine Bestätigung: Schonach ist und bleibt d a s Skidorf im Schwarzwald. Werner Kirchhofer die Schule und wieder zurück an den elter­ lichen Herd. Geschadet hat es, wie man an den späteren sportlichen Erfolgen sehen konnte, in keiner Weise. 1967 wählte er die Deutsche Bundespost zu seinem Arbeitge­ ber. In den Jahren 1972/73 leistete er den Wehrdienst in Koblenz. Dort begann er seine läuferischen Fähigkeiten zu entdecken, denn bei einem Soldatenlauf von über 5000 Meter erlief er sich den zweiten Platz in einer für ihn heute undiskutablen Zeit von 24 Minuten. Im Vergleich dazu sei seine Best­ zeit über diese Distanz aus dem Jahre 1987 erwähnt, die bei stolzen 15:04 Minuten liegt. Doch das Lauffieber hatte ihn gepackt, auch wenn er noch sehr weit entfernt war von einem systematischen Trainingsplan. Auch sein Körpergewicht war alles andere als ideal. Seine 76 Kilo waren für Spitzenzeiten in kei­ ner Weise gerechtfertigt. Es war der Spaß an der Freud, der ihn im Jahre 1975 seinen ersten Marathon laufen ließ. Dazu suchte er sich gleich den Naturmarathon von Bräunlingen 327

aus. Ohne Training und aus reiner Aben­ teuerlust brachte er die von vielen Läufern gefürchteten 42 Kilometer in 3:41 Stunden hinter sich. Seit 1976 war der angehende Laufstar Post­ zusteller am Sommerberg in Unterkimach. Die ca. 2000 Treppenstufen, die er täglich auf-und absteigen mußte, waren eine ideale Trainingseinheit zu seinen sonst üblichen Waldläufen. Das Jahr 1978 war für Meinrad Beha ent­ scheidend. Privat wie sportlich sollte sich einiges ändern. Die Hochzeit mit seiner Frau Ursula bildete den Höhepunkt des Jahres. Der Beitritt zum neugegründeten Lauftreff Unterkimach trat dadurch etwas in den Hin­ tergrund. Beha begann mit einem regelmäßi­ gen, auf Leistung abgestimmten Training, und schon im Jahre 1979 zeigten sich die Erfolge. Er lief, wiederum in Bräunlingen, den Marathon in 2:54 Stunden. Das war eine enorme Steigerung. Jetzt wußte Meinrad Beha, daß es bis zu einem überzeugenden Sieg nicht mehrweitwar. Man wurde auf den Läufer aus dem Kirnachtal aufmerksam. Er avancierte in der Folgezeit zum Laufstar über 5000 Meter, 25 Kilometer und die Mara­ thondistanz. Doch in dieser Zeit war auch für ihn klar, daß es ohne ein hartes Training nicht mehr ging. Das Energiebündel aus Unterkimach nahm diese gewaltige Heraus­ forderung an, die er, wenn man seine Erfolge betrachtet, in meisterlicher Manier löste. Seine hervorragenden Ergebnisse erzielte er aber nicht nur auf ebenen Strecken. Daß er ein ausgezeichneter Bergläufer ist, beweisen seine sensationellen Zeiten bei über regiona­ len Berglaufveranstaltungen. Seine gesam­ ten Erfolge hier an dieser Stelle aufzuzählen, wäre müßig, doch seine markantesten Siege seien hier erwähnt: 1984 war das Ausnahme­ talent Süddeutscher und Baden-Württem­ bergischer Marathonmeister. Im selben Jahr stellte er beim 25-km-Lauf in Hildrizhausen einen neuen Streckenrekord auf, 1985 war er Gesamtsieger des Marathons in Bräunlingen und 25-km-Meister von Süddeutschland. 1986 gewann er den großen internationalen 328

Schluchseelauf und wiederholte im selben Jahr seinen Erfolg über 25 km aus dem Vor­ jahr in Hildrizhausen. 1987 wurde er Baden­ Württembergischer Meister, Vizemeister im Berglauf, der am Hochblauen ausgetragen wurde. Zugleich errang er mit seinen Vereins­ kameraden aus Unterkirnach den Meister­ titel in der Mannschaft. Die Bronzemedaille erlief er sich 1988 bei der Deutschen Berg­ laufmeisterschaft in Bühlertal. Sein zweiter Erfolg in Bräunlingen war ihm im Jahre 1990 beschieden und er war zugleich Gesamtsie­ ger des erstmals ausgetragenen Schwarzwald­ Baar-Cups. 1986, 87, 88 und 90 gingen die Titel eines Bezirksmeisters des Leichtathle­ tikbezirks Schwarzwald-Baar-Zollernalb an Meinrad Beha. 1992 errang er im schwedi­ schen Motala mit seinem dritten Platz bei der Europäischen Cross-Meisterschaft einen weiteren Achtungserfolg. Ein absoluter Hö­ hepunkt in Behas Läuferleben war sein Start beim Tsuchiara-Marathonlauf in Japan. Zu diesem Start im Land der aufgehenden Sonne kam er durch die sportlich faire Hal­ tung des Siegers Takayasa Komatsu, der den Bräunlinger Marathon gewonnen hatte und spontan den ersten Preis, eine Flugreise nach Japan, an den Postboten, als Zweitplazierten, weitergegeben hatte. Meinrad Beha ent­ täuschte in Japan in keiner Weise und lief als bester Europäer auf den beachtlichen 10.Platz. Was bleiben wird, so der Akteur Langlauf, sein Leben Über den Sportler Klaus Weiß wurde bereits im Almanach 86, Seiten 246, 247, berichtet. Sein neuester sportlicher Triumph wird im nach­ folgenden Beitragfestgehalten. 3.März 1995, Canmore/Calgary, Orts­ zeit: 11.39 Uhr: Klaus Weiß ist Weltmeister über die Kö­ nigsdisziplin der Langläufer, die 50 km. Goldmedaillengewinner bei den Senioren­ Weltmeisterschaften 1995 in Kanada. selber, ist ein unvergeßliches Erlebnis und die Erfahrung, daß der Sport nicht immer nur mit verbissenem Siegeswillen verbunden sein muß, sondern daß das Sichkennenler­ nen von Menschen verschiedener Art und Rasse, einen Menschen reicher macht. Das Jahr 1994 bescherte ihm nocheinmal den Titel eines Vizemeisters der Senioren im Berglauf und zusammen wieder mit seinen Vereinskameraden den Titel eines Deut­ schen Mannschaftsmeisters der Senioren. Die Liste seiner einmaligen Erfolge ließe sich fortsetzen, denn in seinen bisher 311 Wettkämpfen (davon einmal aufgegeben) war der langlaufende Postbote immer ein Anwärter auf einen Sieg oder Titel. Aber es gibt nicht nur den Läufer, sondern auch den Menschen und Kommunalpoliti­ ker Meinrad Beha. Neun Jahre lang (1980- 89) war er Mitglied des Gemeinderates seiner Heimatgemeinde Unterkirnach. Seine offe­ ne und sachliche Art war es wohl, die von den Bürgern der Gemeinde geschätzt wurde, als sie ihn mit überwältigendem Stimmenan­ teil in das Gremium wählten. Rückhalt fin­ det Meinrad Beha in seiner Familie, die ihm die Unterstützung gibt, welche er unbedingt braucht. Seine Erfolge hängen eng mit seiner Familie zusammen, denn ein Leben mit all seinen Höhen und Tiefen kann nur in einer Gemeinschaft, wie die Familie ist, gemeistert Werner Jörres werden. Die Laufzeit auf der technisch anspruchs­ vollen Olympiastrecke: 2 Std. 39 Min. Hin­ ter ihm, 79 geschlagene Teilnehmer aus aller Welt, die Seniorenklasse M 50. Sein härtester Konkurrent, der Russe Evquini Soliankine, kommt 25 Sekunden später ins Ziel. Lange Zeit waren sie zusammen gelaufen. Dann, kurz vor dem Ziel, mobilisierte der Ober­ eschacher nochmals seine letzten Kräfte und errang seinen ersten Einzeltitel als Senioren-329 Klaus Weiß wurde in Calgary Langlaufweltmeister der Senioren

den Reihen ehemaliger aktiver Rennläufer, aus Nationalmannschaften und Leistungs­ kadern. Mit ungebrochenem Ehrgeiz, be­ währter Technik und viel Erfahrung, werden bei diesen Meisterschaften hervorragende Leistungen erzielt. In diesem Umfeld Weltmeister zu wer­ den, einen Einzeltitel zu erringen, ist eine Superleistung. Dafür hat Klaus Weiß lange trainiert. Pro Jahr ca.1200 Schneekilometer, Skirollertraining im Sommer, 6 -8 Stunden pro Woche, dazu Radfahren und Laufen. Verstärktes Armtraining, was auch im klassi­ schen Stil zunehmend wichtig wird. Pro Winter ca.15 Rennen. Langläufer seit dem 16. Lebensjahr, richtig aktiv ab 21. Früher Klasse-1-Läufer und Kadermitglied im Ski­ verband Schwarzwald. Seither über 300 Siege und unzählige Plazierungen unter den ersten 10. Ein Ausnahmeathlet, konstant vorne mit dabei, seit 30 Jahren. Den Ruck­ sacklauf Schonach – Belchen hat er gewon­ nen, war schon einmal Goldmedaillenge­ winner bei der Seniorenweltmeisterschaft in der Staffel, holte am legendären Holmenkol­ len bei der Senioren-WM Bronze, war mehr­ facher Deutscher Senioren- und Skiroller­ Bergmeister. Das sind nur einige der vielen Erfolge des Obereschacher Ausnahmeläufers, der sei­ nem Club, dem Skiclub Villingen, bis heute die Treue hielt. Manche Mark hätte fließen können, wenn er aufs Geld geschaut hätte und die vielen Angebote anderer Vereine angenommen hätte. Vereinsmeister wurde er beim Villinger Skiclub immer dann, wenn er antrat. Bis heute ungeschlagen, errang er über 20 Titel. Sein unbändiger Siegeswille, Trainings­ fleiß und eine hervorragende technische Begabung auf den Skiern, sind der Fundus, auf dem Klaus Weiß seine Erfolge erringt. Als Sportartikelhändler kann er freilich auch auf gutes Material zurückgreifen, weiß, was Sache ist und ein glückliches Händchen beim Wachsen hat er allemal. Das hat ihm auch in Calgary geholfen. Dort, in einer Mischung aus Alt- und Kunst- Klaus Weiß bei der Siegerehrung im kanadischen Calgary weltmeister. Das war die Krönung einer bei­ spiellosen, sportlichen Laufbahn. Seine her­ vorragende Zeit hätte auch noch gereicht, um in den drei jüngeren Klassen M 35, M 40 und M 45 eine Medaille zu gewinnen. 2 Tage zuvor hatte er sich die Silberme­ daille über 15 km geholt. Dazwischen noch mit der Staffel den 4. Platz über 3 x 10 km. Bei diesem Staffelrennen gelang ihm sein per­ sönlicher „kleiner Rekord“. Er errang als 5ljähriger von allen Teilnehmern die viert­ beste Zeit. „Wenn’s läuft, dann läuft’s.“ So sein bescheidener Kommentar nach gran­ dioser Leistung. Dabei sind Seniorenweltmeisterschaften beileibe kein Touristentrip. Die 1800 Teil­ nehmer aus den klassischen Langlaufhoch­ burgen Rußland, Norwegen, Schweden, Finn­ land, Italien, Österreich, Schweiz und Deutschland rekrutieren sich allesamt aus 330

Karin Romer steuert Olympiade an gehabt“ sagt er schmunzelnd und kommt schnee, waren optimal präparierte Skier schnell zum nächsten Thema. Daraus machen wichtiger denn je. „Du läufst wie auf Millio­ sie alle ein Geheimnis, die Meister des nen kleiner Kugeln, die haben keine Bin­ schnellen Brettes. dung zueinander, und die oberste Schicht Die Frage, ob der Weltmeistertitel, der klebt Dir am Ski.“ So seine fachmännische bisherige absolute Höhepunkt seiner Kar­ Beschreibung der Schnee-und Spurverhält­ riere, jetzt vielleicht der richtige Moment nisse bei dieser Weltmeisterschaft. Für Klaus wäre, ans Aufhören zu denken, weist er la­ Weiß sein erstes Kunstschneeerlebnis, wel­ chend zurück. ,Jetzt macht es doch erst rich­ ches seinem Wachstalent natürlich alles tig Spaß“ sagt er und fügt lächelnd hinzu: abverlangte. Wie er seine Ski präparierte, „Was sollen denn meine Kunden von mir und was letztlich auf den Ski gezaubert denken.“ wurde, daß er trotz widriger Schneeverhält­ Hilmar Kirchgeßner nisse gut lief, weltmeisterlich, versteht sich, verrät der alte Fuchs indes nicht. „Glück Mit 18 Jahren dreimal Mountainbike-Weltmeisterin Die dreifache Mountainbike-Weltmeiste­ rin Karin Romer aus Niedereschach setzt aufs Ganze. Das Ziel heißt Olympia-Teil­ nahme 1996 in Atlanta, USA. Dafür ging die am 12. November 1976 geborene Sportlerin frühzeitig von der Schule ab und wechselte zur Bundeswehr. Nach der Grundausbildung in der Truppe bleibt nun genügend Zeit für Training, Wett­ kämpfe, Verpflichtungen. Dabei ist der Ter­ minkalender von Karin Romer auch ohne Schule prallvoll. Sie plant immer drei bis vier Wochen voraus. Daß sie sich auf ihre Kräfte konzentrieren muß, hat Karin Romer nach bitterer Nieder­ lage bei der Weltmeisterschaft im Straßen­ rennen erkannt. Konsequent und hart mit sich selbst feierte sie nur wenige Wochen danach ihren bislang größten Triumph: den dritten Mountainbike-Weltmeistertitel. So zeichnet sie sich als Vorbild aus. Dieser Rolle ist sie sich durchaus bewußt. Gerade im Schwarzwald-Baar-Kreis genießt Karin Romer große Popularität. Viele junge Rad­ fahrer bewundern sie und wollen ihr nach­ eifern. Wer wie Karin Romer als Sportamateur profihaft seine Ziele erreichen will, braucht Talent, Trainingsfleiß, ein gutes Umfeld und den Willen, „die Beste zu sein“. In ihrer ach­ ten Rennsaison weiß Karin Romer mit der Erfahrung aus über 300 Rennen, daß man nicht vom Start weg allen davonfahren kann, sondern auch taktieren muß. Ihr fällt es leichter, nach Niederlagen erstarkt wieder nach vorne zu fahren, als immer dem Anspruch der Nummer eins ge­ recht zu werden. Rennen fahren ist für sie das Schönste am Radsport, so wie Boris Becker sagt, er spiele gerne Tennis. Sie liebt den Wettbewerb, erinnert sich gerne an die Zeit, als sie noch mit den Jungs bei Schüler-B­ Rennen um Sieg und Punkte kämpfte. Inzwischen fährt sie in der Frauenklasse. Da läßt sich auch Geld verdienen, obwohl es noch immer vergleichsweise wenig ist. Rad­ fahren ist eine Randsportart, obwohl fast jeder ein Fahrrad besitzt. Doch zwischen radeln und einem Tempo von durchschnitt­ lich 43(!) Kilometer pro Stunde bei Straßen­ rennen ist ein riesengroßer Unterschied. Eine schöne Tour auf Feldwegen kann man genießen. Beim Höllentempo im Down­ Hill-Rennen mit dem Mountainbike ist auch eine Karin Romer bis zum letzten Nerv ange­ spannt. 331

wald härtet sie ab. Dank einer robusten Gesundheit war sie in den letzten Jahren nie geschwächt oder durch Medikamente in ihrer Leistung beeinflußt. 1995 wird für Karin Romer noch ein weite­ res Jahr der Orientierung sein. Straßenren­ nen und Mountainbike-Wettbewerbe: die­ sem doppelten Anspruch will sich Karin Romer, losgelöst von schulischen Verpflich­ tungen, noch einmal stellen. Was dann kommt, ,,wird man sehen“, sagt sie mit der Vorsicht und Ruhe, die sie persön­ lich auszeichnet. Der Druck von der Straße baut ihr die Bombenkondition für die Off­ Road-Wettbewerbe auf. Deshalb steht sie weiterhin zur zweigleisigen Taktik, läßt ihre Entscheidung für das Olympiajahr noch rei­ fen. Dabei scheint sie im Herzen längst zu dem Entschluß gekommen sein, der für die gesamte Radsportentwicklung gilt: dem Mountainbike gehört die Zukunft. Mit viel Arbeit und Disziplin kann Dreifach-Welt­ meisterin Karin Romer bei der Olympia-Pre­ miere diese Zukunft mitgestalten. Doch wie bei jedem großen Ziel, muß auch ein Scheitern einkalkuliert sein, damit man an Niederlagen nicht menschlich zerbricht. Verena Wider Doch sie kennt wenig Angst, wie man auf Videos von den Sportereignissen sieht. Un­ empfindlich trumpft sie bei Schlamm, Re­ gen und Kälte auf. Das Wetter im Schwarz- Ein Schüler als Spitzensportler Alexander Herr Wenigen Menschen ist es gegeben, mit 16 Jahren überregionalen, ja internationalen Bekanntheitsgrad zu genießen und dement­ sprechend für Schlagzeilen zu sorgen. Einer dieser wenigen istAlexander Herr aus Schon­ ach, Juniorenweltmeister und Deutscher Jugendmeister im Skispringen, Mitglied des Skivereins Rohrhardsberg und Schüler der Realschule Triberg. Wie kommt nun einer zurecht, der so jung in die Medien gerät, dessen Erfolge „über den Äther“ gehen, der in der Presse portrai­ tiert wird und der auch schon vielfältige Erfahrungen mit dem Fernsehen hat? Wie verkraftet er Niederlagen, Enttäuschungen und Verletzungen physischer und psychi­ scher Art? Wie verarbeitet er Lob, Ruhm und Erfolg? Wenn man davon ausgeht, daß der Mensch ein Leben lang lernt, dann steht ein 16jähriger erst am Anfang seiner Lebenser­ fahrungen. Diese sind natürlich aufgrund seiner sportlichen Tätigkeiten schon weitaus größer als die seiner Alters- und Schulkame­ raden. Denn Bildung ist Begegnung, und an letzterer besteht für Alexander Herr, der all- 332

jährlich weit in der Welt herumkommt und viele Menschen kennengelernt hat, kein Mangel. Berühmte Pädagogen behaupten, daß nur auf diese Weise echte Bildung sich ereignet, weil die Schule die Realität des Lebens hauptsächlich nur simulativ darbie­ ten könne. Dennoch bedarf es schulischer Grundbildung in materialer wie auch forma­ ler Hinsicht. Dieses gilt allgemein als Voraus­ setzung und in gewisser Weise als Garant für ein gelingendes Leben, in dem neben Ge­ sundheit und Familie der Beruf eine heraus­ ragende Rolle spielt. Für Alexander Herr ist es jetzt schon eine gesicherte Erkenntnis, daß er trotz aller sportlichen Möglichkeiten nicht darauf vertrauen darf, als erfolgreicher Spitzenathlet dann auch sein Leben bestrei­ ten zu können. Sein Bestreben ist deshalb, nach einem guten Realschulabschluß eine solide Berufsgrundlage zu schaffen. Die Gleichzeitigkeit dieses Vorhabens von Schu­ le bzw. Beruf und Spitzensport ist bekannter­ maßen die „Crux“ des Ganzen, die hohe Anforderungen an Willenskraft, Talent und Durchhaltevermögen stellt. Auch hierin ist Alexander Herr „trainiert“. Gleichwohl die Anforderungen der Realschule in Richtung Abschlußprüfung und die Fehlzeiten auf­ grund von Lehrgängen und Wettkämpfen proportional anstiegen, ist es ihm alljährlich gelungen, mit einer „Belobigung“ ausge­ zeichnet zu werden. Dies verdankt er seiner Begabung, seinem Fleiß und seiner Kon­ stanz, die wiederum es seinen Lehrern er­ leichterten, ihm zusätzlich Hilfe und Ver­ ständnis entgegenzubringen. Die Kooperation zwischen Skiverband und Schule, die über die Eltern lief, war der­ gestalt optimal, daß Terminplanungen exakt und verläßlich eingehalten und somit Vor­ aussetzungen geschaffen wurden, auch ei­ nem Spitzensportler auf seinem schönen, interessanten, aber schweren Weg eine gute schulische Grund-und Abschlußbildung zu­ teil werden zu lassen. Alexander Herr wurde am 4. Oktober 1978 als Sohn der Eheleute Hans-Paul Herr und Mella Herr geb. Kuschel geboren. Mit drei 333

