Almanach 1998

Almanach 199 8 HEIMATJAHRBUCH DES ScHWARZWALD-BAAR-KREISES 22. FOLGE

Herausgeber: Landratsamt SchwarzwaJd-Baar-Kreis Redaktion: Karl Heim, Landrat Dr. Joachim Sturm, Kreisarchivar Karl Volk, ReaJschuloberlehrer WiJfried Dold, Redakteur Für den Inhalt der Beiträge sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Nachdrucke und Vervielfäl­ tigungen jeder Art werden nur mit Einwilligung der Redaktion und unter Angabe der Fundstelle gestattet. Gestaltung, Satz und Lithografie: Dold-Verlag, Vöhrenbach Verlag und Druck: Todt-Druck GmbH, Villingen­ Schwenningen ISBN: 3-927677-13-2

Ehrenliste der Freunde und Förderer des Almanach 1998 ANUBA-Beschläge X. Heine & Sohn GmbH, Vöhrenbach Walter Glatz, Blumberg Auer + Weber + Partner, Freie Architekten, Stuttgart Dipl.-Ing. M. Greiner VBI, Ingenieurbüro für Statik/Wasser-, Straßenbau und Umweltschutz, Donaueschingen Dr. Hanno Augstein, Hüfingen Siegfried Heim GmbH, Triberg Baden-Württembergische Bank AG, Filiale Donaueschingen Filiale Villingen-Schwenningen lng.-Büro für Haustechnik Budde & Oberle, Ostbahnhofstraße 19, Villingen-Schwenningen Burger Industriewerk GmbH & Co. KG, Schonach Münch GmbH, Metall- und Glasbau, Brigachtal Institut Dr. Jäger, Friedrichstraße 9, Villingen-Schwenningen KUNDO System Technik GmbH, St. Georgen EGT Elektrotechnik GmbH, Schonacher Str. 2, Triberg EGT Gebäudemanagement GmbH, Schonacher Str. 2, Triberg Elvedi GmbH, Lagertechnik -Regalsysteme, Riedöschingen Energieversorgung Südhaar GmbH, Hauptstr. 74, Blumberg Emil Frei GmbH & Co. Lackfabrik, Bräunlingen-Döggingen Ann-Christine Frykman, Blumberg Liapor-Werk, Tuningen Ernst Lorch KG, Bosch-Vertragsgroßhändler, Filiale VS-Schwenningen-Ravensburg-Singen­ Stetten a. k. M. -Storzingen Hauptverwaltung: Albstadt-Ehingen MAJCO Elektroapparate-Fabrik GmbH, Steinbeisstraße 20, Villingen-Schwenningen Vermessungsbüro Dipl.-Ing. Viktor Mandolla, Villingen-Schwenningen MBK GmbH, Hüfingen MEKU GmbH, Dauchingen Leopold Messmer, Freier Architekt, Furtwangen S. D. Joachim Fürst zu Fürstenberg, Donaueschingen MODUS Gesellschaft f. berufliche Bildung GmbH & Co. KG, Vöhrenbach 3

Mohr + Friedrich GmbH, Mutternfabrik, Vöhrenbach SWEG Südwestdeutsche Verkehrs-AG, Lahr, Verkehrsbetrieb Furtwangen Guido Rebholz, Architekt, Zehntstraße 1, Bad Dürrheim TRW Deutschland GmbH, Motorkomponenten, Werkstr. 1, Blumberg Ricosta Schuhfabriken GmbH, Donaueschingen Volksbank eG, V S-Villingen Anne Rieple-Offensperger, Friedrichstraße 1, Bad Dürrheim F. K. Wiebelt GmbH & Co. KG, Villingen-Schwenningen Dipl.-Ing. Eckart Rothweiler, Freier Architekt, Donaueschingen Dr. Fritz Wilke, Orthopäde, Villingen-Schwenningen Alfons Schlenker Schotterwerk GmbH+Co.KG, Dauchingen Johann Wintermantel Verwaltungs-GmbH & Co. KG, Kies-u. Betonwerke, Pfohrener Str. 52, Donaueschingen 5 weitere Freunde und Förderer des Almanachs wünschen nicht namentlich genannt zu werden. Matthias Schlenker, Brennstoffe+ Spedition, Villingen-Schwenningen SCHM IDT Feintechnik GmbH, St. Georgen S. Siedle & Söhne Telefon-und Telegrafenwerke Stiftung & Co., Bregstraße 1 Furtwangen Elementbau Spadinger GmbH, Bräunlingen Sparkasse Donaueschingen Sparkasse ViUingen-Schwenningen, mit Haupt­ anstalt in Villingen, Zweiganstalten in Schwen­ ningen, St. Georgen und Triberg, Hauptzweig­ stellen in Bad Dürrheim und Königsfeld, Schonach und Vöhrenbach und weiteren 44 Zweigstellen Günther Stegmann, Donaueschingen Stein Automation GmbH, Villingen-Schwenningen 4

Heimat und Tradition ab. Nur das gemeinsam Gelebte und Erleb­ te und das Verständnis füreinander schaffen auf Dauer ein Gefühl des Zusammenge­ hörens und damit Kreisbewußtsein. ,,Flick­ werk“ ist die Tradition des Schwarzwald­ Baar-Kreises keineswegs, eher ein buntes, farbenreiches Bild voller Leben. Doch: Es gilt darauf zu achten, daß unsere Überliefe­ rungen nicht zu purer Gewohnheit geraten, denn Traditionen wollen gelebt sein, sollen sie über-leben. Unser Kreisbewußtsein wird nur weiter­ wachsen, wenn alle ihre Traditionen selbst­ bewußt und selbstverständlich leben, darauf sehen, daß sie nicht bedeutungslose Hüllen werden. Den 25. Geburtstag des Landkreises begreife ich vor diesem Hintergrund als Ver­ bindungsbrücke in die gemeinsame Zukunft aller Einwohnerinnen und Einwohner in ei­ nem Kreis, dessen Identität aus dem Beitrag vieler Menschen wächst. Die Jubiläumsausgabe des Kreisjahrbuches steht in der Tradition der vorigen Ausgaben. Auch 1998 stehen viele Freunde und Förde­ rer hinter dem Jahrbuch, ohne deren finan­ zielle Unterstützung die Herausgabe kaum realisierbar wäre. Ihnen gilt mein besonde­ rer Dank, denn sie gewährleisten, daß „der Flickenteppich der Kreis -Tradition“ immer größere Bekanntheit gewinnt und vor allem in Farben und Leuchtkraft weiterwachsen kann. Dem Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 1998 zum Geleit 1998 feiert der Schwarzwald-Baar-Kreis Geburtstag. 25 Jahre lang besteht die 1973 neugeschaffene Einheit aus dem Altland­ kreis Villingen, einem Großteil des früheren Landkreises Donaueschingen und einem kleinen Teilstück des Kreises Rottweil. Eini­ ge Städte und Gemeinden im Kreisgebiet hingegen feiern in diesen Jahren gleichfalls: 125 Jahre Stadtrecht (Furtwangen, 1998), das 850ste Jubiläum (Blumberg-Epfen­ hofen, 199 5/97), die 1 OOOste Wiederkehr der Verleihung des Markt-, Münz-und Zoll­ rechts (Villingen, 1999) oder gar die erstma­ lige urkundliche Erwähnung vor 1200 Jah­ ren (Tuningen, 1997). Sie alle blicken auf ei- ne jahrhundertelange Geschichte zurück. Dürfen wir vor diesem Hintergrund über­ haupt von einer eigenständigen Geschichte oder gar Tradition des Landkreises spre­ chen? Eine einheitliche Kreis-Tradition, die sich einfach unter eine plakative Überschrift ein­ ordnen läßt, gibt es nach erst einem Viertel­ jahrhundert der gemeinsamen Entwicklung von 20 Gemeinden in den zwei großen Landschaften des Schwarzwaldes und der Baar sicher (noch) nicht. Tradition zeigt sich im Landkreis vielmehr in der fröhlich -bun­ ten Art eines „Flickenteppichs“. Es finden sich im Kreisgebiet zahlreiche traditionelle Überlieferungen, deren bekanntestes Bei­ spiel die vielerorts gepflegte historische Fas­ net ist. Dazu zählen auch viele Feste und Feiern. Zahlreiche bunte Beiträge verdanken wir weiter unseren ausländischen Mitbürge­ rinnen und Mitbürgern. Tradition geht aber über rein kulturelle Aspekte hinaus. Wie wir unsere Heimat er­ leben, hängt wesentlich auch von wirt­ schaftlichen Entwicklungen oder wegwei­ senden (kreis-)politischen Entscheidungen Kar/Heim Landrat 5

1. Kapitel I Almanach 98 25 Jahre Schwarzwald-Baar-Kreis Vom Bezirksamt zum Landratsamt Das Amtsham der Johanniterkommende in Vil­ lingen, links neben dem Bickentor gelegen, war der bergs in Verbindung bringen läßt. Westlich im Hochschwarzwald, jenseits der Kreis­ grenze, bestand von Beginn des Groß­ herzogtums an das standesherrliche Amt Neustadt mit Linach, Schönenbach und Langenbach, die heute zum Landkreis ge­ hören. Die teilweise Wiederherstellung standes­ herrlicher Rechte im Zuge des Wiener Kongresses und die Errichtung des Deutschen Bundes führten dazu, daß die bis dahin Der lange Weg hin zur Gründung des Schwarzwald-Baar-Kreises Die Schaffung einer einheitlichen Ver­ waltungsgliederung nach Gründung des Großherzogtums Baden 1806 hatte manche Hürde zu überwinden. Wie die staatliche Mittelinstanz der „Kreise“, welche den heutigen Regieru11gspräsidien ähnelten, so krankten auch die den heutigen Landkreisen gleichzusetzenden „Ämter“ zunächst am Beharrungsvermögen alter Rechtsinhaber. Es mußte Rücksicht genommen werden auf den Fortbestand kirchlicher und weltlicher Standesherrschaften wie jener der Fürsten von Fürstenberg. Durch den raschen Anfall von Gebieten der Klöster (Säkularisierung) oder adliger Herrschaften (Mediatisierung) wie durch den Gebietsaustausch mit Würt­ temberg war es zunächst schwer, eine dauer­ hafte Amtsorganisation zu schaffen. Erst im Zuge der Revolution von 1848/49, als die letzten standesherrlichen Rechte aufgeho­ ben wurden, konnte die badische Regierung das Amtsgefüge nach ihren Bedürfuissen ge­ stalten. Für das Gebiet des heutigen Landkreises SchwarzwaJd-Baar bedeutete dies, daß im Südbereich das (standesherrliche) Amt Blu­ menfeld bis 1857 für Kommingen, Nord­ halden und Epfenhofen zuständig war, ehe der Bezirk zum Amt Engen geschlagen wur­ de. Das ehemals fürstenbergische Obervog­ teiamt Blumberg wandelte sich 1807 zum standesherrlichen Amt Blumberg, ehe es 1824 aufgelöst und der Bezirk zum standes­ herrlich (fürstenbergischen) Amt Hüfingen hinzutrat. Bemerkenswert an dieser Zuwei­ sung Blumbergs ist, daß sie sich nicht mit der Aufhebung standesherrlicher Rechte, sondern mit der geschwundenen wirtschaft­ lichen und regionalen Bedeutung Blum- 6

bene Verstaatlichung der Ämter 1818/19 stillschweigend rückgängig gemacht wurde. So wurde das als Ablösung des fürstenbergi­ schen Amtes Hüfingen gedachte und 1813 gegründete Bezirksamt Donaueschingen schon 1824 und bis zur erneuten Einrich­ tung 1844 aufgehoben, während das Hüfin­ ger Amt bis zu letzterem Jahr ununterbro­ chen fortbestand. Das 1807 gegründete Obervogteiamt, ab 1809 Amt Villingen, mußte die 1813 erhal­ tenen Dörfer Tannheim und Herzogenwei­ ler 1819 ebenfalls wieder nach Hüfingen ab­ geben. Nur vorübergehend, von 1813 bis 1824, erhielt auch das Amt Triberg deshalb vom standesherrlichen Amt Neustadt die Orte Langenbach, Linach und Schönen­ bach. Im Grunde ist nicht einmal die end­ gültige Aufhebung Blumbergs 1824 ein Er­ folg gewesen, da dieser Amtsbezirk dem standesherrlichen Hüfinger Bezirk zufiel und diesen stärkte. Das Wiedererstarken al­ ter Rechtspositionen wurde nicht zuletzt in der (Neu)gründung des standesherrlichen Amtes Möhringen 1824 deutlich, dem Un­ terbaldingen zugeordnet wurde. Ämter und Landkreise Triberg anzusehende Amt Triberg von 1806 bis 1924. Das vordem württembergische Oberamt Hornberg wurde 1810 zum Be­ zirksamt Hornberg. 1857 wurde es aufgelöst und dem Bezirksamt Triberg zugeschlagen. Das 1806 aus Villinger Stadtgebiet,Johan­ niterbesitz und Grundstückseigentum der vormaligen Reichsstadt Rottweil zusam­ mengeführte Bezirksamt Villingen überdau­ erte die Zeiten bis 1972. Das kleinere Bräun­ lingen hingegen durfte nur eine kurze Blüte von 1832 bis 1840 als „Stabsamt“ erleben. ,,Verschlankung“ des Staates, effi- ziente und flexible Verwaltungs­ strukturen sind nicht nur Schlag­ worte und Vorgehensweisen in der heutigen Zeit. Schon der li­ beraler gewordene badische Staat antwortete auf die geän­ derten wirtschaftlichen und so­ zialen Gegebenheiten im Vor­ märz mit einer Verringerung der Zahl der Bezirksämter. Dies zeigt sich in der Neu­ errichtung des Bezirksamtes , Manche Amtsbezirke, die mit nichtba­ dischen Territorien aus den Zeiten vor 1803 in Verbindung zu bringen sind, hielten sich ebenfalls noch lange. So bestand das als Nachfolger der vorder- -· österreichi- sehen ;t::����J;1;������;g1 erste Sitz des Bezirksamtes Villingen. Bis 1991 befanden sich hier Teile der Landkreisverwaltung, darunter das Kreisarchiv. Die Aufnahme stammt aus der hit vor 18 68. 7

25 Jahre Schwarzwald-Baar-Krci Wie sehr der heutige Landkreis in der Tradition des historischen Gebietes der Baar steht, zeigt diese Kar­ te aus dem 18. Jahrhundert. Die Kreisgrenzen decken sid, weitgehend mit dem fürstenbergischen Kern­ land und den angrenzenden Territorien. Donaueschingen 1844, die im fürstenbergi­ schen Bereich das Ende der standesherrli­ chen Bezirksverwaltungen einläutet. 1849, nach Aufhebung der standesherrlichen Gerichtsbarkeit, wurde das standesherrliche Amt Hüfingen, dem 1844 zunächst der Westteil des fürstenbergischen Amtes Möhringen eingegliedert wurde, dem rein staatlichen Bezirksamt Donaueschingen inkorporiert. Der badische Staat bekräftigte damit seine Absicht, den 1810 zur Stadt erhobenen Marktflecken zu einem Wirt­ schafts- und Verwaltungszentrum weiterzu­ entwickeln. Nicht außer acht gelassen werden dürfen dabei auch die persönlichen Bindungen des großherzoglichen Hauses zu den Fürsten­ bergern, die entgegen der allgemeinen Ten­ denz einer Entfernung staatlicher Ämter aus einstigen standesherrlichen Zentralorten das Donaueschinger Amt durch Zuweisungen noch stärkten. Das ehrwürdige Amt Blu­ menfeld hingegen wurde in der Ära des ge­ stärkten Liberalismus unter der Regierung Friedrichs I. 1857 mit dem inzwischen vom standesherrlich-fürsten bergischen Amt zum staatlichen Bezirksamt gewordenen Engen vereint. Die heute südöstlichen Kreisorte Epfenhofen, Nordhalden und Kommingen wurden somit noch stärker zum Hegau und Bodensee hin ausgerichtet. Eine Orientie­ rung, die noch heute, ein Vierteljahrhun­ dert nach ihrer Einbeziehung in den Schwarzwald-Baar-Kreis, kulturell und öko­ nomisch nachwirkt. Für die Stärkung Tribergs 1857 hingegen um den Bereich des Hornberger Amtes war die industrielle Entwicklung der Schwarz- 8

waldregion und ihrer Uhren- und Feinwerk­ technik ausschlaggebend. In dem Maße aber, wie diese industrielle und die damit einhergehende sozio-ökonomische Ent­ wicklung gegenüber dem Villinger Raum an Geschwindigkeit verlor, kam es zu einem Neuzuschnitt des Amtsbezirks. So ging 1864 der bedeutende Nordteil des Amtes Triberg mit Brigach, Buchenberg, Peterzell und St. Georgen an das Bezirksamt Villin­ gen verloren. Dies entsprach in etwa der hi­ storischen, territorialen Substanz des 1810 aufgehobenen württembergischen Kloster­ amtes St. Georgen. Wie im Falle Donaueschingens kam auch die Stärkung Villingens nicht von ungefähr. Wirtschaftswachstum und günstige demo­ graphische Entwicklung nahe der württem­ bergischen Staatsgrenze wurden durch ver­ waltungsmäßige Stärkung be­ lohnt, welcher bald eine Ver­ besserung der Infrastruktur folgte. 1864 wurde Villingen gleichzeitig Sitz des für Selbstverwaltungsaufgaben zuständigen Kreises Villin­ gen, der die drei Bezirksäm­ ter Donaueschingen, Triberg und Villingen umfaßte und sich damit weitgehend mit dem heutigen Schwarzwald­ Baar-Kreis deckt. Hier mag auch die Erinnerung an die staatliche Mittelbehörde mit­ gewirkt haben, die von 1809 bis 1819/20 unter der Be­ zeichnung „Donaukreis“ an die historische Zentralität der Stadt anknüpfte. Der am 1. Oktober 1864 als einer von elf Großkreisen ins Leben gerufene Verband leg­ te den Grundstein zu einer kommunalen Selbstverwal­ tung, die all jene Aufgaben übernahm, welche zweck­ mäßig überörtlich zu organi- Was heute der Landrat, war in .früherer 7.eit der Oberamt­ mann. Dr. Karl Theodor Hu­ ber (1758-1816) war einer der bekanntesten Obervögte und erster Oberamtmann des Bezirksamtes Triberg seit 1810. Durch außergewöhn­ liche Tatkraft verbesserte er die Lebensbedingungen in dieser Region nachhaltig, ihm ist unter anderem das Aufkom­ men der Strohflechterei im Schwarzwald zu verdanken. Ämt rund Landkrei c sieren waren oder/und die Finanzkraft der kleineren Kreisorte überstiegen. Die im Jahr 1924 von der badischen Regierung herabge­ setzte Zahl der Bezirksämter ist nur bedingt als Sparmaßnahme oder Auswirkung der neuen Kreisordnung von 1923 zu sehen. Durch die Verringerung der Zahl der Land­ kreise von insgesamt 53 auf 40, die weiter­ hin rein staatliche Behörden blieben, wuchs die Größe des einzelnen Amtsbezirks derje­ nigen der Selbstverwaltungskreise entgegen. Dies geschah mit Absicht. Die Diskussion nach dem Umsturz 1918/19 und ein Antrag 1920 im Landtag in Karlsruhe hatten bereits den Ausbau des Bezirksamtes zur Selbstver­ waltungskörperschaft im Auge. Angesichts der leeren Kassen der Nachkriegszeit hatte man den Schritt jedoch nicht gewagt. So blieb als wesentliches Ergebnis der Reform die Stärkung der vorhande­ nen elf Großkreise auf Ko­ sten der Selbstverwaltung der einzelnen Kommunen. Die Reform von 1924 ließ ein weiteres Stück Vergan­ genheit hinter sich. Mit der Aufhebung des Bezirksamtes Triberg im Zuge der Ver­ waltungsvereinfachung ver­ schwand ein letztes Stück Vorderösterreich, war das Be­ zirksamt doch zuvor lange Jahre das Amtshaus des Obervogtes gewesen. Die Aufgabe historischer Kontinuitäten bei Erneue­ rung der Kreisverwaltung im Sch warzwald-Baar-Kreis scheint eine Konstante. Wie 1924 mit dem Ende des Tri­ berger Bezirksamtes ein letz­ tes Stück Vorderösterreich durch Preisgabe des Amts­ hauses verschwand, brach auch der Einzug 1991 ins neue Kreishaus mit einer al­ ten historischen Verbindung. 9

25 Jahre Schwarzwald-Baar-Krci Aufgegeben wurde dabei das nahe des Bickentores befindliche alte Amtshaus der Johanniterkommende, welches Teile der Kreisverwaltung beherbergte und das Areal der alten Kreisverwaltung flankierte. Das Amt Triberg wurde zwischen den Be­ zirksämtern Donaueschingen, Wolfach und Villingen aufgeteilt. Letzteres erhielt alle heute noch im Landkreis befindlichen ehe­ maligen Triberger Orte außer Furtwangen, Neukirch, Gütenbach und Rohrbach, die an das Donaueschinger Bezirksamt gingen. Da­ mit war das Amt an der Donau noch einmal gewachsen, denn bereits 1921 war ihm Hammereisen bach-Bregenbach zugewiesen worden. Stärkung von Donaueschingen und Villingen wird das Gebiet des ehemaligen Großher­ zogtums Baden von der Peripherie her kreis­ verwaltet. Diese seit der Mitte des 19.Jahr­ hunderts sichtbar werdende Tendenz hängt sicher nicht allein mit dem Niedergang des inneren Schwarzwaldes im Vergleich zur raschen Industrieentwicklung von Orten zusammen, die für Energiegewinnung und Güterverteilung günstiger lagen. Alle Kreis­ verwaltungsstädte im Großherzogtum, mit Ausnahme Heidelbergs, waren nämlich ehemals badische, reichsstädtische (habs­ burgische) oder vorderösterreichische Orte. Damit scheint es, als habe man vielleicht unbewußt aber endgültig die Erinnerung an einstige standesherrliche Machtzentren außer denen der Habsburger mit dem Aus­ bau der Selbstverwaltung verwischen wol­ len. Konsequenterweise mußte Donau­ eschingen schließlich als zu sehr an das Für­ stentum Fürstenberg gebundene Bezirks­ amtsstadt dem habsburgischen Villingen den Sitz des Kreises überlassen. Neben dem erkennbaren Willen zur Schaf­ fung einer Einheit von Selbstverwaltung und staatlicher Verwaltung scheinen erneut wirtschaftliche und demographische Grün­ de für die Auflösung Tribergs und die Stär­ kung Donaueschingens und Villingens eine Rolle gespielt zu haben. Hier spiegelt sich der Bevölkerungsrückgang und die wirt­ schaftliche Schwäche des lnnerschwarz­ waldes wider, denen in Donaueschingen durchweg günstige oder wie in Villingen zu­ mindest bessere demographische und öko­ nomische Bedingungen gegenüberstanden. In diesem Zusam­ menhang sei aber auch auf eine mit dieser Reform sicht­ bar werdende Eigen­ heit hingewiesen: den Sitz der Amts­ und weniger den der Kreisverwaltungen an die Ränder des ba­ dischen Staatsgebie­ tes zu verlegen. Noch heute, nach der Kreis­ reform von 1973, Bis jedoch aus den alten Bezirksämtern auch gleichzeitig Behörden für Selbstver­ waltungsangelegenheiten wurden, vollzo­ gen sich in der Zeit des Dritten Reiches in Kreisangelegenheiten noch einmal Ände­ rungen, die sowohl das heutige Kreisgebiet als auch die Stellung des Landkreises berühr­ ten. Das im Zuge der „Gleichschaltung“ er­ lassene badische Landesgesetz vom 30. Juni 1936, das der aufkeimenden Selbstverwal­ tung ein Ende berei­ tete, hatte vor allem auch eine Verringe­ rung der Amtsbezirke im Auge. Ob die Auf­ lösung des Bezirkes Engen und die Zu­ weisung von Kom­ mingen und Nord­ halden an Konstanz sowie die von Epfen­ hofen und Fützen an Das Triberger Amtshaus. Das 1698 erbaute Amts- Waldshut politische Gründe gehabt ha- haus diente bis 1924 als Verwaltungsgebäude. 10

Ämter und Landkreise fit bft an;�. l!«b. llmlt, un11 llalfa�•“litlt �111ur1.-1agta, !lltaJabt ub llnahrf. lltrfünbungeblott die Verordnung Nr. 60 des französi­ schen Oberkommandierenden den überkommenen Rechtsstatus und die Doppelstellung der Kreise kaum antastete oder auf die Stellung vor _Jt’_.,_. _s_•=· =—=Dl=“=“=1o„9=b=’=“=10=._0_1_1._&=’=‘ –�–·-s=•=“=· 1933 zurückgriff, wurden für Würt- temberg-Baden 1946 und für Würt­ temberg-Hohenzollern 1948 Kreis­ ordnungen erlassen, die auf alte Verfassungs- und Organisations­ grundsätze bauten. Zwar wurde auch hier die Doppelstellung auf­ rechterhalten, doch wurde jetzt der Landrat durch die Kreisvertreter ge­ wählt und zum Kommunalbeam­ ten gemacht. Verkündungsblätter waren Nachrichtenträger der Bezirksäm­ ter, die neben dem Erlassen von Verfügungen auch wichtige In­ formationen fiir die Bürger enthielten. Während in Baden Blick auf das Bezirksamt Donaueschingen um 1901. Das Gebäude wurde 1945 totalzerstört. ben könnte, bedarf erst noch einer Untersu­ chung. Jedenfalls erhielt das Bezirksamt Donaueschingen, das zudem noch Bach­ heim an Neustadt verlor, nur Grüningen zu­ gewiesen, das seit 1807 dem Villinger Bezirk angehörte. Erst in der Kreisreform vom 24.Juni 1939, welche die noch einmal vergrößerten Amts­ bezirke nun gleichzeitig zu Selbstverwal­ tungskörperschaften werden ließ, gelang Donaueschingen ein Ausgleich. Außer Nordhalden und Bachheim kamen jetzt al­ le vorgenannten Orte in den Amtsbezirk. Weder Baden noch Württemberg haben sich nach 1945 an eine territoriale Neuglie­ derung der Landkrei­ se gewagt. Die durch Leitlinien der Besat­ zung und administra­ tive Vorbilder der Besatzungsmächte beeinflußten Land­ kreisverwaltungen und die noch ungefe­ stigte Länderverwal­ tung behinderten zunächst eine Fort­ entwicklung. Die auf unterschiedlichen Grund- lagen beruhenden Landkreisverwal­ tungen bestanden zunächst über die Grün­ dung des Landes Baden-Württemberg hin­ aus fort. Als erster Schritt zur Vereinheitli­ chung der Kreise wurde 1953 ein „Gesetz zur vorläufigen Angleichung des Kommu­ nalrechts“ erlassen, bis die erste Landkreis­ ordnung 1955 in Kraft trat. Trotz dieser verfassungsrechtlichen Ände­ rungen kannte im württembergischen Lan­ desteil die Zugehörigkeit der Orte zu den Landkreisen eine bemerkenswerte, zuweilen jahrhundertealte Stabilität. Gerade die Orte, die im Zuge der Kreisreform bis 1973 zum neugeschaffenen Schwarzwald-Baar-Kreis hinzukamen, waren keinen Umgliederun- gen aus wirtschaftli- chen Gründen ausge­ setzt gewesen und mußten ihr Verlassen der alten Kreise daher um so schmerzlicher empfinden. 11 .. ,, ••. ,m, In der am 1. Januar 1973 wirksam gewor­ denen größten Ver­ waltungsreform in Baden-Württemberg nach dem Kriege wurden historische 11

Ämter und Landkrci r Traditionen wirksam, die allem Anschein nach den Veiwaltungsreformern nicht be­ wußt waren und daher von ihnen auch zu keinem Zeitpunkt formuliert wurden. Noch sind die Unterlagen zur Kreisreform in den Archiven nicht zugänglich, doch zeigen sich in der Betrachtung des auf der Grundlage des Kreisreformgesetzes vom 26. Juli 1971 geschaffenen und zum 1. Januar 1973 er­ richteten Schwarzwald-Baar-Kreises zwei Gesichtspunkte, die Altes und Neues zu­ sammenfassen. Villingen übernimmt die wirtschaftliche Vormachtstellung Die Auflösung des Landkreises Donau­ eschingen und die damit einhergehende Verlagerung des Veiwaltungsschwerpunktes nach Villingen, d. h. von Süden nach Nor­ den, ist Folge der wirtschaftlichen Vor­ machtstellung der Stadt im neuen Kreisge­ biet. In der Entscheidung über den Kreissitz offenbart sich eine historische Kontinuität, in der seit Zeiten des Großherzogtums Ba­ den politisch motivierte Neu- und Umglie­ derungen des Veiwaltungsraumes ökonomi­ schen und sozialen Gegebenheiten Rech­ nung tragen. Ergänzt wird diese Tradition durch Einbe­ ziehung infrastruktureller Gesichtspunkte. Die bereits zum Zeitpunkt der Kreisreform in Planung befindliche Autobahn Stuttgart­ Singen wurde so zur östlichen Grenze des neuen Landkreises, der jetzt einige würt­ tembergische Orte mit einbezog. Im neuen Großkreis vollzieht sich daher wiederum ein Stück Integration der einsti­ gen Staaten Baden und Württemberg, ver­ wischen sich ein weiteres Mal vornationale und nationale Strukturen. Die Gemeinsam­ keit des aus der eher „gelenkten“ Volks­ abstimmung am 25. April 1952 hervorge­ gangenen und am 7. Juni 1970 bestätigten Bundesstaates Baden-Württemberg wird im Schwarzwald-Baar-Kreis 1973 insofern ge­ stärkt, als die württembergischen Orte 12 Schwenningen (mit Mühlhausen seit 1969), Tuningen (Lkr. Tuttlingen) und Weigheim (Lkr. Rottweil) einem rund 150 Jahre alten badischen Landesteil hinzugefügt werden. Diese sichtbar werdende Absicht zur Ver­ zahnung der beiden alten Länder zeigt sich noch einmal im Zuge der Kreisneubildung durch die Überstellung des östlichen Teiles des Landkreises Donaueschingen an den Landkreis Tuttlingen. Hier werden erneut al­ te politische Strukturen getilgt. Die Raum­ schaften Immendingen, Geisingen und das anschließende Aitrachtal waren nämlich für­ stenbergische Besitzungen. Auch die Abga­ be Unadingens an den Landkreis Breisgau­ Hochschwarzwald paßt in diesen Rahmen, da die Ausgrenzung als vetwaltungstechni­ sche Entfernung eines einstigen fürstenber­ gischen Besitzes vom Herrschaftszentrum Donaueschingen begriffen werden kann. Daß in der Modellierung des neuen Krei­ ses auch geographisch-kulturelle Gesichts­ punkte mitspielen, sei nur am Rande er­ wähnt. So wurde Urach, das kirchlich zum Dekanat Villingen und politisch bis 1806 zum fürstenbergischen Amt Vöhrenbach gehört hatte, nach der Eingemeindung nach Vöhrenbach Teil des Landkreises Schwarz­ wald-Baar. Das durch Württemberg und die Reformation stark geprägte Tennenbronn hingegen kam zum Landkreis Rottweil als dem Nachfolger des württembergischen Oberamtes Rottweil. Der feststellbare Schlußpunkt der Verwal­ tungsgliederung der Landkreise seit 1973 be­ deutet keineswegs eine Garantie für künfti­ ge Zeiten. Wenn uns die Geschichte der Ent­ stehung des Schwarzwald-Baar-Kreises et­ was lehrt, so dies, daß Landkreise lebendige Gebilde im Leben eines Landes sind. Auf künftige Entwicklungen, wie sie sich bei­ spielsweise bereits in der Debatte um die Regionalverbände abzeichnen, darf man daher gespannt sein. Joachim Sturm

Die Entstehung des Schwarzwald-Haar-Kreises Die große Zielsetzung: Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung 25 Jahre Schwarzwald· Baar· Kreis ein überparteilicher Reformanlauf. 1968 ver­ abschiedete die inzwischen gebildete Große Koalition unter Ministerpräsident Filbinger das „Gesetz zur Stärkung der Verwaltungs­ kraft kleinerer Gemeinden“ und schuf damit eine Rechtsgrundlage für den freiwilligen Zusammenschluß von Kommunalgebieten. Damit war eine weitergehende Kommunal­ rechtsreform wieder im Gespräch und avan­ cierte schließlich zum landespolitischen Thema Nummer eins. Einen ersten Höhe­ punkt der folgenden Auseinandersetzungen bildete das, aufEmpfehlungen der 1968 ein- St.Georgen • Triberg Mönchweiler Unterkirna! . Furtwangen . Königsfeld • Vöhre:bach Villingen-Schwenningen Tuning Brigach�al a:d oorrheim Die Bundesrepublik Deutschland gliedert sich nach Artikel 28, Absatz 1 des Grundge­ setzes in die Verwaltungseinheiten Gemein­ den, Kreise und Länder. Die Besonderheit der Kreise liegt darin, daß sie einerseits Or­ gane der kommunalen Selbstverwaltung mit einem direkt von der Bevölkerung gewähl­ ten Kreistag sind, gleichzeitig aber als unte­ re staatliche Verwaltungsbehörde fungieren. Im Deutschen Reich bestanden seit 1919 in allen Ländern über das Gebiet der einzelnen Ortsgemeinden hinausgehende Selbstver­ waltungskörperschaften, die seit dem Jahr 193 9 die Bezeichnung „Kreis“ trugen. Die bestehende Form dieser in ihrer Größe und ver­ waltungstechnischen Leistungs­ fähigkeit ganz unterschiedli­ chen Gebilde war seit den sech­ ziger Jahren zur Diskussion und Disposition gestellt worden. Mit dem Schlagwort der zunehmen­ den „sozio-ökonomischen Ver­ flechtungen“ wurde von Wis­ senschaft und Politik eine Re­ form der veralteten Verwal­ tungsstruktur auf Gemeinde­ und Kreisebene angemahnt. Die Bemühungen, die Verwaltung den veränderten gesellschaftli­ chen und wirtschaftlichen Ver­ hältnissen anzupassen, führten in den siebziger Jahren zu Ge­ meinde- und Kreisreformen in allen Bundesländern. In Baden-Württemberg geht die Vorgeschichte der Kreisre­ form bis ins Jahr 1955 zurück: Unter der Allparteienregierung des Ministerpräsidenten Geb­ hard Müller (CDU) scheiterte Der neue Landkreis, Info-Tafel am Landratsamt auf dem Villinger Hoptbühl. 13