stungsgruppe I), wo neben dem Ausnahme­ springer Jens Weisflog mit Dieter Thoma, Christoph Duffner und HansjörgJäckle wei­ tere Schwarzwälder sich etabliert hatten. Um im Winter fit zu sein, muß Alexander von April bis Oktober ein gezieltes Sommer­ training durchführen. Nach einem Rahmen­ trainingsplan des Bundestrainers, der mit dem Co-Trainer Wolfgang Steiert indivi­ duell abgestimmt wird, sind diverse Trai­ ningseinheiten hinsichtlich Kondition und Schnellkraft und ca. 700 Sprünge an Som­ merschanzen zu absolvieren. Nach der Schneevorbereitung durch Springer-Lehr­ gänge beginnen dann die Wettkämpfe. Alex­ ander fühlt sich dabei durch Medien und Öffentlichkeit nicht unter Druck gesetzt. ,,Den Druck-oft zuviel -mache ich mir sel­ ber.“ Entscheidend für den Erfolg seien neben einer optimalen Vorbereitung viele Dinge, vor allem Umfeld, psychische Belast­ barkeit und Tagesform. ,,Vor Klassenarbeiten bin ich nervöser als vor dem Springen“, meint Alexander, der sich selbst als „Dick­ kopf‘ bezeichnet, ,,der wegen des Sportes auch öfter mal anstößt.“ Schule und Spitzen­ sport seien schon eine „enorme Belastung“, dennoch „ging die Schule leichter als erwar­ tet.“ Für die Zukunft hofft er, ,,daß es weiter gut läuft“ und er von Verletzungen verschont bleibt, schulisch strebt er die Fachhoch­ schulreife an und menschlich ist ihm, dem 16jährigen, sein eigenes Urteil wichtig: ,,Ich gehe überall meinen eigenen Weg, ich lasse mich nicht beeinflussen.“ Dem Menschen und dem Athleten Alex­ ander Herr ist zu wünschen, daß sich seine erfolgreiche sportliche Laufbahn fortsetzt und er auch im Leben stets gute „Haltungs­ noten“ erzielt. Horst Herr Jahren bekam er sein erstes Paar Ski. Am Schonacher Winterberg sprang er über selbstgebaute Hügel und mit vier Jahren an der Schülerschanze im Obertal schon zwölf Meter weit. ,,Aus eigenem Antrieb“, wie er sagt, wobei auch das Vorbild von Großvater und Vater Gewicht haben mag. Der Groß­ vater Paul Herr war zu seiner Zeit ein Schwarzwälder Spitzenspringer, und der Vater Hans-Paul Herr ist seit 1995 haupt­ beruflich als Landestrainer für den Skiver­ band tätig. Von Anfang an gehörte Alexander Herr dem Skiverein Rohrhardsberg an. Dieser kleine, aber erfolgreiche Verein der ehemals selbständigen Wäldergemeinde, dessen An­ fänge in die 20er und 30er Jahre zurückrei­ chen, besteht offiziell seit 1952. Seine alljähr­ lich ausgerichtete Vereinsmeisterschaft bil­ dete für den jungen Alexander die erste Wett­ bewerbsmöglichkeit seines Lebens. Betreut wurde er von seinem Vater, der über zehn Jahre sein Trainer war und „dem ich meine Erfolge verdanke“. Mit sechs Jahren erhielt er dann die ersten Sprungskier, eine Sonder­ anfertigung. Bald war Alexander baden-würt­ tembergischer Schülermeister und mehr­ facher Gewinner des Georg-Thoma-Pokals. Es folgten Sichtungslehrgänge bei Ewald Roscher und Rudi Tusch, der Gesamtsieg bei den Bundesskispielen 1991 und der Aufstieg in das DSV-Kader D/C. Für die Teilnahme am Deutschlandpokal für Jugendliche benö­ tigte er 1992 einen Sonderantrag des Skiver­ bandes, weil er als Schüler noch zu jung war. Doch Antrag und Teilnahme lohnten sich. Alexander Herr wurde Gesamtsieger dieses Wettbewerbs. Die Aufnahme in die Junio­ ren-Nationalmannschaft folgte. Bei der Junioren-WM 1993 errang er überraschend im Einzelwettbewerb und mit der Mann­ schaft die Bronze-Medaille. 1994 stellten sich die Erfolge dann nicht so ein wie ge­ wohnt, obwohl Alexander den Alpenländer­ cup gewinnen konnte. ,,Doch dies gab mir Antrieb.“ Mit 16 Jahren(!) berief ihn Bundes­ trainer Reinhard Hess in die deutsche Ski­ springernationalmannschaft (d. i. die Lei- 334

Landschaft, Naturdenkmäler, Umwelt Der Rohrhardsberg Mit 1163 m ü. d. M. höchster Berg des Landkreises Zugleich ein Blick in die Vergangenheit der einstigen Wäldergemeinde Die einstige tibetanische Weltabgeschie­ denheit und lange Armut unter den Bewoh­ nern der einst selbständigen Wäldergemein­ de Rohrhardsberg findet nur im Reiz der landschaftlichen Schönheit und Eigenart ihren Ausgleich. Auch wenn ausgesproche­ ne romantische oder gar alpine Formen feh­ len, ist doch der Wechsel der unterschied­ lichen landschaftlichen Charaktere reich ge­ nug, um nicht eintönig zu erscheinen. Es gibt keinen Weg oder Saumpfad, auf dem nicht Interessantes aufzulesen wäre. Der Rohrhardsberg ist bis heute eine Streusied­ lung geblieben. 90 Prozent der Gemarkungs­ fläche ist Wald. Wenig Ackerland, viel Wei­ defeld mit Bocksbart-Gräsern mögen das ih­ re beitragen, daß der Rohrhardsberg zu einer Landscha&sinsel im Schwarzwald-Baar-Kreis geworden ist. Eiszeitspuren, Moorflächen, Felsspalten, Felsenmeere und die Elzfalle (Wasserfall) sind Inhalt der ruhigen Insel, eingesäumt von Tannen und Fichtenwäl­ dern. Wer mit Herz und Heimatliebe ausge­ stattet ist, wird sehr bald herausfinden, daß der Begriff „Trostlosigkeit“ auf dem höchsten Berg des Schwarzwald-Baar-Kreises nicht anwendbar ist. Jede Landschaft, auch die scheinbar herb­ ste und einsamste, hat ihre Sprache, ihre Seele und letztendlich ihre Geschichte. Erst wer den Rohrhardsberg kennt, kann diesen auch lieben lernen und die Opfer, die seine Geschichte den Bewohnern seit der urkund­ lichen Erwähnung im Jahre 1335 aufbürdete, verstehen. Es ist dies eine Pfandurkunde, ausgestellt von Ulrich von Schwarzenberg. Die Urkunde besagt, daß das religiöse Leben der Siedler auf dem Rohrhardsberg sehr im „Erstbesteigung“ des höchsten Punktes im Schwarzwald-Baar-Kreis – eine nicht ganz ernstgemeinte Entdeckungswanderung auf dem Rohrhardsberg Als höchste Erhebung des Landkreises galt gemeinhin ein Punkt auf dem Höhenrücken des Rohrhardsberges (auf der Gemarkung Schon­ ach), der mit 1155 Metern angegeben war. In­ zwischen steht fest, daß der höchste Punkt auf dem Gebiet des Schwarzwald-Baar-Kreises 8 Meter höher liegt, also 1163 Meter beträgt. Beide Stellen liegen auf dem Gebiet des Rohr­ hardsberges. Diese Erkenntnis, die vom Staatlichen Vermes­ sungsamt Villingen-Schwenningen sozusagen amtlich bestätigt wurde, ist an sich nicht neu, wurde aber nunmehr von Herrn Wolfgang Schyle aus Schonach, der sich in seiner Freizeit mit der geschichtlichen Entwicklung von Schon­ ach und mit der örtlichen Geographie beschäf tigt, iiffentlich gemacht. Am Samstag, den 10. 6. 1995,fand bei einer Wanderung, an der u. a. der Landrat teilnahm, die „Erstbesteigung“ der höchsten Erhebung des Schwarzwald-Baar-Kreises statt. Mit einem „Gipfeltrunk“ wurde der höchste Punkt des Landkreises gebührend gewürdigt. 335

Blick vom Rohrhardsberg nach Osten Argen liege. Rohrhardsberg war zu jener Zeit nach Elzach eingepfarrt. Nach dem topografischen Wörterbuch des Großherzogtums Baden wurde der Berg als „RORHART“ bezeichnet. Der Name sei eindeutig auf einen Landeseigentümer oder Siedler zurückzuführen. Ob diese Wälderge­ meinde mit der Bezeichnung „RORHART“ dies dem ersten Siedler zuschreibt, oder ob es sich um einen im U�kreis bekannten Vogt gehandelt hat, steht nicht fest. Im Laufe der Geschichte, nämlich 1480, war von einem „RORHARTZBERG“ die Rede, nach 1525 kam „RORRATESBERG“ als Schreibweise an die Reihe, danach „RORRATSBERG“. 336 Noch im Jahre 1936 schrieb der bekannte Geo­ loge Prof. Dr. Göhringer „ROHRHARDTS­ BERG“ mit „dt“. Der Ort zählte 1525 „vil huser von gmey­ nen lutten“. Also in der heutigen Sprache ar­ me, sozial schwache Leute.1816 wurde Rohr­ hardsberg eine Vogtei mit 32 zerstreut liegen­ den Häusern und Gehöften, 48 Familien und 282 Seelen. 1875 zählte der Ort noch 277 und 1947 39 Familien mit 200 Einwohnern. Zur Geschichte der einst selbständigen Gemeinde Rohrhardsberg wäre noch zu erwähnen, daß am 1. Januar 1971 der Rohr­ hardsberg zu Schonach eingemeindet wur­ de. Im Rahmen der vom Gesetzgeber ange-

Viehweide am Rohrhardsberg, im Hintergrund der Schänzlehof ordneten Gebiets- und Gemeindereform war Rohrhardsberg, zusammengehend mit Schon­ ach, ein Vorreiter auf Landes- und Bundes­ ebene. Der freiwillige Zusammenschluß wurde damals noch mit einer saftigen Geld­ prämie aus der Staatskasse belohnt. wie die blühende Bergflora im Sommer und Herbst, zu den Mitmenschen. Von den Alt­ vorderen gilt es zu sagen, daß sie dichterisch veranlagt waren. Den Beweis liefert bis heute ihr ureigener Vespergesang, in dem den Ein­ wohnern Hohn und Spott, verteilt auf Reich und Arm, zuteil wurde. Die Menschen, die dort ihre Wurzeln hatten Zwei Bauernpropheten Die Menschen, die auf dem Rohrhards­ berg Wurzeln schlugen – geboren waren-, sind zäh geblieben wie die dortige Land­ schaft. Rauh und abgehärtet wie die Natur in den langen und grimmigen Wintermonaten. Sie sind aber auch freundlich und hilfsbereit, Diese gab es auch in der Wäldergemeinde, in diesem Jahrhundert. Der eine war der ,,Bälgmathies“, eigentlich von der Yach ab­ stammend, und der andere Albert Bühler, Holzhauer-Haumeister und Pächter des „Ochsenhofes“. Der erste Hellseher war oft 337

Blick vom Rotenberg zum Ochsenhof – Rohrhardsberg im Herbst auf dem „Bärt“ Gast bei mehreren Schoppen Wein. Er verkündete nach Beginn des Ersten Weltkrieges, daß dieser für die Deutschen verloren und der Kaiser abdanken würde. Die Pfaffen und Ordensleute würden sich in der Mitte der 30erJahre am liebsten unsicht­ bar in einer „Dohle“ verstecken. Mit ihnen kämen auch die Juden an den Pranger. Es werde wieder zu einem verlorenen Krieg kom­ men, mit vielen Heimsuchungen. Danach würde es wieder aufwärts gehen. Die Damen würden so hohe Stöckelschuhe tragen, daß der Mond durchscheine. Drahtzäune würden die Hirtenbuben ersetzen. Elektrisch geladen würden am Berg die Funken sprühen … Der Albert Bühler stand in Sachen Hell­ sehen dem Bälgmathies keineswegs nach. So kündigte er den hohen Forstbeamten das Waldsterben an, als noch keiner nur im ge­ ringsten daran dachte. Auch er sprach 1940 davon, daß wir Deutschen auch diesen Krieg verlieren werden. Nur im hintersten Winkel und unter vorgehaltener Hand teilte er diese düstere Prophezeiung vertrauten Personen mit. Das Geld werde eingestampft und jeder könne von unten anfangen. Die Steuern würden hoch hinaufgesetzt und in einer Vielfalt auftreten. Eine wiederkehrende Ar­ mut und Arbeitslosigkeit würden unter an­ derem die Folge sein. 338

Ein schwarzer Sonntag war der 29. 4.1945 Aufgeatmet haben die wenigen Rohr­ hardsberger – die meisten Väter und Söhne waren noch im Krieg oder in Gefangenschaft-, als die Franzosen am 24.April 1945 die kleine Gemeinde besetzten. Ihre Suche galt ver­ steckten deutschen Soldaten und den propa­ gierenden Werwolfgruppen in den vielen Schlupfwinkeln der Schluchten und Wälder. Bis dahin waren unter den Zivilpersonen keine Opfer zu beklagen. Am darauffolgen­ den Sonntag, den 29. 4.1945, sollte dies an­ ders werden. Nach der Sonntagsmesse in der Pfarr­ kirche St. Urban befanden sich die Buben Stefan und Klaus Maier und August Schüs­ sele auf dem Heimweg. Auf der Paßhöhe „Wilhelmshöhe 1000 m hoch gelegen“ lag links und rechts des Weges ein wahres Waf­ fenarsenal. Für die Rohrhardsberger Buben brachte dieser Fund beim Begutachten ein folgenschweres Unglück. Ein Sprengkörper detonierte und zerstückelte den Stefan bis ins Unkenntliche. Der Klaus und der August wurden durch Splitter verletzt und in das Krankenhaus abtransportiert. Den Stefan legte man auf ein Bretter-Wägeli, abgedeckt mit Stroh und einer Plane. Er wurde in die Friedhofkapelle gebracht, die darauf abge­ schlossen war. Nach zwei Tagen wurde vom Schreiner der Sarg geliefert zur Grablage auf dem Schonacher Friedhof. So hatte die kleine Gemeinde nach Kriegsende einen Schulbube als Kriegstoten und zwei Buben, die dem Tod noch von der Schippe gesprungen waren. Dieser29.April 1945 war der traurigste Tag der Einwohner. Sie nahmen sich dem gro­ ßen Leid der betroffenen Eltern und Ge­ schwister an, die der Krieg, von dem‘ man meinte, er sei vorbei, über die Wälder­ gemeinde gebracht hatte. An den Fronten des unglückseligen Krieges starben 10 Väter und Söhne vom Rohrhardsberg. Ein weiterer zählt zu den Vermißten. Bruno Bender Erdrutsche zwischen Wutachschlucht und Flühen Die Wutach hat in 70 000 Jahren in einer rückwärtsschreitenden Erosion eine Schlucht gestaltet, die erst kurz vor Neustadt endet. Doch warum gehen ihre Steilabfälle im Be­ reich der Wutachmühle in eine völlig anders geformte Landschaft über? Das Tal verbrei­ tert sich und die Hänge werden flacher. Die Architekten dieses neuen Reliefs, das bis zu den Flühen den Fluß begleitet, sind die Schichtprofile des Keuper, Lias und Dogger. Diese Formationen haben gegenüber dem Muschelkalk, in dem sich die Wutach in ihrer zweiten Hälfte bis zur Gauchachmü­ dung eingearbeitet hat, bei Nässeaufnahme völlig andere Eigenschaften: Sie quellen und neigen zu enormen und häufigen Rutschun­ gen. So haben die Rutschmassen des Scheff­ heu, eine zwischen dem Aubach- und Krot­ tenbachtal gelegener Rest eines Höhenzu­ ges, den Aubach an den gegenüberliegenden Talhang abgedrängt. Dabei wurde nordwest­ lich von Aselfingen das weltbekannte Lias­ Schichtprofil und ein Teil des Doggers ange­ schnitten. Ständiges Nachrutschen hält es fortlaufend in einem frischen Zustand. Wei­ tere Zeugnisse solcher extremen Erdbewe­ gungen sind aufgerissene Bergflanken, Ra­ sen- und Bodenschlipfe an den Wutachhän­ gen, in Aubach-, Krottenbach- und Schlei­ fenbachtal sowie an den Hanglagen des Scheffheu, des Eich- und Buchberges. Große schollenartige Abschnitte, die an den Ab­ wärtsbewegungen teilnahmen, haben den Lias bis zur Wutach völlig zugedeckt. Keine Erosion oder Abtragung hat es bisher ge­ schafft, seine Sedimente wieder freizulegen. Beim Abwärtsgleiten des Berghanges, der sich am Scheffheu in Form von geschlosse­ nen Arealen in Bewegung setzte, bildeten sich aus zerfallenen Sackungsschollen teil- 339

Sch,chtprof,l ,m Rutschgeb,et •.ü.M. 900 DO Großer Buchberg 87’7 • E,chber 915 • Handbuck Langfuhre Gneise und Granite des Grundgebirges weise spitze Einzelkuppen, sogenannte Spitzbühler, auf die auch ein Gemarkungs· name am Scheffheu bezug nimmt. Diese Naturgewalten haben im Laufe der Zeit in den Fluß- und Bacharealen bei Achdorf, Aselfingen, Eschach, Opferdingen und Überachen eine ausgeprägte Buckelland­ schaft gestaltet. Die weiter fortdauernden, teilweise gewaltigen Erdbewegungen bilden eine ständige Gefahr fur die Ortschaften, ihre Bewohner sowie für die Land- und Forst- wirtschaft. Die Rutschfreudigkeit des Bo­ dens hat eine längerfristige Besiedlung des Tales nur auf den etwas standfesteren Schutt­ kegeln des Au- und Krottenbaches zugelas­ sen. Auf ihnen liegen Achdorf und Aselfin­ gen, kleine Dörfer, die bereits im Jahr 755 bzw. 802 zum ersten Mal urkundlich er­ wähnt wurden. Anderen Siedlungen berei­ tete der unruhige Untergrund ein vorzeitiges Ende. Flurnamen helfen uns heute, sie zu lokalisieren. Auf der linken Talseite, 1 km öst- 340 Diese „ Spitzbühl.en „ge­ nannte Hügelkuppen sind Sackungsschol/.en, die sich vom Bergkamm des Schejfheu gelöst ha­ ben.

Entwicklungs­ beginn vor Millionen Jahren 150 lieh der Wutachmühle, lag Weschbach, und auf der gegenüberliegenden Seite, 0,5 km weiter, Mühlefingen. Danach folgten ober­ halb von Aselfingen Dampfhausen und Bachreuthof und ebenfalls auf der linken Seite unterhalb von Achdorf Hetzenhofen. Diesen ständigen und teilweise großflächi­ gen Umgestaltungsprozeß erlebten die Ach- Aubach � zur Wutach111ühl,• Im Krottenbachtal hat eine Rutschung am west­ lichen Fuß des Eichberges das Schichtprofil des Unteren und Mittleren Dogger angeschnitten. dorfer in der Nacht vom 6. zum 7. Januar 1966. Die Erde setzte sich überwiegend im Dogger alpha, im Bereich des Opalinus Tones auf einer Fläche von etwa 52 ha mit 1 m pro Stunde in Bewegung. Betroffen waren von dieser zerstörenden Naturgewalt ca. 12 ha Wald, 40 ha landwirtschaftlich genutzte Areale und 500 m der Kreisstraße 21. Das Krottenbach !E-fchberg MOhlefingen S-fedlung-n. d-fe aufgrund der rut•chfreud�gen Sch-fcht­ prof-fle von Keuper. L-faa und Dogger aufg•geben werden ..ußten_ 341

Der weltberühmte Lias­ und Doggeraufschluß oberhalb von Ase!fingen wird gern von Fossilien­ sammlern aufgesucht. Durch ständiges Nach­ rutschen werden immer wieder neue Fragmente der urgeschichtlichen Ent­ wicklungsepoche freige­ legt. Bett des Krottenbaches wurde stellenweise bis 6 m angehoben. Sein Wasser staute sich so auf, daß man die abflußhemmenden Bar­ rieren schleunigst durchstechen mußte. Abgehende Muren hätten sonst für das unterhalb des Geschehens liegende Achdorf verheerende Folgen gehabt. Beteiligt an die­ sem Abwärtsgleiten war in einer Art Ketten­ reaktion zwei Schollensysteme. Das nördli­ che umfaßte 5 (1-5) und das südliche 3 (6-8) Einzelschollen. Nun wird es etwas kompli­ ziert. Die in Bewegung geratene Scholle Nr.1 vollführte eine Drehbewegung und legte sich mit ihrer Wulst auf den oberen Teil der Scholle 2. Diese gleitete durch den Anstoß talwärts und reißt den unteren Teil der Scholle 1 mit. Die Wulst 2 ist nun die Ursa­ che für den Abriß 3 und 4. Zwar kommt jetzt ein Teil der Wulst 3 zum Stillstand, löst dafür aber die Fahrt der Wulst 4 und des Abrisses 5 aus. Damit endet die nördliche Rutschpartie, die in ihrer oberen Hälfte 32 m und an dem unteren Teil 26 m zurückgelegt hat. Das südliche System, welches maximal nur über 10 m seine Lage verändert, startet mit Scholle 6 etwa zeitgleich mit der nördli­ chen Scholle 1. Scholle 6 und Wulst 1 brin­ gen nun den Abriß 7 in Schwung, an dem sich auch Scholle 8 beteiligt. Hier hat sich aus einer Rutschwand am Aubach ein größeres Ammonshorn gel.öst. 342

Auch weiter bachauf wärts kommen die quel­ lenden Schichten der Steil­ hänge nicht zur Ruhe. Fast genauso kompliziert wie der Ablauf ist auch die Ursache der Erdbewegungen, bei der verschiedene Gegebenheiten zusam­ menkamen, die insgesamt die Funktion des Auslösers übernahmen. Die zum Schichtprofil des Unteren Dog­ ger gehörenden rutschfreudigen Opalinus­ tone erreichen in diesem Gebiet eine maxi­ male Mächtigkeit von 100 m, von denen der Krottenbach 80 m angeschnitten hat. Die Hangneigungen im Bereich dieser Schicht und der unteren murchisonae-Tone beträgt 20-30°, in höheren Lagen bis 50°. Das Mate­ rial ist nun für eine solche Steilheit nicht geeignet und versucht sich zu verflachen. In gewissen Teilen wirken als Gleithorizonte auch eingelagerte Sandschichten. Dazu ver­ stärkt der Kalkgehalt der Tone ihre Wasser­ durchlässigkeit und erhöht außerdem erheb­ lich die Rutscheigenschaft. Weiter vergrö­ ßern die Tonmineralien, wie sie besonders in dem beschriebenen Bereich in der Verwitte­ rungsdecke vorkommen, bei Feuchtigkeits­ aufnahme ihr Volumen um 50 0/o. 1966 brachten die Monate Novemberund Dezember nach einem extrem trockenen Oktober ebenso außergewöhnlich hohe Nie­ derschläge, die 263 0/o bzw. 299 0/o über den monatlichen Mittelwerten lagen. Die Ver- Feuchtigkeit sorgt auch am Steilhang des Scheff­ heu, der hier in das Tal des Krottenbaches abfällt, für eine fortdauernde Bewegung. 343

brachte die Stand-oder Scherfestigkeit des Hanges langsam aber stetig aus dem Gleich­ gewicht. Als der Knackpunkt am 6. Januar erreicht war und sich die Schollen in Bewe­ gung setzten, geschah dieses nicht in der Sandschicht, sondern das Gleitlager befand sich innerhalb der durchfeuchteten Tone. Begünstigt wurde das Abgleiten durch zwei im Hang verlaufende Störzonen. Die in diesem Areal auftretenden geologi­ schen Formationen erleichterten gerade hier und an keiner anderen Stelle vor 70 000 Jah­ ren auch die Ablenkung der Wutach. In der Talaue, die damals 170 m höher lag als heute, führte das geringere Gefälle zu einer 20 m mächtigen Ablagerung des aus dem Schwarz­ wald mitgeführten Gerölls. So konnte der um diesen Betrag erhöhte Fluß die Wasser- Im Tal des Krottenbaches haben sich auch Halb­ trockenrasen ausgebildet. Sie sind der Standort vom »Deutschen Enzian“. Das kleine Schleifebächle läßt die Wunden am Fuße des Buchberges nicht zuheilen. Immer wieder stürzen gri!ßere und kleinere Schollen der Opali­ nus-Tone in das Gewässer und werden umgehend der Wutach zugeführt. witterungsdecke hat bei normalen Witte­ rungsverhältnissen immer soviel Feuchtig­ keit gespeichert, daß Risse und Spalten durch das Q!iellverhalten erst gar nicht ent­ stehen und sie damit die Funktion eines dichten Regenmantels erfüllt. In dieser vor­ wiegend als Ackerland genutzten oberen Bo­ denschicht bildeten sich im Oktober Trok­ kenrisse, die sich bei Wasseraufnahme nur sehr langsam wieder schließen. Als dann der Himmel seine Schleusen öffnete, drang das Wasser allmählich durch den oberen, nun rissigen 3 m mächtigen Schutzmantel und gelangte bis zu einer sandigen Gleitfläche. Hier staute es sich und durchdrang von die­ ser Ebene aus das Tonmaterial. Das wieder 344

scheide überwinden und sich ein neues Bett graben, welches heute 2 km nach dem Ab­ lenkareal am Grund der Wutach-Flühe ver­ läuft. Die auch in diesem Schluchtgebiet vorkommenden Bergrutsche beruhen je­ doch auf einer ganz anderen Ursache. Hier sind es die Auslaugungsprozesse im Mittle­ ren Muschelkalk, die die Standfestigkeit der aufliegenden Schicht des Oberen Muschel­ kalkes im wahrsten Sinne des Wortes unter­ graben und riesige Pakete aus dem Verbund lösen und zur Talfahrt bringen. Abgerissene Felspartien am Trauf bei Blumegg und auf der gegenüberliegenden Seite gewaltige Risse neben dem Steilabfall, deren Tiefe man nur erahnen kann, sind Zeugnisse dieser land­ schaftsgestaltenden Naturgewalten. Roland Kalb In der Nähe von Munde!fingen verläßt der Au­ bach die standhaften Arietenkalke und tritt in die rutsch.freudigen Formationen ein. Die Übergangs­ stelle markiert dieser schöne Wasserfall. Das von Blumberg herabrauschende Schleife­ bächle ist ein Landschaftsgestalter ersten Ranges. Die durch sein Wirken aufgeschlossenen und ewig rutschenden Steilhänge des Lias und Dogger ver­ ursachen auch an der Kreisstraße zwischen Blum­ berg und Achdorf immer wieder erhebliche Schä­ den. Hungerblümchen Das Hungerblümchen zittert leis Vom Schwung der Märzwindflügel. Es ziert mit zartem Blütenweiß Am Rain Ameisenhügel. Es nützt mir nicht und schadet nicht, Zwerghaftes Pflanzenwesen; Doch kann ich aus dem Bleichgesicht Verschämte Armut lesen. Josef Albicker 345

rechter Hand ein Waldgebiet auf, das sich eigentlich durch nichts von den Wäldern der Umgebung unterscheidet. Das ist nicht immer so gewesen. Bis vor rund 80 Jahren wurde die ganze Umgebung von einem majestätischen Baumriesen über­ ragt, dem Hölzlekönig. Er galt einstmals als höchste Tanne Deutschlands. Die Geschichte eines majestätischen Baumes Der Schwenninger Hölzlekönig , /lü/2/ckii11 ,.� Eine der bekanntesten Sagen im Gebiet des heutigen Schwarzwald-Baar-Kreises ist „Der Hölzlekönig“ bei Schwenningen am Neckar (vgl. Almanach 92, Seiten 276 bis 279 und Alma­ nach 95, Seiten 353 bis 355). Im Mittelpunkt der Sage steht ein Baum, der einst als höchste Tanne Deutschlands galt und der der Sage sei­ nen Namen gegeben hat. In den nachfolgenden Auiführungen wird das Schicksal dieses Baumes festgehalten: Von der alten Zähringerstadt Villingen schlängelt sich die Straße die Steige hinauf und strebt über den Höhenrücken dem Stadtbezirk Schwenningen zu. Dort, wo die Straße zur Stadt am Neckarursprung hin abfällt, scharf hinter der Grenze zwischen dem ehemaligen Großherzogtum Baden und dem ehemaligen Königreich Württem­ berg, taucht vor den Toren Schwenningens 346 Über 50 Meter hoch ist der Hölzlekönig einst gewesen, beinahe so hoch wie die Türme des Villinger Pfarrmünsters. An die 400 Jahre alt war der stolze Baum, als ein hef­ tiger Sturm im Herbst 1876 seine beiden Hauptgipfel abriß. Eine genaue Beschreibung des Baumes verdanken wir Oberförster Junginger. Im Jahre 1889 nahm er den Hölzlekönig unter die Lupe. Einschließlich des verbliebenen Seitengipfels brachte er es immerhin noch auf die stattliche Höhe von 42 Metern. Aus den Aufzeichnungen von Förster Junginger lassen sich eine Reihe von interessanten Daten entnehmen, die Aufschluß über die riesigen Ausmaße des Baumes gaben. Jun­ ginger schrieb damals unter anderem: ,,Der Hölzlekönig, eine Weißtanne, welcher im Herbst 1876 durch einen Sturm ihre beiden Hauptgipfel abgerissen wurden, stellt sich jetzt etwa so dar. Die Gesamthöhe inkl. dem noch stehenden Seitengipfel beträgt 42 Me­ ter, die Höhe bis zu den Gipfelstümpfen ist 33 Meter. Der Umfang bei 1,30 Meter Höhe ist 600 cm, bei 1,50 Meter Höhe 580 cm, bei 3 Meter Höhe 502 cm, bei 30 Meter Höhe 360 cm.“ Interessante Aufschlüsse geben auch die von Oberförster Junginger angestellten Be­ rechnungen zur Festrneterzahl des Baumrie­ sen. Für den Stamm ermittelte er 52,2 Fm, für den 9 Meter hohen Seitengipfel von 132 cm Umfang errechnete er 0,4 Fm, für die Wur­ zelanläufe 2 Fm und für die mächtigen Äste veranschlagte er 3,4 Fm. ,,Damit errechnet sich die oberirdische Derbmasse des Baum-

riesen in seinem jetzigen Zustand auf rund 58 Fm“, führte er aus. Für die im Herbst 1876 abgerissenen Hauptgipfel veranschlagteJun­ ginger etwa 6 Fm, so daß der Hölzlekönig vor dem Sturm stolze 64 Fm Inhalt hatte. Der einzigartige Baum war damals für die Schwenninger ein beliebtes und viel besuch­ tes Ausflugsziel. Tische und Bänke luden zum Verweilen ein und manches zünftige Sommerfest wurde dort gefeiert. Gerne stellte man sich zu Füßen des Baumriesen zum Erinnerungsfoto. Um so trauriger waren denn auch die Schwenninger, als es zu Beginn unseres Jahr­ hunderts mit dem Hölzlekönig stetig bergab ging. Hatte OberförsterJunginger1889 noch aufgeschrieben, daß die Tanne noch immer frisches Leben und Treiben zeige, hörte sich das 1911 schon ganz anders an. In jenem Jahr schrieb nämlich der Landesausschuß für Natur- und Heimatschutz auf Anfrage des Schwenninger Stadtschultheißen Dr. Brau­ nagel: ,,Das allmähliche eingehen des ehrwürdi­ gen Baumes ist ä�erst bedauerlich, aber, nach Meinung aller Sachverständigen, als ein natür­ licher Vorgang namentlich im jetzigen Stadium durch künstliche Mittel nicht mehr zu verhin­ dern.« Das Ende des Hölzlekönigs kam dann aber doch schneller als erwartet. Am Sams­ tag, 16 .Januar 1915 , fällte ein Sturm den ange­ schlagenen Baumriesen. Die Zeitung „Nek­ karquelle“ schrieb damals: ,,Der seit heute.früh herrschende Sturm brachte über die Mittagszeit ein Gewitter mit Hagelschauer und auch einen großen Verlust für unsere Stadt, indem er das Wahrzeichen derselben, den Hölzlekönig, in einer Höhe von zirka 20 Metern abknickte, so daß nicht mehr viel von der Majestät übriggeblieben ist.“ Wenige Tage später war zu lesen: ,,Man hätte weinen mögen, wenn man das Ende dieses Königs betrachtete, der in seinem Leben von über 400 Jahren auf viele Geschlechter hemieder­ schaute, der soviel geehrt und besungen wurde und nun dem allgegenwärtigen Feinde Tod den Tn’but zahlen mußte … “ Jochen Schultheiß Wetter und Klima in Furtwangen Nach Messungen der Jahre 1979 bis 1994 Die Wetterstation Die Wetterstation liegt in Furtwangen in 956 Metern Meereshöhe. Seit Anfang 1979 werden hier Niederschläge, Temperaturen, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck und Schneever­ hältnisse kontinuierlich registriert. Im Jahr 1982 kam die Messung der Windgeschwin­ digkeit hinzu, seit 1985 werden auch Son­ nenscheindauer und Sonnenenergie gemes­ sen. Da die Sonnenenergie eine Meßgröße ist, die nur von wenigen Stationen im Land er­ faßt wird, wurden die diesbezüglichen Mes­ sungen in den vergangenen Jahren in Zusam­ menarbeit mit der Furtwanger Fachhoch­ schule erheblich ausgeweitet. So wurden auch separate Messungen der diffusen Ein- strahlung vorgenommen und Meßsensoren der Sonne nachgeführt. Neben den klassischen meteorologischen Beobachtungen werden auch Messungen der Ultraviolett-Strahlung vorgenommen, sowie die Luftradioaktivität kontinuierlich registriert. Ferner werden auch Luftschad­ stoffmessungen angestellt. Damit zählt die Meteorologische Meßstation Furtwangen zu den größten privaten Wetterstationen im Land Baden-Württemberg. Die höchstgelegene Stadt des Landes In kaum einer anderen Region im Bundes­ gebiet sind in unmittelbarer Nähe so unter­ schiedliche Klimatypen anzutreffen, wie in Südbaden: Die wärmsten Gebiete Deutsch- 347

lands liegen am Kaiserstuhl, die höchsten Jahresniederschläge fallen im Nordschwarz­ wald – und eine der schneereichsten Städte Deutschlands ist Furtwangen. Der Schneereichtum des Schwarzwald­ städtchens ist nicht verwunderlich, gilt Furt­ wangen mit einer Höhenlage des Ortskerns von 870 Metern über dem Meeresspiegel schließlich als höchstgelegene Stadt des Lan­ des. Folglich sind die Temperaturen im Durchschnitt recht niedrig, 5,4 Grad wurden im Mittel der Jahre 1979 bis 1994 gemessen. Und die Niederschläge fallen reichlich, rund 1900 Liter pro �adratmeter sind es in Furt­ wangen jährlich; ein Viertel davon fällt gewöhnlich als Schnee. Nach Osten hin neh­ men die Regenfälle rapide ab, Vöhrenbach verzeichnet bereits ein Viertel weniger Nie­ derschläge, in Donaueschingen regnet es gar nur noch gut ein Drittel der Furtwanger Menge. 1876 Liter Regen pro Quadratmeter Genau 1876 Liter Niederschlag wurden im Mittel der Jahre 1979 bis 1994 jährlich pro �adratmeter in Furtwangen gemessen, im Vergleich zum Bundesmittelwert von 830 Litern ist dies mehr als das doppelte. Im Ge­ gensatz zu den Talgebieten, wo das Maxi­ mum der Niederschläge in den Sommer fällt, sind in den mittleren und höheren Schwarz­ waldlagen die Wintermonate besonders nie­ derschlagsreich. Jeweils rund 220 bis 230 Liter pro Quadratmeter im Dezember und im Januar stehen bis 120 Litern im August und September gegenüber (Abb. 1). Die Niederschläge verteilen sich im Jahr auf etwa 184 Tage, wobei wiederum der Sep­ tember mit nur 13 Regentagen am besten abschneidet. Im Januar regnet oder schneit es an durchschnittlich 17 Tagen. Natürlich sind all das nur Mittelwerte, von Jahr zu Jahr sind hier erhebliche Schwankungen mög­ lich. So lagen die Jahresniederschlagssum­ men bisher zwischen 1408 Litern im Jahr 1985 und 2321 Litern pro �adratmeter 1981. Die Anzahl der Regentage variierte zwischen 139 und 212 jährlich. 350 Die größten Niederschlagsmengen inner­ halb weniger Tage wurden im Februar 1990 registriert. Zwischen dem 16. Februar um 18 Uhr und dem 18. Februar um 12 Uhr wurden 240 Liter Regen je �adratmeter gemessen, Überschwemmungen im ganzen Landkreis waren die Folge. Der niederschlagsreichste Monat bisher war der März 1988 mit 613 Litern pro �adratmeter, der trockenste Monat in den vergangenen 14 Jahren war der August 1991 mit nur 19 Litern. Die bislang längste Trockenperiode betrug 30 Tage, ge­ messen im Herbst 1986 (zwischen dem 19. September und dem 18. Oktober fiel kein meßbarer Niederschlag). Typisch für das Klima der höheren Schwarzwaldgebiete ist die im Vergleich zur Niederschlagsmenge relativ geringe Nieder­ schlagsdauer. Anders ausgedrückt: Es regnet zwar viel (von der Menge her betrachtet), aber nicht übermäßig oft. In den vergange­ nen Jahren wurden überwiegend Jahreswerte zwischen 1000 und 1200 Stunden Nieder­ schlag gezählt – es regnet also durchschnitt­ lich drei Stunden täglich. Die jährliche Son­ nenscheindauer liegt- zum Vergleich – im langjährigen Mittel bei rund 1700 Stunden im Jahr – Furtwangen hat folglich mehr Sonne als Regen. Temperaturen zwischen -25 und +34 Grad Mit einer Jahresmitteltemperatur von 5,4 Grad entsprechen die Furtwanger Tempera­ turen den für diese Höhenlage typischen Werten. Der Januar war im Mittel der Jahre 1979 bis 1994 mit minus 2,5 Grad der kälteste Monat, am wärmsten ist es durchschnittlich im Juli (14,5 Grad). Der absolut kälteste Monat in der 14jährigen Furtwanger Wetter­ statistik war der Februar 1986 mit minus 8,7 Grad, der wärmste Monat war der Juli 1983 (18,7 Grad). Als bisher wärmster Tag ist der 31.Juli 1983 in der Wetterstatistik verzeich­ net, die Quecksilbersäule stieg an diesem Tag bis auf34 Grad im Schatten an. Am kältesten war es am 12.Januar 1987 mit minus 25 Grad, jeweils auf die Normmeßhöhe von zwei Metern über dem Erdboden bezogen.