25 Jahre Sehwartwald· Baar-Krci gesetzten „Reschke-Kommission zur Re­ form der staatlichen Verwaltung“ beruhen­ de, Ende 1969 veröffentlichte „Denkmodell der Landesregierung zur Kreisreform in Ba­ den-Württemberg“. Dieses, unter der Federführung des SPD­ Innenministers Walter Krause erarbeitete Modell sah eine radikale Verän- derung der Verwaltungsstruktur vor: Die Zahl der 63 Landkreise sollte auf 25 Großkreise verrin­ gert werden, die Zahl der Stadt­ kreise von neun auf fünf sinken. Als Richtwerte für die neuen Ver­ waltungseinheiten galten eine Einwohnerzahl von 130 000 bis 400 000 und eine Fläche von 640 qkrn bis 2 300 qkrn. Dieses Kon­ zept war Ausdruck eines zeittypi­ schen Glaubens an „große Ein- heiten“, verbunden mit dem Bemühen um gesellschaftliche Demokrati­ sierung. Denn die Vision des reformfreudi­ gen Sozialdemokraten Krause sah in den zu schaffenden Großkreisen das adäquate Mit­ tel, staatliche Fürsorge und damit gleichzei­ tig Gängelung durch eine kommunale Selbstverwaltung und Selbstkontrolle zu er­ setzen. Kompetenzen des Landes, fast alle staatlichen Sonderbehörden (wie Vermes­ sungs- und Gesundheitsämter) sollten in die Kreisverwaltung überführt und die Anzahl der nächsthöheren Verwaltungsstufe, der Regierungsbezirke, von vier auf zwei verrin­ gert sowie Regionalverbände geschaffen werden. Die größeren Verwaltungseinheiten könnten dann mit spezialisiertem Fachper­ sonal und technischen Hilfsmitteln eine Pla­ nung über den Kirchturmhorizont hinaus gewährleisten. Dennoch bliebe die für kom­ munale Selbstverwaltung unabdingbare Überschaubarkeit erhalten. Daß die CDU sich im Gegensatz zu den fünfziger Jahren auf eine Reformdiskussion einließ, hatte primär drei Gründe. Zum ei­ nen wirkte die allgemeine Reformeuphorie der sechziger und frühen siebziger Jahre bis Heftig waren die Re- aktionen auf die von lnne.nminister Krause in einem .Denkmo- dell“ vorgeschlagene Reduzierung der 63 Landkreise auf nur noch 25 Großkreise. in die Partei selbst hinein. Weiter galt es, auf den Koalitionspartner SPD Rücksicht zu nehmen. Während auf Bundesebene seit 1969 die sozialliberale Koalition regierte, war es der CDU im Land nur mit Mühe ge­ lungen, eine solche Konstellation und damit den eigenen Machtverlust durch die Bil- dung einer Großen Koaliti­ on zu verhindern. So ließ man Innenminister Krause, in dessen Ressort die Kreis­ reform fiel, zunächst ge­ währen. Schließlich sicher­ ten Vollbeschäftigung und Hochkonjunktur die Finan­ zierung. Die Veröffentlichung von „Denkmodell“ Krauses schlug dann allerdings wie eine Bombe ein. In den Rei­ hen der CDU formierte sich der Widerstand, getragen insbesondere von Landräten, Regierungspräsidenten und an­ deren um die Existenz ihrer Stühle bangen­ den Beamten. Sachlich wurde Krauses Modell vorgeworfen, daß es statt der inten­ dierten „Bürgernähe“ durch überdimensio­ nierte Kreise „Bürgerferne“ schaffe, den Ver­ waltungsaufwand erhöhe und historisch ge­ wachsene Räume auseinanderreiße. Die CDU-Landtagsfraktion entwickelte ein sehr viel weicheres Alternativmodell, das 38 Großkreise vorsah. Nach zähem Ringen wurde schließlich ein Kompromiß gefun­ den: ein Gesetzentwurf der Landesregierung sah 35 Großkreise und die Bildung von 12 Regionen vor. Geplant war ferner die Auf­ lösung der Regierungspräsidien. Diese Entwicklung der Dinge ließ die Landräte der aufzulösenden Kreise auf die Barrikaden gehen, im Landtag tobten wäh­ rend des Sommers 1971 die Redeschlach­ ten, vor dem Parlament wurde fur den Erhalt der Kreise demonstriert. Vor der ent­ scheidenden Abstimmung hatten die Regie­ rungsparteien den Fraktionszwang aufge­ hoben; dies konnten sie gefahrlos tun, da 14

die einzelnen Abgeordneten zwar aus Rück­ sicht auf Wählerstimmen gegen die Auflö­ sung des eigenen Kreises, ansonsten aber für den Regierungsentwurf stimmten. Am 26. Juli verabschiedete der Landtag mit 82 Stim­ men von CDU und SPD gegen 34 Stimmen von FDP und NPD bei 3 Enthaltungen das Kreisreformgesetz. Als die CDU bei der Landtagswahl von 1972 die absolute Mehrheit gewann, wurde die Reform unter dem neuen Innenminister Karl Schiess realisiert. Dieser hatte sich als Überlinger Landrat mit einem der vielen Al­ ternativvorschläge zu Krauses Modell her­ vorgetan und war in der Folge zum Vorsit­ zenden des Landtagsausschusses zur Kreis­ reform aufgestiegen. Unter seiner Ägide wurde auch die das Reformwerk ergänzende Gemeindegebietsreform durchgeführt, die bis 1975 die Anzahl der baden-württember­ gischen Gemeinden von 3 500 auf 1 111 re­ duzierte. Der Zusammenschluß der Kreise Für die hiesige Region hatte das „Denk­ modell“ Krauses den Zusammenschluß der bisherigen Kreise Villingen, Rottweil, Tutt­ lingen und Donaueschingen mit dem Ver­ waltungssitz im Doppelzentrum Villingen­ Schwenningen vorgesehen. Mit 401 002 Einwohnern und 2 339 qkm Fläche wäre dies der größte Kreis im Land geworden. Die Reaktionen auf diesen Vorschlag waren unterschiedlich. In Tuttlingen stießen die Pläne zur Zu­ sammenlegung auf weitgehende Ableh­ nung, es dominierte die Angst vor der Bil­ dung eines übermächtigen Oberzentrums Villingen-Schwenningen. Landrat Dr. Köpf sprach sich gegen die „großen Entfernun­ gen“ aus, die Politiker und Bürger zu einer dortigen Kreisverwaltung zurückzulegen hätten; ebenso lehnte er den Villinger Vor­ schlag ab, Aufgaben der Landratsämter an die Gemeinden zu delegieren, da dies keine „rationelle Verwaltung“ ermögliche. Auch Vom Werden eines Landkreises der Kreistag lehnte einen Großkreis ab und sprach sich gegen eine eventuelle Auskrei­ sung von Trossingen und seinen Umland­ gemeinden aus. Die Stadt Tuttlingen schloß sich dieser Ansicht an, Oberbürgermeister Balz sprach von einem „untragbaren Zen­ tralitätsverlust“. Der damalige Spaichinger Bürgermeister Erwin Teufel befürwortete zwar die Bildung des Oberzentrums, nicht aber die Vorstellungen des „Denkmodells“; gegen eine „Vergrößerung des Kreises Tutt­ lingen im kleineren Rahmen“ sei jedoch nichts einzuwenden. Tatsächlich gelang es dem Kreis, seine Eigenständigkeit zu be­ wahren. Als Ergebnis der Reform vergrößer­ te sich seine Einwohnerzahl von 92 000 auf 110 000 und seine Fläche von 455 qkm auf 734 qkm. Vom alten Kreisgebiet wurde le­ diglich Tuningen abgetrennt, während Teile der Kreise Donaueschingen, Sigmaringen und Stockacher Gebiete dazugewonnen wurden. Ganz anders waren die Reaktionen in Vil­ lingen. Der Kreistag bezeichnete im März 1970 einen Großkreis nach dem Krause-Mo­ dell als „beste Lösung für den gesamten Raum des Oberzentrums“. Nachdem sich aber abzeichnete, daß der Kreis Tuttlingen seine Eigenständigkeit behalten würde, rich­ tete sich das Villinger Interesse auf ein Zu­ sammengehen mit dem Kreis Rottweil, wo man zunächst auch auf Zustimmung stieß. So sprachen sich die Kreisräte und Gemein­ devertreter der Landkreise Rottweil und Vil­ lingen in einer gemeinsamen Erklärung für ein Zusammengehen aus. Schon zehn Tage nach dieser Erklärung aber formierte sich der Widerstand gegen die geplante Verwal­ tungseinheit. Die Gemeinderatsfraktion und der Ortsverband der CDU Rottweil stellten sich hinter den neuen Vorschlag der „Reschke-Kommission für die Reform der staatlichen Verwaltung“, die den Erhalt des Kreises Rottweil vorsah und kritisierten Bür­ germeister Regelmann, der ein Zusammen­ gehen mit Villingen befürwortet hatte, ohne die „unverrückbare Bedingung“ hierfür zu 15

25 Jahre Schwarzwald· Saar· Kreis nennen: Sitz der Kreisverwaltung müsse Rottweil sein, das seine jahrhundertealte Tradition als Verwaltungsstadt nicht aufge­ ben könne. Ein sensationelles Ergebnis hatte die nun folgende Kampfabstimmung im Rottweiler Kreistag. Obwohl die Kreisräte von Villin­ gen und Rottweil den Kreistagen ein Votum für den freiwilligen Zusammenschluß emp­ fohlen hatten (für den sich der Villinger Kreistag auch einmütig aussprach), ent­ schied sich der Rottweiler Kreistag mit zwei Stimmen Mehrheit der CDU gegen SPD und FDP für ein Moratorium. Einer Ge­ bietsreform müsse eine „Funktionalreform“ vorhergehen, in der klargestellt werde, wer welche Funktionen übernehme. Auseinandersetzungen mit Rottweil In Villingen und in einigen Gemeinden des Rottweiler Kreises führte dieses Abstim­ mungsergebnis zu scharfen Reaktionen, würde seine Realisierung das Oberzentrum Villingen-Schwenningen doch in eine Rand­ lage drängen. Der Gemeinderat Schwennin­ gen fühlte sich „brüskiert“, Oberbürgermei­ ster Dr. Gebauer sprach von einem „Schwa­ benstreich“ und machte deutlich: ,,Uns ist die Schaffung des Oberzentrums wichtiger als der Verbleib im Kreis Rottweil.“ Die Schwenninger CDU warf ihren Parteifreun­ den im Kreistag „Engstirnigkeit“ und „Kurz­ sichtigkeit“ vor. Schrambergs Bürgermeister Dr. Hank teilte mit, daß Verwaltung und Bürger der Stadt auf keinen Fall beim Kreis Rottweil bleiben wollten; von diesem sei man „intrigant“ behandelt worden und not­ falls gehe man allein zum Kreis Villingen­ Schwenningen. Ebenso wie der Gemeinde­ rat sprach sich auch die CDU Schramberg für ein Zusammengehen aus. Wie der Streit um die Zukunft des Rott­ weiler Kreises die CDU entzweite, zeigt das Beispiel Tennenbronn. Gegen den erklärten Willen der Gemeinde engagierte sich Fi­ nanzminister Robert Gleichauf für deren 16 Auskreisung aus dem Kreis Villingen und ih­ re Zuordnu�i zu Rottweil. Obwohl Gleich­ auf sich in Ubereinstimmung mit dem er­ sten Gesetzentwurf der Landesregierung zur Kreisreform befand, wurde er von dem CDU-Landtagsabgeordneten Karl Brachat kritisiert. Dieser sprach von einem „hinterli­ stigen Überfall“ auf die Gemeinde, die Op­ fer Rottweils auf der Suche nach „Blutspen­ dern“ geworden sei. Der Kreis Villingen wer­ de „diesen Raub“ nicht hinnehmen. Ge­ meinsam mit seinem Landtagskollegen Hans Frank von der SPD (Furtwanger Bür­ germeister) stellte er einen Antrag zum Ver­ bleib Tennenbronns im Kreis Villingen. Das Beispiel Tennenbronn zeigt aber auch, wie kleine Gemeinden aus den Gebietsver­ änderungen politisches Kapital zu schlagen suchten. Noch im Juli 1973 strebte die Ge­ meinde, inzwischen Rottweil zugeordnet, eine Rückkehr in den jetzigen Schwarzwald­ Baar-Kreis an. Anlaß dieser Bemühungen war die Rückkehr von Deißlingen, das sich im Zuge der Gemeindereform mit Laufen vereinigt hatte, in den Kreis Rottweil. Wenn dort ein Wechsel der Kreiszugehörigkeit er­ folge, so wurde argumentiert, müsse dies auch in Tennenbronn möglich sein. Daß dieses Manöver der Tennenbronner eher pragmatische als kreis-patriotische Gründe hatte, verdeutlichen die Aussagen von Bür­ germeister Rückgauer, der erklärte: ,,Für uns käme eine Rückkehr nur dann in Frage, wenn uns der Schwarzwald-Baar-Kreis die gleichen Finanzzusagen wie der Kreis Rott­ weil garantieren kann. Das wären eine run­ de Million Mark. .. Das alles ist letztlich doch nur ein Pokerspiel ums Geld.“ Die Auseinandersetzungen um die Verei­ nigung von Rottweil und Villingen hatten im Rottweiler Kreistag gegen Ende des Jah­ res 1970 zu einem erneuten Umschwung der Mehrheitsverhältnisse geführt. Gegen eine Empfehlung des Kreisrats sprach sich der Kreistag nun mit 23 Stimmen von SPD, FDP und einigen CDU-Mitgliedern gegen 22 CDU-Stimmen für die Bildung eines

15 374 Wahlberechtig· te sprechen sich 1970 für eine Erhaltung des alten Landkreises Donaueschingen aus, doch die Auflösung war nicht mehr zu ver· hindern. Großkreises Rottweil· Villingen · Donau­ eschingen aus. Doch inzwischen waren die Würfel im Landtag gefallen; endgültig ent· schied sich der Landtagssonderausschuß für die Verwaltungsreform im Mai 1971 für den Bestand des Landkreises Rottweil. Die Ent­ scheidung fiel mit 14 Stimmen (12 CDU, 2 NPD) gegen 11 Stimmen (SPD, FDP). Als die Landesregierung und die Koaliti­ onsparteien sich im Laufe des Jahres 1970 auf den Erhalt der Kreise Rottweil und Tutt­ lingen festgelegt hatten, wurde zugleich die Neubildung eines Kreises aus den Villinger und Donaueschinger Gebieten un­ ter Einschluß der bisher zu Rottweil bzw. Tuttlingen gehörenden Städte Schwen­ ningen und Trossingen favori­ siert. Der Villinger Landrat Dr. Astfäller stand einer solchen Lösung zunächst skeptisch ge­ genüber, denn ein funktions­ fähiges Oberzentrum könne nicht ohne Umland auskom- men; die Vereinigung Villingens und Do­ naueschingens ohne Rottweil sei „nur eine halbe Sache.“ Obwohl der Villinger Kreistag das Krause-Modell nach wie vor als beste Lösung betrachtete, sah man die Lage reali­ stisch; Astfäller wurde von allen Fraktionen aufgefordert, sein Desinteresse an Donau­ eschingen aufzugeben. Der Landrat demen­ tierte in der Öffentlichkeit sogleich einen Dissens zwischen ihm und dem Kreistag; bisher habe man eben auf die Donau­ eschinger Selbständigkeitsbestrebungen Rücksicht genommen, aber: „Im Großkreis ist auch noch Platz für Donaueschingen, wenn sich keine andere Lösung mehr er­ gibt.“ Eine Auflösung des Kreises Donau­ eschingen wurde eigentlich bei allen Betei­ ligten seit Beginn der Reformdiskussion als „totsicherer T ip“ gehandelt, war seine Er­ haltung doch weder im Krause-Modell noch in einem der Alternativmodelle der CDU Vom Werden eines Landkreises vorgesehen. Als Ministerpräsident Filbinger und sein Vize Krause 1970 in Schwenningen über die zukünftige Verwaltungsstruktur der Region aufklärten, reagierte der frühere Bräunlinger Bürgermeister Bernhard Blenk­ le spontan mit dem Ausspruch: „Die machet is kaputt.“ Trotz dieser aussichtslosen Lage artikulierte sich allgemeiner Protest mit Landrat Dr. Lienhart und dem Donau­ eschinger Bürgermeister Robert Schrempp an der Spitze; letzterer sah den Kreis „einer grausigen Zukunft“ entgegen­ gehen, „wenn die Baar und Donaueschingen von der schwäbischen Mehrheit der Doppelstadt abhängen wür­ de.“ Der Hüfinger Kreisver­ ordnete Riedlinger (CDU) raunte unheilvoll: „Ich kenne den Machthunger des Ober­ zentrums … “ Sogar das Für­ stenhaus engagierte sich in Gestalt von Brauereidirektor Anton Zeller für den Kreis. Im Mai 1970 erklärten sich in ei­ ner „informatorischen Abstimmung“ 299 Gemeinderäte und Bürgermeister für die Erhaltung des Kreises, 42 stimmten dagegen und 44 enthielten sich der Stimme. Eine „Interessengemeinschaft für die Erhaltung des Landkreises Donaueschingen“ führte, von der Kreisverwaltung unterstützt, eine Umfrage durch, wobei sich immerhin 15 374 der 40 000 Wahlberechtigten für eine Erhaltung aussprachen. Dieser Front der Vereinigungsgegner wollte sich nur der Do­ naueschinger CDU-Landtagsabgeordnete Franz Leuser, dessen Engagement gering blieb, nicht so recht anschließen. Nachdem die Vereinigung immer deutli­ chere Konturen annahm, bemühte man sich, wenigstens das Gewicht Donaueschin­ gens im neuen Kreis zu stärken. Im Sep­ tember 1970 verabschiedete der Kreistag ei­ ne Resolution gegen die Stimmen der SPD für die Erhaltung des Kreises; im Falle einer Vereinigung aber sei ein weiterer Zentra- 17

Vom Werden eines Landkreis s Am 1. Januar 1973 war es soweit: Villingen-Sclnoenningen wird Sitz der Kreisverwaltung. litätsverlust Donaueschingens nicht tragbar und deshalb müsse der Sitz des Regional­ verbandes Baar-Heuberg in der Stadt liegen; die hier angesiedelten Landesbehörden soll­ ten nicht nach Villingen-Schwenningen ver­ legt und der jetzige Kreis möglichst ge­ schlossen in den neuen Kreis überführt wer­ den. Aufsehen erregte die „Briefaktion“ von Landrat Dr. Lienhart im Februar 1971. Oh­ ne den dortigen Landrat Mallebrein zu un­ terrichten, versuchte Lienhart in einem Al­ leingang vergeblich, 14 Baargemeinden des Kreises Hochschwarzwald zum Anschluß an Donaueschingen /Villingen zu bewegen, um so den Einfluß der ländlichen Gebiete ge­ genüber dem Oberzentrum zu vergrößern. Nachdem die Bildung des Großkreises Vil­ lingen-Schwenningen-Donaueschingen be­ schlossene Sache war, mußte noch ein pas­ sender Name für das neue Verwaltungsge­ bilde gefunden werden. Der Landtag hatte sich in dritter Lesung auf Antrag des Do­ naueschinger Abgeordneten Leuser (CDU) für „Schwarzwald-Baar-Kreis“ entschieden. In der letzten Kreistagssitzung von Villin­ gen-Schwenningen im Dezember 1972 wur- de nochmals heftig über diese Entscheidung gestritten; Oberbürgermeister Gebauer sprach sich, unterstützt von der SPD-Frakti­ on und einigen Mitgliedern anderer Frak­ tionen, für die Beibehaltung des Namens ,,Villingen-Schwenningen“ aus, da die Be­ zeichnung „Schwarzwald-Baar-Kreis“ ,,hi­ storisch und geographisch falsch“ sei. Diese Meinung setzte sich im Kreistag durch, der beschloß, bei Bund und Land in der Na­ menssache nochmals vorstellig zu werden. Dieses Ansinnen war vergeblich, aber im­ merhin konnten sich die Gegner des neuen Namens daran freuen, daß sich im Kfz­ Kennzeichen YS“ die Nennung des Ober­ zentrums durchsetzte. Nach der Überwindung so vieler Schwie­ rigkeiten wurde der „Schwarzwald-Baar­ Kreis“ am 1.1. 1973 Realität. Seine Fläche und Einwohnerzahl betragen etwa die Hälfte des ursprünglich in Krauses „Denk­ modell“ vorgesehenen Großkreises, näm­ lich 1025,llqkm und 197745 Einwohner (im Jahr 1978). Dr. Helmut Rothenne! 18

Hat der Landkreis die Erwartungen erfüllt? Eine Betrachtung durch Alt-Landrat Dr. Rainer Gutknecht 25 Jahre Schwarzwald· Baar · Kreis 25 Jahre sind in der Ent­ wicklung eines Landkreises eine verhältnismäßig kurze Zeit, um Bilanz zu ziehen. Das „Silberjubiläum“ des Schwarzwald-Baar-Kreises im Jahre 1998 rechtfertigt es jedoch, die im Jahre 1973 in Kraft getretene Kreisreform in bezug auf den Schwarz­ wald-Baar-Kreis zu würdi­ gen. Haben sich die Erwar­ tungen, die an die Bildung des Schwarzwald-Baar-Krei­ ses gestellt wurden, erfüllt? War und ist der Landkreis in der Lage, seine Aufgaben zu bewältigen? Dr. Rainer Gutknecht Erinnern wir uns: Die „Ge­ burt“ des Schwarzwald-Baar-Kreises war das Ergebnis eines längeren Diskussionsprozes­ ses. Wie in anderen Bundesländern stand auch in Baden-Württemberg die Gebietsre­ form der Gemeinden und Landkreise an. Der Trend ging zu größeren Verwaltungs­ einheiten, weil im Hinblick auf die gestiege­ nen Aufgaben die alten Kreise nicht mehr die optimale Größe hatten. Der Schwarzwald-Baar-Kreis wurde mit der Kreisreform als einer der jetzt 35 beste­ henden Landkreise in Baden-Württemberg anstelle der bisher 63 Landkreise aus der Taufe gehoben. Im wesentlichen ist er aus den beiden ehemaligen Landkreisen Villin­ gen und Donaueschingen gebildet worden. Mit rund 209 000 Einwohnern (Stand 31.12.1995) und einer Fläche von 1025,3 qkm nimmt der Schwarzwald-Baar-Kreis ei­ nen Mittelplatz unter den 35 Landkreisen im Land Baden-Württemberg ein. Dies ist gegenüber den beiden Vorgängerkreisen zwar eine deutliche Vergrößerung, aber die Erfahrung hat gezeigt, daß ein Landkreis dieser Größenord­ nung gut „administrierbar“ bleibt. Der Stadtbezirk Villin­ gen, wo das Landratsamt sei­ nen Sitz hat, ist von allen Städten und Gemeinden gut zu erreichen. Die Fläche des Landkreises ist überschaubar und die Kontaktpflege zu vie­ len Einwohnern möglich. Der Zuschnitt des Schwarz­ wald-Baar-Kreises war nicht unumstritten. Unter anderem wurde darüber diskutiert, ei­ nen Großkreis auf der Ebene der Region zu bilden, d. h. die heutigen drei Kreise Rottweil, Tuttlingen und Schwarzwald­ Baar zu einem Landkreis zusammenzu- · schließen. Glücklicherweise blieb dies ein Diskussionsvorschlag auf dem Papier. Für unseren ländlich geprägten Raum wäre ein solches Gebilde viel zu groß geraten. Über­ schaubarkeit und Nähe zur Bevölkerung wären nicht mehr möglich gewesen. Anders ausgedrückt: Die wesentlichen Merkmale ei­ nes Landkreises hätten bei dieser Lösung ge­ fehlt. Die Kreisreform hat Teile zweier gegen­ sätzlicher Landschaften, des Schwarzwaldes und der Baar, zusammengefügt. Diese Mi­ schung macht eine der ‚Besonderheiten, ja den landschaftlichen Reiz unseres Landkrei­ ses aus. Der Schwarzwald braucht nicht vor­ gestellt zu werden. Die Baar, die Hochfläche zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb, ist leider weithin viel zu wenig bekannt. Der landschaftsbezogene Name „Schwarz­ wald-Baar“, den der Landtag von Baden­ Württemberg als Gesetzgeber dem neuen Landkreis gegeben hat, ist meines Erachtens 19

25 Jahre Schwarzwald· Baar • Krei glücklich gewählt. Er kennzeichnet kurz und bündig den Landkreis. Eine Folge der Kreisreform war auch, daß sich in dem neuen Landkreis Badener und Württemberger zusammenfanden. Letztere (dafür stehen die Namen Schwenningen, Mühlhausen, Weigheim und Tuningen) wurden sozusagen zu „Neu-Badenern“ ge­ macht. Dieses Experiment, wenn es denn eines war, darf als geglückt angesehen wer­ den. Die landsmannschaftlichen Verschie­ denheiten, die gelegentlich kultiviert wur­ den, spielen schon lange keine Rolle mehr. Auch in anderen Landkreisen, wo diese Ver­ mischung stattfand, haben sich die Men­ schen längst an den neuen Zustand ge­ wöhnt. Zum Sitz des neuen Landkreises wurde Villingen-Schwenningen bestimmt. Die bei­ den Städte Villingen und Schwenningen wurden bereits zum l. Januar 1972 zu einer gemeinsamen Stadt zusammengeschlossen. Sie bildet einen wichtigen Bestandteil des neuen Landkreises und ist sein unbestritte­ ner Mittelpunkt in wirtschaftlicher und kul­ tureller Hinsicht. Ohne Villingen-Schwen­ nigen wäre der Landkreis ein Torso: beide sind im gegenseitigen Geben und Nehmen aufeinander angewiesen. In der praktischen Kreispolitik war es in den vergangenen 25 Jahren nicht immer ein­ fach, einen Ausgleich der Interessen zwi­ schen Villingen-Schwenningen und den übrigen Städten und Gemeinden zu finden. Dies spricht aber keineswegs gegen den Zu­ schnitt des Landkreises. Es liegt in der Na­ tur der Sache, daß in Zeiten knapper Kassen gelegentlich hart um die finanziellen Mittel gerungen wird. Die Einrichtungen, die mit vereinten Kräften (hierbei ist besonders das Land Baden-Württemberg zu erwähnen) in Villingen-Schwenningen errichtet werden konnten (Polizeifachhochschule, Berufsaka­ demie, Fernstudienzentrum, Außenstelle der Fachhochschule Furtwangen, Mikroin­ stitut) kommen nicht nur der Stadt, sondern dem gesamten Landkreis und der Region 20 zugute. Die Forschungseinrichtungen sind beispielsweise für die Umstrukturierung un­ serer heimischen Wirtschaft von unschätz­ barem Wert. Im kulturellen Bereich erfüllt Villingen-Schwenningen schon jetzt weitge­ hend die Anforderungen an ein Oberzen­ trum, zu dem die Stadt ausgebaut werden soll. Auch davon haben die Einwohner der übrigen Städte und Gemeinden im Land­ kreis Nutzen. Mit dem neuen Landkreis wurde 1973 ei­ ne leistungsfähige kommunale Einrichtung geschaffen. Die dem Landkreis obliegenden Aufgaben – ohne das bisher Erreichte hier im einzelnen zu beschreiben – wurden im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten er­ füllt. Die jetzt vorhandenen Kreisstrukturen müssen auch in Zukunft bestehen bleiben. Die Landkreisebene hat sich bewährt und ist wie geschaffen, die Einheit der Verwaltung auf der unteren Verwaltungsebene zu ver­ körpern. Es ist keine Besonderheit des Schwarz­ wald-Baar-Kreises, daß die Finanzen des Landkreises seinen Aufgaben nicht ange­ messen sind. Dies gilt mehr oder weniger für alle Landkreise. Als „Kostgänger“ des Lan­ des und der Kommunen sind die Landkrei­ se in finanzieller Hinsicht sehr eingeengt. Daher ist es nur verständlich, daß die Land­ kreise seit Jahren – bisher allerdings ohne Er­ folg – eine eigene Wachstumssteuer fordern. Die vor uns liegenden Jahre werden nicht einfach werden. Auf der einen Seite werden die Anforderungen an den Landkreis nicht geringer, auf der anderen Seite wissen wir, daß der finanzielle Spielraum eher noch kleiner werden wird. Es ist zu hoffen, daß die vom Landkreis ge­ schaffenen Infrastruktureinrichtungen eine gute Grundlage abgeben, die „schmalen Jah­ re“ zu überstehen. Ich wünsche allen Verantwortlichen hier­ bei viel Glück und Erfolg! Dr. Rainer Gutknecht

Reflektionen auf 25 Jahre Kreispolitik Im Gespräch mit Dr. Gerhard Gebauer und Dr. Bernhard Everke 25 Jahre Schwarzwald· Baar· Kreis Der Schwarzwald-Baar-Kreis ist 1973 durch die Zusammenlegung der Landkreise Villingen (-Schwenningen) mit dem Haupt­ teil des Landkreises Donaueschingen ent­ standen und als Sitz des neuen Kreises wur­ de Villingen-Schwenningen festgelegt. Wie sich Villingen-Schwenningen und Do­ naueschingen in ihrer neuen Rolle als ,,Hauptstadt“ und „Nebenresidenz“ zu­ rechtfanden, soll im folgenden aus der Sicht zweier Zeitzeugen und Akteure geschildert werden, die auch darlegen, wie sie das Wer­ den des Landkreises miterlebt haben. Dr. Gerhard Gebauer (SPD) war Oberbürger­ meister von Villingen-Schwenningen, Dr. Bernhard Everke (CDU) ist seit 1973 Bür­ germeister, seit 1993 Oberbürgermeister der Stadt Donaueschingen. Die Gespräche führ­ te Wilfried Dold. Wi“e haben Sie die Gründung des Schwarzwald­ Baar-Kreises erlebt, was war Ihre Ausgangs­ situation? Dr. Gebauer: Der Beginn meiner kreispo­ litischen Tätigkeit lag im Landkreis Rottweil. Als Oberbürgermeister von Schwenningen, also in der Zeit noch vor der Stadtfusion, war ich von Amts wegen Mitglied des Rott­ weiler Kreistages und auch des Kreisrates, der für Vorberatungen der Kreistagssitzun­ gen zuständig war und den es heute nicht mehr gibt. Sie haben 1971 den Versuch unternommen, einen Großkreis auf den Weg zu bringen, einen ge­ meinsamen Landkreis für die Städte und Regio­ nen Villingen -Schwenningen, Donaueschingen, Rottweil und Tuttlingen. Weshalb ? Dr. Gebauer: Mit Entschiedenheit habe Dr. Gerhard Gebauer, Oberbürgermeister a. D. und SPD-Kreisrat seit Gründung des Landkreises. ich für diesen Großkreis gekämpft, der einer der großen Landkreise in Baden-Württem­ berg geworden wäre, mit entsprechendem Einfluß auf die Regional- und Landespoli­ tik. Ich bin überzeugt, auch die wirtschaftli­ che Entwicklung unserer Region hätte da­ von maßgeblich profitiert. Es gab nicht we­ nige andere Fürsprecher. Aber Rottweil und Tuttlingen wollten ihre Kreishoheit nicht aufgeben. Ich will hier nicht falsch verstanden wer­ den: Auch der Schwarzwald-Baar-Kreis hat mit rund 210 000 Einwohnern eine Mittel­ funktion im Land, mit der es sich leben läßt. Aber dennoch: verpaßte Reformen lassen sich so schnell nicht nachholen. Es gibt eine ganze Fülle von Aufgaben, die der Groß­ kreis besser bewältigt hätte. Ich denke da 21

lm Gespräch mit Dr. Gebautr Hätte auch der dramatische Arbeitsplatzverlust in Villingen-Schwenningen besser verkraftet wer­ den können, der etwa ab Mitte der 1970er Jahre einsetzte? beispielsweise an den Nahverkehr, die Ab­ fallentsorgung oder an die Diskussion um die Regionalverbände. Dr. Gebauer: Der erste Einbruch kam 1975, ich denke an Mauthe und an Kaiser­ Uhren, an den nahezu völligen Untergang der Uhrenindustrie, aber auch an SABA und andere, und meine, in einer größeren Ein­ heit hätte man diesen schmerzhaften Prozeß ausgewogener gestalten und auch verarbei­ ten können. Es läßt sich ein Vergleich zur Entstehung der Doppelstadt ziehen: Beide Städte hätten sicher auch alleine leben kön­ nen, aber wir hätten dann beispielsweise kein so leistungsfähiges Krankenhaus erhal­ ten, hätten keine Hochschulstadt sein kön­ nen. Wie denken Sie über das Kreisbewußtsein, hat Dr. Gebauer: Das Zusammenwachsen von Donaueschingen und Villingen­ Schwenningen ist in den Kinderschuhen steckengeblieben. Ich denke, das Kreisbe­ wußtsein ist noch immer unterentwickelt, es gibt da ein Nord-Süd-Gefälle. Auch wenn es in Donaueschingen noch viele gibt, die mei­ nen, man sei nicht gerecht behandelt wor­ den: Donaueschingen ist bei der Kreisre­ form nicht schlecht gefahren. Der Schwarz­ wald-Baar-Kreis ist die Zentralisierung sei­ ner Aufgaben sehr vorsichtig angegangen, die Interessen von Donaueschingen sind hierbei gewahrt worden. Da das Land mit der Kreisreform zwar eine Gebietsreform aber keine Funktionalreform durchführte, konnte sich Donaueschingen seinen sehr starken Dienstleistungssektor erhalten. Es ist unüblich, daß Behörden wie das Straßen- sich in den vergangenen 25 Jahren ein Gefühl von Zusammengehörigkeit entwickelt ? 22 Bewährungsprobe bestanden ? wie sehen Sie die Zukunft des Landkreises? Hat der Schwarzwald-Baar-Kreis somit seine bauamt nicht in der Kreisstadt zu finden sind. Daran zeigt sich: Villingen-Schwen­ ningen war um einen Interessenausgleich bemüht, hat viel guten Willen bewiesen. Dr. Gebauer: Er ist in seiner heutigen Form und Struktur durchaus existenzfähig und kann seinen Aufgaben gerecht werden. Das ist die funktionale Seite. Andererseits ist das Eis dünn, wenn es um lokale Interessen geht. Ich erinnere an die jüngste Debatte um die Neugliederung des Berufsschulwe­ sens. Ich muß auch hier wieder einen Ver­ gleich mit anderen Landkreisen ziehen: die meisten haben nur einen Berufsschulstand­ ort. Man kann aber in der Bevölkerung von einer hohen Akzeptanz der gegenwärtigen Strukturen ausgehen. … Das sehe ich nicht so. Ein Obereschacher z.B. ist und bleibt ein Obereschacher. Erst in zweiter Linie fühlt er sich Villingen­ Schwenningen verbunden und auf Platz drei rangiert der Landkreis. Sich zunächst ei­ ner kleineren Einheit zuzuordnen und dann erst der nächstgrößeren, das ist dem Men­ schen angewachsen. Exakt so verhält es sich auch, wenn die Menschen die Dienstlei­ stungen einer Verwaltung in Anspruch neh­ men wollen. Dr. Gebauer: Ich sehe mit Besorgnis, daß die Landkreise in vielerlei Hinsicht an der Grenze ihrer Möglichkeiten stehen. Das hat finanzielle und strukturelle Gründe. Auch ist das Land immer weniger bereit, die Krei­ se in ihrer Struktur zu stärken. Hinsichtlich Und wie verhält es sich mit der Bürgernähe, sie wurde damals vom Land als ein großes Ziel der Kreisreform herausgestellt … Sie sind seit 37 Jahren in der Kreispolitik aktiv,