,,,,., ‚O‘ – – .,, …. ,, 1 ,, Ym2 – – 150 kWh _100 _50 Abb. 4: Sonnenenergie in Furtwangen (Mittel 1986-1994) 351

In einem durchschnittlichen Jahr werden in Furtwangen 153 Frosttage gezählt, 38 da­ von sind Tage mit Dauerfrost, sogenannte Eistage. Etwa 17 Sommertage mit minde­ stens 25 Grad werden jährlich gezählt, ein Hitzetag pro Jahr mit 30 Grad im Schatten ist ebenfalls normal. Die Temperatur von 20 Grad wird in einem mittleren Jahr an 69 Tagen überschritten. Bis auf den Juli und den August wurde in 14 Beobachtungsjahren in jedem Kalender­ monat Frost verzeichnet. Der späteste Frost trat am 30.Juni 1984 auf, der früheste Nacht­ frost im Herbst wurde am 5. September 1986 verzeichnet. Der Juni bringt in Furtwangen in jedem vierten Jahr noch einmal Frost, im September tritt Frost bereits in mehr als jedem zweiten Jahr auf Mit durchschnittlich 27 Frosttagen steht der Januar diesbezüglich an der Spitze, gefolgt vom Februar (25 Frosttage) und dem März mit 23 Frosttagen. Mit Eistagen (Tagen mit Dauerfrost) ist zwischen November und April zu rechnen, im Januar mit 11,1 und im Februar mit 9,4 Tagen. Doch in den zurück­ liegenden Jahren ist auch die Anzahl der Dauerfrosttage erheblich zurückgegangen: Statt der üblichen 43 waren es im Winter 1988/89 nur 21, im Jahr darauf sogar nur neun Tage. Ein „Schneeloch“ sei Furtwangen sagen die einen, ein schneesicheres Wintersportge­ biet nennen es die anderen. Bis vor einigen Jahren zumindest waren diese Aussagen zutreffend, durchschnittlich 3,10 Meter Neuschnee (Mittel 1979 bis 1994) wurden an der Wetterstation in 956 Metern Meeres­ höhe jährlich verzeichnet -nicht gerade wenig, bedenkt man zudem, daß bisweilen mehr als zwei Meter innerhalb eines Monats gemessen wurden und daß an einem Tag ein halber Meter Schnee fallen kann. Am schneesichersten ist der Februar mit 39 Zen­ timetern mittlerer Schneehöhe, gefolgt vom Januar mit 34 Zentimetern. Auch der März liegt mit 32 Zentimetern noch recht hoch. 352 Normal sind 3,10 Meter Neuschnee Schlagzeilen machte der Furtwanger Win­ ter zuletzt im März 1988, als innerhalb von 24 Stunden 58 Zentimeter Neuschnee fielen. Zahlreiche Hausdächer, mit Schneemassen von 500 Kilogramm pro Q!iadratmeter bela­ den, waren vom Einsturz bedroht. In diesem März gingen 229 Zentimeter Neuschnee nie­ der. Mehr Schnee wurde bisher nur zweimal registriert: Im Dezember 1981 wurden 234 Zentimeter gezählt, und der Januar 1981 brachte es auf 232 Zentimeter Neuschnee. Der früheste Schneefall wurde in Furt­ wangen an einem 6. Oktober (1982), der spä­ teste Schneefall am 25. Mai 1983 verzeich­ net. Etwa in jedem zweiten Jahr fällt im Mai noch Schnee, 1979 waren es im Wonnemo­ nat sogar noch 34 Zentimeter. Daß der Okto­ ber bereits Schnee bringt, kommt in jedem vierten Jahr vor. Ein für Furtwanger Verhältnisse recht ungewöhnliches Ereignis wurde im Dezem­ ber 1987 verzeichnet: Den ganzen Monat wurde nicht an einem einzigen Tag Schnee­ fall gemessen. Andererseits hat es in 15 Beob­ achtungsjahren bisher auch nur einen einzi­ gen Monat gegeben, in dem alle Nieder­ schläge als Schnee fielen: im Januar 1981. An 90 Tagen im Jahr ist in Furtwangen mit einer durchgehenden Schneedecke zu rech­ nen, zumindest besagt dies der Mittelwert von 1979 bis 1994. Doch läßt sich auch hier bereits ein Trend erkennen: Während im Winter 1981/82 139 Tage mit Schneedecke gezählt wurden, waren es im Winter 1989/90 gerade 17 solcher Tage. Die Neuschnee­ menge variierte zwischen 606 Zentimetern (1981/82) und 81 Zentimetern (1989/90). In Zusammenhang mit einem ebenfalls erkennbaren Anstieg der Temperaturen könnte die abnehmende Tendenz der Schneesicher­ heit bereits ein Anfang folgenschwerer Kli­ maveränderungen sein. Bereits seit Jahr­ zehnten warnen Wissenschaftler vor den möglichen Folgen, die unser ungehemmter Energieverbrauch und die damit verbun­ dene Kohlendioxidfreisetzung für das Welt­ klima haben könnte (Abb. 3).

Kondensstreifen über Furtwangen (Foto: 3.12.1989) 1854 Stunden Sonne in einem Jahr 1854 Stunden Sonnenschein wurden im Jahr 1989 an der Furtwanger Wetterstation gezählt. An 315 Tagen des Jahres zeigte sich die Sonne am Himmel. Dies sind Werte, die vergleichbar sind mit den Messungen ande­ rer Stationen in Südbaden. Darüber hinaus wird in Furtwangen eine Meßgröße regi­ striert, die nur von wenigen Wetterstationen im Land erfaßt wird: die Sonnenenergie, von Meteorologen als Globalstrahlung bezeich­ net. Anfang 1986 wurde hier mit der kontinu­ ierlichen Registrierung dieser -für energie­ technische Berechnungen höchst interessan­ ten -Meßgröße begonnen. Aus neun Beob­ achtungsjahren geht der Juli mit durch­ schnittlich 165 Kilowattstunden pro Qya­ dratmeter als der sonnenscheinreichste Mo­ nat hervor, der Dezember steht mit 26 Kilo­ wattstunden am Ende der Skala. Der sonnig­ ste Monat bisher war der Mai 1989 mit 190 Kilowattstunden, in diesem Monat schien die Sonne 266 Stunden auf Furtwangen. Im Vergleich zu Meßwerten anderer Orte, die der Deutsche Wetterdienst ermittelt, kann Furtwangen sich sehen lassen: Trotz der hohen Furtwanger Niederschlagsmen­ gen liegt die Sonneneinstrahlung hier im Mittel sogar etwas höher, als an vielen ande­ ren Stationen im Bundesgebiet. Im Winter erreichen die höheren Schwarzwaldlagen oftmals Spitzenwerte; wenn in tieferen Lagen Inversionsnebel herrscht, scheint auf den Bergen gewöhnlich die Sonne. So wur­ den im Januar 1989 in Furtwangen 139 Stun­ den Sonne verzeichnet, bei nur 91 Stunden in Freiburg. Die Sonnenenergie belief sich in diesem Monat an der Schwarzwälder Station auf beachtliche 50 Kilowattstunden pro Qyadratmeter. In der Jahressumme waren es 1989 genau 1195 Kilowattstunden Sonnenenergie, die pro Qyadratrneter gemessen wurden, 1148 353

Meßgeräte für Windrichtung und Windgeschwindigkeit Kilowattstunden fielen 1988 ein. Im Mittel der Jahre 1986 bis 1994 ergibt sich jährlich der Wert von 1112 Kilowattstunden je Quadrat­ meter – genug um sich mehr Gedanken über die Nutzung dieser Energiequelle zu machen. 90 Megawattstunden Sonnenenergie lie­ ßen sich hier im Schwarzwald mit den heute verfügbaren technischen Möglichkeiten auf einem 80 Q!iadratmeter großen Dach jähr­ lich einfangen – ein Mehrfaches dessen, was in einem Einfamilienhaus an Heizwärme gebraucht wird. Allerdings scheint die Sonne nicht immer dann, wenn die Energie gerade gebraucht wird. Doch weitergehende Simu­ lationen anhand der Furtwanger Meßdaten zeigen, daß sich dennoch problemlos 80 Pro­ zent des Wärmebedarfes durch Sonnenener­ gie decken lassen: Mit einem Wassertank als Wärmespeicher für Schlechtwetterperioden. Die Furtwanger Sonnenenergiemessun­ gen zeigen regelmäßig, welche enormen Energiemengen uns die Sonne liefert, allein 354 an einem einzigen Sommertag fallen bis zu neun Kilowattstunden auf jeden Q!iadrat­ meter ein – auf ein durchschnittliches Haus­ dach etwa soviel, wie dem Brennwert von 150 Litern Heizöl entspricht (Abb. 4). 162 Stundenkilometer als Spitzenwert Der Wind ist für die Witterung von besonderer Bedeutung, da mit ihm nicht nur kalte oder warme, sondern auch mehr oder weniger feuchte Luftmassen herangeführt werden. Am häufigsten bläst der Wind im Schwarzwald aus südwestlichen Richtungen, am seltensten wird Südost als Windrichtung notiert. Doch der Südwestwind ist nicht nur der häufigste, sondern auch der stärkste; Stürme, wie sie vorwiegend im Winter auf­ treten, sind in der Regel Südwestwinde. Die Spitzengeschwindigkeit, die eine Orkanböe in Furtwangen bisher erreichte, lag bei 162 Kilometern pro Stunde, gemessen am 25. März 1988. Wenn derartige Spitzen auch die Ausnahme sind, so wird die

100-Stundenkilometer-Grenze dennoch fast in jedem Winter mehrmals überschritten. Eine ungewöhnliche Reihe von Stürmen wurde Anfang 1990 verzeichnet. Erhebliche Schäden im Schwarzwald, wie auch im gesamten Bundesgebiet, waren die Folge. Die Liste der Sturmböen liest sich für Furt­ wangen folgendermaßen: 97 Stundenkilo­ meter am 24. Januar, 98 am 3. Februar, 89 am 8. Februar, 94 am 15. Februar, 102 am 26. Fe­ bruar, 128 am 27. Februar und 107 Stunden­ kilometer am 1. März. Diese Werte beziehen sich auf eine Meßhöhe von sechs Metern über dem Erdboden. Von Gewitterböen einmal abgesehen kom­ men Winde mit Sturmstärke im Schwarz­ wald fast ausschließlich im Winterhalbjahr vor, bedingt durch das größere thermische Gefälle von den niedrigeren zu den höheren Breiten. Entsprechend läßt sich der Januar nach über zwölf Beobachtungsjahren (Mitte 1982 bis Ende 1994) als windreichster Monat einstufen, die niedrigsten Windgeschwin­ digkeiten werden gewöhnlich im Juli und August registriert. Mit einem Jahresmittel­ wert der Windgeschwindigkeit von rund fünf Metern pro Sekunde zählen die höhe­ ren Lagen des Schwarzwaldes zu den wind­ reicheren Regionen im Bundesgebiet. Während der Ostwind in der Regel kühles aber trockenes Wetter bringt, fallen bei west­ lichem und südwestlichem Wind die mei­ sten Niederschläge. Hat die Erwärmung schon begonnen? Das Jahr 1994 war in Furtwangen mit durchschnittlich 6,6 Grad das wärmste seit Beobachtungsbeginn, 1990 war mit 6,4 Grad nur wenig kälter. Auch läßt sich seit einigen Jahren ein Trend zu schneeärmeren Wintern erkennen (siehe auch Abbildung 3). Nach Erkenntnissen von Klimaforschern könnte dies bereits der Anfang von globalen Klima­ veränderungen sein, hervorgerufen durch die Verschmutzung der Atmosphäre durch Kohlendioxid (COz). Durch Verbrennungsprozesse – also den Autoverkehr, Raumheizungen, Kraftwerke – steigt der Gehalt an Kohlendioxid in der Atmosphäre derzeit um etwa 0,4 Prozent jährlich an. Daß dieser Stoff zu den Treib­ hausgasen zählt, ist bereits seit Jahrzehnten bekannt: Die Strahlung der Sonne wird durchgelassen, nicht aber die Rückstrahlung von der Erde in den Weltraum. Die Folge ist eine Erwärmung der Erde mit daraus resultie­ renden Verschiebungen ganzer Klimazonen. Bernward Janzing Die Furtwanger Wetterhütte mit Schreiber für Temperatur und Luftfeuchtigkeit ·v . 355

Landwirtschaft Emtedank- Ein Fest für Stadt und Land Zur Entwicklung des Kreiserntedankfestes und der Landjugendgruppen ,, … denn wäre nicht der Bauer, so hättest du kein Brot … “ Daran denken Menschen in Stadt und Land alljährlich besonders zum Fest des Erntedanks. Am ersten Oktoberwochenende im Jahre 1996 kann die Bevölkerung des Schwarz­ wald-Baar-Kreises ein besonderes Ernte­ dankfest feiern: Es ist das 3Sste Kreisernte­ dankfest nach dem Zweiten Weltkrieg. Besu­ cher aus Stadt und Land, aus nah und fern, werden, wie in den vergangenen Jahren, wie­ der an den zahlreichen Veranstaltungen im Rahmen des Kreiserntedankfestes teilneh­ men. Bauern und Bäuerinnen sowie die Landbevölkerung danken zum Erntedank­ fest für den eingebrachten Erntesegen, die Bewohner der Städte werden daran erinnert, daß ihr gedeckter Tisch von Bauern und Gärtnern in aller Welt ermöglicht wird. In Industrienationen vergessen die Men­ schen gar zu leicht den Kampf ums tägliche Brot, in unterentwickelten und ärmeren Län­ dern sind gute Ernten nach wie vor Voraus­ setzung für das Überleben. Dort ist bis heute Brauchtum und Überlieferung um Frucht­ barkeits- und Erntekult erhalten. Erntedank ist eines der ältesten Feste in Kulturnationen. Schon im Altertum brachte man den Göttern Opfer dar, wenn die Ernte eingebracht war. Das von den Römern zum Herbstanfang gefeierte Fest wurde von der christlichen Kirche bereits im 3.Jahrhundert übernommen. Aus neuerer Zeit wird berich­ tet, daß im Jahre 1621 fromme Einwanderer aus England in Amerika die erste reiche Maisernte zusammen mit den einheimi­ schen Indianern gefeiert haben. Den tradi­ tionellen „Thanksgiving Day“ in den USA 356 erklärte Präsident Abraham Lincoln 1863 zum Nationalfeiertag. In deutschen Landen wurde der Erntedank von alters her unter­ schiedlich gefeiert. 1972 legte die Katholi­ sche Bischofskonferenz den ersten Sonntag im Oktober als Erntedanktag fest. Die Menschen waren schon immer vom Kreislauf der Natur abhängig. Unwetter und Klimaveränderungen verursachten in der Vergangenheit Mißernten und als deren Folge Hungersnöte und Elend. Witterungs­ einflüsse bestimmen im besonderen Maße den Arbeitsrhythmus des Bauern: Die Arbeit im Bauernjahr gipfelt in der Erntezeit. In vie­ len Gegenden Deutschlands begann der erste Erntetag mit einer Gebetsstunde in der Kirche. War das nicht der Brauch, sprach der Bauer am Feldrand ein „Vaterunser“. In man­ chen Gegenden Deutschlands wurde der letzte Erntewagen geschmückt, ehe er hoch­ beladen durchs Dorf in den Hof fuhr. War die Ernte eingebracht, feierten die Bauersfa­ milien mit ihren Hilfskräften das Erntemahl, ein Fest mit Essen, Trinken und Musik. Im südbadischen Raum hielten sich um das Erntefest viele unterschiedliche Bräuche, u. a. das Binden einer Erntekrone oder eines Ährenkranzes. Auf der Baar verwendete man dazu die fünf häufigsten dort angebauten Getreidearten wie Gerste, Hafer, Weizen, Dinkel und Roggen. Zum Erntedankfest brachte man Erntegaben in die Kirche und schmückte damit den Altar. Im Erntedank­ gottesdienst dankte man für den Segen de� Erde. Viele dieser überlieferten Bräuche wer­ den heute noch gepflegt. Überörtlich traf sich die Landbevölke­ rung in der Neuzeit zu Kreiserntedankfesten. Das erste Kreiserntedankfest dieser Art

wurde im Jahre 1934 in Schabenhausen im ehemaligen Landkreis Villingen gefeiert. Im Sommer 1962 trafen sich die Vertreter der Landjugendgruppen des ehemaligen Landkreises Donaueschingen in der dorti­ gen Landwirtschaftsschule, um über ihr Jah­ resprogramm zu beraten. Dabei regten Land­ wirtschaftslehrer Bruno Weber aus Ober­ eschach – der langjährig!! Betreuer der Land­ jugendgruppen – und Landwirtschaftsasses­ sor Walter Wieswesser von der Landwirt­ schaftsschule Donaueschingen an, den alten Brauch der Erntedankfeste wieder aufleben zu lassen. Da in Mundelfingen eine aktive Landjugendgruppe bestand, wurde diese Gruppe mit der Durchführung des „Kreis­ erntedankfestes 1962″ beauftragt. Am 6. und 7. Oktober 1962 fand unter Mithilfe der gan­ zen Mundelfinger Bevölkerung das erste Kreiserntedankfest im ehemaligen Landkreis Donaueschingen nach dem 2. Weltkrieg statt und wurde auf Anhieb zu einem großen Er­ folg. Der Sonntag wurde eingeleitet mit einem Erntedankgottesdienst in der schönen Barockkirche. Beim anschließenden Land­ jugendtreffen beschäftigte man sich mit Fragen moderner Landjugendarbeit. Nach­ mittags bewegte sich ein großer Erntedank­ festzug unter Mitwirkung der Landjugend­ gruppen aus Weilersbach, Schabenhausen, Kreiserntedankfist 1934 Schabenhausen Landjugend aus dem Schwarzwald-Baar­ Kreis in Berlin 357

Leistungspflügen, Kreisentscheid 1966 in Aasen Kreiserntedank.fest 1966 Aasen: BEL-Gruppe Munde!fingen Pfohren, Öfingen, Bräunlingen und Mun­ delfingen mit ihren Festwagen und Gruppen durch die Straßen des Dorfs. In einer nach­ folgenden Landvollekundgebung im Festzeit wurden seitens der Redner aktuelle Pro­ bleme der Agrarpolitik angesprochen. Das Festzeit war ob des unerwarteten Zustroms von ca.3 000 Besuchern bei weitem zu klein. Der damalige erste Erfolg bei der Durch­ führung eines Kreiserntedankfestes bewog die Landjugendgruppen, die einmal neu auf­ genommene Tradition bis zum heutigen Tage fortzusetzen. Jährlich ist eine andere Landjugendgruppe im Schwarzwald-Baar- Kreis Ausrichterin des Kreiserntedankfestes. In ihrem Bemühen um das Gelingen dieses Festes wurden und werden sie unterstützt von den anderen Landjugendgruppen des Land­ kreises, vom „Badischen Landwirtschaftli­ chen Hauptverband“ (BLVH), von den land­ wirtschaftlichen Schulen im Landkreis, von der politischen Gemeinde des Veranstal­ tungsortes sowie von allen örtlichen Verei­ nen. Da in der Zwischenzeit das Kreisernte­ dankfest zu der Großveranstaltung im länd­ lichen Raum wurde – man zählte bisweilen bis zu 30 000 Besucher- ist eine erfolgreiche Durchführung der Festveranstaltungen nur 358

Landjugendtag 1967 Weilersbach: Schlepper­ geschicklichkeitifahren Landjugendtag 1967 Weilersbach: Gruppenwettkampf unter Aufbietung aller Kräfte organisato­ risch zu meistem. Hauptanziehungspunkt für die vielen Besucher des Kreisemtedank­ festes ist der farbenprächtige Festumzug am Sonntag. Waren bei früheren Veranstaltun­ gen die Früchtewagen, die Landjugendgrup­ pen in ihren schmucken Trachten, Darstel­ lungen nach dem Motto „Landwirtschaft einst und jetzt“ und andere Themen des Erntedanks Schwerpunkte im Festzug, so werden in den letzten Jahren auch kritische Themen aufgegriffen, die zum Nachdenken anregen sollen. So stand z.B. der Festzug 1986 in Mönchweiler unter dem Motto: „Danken für eine Ernte, die keiner mehr haben will“ oder 1989 in Mundelfingen: „Von der Schöpfung der Welt zur ihrer Er­ schöpfung“ oder 1991 in Dauchingen: „Erntedank – Dank an wen?“ und so fort. Ein unabhängiges Schiedsrichterteam hat jährlich die überaus schwierige Aufgabe, eine Bewertung der Beiträge der Landjugend­ gruppen vorzunehmen. Umfang und Schwergewichte der Veran­ staltungsreihe haben sich im Verlaufe der Jahre begreiflicherweise verändert. War 1962 noch ein zweitägiges Fest geplant, muß man heute von einer mehrtägigen Veranstaltungs- 359

folge ausgehen. Das Fest beginnt am Freitag­ abend und endigt am Montagabend. Tanz­ abende, Brauchtumsabende mit Musik-, Lied- und Volkstanzeinlagen, Unterhal­ tungsnachmittage und Kinderfest berei­ chern das umfangreiche Programm, das sei­ nen Höhepunkt mit den Veranstaltungen am Sonntag erreicht: Beim gemeinsamen Kirchgang dankt die Landbevölkerung für den Erntesegen. Im Gottesdienst wird die mitgeführte Erntekrone geweiht. An den Kirchgang schließt sich in der Regel ein Steh­ empfang der veranstaltenden Gemeinde an. Am Nachmittag zieht der große Erntedank­ festzug mit zahlreichen Festwagen und Gruppen durch die Straßen des Dorfe /der Stadt. Im Verlaufe des anschließenden Un­ terhaltungsprogramms im Festzeit werden die Erntekrone und Erntegaben an den Landrat des Schwarzwald-Baar-Kreises über­ geben. Die Erntekrone findet für ein Jahr einen Ehrenplatz im Foyer des Kreishauses in Villingen-Schwenningen und soll die Ver­ bundenheit der Landbevölkerung mit der Stadtbevölkerung zum Ausdruck bringen. Im Vorgenannten ist immer wieder die Rede von den Landjugendgruppen als Aus­ richter der Kreiserntedankfeste. Wer also sind diese Landjugendgruppen, welche Ziele verfolgen sie und welche Tätigkeiten üben sie aus? Aus einer gewissen „Ohne mich“-Haltung in den ersten Jahren nach dem 2. Weltkrieg entwickelte sich bald unter der Dorfjugend das Interesse an Geselligkeit und Weiterbil­ dung. Zunächst trafen sich die Jugendlichen in losen Gruppen ohne feste organisatori­ sche und eigenständige Struktur. Aus spora­ dischen, improvisierten Dorf- und Gruppen­ abenden, gelegentlichen Lehrfahrten und Kursen wurden, vor allem in den Wintermo­ naten, vielerorts regelmäßig stattfindende und vorausgeplante Arbeitsprogramme. Aus geselligen und Bildungs-Angeboten – von Dorf-, Berufsschul- und Landwirtschaftsleh­ rern organisiert – entstanden zunehmend örtliche Gruppen, die sehr bald begannen, ihre Ziele und Aufgaben zu definieren. 360 Um im Reigen der anderen Jugendorgani­ sationen und in der Arbeitsgemeinschaft der Nachkriegs-Jugendverbände das nötige Ge­ wicht zu erhalten, wurden die zunächst lose arbeitenden Landjugendgruppen im neuge­ gründeten „Bund Badischer Landjugend“ (BBL) zusammengeschlossen. Die Grün­ dung fand am 25.Juni 1950 in der „Badischen Bauernschule“ in Schwerzen, Kreis Walds­ hut, statt. Die damals aufgestellten Leitlinien sind heute noch Gegenstand der Gruppen­ arbeit. Es heißt dort u. a.: „Der ,Bund Badischer Landjugend‘ ist ein freier Zusammenschluß junger Menschen aief dem Lande. Er ist ein selbständiger Jugendver­ band, der parteipolil isch ungebunden arbeitet und eine christliche Grundhaltung in der Stellung­ nahme zu den Fragen des Lebens bejaht. Der ,Bund Badischer Landjugend‘ ist die eigenstän­ dige Jugendorganisation innerhalb des ,Badi­ schen landwirtschaftlichen Hauptverbands‘ (BLHV).“ Aus der „Pionierzeit“ des „Bundes Badi­ scher Landjugend“ datieren die Gruppen­ gründungen in Bräunlingen (1950), Behla und Öfingen. Es folgen in den nachfolgen­ den Jahren: Pfohren (1957), Mauenheim (1959), Mundelfingen (1959), Schabenhau­ sen (1962), Weilersbach (1962), Aasen (1964), Dauchingen (1964), Vöhrenbach (1964), Mönchweiler (1966), Weiler (1968), Hausen vor Wald (1970), Hondingen (1972), Schon­ ach (1977), Unadingen (1977), lppingen (1978), Brigach (1985), Hochemmingen (1985), Brigachtal (1986). Heute wirken im Kreisverband BBL im Schwarzwald-Baar-Kreis 16 aktive Landju­ gendgruppen. Im nachfolgenden soll auf die früheren und heutigen Tätigkeiten der Landjugend­ gruppen des BBL im heutigen Bereich des Schwarzwald-Baar-Kreis eingegangen wer­ den: In den Anfangsjahren der 50er und 60er Jahre hatte sich die Landjugendarbeit zum Ziele gesetzt, die Jugendlichen beruflich, charakterlich und geistig zu fördern. Die Gruppenprogramme erstrebten demnach

Kreiserntedankfest 1967 Weilersbach: BEL-Gruppe Bräunlingen ,,Siehe/henket“ die Vertiefung des beruflichen Wissens und der Allgemeinbildung, besonders durch Vor­ träge, Lehrfahrten und Besichtigungen. Da­ neben waren in der Gruppe die Möglichkei­ ten zu Geselligkeit und zum offenen Ge­ spräch über alle Fragen, die Jugendliche be­ wegen, sowie die Hinführung zur sinnvollen Freizeitgestaltung gegeben. In Verwirklichung dieser Ziele stellten die Gruppen eigene Pro­ gramme auf, ergänzt durch Programmange­ bote des Landes-und Bundesverbandes der Landjugend, örtlich unterstützt durch eh­ renamtliche Mitarbeiter im Landkreis. Als Vorkämpfer heutiger Volksbildungs­ werke organisierten die Landjugendgruppen offene, meist allgemeinbildende Dorfsemi­ nare, an denen die Dorfbevölkerung lebhaf­ ten Anteil nahm. Beliebt waren die Vortrags­ reihen über ferne Länder. Gruppenintern wurden sogenannte „Ländliche Seminare“ durchgeführt, welche sowohl politische und agrarpolitische Fragen als auch Probleme der täglichen Lebenswelt behandelten. Die Be­ schäftigung mit den politischen, wirtschaft­ lichen und gesellschaftspolitischen Proble­ men der geteilten Stadt Berlin sowie mit der „Sowjetisch Besetzten Zone“ (SBZ) führte zu zahlreichen Studienreisen nach West­ und Ostberlin unter Leitung von Landwirt­ schaftslehrer Bruno Weber. Um die Erzeugnisse der heimischen Landwirtschaft den Besuchern der „Grünen Woche Berlin“ zu präsentieren, waren mehr­ mals einheitlich gekleidete sogenannte „Wer­ behelferinnen“ aus dem Schwarzwald-Baar­ Kreis für jeweils eine Woche in West-Berlin tätig. Studienreisen und Lehrfahrten führten fast in alle Länder Westeuropas. Oft waren diese Fahrten mit Gruppenbegegnungen ver­ bunden, die in der Folge zu zahlreichen per­ sönlichen Kontakten und bleibenden Freund­ schaften führten. Herausragendes Ereignis dieser Art war seinerzeit die Studienreise vom 13. bis 30.Mai 1965 nach Wales in Groß­ britannien. Vom 13. bis 20. Oktober 1965 kamen die Mitglieder der „National Federa­ tion ofYoung Farmers Clubs of Wales“ zu einem Gegenbesuch in unseren Landkreis. Gute Kontakte unsererseits bestehen heute noch nach Wales/GB. Daß Verbindungen auch nach Übersee geknüpft werden konn­ ten, zeigen die Begegnungen mit Mitglie­ dern der „Future Farmers of America“ (FFA) oder der Besuch einer japanischen Land­ jugendgruppe vom 13. bis 18.August 1974 bei der BBL-Gruppe Mundelfingen. Theaterbesuche in Villingen, Donau­ eschingen und Freiburg führten die Jugend­ lichen in die Welt der klassischen Literatur 361

Leistungspflügen, Kreisentscheid 1969 in Bräunlingen ein, bei Filmdiskussionsabenden wurden Problemfilme kritisch betrachtet. Die Film­ arbeit sollte dazu beitragen, die Jugendlichen zum guten Film hinzuführen. Werklehr­ gänge und Bastelabende, durchgeführt von der „Neuwerk-Gemeinschaft Frankfurt“ und von Frau Brunhilde Weber aus Obereschach, erfreuten sich großer Beliebtheit, besonders im Winterprogramm der Gruppen. Im Rahmen des „Arbeitsvorhabens – Unser Dorf soll schöner werden“ übernah­ men die BBL-Gruppen Dauchingen, Aasen, Pfohren und Öfingen die Errichtung und Pflege von Dorfanlagen, Dorfbrunnen und Denkmälern. Sehr bald war in den 60er Jahren seitens der Landjugendgruppen der Wunsch laut geworden, bei örtlichen Festen und Feiern sowie bei Heimatabenden durch Vorträge und Auftritte das Programm zu bereichern. So entstanden unter Leitung des Verfassers die ersten Volkstanzgruppen innerhalb der Landjugendgruppen. Unterstützt wurde die Volkstanzarbeit durch überregionale Volks­ tanzseminare. Volkstanzarbeit ist heute fester Bestandteil des Programms vieler Landjugendgruppen im Landkreis. Weitere Betätigungsfelder der Landjugendgruppen innerhalb der Gemeinden waren Veranstal­ tungen, welche zur Dorfgemeinschaft auf 362 der einen Seite und zur Anerkennung der Landjugendgruppe im Dorf auf der anderen Seite beitrugen, so z.B. Maifeiern, Alten­ nachmittage und Heimatabende. Sportliche Betätigungen innerhalb der Landjugendgruppe und im Wettbewerb mit anderen Gruppen förderten das Gemein­ schaftsgefühl und die guten Beziehungen zu den Nachbargruppen. Gemeinsame Vorhaben der Landjugend­ gruppen im Landkreis demonstrierten die Arbeit und die Bedeutung der Jugendarbeit nach außen hin. Hier wären im besonderen zu nennen: das Kreiserntedankfest, die ge­ meinsame Sonnwendfeier, das Sport-und Spielwochenende, das Kreisfußballturnier, der „Berufswettkampf der Landjugend“ und ab 1967 der „Landjugendtag“. Diese Veran­ staltung richtete sich im Gegensatz zum Kreiserntedankfest nicht an ein breites Publi­ kum, sondern die Gruppenmitglieder trafen sich auf Kreisebene zum friedlichen Wett­ streit um den „Wanderpokal des BBL-Kreis­ verbandes“. Gefordert wurden die Wett­ kampfteilnehmer bei fachlichen und allge­ meinbildenden Fragen, bei einem Kurzrefe­ rat und bei sportlichen Gruppenwettkämp­ fen. In Podiumsdiskussionen oder Referaten beschäftigten sich die Gruppenmitglieder mit aktuellen Jugendfragen und wurden an-

Kreiserntedankfest 1970 Weiler: BEL-Gruppe Weiler ,,Erntekrone“ geregt, sich mit diesen Problemen auseinan­ derzusetzen. Dem Wunsch nach einer intensiven Grup­ penarbeit in vertrauter Umgebung entsprang in den 70er Jahren der Wunsch der Land­ jugendgruppen nach eigenen Gruppenräu­ men. Im Verlaufe der weiteren Jahre war es dann gelungen, innerhalb der Dörfer und Städte, mit Unterstützung der politischen Gemeinde und mitfinanziert durch Zu­ schüsse aus dem Landesjugendplan, in Ei­ genarbeit meist gemeindeeigene Räumlich­ keiten auszubauen und einzurichten. Heute haben die Landjugendgruppen im Schwarz­ wald-Baar-Kreis eigene Gruppenräume. Die Gruppenmitglieder konnten bereits in den Jahren des Aufbaus der Organisation des BBL an Programmen teilnehmen, wel­ che vom Landesverband des BBL ausge­ schrieben und organisiert waren. Damalige Angebote des Landesverbands, wie Grup­ penleiterseminare, Rednerschulungen, Ski­ freizeiten, Studienfahrten in europäische und außereuropäische Länder, Praktikanten­ austausch im In- und Ausland, internatio­ nale Begegnungen und andere mehr können heute noch von den Gruppenmitgliedern in Anspruch genommen werden. Mit dem Strukturwandel in der Landwirt­ schaft nahm der Anteil der Jungbauern und Jungbäuerinnen in den örtlichen Landju­ gendgruppen stetig ab. Demnach war es erforderlich geworden, die Thematik und die Methoden in der Jugendarbeit den Anforde­ rungen der Zeit und den Interessen der Jugendlichen anzupassen. Heute erfaßt die BBL-Landjugendgruppe die Jugend auf dem Lande“, die sich aus allen Herkünften und Berufen zusammensetzt. Landjugend­ arbeit ist heute vermehrt der Konkurrenz durch kommerzielle Freizeitangebote einer ganzen Freizeitindustrie ausgesetzt. Unter diesem Aspekt ist es erstaunlich, daß sich die Jugendarbeit der BBL-Gruppen in etwa er­ halten hat. Die Frage ist nun, wie Jugendarbeit heute beschaffen sein muß, damit sie für die jun­ gen Menschen auf dem Lande genügend attraktiv bleibt. Da die Jugendarbeit von dem ehrenamtlichen Engagement der Mit­ glieder lebt, sind alle gefordert, wenn es darum geht, neue Orientierungen zu finden. Die Konsumhaltung vieler Jugendlicher wird zukünftig die Möglichkeiten der Grup­ penprogramme vor Ort eingrenzen. Wenn wir die heutigen Jahresprogramme der BBL-Landjugendgruppen mit denen der 60er und 70er Jahre vergleichen, fällt auf, daß viele Initiativen vom Landesverband des BBL ausgehen, während früher die Haupt- 363

Kreiserntedankfast 1994 Weiler: Übergabe der Erntekrone und der Erntegabe an Herrn Landrat Dr. Gutknecht im Kreishaus in Villingen-Schwenningen. last der Organisation des Jahresprogramms bei der örtlichen Landjugendgruppe oder beim Kreisverband lag. Erfreulicherweise hat die Landjugend im Schwarzwald-Baar-K.reis in ihrer gegenwärtigen Gruppenarbeit viele Projekte und Aktivitäten aus früheren Jahren übernommen und fortgeführt. Man denke nur an die K.reiserntedankfeste, die Land­ jugendtage, die Sonnwendfeiern, die zahlrei­ chen Aktivitäten in der Gruppe und vieles andere mehr. Projekte und Programme, die der Geselligkeit und der Freizeitgestaltung dienen, nehmen jedoch einen größeren Spielraum ein als früher. Was besonders erwähnenswert erscheint, ist die Tatsache, daß sich die Landjugend­ gruppen des Schwarzwald-Baar-K.reises der Pflege der einheimischen Tracht angenom­ men haben und diese Tracht als Gruppen­ tracht bei den zahlreichen Veranstaltungen in der Öffentlichkeit tragen. Überregional wurden in der Neuzeit Arbeitskreise für besondere Schwerpunkte in der Jugendarbeit des BBL gebildet. Die Mit­ glieder der Landjugendgruppen im Schwarz­ wald-Baar-K.reis haben die Möglichkeit, in diesen Arbeitskreisen mitzuarbeiten. Der „Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit“ sieht es als seine Aufgabe an, auf die Arbeit des BBL aufmerksam zu machen. Im „Arbeitskreis Kreisemtedankfest 1973 Pfohren: Festwagen 364

Aktivtreff“ wird der gruppenpädagogische Bereich abgedeckt. Mit besonderen Anlie­ gen der weiblichen Gruppenmitglieder be­ schäftigt sich der „Arbeitskreis Frauen und Mädchen“, desgleichen der „Arbeitskreis Land-Liv(f)e“, verstärkt mit Fragen der Lebens- und Arbeitswelt der Frauen auf dem Lande. Landwirtschaftliche und weinbauli­ che Fragen werden im „Weinbau- und agrar­ politischen Arbeitskreis“ behandelt. Dieser Arbeitskreis möchte zusammen mit der „Arbeitsgemeinschaft Junger Bauern im BLHV“ mit aktuellen Themen, Aktionen und Lehrfahrten Hilfestellung geben für en­ gagierte landwirtschaftliche Unternehmer, neue Konzepte erarbeiten und Perspektiven aufzeigen. Das Programm beinhaltet u. a. im Rahmen des Projekts „Gläserne Produktion“ die Durchführung eines „Tages des offenen Hofs“. Dabei wird der breiten Öffentlichkeit die Möglichkeit geboten, vor Ort einen Ein­ blick in landwirtschaftliche Betriebe zu ge­ winnen, für die Landwirte eine gute Gelegen­ heit, die Verbraucher auf besondere Pro­ bleme der Landwirtschaft hinzuweisen. Die Landjugendgruppen des „Bundes Ba­ discher Landjugend“ im Schwarzwald-Baar­ Kreis haben in ihrer Gruppenarbeit moderne Formen entwickelt und dazu Tätigkeiten in ihre Programme aufgenommen, die breite Kreise der Jugend ansprechen. Sie sind sich bewußt, daß sie sich dabei in einem ständi­ gen Entwicklungsprozeß befinden, der durch neue Situationen und Probleme im­ mer wieder neue Fragen an Inhalt und Form ihrer Arbeit aufwirft. Bruno Weber Landmaschinenring und Betriebshilfsdienst Schwarzwald-Baar e. V. feierte sein 25jähriges Jubiläum Der Landmaschinenring und Betriebs­ hilfsdienst Schwarzwald-Baar e. V. feierte am 18. und 19. März 1995 sein 25jähriges Jubi­ läum. In den 25 Jahren seines Bestehens hat sich in der Landwirtschaft vieles verändert. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft ist gravierend. Im Schwarzwald-Baar-Kreis wer­ den nur noch etwa 30 0/o der Betriebe im Haupterwerb bewirtschaftet, die restlichen 70 0/o im Zu- oder Nebenerwerb. In dieser Situation bietet sich der Maschinenring als Partner an, um landwirtschaftliche Betriebe und somit eine flächendeckende Landbe­ wirtschaftung auch in Zukunft zu erhalten. Auch der Landmaschinenring und Be­ triebshilfsdienst Schwarzwald-Baar e. V. hat sich gewandelt. Neue Arbeitsfelder kamen hinzu, alte wurden ausgebaut. Derzeit wer­ den 860 Mitglieder gezählt, der Verrech­ nungswert betrug 1994 ca. 3,1 Millionen. Die ragenden Säulen des Ringes sind: Maschinenvermittlung – Betriebshilfsdienst – Selbstbauweise Landschaftspflege/Kommunalarbeiten – nachwachsende Rohstoffe. Das „klassische“ und nach wie vor größte Arbeitsfeld ist die Vermittlung von Maschi­ nen. Die Maschinenvermittlung ist gerade heute im Zeichen des neuen EU-Agrarre­ formkurses mit gravierenden Preissenkun­ gen für landwirtschaftliche Produkte von großer Bedeutung, da durch den überbe­ trieblichen Maschineneinsatz die Festkosten gesenkt werden können. Als weitere Felder kamen 1974 der Be­ triebshilfsdienst mit dem heute dritthöch­ sten Verrechnungswert hinzu. Seit Beginn erhält der Betriebshilfsdienst im sozialen Be­ reich finanzielle Unterstützung des Schwarz­ wald-Baar-Kreises. Die Selbstbauweise wurde 1978 ins Le­ ben gerufen. Damals wurden Fahrsilos in Selbstbauweise errichtet, heute erfahren Landwirte über den Maschinenring in na­ hezu sämtlichen Bereichen landwirtschaftli- 365

chen Bauens die Unterstützung von Berufs­ kollegen und sind damit in der Lage, die Bau­ kosten zu senken. Seit 1986 vermittelt der Maschinenring auch Landschaftspflege- und Kommunal­ arbeiten. Dieser Tätigkeitsbereich hat mitt­ lerweile den zweitgrößten Verrechnungswert angenommen. Jüngstes „Kind“ des Maschinenrings ist das Feld der nachwachsenden Rohstoffe. Im Februar 1994 wurde die „Erzeugerge­ meinschaft für Ölfrüchte und nachwach­ sende Rohstoffe Südbaden“ gegründet, de­ ren Mitglied auch der Landmaschinenring und Betriebshilfsdienst Schwarzwald-Baar e. V. ist. In Zukunft wird für die Landwirtschaft die Einkommenskombination immer wichtiger, um ein ausreichendes Gesamteinkommen zu erwirtschaften. Nicht nur in der Produk­ tion landwirtschaftlicher Güter, sondern ver­ stärkt im Dienstleistungsbereich ist die Ent­ wicklung selbständiger landwirtschaftlicher Betriebe zu sehen. Landschaftspflege, Kom­ munalarbeiten, Grüngutentsorgung und Kom­ postierung sind Dienstleistungen, die Land­ wirte mit dem Maschinenring als Mittler übernehmen können. Landwirte, organisiert im Maschinenring, sind zuverlässige Partner. Der Maschinen­ ring kann aus einem großen Pool von Ma­ schinen und Arbeitskräften schöpfen und ist somit Einzelunternehmen bei der Abwick­ lung überlegen. Die Präsenz vor Ort und die fachliche Qualifikation machen Landwirte zu idealen Gesprächspartnern in den oben­ genannten Bereichen. In der Übergabe von Aufträgen an Land­ wirte mit dem Maschinenring als Mittler ist die Möglichkeit schlechthin für den Erhalt der Kulturlandschaft bei uns im Höhenge­ biet zu sehen. Darüber hinaus sind damit Arbeitsplätze in der Landwirtschaft gesichert und junge Unternehmer haben wieder ein klares Ziel vor Augen. Klaus Hall 366