25 Jahre Schwarzwald-Baar-Kreis ihrer finanziellen Ausstattung sind die Krei­ se nach wie vor Bittsteller. Das gilt auch für die Gemeinden, auf deren Umlage die Landkreise angewiesen sind. Für die Kreis­ politik ist die Vielfalt der Probleme im Zu­ sammenspiel mit leeren Kassen frustrierend, auch wenn der Kreistag rausholt, was mög- lieh ist. Es liegt nicht am Willen oder Kön­ nen, sowohl der Kreistag als auch die Kreis­ verwaltung sind sehr qualifiziert und um op­ timale Lösungen bemüht, aber die Grenzen sind sehr eng gesteckt, es heißt ständig kür­ zer zu treten. Den Interessen der Menschen kann dies auf Dauer nicht dienlich sein. Dr. Everke: ,,Das Oberzentrum ist anerkannt“ Donaueschingen spielt im Schwarzwald-Baar-Kreis eine gewichtige Rolle Schwarzwald und Baar, beide sind weithin be­ kannt, aber der Schwarzwald scheint in seinem Bekanntheitsgrad die Baar zu überflügeln. Ist das wirklich so ? Dr. Everke: Ja, das ist so. „Black Forest“, den Schwarzwald, kennt man in aller Welt, mit der Baar oder dem Heuberg hingegen kann außerhalb von Baden-Württemberg kaum jemand etwas anfangen. Es ist gut, wenn die Region – der Regionalverband, die Landkreisverwaltung und die Städte – zur Verbesserung des Bekanntheitsgrades ge­ meinsam etwas tun. Mit dem Arbeitskreis Regionalmarketing sind hier die Weichen in die richtige Richtung gestellt. Donaueschingen muß sich um seinen Be­ kanntheitsgrad keine Sorgen machen. Die Stadt kennt man fast überall, sogar in den USA und in Japan. Dabei spielt Donau­ eschingen in der Region keine Sonderrolle. Die Stadt an der Donauquelle ist Mittel­ zentrum wie Rottweil, Schramberg und Tuttlingen. Und vielen ist schon gar nicht mehr be­ kannt, daß Donaueschingen als „Haupt­ stadt“ des Fürstentums Fürstenberg eine Rolle spielte wie Vaduz in Liechtenstein und Monte Carlo in Monaco heute noch. Be­ kanntlich hat Napoleon zu Beginn des 19. Jahrhunderts den Donaueschingern die Hauptstadtzuständigkeiten weggenommen. 1972 verlor Donaueschingen im Zuge der Verwaltungsreform den Kreissitz an Villin­ gen. Aber manche Tradition und Einrich­ tung der Residenzstadt ist geblieben: Mu­ siktage, CHI-Reitturnier und das Donau­ eschinger Regionalgespräch. Damit trägt die Stadt auch zur Bekanntheit von Landkreis und Region bei. Dr. Bernhard Everke, Oberbürgermeister von Donaueschingen und CDU-Kreisrat. 23

25 Jahre Schwarzwald- Baar· Kreis Womit wir bei der Kreisreform angelangt wären. In einer Jubiläumsbeilage zum fünfjähri­ gen Bestehen des neuen Kreisgebildes heißt es in ei­ nem Kommentar, Donaueschingen habe den ver­ tust des eigenen Landkreises eigentlich fast schon verschmerzt. Ging das tatsächlich so schnell? Dr. Everke: Das nicht. Aber die Stadt hat neue Einrichtungen dazu gewonnen wie die Lehrerfortbildungsakademie, das Kienzle­ Zentrum (heute Ditec), das Ausbildungs­ zentrum der Südbadischen Bauwirtschaft, die Deutsch-Französische Brigade und viele neue, auch namhafte Firmen. Die Stadt kann in den letzten 25 Jahren auf eine posi­ tive Entwicklung verweisen. Im Juli 1993 ist Donaueschingen „Große Kreisstadt“ gewor­ den. Das Oberzentrum ist anerkannt, wir wün­ schen auch dessen volle Funktionalität. Aber es darf keinen Abzug von Stellen ge­ ben, die nicht zwingend oberzentral sind. Könnten Sie hier ein Beispiel geben? Dr. Everke: Ich denke an die Körperbe­ hindertenschule. Die mußte nicht zwingend nach Villingen-Schwenningen, sie hätte man in Bad Dürrheim oder in Donau­ eschingen ebenso ansiedeln können. Das Prädikat „Residenzstadt‘: wie verhält es sich damit genau ? Dr. Everke: Residenzstadt zu sein, heißt daß in Donaueschingen noch ein Fürst wohnt, ein großzügiger Förderer der Stadt. In der „Residenz“ gibt es immer wieder ein­ mal einen festlichen Anlaß, ein Gala-Diner für wohltätige Zwecke oder das von der „Stiftung Wissenschaft“ und „Gesellschaft der Universität Konstanz“ alljährlich im Donaueschinger Schloß veranstaltete Wis­ senschaftsforum. In Donaueschingen fühlt sich der Hoch­ adel so wohl wie die Besucher aus der ganzen Welt. Die Gründe für diese Besuche 24 sind vielfältig: Familienfeiern im Schloß, der Besuch an der Donauquelle, die Anzie­ hungskraft der Fürstenberg-Sammlungen und der Fürstenberg-Bibliothek. Wo sonst im Süden gibt es mittelalterliche Tafelmale­ rei dieser Qialität, Werke von Hans Hol­ bein, Lucas Cranach u. a. Meistern, ja sogar die Nibelungenhandschrift C ist zu besich­ tigen! Und wie denkt der Donaueschinger Oberbür­ germeister über das CH 1-Reitturnier? Dr. Everke: Eine hochkarätige Sportver­ anstaltung, sie steht auch der Region gut an. Wer beispielsweise als Unternehmer gute Arbeitsplätze bietet, freut sich auch, wenn seinen Beschäftigten in der Freizeit nicht nur „Alltagskost“ geboten wird. Besondere Highlights sind gefragt. Dies jedenfalls zeigt die Besucherresonanz des zweitgrößten Freiland-Reitturniers in Deutschland, des Prinz-Kari-Gedächtnisturniers. Jedes Jahr im September geht dieses im Donaueschinger Reiterstadion über die Hürden. Im Teilneh­ merfeld findet man die Besten im Springen, in der Dressur und im Fahren. Nach dem umfangreichen Bau der Tribünen u. a. Ein­ richtungen durften Deutsche-, Europa-Mei­ sterschaften, ja sogar das CHIO und künf­ tig der Samsung Nationen-Cup hier ausge­ tragen werden! Also eine positive Wirkung im Sinne von Öf fentlichkeitsarbeit für den gesamten Landkreis ? Dr. Everke: Gewiß ist mit einer werben­ den Wirkung zu rechnen, wenn beispiels­ weise Hans-Günther Winkler, Nelson Pessoa, Alwin Schockemöhle, Christine Stückleberger, Isabell Werth, aber auch Prin­ zessin Anne von England und Prinzessin Haya bint Al-Hussein von Jordanien an ihrem zu Hause und auf anderen Turnieren von Donaueschingen und seiner Gastlich­ keit schwärmen. Wenn dabei die geografi­ sche Einordnung von Donaueschingen

näher erläutert wird, ergeben sich vermut­ lich auch Hinweise auf den Landkreis und die Region. Also – ein Donaueschinger Bei­ trag zum Regionalmarketing! Ist das Donaueschinger Regionalgespräch eben­ so zu werten ? Dr. Everke: Ja, hochkarätige Redner wie Lothar Späth, Hans Friderichs, GrafLambs­ dorff, Wolfgang Schäuble, Klaus Zwickel u. a. sprechen bei dieser Veranstaltung. Sie stellen sich 400 geladenen Gästen aus Wirt­ schaft und Politik der ganzen Region zur Diskussion. Das Donaueschinger Regional­ gespräch ist zur zentralen Begegnung ge­ worden, die in der Landes- und Bundes­ presse ihren Niederschlag findet. ‚.%s macht aus Ihrer Sicht Donaueschingen aus, oder anders gefragt, wie würden Sie die Do­ naueschinger Bürger beschreiben ? Dr. Everke: Vielleicht als ideale Kombina­ tion von Zurückhaltung und Offenheit zu­ gleich. Und auch von Internationalität. Und damit meine ich nicht nur die erwähnten Veranstaltungen, immerhin leben über 2 000 ausländische Mitbürger in der Stadt. Man findet in Donauesch��en auch Of­ fenheit für Neues, etwa für Okologie, was die Ökosiedlung dokumentiert (siehe Kapi­ tel Architektur), aber auch für Technologie: In acht Jahren wurden in Donaueschingen über 40 neue Firmen gegründet, darunter Marktführer der Kunststofftechnik und der Elektronik. Freundschaften wachsen hier sicher nur langsam. Man muß die Donaueschinger an­ sprechen, also den ersten Schritt tun, dann lernt man herzliche Menschen kennen. Und es gibt in dieser Stadt so etwas wie vornehmen Patriotismus, der Stärke gibt. Zugleich Stolz auf die Donaueschinger Hei­ mat, der sich auf vielfache Weise in ehren­ amtlichem Engagement ausdrückt. Was den Stolz auf die Heimatstadt anbe- Im Gespräch mit Dr. Everkc langt, denke ich besonders gerne an den Festakt am 2.Juli 1993, dem Tag der Ernen­ nung Donaueschingens zur „Großen Kreis­ stadt“. 400 Stühle waren in der Donauhalle aufgestellt, aber mehr als 1 000 Bürger ka­ men. Die meisten sind dann auf den alten Festplatz abgewandert, wo die Bürgerschaft von sich aus spontan ein Fest organisiert hatte. Als ich mich nach dem offiziellen Festakt mit Ministerpräsident Erwin Teufel dorthin auf den Weg machte, trafen wird rund 5 000 Menschen an. Die haben gefei­ ert und der „Großen Kreisstadt“ ein präch­ tiges Feuerwerk mit auf den Weg gegeben. Zurück zur aktuellen Kreispolitik: Wie sehen Sie aus dem Blickwinkel der zweitgrößten Stadt im Schwarzwald-Baar-Kreis das künftige Auf gabenfeld? Dr. Everke: Aus Donaueschinger Sicht ist an erster Stelle der Erhalt des Kreiskranken­ hauses zu nennen, aber auch den der Ge­ werblichen Schulen. Und eine wichtige Le­ bensvoraussetzung ist der Flugplatz. Im Blick auf die finanzielle Notla�e des Land­ kreises erhoffe ich mir mehr Uberprüfung bei den Sozialausgaben, die geradezu ex­ plodieren. Als Folge steigt die Kreisumlage ungefragt. Diesbezüglich sind auch Land und Bund auf neue Spielregeln anzuspre­ chen. In diesem Zusammenhang wünsche ich mir auch ein neues Wahlrecht, das Mehr­ heitswahlrecht. Denn wer regiert, soll auch handeln können. Beim Mehrheitswahlrecht wird Verantwortung eindeutig zugeteilt. Um noch einmal an vergangenes anzuknüpfen und auch das verhältnis zum Oberzentrum an­ zusprechen: Freut sich der Donaueschinger Ober­ bürgermeister, wenn ihm auf der Landstraße eines jener wenigen vehikel entgegenkommt, das noch das Kennzeichen „DS“ trägt? Dr. Everke: Ja, natürlich. Aber ich freue mich auch über ,,VS-DS“. Und je weiter ich vom Landkreis entfernt bin, freue ich mich 25

Im Ge präch mit Dr. Evcrkc ….. Der viel beachtete Baar-Teller von Albert Hien, Marmor 1991, gehört zur Kunst am Bau des Landrats­ amtes. Er zeigt den lauf von Neckar und Donau und der Donau-Quel!flüsse Brigach und Breg. Der Tel­ ler steht auf einem Pflaster, dessen Musterung ein Tischtuch symbolisiert. über „VS“, weil das Erkennen dieses Auto­ kennzeichens wohl in jedem ein Heimatge­ fühl auslöst. Was das Verhältnis der beiden großen Kreisstädte zueinander anbelangt, gibt es keinen Abstand. Ein Beispiel: Der Rotary­ Club von Villingen-Schwenningen nahm mich vor bereits 15 Jahren einstimmig als Mitglied auf. Ein sehr nettes, geradezu freundschaftliches Entgegenkommen. Das Miteinander funktioniert im GAS-Zweck­ verband wie in der Flugplatz GmbH. Über­ haupt verlangen die aktuellen Aufgaben ei­ ne städteübergreifende Zusammenarbeit, gerade was die Bekämpfung der Arbeitslo­ sigkeit anbelangt. Man darf nicht mehr iso­ liert denken. Die Anfänge sind über den Ar­ beitskreis Wirtschaftsförderung der fünf Großen Kreisstädte gemacht. Nach dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“ gibt es noch viel zu tun – also! Um zum Schluß zu kommen, ein großes Ziel der Kreisreform von 1973 lautete: mehr Bürgernähe. A her kann eine zentrale Kreisverwaltung diesen Anforderungen überhaupt gerecht werden ? Dr. Everke: Der Landkreis wird für den einzelnen Bürger immer etwas ferner sein als sein eigenes Rathaus. Das ist nichts Schlim­ mes, sondern in der Natur der Dinge be­ gründet. Daß Landrat Karl Heim auf die Bürger zugeht, wird in Donaueschingen freudig registriert. Denn Bürgernähe geht über Personen. Der beste Weg dorthin ist, das Gespräch mit den Menschen zu suchen. 26

Schwarzwald und Baar – Portrait eines Landkreises (1) Rund um die Wasserscheide Rhein/Donau Unterwegs in der Region Triberg, Schonach und St. Georgen 2. Kapitel/ Almanach 98 Aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Schwarzwald-Baar-Kreises beginnt im Alma­ nach 19 9 8 eine literarische Wanderung durch Schwarzwald und Baar, sie ist mit „Portrait ei­ nes Landkreises“ überschrieben. Die Raum schajt Triberg/Schonach!St. Georgen, das Obere Breg­ tal und der sogenannte Hintervillinger-Raum bilden den Auftakt zu dieser „Kreisbeschrei­ bung“. Im Almanach 199 9 wird der Rundgang aus Anlaß des Villinger Stadtjubiläums im Oberzentrum und Umgebung fortgesetzt. Im Almanach 2 000 beschließt die Baar, der Großraum Donaueschingen und Blumberg, die auf drei Teile angelegte Artikelserie. „St. Georgen, St. Georgen – Sie haben Anschluß an den Bahnbus nach Peterzell und Königsfeld vom Bahnhofsvorplatz aus … “ Wer von Offenburg kommend hier aussteigt, spürt die frische würzige Luft. 806 Meter über dem Meeresspiegel liegt der Bahnhof, der höchste Bodenpunkt der Stadt aber befindet sich bei 1030 Meter im Hirz­ wald /Kesselberg. St. Georgen rühmt sich, auf dem Roßberg Deutschlands höchstgele­ genes Sportstadion zu besitzen. Hier absol­ vierte einst die Fußball-Nationalmannschaft ein Training zur Vorbereitung auf Spiele in Südamerika. Wer heute auf den Roßberg kommt, der staunt: Seit 1975 entstand dort ein großes Bildungszentrum mit Sporthalle, Schwimmhalle, Schulgebäude für Gymnasi­ um und Realschule sowie- im Jahr 1977 ein­ geweiht – eine Stadthalle. Damals war St. Georgen noch eine „rei­ che“ Stadt. Heute ist die Luft – wie überall im Schwarzwald-Baar-Kreis – dünner ge­ worden. Das gilt für die Kommune ebenso wie für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Seit 1983 hat sich die Einwohnerzahl um 14 200 Personen eingependelt. Damals war St. Ge- Das St. Georgener Rathaus mit Brztnnen und Marktplatz. 27

Portrait eines Landkreises orgen als „Phonostadt“ mit seiner über­ wiegend feinwerktechnischen Industrie bun­ desweit ein Begriff. Firmen wie Dual, Kundo, Staiger, Rigoni, Grässlin, Pabst, Schmidt, Matthias Baeuerle und Tobias Baeuerle, A. Maier, Schnitzer,]. G. Weisser oder Heinemann trugen den Namen St. Ge­ orgens in die Welt hinaus. Von der Uhren­ und Plattenspielerfabrikation, dem Appara­ tebau, der Herstellung von Kugelschreibern oder Lüftern bis hin zu Werkzeugen und Werkzeugmaschinen reichte die Produkti­ onspalette. Mittelständische Unternehmen, auch als Zulieferer für die Automobil­ industrie wichtig, bildeten ein sicheres Potential. Doch auch St. Georgen mußte in der jüngeren Vergangenheit empfindliche Arbeitsplatzverluste hinnehmen. Behaup­ ten konnten sich etliche Firmen durch Fu­ sionen, Neuorientierungen, Verkäufe, aber auch durch unternehmerischen Weitblick: Schmidt Feinwerktechnik, ]. G. Weisser, Kundo, Grässlin, Pabst und dazu viele klei- nere Unternehmen. Aber es gab auch innovative Neugrün­ dungen: So sind allein in der Sparte Software seit 1985 rund 300 neue Arbeitsplätze entstanden. Dennoch hängt die Stadt am Tropf des Landes, wird sie als sogenannte „Sockelge­ meinde“ finanziell unterstützt. Die Zahl der Sozialversicherungpflichtigen ist in den ver­ gangenen 15 Jahren um 33 Prozent gesun­ ken. Folge: Steuereinnahmeverluste und so­ mit auch fehlende Schlüsselzuweisungen. In der Raumschaft St. Georgen liegt die Ar­ beitslosenquote mit 7, 7 Prozent unter der Kreis-Schnitt-Marke, die 8, 9 Prozent be­ trägt. St Georgen 1084 gegründet Die Stadt auf dem Roßberg, der Seebau­ ernhöhe, am Winterberg gelegen, hat ihre Existenz dem Kloster St. Georgen zu ver­ danken. 1084 auf dem „Scheitel Alemanni­ ens“ gegründet, trug das Rodungskloster St. Georgen entscheidend zur Besiedlung des Schwarzwaldes bei. Im Jahr 1507 erhielt die Ansiedlung das Marktrecht, erlebte in der Folge viele Herrscher, verlor im Dreißig­ jährigen Krieg das Kloster, wurde württem­ bergisch, um 1810 dem Großherzogtum Badens zugeschlagen zu werden. 1891 bekommt St. Georgen das Stadtrecht ver­ liehen. Um die Jahr­ hundertwende dann gelingt der wirtschaft­ liche Durchbruch: die Einwohnerzahl ver­ doppelt von 2 608 im Jahre 1890 auf 5282 Einwohner im Jahr 1930. Viele der St. Georgener Fir­ men wurden im übri­ gen um diese Zeit als Familienbetriebe ge­ gründet. sich Modeme Architektur rund um den St. Georgener Marktplatz, wo samstags Wochenmarkt gehalten und das Stadtfest gefeiert wird. Im Stadtbild sucht man heute vergeblich nach Zeugen dieser 28

St. Georgen Blick auf den St. Georgener Stadtteil Galetsch und die Seebauernhöhe, vorne der Stadtteil Türkei. bewegten Geschichte. Lediglich im Kloster­ hof steht noch ein Stück Klostermauer, und es lagern Reste des alten Klosters im künfti­ gen Lapidarium. Das Stadtbild hat sich in den 1960er und 1970er ] ahren verändert: Der Marktplatz wurde modern gestaltet, samstags wird dort Markt gehalten, dort wird auch das Stadtfest gefeiert und dort trifft man sich. Eine Bürgerinitiative hat es bewirkt, daß im Phonomuseum im Rathaus die Zeugnisse früheren industriellen Tuns zu sehen sind – eine einzigartige und be­ deutende Sammlung. Und seit kurzem ist das Heimatmuseum „Schwarze Tor“ zu be­ sichtigen, ein Bauernhaus aus dem Jahre 1830, das liebevoll renoviert wurde (siehe Kapitel Museen). Zur Bergstadt gehören idyllisch gelegene Stadtteile, die zum Teil ausgebaut wurden (Brigach), oder vor der Gemeindereform selbständige Gemeinden waren: Peterzell, Langenschiltach, Oberkirnach und Stock­ burg. Viel Ländliches umgibt die Stadt, de­ ren Bäche alle der Donau zufließen, die Brigach bildet einen ihrer Qiellflüsse. Dem Besucher St. Georgens erschließt sich eine Landschaft, die im Winter wie im Sommer das Herz öffnet: Hier ist der Schwarzwald hell und offen, sind weite Spaziergänge im Frühjahrsonnenlicht nach langer Winter­ pause möglich. Zum Beispiel über die Lan­ ge Gasse nach Nußbach, oder über die alte Gastwirtschaft „Staude“ nach Gremmels­ bach. Wohnqualität und Freizeitqualität in gesunder Luft – wer diese Rechnung auf­ macht, hat in St. Georgen die richtige Lö­ sung gefunden. Und die Zukunft? ,,St. Georgen 2 000″ ist das Stichwort, mit dem Bürgermeister Wolf­ gang Schergel die Bürgerinnen und Bürger zum Mittun auffordert. 368 Ideen wurden entwickelt für die Sicherung der Zukunft der Stadt, die doch so gute Lebensvorausset­ zungen hat: Nahezu alle Schulen sind vor­ handen, der Autobahnanschluß ist in der Nähe und der IC-Bahnstrecken-Anschluß bequem erreichbar. Um die Ideen im Zu­ sammenhang mit dem Projekt „St. Georgen 29

Portrait eine Landkreises 2 000″ umsetzen zu können, müssen nun alle tätig werden: Stadtverwaltung und Ein­ wohner. Es werden große Pläne geschmie­ det: man will eine sogenannte „virtuelle Stadt“ bauen (PC-Vernetzung), Telearbeits­ plätze schaffen, ein „Museum der Räume“ ist geplant und der Roßberg soll durch Bün­ delung bereits vorhandener Ressourcen zu einem Höhensportzentrum ausgebaut wer­ den. Apropos Stadtbild: Zwei Kirchtürme zeu­ gen vom geistlichen Leben in St. Georgen. Die Einwohner sind überwiegend evange­ lisch. Zur Zeit der Reformation mußte sich das Kloster St. Georgen dem evangelischen Glauben anschließen, Abt und Konvent zo­ gen sich deshalb in das katholische Villingen zurück. Dieses veranlaßte in der Folge die Villinger immer wieder, St. Georgen anzu­ greifen, dort Höfe anzuzünden und Teile des Dorfes abzubrennen. Wer mehr über diese Vorgänge und Abt Gaiser wissen will, kann die Chronik des Klosters und der Stadt lesen, die 1972 von Erich Stockburger verfaßt wurde. L� t) o rnb .: ·g l – Heute suchen die Menschen der Bergstadt in der evangelischen und katholischen Kir­ chengemeinde, aber auch in zahlreichen Allianzgemeinden und Glaubensgemein­ schaften geistlichen Beistand und Betäti­ gung. Ein reges Vereinsleben gehört eben­ so zu St. Georgen wie die Musik. Ju­ gendmusikschule und Kantorei sind weit über die Grenzen der Stadt hinaus be­ kannt. Dazu und zu anderem ließe sich noch viel erzählen: Doch wenden wir unsere Schritte in Richtung Sommer­ au, einem geographisch wichtigen Scheitel­ punkt. An der Wasserscheide Rhein/Donau Jeder kann es lesen – auf der Sommerau steht es Weiß auf Grün: ,,Wasserscheide Rhein /Donau“. Von hier aus fließen alle Bäche über die Kinzig in den Rhein. Doch nicht nach Hornberg oder Offenburg steht den Tribergern der Sinn, sie orientieren sich in Richtung Villingen-Schwenningen. Knapp acht Kilometer kurvenreiche Bun­ desstraße hinab geht es über Nußbach nach Triberg. Nußbach war bis zur Eingemein­ dung 1973 ein selbständiges Dorf mit Bür­ germeister, Rathaus und Kirche. Jetzt vertritt Ortsvorsteher Karl Rißler die Belange der Bevölkerung. Das Rathaus beherbergt noch eine Postfiliale. Und die Nußbacher Katho­ liken werden vom Schonacher Pfarrer mit­ betreut. Die Zeiten haben sich auch für die­ sen Ortsteil geändert. Geblieben sind die weitverzweigten rund 60 noch bewirtschaf- teten Höfe außerhalb des Ortes, die ver­ kehrsnahe Anbindung an Bundesstraße und den Bahnhof Triberg. Der Fremdenverkehrsort Triberg ist gern Wander­ ziel, weil man _______ _. von dort per Bus oder Bahn zu- rückreisen kann. Außerdem gibt es viel Sehenswertes, was vor allem die Ta­ gestouristen anzieht. Die Stadt, als Un­ terzentrum seit 1971 im Schwarzwald­ Baar-Kreis an Bedeutung aufgewertet, hat in den vergangenen ·zs Jahren einen strukturellen Wandel erfah­ ren. Kurgäste kommen nur noch wenige. Die rund 1500 Gästebetten (bei rund 5 900 Einwohnern) wer­ den vor allem von Kurzurlaubern gebucht, die sogenannte Ver­ weildauer ist immer kürzer. Den­ noch ist Triberg heilklimatischer Kurort – die Asklepios-Klinik hat mit rund 200 Betten noch eine konstan­ te Belegung. In Triberg zu wohnen erfordert eine gute Kondition. Die Stadt liegt im Tal der Gutach (die über die Kinzig in den Rhein fließt!) und die Häuser kleben wie Bie­ nenwaben an den Hängen. Neubauge- 30 Alles Wt!gkreuz auf der Sommerau.

Triberg I Schonach I Schönwald Die Stadt Triberg vom Kapellenberg aus. biete sind nur unter großen finanziellen und bautechnischen Aufwendungen zu er­ schließen. Die Einwohnerzahl hat sich bei S 800 eingependelt. Dennoch ist Triberg re­ lativ stabil, wenn auch finanziell keine großen Sprünge gemacht werden können. Stolz verweist Bürgermeister Klaus Martin darauf, daß mehr Menschen nach Triberg zur Arbeit kommen als Triberger anderswo zur Arbeit fahren. Doch die Schließung der traditionellen Jahresuhrenfabrik hat die Stadt kräftig erzittern lassen. Aber sie be­ sann sich aufihr Fremdenverkehrspotential, zu dem ihr auch die Geschichte verholfen hat. 1239 wurde Triberg erstmals urkundlich erwähnt, 1330 findet Triberg erstmals als Stadt Beachtung „der Stat, und der Burg … ze Triberg“. Von der Burg sind heute beim Kurhaus nur noch Reste zu sehen. Dafür ist die Wallfahrtskirche „Maria in der Tann“ seit 1645 Anziehungspunkt vieler Wallfahrer und heute auch der kunstinteressierten Gä­ ste. Viele Pfand-und Lehensherren hat Tri­ berg erlebt, darunter auch Lazarus von Schwendi, der sozial etwas für die Unterta­ nen tat und bis heute gerühmt wird. Aber auch die irdische Gerichtsbarkeit hat ihre Zeitzeugen. In 1002 Meter Höhe über dem Meer ste­ hen an der Verbindungsstraße Schonach­ Schönwald-Villingen und der Abzweigung St. Georgen (mit einem schönen Blick auf die Schwarzwald-Landschaft) zwei mit Ei­ senband verstärkte Steinpfeiler. Sie trugen einst den Galgen, den die Herrschaft Triberg seit spätestens 1349 besaß. 1776 wurde der letzte Verurteilte gehenkt, 1786 wurde die Todesstrafe in Vorderösterreich (die Herr­ schaft Triberg gehörte dazu) abgeschafft. Tribergs höchste Wasserfälle, 1805 durch 31

Portrait eines Landkreises geboten, versuchen die W ir­ te und die Zimmervermieter am gleichen Strang zu zie­ hen und auf eine zentrale Kurverwaltung hinzuarbei­ ten. Wenn Arbeitsplätze er­ halten werden sollen, dann auch die im Dienstleistungs­ bereich, darin sind sich alle einig, die eine Stärkung des Fremdenverkehrs wollen. Fast zwei Drittel der gesam- ten Fläche Tribergs besteht aus Wald. Eingebettet darin eben Nußbach und auch Gremmelsbach, das seit 1974 als Ortsteil zu Triberg gehört. 560 Bürger zählt der Ort, der noch sieben Voll­ erwerbs- und 37 Nebener­ werbs-Landwirte hat. ,,Fe­ rien auf dem Bauernhof “ werden in Nußbach wie in Gremmelsbach angeboten und von gestreßten Stadtfami­ lien gern genutzt. Ruhe und hautnahe Na­ tur, dazu landschaftlich markante Punkte wie der Rappenfelsen und der Drei-Bahnen­ Blick, die beide von Gremmelsbach aus er­ wandert werden können – die zahlreichen Stammgäste wissen, warum sie wiederkam- men. Hinauf auf die Höhen Auf der Bundesstraße 33 zwischen Triberg und Hornberg findet man nicht nur die in­ zwischen weltgrößte Kuckucksuhr von Ewald Eble, sondern eine geographische Be­ sonderheit: Der Ort Schonachbach gehört nicht etwa zu Triberg, was lagemäßig nur lo­ gisch wäre, sondern zu Schonach. Dieses Dorf erstreckt sich somit von 472 Meter Höhe über dem Meer (Schonachbach) bis auf 1163 Meter (Rohrhardsberg). Somit ist der inzwischen entbrannte Kuckucksuhren­ Streit rein Schonacher Natur, denn auch JosefDold baute in Schonach-Untertal eine Rückseite der Marktplatzhäuser beim Triberger Amtsweg. gesicherte Wege unter Obervogt Huber er­ schlossen, gehören zu den Zielen der Tages­ touristen, die auch gern per Bus anreisen. Ferner werden der holzgeschnitzte Rathaus­ saal und das seit 100 Jahren bestehende Schwarzwaldmuseum gern besichtigt. Ja, Triberg hat eine bewegte Geschichte – 1995 gab die Stadt Triberg ein Porträt heraus, das anschaulich das vergangene und jetzige Tri­ berg widerspiegelt. Seit 1972 bildet Triberg, zunächst mit Schönwald, später auch mit Schonach einen „Gemeindeverwaltungsverband Raumschaft Triberg“. Im verwaltungstechnischen Zu­ sammenschluß werden gemeinsame Aufga­ ben auch gemeinsam erledigt: die Abwas­ serbeseitigung, die Realschule und das Gym­ nasium. Der „Raumschafts-Gedanke“ soll die Region stärken, viele sehen darin auch die Zukunft. 1992 startete unter dem Na­ men „Tourismus 2 000″ ein hoffnungsvolles Projekt, das schon erste Auswirkungen zei­ tigt. Gemeinsam und kostengünstig wird um Urlauber und Besucher geworben, wer­ den Tagungs- und Freizeitmöglichkeiten an- 32

Triberg /Scbonacb /Schönwald Uhr, nur Ebles Uhr ist jetzt 2 692 Einwohnern und 4 000 größer. Von dem Uhrenbauer Gästebetten ist auch dort klar: im fernen Wernigerode will dem Urlaubsgast zollt man in man dann in Schonach auch Schönwald besondere Beach­ schweigen. Trotzdem ist die tung. Kuckucksuhr auch ein Mar­ Feinwerktechnik wird hier kenzeichen für die „Raum­ großgeschrieben, viele Hand­ schaft Triberg“. Die Kuckucks­ werks- und mittelständische Uhren-Fabrikation hat ihre Betriebe haben sich in beiden Zentren in Triberg, Schonach Dörfern bis heute erhalten. und Schönwald. Zwar sind hier wie dort die 4 392 Einwohner hat Schon­ Gemeindekassen leer, aber ach, dazu 2 100 Gästebetten. Heimatverbundenheit und Ein Großteil dieser Betten Bürgersinn haben sprichwört­ steht in Ferienwohnungen. lich (Schnee-)Berge versetzt. Die Gemeinden Schonach Wenn Petrus mitspielt, erle­ und Schönwald haben in den ben Schonach und Schönwald 1970er Jahren den Trend hin im Winter eine zweite Saison: zur Ferienwohnung voll aus- Am Palmsonntag in Schona.ch. Dann kommen die Winter­ geschöpft: die zahlreichen sportler, die Winterurlauber, Zweitwohnungen sorgen zwar für Belebung denen Loipen, gebahnte Wanderwege, Ski­ in den Orten, doch auch für viele geschlos­ lifte und allerlei zum „Apres-Ski“ geboten sene Fensterläden, wenn ihre Besitzer nicht werden. Auch aus dem internationalen Ski­ da sind. Noch stärker auf dem Ferienwoh­ sport sind die beiden Gemeinden nicht nungssektor ist Schönwald vertreten. Mit mehr wegzudenken: Der Rucksacklauf, der Schona.ch im Hochsommer 33

Portrait eines Landkrei Malerische Idylle: „Wunderle « in Schönwald. Schwarzwaldpokal, viele, viele ,Jugend trai­ niert für Olympia“-Wettkämpfe, Skisprin­ gen internationaler Güte – das füllt die Gä­ stebetten und steigert auch den Umsatz der heimischen Dienstleister nicht erst in jüng­ ster Zeit, sondern schon seit Jahren. Bereits 31 Mal organisierte der Skiclub Schonach den Schwarzwaldpokal. Und der Schönwäl­ der Bürgermeister Hans-Georg Schmidt greift als Vorsitzender des Skiclubs Schönwald schon mal selbst zur Schip­ pe und schaufelt Schnee auf die Schan­ ze. Im Sommer kommen nicht nur Stammgäste und Ferienwohnungs­ besitzer nach Schonach und Schön­ wald. ,,Schnupperangebote“, organisier­ te Wanderungen mit Grillfesten sind auch für Urlauber aus umliegenden Re­ gionen interessant. Gemeinsam mit Tri­ berg wollen Schönwald und Schonach – Schönwald als heilklimatischer Kurort und familienfreundlicher Ferienort und Schonach als staatlich anerkannter Er­ holungsort – den Fremdenverkehr aus­ bauen und vor allem sichern. In der Tat ergänzen sich die Einrichtungen der drei Orte aufs beste. Überhaupt das Wandern: Etwa 220 Ki­ lometer ausgeschilderte Wanderwege bietet Schonach, 140 Kilometer Wanderwege gibt es in Schönwald. 200 Kilometer Wanderwe­ ge hat Triberg. Interessante Ziele liegen auf den Gemarkungen oder in erreichbarer Nähe: das Naturschutzgebiet „Blindensee“, der Stöcklewaldturm (vom Schwarzwaldver­ ein Triberg bewirtschaftet), die Escheck, die Martinskapelle und der Brend aufFurtwan- Ein Skiparadies ist die Raumschaft Schonach /Schönwald auch fiir die Freunde des alpinen Skilaufes. Unser Bild zeigt die Liftanlage in SdJOnach-Rohrhardsberg. 34

Triberg I Scbonach I Schönwald lingen anbindet, ohne Tagesreisen unter­ nehmen zu müssen. Sie kämpfen um jede Mark, investieren viel in die Verschönerung der Dorfmitte und wünschen sich mehr In­ dustriebetriebe, die ökologisch vertretbar angesiedelt werden sollen. Renale Bökenkamp Der Fremdenverkehrsort Schönwald im Winter. ger Gemarkung, nicht zu vergessen der Rohrhardsberg. Einst selbständige Gemein­ de mit überwiegend Hofbewohnern, wu­ chert sie mit ihrer Landschaft: der Rohr­ hardsberg als Wander- und W intersportge­ biet, als Vorzeigeobjekt für ökologisch sinn­ vollen Umgang mit der Natur ist Ziel vieler Wanderungen. Der rührige Skiverein Rohr­ hardsberg sorgt auch für internationales Flair mit dem Internationalen Volkslauf zu Pfingsten. Wie überhaupt die erfolg­ reichen Skisportler aus Schonach und Schönwald für Siegestaumel in ihren Heimatgemeinden sorgen: Alexander Herr, Hansjörg Jäkle, Georg Hettich und Christoph Duffner brachten so manche Medaille heim. Den beiden Bürgermeistern Jörg Frey, Schonach, und Hans-Georg Schmidt, Schönwald, bleibt kaum Zeit für gemüt­ liches Betrachten ihrer Gemeinden. Denn auch die kleinen Gemeinden kämpfen: um eine Verkehrsberuhigung zum Beispiel (Schönwald), um mehr Ei­ genständigkeit in den Entscheidungen oder um ein vernünftiges Nahverkehrs­ konzept, das sie an Triberg und an Vil- Die Hubertuskapelle in Schönwald. 35