Gastronomie Beim „singenden Wirt“ Hotel – Gasthof „Kranz“ in Blumberg-Riedböhringen „Hoch droben auf des Schwarzwalds Höhen“ als eigene Komposition oder noch höher „La Montanara“ tönt es mitten in Riedböhringen gleich fünfstimmig zur Key­ board-Begleitung bis auf die Straße hinaus. Danach wie im Wunschkonzert „Blau, blau, blau blüht der Enzian“ und „Sierra Madre de! Sur“. Das sind, wenn Busse und Pkws rund um den Hotel-Gasthof „Kranz“ auf Blechfühlung gehen, die reinsten Schritt­ bremsen für alle flanierenden Nachmittags­ ader vorrangig Abendpassanten. Lauschend bleiben sie stehen, hören Beifall rauschen, aus dem sich die rhythmischen Aufforder­ rungen „Zugabe! Zugabe!“ wie zwingende Ausrufezeichen lösen, und werden dann womöglich von Freddys Oldie „Heimatlos“ oder gar dem Evergreen „In the mood“ nostalgisch animiert. Irgendwo dämpft eine geschlossene Stalltür das vorletzte Melk­ Muh einer baaremer Kuh, doch der alles rest­ landwirtschaftliche übertönende Jubel im ,,Kranz“ gilt jetzt offenbar einem angekün­ digten Gesellschaftsspiel, das viel Pep ver­ spricht. Im Gästehaus „Zur alten Schule“ gegenüber prosten sich dann wohl Zimmer­ nachbarn von Fenster zu Fenster schmun­ zelnd zu oder steigen angeregt schnurstracks zur Weinprobe in den urig gewölbten Torkel­ keller hinab, weil es drüben im Haupthaus keinen freien Platz mehr gibt. Was nicht eben selten vorkommt. Eine solche Szenerie mit der Geräusch­ kulisse einer im besten Sinne unterhaltsa- 367

men Gastronomie gibt es auf ungebrochene Dauer nur in Blumbergs idyllisch gelegenem Stadtteil Riedböhringen: Ein Bilderbuch­ dorf übrigens, in dem museal an den dort geborenen und – nach beispielhafter römi­ scher Präsenz für eine vehement vertretene Einheit der Christen – zur letzten Ruhe gebetteten Kurienkardinal Augustina Bea erinnert wird … Akustisch überzeugend wird im „Kranz“ ein Fenster geöffnet, um einem auf dem Tasteninstrument intonierten Tusch mehr weltliche Aufmerk-Entfaltung zu geben. Wenn dem – wie oben beschrieben – so ist, dann hat die „Kranz“-Wirtsfamilie von Herbert und Rosemarie Riesle alle Hände und Kehlen voll zu tun. Eben weil sich der ,,singende Wirt“ diese überaus werbewirk­ same Apostrophierung seit langem rechtens verdient hat und seine erblich musikalischen Töchter Beate, Martina, Birgit und Annette im Alter jetzt zwischen 16 und 27 Jahren sin­ gend schon von klein auf reagierten, wenn der philharmonische Papa sie per Knopf­ druck an der Hausorgel aus anderen Räum­ lichkeiten in den Saal zitierte, um den erwar­ tungsvollen Gästen zum Dessert nur gute Töne beizubringen. Dieser spezielle Service des örtlich derart urgemütlich und hochmu­ sikalisch vertretenen Hotel- und Gaststätten­ gewerbes sprach sich mit Gütesiegel so zug­ kräftig herum, daß ohne Übertreibung von einem nahezu „weltweiten Echo“ geschrie­ ben werden darf. Denn Riedböhringens „sin­ gender Kranz“ hat durch die Jahre mit im buchstäblichen Sinne zusätzlichen Noten für einen so guten Ruf gesorgt, daß mittler­ weile über 160 Reiseunternehmen aus Deutschland, Italien, Frankreich, Belgien, Holland, England, Schweden und der Schweiz dieses klingende Schwarzwaldziel mit ihren Bussen ansteuern. Weil dort auch Unterkunft, Küche und Keller stimmig sind: Stimmig und stimmlich hervorragend betreut, das sind die Spezialakzente im ,,Kranz“. „Logo, logo … “ singt das Quintett im Viermäderl-Haus und rundet das Marken­ zeichen damit bestätigend ab: Denn der Gasthof „Kranz“ ist seit 1908 im Besitz der schon ab 1630 mit Wappen beurkundeten Familie Riesle. Das einladende Haus begann mit Johann Riesle, der es im Jahre 1935 an Hermann Riesle weitergab, dessen Sohn Die „Scheffellinde“ in Achdorf feierte 450. Geburtstag So alt wie kein anderes Gasthaus auf der Baar Die „Scheffellinde“ in Achdoif .feierte im Mai 1995 ihren 450. Geburtstag. Begonnen hat die Geschichte der „ Scheffellinde“ in den Jahren 1453 bis 1455, als eine Taverne gebaut wurde, die spätestens 1455 den Gastbe­ trieb aufnahm. Sie war Bestandteil eines herr­ schaftlichen Meierhofes, zu dem auch eine Landwirtschaft, eine Brauerei und Drechslerei gehörten. Im Andenken an den Wesifälischen Frieden 1648 pflanzten die Bewohner im Jahr 1651 eine Friedenslinde vor dem Gdsthaus. Unter dieser Linde wurde lange Zeit das Achdoifer Ding­ gericht äbgehalten. ,,Linde“ hi� dann auch das Gasthaus, das nach dem Tod des Dichters Vik- tor von Scheffel 1866 in „Scheffellinde“ umbe­ nannt wurde. Scheffel, der seit 1857 im Haus Fürstenberg in Donaueschingen als Hofbiblio­ thekar angestellt war, kam bei seinen Wander­ zügen in den Süden immer wieder nach Ach­ dorf. Die Geschichte des Gasthauses ist freilich auch von Schicksalsschlägen geprägt. 1930 brannte das alte Gebäude bis auf die Grundmauern nie­ der, viele wertvolle Dokumente gingen damals verloren. 1932 wurde die „Schejfellinde“ an gleicher Stelle und im gleichen Stil wieder auf gebaut. Michael Leiße 368

Herbert den „Kranz“ dann 1966 als 20jähri­ ger übernahm, ihn zeitgemäß renovierte und in den Jahren 1980 bis 1983 ansprechend erweiterte. Im Jahre 1992 kam das bequem gegenüberliegende Gästehaus „Zur alten Schule“ hinzu. Hier möbelte Herbert Riesle nach vielen Widerständen das sich in desola­ tem Zustand befindliche alte Schulgebäude recht kostenintensiv auf. Den rustikalen Gewölbekeller, der 100 Personen Platz bietet, baute er als Ausschank und für die inzwi­ schen beliebten Weinproben aus. Unter dem Dach können ebenfalls rund 80 Gäste bewir­ tet werden. Am Haupthaus wurde kürzlich auch er­ weiternd angebaut. Seitdem singen die Ries­ les zur beifällig aufgenommenen Unterhal­ tung ihrer Gäste und diese in höchsten Tönen das Lob eines renommierten Hauses mit Gasträumen, die bis zu 380 Personen Platz bieten und in dem 30 Kräfte mit dem Hausherrn als geschätztem Küchenchef zum Wohle der Gäste beschäftigt und gemeinsam auf den Ansturm von mehreren Busbesat- zungen vorbereitet sind. Die 70 Gästezim­ mer mit 140 Betten fangen selbst ein Stoßge­ schäft mit plötzlich anrollenden Großgesell­ schaften auf. Die Zimmer sind durchgängig mit Dusche, Toilette, Telefon und Fernseh­ anschluß ausgestattet. Spezialisiert ist das familiär betonte „Kranz“-Team auf eine rasche und dabei versierte Betreuung von Reisegesellschaften im neu angebauten, 55 Personen fassenden „Schwarzwaldstüble“, das separat für Tagungen hervorragend geeig­ net ist. Im Schnitt werden täglich zehn bis zwölf Reisebusse abgefertigt. Als betriebsamste und damit lebendigste Besuchsmonate gel­ ten Mai und September. Über das reichhal­ tige Angebot einer gutbürgerlichen Landkü­ che hinaus kommen selbst Feinschmecker wie Schlemmer – also Gourmets und Gour­ mands der gehobenen und reichlichen Tafel­ freuden – auf ihre Zungen- und Gaumenko­ sten. ,,Separat“, so betonte der „singende Wirt“ in einem informativen Gespräch, ,,bauten 369

Gasthof ,,Engel“ in Vöhrenbach von internationaler Fachzeitschrift hoch bewertet In der Februar-Ausgabe 1995 des in der Schweiz erscheinenden und in München redi­ gierten gastronomischen Fachjournals „Sa­ voir vivre“ erfährt der Gasthof „Engel“ in Vöhrenbach eine besondere Würdigung: Die Zeitschrift zeichnete die Küchenleistung Rein­ hold Ketterers und den Service unter Ursula Ketterer mit seinem selten vergebenen „Son­ nen-Emblem“ in hoher Bewertung aus. Das weithin bekannte Lokal wird unter die 500 am besten eingestuften gastronomischen Unternehmen in Deutschland eingereiht. Der Almanach gratuliert zu dieser bemer­ kenswerten Auszeichnung! wir eine spezielle Kaltküche für den Party-, Platten- und Büfett-Service an. Hier muß ich einer steigenden Nachfrage natürlich Rech­ nung tragen.“ Von den entstandenen und laufenden Kosten für ein so expandierendes Gastronomie-Unternehmen kann Herbert Riesle auch ohne Stimmgabel ein Lied sin­ gen. Deshalb muß täglich vielhändig zuge­ packt werden, eben damit sich keine falschen Töne einschleichen. ,,Einmal“, so plauderte der musikbegei­ sterte „Kranz“-Wirt, dazu ermuntert, aus der gasthäuslichen Anekdoten-Schule, ,,kam es bei unserem abendlichen Unterhaltungspro­ gramm mit Liedern und munteren Gesell­ schaftsspielen wieder zu einer Polonaise. Die zog dann fröhlich singend und albernd durch alle Räume. Dabei ließ sie selbst Scheune und Heustall nicht aus. Einige von denen, die da mitmachten, sahen wir aller­ dings erst nach einer guten halben Stunde wieder. Rein zufällig pärchenweise .. . “ In den Gästebüchern „verewigten“ sich nicht nur Stammgäste und anonyme „Ein­ tagsfliegen“, sondern ebenso Träger bekann­ ter Namen, wie beispielsweise Johannes Kar­ dinal Willebrands und 40 andere geistliche Würdenträger aus aller Welt, unter ihnen Bischof Vasilios von Aristi, der Freiburger Erzbischof Dr. Oskar Saier, der Jesuiten-Pro­ vinzial Pater Dr. Alfons Klein und Hans Heinz Altmann, Vertreter des Zentralrates der Juden in Deutschland. Auch an zufriede­ nen Eintragungen von Politikern und Wan­ derern jeglicher Couleur herrscht kein Man­ gel. ,,Bei Riesle einzukehren, mundet wie der beste Riesling!“ Das könnte ein Werbeslogan werden. Wer so viel für die behagliche Gast­ lichkeit investiert, der darf jederzeit einer lukrativen Anerkennung gewiß sein. Beson­ ders dann, wenn gastronomisches und musi­ kalisches Ensemble übereinstimmen und dank konzertierter Aktionen ihr Renommee regional und überregional festigen: Ver­ flochten zu einem bunten, einladenden ,,Kranz“. Jürgen Henckell Ein Haus mit Tradition Hotel „Pflug“ in Gremmelsbach Worauf viele Wirtsfamilien mit Stolz hin­ weisen, ein Haus mit Tradition zu leiten, das kann die Wirtsfamilie im Hotel „Pflug“ in Gremmelsbach auch. Karl Günter ist in der vierten Generation „Pflugwirt“, sein Vorfahr Josef Günter zog 1864 von Lauterbach nach Gremmelsbach, damals stand das Gasthaus etwas weiter talaufwärts, hieß in den ersten 370 Jahren „Erker“, seine Hofstatt ist heute ein Garten. Das Gebäude brannte 1871 ab und wurde an der jetzigen Stelle neu erbaut. Den Grund für den neuen Platz mag man in dem alpinen Berghang darüber vermuten, unter dem man vor Steinschlag nicht sicher war. Die Konzession wurde Josef Günter erst am 24. August 1874 erteilt.

Der „Pflug“ machte sich die Vorteile der modernen Technik zu­ nutze. Karl Günter, Wirt und Wagner, ließ 1925 eine Druck-und Saugturbine erbauen, gespeist von dem ei­ gens dafür angelegten Weiher, schloß einen Dynamo an und hatte in weitem Umkreis als elektrisches erster Licht. Als absolute Neuheit wurden die beiden Straßenlater­ nen in der Kurve un­ ter dem „Pflug“ und an der Bundesstraße angesehen. Eine be- sondere Attraktion für große und kleine Gäste war in einer Zeit, da Musik selten zu hören war, ein elektrisches Klavier. Unter einem Dach war in früheren Jahrzehnten die Wagnerei untergebracht, es fand sich sogar noch Platz für den Stall. Auf der gegenüber­ liegenden Straßenseite stand ein kleines Sägewerk, wo die Waldbesitzer von Grem­ melsbach ihre Sägklötze zu Brettern aller Art sägen lassen konnten. Auch ein Milchhäus­ chen erwähnt ein alter Kaufvertrag. 1975 brannte der „Pflug“ ein zweites Mal ab und wurde an der gleichen günstigen, son­ nigen Stelle als Hotel wieder aufgebaut. Architekt Paul Kienzler, Triberg, mußte aus der topographischen Lage das Bestmögliche machen, da eine Erweiterung nur in östlicher und westlicher Richtung möglich war, nicht gegen die Bergseite und nicht gegen die Straße. Der jetzige Besitzer und Wirt Karl Gün­ ter hat sein „Handwerk“ gelernt. Nach der Hauptschule absolvierte er eine Kochlehre im Parkhotel Wehrle in Triberg, war anschlie­ ßend drei Winter auf verschiedenen Schiffen (der „Jakob Becker“, einem Frachter; der 371

,,MS Freiburg“, einem Frachter und Passa­ gierschiff in einem; und der Jodonna“, ei­ nem norwegischen Frachter), durchkreuzte das Mittelmeer, kennt sich in der Nord- und Ostsee aus, im Atlantik und besonders in der Karibik. Die freien Stunden in den Hafen­ städten nutzte er, um möglichst viel von ihrer Geschichte und Kultur und der ihrer Länder kennenzulernen. Der damals 19 Jahre junge Chefkoch war auch für den Einkauf verantwortlich, einmal es gab für eine Bot­ schaft einen Empfang, das kalte Büffet ent­ hielt das Feinste vom Feinen, Karl Günter hatte die Aufsicht. Überhaupt sind die Herr­ schaften auf dem Schiff Gutes gewöhnt, fünf Mahlzeiten täglich, zum Frühstück schon Koteletts, Eierspeisen, eine Mehlsuppe … Küchenchef war er danach zwei Winter lang in Hinterzarten im Hotel Linde und Kur­ haus. 1977 machte er die Meisterprüfung, war danach Chefkoch in der neueröffneten Kurklinik, ein Jahr im Hotel „Krone“ in Peterzell. Nach dem Brand 1975 war er im eigenen Betrieb unentbehrlich. Seit Neujahr 1981 liegt das elterliche Erbe, das Hotel ,,Pflug“, in seinen Händen. Und der Gastronom wußte seinem Haus eine eigene Note zu geben. 16 Doppelzim­ mer, alle mit Dusche, WC, Balkon und Fern­ sehen ausgestattet, und eine Ferienwohnung kann er vermieten. Durch den Bau eines Eigenheimes, das gleichzeitig auch ein Stück Dorfverschönerung darstellt, hat er seinen Betrieb vergrößern können. Da er gern Holz schlägt, sein Hobby, hat er für seine Heizung mit 44 Heizkörpern und zwei Kachelöfen immer genug Brennmaterial und kann eine gemütliche Wärme erzeugen. V ielseitig ist die Speisekarte im „Pflug“, um allen Ansprü­ chen gerecht zu werden. Er räuchert den Speck für ein Schwarzwälder Vesper im eige­ nen Rauchfang. Zu den Schwarzwaldspezia­ litäten gehören „Hausmacher“ Wurst, Schlachtplatten, Gallert. Als kleine Auf­ merksamkeit bietet er Grieben mit Schmalz als Einleitung oder Quiche Lorraine zum Abendessen an. Ganzjährig hat er Wild und lebendfrische Forellen vorrätig. Selbstver- 372 ständlich hat er einen gutsortierten Weinkel­ ler und gepflegte Biere, Pils vom Faß. Be­ dingt durch die Nähe Tribergs ist sein Publi­ kum international. Angehörige von sieben Nationen und mehr zählt er öfters gleichzei­ tig auf den Anmeldescheinen. Monteure, Ver­ treter, die im Umkreis von 40 km zu tun haben, übernachten im „Pflug“. Um immer möglichst hohe Übernachtungszahlen zu er­ reichen, muß ein Hotel heute mehreren Rei­ sebüros angeschlossen sein. Das geht nicht anders. Obwohl es ein reiner Familienbe­ trieb mit einigen Angestellten ist, kann der Service auf überraschende Situationen schnell reagieren. Selbst ein unangemeldeter Bus voll Gästen braucht nicht abgewiesen zu werden. Was wäre aber ein Gasthaus in einem Dorf ohne Stammtisch? Oft findet sich am Feierabend und nach Vereinssitzun­ gen noch eine gutgelaunte Runde im „Pflug“ zusammen. Für alle anfallenden Arbeiten ist ihm seine Ehefrau Monika die beste, treueste unent­ behrlichste Stütze. Auch sie kommt „vom Fach“, ist in einer Pension im württembergi­ schen Allgäu zu Hause, war im Service meh­ rerer Hotels tätig und bewältigt neben der Familie her den Hotelbetrieb. Das Haus Günter ist auch kinderfreund­ lich. Seit einiger Zeit ist auf einer Spielwiese eine Spielhütte angelegt, die zudem noch am Bach liegt, ein wahres Eldorado, weil sie trotz ihrer tiefen Lage sonnig ist und vom Wald­ rand der Schatten kommt, und als Grillplatz und fürs Tischtennis und fürs Ausruhen auf dem Liegestuhl genutzt werden kann. Für Hobby-Angler hat er ein Stück des Grem­ melsbach gepachtet, auch ein Fischteich steht zur Verfügung. Keine Frage, daß es den Gästen, von denen heute viele weltweit die �alität von Hotels vergleichen können, im „Pflug“ gut gefallt, viele wieder und wieder kommen, ja ihn zu ihrem ständigen Ferien­ domizil erwählen, weshalb Kurgastehrungen für 20 und 25maliges Kommen keine Selten­ heit sind. Karl Volk

Verschiedenes Personen und Fakten Dr. Manfred Matusza ist am 13.11.1994 unter 15 Kandidaten im ersten Wahlgang mit 50,93 % der knapp 57.000 Wahlberechtigten zum Oberbürgermeister von Villingen­ Schwenningen gewählt worden. Die Wahl­ beteiligung betrug 56,4 %. Dr. Matusza hat am 2. 1. 1995 sein neues Amt angetreten. Der bisherige Oberbürgermeister, Dr. Gerhard Gebauer, ist aus Altersgründen ausgeschieden. Gerhard Hagmann wurde am 26. 3.1995 unter drei Bewerbern zum 3. Mal zum Bür­ germeister von Bad Dürrheim gewählt. Der bisherige Amtsinhaber erhielt 72 % der gülti­ gen Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 43, 7 %. Die neue Amtsperiode hat am 1. 6. 1995 begonnen. Jörg Frey setzte sich am 7.5.1995 im ersten Wahlgang unter fünf Bewerbern als neuer Bürgermeister von Schonach durch. Bei 81,8 % Wahlbeteiligung erhielt er 70,3 % der gültigen Stimmen. Er hat sein Amt am 1. 7. 1995 angetreten. Der bisherige Amtsinhaber Albert Haas schied aus gesundheitlichen Gründen vor­ zeitig zum 30.6.1995 aus dem Amt aus. Erlei­ tete die Gemeinde 27 Jahre. Kriminaloberrat und Leiter der Kriminal­ polizei bei der Polizeidirektion Villingen­ Schwenningen, Helmut Wider, wurde auf eigenen Wunsch mit Wirkung vom 1.11.1994 zur Landespolizeidirektion Freiburg ver­ setzt. Seine Nachfolge trat am 1. 3.1995 Hel­ mut Dorer an. Forstdirektor Lud�ig Heneka, langjähri­ ger Leiter des Forstamtes Triberg, ist mit Wir­ kung vom 31. 5. 1995 altershalber in den Ruhestand getreten. Sein Nachfolger stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest. Karl Kirschvink, langjähriger Schulleiter der Kaufinännischen und Hauswirtschaft­ lichen Schulen in Donaueschingen, ist mit Wirkung vom 26. 7.1995 altershalber in den Ruhestand getreten. Sein Nachfolger wurde mit Beginn des Schuljahres 1995/96 Heinz Baumgartner. Bernhard Hoch, Bäcker-und Konditor­ meister aus Villingen-Schwenningen, wurde am 9. 11. 1994 zum Präsidenten der Hand­ werkskammer Konstanz gewählt. Emil Kiess aus Hüfingen wurde von Herrn Ministerpräsident Erwin Teufel am 14. 3.1995 der Ehrentitel „Professor“ verlie­ hen.Im Rahmen der langjährigen Verbindung des Schwarzwald-Baar-Kreises zum Nach­ barkanton Schafihausen fand am 6. 9.1995 ein weiteres Freundschaftstreffen statt. Re­ gierungsrat Dr. Hans-Peter Lenherr empfing mit seinen Chefbeamten des Erziehungs­ departements eine kleine Delegation des Kreistages des Schwarzwald-Baar-Kreises mit Landrat Dr. Gutknecht. Die Begegnung diente neben der Festigung der persönlichen Bezie­ hungen der Unterrichtung besonders über den Zivilschutz im Kanton Schaffhausen. 373

Nachstehende Personen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis wurden seit Mai 1994 aus­ gezeichnet: Orden, Medaillen a) mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland: Dr. Axel Borchers Max Hirt Gerhard Ballof Oberbürgermeister i. R. Dr. Gerhard Gebauer Gerhard Luz Wilfried Leibold (Abkürz.: BVK I. Kl. = Bundesverdienstkreuz I. Klasse BVK a. B. = Bundesverdienstkreuz am Bande) Villingen-Schwenningen Brigachtal-Klengen Villingen-Schwenningen 5. 5.1994 BVK a. B. 16. 8.1994 BVK a. B. 20. 9.1994 BVK a. B. 7. 11.1994 BVK I. Kl. 18. 1.1995 BVK a. B. 30. 1.1995 BVK a. B. Hans Göppert 13. 2.1995 BVK a. B. b) mit der Zelter-Plakette: Kath. Kirchenchor St. Martin MGV Sängerkreis ,,1895 Villingen e. V.“ 26. 3.1995 26. 3.1995 Villingen-Schwenningen Triberg Villingen-Schwenningen Stadtbezirk Mühlhausen Schönwald Blumberg-Riedöschingen Villingen-Schwenningen c) mit der Wirtschaftsmedaille: Senator h.c. Dipl.-Ing. Hans Schmidt 13.12.1994 St. Georgen d) mit der Lebensrettungsmedaille: Johann Hassler 15. 9.1994 Bräunlingen e) mit dem italienischen Orden „Grado di Ufficiale“, überreicht vom italienischen Konsul in Südbaden, Fabrizio Nicoletti: Bürgermeister i. R. Günter Lauffer St. Georgen 5. 7.1995 Arbeitslose in Prozentzahlen Stichtag Schwarzwald-Baar-Kreis 30. 6.1993 30. 6.1994 30. 6.1995 374 7,6% 8,7 0/o 7,7 0/o Land 6,1 % 7,3 0/o 7,0 0/o Bundesgebiet West 7,0% 8,00/o 8,9 0/o

Bevölkerungsentwicklung im Schwarzwald-Baar-Kreis Veränderungen Gemeinden in Zahlen Stand der Wohnbevölkerung 31.12. 1993 31.12. 1994 in 0/o Bad Dürrheim Blumberg Bräunlingen Brigachtal Dauchingen Donaueschingen Furtwangen Gütenbach Hüfingen Königsfeld Mönchweiler Niedereschach St. Georgen Schönwald Schonach Triberg Tuningen Unterkimach Villingen-Schwenningen Vöhrenbach 11.535 10.785 5.823 5.040 3.259 20.372 10.172 1.488 7.033 5.936 3.091 5.231 14.434 2.738 4.463 5.938 2.575 3.130 81.315 4.277 11.505 10.683 5.912 5.185 3.344 20.477 10.021 1.485 7.123 5.996 3.132 5.348 14.351 2.701 4.397 5.891 2.674 3.233 80.907 4.281 Kreisbevölkerung insgesamt 208.635 208.646 30 102 89 + + 145 + + 105 85 151 3 90 60 41 + + + + 117 83 37 66 47 + 99 + 103 + + 408 4 11 0,26 0,95 + 1,53 + 2,88 + 2,61 + 0,52 1,48 0,20 + 1,28 + 1,01 + 1,33 + 2,24 0,58 1,35 1,48 0,79 0,50 + 3,84 + 3,29 + 0,09 + 0,01 Ausländer in Zahlen Gemeinde Ausländer insgesamt Bad Dürrheim Blumberg Bräunlingen Brigachtal Dauchingen Donaueschingen Furtwangen Gütenbach Hüfingen Königsfeld Mönchweiler Niedereschach St. Georgen Schönwald Schonach Triberg Tuningen Unterkimach Villingen-Schwenningen Vöhrenbach Gesamt 836 1.575 657 257 133 1.836 1.162 65 746 297 324 323 1.793 85 360 650 255 258 12.130 647 24.389 Türken 57 786 420 66 9 424 244 7 289 22 48 66 267 4 60 230 61 60 2.437 222 5.779 davon Jugoslawen Italiener 264 385 56 32 47 229 354 13 122 86 141 131 633 44 157 143 34 41 2.111 206 5.229 97 40 24 37 21 326 306 35 158 16 37 27 569 8 98 85 126 59 2.074 131 4.274 Sonstige 418 364 157 122 56 857 258 10 177 173 98 99 324 29 45 192 34 98 5.508 88 9.107 1. 2. 1995 Ausländcr4 antcil in CM, ca. 7,6 14,1 11,4 5,0 4,0 9,0 11,5 4,4 10,6 5,0 10,2 6,1 12,4 3,0 8,1 11,0 9,7 8,0 15,0 14,9 11,7 375

Ergebnisse der Bundestagswahl am 16. Oktober 1994 im Wahlkreis 190 Schwarzwald-Baar Wahlberechtigte Wähler darunter mit Wahlschein davon Briefwähler ungültige Erststimmen gültige Erststimmen davon für Belle, Meinrad Lörcher, Christa Zeller, Hans Grieshaber, Rita Kimme!, Claudia Schwarzwälder, Karl-Ernst Martin, Wolfgang CDU SPD FDP/DVP GRÜNE REP GRAUE ÖDP ungültige Zweitstimmen gültige Zweitstimmen davon für CDU SPD FDP/DVP GRÜNE REP PDS APD Bürgerrechtsbewegung Solidarität CM GRAUE NATURGESETZ MLPD ÖDP PBC STATT Partei absolut 148.010 114.718 12.868 12.591 1.749 112.969 58.751 34.915 4.776 9.067 3.214 1.043 1.203 1.488 113.230 . 51.868 33.413 11.531 9.657 3.010 665 413 15 241 766 162 36 772 410 271 in Prozent 77,51 11,22 10,98 1,52 52,01 30,91 4,23 8,03 2,85 0,92 1,06 1,30 45,81 29,51 10,18 8,53 2,66 0,59 0,36 0,01 0,21 0,68 0,14 0,03 0,68 0,36 0,24 Wahlkreisabgeordneter: Meinrad Belle CDU Über die Landesliste in den Bundestag gewählt: 376 Christa Lörcher SPD Rita Grieshaber GRÜNE

Farbaufnahmen und Fotonachweis Die Farbaufnahmen auf der Titel- und Rückseite stammen von German Hasenfratz, Hüfingen. Motiv Titelseite: Am Rathaus mit Stadttor Bräun­ lingen Motiv Rückseite: Johannes und Maria (Museum Bräunlingen) Die Zeichnung auf der Seite 165 wurde von Wienhart Prigge, Villingen-Schwenningen, ge­ fertigt. Wir danken dem Badischen Landesmuseum Karlsruhe für die Genehmigung zum Abdruck der Fotos auf den Seiten 292, 293, 294, 296 (oben). Ebenso danken wir der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe für die Genehmigung zum Abdruck der Fotos auf den Seiten 296 (unten) und 295. entnommen: Abbildungsnachweis zur Seite 141: Die Skizze mit den Varianten der Teilstrecke Hornberg – Sommerau (Siehe „Q!iellen und Literatur“ nach R. Friedmann) SO Jahre Schwarzwaldbahn. Ein Beitrag zur Verkehrs­ geschichte Südwestdeutschlands. Von Dr. A. Kuntzemüller. Mit 2 Karten Sonderdruck aus „Archiv für Eisenbahnwesen“ 1923. Verlag von Julius �pringer in Berlin *VERLAG VON L. SCHONENBERGER TRIBERG (SCHWARZ­ WALD). Abbildungsnachweis zu den Seiten 142/143: Zeichnung Götz: GLA G Techn. Pläne Eisen­ bahnen 3/43 Blatt 11. Abbildungsnachweis zu der Seite 145: G Techn. Pläne Eisenbahnen 3/33 Blatt 11. Abbildungsnachweis zu der Seite 146: GLA G Techn. Pläne Eisenbahnen 3/33 Blatt 12. Abbildungsnachweis zu der Seite 150: GLA G Techn. Pläne Eisenbahnen 3/43 Blatt 8. Fotonachweis: Soweit bei den einzelnen Beiträ­ gen die Bildautoren nicht namentlich hier ange­ führt werden, stammen die Fotos jeweils vom Ver­ fasser des betreffenden Beitrages. Mit Fotos sind ferner im Almanach vertreten (die Zahlen nach der Autorenangabe beziehen sich auf die jeweilige Textseite): Badische Zeitung 7; German Hasenfratz 8, 9 (unten), 84, 85, 279, 280; Bronn er 9 (oben); Heinz Ackermann 10, 11; Viola Faust-Berndt (oben) 18; Dietrich Krieger 18 (Mitte, unten), 22, 24, 25, 28, 29; Sabine Lehmann 26; BRS Baustoffrecycling Schwarzwald-Saar GmbH 31; Walter Kaspar 33; Erhard Hehl 35, 36; Schwabenbild Regierungs­ präsidium Stuttgart 120-12147 38; Helmut Glatz 40, 41; PeterObergfell 44; Straßenbauamt Donau­ eschingen SO;Jörg Michaelis 52; Aribert Hoch 58; Johannes Fischer 62, 63, 97, 322, 323; Karl-Wak­ ker-Schule 64, 65; Wolfram Janzer 68; Herbert Gravenstein 69; Werner Ruoss 72; Archiv Edwin Mieg OHG 78, 79, 80, 81, 82, 83; Dieter Grässlin KG 86, 87, 88, 89; Gehr. Grieshaber GmbH 90, 91, 92; Stuttgarter Luftbild Elsäßer GmbH 94; Emil Frei KG 95; Bäurer Unternehmensberatung und Software GmbH 98; Elvedi GmbH 100, 102, 103; Erwin Fleig 107, 108; Stadt Blumberg 115; Haus der Geschichte Stuttgart, Sammlung Metz 118; Archiv Fa. Staiger 119; Georg Goerlipp 121, 122, 123, 125, 126, 282, 283, 284, 285, 286; Schwarzwald-Muse­ um Triberg 128; Sammlung Horst Klink 129, 130, 131 (links); Stadt Donaueschingen 135; General­ landesarchiv Karlsruhe 142/143, 145, 146, 150; Kurt Grill 154; Schroff-Bild 156, 164; Helmut Groß 162, 169, 312, 314; Hanne Gössl 159; Wolf­ gang Brotz 211, 213, 214, 215; Deutsches Uhren­ museum 216, 217, 218, 219, 220; Foto Carle 207, 208, 222, 223, 224; Heimat- und Geschichtsverein Gütenbach 228, 229, 230, 231; Andrea Graf 235, 236/237, 238, 239, 240, 242; Karl-Hermann Stöt­ zel 251; Städtische Galerie Villingen-Schwennin­ gen 266, 267 (oben); Harald Kille 267 (unten), 268, 269, 270, 271; Rolf Gambeck 289; Roland Siegwart 290; Klaus Koch 291; Foto Günter 297, 298, 299, 300; privat 140, 147, 190, 308, 309, 330, 371; Helmut Groß 312, 314; Heim Fischerhof 316, 317, 318; Karl Koch 325, 326; Guido Gutje 328; Photo Mühlich 333; Erwin Kienzler 209, 336, 337, 338; Landmaschinenring und Betriebshilfs­ dienst Schwarzwald-Saar 366; Schotten 367, 369. Repro-Service Kötz, Villingen-Schwenningen. 377

Die Autoren unserer Beiträge Albicker, Josef, 78183 Hüfingen-Hausen vor Wald (verst.) Bader, Prof. Dr. Karl S., Rebbergstraße 57, CH-8049 Zürich Baumann, Siegfried, Bürgermeister, Fohrenweg 19, 78089 Unterkirnach Bender, Bruno, Friedenstraße 18, 78136 Schonach Benz, Doris, Föhrenweg 7, 78078 Niedereschach Blümcke, Martin, Schönbergstraße 86, 72793 Pfullingen Bökenkamp, Renate, Schwarzwaldstraße 4, 78112 St. Georgen Bogotsch, Walter F., Immanuel-Kant-Straße 9, 78166 Donaueschingen Ciz, Dr. Carl Heinz, Sautierstraße 60, 79104 Freiburg Dold, Werner, Schützenstraße 6, 78199 Bräunlingen Dold, Wilfried, Waldstraße 13, 78147 Vöhrenbach Enser, Volker, Luisenstraße 56, 78073 Bad Dürrheim Faust-Berndt, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Forster, Ingrid, Schleicherstraße 4, 78050 Villingen-Schwenningen Frank, Willi, Matthias-Grünewald-Straße 5, 79100 Freiburg Friese, Klaus-Peter, Pforzheimer Straße 25, 78048 Villingen-Schwenningen Fritschi, Käthe, Karl-Bromberger-Straße 5, 78183 Hüfingen Fuchs, Dr.Josef, Rietgasse 10, 78050 Villingen-Schwenningen Gaß, Ulrike, Luisenstraße 56, 78073 Bad Dürrheim Gerhardt, Günter, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Grieshaber, Cornel, Bürgerwehrstraße 28, 78050 Villingen-Schwenningen Grießhaber, Ute, Waldstraße 11, 78087 Mönchweiler Grimm, Alfons, Otto-Gönnewein-Strnße 15, 78054 Villingen-Schwenningen Groß, Helmut, Am Schwalbenhaag 1, 78048 Villingen-Schwenningen Gutknecht, Dr. Rainer, Landrat, Am Hoptbühl 2, 78048 Villin�en-Schwenningen Gwinner, Joachim, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenmngen Haas, Wolfgang, Bundesstraße 36, 78112 St. Georgen Hall, Klaus, Waldhof-Aasen, 78073 Bad Dürrheim Haller, Johann, Buchenberger Straße 30, 78126 Königsfeld Henckell, Jürgen, Schriftsteller und Grafiker, Buchbergstraße 3, 788176 Blumberg Hermanns, Martin, Akademiereferent, Oberer Sonnenbühl 23, 78052 Villingen-Schwenningen Herr, Horst, Realschulrektor, 78136 Schonach Hiebl, Johann, Weiherstraße 40, 78120 Furtwangen Hoß, Oliver, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Huber-Wintermantel, Susanne, M. A., Bräunlinger Straße 6, 78183 Hüfingen Huger, Werner, Anton-Bruckner-Straße 5, 78333 Stockach Jäckle, Alexander, Bergstraße 10, 78098 Triberg Janzing, Bernward, Stephan-Blattmann-Straße 23, 78120 Furtwangen Jörres, Werner, Hochstraße 48, 78048 Villingen-Schwenningen Kaiser, Johannes, Weiherstraße 13, 78050 Villingen-Schwenningen Kalb, Roland, Albstraße 7, 78083 Dauchingen Kirchgeßner, Hilmar, Waldstraße 35, 78048 ViHingen-Schwenningen Kirchhofer, Werner, Zas1usstraße 120, 79102 Freiburg Klein, Kurt, Haselwanderstraße 11, 77756 Hausach Klemm, Prof. Dr. Dieter, Kreiskrankenhaus, 78166 Donaueschingen Kopitzke, Oliver, Zieglerösch 18, 88699 Frickingen Kramer, Bernd, Oberbregenbach 1, 78120 Furtwangen Krieg, Karl, Villinger Straße 7, 78147 Vöhrenbach Kromer, Irmtraud, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Kuntz, Prof. Dr. Ing. Walter, Gerwigstraße 11, 78120 Furtwangen Lamka, Arthur, Reuterstraße 155, 51467 Bergisch Gladbach Lampe, Hans, Bregenbach 11, 78147 Vöhrenbach Landjugend Hondingen, 78176 Blumberg-Hondingen Leiße, Michael, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Liedgens, Joachim, Feldbergstraße 1, 78112 St. Georgen Ludwig, Katja, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Lüscher, Georges, Aitlingerstraße 18, 78176 Blumberg-Riedöschingen 378