Portrait eines Landkreise Oberes Bregtal – Im Herzen des Uhrenlandes Furtwangen, Vihrenbach und Gütenbach, eine geschichtsträchtige Region „Urlaub im Uhrenland“ -so werben Furt­ wangen, Vöhrenbach und Gütenbach ge­ meinsam für eine Landschaft, die in ihrer ro­ mantischen Schönheit ihresgleichen sucht. Vom tiefsten Punkt, im „Kilpen“ bei 520 Metern über Meereshöhe gemessen, bis zum 1150 Meter hohen Brend muß der Wanderer über 600 Höhenmeter zurück­ legen. Namen wie Hexenloch, Deich­ schlucht, Mördersloch oder Brennersloch, lassen schaudern und zeigen die wilde Zer­ rissenheit dieser Landschaft bei Gütenbach und Neukirch auf. Schmale, friedliche Tal­ auen dann aber im Katzensteig, das Bregtal auswärts, vorbei an Schönenbach, hinter Vöhrenbach und bei Hammereisenbach. Kleine Schwarzwaldbäche führen der Breg ihre Wasser zu -Rohrbach, Langenbach, Linach, Eisenbach -sanft, forellenreich im Sommer, wild oft zur Zeit der Schnee­ schmelze. Andere Namen sind geschichts-und sa- genträchtig: die Martinskapelle auf dem ,,Kolmen“ bei Furtwangen, das Vöhrenba­ ch er Bruderkirchle, der Schwebeldobel bei Gütenbach, dem und dessen Uhrmachern Oskar Furtwängler sein „Hausbuch des ho­ hen Schwarzwaldes“ widmete. Und mit dem „Königenhof“ im Wagnerstal verbindet sich heute noch das Wissen um das größte Lawi­ nenunglück, das sich jemals im Schwarz­ wald ereignete: 1844 zerstörten zu Tal rut­ schende Schneemassen den stattlichen Hof und brachten 16 Personen den Tod. Auf dem Neukircher Friedhof haben sie ihre letzte Ruhe gefunden. Wer von Süden kommend auf der B 500 nach Furtwangen reist, hat linker Hand die ,,Sonnenterrassen“ der Raumschaft liegen, den Furtwanger Teilort Neukirch und das selbständige Gütenbach. Bevor der Reisen­ de auf der Neueck auf die „Deutsche Uh­ renstraße“ stößt, die bis zum Schönwälder „Waldpeter“ identisch mit der B 500 ver- Furtwangen, 2.entrum des Oberen Bregtales und Hochschulstadt. 36

Funwangcn I Vohrcnbach I Gütcnbach Abendlicher Blick vom Furtwanger Hausberg Brend , im Hintergrund die Vogesen. läuft, hat er schon, ohne der Stadt ansichtig zu werden, ein Stück Furtwangen entdeckt, ein großes Gebäude mitten im Wald. Ein Sa­ natorium – mutmaßen die Feriengäste zu­ meist. Weit gefehlt – es ist eine Schule, ein Gymnasium mit der Besonderheit eines Re­ alschulzuges, dem Chemiker und Nobel­ preisträger Otto Hahn gewidmet. Dem von Osten, von Vöhrenbach her, oder von Nor­ den, von Schönwald her Kommenden drängt sich ein anderes Wahrzeichen Furt­ wangens auf, aber ebenfalls „schulischen Ur­ sprungs“, die Studentenwohntürme. Über 30 Meter hoch und an den Hang gesetzt, si­ gnalisieren sie eine der letzten großen Bausünden im Schwarzwald, ausgelöst aber von dem Muß, Wohnraum für eine auf über zweitausend Köpfe gewachsene Studenten­ schaft zu schaffen. ,,Furtwangen hat mir imponiert“ Als der Volksschriftsteller Heinrich Hans­ jakob am 19. Juni 1900 zum letzten Male durch Furtwangen kam, war sein Eindruck ein günstiger. ,,Furtwangen hat mir am heu­ tigen, sonnigen Morgen mit seinen zierli­ chen, sauberen Häusern imponiert.“ Sol­ ches Lob würde ihm heute kaum mehr in die Feder fließen, denn schon vom „Hei- matblick“ aus fallen Hochhäuser und Indu­ striegebäude ins Auge, und auch im Kern hat das Städtchen längst seine Unschuld verloren. Was der große Stadtbrand von 1857 – die Kirche, 21 Wohnhäuser und 23 sonstige Gebäude fielen ihm zum Opfer – nicht schaffte, brachte die moderne Zeit zu­ wege. Zu leicht trennte man sich von Altern, zu rasch hielten Beton und Eternitplatten Einzug. Die Fachhochschul-Neubauten Spaß im Kinderplanschbecken, das neue Furtwan­ ger Freibad ist viel besucht. 37

Portrait eines Landkreises taten ein übriges. Wenigstens blieb der schmucken evangelischen Kirche von 1901 der (vorgesehene) Abriß erspart, ein Schick­ sal, das selbst der katholischen Kirche, 1859 bis 1861 erbaut, hundert Jahre später zuge­ dacht war. Allein der Freiburger Erzbischof verhinderte durch sein Veto dieses Vorhaben und setzte eine Modernisierung durch. Die Gründung Furtwangens reicht ins 12. Jahrhundert zurück. 1179 findet sich die Siedlung „sammt Gotteshaus“ in einem päpstlichen Erlaß erstmals erwähnt. Von 1280 datiert ein erstes Urbar, ein Verzeichnis also der zum Kloster St. Georgen gehören­ den Grundstücke. Nach mehreren Großro­ dungen sind es schließlich 54 Lehenshöfe, die vom Kloster St. Georgen in Pacht gege­ ben werden. Zeugen dieser Zeit finden sich in Furtwangens Täler noch reichlich. Einer dieser Höfe mit allen Merkmalen eines Schwarzwälder „Heidenhauses“ ist sogar ins Museum gewandert: Der aus dem Jahre 1570 stammende Hippenseppenhof wurde komplett ab und im Gutacher Freilichtmu­ seum wieder aufgebaut. Jahrhundertelang zwei Herren gedient Jahrhundertelang mußten die Furtwanger buchstäblich zwei Herren dienen: Dem Kloster St. Georgen und -zur vorderöster­ reichischen Herrschaft Triberg gehörend – dem jeweiligen der zahlreichen Lehensher­ ren. 1806 wurden die vorderösterreichischen Lande und damit auch Furtwangen dem Großherzogtum Baden zugeschlagen. Bis 1924 blieb Furtwangen dem Amtsbezirk Tri­ berg zugehörig, kam dann zum Kreis Donaueschingen und am 1. Januar 1973 zum Kreis Villingen-Schwenningen, dem heutigen Schwarzwald-Baar-Kreis. Im gleichen Jahr wurde Furtwangen Un­ terzentrum und ist heute auch mit den Merkmalen eines solchen ausgestattet: Schwerpunkt Krankenhaus II. Ordnung, Rettungszentrum, Polizeiposten, Dienststel­ le des Arbeitsamtes, Notariat, Straßenmei- 38 Das Hexenloch und Brenners/ach bei Neukirch. Oben links und rechts sommerliche Impressionen

Furtwangen/ Vöhrenbach I Gütenbach sterei, Forstamt, Postamt, Erziehungsbera­ tungsstelle, Sozialstation, Altenheim, 16 Ärzte, drei Apotheken, zwei Banken mit ver­ schiedenen Filialen, Gymnasium mit Real­ schulzug, kaufmännische und berufliche Schulen, Förderschulen, drei Grundschulen, Hauptschule mit Werkrealschule (10. Schul­ jahr), sechs Kindergärten. Freibad und Sportzentrum, vier Sporthallen und eine Festhalle ergänzen dieses Angebot. Die Anerkennung als Zentrum war Furt­ wangen, obschon von der Lage und von der Bevölkerungsentwicklung her schon immer vorgegeben, jahrhundertelang versagt ge­ blieben. In der Herrschaft Triberg – auch Rohrbach, Neukirch und Gütenbach gehör­ ten dazu, Schönenbach, Linach, Vöhren­ bach und Hammereisenbach waren fürsten­ bergisch – war Furtwangen immer der größ­ te Ort gewesen. Um 1720 hatte Furtwangen bereits 1100 Einwohner, mehr als doppelt soviel als die Amtsstadt Triberg. Mit Güten­ bach, Neukirch, Rohrbach und dem für­ stenbergischen Schönenbach zusammen hatte die Raumschaft Furtwangen die Hälf­ te aller Einwohner des Amtsbereiches Tri- I aus dem Brenners loch. Unten: Im Winter tief verschneit und unwirtlich, aber wildromantisch, das Hexen- 1.och in Neukirch. Dem Wanderer hat die Landschqft um Furtwangen bei jeder Jahreszeit viel zu bieten. 39

Portrait eines Landkreises berg auszuweisen. Verständlich also, daß bei den geringen Erträgen aus der Landwirt­ schaft und bei sovielen Menschen ein ganz natürlicher Handel zustandekam. Gleich­ wohl gestand der Landesherr den Furtwan­ gern kein Marktrecht zu, lediglich einen ,,Frucht- und Obstabstoß“. Gegen ein um­ fassendes Furtwanger Marktrecht hatten sich die „lieben Nachbarn“, Triberg und Villin­ gen, viele Jahre erbittert und erfolgreich ge­ wehrt. Erst 1829 wird Furtwangen offiziell Marktflecken mit Wochenmärkten, Jahr­ märkten, Viehmärkten. 1873 wird Furtwan­ gen das Stadtrecht zugebilligt. Die Nach­ barstadt Vöhrenbach war von den Fürsten­ bergern schon 1387 zum Marktflecken er­ hoben worden. Mit einem Wochenmarkt und zwei Jahrmärkten, im Mai und im De­ zember, demonstriert Furtwangen auch heu­ te noch den Status eines Marktortes. Dynamische Eigenentwicklung Trotz unverständlicher engherziger und kleinlicher Behördenentscheide über Jahr­ hunderte hinweg hat Furtwangen doch eine dynamische Entwicklung genommen, do- kumentiert in seiner Industrie und in der Fachhochschule. Durch Hinzunahme des zweiten Standortes in Villingen-Schwennin­ gen im Jahre 1987 hat die Hochschule – in Furtwangen acht, in Villingen-Schwennin­ gen drei Fachbereiche – europäischen Zu­ schnitt erhalten. Dazu kommt das im Furt­ wanger „Mutterhaus“ einbezogene „Deut­ sche Uhrenmuseum“, das, von 1989 bis 1992 nach einem völlig neuen Konzept um­ gebaut, heute eine der bedeutendsten histo­ rischen Uhrensammlungen der Welt dar­ stellt. Weit über 100 000 Besucher lassen all­ jährlich die Faszination Zeitmessung auf sich wirken. Die moderne mechanische Uhr, Chrono­ logie der elektrischen Uhr, das „Exotarium“ mit seinen wertvollen Exponaten und was der Ausstellungsbereiche mehr sind – der Heimatfreund wird sich aber vor allem für die Sammlung Schwarzwalduhren interes­ sieren und auch dort die Namen jener Männer finden, die die Schwarzwalduhr berühmt gemacht haben. Vor allem Thad­ däus Rinderle wäre hier zu nennen, Priester und Mönch aus St. Peter, Lehrer, Gelehrter, Professor und großer Förderer und Freund Die Martinskapelle bei Furtwangen, ein Langlaufparadies, bekannt in ganz Deutschland. 40

der Schwarzwälder Uhrma­ cher. Die Namen anderer in der hat Furtwangen Straßenbenennung ver­ ewigt oder man findet ihre Grabmäler noch innerhalb der zum „erhaltenswerten Baudenkmal“ erklärten al­ ten Friedhofsmauer. Mar­ tin Blessing (1774-1847) Musikwerkebauer und Er­ bauer der ersten Furtwan­ ger Orgel (1821), Johann Baptist Laule (1817-1895) Uhrenschildmaler und Ma­ ler seiner Schwarzwaldhei­ mat, die Malerbrüder Lu­ kas (1794 -1851) und Jo­ hann Baptist Kirner (1806 – 1866), Romulus Kreuzer (1812 -1887), Schilderma­ ler und Chronist, und die für Furtwangen und die Raumschaft ganz bedeu­ tenden Firmengründer Sa­ lomon Siedle und Benedikt Ketterer. Auch das Anden- Grabstein von Johann Baptist Kimer, ken Robert Gerwigs (1820 – ein großer Malersohn der Stadt Furt­ l 885), erster Direktor der wangen. Großherzoglichen Uhrma- cherschule in Furtwangen und Erbauer der Schwarzwaldbahn, wird hochgehalten. In Vergessenheit geraten sind dagegen zwei an­ dere Namen: Arnold Zähringer (1868 – 1942), Erfinder der Magnetzündung und Mitbegründer des Weltrufes der Boschwerke in Stuttgart, und Josef Duffuer (1868 -1935), Politiker, Mitglied des Landtages und des Reichstages und Präsident des Badischen Landtages (1931-1933). llömnl tlaarr�ch.füab,mi, brr lnli,�tn )iinik m �limch11 lwoi1b.1;nb.hoin1ak1 fhr�nmitglir� �rr + IS(‚I‘ – t JS…,_, Bis um 1600 wurde in Furtwangen Land­ wirtschaft nur als Viehnutzung betrieben. Danach entwickelte sich ein kleiner Hand­ werkerstand, dem sich in der Glasbläserei und in der Strohflechterei etwas Gewerbe anschloß. Nach 1640 werden die ersten Schwarzwalduhren gefertigt. Nach 1740 ist Funwangen I Vcibrenbach I Gütcnbach im Mittleren Schwarzwald die Uhrenherstellung or­ dentliches Hausgewerbe, das sich immer mehr in Furtwangen konzentriert. Ab 1850 beginnt sich die Uhrenindustrie zu ent­ wickeln mit einem umfang­ reichen Handel nach Frankreich, England, Ruß­ land. Heute liefert die Furt­ wanger Industrie Haustele­ fone (Siedle), Zahnräder und Getriebe (Koepfer), Relais (Dold), Wasser- und Wärmezähler (Wehrle), Spezialpumpen (Scherzin­ ger), Elemente für die Au­ tomatisierungstechnik (Werner) und vieles andere mehr. Faller – dieser Name hat einen guten Klang in der Raumschaft und dies nicht erst, seit die Serie der „Fal­ lers“ über die Bildschirme flimmert. Erstsendung war am 25. September 1994. Originalschauplatz ist der „Unterfallengrund“, der stattliche Hof von Alfred Löffler. Leben und Leiden, Liebe, Haß und Intrigen auf einem Schwarzwälder Bauernhof wurden schon in weit über 100 Sendungen dargestellt und haben die herrliche Landschaft um Neu­ kirch weithin bekannt gemacht. Einern „echten“ Faller aber begegnet man in der Neukircher Dorfkirche: dem Holz­ bildhauer Matthias Faller (1707-1791). Un­ weit davon, auf dem Oberfallengrundhof, wurde der berühmteste Sohn Neukirchs am 23. Februar 1707 geboren. Von den neun Kindern des Georg Faller und der Barbara Furtwängler war er das dritte. Aus dem Hir­ tenbub wurde ein großartiger Bildhauer, dessen vorzüglichste Arbeiten in St. Märgen und St. Peter zu finden sind. Aber auch vie- 41

Portrait eines Landkreises Gütenbach im Sommer, der Ort ist im Jahr 13 60 erstmals als „ Wuotach „erwähnt. le andere Kirchen im Schwarzwald, Breis­ gau, Thurgau schmücken seine Holz-Skulp­ turen, seine Altäre, Reliefs, Verzierungen, Kruzifixe, insgesamt „kultivierter, duftiger, feingliedriger und feinrankender Rokoko.“ Die Neukircher Pfarrkirche selber hat nur noch einzelne Skulpturen Fallers aufzuwei­ sen. Die drei großartigen Faller-Altäre fielen dem Kirchenbrand am 20. April 1945 zum Opfer. Seit 1971 gehört Neukirch zur größeren Stadt Furtwangen, eine Partnerschaft, von der beide profitieren. Seit 1979 mit dem Prä­ dikat „Luftkurort“ versehen, ist Neukirch mit seiner aufgeräumten romantischen Landschaft und den vielfältigen Wander­ und Sportmöglichkeiten zur guten „Frem­ denverkehrsstube“ der Uhrenstadt gewor­ den und führt mit seinen rührigen Vereinen trotzdem ein bemerkenswertes Eigenleben, auch im Dienste des Fremdenverkehrs. Dem Namen Faller wird auch im benach­ barten Gütenbach großer Respekt entgegen­ gebracht. Die Brüder Edwin und Hermann Faller waren es, die 1946 in den Keller- 42 räumen der Faller‘ sehen Landwirtschaft die Faller GmbH gründeten, eine Fabrik für Qyalitätsspielwaren. Diese „Fallers“ wurden zum größten Arbeitgeber und Steuerzahler Gütenbachs, zum Lieferanten von über 600 Artikeln an tausende Händler und zum PuJsbeschleuniger für Millionen große und kleine Kinder. Zahlreiche Urkunden und Plaketten, darunter auch mehrfach für „Mo­ dell des Jahres“ bezeugen, was Fall er in fünf­ zig Jahren geleistet hat. Lange vor den Spielwaren aus dem Hause Faller gingen aus Gütenbach ganz andere Dinge in die Welt hinaus: Uhren. Die Leu­ te auf den 26 Bauernhöfen (Zahl von 1518) führten, damals noch ohne die segensreiche Kartoffel, ein karges Leben. So suchte man aus dem etwas zu machen, was der Wald reichlich bot: Holz. Holzkohle wurde ge­ brannt, Glas hergestellt und Uhren fabri­ ziert. Auch dabei spielte der Name Faller ei­ ne große Rolle. Um 1860 zählte man in Gü­ tenbach 96 selbständige Uhrmacher und in Gütenbach wurde auch die erste Uhrenhan­ delsgesellschaft des Schwarzwaldes gegrün-

Furtwangen I Vöhrenbach I Gütenbach tisches, schaurig-schönes Bild, ein einmali­ ges Schwarzwalderlebnis. So ist Gütenbach auch Ausgangspunkt für Fahrten und Wan­ derungen durch das herrliche Simonswälder Tal. Ein Schönenbacher untersuchte für die NASA Mondgestein Am stärksten mit Furtwangen verwachsen ist Schönenbach, das sich als rechtes Straßendorf fast fünf Kilometer entlang der Breg zieht. Gemarkungsübergreifend wach­ sen die Siedlungen von Furtwangen, Stadt, ins Dorf Schönenbach hinein. Gleichwohl führt auch Schönenbach mit eigener, se­ henswerter Pfarrkirche, mit Kindergarten und rührigen Vereinen ein beachtenswertes Eigenleben. Auf zwölf Höfe hatte sich der Grund und Boden der „schönen Aue“ – um 1300 „Schönowe“ – einst verteilt. Wie die 54 Höfe auf der Furtwanger Gemarkung waren auch die Schönenbacher Bauern dem Klo­ ster St. Georgen zinspflichtig, gehörten aber nicht zur Herrschaft Triberg. Weltliche Her­ ren waren die Grafen der Baar. Wer die Dorfstraße durchwandert, wird an Schönenbachs größten Sohn, an den Kern­ physiker Dr. Josef Zähringer, erinnert. Die NASA hatte ihm als einzigem Deutschen Mondgestein zur Untersuchung überlassen. In der Erforschung der Entstehung unseres Sonnensystems hatte er sich einen Namen gemacht. 1970 verunglückte Dr. Zähringer tödlich, nur 41 Jahre alt. Am Ende der Josef-Zähringer-Straße fin­ det sich die Firma A. Mayer. Dort wird noch das betrieben, was wie bereits erwähnt, die Region einst berühmt gemacht hat: Uhren­ fabrikation. 1841 gründeten die Brüder Andreas und German Mayer die Fabrik für Schwarzwälder Lack- und Schottenuhren. Heute gehen hochwertige Wohnraumuhren traditioneller Stilrichtungen und modern gestylt in alle Welt. Funk- und Qiarztechnik hat zwar auch bei Mayer Einzug gehalten, aber besonders stolz ist Adalbert Mayer – 43 det. Die letzten Reste der einst blühenden Uhrmacherei finden sich noch in der Firma Hanhart, die, in Gütenbach nur noch mit wenigen Mitarbeitern, Stoppuhren herstellt. Das zerbrochene Rad im Wappen des Dor­ fes symbolisiert aber nicht die verschwun­ dene Uhrenmacherei, sondern ist Wappen­ bild der Gütenbacher Kirchenpatronin, der heiligen Katharina. Über das alte Uhrmacherhandwerk, über die Erfindungen der Gütenbacher, über­ haupt über Sitten und Bräuche im alten Uhrmacherdorf Gütenbach und auf seinen Höfen informiert aber am besten das 1988 gegründete und von Oswald Scherzinger be­ treute Dorfmuseum. Und wer sich für Pup­ pen interessiert – Hildegard Mutschler (Bäckerei Mutschler) hat ein privates Muse­ um eingerichtet. Gütenbach, 1360 zum ersten Male als „Wuotach“ – wilder Bach – erwähnt, war Si­ monswald und somit dem Kloster St. Mar­ garethen in Waldkirch zugehörig. Der „wil­ de Bach“ stürzt sich heute noch die Deich­ schlucht hinunter und vermittelt, wild zer­ klüftet und mit turmhoch ragenden Tannen bestanden, dem Wanderer ein wildroman-

Portrait eine Landkrei es Das Stadifest in Vöhrenbach ist weithin bekannt, auch die „ Ge­ sellschaft zur Verblüffung des Erdballes“ und ihre legendären Theaterauftritte wie hier mit dem „ Watzmann „. sechste Generation! – auf das eigene me­ chanische Werk. Schönenbach wurde 1971 nach Furtwan­ gen eingemeindet, Linach 1972 und Rohr­ bach 1973. Linach, eine Streusiedlung- die 700-Jahr-Feier steht 1999 an – ist mit Schö­ nenbach über die Pfarreizugehörigkeit in be­ sonderer Weise verbunden. Lange war der Kirchweg auch die einzige Verbindung nach Schönenbach und somit nach Furtwangen. Ein Gemeindehaus und die St. Wendelins­ kapelle symbolisieren Dorfgemeinschaft in dem parallel zum Bregtal verlaufenden Li­ nacher Tal. Die Besitzer der elf Bauernhöfe, vier davon sind noch Vollerwerbsbetriebe, halten eine heimelige Schwarzwaldland­ schaft offen. Die Linacher Talsperre mit ih- 44 rer berühmten Staumauer liegt im Linacher Untertal auf Vöhrenba­ cher Gemarkung. Die Sanierung des einmaligen Baudenkmals ist immer noch nicht in vollem Um­ fang gesichert, seine Reaktivierung durch die „Gedea“ gilt aber als si­ cher. Der kürzeste Weg von Furtwan­ gen nach St. Georgen – die beiden Städte sind sich durch die Fusion der beiden Jugendmusikschulen näher gekommen – führt durchs Rohrbacher Tal. Seit 1973 der Stadt Furtwangen zugehörig, teilte das Dorf lange zuvor schon das gleiche Schicksal mit Furtwangen: Beide Orte gehörten seit Beginn des 13. Jahrhunderts zur Herr­ schaft Triberg. Grundherrin in Rohrbach aber war das Frauen­ kloster Waldkirch, wobei die Für­ stenberger der ergiebigen Jagd we­ gen die östliche Talhälfte bean­ spruchen wollten. Nach und nach wurde der Platz für 23 Höfe gero­ det, die als Waldhufe bewirtschaf­ tet wurden. Glasblasen, Kohlebrennen und schließlich Uhrenmachen und Uhrenhandel – Rohrbach soll die meisten ,,Engländer“, das waren die in England täti­ gen Uhrenhändler, des Schwarzwaldes ge­ habt haben – machten die Dörfler vor 200 Jahren recht wohlhabend. Die Entwicklung ließ die Rohrbacher aber lange Zeit im Wirt­ schafts- und Verkehrsschatten liegen. Doch mit Zähigkeit erkämpften sich die Rohrba­ cher ein neues Gemeinschaftsgefühl. Vöhrenbach von den Fürstenbergern 1244 als Stadt gegründet Vöhrenbach ist mit Hammereisenbach­ Bregenbach, mit Urach und Langenbach mit einer strukturierten Industrie, mit Zen­ tralschule, schönem Freibad, einer beach-

Furtwangen I Vohrcnbach I Güteobacb tiert in der Geschichtsstele des Hammerei­ senbacher Bildhauers Wolfgang Kleiser, zu sehen zwischen Volksbank und Kirche. Die Kirche selber legt schönstes Zeugnis ab für die Entwicklung des Christentums im Obe­ ren Bregtal. Als Filialkirche ebenfalls 1244 gegründet, ist der heutige Turm zwar erst 125, das heutige Langschiff gar nur knapp über 40 Jahre alt, als echte „Winterhalder­ kirche“ birgt sie aber eine Fülle schönster Skulpturen dieser Schwarzwälder Bildhau­ erdynastie der Barockzeit. Daran wird sich wohl auch ein Besuch der Michaelskirche anschließen, bei den Ein- tenswerten Gastronomie, darunter der mit einem Stern bedachte „Engel“, eines der 200 besten Häuser Deutschlands, und leistungs­ fähigen Einzelhandelsgeschäften ein eigen­ ständiges Kleinzentrum, das sich in den letz­ ten Jahren in wachsendem Maße auch auf den Fremdenverkehr stützen konnte. Letz­ teres hat den Ausbau von öffentlichen Ein­ richtungen, von Grillstellen, Schutzhütten, Rast- und Spielplätzen, Park und Musikpa­ villon, Badehaus, Sauna und Wärmehalle vorangetrieben. Führt die Stadt Furtwangen das „Heiden­ schloß“ im Wappen, so hat die Stadt Vöh­ renbach eine Forelle. Das Vöhrenbacher Wappenbild weist auf die Lage an der Breg hin und zugleich auf die Entstehung des Orts­ namens aus dem mittel­ hochdeutschen Wort „for­ hen“ für Forelle. Vor 1802 führten die Vöhrenbacher ein anderes Tier im Stadt­ wappen, den Esel, weshalb ist letztlich nach wie vor unklar. Bereits 1244 als Stadt ge­ gründet war dies für die Bürger von großer Bedeu­ tung, denn dadurch wur­ den sie persönlich frei, wa­ ren nicht mehr Leibeigene und somit auch vom „Tod­ fall“ befreit, einer Steuer, die beim Tod eines leibei­ genen Untertanen an den Grundherrn bezahlt wer­ den mußte. Damit durfte Vöhrenbach auch viel früher als Furtwangen Wo­ chenmärkte abhalten und ab 1503 auchJahrmärkte. 750 Jahre Stadtgeschichte – dieses Jubiläum fußt auf Das geschichtsträchtige Bmderkirchle im Spätherbst. Der einstige Wa.ll­ dem Gründungsdatum fahrtsort ist auch heute noch viel besucht und gilt als das liebste Kleinod 1244 – ist heute dokumen- der Vöhrenbacher Bevölkerung. 45

Portrait eiu s Landkrei es heimischen, in Erinnerung an die einstige Einsiedelei nur »Bruderkirchle“ genannt, um dem geschichtlichen Ursprung der Wall­ fahrt »ZU den sieben Frauen“ nachzuspüren. Am alten, steilen Sträßchen nach Villingen gelegen war es schon vor über 300 Jahren Ziel frommer WaJlfahrer. Berühmte Musikwerkestadt Auch die Vöhrenbacher Straßennamen ge­ ben Auskunft über geschichtliche Persön­ lichkeiten der Stadt: Es finden sich der Bild­ hauer AdolfBeermann, Adolf Heer und die Winterhalterdynastie nebst dem Maler und Grafiker Casimir Stegerer verewigt. Und man findet so berühmte Orchestrionbauer wie Michael Weite, Imhof und Muckle, de­ ren Werke einst in alle Welt gingen. Ein Or­ chestrion von Imhof und Muckle war sogar für die „Titanic“ bestellt gewesen. Weil es aber zu spät geliefert wurde, findet es sich heute statt auf dem Meeresgrund in einem Londoner Museum. Bregabwärts liegt der größte Vöhrenbacher Ortsteil Hammereisenbach, seit 1896 mit Bregenbach zu einem Ort verbunden. Der von Südwesten kommende Eisenbach und eines der ältesten Hammerwerke im Schwarzwald, 1523 erstmals erwähnt, haben dem Ort den Namen gegeben. Seit 1867 aber ruhen die Hämmer; vom Hammerwerk findet sich kaum noch eine Spur. Dafür kann man die Ruine Neufürstenberg noch leicht entdecken. 1381 erstmals urkundlich erwähnt, stand sie als »Schildmauerburg“ im südlichen Schwarzwald einzigartig da. Im Bauernkrieg am 8. Mai 1525 zerstört, stellt das Relikt, heute in Landbesitz, ein Kultur­ denkmal von besonderer Bedeutung dar. Im »Fischerhof“ (Haus am Berg GmbH) hat Hammereisenbach eine wichtige Ein­ richtung zur psychosozialen Versorgung im Kreis aufzuweisen. Wohn- und Werkstattge­ bäude bieten „besd1ützenden Lebensraum für geistig behinderte und psychisch kranke Menschen“ (Karl Elsäßer). Die 1901 gebau­ te, 1912 eingeweihte, einst selbständige Vöhrenbach hat auch eine Josef-Hepting-Straße. Sie erinnert an einen Wohltä­ ter, der schon vom Jahre 1900 an aJle Vöhrenbacher Schüler in den Genuß der Lernmittelfreiheit brachte, 60 Jahre bevor andere Ge­ meinden diese einzuräu­ men begannen! Geradezu berühmt ge­ worden in weiter Umge­ bung ist das Vöhrenbacher Stadtfest, getragen von den vielen Vereinigungen der Stadt. Dieses Stadtfest und die mittelalterliche Fast­ nacht, getragen von der Heimatgilde „Frohsinn“, dokumentieren die leben­ dige Gemeinschaft der Bür­ ger, deren Herz mit Stolz an ihrem „Städtle“ hängt. 46

Pfarrkirche wird heute von Urach aus mit­ betreut. Parallel zum Linacher Tal zieht sich das Ur­ acher Tal, die „Ure“, von der legendären „Kalten Herberge“ herunter an die zehn Kilometer dem Bregtal zu. Vor der Ein­ mündung in die Breg haben sich die Wasser von Urach und Eisenbach vereinigt. Das freundliche, breit ausladende Tal hat 25 Höfen Siedlungsraum gegeben. Sie bestim­ men das Bild des Tales. Einmaligkeit aber weisen Kirche und Friedhofsmauer auf, die Kirche mit dem schindelgedeckten, rot ge­ strichenen Zwiebelturm, in seiner Prägnanz einzigartig im Schwarzwald, die Friedhofs­ mauer das barocke Kleinod – Matthias Fal­ ler hat auch hier seine Spuren hinterlassen – festungsartig umfassend. Der überdachte Aufgang und die Kapellen an den vier Ecken unterstreichen diesen Eindruck. Und dann gibt es den Ortsteil Langen­ bach, der seit Jahrhunderten mit Vöhren­ bach eng verflochten ist. Erstmals urkund­ lich erwähnt ist Langenbach 1326, es war ei- Furtwangen I Vohrenbach I Gütenbach ne Besitzung der Herzöge von Zähringen. Landwirtschaft, Viehzucht und Waldwirt­ schaft sind hier vorherrschend. Reizvoll ist die Landschaft, die Höhenzüge werden viel durchwandert. Die interessante Geschichte des Ortes kann man in einer vor geraumer Zeit erschienenen Chronik nachlesen. Die Region Oberes Bregtal, das bedeutet: Urlaub im Uhrenland – aber auch Ferien im Bauernland, denn die Landwirtschaft ist es, die diese schöne und vielseitige Region seit Jahrhunderten geprägt hat. Und noch im­ mer sind es die Bauern, die in den Tälern und Seitentälern, in den Löchern und To­ beln die Landschaft pflegen und dafür sor­ gen, daß der Wald, der sich seit hundert Jah­ ren in beängstigendem Maße ausgebreitet hat, das restliche Agrarland nicht auch noch in Besitz nimmt. Und einige der 1500 Gä­ stebetten, die die Raumschaft Urlaubern und Erholungssuchenden zu bieten hat, ste­ hen auch auf Bauernhöfen. Robert Scherer 47

Portrait eines Landkreises Wanderungen im Hintervillinger-Raum Unterwegs in Weilersbach, Mönchweiler, Niedereschach und Königsfeld Wer sich wandernd erholen möchte, findet nördlich von Villingen – Schwenningen eine abwechslungsreiche Landschaft: nahe der europäischen Hauptwasserscheide zwischen Neckar und Donau schaut man von den Muschelkalk- Höhen weit hin über das Land, im Osten zum Steilabfall der Schwä­ bischen Alb, im Westen zum Anstieg des be­ waldeten Buntsandstein- Schwarzwaldes. Die Senken um den oberen Neckar und die Eschach und deren Nebenbäche schaffen Abstand. Der Wanderer fühlt sich herausge­ hoben aus dem Getriebe des Alltages. Wald und Feld bieten Raum zu freiem Atmen, der Blick findet immer wieder Neues in den wechselnden Bildern der Dörfer. Beginnen wir einen Spaziergang bei Wei­ lersbach. Von der Waldkapelle am Glöcken- berg (was für eine schön geschmückte Glocke im zierlichen Türmchen!) schauen wir auf das Dorf, das sich vom Talanfang des Ammelbaches hinaufzieht zur Hochfläche: Unten zwischen Obstbäumen behäbige Bauernhäuser, errichtet nach einem großen Brand, der 1834 das Dorf verwüstete. Nur ein Flurname bezeugt noch, daß es hier einst eine Burg gab. Oben am Ortsrand schmucke neue Einfamilienhäuser, ein an­ genehmes Wohnviertel für Menschen aus der nahen Doppelstadt. Einen prächtigen schmiedeeisernen Hirsch im barock ge­ schwungenen Ring, gehalten im Schnabel eines Greifenkopfs, der seinerseits aus ei­ nem Füllhorn bunt emaillierter Blüten her­ auswächst, bewundert man am Gasthaus. Das alte Kirchlein aus der Zeit vor dem Weilersbach und die in den 1950er Jahren erbaute Kirche. 48

Wcilcrsbach /Nicdercschach Dreißigjährigen Krieg wurde 1954 durch einen größeren Neubau er­ setzt; eine holzgeschnitzte Mutter­ gottes von etwa 1760 wurde in die neue Kirche übernommen. Von 1899 bis 1938 amtierte dort der na­ turverbundene Pfarrer Becker, der oft bei der Waldkapelle meditierte und viele Artikel und Gedichte im Villinger Volksboten veröffentlichte. Auch sein Vorgänger Rohrer hatte Spaziergänge in der Umgebung des Dorfes geliebt. Um 1887 drang er ein in dichtes Gestrüpp zwischen Kap­ pel und Obereschach, er benannte es Wolfsschlucht; es lag am Eisen­ bächlein in der Au, der Pfarrer ließ dort künstliche Felsen anlegen und kaufte eine Madonna, und an einem kleinen künstlichen Wasserfall schuf er die Grotte Elsenau. Die Anlage wurde 194 9 erweitert und verschö- Wanderer – wohin des �ges? Verwitterter �gweiser in der nert und ist am 1. Mai und am 15. NähevonNiedereschach. August ein beliebter Wallfahrtsort. dereschach gehörig, war die Burg Granegg Der Volksglaube verehrt dort und in der na­ im Jahr 1803 nur noch ein Schutthaufen. hen Kappeler Kirche ein Gnadenbild. Eine bewegte Geschichte hatte die Mühle am Zusammenfluß von Eschach und Fisch­ Niedereschach 1643 zerstört bach, deren Müller um 1610 lange gegen Rottweil prozessierte, bis er Bauholz für Re­ Auf halbem Weg zwischen Villingen und paraturen erhielt. Heute sieht man dort nur Rottweil gelegen, blickt das Dorf Nie­ noch ein Sägewerk, ein sehr altes Bauern­ dereschach auf eine wechselvolle Geschich­ haus und einen modernen Brunnen. An ei­ te zurück. Lange hatte es enge Bindungen an nem neueren Haus in der Nähe findet sich Gengenbach; 1643 wurde es weitgehend zer­ eine alte Steinplatte mit dem Württember­ stört, die Einwohner umgebracht, nur an ger Wappen -hier verlief einmal die Gren­ den Ortsrändern blieben einige sehr alte ze. Aus dem 16. Jahrhundert stammt der Höfe erhalten. Die Burg Fridegg ist völlig verschwunden, von der Burg Granegg be­ Kirchturm. Sein unterstes Stockwerk wurde steht noch eine Bruchsteinmauer als Teil ei­ später zugeschüttet, nur noch die linke Hälf­ nes neu hergerichteten Hauses. Vor dem te eines Türbogens ragt aus der Erde heraus. Dreißigjährigen Krieg war Granegg etwa 150 Auf den Resten eines dazugehörigen Baus, Jahre im Besitz der Rottweiler und Villinger der immer wieder Probleme bereitete, er­ Juristen-Familie lfflinger, später gehörte es richtete man 1739bis 1741 eine Rokoko­ der Familie Beroldinger. Von beiden gibt es Kirche. 1962 wurde sie durch den jetzigen im Nebenraum der Kirche und am Pfarrhaus größeren Beton -Bau ersetzt. Darin befin­ Grabplatten mit Wappenschmuck. Zeitwei­ den sich einige schöne alte Figuren. Berner-49 lig Rottweiler Besitz, dann dem Dorf Nie-

Portrait eines Landkreises Auf halbem Weg zwischen Villingen und Rottweil gelegen, Niedereschach. Der Teufensee im Erholungsgebiet Teufengrund von Sinkingen. 50

kenswert sind St. Katharina und besonders St. Mauritius. Geschnitzt vermutlich im 18. Jahrhundert, lächelt dieser fahnenschwin­ gende Kriegsmann in der Tracht des Spät­ mittelalters maliziös, spöttisch verzieht er den Mund unter dem Bärtchen, als habe er soeben nach Art des Don Juan etliche Her­ zen gebrochen. Im Untergeschoß der Kirche befinden sich Einrichtungen für ein Ge­ meindeleben unserer Zeit. Auf der Höhe am Ortsrand liegt ein Gelän­ de mit etwa einem Dutzend modernster Fa­ briken. Hatte der Ort um 1810, als er durch Gebietstausch an Baden gelangte, nur 502 Seelen, so waren es 1987 viereinhalbtau­ send. Die den Ortskern umgebenden Hän­ ge sind mit Einfamilienhäusern bebaut. Niederescbach / Sinkingen mit seinem nach acht Seiten gewölbten Turmhelm. Bei einer Renovierung in den sechziger Jahren entdeckte man unter dem Putz gut erhaltene Fresken aus dem frühen 15. Jahrhundert, ausdrucksvolle Szenen aus dem Leben Christi, besonders der Judaskuß am Ölberg, pastellartig rötlich braun und blau der Hintergrund. Schmuckbänder, un­ ten mit einem wellenförmigen Ornament, oben breit und karminrot, rhythmisch ge­ gliedert durch ausgesparte Kreise und Rhomben. An der gegenüberliegenden Wand St. Andreas, frischer die Farben, ver­ mutlich aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Unter dem Putz der Decke sollen noch wei­ tere Fresken darauf warten, renoviert zu wer­ den. Auch die barocke Kanzel verdient Be­ achtung. Reste einer römischen Villa Sinkingen, nordöstlich von Fischbach auf der Höhe gelegen, ist mit ihm zusammen­ gewachsen – alte Höfe unter großen Bäu­ men, eine eigene kleine Kapelle. Im nahe­ gelegenen Gewann Bubenholz hat man Re­ ste einer recht weitläufigen römischen Villa An der Straße von Fischbach nach Scha­ benhausen liegt der Seyhof, ein Gut, das einst zu Burg Granegg gehörte. 1760 wurde es an das St. Georgskloster in Villingen verkauft, später gehörte es wieder Nie­ dereschach, seit 1914 dem Villinger Kloster St. Ursula. Verpachtet sind die Felder, der Garten lieferte früher dem Kloster Gemüse. Dicke Mauern, gewölbte Türbögen, in der inneren alten Holztür ein kleines vergitter­ tes Fenster. Lange Zeit Gaststätte, wird das Haus heute nur noch gelegent­ lich von Schwestern und Pfarrern besucht – sie ster­ ben aus, weltliche Lehr­ kräfte unterrichten an der privaten Klosterschule. Still in der Einsamkeit scheint das große Haus ein Überbleibsel aus ver­ gangenen Jahrhunderten. Zusammengedrängt, wo eng eingeschnittene Täler sich vereinen, um das renommierte Gasthaus „Mohren“ gelegen, die Häuser von Fischbach; dazwischen, auf einem Bergsporn, das Kirchlein Farbenprächtig: Regenbogen über Niedereschach. 51

Portrait eines Landkrei es Blick aufSchabenhausen. mit Bad ausgegraben. Das Erholungsgebiet Teufengrund mit seinem Weiher trennt Sin­ kingen vom Rottweiler Kreisgebiet. Durch ein enges bewaldetes Tal kommt der Glasbach von Burgberg herab; auf der offe­ nen nach Osten sanft abfallenden Hoch­ fläche tiefgründig steinloser brauner Boden, mager im Ertrag, oberer Buntsandstein. Weit schweift der Blick bis an den Rand der Alb. Bei Pfaffenberg einige einsame Höfe, über Auffahrten können Wagen in den Dachspeicher hinaufgelangen. In den 1970er Jahren opferte Erdmannsweiler eini­ ge alte Häuser einer begradigten Durch­ fahrtsstraße. Neuhausen besteht mindestens seit dem frühen Mittelalter; wesentlich älter ist ein Grabhügel aus der Hallstatt-Zeit an der Straße nach Obereschach. Die Herren von Burgberg stifteten im 13. Jahrhundert ein kleines Kloster, wo überzählige Töchter ver­ sorgt wurden. Später verschmolz es mit dem Villinger Bickenkloster; schon 1645 erinner­ ten nur noch ein paar Steinhaufen daran. Als die Kirche 1905 renoviert und ver­ größert wurde, erhielt man den alten Turm und darunter das gotische Sterngewölbe. Die Kirche steht auf einem gegenüber der Straße erhöhten Platz, dem früheren Gottes­ acker. Seine Umfassungsmauer, an deren westlichem Ende ein 1803 erbautes Bein­ häusle stand, fiel 1971 dem Straßenbau zum Opfer. Aber verstreut im weitläufigen Ort 52 sind viele alte Höfe erhalten; jeder von ih­ nen hat seine eigene Geschichte, die manch­ mal bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht. Damals hatte der Johanniter- Orden hier ausgedehnten Besitz, das Malteser-Kreuz im Ortswappen zeugt noch davon. Beson­ dere Rechte und Pflichten waren an die Schmiede gebunden; heute ist sie eine Kfz­ Werkstatt. An der Obereschacher Straße fin­ det man einen scheibenförmigen runden Stein mit verdickten Rändern und einge­ meißeltem Kreuz – vermutlich ein fünf­ hundert bis sechshundert Jahre altes Sühne­ zeichen. Burgberg und der „Weiberzahn“ Burgberg war einst beherrscht von zwei Burgen, einer größeren auf dem Sporn des Hutzel-oder Däplisbergs und einer Vorburg im Tal. Von dieser ist noch ein stattlicher viereckiger Turm erhalten, an den einige jün­ gere Gebäude angebaut sind. Die Haupt­ burg ist fast völlig verschwunden. Eine Sage berichtet, ein altes Weib habe dort eines Abends Zuflucht gesucht, weil ein furchtba­ res Unwetter mit Sturzbächen von Regen es am Heimweg nach Erdmannsweiler hinder­ te. Der Pförtner habe sie nicht ohne Einwil­ ligung seines Herrn aufnehmen dürfen; die­ ser aber habe sie verspottet, weil sie alt und häßlich war und nur noch einen einzigen Zahn im Mund trug, und er habe sie grau-

sam fortgewiesen. Da habe sie ihn und sei­ ne Burg verflucht: nicht mehr solle bleiben von ihm und seinem Haus als ein Mauer­ rest, vergleichbar dem einzigen Zahn eines alten Weibes. Und der Fluch wurde wahr. Die Ruine heißt Weiberzahn. Die Herren von Burgberg, die die Burg et­ wa um 1240 erbauten, hatten in den be­ nachbarten Dörfern einigen Grundbesitz; drei Brüder von Burgberg ließen 1295 ein Erbbegräbnis im Kloster St. Georgen errich­ ten, und 1432 war ein Herr von Burgberg Schultheiß in Villingen. Nach verschiede­ nen Verkäufen gelangte Burgberg 1472 an Württemberg, das dort, in Weiler und in Erdmannsweiler um 1535 das lutherische Bekenntnis einführte. Ein breiter Graben umgab 1645 den Turm der Wasserburg. Als Abt Gaiser ihn 1645 besichtigte, fand er dar­ in einen Kerker mit Schädeln und Knochen, er meinte, dort seien Gefangene in rohen Särgen umgebracht worden. Hintcrvillinger·Raum An Mühlen waren stets besondere Rechte gebunden. Burgbergs älteste Mühle, erst­ mals 1429 erwähnt, arbeitete wahrscheinlich schon früher. Im Dreißigjährigen Krieg brannten die Villinger sie nieder. Bald wie­ der aufgebaut, war sie bis zum Jahr 1970 in Betrieb. Zeitweilig hatte sie drei Wasserräder und eine Sägemühle. Anfang des 19. Jahr­ hunderts gab es in Burgberg fünf Mühlen. Streitigkeiten um die Art des Wasserbaus und die Höhe der Mühlräder blieben nicht aus. Heute ist noch eine Getreidemühle tätig. Königsfeld – Werk der Herrnhuter Wer von Burgberg am Hörnlebach auf­ wärts wandert, gelangt zum Gelände des Hörnlehof; 1804 kauften es Herrnhuter Brüder, um dort ihr Gemeinwesen zu grün­ den. Das gehörte damals zu Württemberg; 1806 unterzeichnete der König die Stif- Anlage der Herrnhuter in Königsfeld, in der Mitte der Gemeindesaal. 53

Portrait eines Landkrei es Beliebtes Auiflugsziel, die Burgruine Waldau. tungsurkunde und er gab dem Ort den Na­ men. Planmäßig schufen die Brüder eine Anlage im Stile des Spätbarock, die Chor­ häuser der Brüdergemeine entsprechen den Kavaliershäusern, zentral der rechteckige Platz, umrahmt vom Gemeindesaal und Ge­ meinschaftshäusern für Zuziehende, ver­ gleichbar manchen amerikanischen Stadt­ gründungen jener Zeit. Planmäßig auch der alte Gottesacker: die Entschlafenen ruhen in überlieferter Ordnung, rechts Knaben, ledi­ ge Brüder und verheiratete oder verwitwete Brüder, links Mädchen, ledige Schwestern und verheiratete oder verwitwete Schwe­ stern; jeder soll so ruhen bis zum jüngsten Tag, wenn die Auferstandenen in Chören einziehen ins ewige Leben. Schmucklose Steinplatten verwittern im Rasen, nennen oft weit entfernte Geburtsorte der Verstor­ benen. Weiße Birkenstämme erinnern an die Farbe des Kirchensaals, an klassizisti­ schen Toren fromme Sprüche. Am Oster- 54 morgen versammelt sich hier die Gemeine und singt die Auferstehungsliturgie. Ein Denkmal erinnert an Arnos Comenius, den letzten Bischof der Mährischen Brüderkir­ che, gestorben 1670 im Amsterdamer Exil. Unter den Menschen, die in Königsfeld Er­ holung und Ruhe suchten, befinden sich viele aus Literatur und Musik bekannte Na­ men; Albert Schweitzer lebte und arbeitete hier viele Jahre. Wanderwege umgeben den Kurort, z. B. an den verstreuten Höfen von Martinswei­ ler vorbei zur Ruine Waldau. Errichtet zwi­ schen 1218 und 1236, wurde sie in einem Krieg zwischen Villingern und den Fürsten­ bergern 1325 teilweise zerstört; doch immer noch wirkt sie stattlich, wehrhaft und vor­ nehm, malerisch lehnt sich ein Schwarz­ waldhaus an die Burg. Nicht weit entfernt verraten die Namen Nonnenberg und Non­ nenmühle, daß dieser Teil des Glasbach-Ta­ les den Zisterzienserinnen in Rottenmün-

ster gehörte. Fern von allem Verkehr die idyllischen Häuser von Mühllehen und der Talanfang, steil eingeschnitten zwischen be­ waldete Hänge. Auf der Höhe darüber das kleine alte Kirchlein von Buchenberg, in­ mitten der stillen Landschaft nochmals ab­ gesondert durch die Friedhofsumfassung mit dem steinernen Bogen. Über den Dachreiter breitet eine mächtige Linde ihre Äste. Dicke Mauern aus grob gehauenen Blöcken, über dem zugemauerten Westein­ gang zwei uralte Krukenkreuze. Drinnen Fresken aus dem 13. und 14. Jahrhundert, eine ausdrucksvolle romanische Holzskulp­ tur des Gekreuzigten, ein spätgotischer Chor, barock die Kanzel, das Gestühl, die Orgel, sehr alt der sechzehneckige Taufstein. Die Nikolaus-Kapelle gilt als die älteste Kir­ che in unserem Raum. Mönchweiler sieht man seine lange Ge- Kunsifreudiges Mönchweiler: Auch der Furt­ wanger Bildhauer Hubert Rieber hatte die Mög­ lichkeit, in Mönchweiler sein Scheffen zu präsen­ tieren. Das Bild unten zeigt den Kiinstler im Ge­ spräch mit Biirgermeister Dietz (rechts, sitzend) bei der Erö.ffnungsveranstaltimg. Hintervillinger·Raum 55

Mönchweiler I Sommertshausen schichte nicht an; ursprünglich wohl ein frühmittelalterliches Waldhufendorf mit kleiner Gemarkung, wurde es im Bauern­ krieg und im Dreißigjährigen Krieg von den Villingern verbrannt und geplündert, später auch von durchziehenden französischen Heeren. Von der Kirche stammen nur der Chor und der Turm aus dem 16. Jahrhun­ dert. Im ehemals württembergischen Ort achteten wiederholt strenge evangelische Pfarrer auf die Sitten: Würfel-und Karten­ spiel galten als sündig, der Kirchenbesuch wurde kontrolliert, Villingen galt als feindli­ ches Ausland -eine Eingemeindung dort­ hin lehnten die Bewohner mit großer Mehr­ heit ab. Selbständig konnte Mönchweiler nach dem Zweiten Weltkrieg Industrie an­ siedeln und eigenen Wohlstand entwickeln. Zwischen Mönchweiler und Obereschach liegt abseits der Straßen Sommertshausen – wenige alte Höfe unter mächtigen Buchen und Eichen, eine kleine Kapelle, schindel­ gedeckt, mit zierlichem schmiedeeisernem Dachreiter, in dem eine Glocke hängt. Der friedliche Anblick heute läßt nicht ahnen, wie arg dieser Weiler in früheren Jahrhun­ derten durch Kriege heimgesucht wurde. Bei einem modernen Aussiedlerhof eine Q!ielle, deren Wasser Augenleiden heilen soll, oft kommen Wallfahrer dorthin. In der schlichten Kapelle ein schönes zierliches Ba­ rock-Altärchen. Manche vermuten, daß hier schon in vorchristlicher Zeit ein Q!iell – Heiligtum gewesen sein könnte; aber wie damals die Menschen ihre Gottheiten ver­ ehrten, das mag ein jeder sich ausmalen nach eigener Phantasie. Wolfgang Tribukait Feld im Hintervillinger-Raum. 56

Aus dem Kreisgeschehen Erstmals leichter Rückgang bei Sozialkosten Soziales im Landkreis – Entwicklungen und Tendenzen 3. Kapitel/ Almanach 98 Erfreulicher als bei der Haushaltsplanung erwartet verlief die Sozialkostenentwicklung des Landkreises im vergangenen Jahr: einer prognostizierten Nettobelastung des Kreis­ etats von DM 90,4 Mio. stand ein Rech­ nungsergebnis von „nur“ DM 89,7 Mio. ge­ genüber. Erstmals seit vielen Jahren war da­ mit keine Steigerung des Sozialetats zum Vorjahr mehr zu verzeichnen, sondern sogar ein Rückgang um 1 Prozent. Die Gründe hierfür sind vielschichtig und zum Teil gegenläufiger Natur: In der „klas­ sischen“ Sozialhilfe verlief die Entwicklung so, daß der vom Landkreis zu tragende Auf­ wand für in Not geratene Mitbürger im Ver­ gleich zum Vorjahr nahezu identisch blieb. Die Fallzahlen bei den Sozialämtern von Kreis und Stadt Villingen-Schwenningen blieben übers Jahr gesehen nahezu unver­ ändert, obschon ein deutlich schnellerer Wechsel in und aus der Sozialhilfe heraus bei den betroffenen Personen zu verzeich­ nen ist. Die etwas bessere Arbeitsmarktlage in 1996 trug ebenfalls zu dieser Entwicklung bei. Auch sind in diesem Zusammenhang die ersten positiven Auswirkungen des vom Landkreis 1995 initiierten Programms „Hil­ fen für arbeitslose Sozialhilfeempfänger“ zu nennen. Mittels des vom Landkreis gewähr­ ten Lohnkostenzuschusses in Höhe von DM 1 500/pro Monat an Arbeitgeber, die sich zu einer einjährigen Beschäftigung ei­ nes Sozialhilfeempfängers bereit erklären, gelang es 1996 141 Personen in Arbeitsver­ hältnisse auf dem sogenannten ersten Ar­ beitsmarkt zu vermitteln. Zusammen mit den Familienangehörigen bezogen so 390 Personen im Landkreis ihre Einkünfte nicht mehr aus der Sozialhilfe, sondern aus re­ gulären – wenn auch zeitlich befristeten – Arbeitsverhältnissen. Noch erfreulicher ist die Tatsache, daß von den über ein Jahr andauernden Arbeitsverhältnissen nach Auslaufen der Befristung immerhin 750/o in ein reguläres unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen und somit regelmäßig unab­ hängig von Sozialhilfe wurden. Nach vor­ sichtigen Schätzungen betrug die Sozial­ hilfenettoentlastung des Landkreises durch dieses Programm im Jahre 1996 rund 500 000 Mark. Dies stellt eine Zahl dar, die dem Landkreis Mut macht, diesen Weg fort­ zusetzen und noch weiter – insbesondere durch ein von der Handwerkskammer in Zusammenarbeit mit dem Kreis eigens durchgeführtes Programm zur besseren O!ialifizierung der Sozialhilfeempfänger für den ersten Arbeitsmarkt – auszubauen. Ein entsprechender O!ialifizierungskurs mit 20 Teilnehmern hat in der zweiten Jahreshälfte 1997 begonnen. Ein weiterer Grund für die – relativ gese­ hen – erfreuliche Entwicklung im Sozial­ hilfebereich waren die durch die Einführung der Pflegeversicherung im ambulanten Be­ reich und ab 1. 7. 1996 auch im stationären Bereich ersparten Aufwendungen. Im am­ bulanten Bereich ging der vom Landkreis zu tragende Aufwand von ursprünglich über DM 3 Mio. auf rund DM 1 Mio. zurück. Im stationären Bereich betrug die Einsparung auf örtlicher Ebene rund 400 000 Mark. Zu­ sammen mit der an den Landeswohlfahrts­ verband zu entrichtenden und in Folge der Pflegeversicherung 1996 um DM 4,3 Mio. reduzierten Umlage, ergibt sich so ein Min­ deraufwand im letzten Jahr von rund DM 6,7 Mio. Angesichts der Unsicherheiten in der tatsächlichen Entwicklung der Hilfeauf­ wendung für die stationäre Pflege und der 57

Au dem Krei ge chehen Förderverpflichtung des Landkreises für die Investitionen in den Heimen, ist derzeit al­ lerdings noch ungewiß, in welcher Höhe hier dauerhaft eine Entlastung des Land­ kreises eintreten wird. Positiv verlief auch die Entwicklung in der Jugendhilfe. Trotz weiter leicht gestiegener Fallzahlen konnte der Aufwand für die Hil­ fen zur Erziehung, insbesondere bei der ,,teuren“ Heimunterbringung, weiter deut­ lich reduziert werden. Der vom Kreisjugend­ amt eingeschlagene Weg des Ausbaus am­ bulanter und teilstationärer Angebote im Vorfeld vollstationärer Unterbringung trägt hier seine Früchte und wird auch künftig konsequent weiter beschritten werden. der praktische Vollzug – vor allem von Sei­ ten der genannten ausländischen Vertrags­ staaten – noch vieles zu wünschen übrig. So bleibt derzeit nur die Hoffnung, daß mit der mittlerweile verabschiedeten Novellierung des Asylbewerberleistungsgesetzes, die bei dem genannten Personenkreis eine 20pro­ zentige Reduzierung der Leistungen vor­ sieht, eine – wenn auch nur geringe – Entla­ stung des Kreisetats eintritt. Zu befürchten ist jedoch nach wie vor, daß der vom Kreis 1997 eingeplante Aufwand wiederum deut­ lich überschritten wird. Zuschuß für „Haus der geriatrischen Rehabilitation“ Gegenläufig verlief jedoch die Entwick­ lung bei den vom Landkreis zu finanzieren­ den Aufwendungen für Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Zu nennen sind hier insbesondere die Bürger­ kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Ju­ goslawien und die im Verfahren abgelehn­ ten Asylbewerber, die jedoch aus huma­ nitären oder anderen Gründen nicht in ihr Heimatland abgeschoben werden können. Hier verdoppelt sich Jahr um Jahr der vom Landkreis zu tragende Aufwand. Waren es 1994 noch rund DM 1,5 Mio., betrug der Aufwand 1995 bereits DM 3,7 Mio. und 1996 über 6,2 Mil­ lionen Mark. Diese Zahlen können nur dann reduziert werden, wenn es gelingt, auch für die rund 1 000 Personen im Schwarzwald- Baar- Kreis die politischen Absichten zur Rückführung der Bürgerkriegs­ flüchtlinge und der Gedulde­ ten, vor allem derjenigen aus dem ehemaligen Jugoslawien, schnellstmöglich umzusetzen. Zwar sind die Voraussetzungen hierfür Ende 1996 mit den Rückführungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland sowie Bosni­ en- Herzegowina und der Bundesrepublik Jugoslawien geschaffen worden. Nur läßt 58 Von besonderer kreispolitischer Brisanz war im abgelaufenen Berichtsjahr die Ent­ scheidung des Landkreises, der Gesellschaft „Haus der geriatrischen Rehabilitation“ in Villingen – Schwenningen für den Bau von 44 Rehabilitationsplätzen einen Zuschuß zu gewähren. In mehreren Sitzungen und im Rahmen einer Besichtigung bestehender Einrichtungen wurde dieser Punkt sehr aus­ führlich diskutiert. Hintergrund war die Fra­ ge nach den Auswirkungen dieser neuen Einrichtungen für die Krankenhäuser im Landkreis sowie nach dem In­ teresse des Landkreises an die­ ser beantragten „Freiwillig­ keitsleistung“. Nachdem ande­ re vorhandene Einrichtungen im Schwarzwald- Baar-Kreis und im Nachbarkreis Tuttlin­ gen für die Realisierung des Projekts aus verschiedenen Gründen nicht in Frage ka­ men, und die Krankenkassen einen Zusammenhang mit dem jetzt diskutierten und anstehenden Planbettenabbau in den Krankenhäusern verneinten, entschied sich der Kreistag im Februar 1997 mehrheitlich, einen Zuschuß über DM 1,5 Mio. zu dem Gesamtprojekt von DM 18,5 Mio. zu gewähren. Mit dem Durch die Einführung der Pflegeversicherung ergab sich für den Schwarzwald-Baar­ Kreis 1996 ein Min- deraufwand von 6,7 Millionen Mark.

Bau ist mittlerweile im Zentralbereich zwi­ schen Villingen und Schwenningen begon­ nen worden. Das Interesse des Landkreises an dieser Einrichtung begründet sich in der Tatsache, daß auch nach Einführung der Leistungen der Pflegeversicherung noch viele ältere Mit­ bürger ausschließlich oder ergänzend auf vom Landkreis zu finanzierende Sozialhilfe in Pflegeheimen angewiesen sind. Vorläufi­ ge Berechnungen haben ergeben, daß auch mit der Pflegeversicherung über 30% der Bewohner von Pflegeheimen noch der Lei­ stungen der Sozialhilfe bedürfen. Gelingt es mit der geriatrischen Rehabilitation die Auf­ nahme ins Pflegeheim zu verzögern oder gar zu vermeiden, so „rechnet“ sich der Zu­ schuß bereits dann, wenn es gelingt, in fünf Jahren bei jeweils fünfzig Personen die Heimaufnahme um sechs Monate zu verzö­ gern. Unabhängig von der schon aus huma­ nitären Aspekten sinnvollen und notwendi­ gen Rehabilitation für ältere Mitbürger, ins­ besondere nach Schlaganfällen und Kno­ chenbrüchen, ist dies eine Annahme, die durchaus realistisch erscheint. Besonderer Erwähnung bedarf auch die Tatsache, daß der Kreistag trotz überaus an­ gespannter Haushaltslage sich im Dezember 1996 bereit erklärt hat, einen weiteren Bau­ stein des 1991 verabschiedeten „Konzepts zur außerklinischen Versorgung psychisch Kranker und seelisch Behinderter“ zu erhal­ ten und auszubauen. Mit finanzieller Hilfe des Landkreises werden die Caritasverbände in Kreis und Stadt sowie das Diakonische Werk in die Lage versetzt, das Angebot an Tagesstätten für psychisch Kranke in Villin­ gen -Schwenningen und Donaueschingen zu erhalten und den Erfordernissen der täg­ lichen Praxis anzupassen. Eine außerge­ wöhnliche Leistung des Landkreises in schwierigsten Zeiten, die dokumentiert, daß der Landkreis im Sozialbereich nur dort spart, wo es im Hinblick auf das Wohl sei­ ner Einwohner vertretbar erscheint. In der Jugendhilfe hat die Stadt Villingen – Soziales Schwenningen ausgangs des Jahres 1996 nach einer langen Phase der Diskussion be­ schlossen, die Zuständigkeit als örtlicher Träger der Jugendhilfe beizubehalten. Be­ kanntlich war ja die Abgabe an den Land­ kreis aus finanziellen Aspekten mehrfach er­ wogen worden. Ausschlaggebend für die Entscheidung der Stadt war letztlich, daß sich der Landkreis vor dem gesetzlichen Hintergrund bereit erklärt hat, den Perso­ nalaufwand der Stadt mit DM 1,7 Mio zu zwei Dritteln zu erstatten. Ein Blick aufkommende Tendenzen der Sozialpolitik des Landkreises In der Jugendhilfe wird die Planung „Hil­ fen zur Erziehung“ für die Stadt St. Georgen verabschiedet werden. Wie bereits im Städ­ tedreieck Donaueschingen, Hüfingen und Bräunlingen, wird in dieser Planung detail­ liert Bestand und Bedarf für die Jugendhilfe in St. Georgen dargelegt. Der Weg des Aus­ baus und der Einrichtung ambulanter und teilstationärer Angebote im Sinne der Prä­ vention zur Vermeidung intensiverer und kostenträchtigerer Hilfen ist auch hier Maß­ stab für die Bedarfsfeststellung. Desweite­ ren wird eine Konzeption zur Betreuung ju­ gendlicher Spätaussiedler im Landkreis auf den Weg gebracht werden: Immer deutli­ cher wird bei diesem Personenkreis die be­ reits seit längerem beobachtete Entwicklung hin zu gravierenden Auffälligkeiten, wie Abgleiten in die Kriminalität und Drogen­ mißbrauch. Fehlende berufliche und per­ sönliche Perspektiven, gepaart mit man­ gelnder Bereitschaft zur Integration, sind regelmäßig die Ursachen. Hier gilt es, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln präventiv gegenzusteuern. Andernfalls wer­ den wir diese Jugendlichen innerhalb kürze­ ster Zeit in teuren Hilfsmaßnahmen zu La­ sten des Landkreises wiederfinden. Brisanz birgt auch die anstehende Kreis­ pflegeplanung. In ihr hat der Landkreis – ausgehend von vom Land vorgegebenen 59

Soziales Entwicklung der Ausgaben für Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Höchstzahlen – zu entscheiden, welche Heime im Landkreis mit wievielen Plätzen als „bedarfsgerecht“ anerkannt und damit Pflegeheimver­ ins zeichnis aufgenom­ men werden. Diese Aufnahme ins Ver­ zeichnis hat die Wir­ kung, daß nur diese Heime eine Investi­ tionskostenbezuschus­ sung durch Landkreis und Land (regelmäßig zusammen 600/o der Kosten) erwarten können. Bei rund 1100 max. anerkennungsfähigen Pflegeplätzen und einem derzeitigen Bestand von etwa 1500 Pflegeplätzen im Landkreis steht hier ein schwieriger Diskussionsprozeß mit den Heimträgern an. Letztendlich entscheidet der Kreistag. 1994 Weiter steht dem Landkreis im Hinblick auf die Unterbringung von Asylbewerbern, geduldeten Ausländern und Bürgerkriegs­ flüchtlingen eine Änderung ins Haus. Hier beabsichtigt das Land, die Unterbringungs­ pflicht von den Gemeinden hin zum Land­ ratsamt zu verlagern. Vorbild ist dabei die schon Anfang der 90iger Jahre vorgenom­ mene Regelung bei der Unterbringung der Spätaussiedler. Es soll künftig Sache des Landratsamtes sein, geeignete Unterbrin­ gungskapazitäten, insbesondere größere Ge­ meinschaftsunterkünfte mit der Möglichkeit der Sachleistungsgewährung, zu schaffen und zu betreiben – selbst bei akzeptabler Kostenregelung eine Aufgabe für die Kreis­ verwaltung, bei der es nur wenig „Lorbeeren zu ernten“ geben wird. Letztlich erhofft sich das Land hierdurch für sich eine Kostener­ sparnis. In diese Richtung gehen auch umfangrei­ che von Bund und Land Ende 1996 / Anfang 1997 beschlossene „Einsparungen“ – Entla- 60 1995 stungen des Bundes­ und Landeshaushalts mit korrespondieren­ den Belastungen der kommunalen Haus­ halte. Dies gilt ins­ besondere für die Re­ form des Arbeitsför­ derungsgesetzes (vor allem mit Einschrän­ kungen beim Arbeits­ losengeld) wie auch für zahlreiche landesrecht­ liche Regelungen (Er­ stattungskürzung für Sozialhilfeleistungen an Spätaussiedler und Bürgerkriegsflüchtlinge, Kürzung der Staats­ zuschüsse für Heimsonderschulen und an Heimen der Jugendhilfe). All diese Kosten­ verlagerungen werden erst im Laufe des Jah­ res 1997 und den Folgejahren beim Land­ kreis voll zu Buche schlagen. 1996 Aus dieser Entwicklung nach dem derzeit verbreitetem Motto „Rette sich wer kann“, kann nur das Fazit gezogen werden, daß der Leidtragende des Sozialabbaus in Bund und Land stets die kommunale Ebene der Land­ kreise und Gemeinden ist. Ihr werden die Lasten schlußendlich aufgebürdet, ohne daß der jeweilige Gesetzgeber auf der ande­ ren Seite eine wirksame Entlastung sicher­ stellt. Alle Bemühungen, auf örtlicher Ebe­ ne selbst für Entlastung zu sorgen (so etwa unser Programm „Hilfe für arbeitslose So­ zialhilfeempfänger“), bleiben so letztend­ lich ohne durchschlagenden Erfolg – die Mehrbelastungen durch Kostenverlagerun­ gen zehren diese bescheidenen Erfolge so­ fort wieder auf! Es wäre in der künftigen Praxis hilfreich, wenn sich Politiker in Bund und Land der Devise besännen: ,,Wer anschafft, der be­ zahlt!“ Wer Leistungen an die Bürger ver­ spricht, soll sie auch bezahlen! Joachim Gwinner

Aus dem Krei geschehen Neuordnung der Beruflichen Schulen Der Kreistag hält an den vier Gewerbeschulstandorten auch künftig fest Der Schwarzwald-Baar-Kreis ist Schulträ­ ger für die beruflichen Schulen und Son­ derschulen für Geistigbehinderte und Kör­ perbehinderte im Landkreis. Die in den letz­ ten Jahren stetig zurückgehenden Schüler­ zahlen an den Gewerblichen Schulen haben es nun notwendig gemacht, über Konzen­ trationen von Berufsfeldern an den gewerb­ lichen Schulen nachzudenken, um durch ei­ nen effizienten Mitteleinsatz für eine mo­ derne, zeitgemäße Ausstattung auch künftig einen für die Schüler optimalen Unterricht sicherzustellen. Die letzten Jahre haben gezeigt, daß der Schülertrend weg vom gewerblichen Berufs­ schulwesen hin zum Gymnasium oder zu kaufmännischen Berufen geht. Diese Ent- wicklung war in den vergangenen 15 Jahren, als aufgrund der seinerzeitigen hohen Schü­ lerzahlen Schulen neu gebaut bzw. erweitert wurden, nicht vorhersehbar. Außerdem zwingt die heutige finanzielle Lage des Schwarzwald-Baar-Kreises dazu, das im Landkreis vorhandene breitgefächerte Be­ rufsschulwesen mit sehr differenzierten Be­ rufsfeldern an bis zu vier Standorten zu­ sammenzufassen und möglichst an einem Standort zu konzentrieren. Bereits im Jahre 1995 wurde über die Neuordnung der Be­ rufsfelder in den Kreistagsgremien, aller­ dings ohne konkrete Ergebnisse, beraten. AufWunsch der Kreistagsfraktionen hat sich die Kreisverwaltung mit diesem Thema er­ neut befaßt und dem Kreistag entsprechen- Die Robert-Gerwig-Schule. Furtwangen ist einer von vier Berufsschulstandarten im Landkreis. 61