Lutz, Ernst, Schöne Aussicht 6, 78073 Bad Dürrheim-Hochemmingen Maus, Otto, Ortsvorsteher, Käppelestraße 2, 78166 Donaueschingen-Aasen Meier, Sonja, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Mühe, Prof. Dr. Richard, Ilbenstraße 54, 78120 Furtwangen Nell, Christian, von, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Neugart, Elisabeth, Langstraße 4, 78050 Villingen-Schwenningen Niemeier, Prof. Dr. Hans-Volker, Vogt-Dufner-Straße 37, 78120 Furtwangen Nitz, Bertin, Gütenbach (verst.) Olbrich, Alfons, Bregenbach 11, 78147 Vöhrenbach Panther, Klaus, Oberstudiendirektor, Baumannstraße 12, 78120 Furtwangen Pottharst,Jens, Am Sachsenwäldle 35, 78050 Villingen-Schwenningen Probst, Dr. Walter, Ginsterweg 57, 78112 St. Georgen Reinartz, Dr. Manfred, Museumsleiter, Beroldingerstraße 27, 78078 Niedereschach Renn, Wendelin, Städt. Galerie, Friedrich-Ebert-Straße 35, 78054 Villingen-Schwenningen Riesle, Xaver, Mühleschweg 10, 78052 Villingen-Schwenningen, Stadtbezirk Tannheim Rockrohr, Ingrid, Journalistin, Am Rappenschneller 16, 78183 Hüfingen Rodek, Hanns-Georg, Im Holderbusch 5, 78056 ViJlingen-Schwenningen Schabinger, Harald, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Schafbuch, Gottfried, Hüfingen (verst.) Schlenker, Prof. Felix, Stöckenweg 7, 78056 Villingen-Schwenningen Schnerring, Dietrich, Baumannstraße 15, 78120 Furtwangen Schnerring, Sabine, Baumannstraße 15, 78120 Furtwangen Schnibbe, Prof. Klaus, Ilbenstraße 50, 78120 Furtwangen Schultheiß, Jochen, Blauenweg 25, 78112 St. Georgen Seefried, Gabriele, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Siebold, Rudolf, Kirchweg 10, 78073 Bad Dürrheim Siegel, Hans-Joachim, Journalist, Beim Hochgericht 22, 78050 Villingen-Schwenningen Steger, Christiana, Birkenweg 8, 78176 Blumberg Steimer, Prof. Fritz L., Gerwigstraße 11, 78120 Furtwangen Strecker, Axel, Schöneggert 2, 78126 Königsfeld Sturm, Dr.Joachim, Baarstraße 12, 78166 Donaueschingen-Pfohren Tocha, Michael, Langes Gewann 33, 78052 Villingen-Schwenningen, Stadtbezirk Pfaffenweiler Tschackert, Albrecht, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Ungethüm, Prof. Dr. Dr. Michael, Romäusring 4, 78050 Villingen-Schwenningen Volk, Karl, Untertal 19, 78098 Triberg-Gremmelsbach Wack, Susanne, Römerstraße 39, 78183 Hüfingen Wahl, Dr. Rolf, Luisenstraße 56, 78073 Bad Dürrheim Waldvogel, Dr. Winfried, Klenkenreute 27, 78166 Donaueschingen Weber, Bruno, Oberstudiendirektor a. D., Billingerstraße 5, 78078 Niedereschach-Schabenhausen Weeber, Gerhard, Rektor, Dorfstraße 16, 78073 Bad Dürrheim-Oberbaldingen Wider, Verena, St.-Nepomuk-Straße 1/4, 78048 Villingen-Schwenningen Wölker, Robert, In den Ziegelwiesen 2 a, 78048 Villingen-Schwenningen Wühr, Manfred, Schonacher Straße 2, 78098 Triberg 379

Inhaltsverzeichnis Impressum Ehrenliste der Freunde und Förderer Heimat – ein verpflichtendes Erbe / Landrat Dr. Rainer Gutknecht Aus dem Kreisgeschehen KreiSJ?Olitik 1995 / Landrat Dr. Rainer Gutknecht, Joachim Gwinner, Gabriele Seefried Eingliederung staatlicher Behörden in das Landratsamt Hochwasser im Schwarzwald-Baar-Kreis Tunnelanschlag an der B 31 in Döggingen Eine wichtige Kreisaufgabe: Abfallwirtschaft Der Abfall im Brennpunkt des öffentli�hen Interesses I Albrecht Tschackert Vermeiden ist besser als Verwerten – Offentlichkeitsarbeit als wichtiges Standbein der Abfallwirtschaft / Viola Faust-Bemdt Unsauberkeit/ Gedicht von Jürgen Henckell Das Bringsystem / Albrecht Tschackert Recyclingzentren und Wertstoffhöfe / Oliver Hoß Duales System im Schwarzwald-Baar-Kreis / Sonja Meier Den Kreislauf der Natur unter tützen – Die Grüngutverwertung / Christian von Nell Verweigerung / Gedicht von Christiana Steger Von Farbdosen und alten Batterien / Christian von Nell Vom Abbruch zum Rückbau – Das Baustoffrecycling/ Günter Gerhardt Die Müllabfuhr räumt die Reste weg/ Katja Ludwig Standbeine der Entsorgung – Die Kreismülldeponien / Harald Schabinger Klärschlamm – Der Abfall, der aus dem Wasser kommt / Albrecht Tschackert Schilfbecken zur Klärschlammvererdung / Siegfried Baumann Schlußbetrachtung / Albrecht Tschackert Unsere Städte und Gemeinden, Wappen Erdmannsweiler / Axel Strecker Das Wappen von Erdmannsweiler / Prof. Klaus Schnibbe Aasen / Otto Maus Das Wappen von Aasen / Prof. Klaus Schnibbe Fützen – Zwischen Randen und Wutach / Dr. Joachim Sturm Das Wappen von Fützen / Prof. Klaus chnibbe Das Wappen von Königsfeld im Schwarzwald / Prof. Klaus Schnibbe Behörden, Organisationen Kriminaloberrat Helmut Wider verläßt die Polizeidirektion Villingen-Schwenningen / Robert Wölker 100 Jahre Forstamt Furtwangen – Streiflichter aus seiner Geschichte / Karl Krieg Schulen Die Karl-Wacker-Schule Donaueschingen – Ein neues Zuhause in der Fürsten­ bergstraße / Gerhard Weeber Carl-Orff-Schule 25 Jahre alt Die Robert-Gerwig-Schule in Furtwangen vereinigt Gewerbliche und Kaufrnänni ehe Schulen – Der Neubau wurde bezogen / Klaus Panther Fachhochschule Furtwangen – Hochschule für Technik Im Schwarzwald ticken die Uhren schneller – Erste Absolventen des Fachbereichs Medieninformatik am Markt / Prof. Fritz L. Steimer Kontakte zur De Montfort University in Leicester/Großbritannien / Prof. Dr. Hans-Volker Niemeier 380 l 2 3 4 5 8 10 14 17 19 20 21 23 25 27 28 30 32 35 37 39 42 44 46 46 49 50 53 54 56 57 62 63 66 70 71

Forschung und Entwicklung an Fachhochschulen / Prof. Dr.-lng. Walter Kuntz Morgen / Gedicht von Doris Benz Industrie, Handwerk und Gewerbe Existenzgründer: Keimzelle für neue Arbeitsplätze I Prof. Dr. Dr. Michael Ungethüm Technologie-Park in Villingen-Schwenningen gegründet/ Michael Leiße Seit vielen Jahren erfolgreich mit „Tipp-Kick“ – Die Schwenninger Firma Edwin Mieg OHG / Hanns-Georg Rodek Weißer + Grießhaber GmbH – Ein kunststoffverarbeitendes Unternehmen in Mönchweiler / Ute Grießhaber Internationalität und Innovation – Dieter Grässlin KG, St. Georgen / Wolfgang Haas Firma Gehr. Grieshaber GmbH in Triberg – Draht- und Blankstahlzieherei / Cornel Grieshaber Ausbau und Jubiläum der Dögginger Lackfabrik Frei/ Walter F. Bogotsch Bäurer Unternehmensberatung und Software GmbH in Behla – Hersteller von Software zur Produktionsplanung und -Steuerung/ Susanne Wack Firma ELVEDI GmbH in Blumberg-Riedöschingen – Eine Schweizer Niederlassung in Blumberg erfolgreich / Georges Lüscher Zusammenarbeit über die Grenze mit dem Kanton Schaffhausen/ Michael Leiße 50 Jahre TRW Werk Blumberg Villinger Kutmühle unter den „besten Bäckern“ Deutschlands / Klaus-Peter Friese Sehunke-Abfall / Gedicht von Bertin Nitz In Triberg noch eine einzige Bäckerei – Gremmelsbacher Bäckermeister Christian Weisser / Karl Volk Wirtschaftsgeschichte Von 1934 bis 1942 – Doggererzabbau in Blumberg/ Arthur Lamka Aus der Geschichte der Elektrizität in St. Georgen und Umgebung/ Dr. Carl Heinz Ciz Geschichte Aus dem letzten Jahr der Selbständigkeit des Fürstentums Fürstenberg I Vor 200 Jahren: ,,Kriegsnöte auf der Baar – Prof. Dr. Karl S. Bader Aus dem Tagebuch des F. F. Archivars Merk 1796″ I Michael Tocha Das Triberger Malefizgericht und der unselige Galgen – Erinnerungen an grausame und leidvolle Zeiten rund um Triberg/ Alexander Jäckle Zeitungskampf auf der Baar – Das Donaueschinger Tagblatt im Strudel von Wirtschaftskrise und nationalsozialistischer Pressekonzentration (1932-1936) / Oliver Kopitzke Vom Bau der Schwarzwaldbahn durch Gremmelsbach / Karl Volk Selbsterkenntnis / Gedicht von Dietrich Schnerring Gedicht von Sabine / Gedicht von Sabine Schnerring Persönlichkeiten der Heimat Superiorin Schwester Eva-Maria Lapp – Die Seele des Klosters St. Ursula und eng verbunden mit Villingen und Umgebung / Helmut Groß der chirurgischen Abteilung, trat Ende 1994 in den Ruhestand / Prof. Dr. Dieter Klemm Kreiskrankenhaus Donaueschingen – Privatdozent Dr. med. Ruprecht Zwirner, der Chefarzt Unvergessen – Saba-Mutter Grete! Scherb / Werner Jörres Der langjährige Leiter des Donaueschinger Amtsgerichts – Volker Schmitt – nach kurzem Ruhestand überraschend verstorben / Verena Wider In memoriam – Edwin Nägele – Der erste Nachkriegsbürgermeister von Villingen / Hans-Joachim Siegel De Villinger Münschterbrunne / Gedicht von Elisabeth Neugart Der gute Geist von Andara – Dr. med. Anneliese Bonath – Viele Jahre Leiterin eines Krankenhauses in Namibia / Werner Jörres 73 74 75 76 77 83 86 90 93 97 100 101 103 104 106 107 110 118 121 124 128 134 139 149 149 151 153 156 159 160 162 163 381

Senator h. c. Hans Schmidt -Eine erfolgreiche Unternehmerpersönlichkeit, Träger der Wirtschaftsmedaille des Landes Baden-Württemberg/ Joachim Liedgens Ein gebürtiger „Schwarzwald-Baaremer“ Rektor der Universität Freiburg De Münschterdorm / Gedicht von Gottfried Schafbuch De Betziitliiter / Gedicht von Gottfried Schafbuch Dr. Axel Borchers -Arzt mit einem Her.l für die Behinderten / Jens Pottharst Dr. Helmut Pfaffle -Ein weltoffener Apotheker aus St. Georgen / Dr. Walter Probst, Dr. Joachim Sturm Paul Haaga -Ein engagierter Bürger mit vielen Ehrenämtern und Auszeichnungen/ Alfons Grimm Zum Gedenken: Peter Gramlich -Ein Lehrer und Mitbürger, der in den Herzen fortleben wird / Ernst Lutz Michael Weinmann -Mit Weitsicht die Geschicke der EGT Elektrizitäts-Gesellschaft Triberg GmbH geleitet I Manfred Wühr In unserer Zeit/ Gedicht von Helmut Groß Lebensfreude durch Gymnastik – Ruth Stockburger hält in Triberg Senioren in Schwung / Renate Bökenkamp In memoriam -Emil Winterhalter – Bürgermeister und Ortsvorsteher von Wolterdingen / Dr.Joachim Sturm Gerd Bender -Weithin bekannt durch seine Arbeiten über die Geschichte der Schwarzwälder Uhrmacherei / Wilfried Dold Karl Ketterer -Bürgermeister und Ortsvorsteher von Döggingen (1953 -1979) / Werner Dold Psalm (3) / Gedicht von Johannes Kaiser Für Hüfingen ein Gewinn -Emil Moog -Landwirt und Kommunalpolitiker I Käthe Fritschi Erwin Gießler -Ein Gremmelsbacher im Guinness-Buch der Rekorde / Karl Volk Jahreszeiten / Gedicht von Christiana Steger Der Schwarzwald-Baar-Kreis in Farben (Einlage) Heiteres aus dem Klosterleben St. Ursula Der Auftrag für Frau Lindewisch / Helmut Groß Kirchen Konrad Kaltenbach -Ein Priester als Heimatforscher – Der „Hansjakob von Niederwasser“ war Pfarrer in Aasen und Zimmern / Kurt Klein Die Augenkapelle in Obereschach -Ein christliches Naturheiligtum / Werner Huger Die Schonacher Pfarrkirche erstrahlt in neubarockem Glanz – Ein unbekanntes Kleinod / Jochen Schultheiß Wetter II (Gewitter) / Gedicht von Christiana Steger Museen Das Uhrenindustriemuseum Villingen-Schwenningen – Eine nicht gehaltene Ansprache zur Eröffnung des Museums am 10. Dezember 1994 / Dr. Manfred Reinartz Die astronomische Kunstuhr von Hans Lang im Deutschen Uhrenmuseum I Prof. Dr. Richard Mühe Eine Kostbarkeit im Schwarzwaldmuseum Triberg -Die Marketerie/ Karl Volk Fürstlich-Fürstenbergische Sammlungen in Donaueschingen -Versuchung des Heiligen Antonius -Meister mit dem Veilchen 1510, Züricher Meister/ Martin Hermanns Das Gütenbacher Dorfmuseum / Bernd Kramer Dorfmuseum Buchenberg -Ausdruck kulturellen Eigenlebens/ Johann Haller Baudenkmäler Der Narrenschopf in Bad Dürrheim -Ein Haus voller Narren und noch mehr/ Martin Blümcke 382 166 168 169 169 170 172 174 176 178 179 180 181 183 185 187 188 189 192 193 196 202 205 210 211 216 221 225 227 232 235

Die Linach-Talsperre der Stadt Vöhrenbach/ Wilfried Dold Hausmühle des Weiherhofes in Buchenberg-Martinsweiler vor dem Verfall bewahrt / Johann Haller Drescherei / Gedicht von Gottfried Schafbuch Kreuze im Schwarzwald-Baar-Kreis Die Kreuze im Katzensteig / Johann Hieb! Kunst und Künstler Felix Schlenker -Zum 75. Geburtstag des Schwenninger Künstlers und Kunstsammlers / Hans-Joachim Siegel fensterhaft / Gedicht von Felix Schlenker schleierhaft / Gedicht von Felix Schlenker Ein Künstler aus Schwenningen: ,,Was ich möchte: Transparenz und Dichte“ – Anmerkungen zur Bildwelt von Harald Kille / Wendelm Renn Holzbildhauer Otmar Mayer aus Hüfingen / Käthe Fritschi Villinger Krippen und Krippenkünstler / Dr. Josef Fuchs Töpfermarkt und Keramikwochen Hüfingen – Alljährlich ein Ort künstlerischen Austausches / Ingrid Rockrohr Musik Johann Wenzel Kalliwoda – Ein Für tlich Fürstenbergischer Hofkapellmeister im 19.Jahrhundert / Willi Frank Musica mechanica -Ein neuer programmatischer Akzent der 40. Donaueschinger Musiktage 1994 / Dr. Winfried Waldvogel Requiem II/ Gedicht von Christiana Steger Brauchtum Rudolf Gleichauf und die „Badischen Landestrachten“/ Susanne Huber-Wintermantel M.A. Die Triberger Fastnachtsmasken und -kostüme / Karl Volk Trachten in Sunthausen / Rudolf Siebold Die Baaremer Tracht in Hondingen / Landjugend Hondingen Lebendiges kirchliches Brauchtum auf Blumberger Gemarkung Stichworte incl: Lichtmeß, Blasiu , Agatha/ Christiana Steger Maria Chmiel-Deusch aus Weiterdingen -Trachtenstickerin in zweiter Generation / Ingrid Forster D’r Großvadder / Gedicht von Bertin Nitz Sagen der Heimat Der Giftbrunnen / Xaver Riesle Der Sterngucker I Helmut Groß Gesundheit, Soziales In Geborgenheit selbständig sein -30 Jahre beschützender Lebensraum – Heim Fischerhof/ Alfons Olbrich, Hans Lampe Spatenstich für die Nachsorgeklinik Tannheim Schuldnerberatung -Eine Einrichtung des Landkreises stellt sich vor/ Irmtraud Kromer Die Geschichte der Luisenklinik in Bad Dürrheim/ Dr. Rolf Wahl, Volker Enser, Ulrike Gaß Trennung I Gedicht von Christiana Steger Sport Deutsche Nordische Skimeisterschaften 1995 in Schonach / Werner Kirchhofer Silber für den Schonacber Hansjörg Jäkle Meinrad Beha -Ein Leben für den Laufsport/ Werner Jörres Langlauf, sein Leben -Klaus Weiß wurde in Calgary Langlaufweltmeister der Senioren / Hilmar Kirchgeßner 243 252 253 254 260 265 265 266 272 275 278 282 288 291 292 297 301 303 305 308 310 311 313 315 315 319 321 324 325 325 327 329 383

Karin Romer steuert Olympiade an -Mit 18 Jahren dreimal Mountainbike­ Weltmeisterin / Verena Wider Ein Schüler als Spitzensportler -Alexander Herr/ Horst Herr Landschaft, Naturdenkmäler, Umwelt Der Rohrhardsberg -Mit 1163 m ü. d. M. höchster Berg des Landkrei es – Zugleich ein Blick in die Vergangenheit der einstigen Wäldergemeinde / Bruno Bender „Erstbesteigung“ des höchsten Punktes im Schwarzwald-Baar-Krei Erdrutsche zwischen Wutach chlucht und Flühen / Roland Kalb Hungerblümchen/ Gedicht von Jo ef Albicker Die Geschichte eines majestätischen Baumes – Der Schwenninger Hölzlekönig / Jochen Schultheiß Wetter und Klima in Furtwangen – Nach Messungen der Jahre 1979 bis 1994 / Bernward Janzing Landwirtschaft Erntedank -Ein Fest für Stadt und Land -Zur Entwicklung des Kreiserntedankfestes und der Landjugendgruppen / Bruno Weber Landmaschinenring und Betriebshilfsdienst Schwarzwald-Baar e. V. feierte sein 25jähriges Jubiläum / Klaus Hall Gastronomie Beim „singenden Wirt“ -Hotel-Gasthof „Kranz“ in Blumberg-Riedböhringen / Jürgen Henckell Die „Scheffellinde“ in Achdorf feierte 450. Geburtstag / Michael Leiße Gasthof „Engel“ in Vöhrenbach -Von internationaler Fachzeitschrift hoch bewertet Ein Haus mit Tradition -Hotel „Pflug“ in Gremmelsbach / Karl Volk Verschiedenes Personen und Fakten Orden, Medaillen Arbeitslose in Prozentzahlen Bevölkerungsentwicklung im Schwarzwald-Baar-Kreis Ausländer in Zahlen Ergebnisse der Bundestag wahl am 16. Oktober 1994 im Wahlkreis 190 Schwarzwald-Baar Farbaufnahmen und Fotonachweis Die Autoren unserer Beiträge Inhaltsverzeichnis 331 332 335 335 339 345 346 347 356 365 367 368 370 370 373 373 374 375 375 376 377 378 380 384