Gewerbeschulstandorte de Vorschläge zur Konzentrierung von Be­ rufsfeldern unterbreitet. Der Kreistag hat in seiner Sitzung am 5. Mai 1997 schließlich den Beschluß gefaßt, an den vier Gewerbeschulstandorten in Do­ naueschingen, Furtwangen und den Stadt­ bezirken Schwenningen und Villingen fest­ zuhalten. Darüber hinaus wurde beschlossen, ab dem Schuljahr 1997/98 folgende Berufsfel­ der zusammenzufassen: Metalltechnik: Ab Fachstufe I: Hans­ Kraut-Gewerbeschule, Stadtbezirk Villin­ gen. Einjährige Berufsfachschule Fahrzeugtech­ nik: Hans-Kraut-Gewerbeschule, Stadtbe­ zirk Villingen. Ausnahme: Fertigungs-/Feinwerktechn ik verbleibt bis Fachstufe I, wie bisher, an der Robert-Gerwig-Schule Furtwangen. Körperpflege (Friseure): Bereits ab der Grundstufe Richard-Bürk-Schule Schwen­ nmgen. Berufsaufbauschule (gewerblich): Gewerb­ liche Schulen Donaueschingen. Elektro-/Energietechnik: Dieses Berufsfeld wird auch künftig an den zwei Standorten, Gewerbliche Schulen Donaueschingen und Richard-Bürk-Schule Schwenningen, unter­ richtet. Der Kreistag hat mit der Konzentration dieser Berufsfelder einen großen Schritt nach vorne getan, um auch in Zukunft ein modernes und leistungsfähiges Schulwesen im Landkreis sicherzustellen. Walter Dold D er erste Spatenstich fiir die Erweiterung der Sonderschule für Körperbehinderte in VS-Villin­ gen ist am 7. Juli 19 97 erfolgt. Bereits 19 95 hat der Kreistag der dritten Erweiterung der Schu­ le zugestimmt, die Gesamtkosten fiir den Anbau belaufen sich aef 5,5 Millionen Mark. Die Kosten teilen sich nach Abzug eines 30prozentigen Landeszuschusses die Landkreise Schwarzwald­ Baar, Rottweil und Tuttlingen. Ab Schuljahresbeginn 1998/99 ist Platzfar 140 Schülerinnen und Schül.er. Landrat Karl Heim betonte: ,,Die Landkreise nehmen ihre Verpflichtungen gegenüber behin­ derten Kindern ernst.“ Am ersten Spaten stich beteiligten sich (von rechts) Oberschulamtspräsidentin Roseman’e Stürmlinger, Kreiskämmerer Werner Braun als Vertreter des Landkreises Tuttlingen, Land­ rat Karl Heim, der Rottweiler Landrat Manfred Authenriet und Architekt Hans-Günter Baisch. 62

Aus dem Kreisgeschehen Nahverkehr ganz im Zeichen der Finanznot Kürzung der Landeszuschüsse für die Schülerbeförderung führt zu massiven Protesten Ganz im Zeichen der immer knapper wer­ denden öffentlichen Mittel stand der öf­ fentliche Personennahverkehr (ÖPNV) im Schwarwald-Baar-Kreis. Bereits im Septem­ ber 1996 wurde bekannt, daß das Land Baden-Württemberg die Zuweisungen an den Landkreis fur die Erstattung der Schülerbeförderungskosten von 432 Mio. DM um 293 Mio. DM kürzen will. Dies hät­ te für den Schwarwald-Baar-Kreis bedeutet, daß er anstelle von 11,3 Mio. DM nur noch 3,6 Mio. DM an Landeszuschüssen für die Schülerbeförderung erhalten hätte. Da in unserem Landkreis ca. 70% der Einnahmen des Linienverkehrs im Schülerverkehr erzielt werden, hätte diese Kürzung katastrophale Auswirkungen auf die Schülerbeförderung und damit auch auf den ÖPNV gehabt. Auf­ grund massiver Proteste wurde die ur­ sprünglich geplante Kürzung von 2 93 Mio. DM auf 100 Mio. DM zurückgenommen. Für den Schwarzwald-Baar-Kreis bedeutet dies eine Verminderung der Zuweisung auf 8,7 Mio.DM. Aufgrund der ebenfalls schwierigen finan­ ziellen Situation beim Landkreis konnten diese Mindereinnahmen nicht mit Kreismit­ teln aufgefangen werden. Deshalb mußte die Finanzierungslücke durch Einsparungen bei der Schülerbeförderung (z.B. keine Ko­ stenübernahme mehr für schulinterne Fahr­ ten, Ausdehnung der zumutbaren Wartezeit auf 60 Minuten) und beim ÖPNV (z.B. Lei­ stungskürzungen in Zeiten schwacher Ver­ kehrsnachfrage) sowie durch die Erhöhung der Eigenanteile für die Schüler geschlossen werden. Die entsprechenden Satzungsände­ rungen traten zum 1. 4. 1997 in Kraft. Nachdem bekannt wurde, daß das Land Baden-Württemberg den integralen Takt­ fahrplan – auf dem das bisherige Stadtbahn­ Konzept als Teil des Ringzugsystems beruh- te – nicht wie vorgesehen 1998 landesweit einfuhrt, sondern stufenweise, wurde das Stadtbahn-Konzept zusammen mit der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württem­ berg überarbeitet und an die neue Situation angepaßt. Darauf aufbauend wurde die Ko­ sten- und Ertragsprognose aktualisiert und um eine sogenannte Sparvariante erweitert. Eine Umsetzung des Stadtbahn-Konzeptes ist nur möglich bei finanziellen Zuschüssen durch das Land Baden-Württemberg, über deren Höhe noch verhandelt wird. Im Schwarzwald-Baar-Kreis betreiben 19 Verkehrsunternehmen (Bus und Bahn) den ÖPNV. Im Vergleich zu anderen Landkrei­ sen ist dies eine hohe Anzahl, so daß im Be­ reich der Fahrpläne und Tarife ein hoher Koordinierungs- und Abstimmungsbedarf besteht. Um dies zu vereinfachen und das ÖPNV-Angebot für den Benutzer über­ sichtlicher zu gestalten, wird derzeit an der Einführung des kreisweiten Zonentarifs ge­ arbeitet. Dabei soll der Kreis in verschiede­ ne Zonen eingeteilt werden. Die Höhe des Fahrpreises richtet sich nur noch nach der Anzahl der Zonen, durch die der Fahrgast fährt. Dies hat den Vorteil, daß der Tarif für den Benutzer überschaubar ist und er mit ei­ ner Fahrkarte durch das ganze Kreisgebiet fahren kann. Auch in Zeiten von knappen Finanzmit­ teln ist der Landkreis bestrebt, das beste­ hende ÖPNV-Angebot zu erhalten und wo möglich und vertretbar noch zu verbessern. Aber auch beim ÖPNV gilt das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Nur wenn die an­ gebotenen Verkehrsleistungen auch nachge­ fragt werden, können diese von dauerhaf­ tem Bestand sein. Ansgar Fehrenbacher 63

Aus dem Krei geschehen Neues von der Partnerschaft mit Bacs-Kiskun Landesberufsschule für Hotel· und Gaststättengewerbe in Ungarn zu Gast verbrachten im Oktober 1996 ereignisreiche Tage im Komitat Bacs-Kiskun. 64 Im letztjährigen Almanach wurde über die neue Partnerschaft unseres Kreises mit dem ungari­ schen Komitat Bdcs-Kiskun berichtet. Wie sich die seit Mai 19 9 6 bestehende Verbindung mit Le­ ben erfüllt, zeigen die folgenden A usjührungen. Eine Vorreiterrolle bei der Knüpfung von Kontakten nach Ungarn hatte bereits 1995 die Landesberufsschule für das Hotel-und Gaststättengewerbe ge­ spielt, als Auszubildende der Fach­ schule für Gastronomie und Frem­ denverkehr aus der Stadt Kecskemet in Deutschland zu Gast waren und hier am Unterricht teilnahmen. Nun waren die Villinger eingeladen. Im Oktober 1996 besuchten 15 angehen­ de Köche, Restaurant-und Hotelfachleute in Begleitung der Lehrkräfte Wolfgang Lämmle, August Guter und Karl Windhaber ihre jetzige Partnerschule, die von Agnes Nitschmann geleitet wird. Unterstützt wur­ de die Reise vom Schwarzwald-Baar-Kreis und vom Förderverein für den gastronomi­ schen Nachwuchs. Neben Ausflügen in die Puszta, nach Bu­ dapest, einem Empfang im Rathaus von Kecskemet und einer Stadtführung mit dem Besuch verschiedener Museen stand der fachliche Austausch im Mittelpunkt des Programms. Ein intensiver Kontakt ohne Sprachbarrieren wurde durch die Tatsache ermöglicht, daß „Deutsch“ in Ungarn erste Fremdsprache ist und in den Fremden­ verkehrsklassen der Schule der Fachun­ terricht zum großen Teil in deutscher Sprache abgehalten wird. Im Praxisunterricht konnten die Vil­ linger Gäste die traditionelle ungari­ sche Küche mit Fischsuppe, Gu­ lasch, Pörkölt, Paprikasch und Mehl- speisen kennenlernen sowie sich von der hohen Q!ialität der Weinsorten Olaszriesling, Ehri Bikaver, Kekfrancos, Zweigelt und Tokaij überzeugen, während die Servicefachkräfte ihre Serviermethoden verglichen. Zum Abschluß der einwöchigen Reise or­ ganisierten die deutschen Schüler ein Fest­ bankett mit badischen Spezialitäten und Weinen fur ihre ungarischen Gastgeber. Das beeindruckendste Erlebnis war nach einhel­ liger Meinung die überwältigende ungari­ sche Gastfreundschaft; man verabschiedete sich in der Gewißheit, die Verbindungen aus­ zubauen. Als weitere Aktivität zur Vertiefung der Partner­ schaft mit Bacs-Kiskun ist die Reise von Kreis­ archivar Dr. Sturm nach Kecskemet und Baja im Juli 1996 zu erwähnen. Dort besuchte er eine internationale ethno­ graphische Konferenz Schüler der landesberufsfachschuleßir das Hotel- und Gaststättengewerbe mit dem Thema „Tradi­ tionen der zwischen

Partnerschaft mit Ungarn im Februar 1997 im hiesigen Landratsamt zu sehen. Donau und Theiß leben­ den Nationalitäten“, nahm als Vertreter des Landkreises an der Eröffnung der Aus­ stellung „Baja – 300 Jahre Stadt“ teil und überreichte im Rahmen des „Folklore­ festivals der Donauvölker“ auf Bitten des Komitatsprä­ sidenten Dr. Balogh einer deutsch-ungarischen Trach­ tenkapelle eine Auszeich­ nung. Auf seiner Reise konnte sich Dr. Sturm auch über die Deutsche Se.lbst- Eine Ausstellung mit Werken des Landschaftsmalers jdnos Bosz6 war verwaltung für die zahlrei- chen im Komitat ansässigen Donauschwaben informie­ ren. Im Februar 1997 wurde der kulturelle Austausch zwischen unserem Kreis und dem ungarischen Part­ ner-Komitat mit der Kunst­ ausstellung „Motive aus Kecskemet und Umge­ bung“ im Landratsamt wei­ tergeführt. Zu sehen waren Ölgemälde des Landschaftsmalers Janos Bosz6. Der 1922 in Kecskemet geborene und dort lebende Künstler gilt als bedeutender Chronist der Welt des ungarischen Tieflandes mit seinen typischen Gehöften. Seit 1957 sind seine Werke in Ungarn, Deutschland, Österreich, Japan, den USA und anderen Ländern zu sehen. Die Ausstellung in Villingen­ Schwenningen wurde in Anwesenheit von Schulleiterin Agnes Nitschmann aus Kecs­ kemet und von Landrat Karl Heim feierlich eröffnet, die musikalische Umrahmung be­ stritt die Jugendmusikschule St. Georgen. ge Deutsche zusammen mit anderen eu­ ropäischen Malern, Grafikern und Bildhau­ ern. Die von den ungarischen Gastgebern am Ende ausgewählten Werke sollen den Grundstock zu einer Sammlung moderner Kunst bilden, die im Herbst in Kecskemet und Baja zu sehen sein wird. Einen Anfang der Zusammenarbeit im Ge­ sundheitswesen bildete die Teilnahme von Dr. Rainer Zitzmann als Gast des Schwarz­ wald-Baar-Kreises an einer internationalen Konferenz am Plattensee mit dem Thema ,,Heilung und Therapie von Suchtkranken“ Ende Mai 1997. Dr. Zitzmann referierte über „Substitution von Heroinabhängigen im Behandlungsverbund von niedergelassenen Ärzten und Sucht-Beratungsstellen.“ An dem seit 1991 veranstalteten „Interna­ tionalen Workshop für Künstler“ auf der Donauinsel Veranka nahm vom 21. bis 30. Mai die Künstlerin Lore Will aus Königsfeld teil. In einer äußerst gastfreundlichen und kreativen Atmosphäre arbeitete sie als einzi- Dr. Helmut Rothenne! 65

Aus dem Krei ge chehen Die Nordröhre des B 31-Straßentunnels ist durchstoßen Die zweite Dögginger Timnelröhre wurde am 16. Mai 1997 von der Frau des Regierungspräsidenten, Edith­ Marie Schroeder, mit Hi!fe einer überdimensionalen Fräse „profimäßig“ durchstoßen. In knapp zwei Jah­ ren haben die Bergleute zwei 7,5 Meter breite Röhren in den Dögginger Fels gegraben. Auf rund 90 Mil­ lionen Mark ist der Tunnel im Zuge der B 31 kalkuliert, die gesamte Umfahrung des Bräunlinger Stadt­ teiles Döggingen wird 160 Millionen Mark teuer und soll im Jahr 2002 fertiggestellt sein. 66

Städte und Gemeinden Gelungenes Beispiel moderner Architektur Die Stadt Blumberg – ,,Drehscheibe“ zwischen Deutschland und der Schweiz 4. Kapitel I Almanach 98 Im „Brockhaus“ kann man unter dem Stichwort „Entwicklung“ nachlesen, daß es sich um „Veränderung und Entfaltung von Organismen und Sozialkörpern auf ein vor­ geformtes Ziel hin“ handelt. Entwicklung setzt also ein oder mehrere Ziele voraus. Zie­ le selbst kommen i. d. R. durch einen offe­ nen Prozeß der Auseinandersetzung, der Konfliktlösung und der Planung zustande. Stadtentwicklung hat also etwas mit ge­ planten Zielen zur Veränderung und Entfal­ tung des „Lebensraumes Stadt“ zu tun. Sie beinhaltet kommunales Entscheiden und Handeln und ist eine dauerhafte und dyna­ mische Herausforderung. Sie verlangt die Einsicht der Vergangenheit, die Klarheit der Gegenwart und die Vision der Zukunft. Will man heute die „Stadtentwicklung Blumberg“ bestimmen und sie visionär be­ trachten, so muß man zur Kenntnis neh­ men, daß die Entwicklung von Blumberg einen in den letzten 60 Jahren und im Ver­ gleich zu allen anderen Städten und Ge­ meinden in der Südbaar einmaligen, inter­ essanten aber auch schicksalhaften Verlauf genommen hat. Erzrausch in Blumberg (1936-1943) Mit der Entscheidung der deutschen Stahl­ konzerne und der staatlichen Stellen im Herbst 1937, einen großangelegten Abbau der eisenarmen Erze voranzutreiben, sollte für das kleine Dorf Blumberg eine neue Zeit anbrechen. Der Abbau des Doggererz leite­ te eine Entwicklung für Blumberg ein, wel­ che die nationalsozialistischen Herrscher gerne als Pionierleistung ihrer Staats- und Wirtschaftsführung bezeichneten. Erst 10 000, dann 15 000 und sogar 20 000 Men- Das heutige Blumberg hat viele architektonische Facetten zu bieten, Ausdruck moderner Baukunst. sehen sollten in der neuen Stadt Blumberg eine Heimat bekommen. Große Baupläne für Wohnbezirke wurden geschmiedet, Ar­ beitskräfte aus den Nachbargemeinden an­ geworben und die Einwohnerzahl schnellte innerhalb von drei Jahren von 800 auf 4 500 Menschen hoch. Tatsächlich aber war diese Entwicklung eine schwere Belastung für die gesamte Be­ völkerung, denn völlig überlastet, ohne Konzept und Planung, mit mangelhaften verkehrstechnischen Anbindungen an das Hinterland und die großen Zentren des Lan- 67

Städte und Gemeinden des entstand ein Gebilde, eher einer Sied­ lung als einer Stadt gleich. Tiefpunkt und Aufstieg (1945-1970) Die Nachkriegszeit Blumbergs, immer noch geprägt von der Erblast der zusam­ mengebrochenen Doggererzperiode, brach­ te bitterste Not, Hunger, Arbeitslosigkeit und Elend. Blumberg wurde mit den De­ montagemaßnahmen in den größeren In­ dustriebetrieben die wirtschaftliche Grund­ lage für einen nachhaltigen Wiederaufbau entzogen. Die vom nationalsozialistischen Staat noch versprochenen sozialen, kultu­ rellen und freizeitgerechten Einrichtungen fehlten und es herrschte für die Menschen auch auf diesem Gebiet eine bittere Unter­ versorgung. Erst dank erheblicher Anstrengungen der Stadt und staatlichem Engagement und Zu­ schüssen, aber auch mit dem erforderlichen O!ientchen Glück, gelang es mit der An­ siedlung der Teveswerke im Jahr 1945 und der Grundsteinlegung für die Taschentuch­ weberei im Jahr 1949, einem Zweigbetrieb des Textilunternehmens Lauffenmühle, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Weitere und nachhaltige Be­ triebsansiedlungen, namentlich die der Fir­ ma Straub Söhne, Darda und Lutz, folgten und festigten den wiedererstehenden indu­ striellen Charakter Blumbergs. Ein kleines Wirtschaftswunder setzt ein und verbessert so nachhaltig auch die kommunale Infra­ struktur. Kreis- und Gebietsreform mobilisiert die Kräfte (1970 -1990) Die Kreis- und Gebietsreform im Land Ba­ den-Württemberg prägten wesentlich den zeitlichen Abschnitt zu Beginn der siebziger bis Anfang der neunziger Jahre. Acht ehe­ mals selbständige Gemeinden wurden mit der Stadt Blumberg zu einer Großgemeinde mit rund 10 000 ha Gemarkungs fläche ver- 68 einigt. Der dadurch entstandene Nachhol­ bedarf in bezug auf die notwendigen Ein­ richtungen einer funktionierenden Infra­ struktur (Straßen, Ver- und Entsorgung, So­ zial-, Bildungs- und Gemeinschaftseinrich­ tungen) waren enorm; sie binden noch die planerischen und finanziellen Kräfte der neuen Stadt Blumberg bis in die jüngste Zeit. Der Bau des Schulzentrums, der Sporthal­ le und des Stadions, der Bau der Kläranlage Achdorf, der Stadthalle und der Mehr­ zweckhallen prägten diesen bedeutsamen Zeitabschnitt und sind heute schmucke und attraktive Wohn- und Lebensorte. Mit großen Schritten ins nächste Jahrtausend Zu Beginn der neunziger Jahre setzte sich der Gemeinderat in einer breit angelegten öffentlichen Diskussion mit der Frage aus­ einander, mit welchen Zielen sich das Un­ terzentrum Blumberg in das nächste Jahr­ tausend bewegen sollte. Im „Kommunalen Entwicklungsplan“ (KEP) wurden wesentli­ che Aussagen für die Entwicklungsbereiche Wohnen, Arbeiten, Verkehr, Freizeit und Fremdenverkehr getroffen. Damit wurde erstmals, losgelöst von den Instrumenten der Bauleitplanung, in einem breiten Kon­ sens zwischen Bürgerschaft und Rat die Marschrichtung für das nächste Jahrzehnt formuliert. Sie beinhaltet, daß sich Blum­ berg eine eigene Identität und Funktion im Sinne einer „Drehscheibe“ zwischen den Mittelzentren Donaueschingen, Tuttlingen und Waldshut auf deutscher Seite und Schaffhausen auf der unmittelbaren schwei­ zerischen Seite geben muß. Die Marsch­ richtung beinhaltet ferner ein ausreichendes Flächenangebot für Wohnen und Gewerbe und das Stärken und Ausbauen von Freizeit­ und Fremdenverkehrsangeboten als ein wei­ teres potentielles Standbein der Stadtent­ wicklung. Die einmalige und reizvolle Land­ schaft zwischen Buchberg, Eichberg und

Blumberg Ein viel beachtetes Beispiel von Gegenwartsarchitektur, die neue Sparkasse in Blumberg (Bilder oben). Eine Spende der Sparkasse ist der Brunnen am neu gestalteten Platz „Am Stadtbrunnen“. 69

1ädtc und Gemeinden Beispielhafte Architektur (Funktionalismus) und beispielhaftes Modellprojekt: Im Gewerbeareal lau.ffen­ mühle entstehen rund 40 000 Qßadratmeter Nuteflächefür Einkaufs-, Freizeit- und Produktionifl.ächen. Wutachtal sowie die vorhandene Siedlungs­ struktur prägen die Entwicklungsüberlegun­ gen hin zu einer Stadtlandschaft. Die ersten Ergebnisse der durch EU-Mittel geförder­ ten Studie über eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Region Blumberg und Schaffhausen (INTERREG II-Studie) un­ terstützen diese Kernaussage als zukunfts­ weisend. Nahezu parallel zu der abschließenden Formulierung des Kommunalen Entwick­ lungsplanes setzen Bemühungen ein, Teile der formulierten Ziele in die Tat umzuset­ zen. So wurde 1993 das Baugebiet „Ob dem Baumgarten“ am Südhang des Eichberg mit rund 7 ha Baulandfläche und einer beson­ deren Wohnqualität innerhalb 20 Monaten planerisch und erschließungstechnisch um­ gesetzt. Auch in den Stadtteilen wie Nord­ halden, Riedöschingen und Riedböhringen werden Bebauungspläne aufgestellt, befin­ den sich in der Erschließung und vor Be­ baubarkeit. Das Gewerbegebiet Vogelherd an der L 214 Zollhaus-Pützen mit rund 10 ha wurde in einem 1. Bauabschnitt von 3 ha erschlossen und steht an-und aussiedlungs­ interessierten Unternehmen in guter Lage zur Verfügung. Die äußere Erschließung die­ ses Gewerbegebietes wurde mit dem lei­ stungsfähigen Ausbau des Tunnelweges als Verbindungstangente zur B 27 optimiert. Bekannte Firmen wie die Lutz KG, Ma- 70 schinenbaufirma Teubert, der Stahlbaube­ trieb Feederle und die Niederlassung des Kraftwerks Laufenburg geben diesem Ge­ werbegebiet bereits heute einen prägenden Charakter. Stadtentwicklung sollte sich aber auch mit der „Urbanität“ der Kernstadt Blumberg auseinandersetzen und Vorgaben für Raum, Nutzung und Gestaltung geben. Der Ge­ meinderat entschloß sich neben dem seit 1985 laufenden Stadtsanierungsprogramm zu einer umfassenden „innerstädtischen Rahmenplanung“ als Instrument eines per­ manenten Entwicklungsprozesses in der Kernstadt. Mit dem Bebauungsplan „Stadt­ mitte I“ wurde im sich bildenden Zentrum von Blumberg die planerische Vorausset­ zung für den eindrucksvollen Bau der neu­ en Sparkasse gesetzt. Flankierende Maßnahmen in der Straßen­ raum-und Platzgestaltung, der Möblierung und der Kunst rundeten diesen wichtigen Entwicklungsschritt in der Innenstadt ab. Der Bebauungsplan „Stadtmitte I“ begün­ stigte weitere stadtprägende Baukörper mit der Nutzung für Einzelhandel, Dienstlei­ stungsgewerbe und Wohnen und stellt für Investoren optimale Rahmenbedingungen her. In einem nun folgenden II. Maßnah­ menabschnitt werden bis zum Jahre 2001 rund S Mio. DM aus Sanierungsmitteln in die Modernisierung, Gestaltung und Ent-

wicklung des wesentlichen Teils der Innen­ stadt entlang der Hauptstraße investiert. Pri­ vate wie öffentliche Sanierungsmaßnahmen werden dazu beitragen, daß es zu einer deutlichen städtebaulichen Aunvertung die­ ses bisher vernachlässigten Stadtquartiers kommt. Verwaltung und Dienstleistung, Ga­ stronomie und kleinstrukturierter Einzel­ handel werden die Nutzungsvielfalt be­ herrschen. Das in der Umsetzung befindli­ che Seniorenzentrum Blumberg (Betreutes Wohnen, Pflegeheim), im Herzen der Stadt und in qualitativ hochwertiger Wohnlage gelegen, schließt eine wichtige soziale Ver­ sorgungslücke. Es bildet zugleich eine funk­ tionelle Klammer zwischen dem westlichen und östlichen Innenstadtbereich. Schulzen­ trum, Kindergärten und die moderne Sport­ halle runden die öffentliche innerstädtische Infrastruktur ab. Nach dem langsamen Sterben des Blum­ berger Zweigwerkes der Textilfabrik Lauf­ fenmühle und dem endgültigen Aus im Jah­ re 1995 haben sich Konkursverwalter, die beteiligten Banken und die Stadt zu einem beispielhaften Modellprojekt, dem „Gewer­ beareal Lauffenmühle“ zusammengefun­ den. Hier entstehen in enger Abstimmung Blumberg und mit gemeinsamen Anstrengungen auf rund 40 000 qm Nutzfläche weitere attrakti­ ve Einkaufs-, Freizeit-und Produktions­ flächen. Die Einrichtung eines kommunalen Gründerzentrums ist ebenfalls in Planung. Durch eine urbane Gestaltung des gesamten Areals und der inneren und äußeren Er­ schließung soll diese aufstrebende Entwick­ lungsfläche mit der Stadtmitte vernetzt wer­ den. Ausblick Blumbergs Stadtentwicklung soll auch zukünftig als ein offener Prozeß vorange­ trieben werden. Die Bürgerschaft, Hand­ werker und Einzelhändler, Gewerbetreiben­ de und die örtlichen Unternehmen sollten sich durch eine aktive Beteiligung zur guten Entwicklung ihrer Stadt, ihres Wohn-, Ar­ beits-und Lebensraumes bekennen. Ge­ meinderat und Verwaltung sollten sich nicht scheuen, Visionen zu haben und in mach­ bare Ziele umzuwandeln. Es paßt das Wort von Jean Paul: ,,Das Ziel muß man früher kennen als die Bahn.“ Clemens Stahl, Bürgermeister Modeme Architektur begegnet einem in Blumberg auch beim Einkaufen. 71

tädte und Gemeinden Oberbaldingen – Ein lebendiges Gemeinwesen Die beiden Baldingen haben eine lange gemeinsame Geschichte Entlang der Köthach, welche das Wahrzei­ chen der Ostbaar ist und bei Geisingen in die Donau mündet, erkennt man von wei­ tem langgezogene Häuserreihen größten­ teils landwirtschaftlicher Prägung, das weit­ räumig angelegte Bauerndorf „Baldingen“. Wer das Ortsschild in der Mitte des Dorfes übersieht, bemerkt nicht, daß es sich hier um zwei Orte handelt. Nur die beiden wehr­ haften Kirchtürme von Baldingen machen den Fremden auf Unterschiede aufmerk­ sam, denn das untere Baldingen ist katho­ lisch und das obere Baldingen evangelisch. Der Ort Oberbaldingen hat mit Unterbal­ dingen eine lange gemeinsame Geschichte, welche in die Alamannenzeit vor dem 8. Jahrhundert v. Ch. zurückreicht. Im Zeital­ ter der Christianisierung am Bodensee und auf der Baar ist die erste urkundliche Er­ wähnung von Gesamt-Baldingen festge­ schrieben. Ein damals wohlhabender Mann namens Chrodhoch und seine Frau Ragis- winda übergaben am 21. Oktober 769 Gü­ ter zu Baldingen an das Kloster St. Gallen. Auf dieses Datum stützt sich die Gründung des Ortes. So konnte demzufolge das Fest der gemeinsamen 1200-Jahr-Feier in der Mitte der Ortsteile gefeiert werden. Unter fränkischer Oberhoheit wurde das Christentum eingeführt. Die Herrschaft stützte sich auf das Königsgut zu Neidingen (Neudingen), welches in 22 Baarorten nach­ zuweisen ist. In jenen Orten waren Kö­ nigsgüter oder Höfe vorhanden, die auch gleichzeitig St-Martins-Kirchen oder Kapel­ len in ihrem Umfeld errichteten. So ist die Ur-Kirche von Oberbaldingen eine solche St-Martins-Kirche, die sehr wahrscheinlich bis zur Reformation bestand. 1740 wurde die damalige Kirche oder Kapelle mit einem Erweiterungsbau versehen, der bis zum heu­ tigen Tag in seiner damaligen Form erhalten ist. Die Umrisse der alten Kirche oder Ka­ pelle sind noch deutlich zu erkennen. Blick auf das Neubaugebiet in Oberbaldingen, rechts im Hintergrund liegt Unterbaldingen. 72

• –.._ —­ Die Baarlandschaft wurde um 1250 nach dem Aussterben der Zähringer im Jahr 1218 mit dem jungen Haus des fürstenbergischen Grafen vereinigt. Doch gab es in den Verhält­ nissen im Lauf der Zeit gar manchen Wechsel. In der östlichen Baar bildeten sich in den Fürstenberger Grenzen neue Herrschaftsgebie­ te. Ausschlaggebend für die spätere Gestal­ tung der religiösen Ver­ hältnisse war, daß 1289 Dörfer der Ostbaar wie Oberbaldingen, Öfin­ gen und das halbe Sunthausen den War­ tenbergern übergeben wurden, welche dann 1359 an die Herren von Landau, 1372 an die von Sulz und somit an Württemberg ka­ men. Unterbaldingen hingegen blieb bei der fürstenbergischen Li­ nie. Doch damit war die erste weltliche Tei­ lung des Ortes „Baldin­ gen“ vollzogen. Mit dem Jahre 1562 (Reformation) erfolgte in Oberbaldingen, Mustergültig saniertes Bauernhaus in Oberbaldingen. Öfingen und dem hal­ ben Sunthausen auch die Glaubenstren­ nung, denn die erwähnten Orte waren ja in württembergischem Besitz. Somit war ein tiefer Graben durch das einst friedvolle „Bal­ dingen“ gezogen. Kirchlicherseits gehörte Gesamt-Baldingen bis zur Reformation zur �ard-Kirche, einst Heil�g-Kreuz-Kirche Ofingen. Nachdem aber in Ofingen nach 24 Oberbaldingen Kampfjahren der katholische Pfarrer Hans Schmied den Ort verlassen mußte und ein evangelischer Prediger einzog, wurde auch der Ort Unterbaldingen von Öfingen abge­ trennt. Jedoch die Toten beider Baldingen wurden weiterhin in Öfingen bestattet. Mit dem Ausbruch der Pest ist aber den Unter­ baldingem untersagt worden, Bestattungen 73

Städte und Gemeinden in Öfingen vorzunehmen. Oberbaldingen hingegen wurde von dieser Maßnahme nicht betroffen und blieb in dieser Bezie­ hung bis zum Jahre 1866 verbunden. So besagt auch eine Sage vom letzten Gra­ fen zu Bai dingen, sehr wahrscheinlich Ober­ baldingen, daß dieser Mann namens Orth in der Burg zu Ober-Baldingen gewohnt hat, welche unweit bei der Kirche stand. Dieser Graf war ein gefürchteter Leute­ schinder, der mit Salzhandel Wucher trieb. Als dieser gestorben war, trug man seinen Leichnam wie es Brauch war den Totenweg entlang Richtung Öfingen. Doch sodann setzte ein gewaltiger Sturm vom Himmel­ berg her kommend ein, der den Sargträgern den Sarg aus den Händen riß. Daraufhin, aus Angst und Entsetzen, ließen sie alles lie- gen und flüchteten. Erst im Frühjahr nach der Schneeschmelze gedachte man wieder des unglücklichen Toten, doch der Sarg war leer. So soll aber dieser Graf der Überliefe­ rung zufolge noch lange Zeit zwischen den Orten als Geist gewandelt sein. Die Gemeinde Oberbaldingen legte erst 1887 einen eigenen Friedhof an. Auch löste sich der Ort kirchlicherseits von Öfingen. 1861 wurde ein Vikariat eingerichtet und 1871 wurde dieses zur selbständigen Pfarrei. Dabei diente das jetzige Anwesen Meßner als Pfarrhaus, wurde aber 1893 durch einen Neubau ersetzt. Im 30-jährigen Krieg war das Schulwesen an fast allen Orten vernachlässigt worden. In Oberbaldingen ist eine Schule mit dem Jah­ re 1657 erwähnt. Zur Unterhaltung mußte der Ort jährlich neun Gulden und zehn Kreuzer beisteuern. Als Schulhäuser dienten die alte Schmiede an der Kreu­ zung nach Öfingen, ferner das Haus Nr. 8 in der Dorfstraße. Das noch be­ stehende Schulhaus bei der Kirche wur­ de 1857 erbaut. Auch gab es in der Ge­ meinde Oberbaldingen einen Schul­ fonds auf privater Basis, der es ermög­ lichte, daß auch Kinder aus ärmlichen Verhältnissen die Schule besuchen konnten. Ebenso gab es um 1890 einen Pfennigverein auf christlicher Grundla­ ge, der vom damaligen Pfarrer verwal­ tet wurde und in Notsituationen seine Verwendung fand. 1964 erfolgte durch die damals noch selbständige Gemeinde ein Schulhaus­ Neubau. 1995 wurde diesem ein Er­ weiterungsbau angefügt, denn in Ober­ baldingen befindet sich die Grund­ schule für die umliegenden Ostbaarge­ meinden. Oberbaldingen war wie andere Ge­ meinden ein rein bäuerliches Dorf. Nach und nach hat es sich mit dem Die evangelische Kirche von Oberbaldingen. Die weltliche Strukturwandel in der Landwirtschaft Teilung der beiden Baldingens erfolgte wr Zeit der Re.for- wesentlich verändert. Es gibt zur Zeit mation. nur noch zwei landwirtschaftliche Voll- 74

Oberbaldiogen Stünde da nicht das Ortsschild,für den Durchreisentkn wäre tkr Übergang von Ober- nach Unterbaldin­ gen nicht zu bemerken. Unten: Ein farbenprächtiges Ringelblumenfeld im Ortskern. 75

Städte und Gemeinden erwerbsbetriebe. Die meisten Bür­ ger, einschließlich der Zuerwerbs­ landwirte, sind Auspendler und ar­ beiten in umliegenden Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungs­ betrieben. So sind auch einige der Gemeinschaftseinrichtungen dem schnellen Wandel zum Opfer gefallen: Die 1906 gegründete landwirtschaftliche Ein-und Ver­ kaufsgenossenschaft mit Milch­ sammelstelle, die öffentliche Far­ ren-und Eberhaltung, der Fleisch­ abnahmeverein und die Einrich- tung der öffentlichen Gemein­ dewaagen. In gewerblicher Hinsicht besitzt Oberbaldingen ein modernes Sä­ gewerk, welches in der 4. Genera­ tion seit 1896 besteht. Auf kultu­ rellem Gebiet kann Oberbaldin­ gen stolz auf sich sein. Der 1919 gegründete Gesangsverein „Lie­ derkranz“, als ältester Verein, ver­ anstaltet jährlich zwei Konzerte (Frühjahrs-und Adventskonzert). Der Turn-und Sportverein, 1931 gegründet, ist mitgliedsstärkster Verein mit ca. 300 Personen. Der Verein gliedert sich in drei Ab­ teilungen mit Turnen, Leichtathle­ tik und Fußball. Ein großräumiges Vereinsheim, welches 1981 einge­ weiht wurde, ist das Herzstück des Vereins. Auch eine Turnhalle zur Körperertüchtigung (1961) und zwei modern angelegte Sportplät­ ze mit Flutlicht dienen dem Sport­ geschehen. Der wiedergegründete Musik­ verein Oberbaldingen (1975) ist aus dem kulturellen Geschehen gleichfalls nicht mehr wegzuden­ ken. Zuvor war der Vorläufer des Vereins, der von 1868 bis 1939 be­ stand, tragende Säule im kulturel­ len Bereich. Im selbigen Jahr 1868 76 f I ) ) / , ,, „, / , /. Prächtige Giebel und Gärten, aber auch eine liebevoll restaurier­ te Z-ehntschetter lenken in Oberbaldingen die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich. . .. UJ

Oberbai dingen Das WapP-en von Oberbaldingen Wappen: Unter goldenem Schildhaupt, dar­ in eine liegende schwarze Hirschstange, in Blau zwei abgewendete silberne Karpfen. Die kleine Baargemeinde Oberbaldin­ gen hat lange Zeit kein Wap­ pen geführt. Die Gemeinde­ siegel und -stempel des 19. Jahrhunderts zeigten nur Schrift. In einem Farbdruck­ stempel mit der Umschrift GEMEINDE OB. BAL­ DINGEN standen in einem von Zweigen umgebenen Medaillon die Buchstaben OB. Erst nachdem 1895 das Großherzoglich badische Ministerium des Innern angeregt hatte, allen Gemein­ den, die noch kein Wappen hatten, unter Beratung durch das Großh. bad. Gene­ rallandesarchiv in Karlsruhe (GLA) Wap­ pen zu schaffen, trat der Gemeinderat diesem Gedanken näher. Das GLA schlug obiges Wappen vor, dem die Ge­ meinde 1903 zustimmte. Und seit 1904 steht es in den Gemeindestempeln. Das Wappen zeigt im Grunde zwei Wappenbilder: Unter dem altwürttem­ bergischen Schildhaupt mit der Hirsch- stange steht das Wappenbild der Herren von Karpfen, da der Ort angeblich einst zur Herrschaft Karpfen gehörte, was aber urkundlich nicht belegt werden kann. Dagegen gehörte Ober-Baldingen seit dem 14. Jahrhundert zu Württemberg und wurde erst 1810 an Baden abgetreten. Durch die Eingemeindung am 1. September 1971 in die Stadt Bad Dürrheim ist das Wappen als offizielles Ge­ meindesymbol erloschen, doch kann es weiterhin vom Ortschaftsrat, von Vereinen und einzelnen Bürgern ge­ zeigt werden. Prof Klaus Schnibbe: Quellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Wappenakten Amtsbezirk Do­ naueschingen u. Landkreis Donaueschingen. – GLA-Wappenkartei Schwarzwald-Baar­ Kreis. – GLA-Siegelkartei Schwarzwald­ Baar-Kreis. – K. Schnibbe, Gemeindewappen im ehem. Landkr. Donaueschingen, in: Schriften d. Vereins! Gesch. u. Naturgesch. d. Baar in Donaueschingen, Band 33 (1980). wurde auch die Freiwillige Feuerwehr im Ort gegründet. Tatkräftige Männer standen für das Gemeinwohl ihrer Mitbürger bereit. Be­ sondere Beachtung findet auch der Land­ frauenverein, der auf das Wohl älterer Ge­ meindeglieder bedacht ist. Der alljährlich stattfindende Christkindlemarkt in Bad Dürrheim ist zum festen Bestandteil des Vereins geworden. Auf Initiative der Mit­ glieder sind ein Grillplatz und eine Schutz­ hütte, zum Teil in Eigenarbeit und mit fi­ nanzieller Unterstützung des Vereins, auf dem Hausberg von Oberbaldingen, „Unter- zieren“ genannt, entstanden. Und es gibt im Ort einen Angelsportverein, der im Ge­ wann Setzenen im Baldinger Wäldchen ei­ nen See angelegt hat und dorthin Freunde und Gönner alljährlich zu einem gemütli­ chen Beisammensein einlädt. Die Vereins­ arbeit untereinander ist vorbildlich. Gegen­ seitige Unterstützung zu Anlässen und Festen tragen zu harmonischen gemein­ schaftlichen Kulturarbeit in Oberbaldingen bei. Herwig Meßner 77

Städte und Gemeinden Kappel – grüner Ort im mittleren Eschachtal Wallfahrtsort „Elsenau“ weithin bekannt – Stolz auf die Rückkehr der Grundschule Die erste urkundliche Erwähnung geschah im Jahre 1086 im Zuge der Schenkung eines Niederadligen „de Capella“ an das neu ge­ gründete Kloster Sankt Georgen. Dies läßt darauf schließen, daß zu dieser Zeit bereits eine entsprechende Siedlung mit einer klei­ nen Kirche oder eben einer Kapelle existier­ te. Die heutige Kappler Kirche ist unbestrit­ ten das älteste Gebäude des Ortes. Die Chorapsis reicht noch in die romanische Stilperiode (1000-1250) zurück, während der massive, mit dicken Mauern und Schießscharten versehene Sattelturm der Spätgotik zuzurechnen ist. An einer Rund­ bogenluke ist die Jahreszahl 1564 einge­ meißelt. Steht schon die Kirche selbst seit Jahrhun­ derten in der Ortsmitte, so befand sie sich auch in geschichtlicher Beziehung stets im Mittelpunkt des dörflichen Lebens. Erst­ mals im Zusammenhang mit der Erhebung von Kreuzzugssteuern wird 1275 eine Pfar­ rei nachgewiesen. 1575 verkaufte Jakob von Falkenstein den Pfarr-und Kirchensatz samt großem und kleinem Zehnten an die Prä­ senzgeistlichkeit in Villingen. 1814 wurde die Kappler St. Othmarsgemeinde dann der Pfarrei Weilersbach angeschlossen. Interessant sind die damals festgelegten Pfarrechte. So hatten die Kappler weiterhin Anspruch auf einen eigenen Sonntagsgot­ tesdienst, wöchentlich zwei heilige Messen und Religionsunterricht. Gelegentlich fin­ den sich in alten Abhandlungen Hinweise auf die Existenz eines Wallfahrtskirchleins. So ist im Jahr 1600 von einem „Gnaden­ kirch-Altar zu unserer lieben Frau in der ur­ alten Kirch von Kappel“ zu lesen. Nach- Ein Kleinod im Kappler Ortskern, prächtig saniertes Haus mit liebevoll gepflegtem Garten. 78

Kappel Blick von Süden auf Kappel. weisbare bauliche Zeugen sind allerdings nicht mehr vorhanden. Von einer sehr leb­ haften Marienverehrung jedoch gibt heute der Wallfahrtsort „Elsenau“ an der Land­ straße zwischen Kappel und Obereschach Kunde. Der seit den Anfängen 1888 beste­ hende Wallfahrtsort erfreut sich derzeit ei­ ner bisher nie erreichten Aufmerksamkeit. 1677 kam Kappel an das württembergische Klosteramt Sankt Georgen und fiel dann 1810 an das Großherzogtum Baden. Ortsgeschichtliche Bedeutung hat auch ei­ ne Untersuchung im Auftrag der Universität Freiburg in den Jahren 1919/1920 in dem nur einen Steinwurf vom Wallfahrtsort „El­ senau“ entfernt gelegenen ehemaligen Sand­ steinbruch. Gefunden wurden Versteinerun­ gen von insgesamt 37 molchartigen Lurchen der Gattung „Mastodonsaurus“, die vor Jahrmillionen die Region bevölkerten. 1833 brannte das alte Kappler Schulhaus ab. Zwei Jahre später konnten Lehrer und Schüler ins neue Gebäude einziehen, wel- ches für 3 170 Gulden errichtet wurde. Die Bevölkerung hatte beträchtliche „Frondien­ ste“ dafür zu leisten. In diese Zeit fiel auch der Verkauf von Waldungen an die derzeiti­ ge Landesherrschaft (heute Staatswald) mit insgesamt „59 Morgen, zwei Vierlingen und 48 Ruthen“ in den Gewannen „Königshal­ de“ und „Mayländer“. Schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg genügte der alte Schulbau den Ansprüchen nicht mehr. Als erste Gemeinde im Kreisge­ biet entschloß man sich daher für einen Neubau auf dem Kappler „Schloßberg“. Mit Gesamtkosten von rund 350 000 DM glaub­ te man eine Art Zukunftswerk geschaffen zu haben. Knappe fünfzehn Jahre später kam jedoch im Zuge der Schulreform für die Volksschule das Ende. Zunächst wurden ei­ nige Klassen in Obereschach unterrichtet, und später ging der gesamte Schulbetrieb in der Grund- und Hauptschule von Nie­ dereschach auf. Die leerstehenden Schul­ räume wurden in eine Mehrzweckhalle und 79

Städte und Gemeinden im Obergeschoß in ei- • nen Kindergarten umge- baut. Doch als später -· von der Wiedereinfüh- rung der ländlichen Grundschule die Rede war, setzten die Kappler sich vehement dafür ein, daß die Grundschüler wieder im eigenen Dorf in die Schule gehen konnten. Seitdem hat die Kappler Schulstraße auch wieder ihre eigene Bedeutung. Mag es auch Leute ge­ ben, die spöttisch von „Zwergschule“ reden: In Kappel hält man viel auf den neuen Schulbetrieb mit der derzeitigen Kon­ rektorin Haberbosch, der von einem hervorra- Die katholische Kirche, an deren Turm sich genden Klima zwischen die Jahreszahl 1564findet. Lehrer und Elternschaft und den Schülern ge­ kennzeichnet ist. Ab 1770 finden sich Aufzeichnungen aus frü­ heren Gemeinderatssit­ zungen. 1839 hatten die Einwohner über den Bau einer Brücke über die Eschach in der heu­ tigen Schulstraße zu be­ finden. Wer zu dieser Versammlung nicht er­ schien, mußte dreißig Kreuzer Strafe zahlen. Von 1840 bis 1890 be­ stand der neue Friedhof am Ausgang der heuti­ gen Eschachstraße, der mit einer Sandstein­ mauer eingefriedet war. Noch ist manchem die alte Friedhofskapelle in Erinnerung mit ihren Ansicht der Brestenbergstraße. 80

Kappel Der Wallfahrtsort »Elsenau“ an der Landstraße zwischen Obereschach und Kappel gekgen. künstlerisch herben Heiligenfiguren. Im Zu­ ge des Kapellenumbaues kamen sie ins Fischbacher Heimatmuseum. 1853 übernahm die Gemeinde die Farren­ haltung in eigener Regie. Drei Jahre später erfolgte die Zehntablösung und die Zehnt­ scheuer am Eingang der heutigen Mühlen­ straße wurde verkauft und abgebrochen. Über eine große Maikäferplage klagten die Einwohner 1868. In wenigen Tagen wurden „40 Sester“ eingesammelt, wobei für einen Sester von der Gemeinde zwölf Kreuzer be­ zahlt wurden. 1869 ging auf der Gemarkung das bisher größte Unwetter nieder. Die Ha­ gelkörner sollen so groß wie Hühnereier ge­ wesen sein und von vielen Dächern fielen die Ziegel herunter. Der Gesamtschaden be­ lief sich auf 30 000 Gulden. 1905 leistete man sich eine eigene Trink­ wasserversorgung. 1914, kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges, wurde die „Electri­ zität“ eingeführt. Noch war die Landwirt­ schaft Haupterwerbszweig der Bevölkerung, was die Gründung der landwirtschaftlichen Ein- und Verkaufsgenossenschaft zum Aus­ druck brachte, die heute nicht mehr exi­ stiert. War es Geldmangel, daß man im In­ flationsjahr 1923 im Gemeindewald nur 25 Festmeter Nutzholz und sieben Ster Brenn­ holz aufbereiten ließ? Der Gemeinderech­ ner jedenfalls hatte für diese Arbeiten 300 Milliarden Mark zu bezahlen. Galt bis nach dem Zweiten Weltkrieg die Landwirtschaft als die tragende Einkom­ mensquelle, so setzte mit der Expansion der Industrie in der näheren Umgebung ein grundlegender Strukturwandel ein. Ein ebensolcher Wandel des Ortsbildes war die Folge. Die typischen Bauernhäuser ver­ schwanden und wurden in Wohnhäuser umgebaut. Heute besteht lediglich noch ei­ ne Vollerwerbslandwirtschaft. Es entstanden die Neubaugebiete „Unterm Herrschafts­ wald“, ,,Silberhalde“, ,,Ammelbach“ und ,,Wolfsacker“. Heute zeichnet sich ein neuerlicher Struk­ turwandel ab, der sich aus den industriellen Schwierigkeiten der Region erklärt. Da we- 81

Kappel Das Wappen von Kappel Wappen : In Silber, über grünem Schilc!fuß, eine rote Kapelle, Turm (heraldisch) links, mit blauem Dach. Die St. Georgisch /alt-würt­ tembergische Gemeinde wur­ de 1810 vom damaligen Königreich W ürttemberg an das neugeschaffene Großher­ zogtum Baden abgetreten. Erst seitdem hat sie das Recht, Schriftstücke mit ei­ nem eigenen Siegel zu verse­ hen (sog. Siegelrecht). Das äl­ teste Siegel von 1811 zeigt noch das damalige großh. ba­ dische Wappen. Im nächsten Siegel aus der Zeit von 1830/40 steht, umgeben von der Umschrift: BÜRGERMEI: AMT: KAPEL, eine Kapelle (Turm he­ raldisch links), überhöht von einem Buchstaben K. Spätere Siegel und Farb­ druckstempel zeigen stets eine ein- oder zweitürmige Kirche mit dem K (Turm rechts!). Um die Jahrhundertwende schlug das Großh. badische Generallan­ desarchiv Karlsruhe ein Wappen für Kap­ pel vor: In Silber auf grünem Boden eine zweitürmige Kirche (deren Farbe vage blieb). Der Gemeinderat versagte diesem Entwurf seine Zustimmung. niger Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, orientiert sich die junge Facharbeitergenera­ tion mehr und mehr hin zu den industriel­ len Ballungsräumen. Noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in Kappel eine Ziegelei, eine Getrei­ demühle und einen Sägewerksbetrieb. Aus der Getreidemühle ging die heutige Gast­ stätte „Mühlenklause“ hervor, die Ziegelei wurde 1900 abgebrochen. Lediglich das Sä­ gewerk, welches sich auf eine veränderte Pro­ duktion umgestellt hat, existiert noch. Eine 82 Erst nach dem Zweiten Weltkrieg bemühte sich der Villinger Landrat Dr. Astfäller um die Gemeindeheraldik. Der damalige Wappenreferent im GAL, Dr. H. D. Siebert, legte dann für Kappel den Entwurf mit eintürmigem Kirchlein auf der Grundlage des ältesten Siegelbildes vor, dem der Gemeinderat am 7. April 1952 zustimmte. Am 2. De­ zember 1960 hat das Innen­ mmtsterium Baden-Würt­ temberg der Gemeinde Kap­ pel das Recht zur Führung dieses Wappens verliehen. Durch die Eingemeindung von Kappel nach Niedereschach zum 1. Januar 1974 ist das Wappen erloschen. Prof Klaus Schnibbe Quellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Wappenakten Amtsbezirk u. Landkreis Villingen. – GLA-Wappenkartei Schwarzwald- Baar-Kreis. – GLA-Siegelkar­ tei Schwarzwald-Baar-Kreis. – Gemeinsames AmtsblattBad.-Württ. 9(196J)Nr. J(Wap­ penverleihung). – H. G. Zier, Wappenbuch d. Landkr. Villingen, Stuttgart 1965. Kunststoffverarbeitungsfirma und ein Be­ tonwarenbetrieb, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden, gingen inzwischen wieder ein. Ein Baugeschäft, etliche kleinere Handwerksbetriebe und ein neu angesiedel­ tes Tierpräparations- Atelier florieren hinge­ gen. Am 1. Januar 1974 wurde Kappel in die neue Gesamtgemeinde Niedereschach mit einbezogen. Martin Reich

5. Kapitel I Almanach 98 Behörden, Organisationen und Institutionen Ein Partner für Finnen der Region Das Institut für Mikro- und Informationstechnik unterstützt die Industrie bei der Realisierung von High-Tech-Entwicklungen Am Institut für Mikro- und Informations­ technik (IMIT) werden Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in Kooperation mit der Industrie und öffentlichen Auftragge­ bern durchgeführt. Der Aufgabenschwer­ punkt des IMIT liegt in der Umsetzung der Mikro- und Informationstechnik in indu­ strielle Produkte. Mit Hilfe der Mikrotech­ nik werden beispielsweise Sensoren zur Messung von Temperatur, Druck, Kraft, Be­ schleunigung, Strömung und Drehrate her­ gestellt. Weiterhin wird die Mikrotechnik eingesetzt, um mikrofluidische Bauelemen­ te zur präzisen Dosierung von Flüssigkeiten und Gasen zu realisieren, wie z.B. Pumpen, Ventile, Tropfengeneratoren und Düsen. Die Informationstechnik – als zweiter Teil des IMIT – befindet sich derzeit im Aufbau. Der für diesen Institutsbereich notwendig gewordene Neubau wurde im Frühjahr 1997 eingeweiht. Ein Arbeitsgebiet der Informations­ Schwerpunkt dieses Institutsbereiches. Ne­ ben der Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten – in etwa 600/o der Ko­ operationen mit der Industrie sind Firmen aus der Region eingebunden – bietet das IMIT Firmen aus der Region im Rahmen von Dienstleistungen die Nutzung seiner In­ frastruktur an. Beispiele sind hier die Elek­ tronenmikroskopie, meßtechnische Unter­ suchungen und Simulationsrechnungen. Nachfolgend sollen einige Ergebnisse aus der Arbeit des IMIT beschrieben werden. Ein Bauelement, das inzwischen in Mil­ lionen Stückzahlen verkauft wird, sind mi­ krotechnisch hergestellte Drucksensoren. Diese Sensoren haben sehr vielfältige An­ wendungsgebiete. Sie werden beispielsweise zur Messung des Luftdruckes in Barome­ tern, des Blutdruckes und zur Regulierung ist die Entwicklung von technik Steuerungselektronik, ein weiteres die Anwendung von Soft­ ware beispielsweise zur Optimierung von Produktions- prozessen. Auch die Entwicklung von Software – beispiels­ weise zur Spracher­ kennung für die Be­ dienung von Ge­ räten in der Me­ dizin oder beim Mobilfunk im Kfz. Bereich – ist ein Der im Frühjahr 19 97 eingeweihte Neubau für die Informationstechnik. 83

Behörden und Institutionen des Wasserstandes in der Waschmaschine einge­ setzt. Am IMIT wurden für verschiedene Kun­ den Drucksensoren ent­ wickelt, so daß inzwi­ schen eine Palette von Sensoren für den Be­ reich von einem Zehntel bis zum Zehnfachen des normalen Luftdruckes zur Verfügung stehen. sind besitzt und die Pumpe und Ventil zugleich ist. Wie funktionieren sol­ che Sensoren? Das we­ sentliche Element ist ei­ ne kleine, extrem dünne Membran (ein hundert­ stel Millimeter dick). In Die Mikropumpe »VAMP‘:Jür die das !MIT die grundlegenden Patente diese Membran elektrische Widerstände integriert, die ihren Wert je nach Stärke der mechanischen Spannungen in der Mem­ bran ändern. Liegt nun auf der einen Seite der Membran ein höherer Druck an als auf der anderen, so biegt sich die Membran durch. Dadurch ändern sich die mechani­ schen Spannungen in der Membran und da­ mit auch der Wert der elektrischen Wider­ stände. Durch die Messung dieser Wider­ standsänderung bekommt man Information über den anliegenden Druck. Ähnlich funk­ tionierende Drucksensoren, nur mit ent­ sprechend größeren Abmessungen, können auch z.B. mit Hilfe der Feinwerktechnik hergestellt werden. Je nach Anwendungsbe­ reich können der Preis, die erforderliche Ge­ nauigkeit, die Robustheit, der Energiever­ brauch, die Größe und andere Merkmale den Ausschlag dafür geben, daß anstatt kon­ ventioneller Sensoren mikrotechnisch her­ gestellte verwendet werden. bestimmen, beispielsweise Strömungsge­ schwindigkeiten. Durch die Messung der Strömungsgeschwindigkeit von Stadtgas oder Trinkwasser in der Hauszuleitung läßt sich der Gas- oder Wasserverbrauch ermit­ teln und durch eine entsprechende Messung in den Heizungsrohren (zusammen mit der Temperatur) der Wärmeverbrauch. Der Vor­ teil bei diesen Anwendungen ist, daß die entsprechenden batteriebetriebenen Geräte nicht mehr vor Ort abgelesen werden müs­ sen, sondern daß die Verbraucherdaten au­ tomatisch erfaßt und an den Gas-, Wasser­ oder Wärmelieferanten zur Erstellung der Verbrauchsabrechnung übermittelt werden können. An der Entwicklung von Sensoren für diese kostengünstige Verbrauchserfas­ sung wird am IMIT gearbeitet – in Koope­ ration mit vier Firmen aus der Region. Automatische Datenerfassung Neben der direkten Messung von Druck in Gasen und Flüssigkeiten lassen sich mit Drucksensoren auch andere Parameter 84 Neben mechanischen lassen sich auch flui­ dische Bauteile mit Hilfe der Mikrotechnik realisieren. Ein herausragendes Beispiel für dieses Gebiet ist eine neuartige Mikropum­ pe, die „VAMP“ (YALVE AND MICRO­ EUMP), für die das IMIT die grundle­ genden Patente besitzt. Die VAMP kann als Ventil und auch als Pumpe verwendet

Mikro· und Infonnationst chnik werden. Sie eignet sich für Flüssigkeiten und für Gase und kann sowohl vorwärts als auch rückwärts pumpen. Inzwischen gibt es sogar eine Weiterentwicklung der Pumpe, die Flüssigkeiten selbst ansaugen kann und so­ mit vor ihrer Verwendung nicht befüllt wer­ den muß. Mit dieser Pumpe werden Förder­ raten im Bereich von einem Mikroliter bis zu mehreren Mi!Witem pro Minute erreicht. Zum Vergleich: ein gewöhnliches Schnaps­ glas enthält 20 Milliliter, ein Milliliter wie­ derum entspricht tausend Mikrolitern. Die Pumpe benötigt also im „schnellsten Gang“ einige Minuten, um ein Schnapsglas zu fül­ len, man kann sie aber auch so langsam lau­ fen lassen, daß sie dazu Stunden, ja Tage benötigt. Wo es um kleinste Mengen geht. .. Die Anwendungsgebiete der VAMP sind demnach alle Bereiche, in denen man klein- ste Mengen präzise dosieren muß. Das Bau­ element wurde am IMIT in einer Kleinserie hergestellt und als Funktionsmuster zusam­ men mit den dazu entwickelten elektroni­ schen Ansteuerungen an interessierte Fir­ men aus der ganzen Welt abgegeben. Damit waren diese in der Lage, Versuche mit dem Bauelement durchzuführen und anhand der Ergebnisse die Einsatzmöglichkeiten der Mikropumpe in ihren Produkten zu beur­ teilen. Derzeit wird das Bauteil in Zusam­ menarbeit mit Firmen kundenspezifisch zur Serienreife weiterentwickelt. Anwendungs­ gebiete sind u. a. die Schmiermitteldosie­ rung, die chemische Analytik in den Berei­ chen Umweltüberwachung, medizinische Diagnostik, Prozeßüberwachung sowie die Bereiche Haushalt und Medizintechnik. Auch hier arbeitet das IMIT eng mit Firmen aus der Region zusammen. Für zwei Firmen werden kundenspezifische Dosiersysteme entwickelt, deren Aufgabe es ist, wäßrige Die Arbeit im Reinraum. Die Entwickl.ung und der Bau mikrotechnischer Elemente erfordert hochgradige Technisierung und eine erstklassige Ausstattung im Laborbereich, wie sie im 1 MIT zu finden ist. 85

Mikro- und Informationstechnik Technologien für die un­ terschiedlichsten Anwen­ dungen eingesetzt wer­ den können. Den Zugang zu diesen modernen Technologien erleichtert das IMIT vor allem auch kleinen und mittleren Unternehmen der Regi­ on. Gerade für diese Fir­ men ist es schwierig, von komplexen Technologien zu profitieren, denn sie können sich die für die Entwicklung und Ferti­ gung mikrotechnischer Bauelemente notwendige technologische Infra­ struktur nicht leisten, bzw. eine solche Investiti­ on würde sich für sie wirt­ schaftlich nicht lohnen. Diese Unternehmen sind deshalb auf Kooperatio­ nen z.B. mit dem IMIT angewiesen. Unsere Stra­ tegie ist es, den Kunden ein komplettes Dienstlei- stungsangebot aus einer Hand anzubieten. Neben Dienstleistungen, sozusagen als verlängerte Werkbank von Fir­ men, bieten das IMIT die Entwicklung neu­ er Bauelemente aber auch von Gesamtlö­ sungen an. Wir übernehmen die Herstel­ lung von Kleinserien und unterstützen in bezug auf die spätere Produktion. Dennoch kann ein Unternehmen nicht von heute auf morgen von diesen Technologien profitie­ ren. Um entsprechende Ansatzpunkte zu finden, ist meist mehr als nur ein Gespräch notwendig. Dr. Rainer Günzler, Prof Hermann Sandmaier Strömungssensor: Die Entwicklung und Herstellung von Sensoren für die Industrie ist eine der Hauptaufgaben des Institutes für Mikro- und Informationstechnik in Villingen-Schwenningen. Lösungen in kleinsten Mengen von einigen Mikrolitern pro Minute bedarfsgerecht und kontinuierlich abzugeben. Im Rahmen eines weiteren Projektes mit Firmen aus Baden-Württemberg werden ein Drucksensor, ein Mikroventil, eine Drossel und ein elektronischer Regler zu einem Druckregelsystem für den Bereich zwischen einem und zehn Bar zusammengefügt. Vor­ teile des Einsatzes von Mikroventilen in der Pneumatik sind neben den kleinen Abmes­ sungen der Bauteile von etwa einem Zenti­ meter vor allem, daß sie nahezu ohne Ener­ gieverbrauch und sehr schnell – mit Schalt­ zeiten im Bereich von Millisekunden – be­ trieben werden können. Schon die wenigen beschriebenen Beispie­ le zeigen, daß die am IMIT verfügbaren 86

Spitzenwerte beim Umsatz mit Neuprodukten Die Region Schwarzwald-Baar-Heuberg gehört zu den innovativsten im Südwesten Behörden und Institutiooco vor Karlsruhe mit 2,91 DM und Freiburg mit 2,98 DM. Bemerkenswert ist außerdem, daß in der Region auch eine vergleichsweise größere Anzahl von innovativen, kleineren Unternehmen anzutreffen ist als in anderen Regionen. Die IHK begrüßt diese Ergebnis­ se vor allem deshalb, weil das allgemeine In­ novationsklima der Region bisher als nicht so günstig eingeschätzt wurde. Wenn die Region Schwarzwald-Baar-Heu­ berg effizient nach außen dargestellt und vermarktet werden soll, dann müssen die Chancen des Mediums Internet genutzt werden. Die Region Schwarzwald-Baar­ Heuberg kann aufgrund ihrer relativ peri­ pheren Lage zu den Ballungszentren von Nach den Ergebnissen einer Studie des Karlsruher Fraunhofer-Instituts für System­ technik und Innovationsforschung zählt die Region Schwarzwald-Baar-Heuberg zu den innovativsten im Südwesten. Die hiesige In­ dustrie bringt häufiger und schneller Neues auf den Markt als die Unternehmen anderer Regionen im Land Baden-Württemberg. Und auch die �ote der Patentanmeldun­ gen liegt über dem Bundesdurchschnitt. Nach Ansicht der Industrie-und Handels­ kammer (IHK) Schwarzwald-Baar-Heuberg tragen die vielfältigen Anstrengungen der vergangenen Jahre, und hier gerade der mittelständischen Industrie, ihre Früchte. Ersichtlich wird diese Bewertung gleichzei­ tig an mehreren positiven Innova­ tionsfaktoren: O ein höherer Umsatzanteil an Neuprodukten O eine schnellere Erneuerung der Produktpalette O und eine höhere Zahl von Patentanmeldungen pro Beschäf­ tigten in Forschung und Entwick­ lung jeweils bezogen auf die Ver­ gleichsregionen. Bestätigt werden diese drei Posi­ tivfaktoren letztendlich durch ein weiteres signifikantes Merkmal: Der Umsatz an Neuprodukten im Verhältnis zum vorherigen Ent­ wicklungsaufwand ist sicherlich ein Kriterium für die Effizienz von Forschung und Entwicklung. Hier liegt die Region mit 5,15 DM Um- Preisgekröntes Design und moderne Technik, die Produkte von satz pro in Forschung und Ent- SSS Siedle in Furtwangen sind ein Beispiel für die lnnova­ wicklung investierter Mark weit 87 tionskra.ft der heimischen Industrie.

Behörden und Institutionen meinsam mit den Städten und Gemeinden ein Standortinformationssystem auf. Damit soll der Standort „Region Schwarzwald­ Baar-Heuberg“ ebenfalls im Internet prä­ sentiert und Informationen global abrufbar gemacht werden. Das Standortinformati­ onssystem enthält alle wichtigen Angebote zu Gewerbeflächen, Gewerbeparks und Technologiezentren, die direkt vergleichbar dargestellt werden können. Zusatzinforma­ tionen zur Bildungs-und Forschungsinfra­ struktur, zu Verkehrsanbindungen und an­ deren Standortfaktoren runden das Infor­ mationsangebot für den Unternehmer und Investor ab. Diese Zusammenarbeit zwi­ schen Städten und Gemeinden mit der Kammer ist zu begrüßen, denn dadurch wird das Bemühen um eine Verbesserung dieses innovativen Standortes nachhaltig unterstützt. diesem neuen Kommunikationsmedium in besonderer Weise profitieren und Entfer­ nungsnachteile zu den internationalen Ab­ satz-und Beschaffungsmärkten abmildern. Ein weiterer Aspekt ist die Bedeutung der neuen Medien als Wirtschaftsfaktor für den Wirtschaftsraum. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe junger Unternehmen im Kam­ merbezirk, die sich im Geschäftsfeld Inter­ net bewegen und hier innovative Dienstlei­ stungen anbieten. Vor diesem Hintergrund hat die Kammer ihre Aktivitäten rund um das Internet deutlich ausgebaut. In diesem Zusammenhang bewährt sich auch, daß die Industrie-und Handelskammer über das Netz der deutschen Außenhandelskammern direkte Verbindungen zu allen Wirtschafts­ regionen der Welt hat. Nachdem die IHKeine Internet-Homepa­ ge eingerichtet hat, unter der sich die Un­ ternehmen der Region über das Informati­ ons-und Dienstleistungsangebot der Kam­ mer informieren können, baut die IHK ge- Mikromechanischer Neigungssensor der FHF: klein und leistungsstark merbereichs werden vor allem für Anwen­ Jeder Heimwerker kennt die Wasserwaage. dungen rund ums Automobil gebraucht: Und vermutlich haben die meisten auch die Bei der bedarfsangepaßten Regelung von eingeschränkten Möglichkeiten dieses Hilfs­ Automatikgetrieben in Nutzfahrzeugen geräts jedweder baulichen Tätigkeit kennen­ werden kleinste Sensoren verlangt, die di­ gelernt: Schlechte Ablesbarkeit und schwie­ rekt ins Getriebe eingebaut werden. Auch rige Übertragung der Horizontalen auf bei der Fahrwerksregelung oder bei der entferntere Orte. Auch kann man mit der Diebstahlsanzeige (z.B. beim Abschleppen) konventionellen, mit Flüssigkeitslibellen ist die Meßgröße Neigung zu bestimmen. ausgestatteten Wasserwaage gewünschte Im medizinischen Sektor können Nei­ Winkelabweichungen von der Horizontalen gungssensoren zukünftig in belastungsange­ nicht direkt einstellen. Abhilfe kann da ein paßten Herzschrittmachern oder bei der kleiner elektronischer Winzling schaffen, computerunterstützten Operation einge­ der jetzt an der Fachhochschule Furtwangen setzt werden. am „Institut für Angewandte Forschung“ In allen Fällen werden sehr kleine und da­ unter der Leitung von Prof. Dr. Mescheder bei leistungsfähige und preiswerte Sensoren entwickelt wird. benötigt. Hierfür kommen in erster Linie Neigungssensoren außerhalb des Konsu- Pref. Dr. Dr. Michael Ungethüm Vor allem für Anwendungen rund ums Auto 88

Bild 1: Explosionszeichnung des Sensors. Der eigentliche Sensorchip mit der seismischen Masse und den insgesamt 4 dünnen Aufhängungen befindet sich zwischen 2 Silizium­ chips, die als Deckel und Gehäuse­ grundplatte dienen. Sensoren in Frage, die mit Verfahren der sogenann­ ten Mikrosystemtechnik aus Silizium gefertigt wer­ den. Silizium ist der Werk­ stoff, aus dem fast alle mi­ kroelektronischen Bauele­ mente hergestellt werden. Dank der hervorragenden mechanischen Eigenschaf­ ten (vergleichbar zum Stahl) eignet sich Silizium auch zur Realisierung von mechanischen · Sensoren. Wegen der aus der Mikro­ elektronik-Fertigung abge­ leiteten Herstellungstech­ nik können dabei aller­ dings winzigste Elemente kostengünstig gefertigt werden. Der jetzt an der Fachhochschule Furtwan­ gen hergestellte Neigungssensor enthält kleinste, funktionsbestimmende Strukturen, die nur wenige Mikrometer groß sind. Zum Vergleich: ein mittleres menschliches Haar ist etwa 50 µm {µm = Mikrometer = ein Millionstel Meter) stark. Ein solcher Sensor ist aus drei Teilen auf­ gebaut. Neben dem eigentlichen Sensor­ chip, der eine sogenannte seismische Masse enthält, die an sehr dünnen Aufhängungen mit dem Rahmen verbunden ist, erkennt man einen Deckel-und einen Substratchip, die ebenfalls aus Silizium bestehen und mit einer speziellen, eigens für diesen Sensor entwickelten Verbindungs- technik mit dem mittleren Sensorchip zusammengefügt werden. Die Sensorgröße ist , wobei eine nur 5x5xl mm0 weitere Verkleinerung mög­ lich ist. Bild 2 zeigt das Meßprinzip des Sensors im Qierschnitt: Bei Neigung wird die seismische Masse aufgrund der flexiblen Auf- hängungen (ca. 5 µm dick, …..,.,..,..,. „““““““‚ FHF/Neigung tnsor 70 µm breit und 500 µm lang) um einen kleinen Winkel gegenüber dem Rahmen des Sensors aus­ gelenkt. Dabei entsteht ei­ ne s-förmige Dehnung in den Aufhängungen, die senkrecht zur Neigungs­ achse stehen. Die Wand­ lung des mechanischen in ein elektrisches Signal funktioniert ähnlich wie bei Dehnungsmeßstreifen (DMS): in die Oberfläche der Aufhängungen sind dünne (2 µm) dotierte Sili­ ziumwiderstände eingelas­ sen, die sich durch mecha- nische Spannungen in ihrem Widerstandwert ändern. Die insge­ samt 8 Widerstände (2 pro Aufhängung) werden zu 2 Wheatstonschen Brücken ver­ schaltet, so daß die Neigung um 2 Achsen unabhängig voneinander gemessen werden kann. Die Herstellung des Sensors erfolgte in dem Mikroelektronik-Laboratorium der Fachhochschule Furtwangen. Für den Bipo­ lar-Prozeß werden insgesamt 8 „Masken­ ebenen“ benötigt, wobei auch spezielle Her­ stellungsverfahren der Silizium-Mikrome­ chanik verwendet wurden. Bild 3 zeigt eine rasterelektronenmikro­ skopische Detailaufnahme des fertigen Sen­ sors. Dargestellt ist eine der dünnen Auf- t,.(3 >0 t,.(3 0 A3>0 t,.(3 0 Bild 2: Auswerteprinzip des Sensors. 89

FHF/ Neigungssensor hängungen, die die zentrale seismische Mas­ se (rechts unten im Bild) halten. Die Dicke dieser Aufhängungen beträgt ca. 5 µm, die Breite 70 µm. Die Bahnen auf den Aufhän­ gungen sind die Metallisierungen, die zum Anschluß der unterhalb der Si-Oberfläche liegenden, hier nicht sichtbaren Widerstän­ de führen. Für einen ersten Demonstrator wurde ein solcher Sensor in einer elektronischen „Was­ serwaage“ eingesetzt. Diese kann 2 Nei­ gungsachsen gleichzeitig und unabhängig messen. Neben LCD-Anzeigen ist in die­ sem Neigungsmeßgerät eine Laserdiode ent­ halten, mit deren Hilfe ein bestimmter, ge­ wünschter Neigungswinkel auf entfernt lie­ gende Punkte übertragen werden kann. Dies ist z.B. für die Geländemessung interessant. Pref. Dr. Mescheder Bild 3: Rasterekktronenmikroskopische Aufnahme des fertigen Sensorchips. In dieser Detailsicht ist ei­ ne der diinnen Aufhängungen gezeigt, die die seis­ mische Mittelmasse halten. Darauf befinden sich Aluminium-Anschlußbahnen (10 µm breit). Fascht verrote 1 oder: Isch Karlsruah d‘ Hauptstadt vom Badische? ,,Wia heißt di Hauptstadt vo dem Land?“ Dr Lährer sait, ,,ihr weres2 au fange3 kenne; mit Stolz tuat es sich ’s Badisch nenne; die Stadt liegt rechts vom Rheinesstrand.“ „Wie dr erseht Teil von dera Stadt, so heiße viele Buebe in eure Klasse; Dr zweite, wenn ich mich derbi recht will fasse, dös brucht mer, wenn mer geht in d’Kratt4.“ Zletscht goht ihm doch d’Geduld bal us5 ,,Di dumme Streich, di selle6 könnener bhal­ te, nu mit dr Weisheit, selt7 blibts bi eu bim alte.“ : 90 Doch keiner rotet Karlsruah rus! Dr Ernst als einziger uffstoaht: ,,Herr Lährer, dia wird wohl Friedrichshafe heiße -in üsre Klasse tüen viel Friedrich heiße, un dr Hafe brucht mer, wenn mer ins Bett goht!“ Berlin Nitz I erraten, 2 werdet es, 3 allmählich, 4 Bett, 5 bald aus, 6 jene, 7 dort

Industrie, Handwerk und Gewerbe Kiffe – Kaddies erobern den Golfmarkt 6. Kapitel/ Almanach 98 Wie aus einer Idee Arbeitsplätze entstehen – Höchste Designpreise erhalten Für den Abschlag den Driver, für das Fair­ way ein Eisen 7, für den Bunker ein Sand Wedge, für das Green den Putter: Es ist Be­ standteil des Golfsports, daß man für die verschiedensten Schläge und Spielvarianten unterschiedliche Schläger benötigt. Da kom­ men in einem guten „Besteck“ 14, in Trai­ ningsstunden oft sogar mehr Schläger zu­ sammen, die der Golfer über 18 oder mehr Löcher mit sich tragen muß. Zusammen mit Regenschirm, Kleidung, Getränken und Bäl­ len sind das bis zu 25 kg: Es lag also die Idee nahe, diese Last in einem Lederbeutel zu verstauen und diesen auf einem fahrbaren Gestell über den Golfplatz zu bewegen. Horst-Gregor Kiffe, geschäftsführender Gesellschafter der „Kiffe ENGINEERING GmbH“ in Villingen-Schwenningen, mach­ te sich seine Gedanken, wie das mühevolle, den Rücken belastende, Lenden und Nackenwirbel verspannende Umherziehen zu vereinfachen sei. Kurzerhand entwickel­ te er vor wenigen Jahren sein eigenes Mo­ dell, den batteriebetriebenen Kiffe-Kaddy \ Einen Kiffe-Kaddy fahren übrigens außer der Filmschauspielerin Uschi Glas (hier im Bild zusammen mit Horst-Gregor Kiffe) auch viele andere prominente Persönlichkeiten wie die SAT-1-Moderatorin Gundis Zambo, der Trainer von Golf-Weltmeister Bernhard Langer, Willi Hofmann, „Kaiser“ Franz Beckenbauer oder der ehemalige Fußball-Bundestrainer Jupp Derwall. 91

Industrie, Handwerk und Gewerbe ,,Eagle“, das von den beiden Design-Hoch­ burgen, dem Industrie-Forum Design in Hannover und vom Design-Zentrum Essen, höchste Auszeichnungen erhielt und auf den einschlägigen Fachmessen beachtliche Erfolge einheimst. Rund 2,5 Millionen Golfer sind in Europa Mitglied in Golfclubs und bespielen 4800 Golfplätze. In Deutschland existieren neben denen in Donaueschingen, Königsfeld, Frei­ burg, Konstanz, Hechingen oder Freuden­ stadt derzeit etwa 500 Plätze, die von 250 000 Mitgliedern bespielt werden. Positiv ausgewirkt hat sich für das Unternehmen auch die auf Messen und Turnieren prakti­ zierte Zusammenarbeit mit dem Fachhan­ del, Pro-Shops und neuerdings mit Reise­ veranstaltern. Mit einigen tausend verkauf­ ten Exemplaren wurde das Produkt zu ei­ nem Hit bei Kiffe-Engineering und schuf Arbeitsplätze in der Region. Die Entscheidung, einen Caddie zu ent­ wickeln, fiel Horst-Gregor Kiffe nicht schwer, nachdem er sich auf dem von angel­ sächsischen Herstellern bestimmten Markt umgesehen hatte. ,,Ich war mit der angebo­ tenen Qyalität nicht zufrieden“, so Kiffe, der sich selbst als Perfektionisten bezeich­ net. Und: ,,Man darf eben nicht alles als ge­ geben hinnehmen, man muß wie ein Kind einfach alles hinterfragen“, darauf führt Kif­ fe den Erfolg seiner Produkte zurück. Kiffe-Kaddies bestechen durch ihre Qya­ lität, ergonomisches „Handling“ und opti­ male Technik. Angetrieben wird der Caddie von einem batteriebetriebenen Elektromo­ tor. Der Motor läuft so leise, daß man fast das Knicken der Grashalme hören kann. Das Steuergerät ist mit einem Geschwindig­ keitsregler ausgestattet. Es kann damit nach jedem Stop mit der zuletzt eingestellten Geschwindigkeit weitergefahren werden. Die Elektronik sorgt dafür, daß der Kiffe­ Kaddy nach der Pause weich und berechen­ bar hochbeschleunigt und nicht „losspringt wie ein Geißbock“, so Horst-Gregor Kiffe. Ganz nebenbei ist die von Kiffe entwickelte 92 Steuerung auch noch ressourcenschonend, drückt sie doch den Energieverbrauch um 150/o unter das Niveau der Mitbewerber. Die Elektronik signalisiert Überlastung und ist mit einem Tiefenentladeschutz für die Bat­ terie ausgestattet. Beachtenswert ist auch das Bremssystem des Kiffe-Kaddies. Durch einen patentier­ ten Druckausgleich im Bremssystem verzö­ gert der Caddie symmetrisch beide Räder gleichzeitig und kommt dadurch sanft zum Stehen. Großgewachsene sind mit dem Kif­ fe-Kaddy nicht in der Verlegenheit, mit ge­ bücktem Rücken über den Golfplatz laufen zu müssen: Die Lenkstange ist auf unter­ schiedliche Körpergrößen einstellbar. Da­ durch ist stets die ergonomisch richtige Kör­ perhaltung gewährleistet. Die Kiffe-Kaddies lassen sich außerdem einfach und platzspa­ rend zusammenklappen, so daß sie in jedem Pkw-Kofferraum transportiert werden kön­ nen. Hohe Verarbeitungsqualität Die Verarbeitung der Kiffe-Kaddies be­ sticht durch ihre Qyalität. Sämtliche Stahl­ teile sind verzinkt, pulverbeschichtet und einbrennlackiert. Die Radachsen sind rost­ frei, gehärtet und geschliffen sowie mit zwei abgedichteten, wartungsfreien Präzisions­ Nadellager-Freiläufen bestückt, die in abge­ dichteten, wartungsfreien Kugellagern ge­ führt werden. Angeboten werden von Kiffe ENGI­ NEERING drei Caddie-Varianten, die je nach Anforderung optimal genutzt werden können: Das Topmodell „Eagle“ (ein Pro­ dukt der Spitzenklasse, Testsieger bei vielen Caddie-Tests), die Modelle ,Junior“ (einer der beliebtesten preiswerten Caddies auf Golfplätzen) sowie „Club“ (speziell für den permanenten Dauereinsatz in Golfclubs und als Miet-Caddie entwickelter High­ Tech-Caddie). Auch mit seiner neuesten Schöpfung, den ,,Edition“ genannten Sonderausführungen,

Kiffc-Kaddics mit Blickrichtung zum Cad­ die-Fahrer das Spiel der Mutter oder des Vaters mitverfolgen kann. Das neue Bag der Spit­ zenklasse, das Kiffe „System­ Bag“ aus strapazierfähigem, wetterfesten Material wiegt nur 3,5 kg ausgestattet mit spe­ ziellen Einlage- und Ablage­ fächern erhält der Golfer für je­ den Schläger einen Platz, wo­ bei auch an Stau- und Ablage­ fächer für Bälle etc. gedacht wurde. Dieses Bag verhindert ein konzentrationsstörendes Aneinanderschlagen der Eisen und Hölzer und schützt Schäf­ te aus Graphit. Eine Markt­ lücke geschlossen hat Kiffe mit einem stabilen Ganzmetall­ Schirmhalter. Die robuste Aus­ führung erlaubt es dem Golfer, selbst bei stürmischem und regnerischem Wetter trocken seinen Sport auszuüben. Er kann bequem, ohne sich bücken zu müssen, unter dem Schirm stehen. Mittels Stirn­ verzahnung ist der Schirmhalter arretierbar und bietet damit absolut sicheren Halt. Bei Nichtgebrauch kann der Schirmhalter unter dem Scorekartenhalter arretiert werden. Der stabile Scorekartenhalter mit wetterge­ schützter Kartenauflage, seitlicher Ausbuch­ tung für Golfbälle ist gleichzeitig Aufbe­ wahrungsfach für Kleinutensilien. Für die Modelle „Eagle“ und ,Junior“ wird – wieder eine neue Kiffe-Idee – ein an einem An­ triebsrad integrierter Schuhsohlen- und Schlägerreiniger angeboten, der sich ideal zum Reinigen verschmutzter Schläger auf der Runde eignet oder von Schuhsohlen z.B. vor einem Abschlag, um einen optima­ len Stand zu ermöglichen. Ein besonderer Anziehungspunkt nicht nur auf Messen sind die ex­ klusiven, ,,Edition „genannten, Sonderauiführungen der Kiffe-Kad­ dies. hat Kiffe das Interesse der Golfer getroffen: Sie erwiesen sich als besondere „Eye­ catcher“. Die Edition ist eine jeweils auf250 Exemplare limitierte, exklusive Sonderaus­ führung der Modelle „Eagle“ und Junior“. Sie zeichnen sich im Gegensatz zu den Standardmodellen unter anderem durch eine besondere Farbgestaltung aus, eine handpolierte, hochglanzverchromte Lenk­ stange und Vorderradaufhängung bzw. Rah­ menrohre sowie Lenkergriff aus handgear­ beitetem und hochglanzversiegeltem Maha­ goniholz sowie Edelstahlschilder mit gra­ vierter Editionsnummer. Besondere Aufmerksamkeit erzeugen auch die vielfältigen Ausstattungsvarianten der Kiffe-Kaddies, so der am Caddie anzubrin­ gende Kindersitz, womit der Golfnach­ wuchs, gesichert durch einen Haltebügel, 93

Industrie, Handwerk und Gewerbe Die Faszination der Welt des Druckens Die Villinger Todt-Druck GmbH besteht seit 90 Jahren nik: nichts ist in der Welt des Druckens komplexer, als die farbgenaue Reproduktion von Kunstwerken im Offsetdruck. Noch we­ nige Arbeitstage, dann wird der Kunstka­ lender mit Werken berühmter Bauhaus­ künstler an den Auftraggeber ausgeliefert und dieses Druckerzeugnis „Made in Villin­ gen“ weltweit vertrieben. Der Name Todt-Druck steht seit Jahrzehn­ ten für �alität: Gleich ob eine auf hoch­ wertigem Designerpapier gedruckte Bro­ schüre für einen renommierten Yachten­ bauer, Bücher, Reiseführer oder Kunst­ drucke: während die Druckmaschine in immer schnellerer Abfolge Kalender-Titel­ bilder produziert, bis zu 15 000 pro Stunde, erzählt Willy Todt, daß Herausforderungen wie diese die Faszination des Druckens aus- machen. Denn neben der unabdingbaren exzellenten technischen Ausstattung ist letztendlich die Erfahrung des Druckers, sein Gespür für Material und Maschine, der entscheidende Faktor für brillante Druckerzeugnisse. Ein Schweizerdegen Mit einem Schweizerdegen auf Wander­ schaft hat es begonnen: Einern Buch­ drucker also, der Schriftsetzer und Drucker zugleich war, der sowohl mit W inkelhaken (Werkzeug des Handsetzers) und Schiff(Er­ findung Gutenbergs zur Zusammenstel­ lung von Satzzeilen zu Rubriken) als auch T iegel (Druckpresse) umzugehen wußte. Der Schweizerdegen auf der Walz, das war Wilhelm Todt, der auf seiner Wanderschaft nach Italien in Villingen Station machte und sich hier heimisch fühlte. Auf seiner Rückwanderung im Jahr 1908 beschloß er, in der Zähringerstadt seßhaft zu werden. Zusammen mit Karl Spannagel, der per Der Geschmack frischer Druckfarbe steigt einem in die Nase, unter Normlicht begut­ achtet Willy Todt gemeinsam mit seinem Druckermeister einen großformatigen Pro­ bedruck des Kalenders „Bauhaus ’97“. Das Titelbild zeigt Wassili Kandinskys expressi­ ves Farben- und Formenspiel „Scharfruhiges Rosa“. Die Fünf-Farb-Offsetdruckmaschine fährt wieder an, ein wenig mehr Blau noch, um das Schwarz zu intensivieren und ein kühleres Gelb zu erzielen, dann stimmen der mitgelieferte Andruck zur Farbkontrolle und das auf hochwertigem Bilderdruckpa­ pier produzierte Druckerzeugnis aus dem Hause Todt in Farbgebung und Intensität überein. Die jährlich von Todt produzierten Kunstkalender des Weingarten-Verlages sind eine Herausforderung für Mensch und Tech- Das Stammhaus der als „Soannagel und Todt“ ge­ gründeten Todt-Druck GmbH in der Villinger Wald­ strqße um das fahr 1920. 94

Zeitungsinserat einen Partner suchte, eröff­ nete Wilhelm Todt in der Rietstraße eine Buchdruckerei, die Geburtsstunde der heu­ tigen Todt-Druck GmbH. Kurze Zeit später siedelte das junge Unter­ nehmen in die Waldstraße über, und als sich Partner Spannagel aus dem Geschäftsleben zurückzog, führte Wilhelm Todt die Druckerei in allei­ niger Verantwortung weiter. Die Gründerjahre der Todt­ Druck GmbH waren be­ wegt: Gearbeitet wurde in einem hinter dem Wohn­ haus liegenden Nebenge­ bäude. Geringere Satzmen­ gen setzte man zu Beginn noch von Hand, den Men­ gensatz bewerkstelligte man mit einer Zeilengußmaschi­ ne, die zwar von nur einem Setzer bedient werden konnte, aber den entschei­ denden Nachteil hatte, daß die starren Zeilen bei nur einem einzigen Fehler kom­ plett neu hergestellt werden mußten. Die Drucke führte man mit einer sogenannten T iegeldruckpresse aus, be­ vor man dann auf den 1905 in Amerika erfundenen und 1907 auch in Deutschland eingeführten Offsetdruck umstellte. Drucksachen wie Formulare, Briefbögen oder Visitenkarten, sogenannte Akzidenzien, bildeten ne­ ben Plakaten und Bro­ schüren, die Grundlage des geschäftlichen Erfolges. Aber bereits in den Grün­ derjahren widmete man sich mit besonderer Sorgfalt auch dem Buchdruck. Und für kurze Zeit hatte Villingen dem Schweizerde- Die Todt-Druck GmbH befindet sich seit drei Generationen in Fami­ lienbesitz. Oben links Gründer Wilhelm Todt, rechts Helmut Todt und unten rechts Willy Todt, der das Unternehmen seit 1977 leitet. Todt·Druck GmbH gen Wilhelm Todt auch eine neue Lokalzei­ tung zu verdanken, die sich allerdings nicht lange halten konnte: Weil man sich kritisch mit kirchlichen Belangen auseinanderge­ setzt hatte, wurde dem neuen Zeitungspro­ dukt von der katholischen Pfarrgemeinde der für eine Lokalzeitung lebenswichtige 95

Industrie, Handwerk’und Gewerbe Die FilnfFarbm-Dnldanaschine der Todl-Dn«:lt GmbH ist comP11tergestelltl’t 11,u/ piibrkistet im Ver­ llllnd mit jabtzdmtel.anger Erfahnmg Dn«lterullgnisse höchster fhu,/itäl. Kirchenanzeiger vorenthalten. Eine Zeit­ lang notierte sich Wilhelm Todt kirchliche Nachrichten am Aushang beim Villinger Münster noch Tag für Tag persönlich, doch ein dauerhafter Erfolg auf dem hart um­ kämpften lokalen Zeitungsmarkt war damit nicht zu bewerkstelligen. Fasziniert vom Be­ ruf des Vaters war auch Sohn Helmut Todt, der in den 1930erJahren in den Betrieb eintrat. Der Druckermeister hat­ te seine Prüfungen in Leipzig, der Stadt der Drucker, abge­ legt. Unter schwierigen Umständen galt es dann im Jahr 1945 nach dem Zusam­ menbruch des Drit­ ten Reiches den Familienbetrieb wie­ der aufzubauen: Die 96 – französische Besatzungsmacht hatte die einzige Druckerpresse in dem Eisweiher in der Waldstraße versenkt. Aus diesem Weiher durfte man sie Tage später unter großen Mühen wieder bergen und nach einer vollständigen Demontage und Reinigung erneut in Betrieb nehmen. Mittlerweile lag die Führung des Un­ ternehmens in den Händen von Helmut Todt, der sich im Ge- folge einer ständig po­ sitiven Geschäftsent­ wicklung 1970 dazu entschloß, ins Gewer­ begebiet Ifängle um­ zusiedeln, wo in der Rudolf-Diesel-Straße ein Firmengebäude entstand, in dem zeit­ weise bis zu 70 Mitar­ beiter beschäftigt wur­ den. Die damalige Kundenliste des alt­ eingesessenen Villin­ ger Druckhauses liest

Todt-Druck-GmbH man über ein DTP-Studio, belichtet die Druckfilme selbst, ist bei Todt einer der modernsten Automaten zur Kopie von Druckplatten zu finden und ein Druck­ maschinenpark, dessen technisches Glanz­ stück eine neue Fünf-Farben-Maschine von MAN-Roland ist: Die computergesteuerte Roland 700 sichert höchste Druckqualität. Gleich ob Reiseführer, Städtechroniken, Kunstkalender oder Kunstkataloge, Thea­ terprogramme, Plakatdruck oder Firmen­ broschüren, die im gesamten deutschspra­ chigen Raum zu findenden Kunden, darun­ ter namhafte Verlage und Unternehmen, zählen seit Jahrzehnten zu den festen Auf­ traggebern eines Druckhauses, das sich durch hohe Qialität und Einhaltung der Termine auch unter schwierigsten Bedin­ gungen einen Namen gemacht hat. Auch wenn es um die Weiterverarbeitung im eige­ nen Falz-, Heft- und Schneidemaschinen­ park oder um die Veredelung von Drucksa­ chen durch Lackierung oder gar durch Duft­ stoffe geht. Daß es gelang, sich unter schwierigen ge­ samtwirtschatlichen Rahmenbedingungen mit heute über 40 Arbeitnehmern erfolg- Die Ausbi/d11ng von Dn«lterlthrlingm ist bei Todt sdbsl’IJtrständlich, qlllliifizierter Ntldntnu:bs fiir die Z1Ju111ftssichtr11ng 11111lbdingbar. sich im übrigen wie das „Who is Who“ des Villinger Wirtschafts- und Gewerbelebens jener Zeit: Kataloge für SABA, für Kienzle oder die Kaiser-Uhren liefen in hohen Auflagen über die Druckmaschine, meist mehrsprachig gedruckt. Sie wurden benötigt für einen weltweiten Vertrieb vom Standort Villingen aus. Todt-Druck bewältigte diese Großaufträge mit modernsten Offsetdruck­ maschinen, die mit einer bis dahin nicht ge­ kannten Druckq�alität und -geschwindig­ keit eine neue Ara einleiteten. Die Todt­ Druck GmbH verfügte damals als eines der ersten Druckhäuser der Region über diese neue Technik. Höchste Druckqualität urcli,modemst Die Welt des Druckens hat in den 90 Jah­ ren, die die Druckerei Todt mittlerweile be­ steht, einen tiefgreifenden Strukturwandel erlebt. Als das Familienunternehmen 1977 in dritter Generation von Willy Todt über­ nommen wurde, galt es nicht nur den Zu­ sammenbruch großer Unternehmen der Doppelstadt zu verkraften, darunter vor al­ lem die bereits genann­ ten Großfirmen, auch die Produktionsmetho­ den änderten sich in­ nerhalb weniger Jahre grundlegend. Mit dem Aufkommen des Com­ putersatzes, der am En­ de der 1980er Jahre das Desktop Publishing hervorbrachte, die völ­ lig digitale Gestaltung von Büchern, Akziden­ zien oder Broschüren am Computer, galt es für Todt-Druck, sich in immer kürzeren Zy­ klen den Gegebenhei­ ten des Marktes anzu­ passen. Heute verfügt 97

Industrie, Handwerk und Gewerbe reich im gesamten deutschsprachigen Raum am Markt zu behaupten, ist nicht nur den engagierten Mitarbeitern zu verdanken, sondern auch der persönliche unternehme­ rische Erfolg von Willy Todt. Mit ihm steht ein Drucker an der Spitze des Unterneh­ mens, der sein Handwerk von der Pike auf gelernt hat, der konsequent bemüht ist, das Familienunternehmen auf dem neusten Stand der Technik zu halten. Dazu zählt auch, zwei der wenigen Ausbildungsplätze für den Fachbereich Druck im Schwarzwald­ Baar-Kreis zur Verfügung zu stellen. Und die Todt-Druck GmbH ist in den 90 Jahren ihres Bestehens immer ein Druck­ haus mit regionaler Anbindung geblieben. Bücher zur regionalen und Villinger Ge­ schichte werden produziert und verlegt, so unter anderem die erfolgreichen Bände des Autorenteams Jörres/Schroff über Alt-Vil­ lingen und seit nunmehr 21 Jahren das Hei- matbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises, der Almanach. Diese Verbindung zur Region und zu Villingen-Schwenningen kommt auch in vielfacher Weise durch ehrenamtli­ ches Engagement zum Ausdruck. So ist Hel­ mut Todt vielen Villingern noch als Stadtrat (1958 bis 1971) und Kreisrat (1965 bis 1973) der Freien Wähler in Erinnerung. Die Bewältigung des ständigen Wandels bei den Drucktechnologien bleibt für das Druckhaus Todt auch in den kommenden Jahren eine Herausforderung, der man sich gerne stellt. Zumal man bei Todt-Druck der festen Überzeugung ist, daß trotz fortschrei­ tender Digitalisierung, trotz Multi-Media und Internet, auf Papier gedruckte Informa­ tionen wie sie Bücher oder Kataloge bieten auch in Zukunft unersetzbar sein werden. Wi!fried Dold Apfelbaum in Blumberg: auch das Drucken mit Duftstoffen wird in der Druckerei Todt praktiziert. Die Duftstoffe werden durch Reiben auf dem Apfel .freigesetzt. 98

Todt-Druclt GmbH 99

Industrie, Handwerk und Gewerbe Wo Klein- und Kleinstserien entstehen Alfred Schlösser produziert in Gremmelsbach mit modernsten CNC-Drehmaschinen Wenn heute Alfred Schlösser einer Gesellschaft mit be­ schränkter Haftung von 13 Mitarbeitern vorsteht, so kann er sagen, daß dies seine Lei­ stung, sein Lebenswerk ist. Denn aus kleinsten Anfängen führte er zielstrebig und Schritt für Schritt seinen Betrieb zur heutigen Höhe. Der Mechani­ kermeister gründete 1968 eine mechanische Werkstätte, arbei­ tete im Keller im „Haus der tausend Uhren“, mietete einen Raum in Nußbach an der Som- merauerstraße, vergrößerte sei- Alfred Schlösser nen Betrieb von zunächst zwei auf acht Mitarbeiter. 1989 ergab sich die Ge­ legenheit, sein jetziges Fabrikgebäude in Gremmelsbach, Untertal 2, zu kaufen. man muß Kundenwünsche in­ nerhalb weniger Tage, im Ex­ tremfall innerhalb weniger Stunden befriedigen können. Dabei darf aber die Präzision unter keinen Umständen lei­ den. Die Fertigung muß die Genauigkeit von Uhrenteilen haben, und diese liegt im My­ Bereich. Dabei handelt es sich um Prototypen, die gar nicht in Serie gehen oder um Klein­ serien von einem Stück bis ei­ nigen 100 Stück. Material ist alles, was sich sägen, fräsen, bohren und drehen läßt, also vom Buntmetall wie Messing und Kupfer, Leichtmetall wie Aluminium und Titan, selbstverständlich alle Stahlsor­ ten bis zum Edelstahl und Kunststoffe wie Polyamid, PVC usw. (,,fast alle zerspanbaren Werkstoffe“). Und nach der neuesten Tech­ nik wird die Fertigung von einem durch­ gängigen Produktionsplanungs- und Steue­ rungssystem überwacht und die Kontrolle vom betreffenden Arbeiter und Maschinen­ bediener dokumentiert. Das ist von höch­ ster Bedeutung, denn der Kunde kennt bei In seinem Zug um Zug modernisierten Be­ trieb werden mechanische Bauteile nach der Vorgabe der Kunden mit neuesten CNC­ Drehmaschinen angefertigt. Alfred Schlös­ ser hat nämlich eine Marktlücke entdeckt und sie entschlossen wahrgenommen: die Klein- und Kleinstserienproduktion mecha­ nischer Teile. Für Großbetriebe, erlclärt er dem Besucher, ist die Um­ stellung auf eine lcleine Stückzahl unrentabel, Groß­ betriebe sind dafür auch nicht wendig genug. Und ge­ nau darin liegt seine Stärke. In einer Wirtschaftsphase, wo die Distanz zwischen Be­ stellung und Lieferung auf ein Minimum geschrumpft ist (,,Das ist nicht mehr nor­ mal!“), muß man bei diesem Tempo Schritt halten kön­ nen. Konkret bedeutet dies, Die Alfred Schlösser GmbH in Gremmelsbach. 100

Alfred Schlösser GmbH Mechanische Klein- und Kleinstserien produziert die Alfred Schlösser GmbH. Ungenauigkeiten und Fehlern keine Nach­ sicht. Der Konkurrenzkampf der Zulieferer ist gnadenlos. Notgedrungen muß die Pro­ duktion vielseitig sein. Die Beschränkung auf wenige Produkte wäre zu risikoreich. Die Hauptmärkte liegen in der Feintechnik, Ge­ triebetechnik, im Maschinenbau, in der Umwelttechnik, der Uhren- und Geträn­ keindustrie. In diesem Augenblick führte Al­ fred Schlösser gerade ein Zubehörteil zu ei­ ner Zapfsäule für Gaststätten vor: ein Bei­ trag übrigens auch zu leichterer Reinigung, also besserer Hygiene. Wie meistert Alfred Schlösser dies alles? In jungen Jahren, erinnert er sich, kannte er den 8-Stunden-Tag selbstverständlich nicht, nicht einmal ein freies Wochenende. Tagsüber galt es zu produzieren, abends zu kalkulieren oder nachzukalkulieren für den nächsten Auftrag. Da sich die Konjunktur in Wel1enbergen und Wellentälern bewegt, in, wie er feststellt, immer kürzeren Abständen, heute von 4 bis 5 Jahren, ist für die „mage­ ren Jahre“ an ein Sicherheitspolster zu den­ ken, um seine qualifizierten Arbeiter nicht entlassen zu müssen. Gerade auf seine Mit­ arbeiter hält er große Stücke, ihnen stehen Sozialräume zur Verfügung, mit ihnen pflegt er ein partnerschaftliches Verhältnis. Voll Genugtuung betont er, auch in schwie­ rigen Zeiten niemanden entlassen haben zu müssen. Nur Lehrlinge kann er bei der Größe seines Betriebes nicht ausbilden. Ge­ genüber Lehrlingen in anderen noch viel­ seitigeren Betrieben und bei den heutigen Anforderungen in Technik und Theorie hät­ ten seine Lehrlinge ohne eigenen Lehrlings­ meister in der Industrie keine Chance. Für wichtig hält er auch das gute Verhältnis zur Hausbank, die ihm in Zeiten konjunkturel­ len Abschwungs ihre Hilfe nie versagt. Und schließlich: Bei allem Kosten-, Ter­ min- und Konkurrenzdruck spielen nüch­ terne Zahlen immer noch nicht die allein 101

Industrie, Handwerk und Gewerbe ausschlaggebende Rolle. Noch ist es auch das Profil einer Firma: die Tüchtigkeit aller Beteiligten, das Selbstbewußtsein aller: ,,Was andere können, müssen wir mindestens ge­ nauso gut können, eher noch etwas besser und schneller.“ Höchsten Rang hat in seinem Denken, die menschlichen Bindungen zu den Kunden auszubauen, seit Jahren bestehende Bezie­ hungen weiterzuentwickeln und die Zusam­ menarbeit fair und vertrauensvoll zu gestal­ ten. Deshalb sieht Alfred Schlösser auch mit Zuversicht in die Zukunft. Doch würden wir Alfred Schlösser einsei­ tig charakterisieren, wollten wir in ihm nur den Techniker und Geschäftsmann sehen. Zu ihm gehören auch seine Gremmelsba­ cher, seit Jahren ist er Mitglied des Ort­ schaftsrats, des Gemeinderats Triberg, er be­ kleidet das Amt des stellvertretenden Orts­ vorstehers, seit Jahren ist er Feuerwehr- mann, heute Oberfeuerwehrmann, er ist Herr aller „ Holzschuehklepfer“, seit jeher begeisterter „Fastnachter“, er ist Mitglied des Gesangvereins „Sängerlust“ in Triberg, und er setzt sich nach getaner Arbeit auch an den Stammtisch zu einem gemütlichen Ge­ spräch bei einem Glas Bier. Es zieht ihn je­ doch auch regelmäßig in die Feme, in sei­ nem Jahreslauf sind die Zwei- bis Viertages­ touren in den Bergen fest eingeplant, im Sommer macht er Wandertouren, im Win­ ter Skitouren. Er liebt die Natur. Seiner Na­ turverbundenheit kommt selbst die Lage sei­ ner Fabrik entgegen. Den Besuchern fällt auf, daß man, wo immer man zum Fenster hinaussieht, man in die unverdorbene Na­ tur, aufBach und Wald, aufWiese und Berg blickt. Karl Volk Wir verbinden Mensch und Technik Die Stein Automation GmbH in VS-Schwenningen Die Stein Automation GmbH mit Sitz in VS-Schwenningen ist seit über 25 Jahren ei­ ne gute Adresse für innovative Entwicklun­ gen und Produkte. Sie entwickelte sich vom Lohnfertiger (1969) zum Produktionsbe­ trieb. Heute besteht der grundsätzliche Sinn und Zweck der unternehmerischen Tätigkeit darin, den Kunden Produkte und Dienstlei­ stungen zur Verfügung zu stellen, damit sie ihre Fertigung und Montage human und gleichzeitig wirtschaftlich automatisieren können. Die Strategie ist dabei, Transport­ systeme möglichst komplett mit Logistik und Steuerung zu fertigen. Dabei werden Stein-Produkte immer höchsten Ansprü­ chen an Q9alität und Nutzen gerecht. Konsequentes unternehmerisches Han­ deln, das eigene Tun hinterfragen und stän- dig neue Marketing- und Produktideen ent­ wickeln stehen dabei genauso im Vorder­ grund wie die faire und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Kunden. Größtes Potential bei der Umsetzung sind die Mitar­ beiter. Sie arbeiten kooperativ und engagiert am gemeinsamen Erfolg, mit solidem Wis­ sen und beweisen praktisches Können. Da­ bei kommt der Stein-Geschäftsführung eine besondere Verantwortung zu. Denn eine wichtige Aufgabe ist es, die Mitarbeiter so zu motivieren, daß sie zielorientiert, engagiert und fair zusammenarbeiten. Nur so war der bisherige Erfolg möglich. Stein Automation ist in einem dynami­ schen Wirtschaftszweig tätig. Technologien und Führungssysteme, die heute effektiv sind, können morgen schon überholt sein. 102

Stein Automation GmbH – Um auch morgen den Ansprüchen gerecht werden zu können, sucht Stein auf Basis des eigenen Know­ hows fortwährend neue und besse­ re Wege zur Erfüllung der Aufgabe. Der beste Weg: Kundenzufrieden­ heit sowie innovative und zuver­ lässige Werkstückträger-Transport­ Systeme anzubieten – in der Folge kurz WTS genannt. Das Werkstückträger Transport­ System WTS behebt die Probleme Die Stein Automation GmbH in VS-Schwenningen. in vielen Betrieben: Modellvielfalt, kleine Chargen und hoher Termindruck, das erfordert die Möglichkeit einer schnellen und kostengünstigen Umrüstung aller Mon­ tageeinrichtungen. Deshalb wird in Zukunft der systeminterne Materialfluß in den Mon­ tage- und Produktionsanlagen immer wich­ tiger. Das WTS erfüllt diese Anforderungen. Das WTS von Stein Automation fährt ma­ nuelle, halb- und vollautomatische Arbeits- stationen sowie integrierte Prüfsysteme an. Das sichert einen durchgängigen Material­ fluß, gerade auch bei „chaotischer Produk­ tion“. Das Konzept des WTS beruht des­ halb auf modular aufgebauten Mechanik­ und Antriebstechnik-Elementen, die die spezifische Steuerung und Software für die interne Logistik miteinbeziehen. Die konsequente Umsetzung der Modul- Das Werkstückträger Transportsystem WTS ist vielfältig, hier eine Fertigung von Kajfeemaschinen. 103

Stein Automation GmbH an die jeweils aktuellen Anforde­ rungen anpassen. Diese komforta­ ble Lösung spart Zeit und Geld. Der PC ermöglicht auch den Zugriff auf statistische und auftragsbezogene Daten sowie vielfältigste hausinter­ ne Vernetzungen zu CIM, � und Statistik. Der Materialumlauf kann entsprechend unterschiedlicher lo­ gistischer Anforderungen frei pro­ grammiert werden. Seit kurzem ist für das WTS auch ei­ ne interaktive CD-ROM erhältlich. Darauf enthalten sind ein WTS­ Handbuch, eine ausführliche Onli­ ne-Hilfe, erklärende Video-Clips sowie Auszüge aus der Stein-Fir­ menphilosophie. SPY das zweite Standbein Das zweite Standbein von Stein, die Stein Dynamic GmbH, hat mit SPYein elektronisches Meßelement entwickelt, das.für Wanderer, Fahrradfahrer oder Jogger alle anfallenden Touren­ und Trainings-Daten speichert. technik ermöglicht die freie und schrittwei­ se Kombination der WTS-Elemente. Vom einzelnen Bandmodul, wie z. B. WTS Al­ pha als kostengünstiger Einstieg, bis zum kompletten Transport-System, das je nach Anforderung schrittweise erweitert oder umgebaut werden kann. Das WTS von Stein Automation ist über W indows schnell und einfach zu program­ mieren. Mit dieser Software kann die WTS­ Anlage spielend leicht programmiert wer­ den. Eine zentrale Datenverwaltung in in­ tuitiver Menütechnik hilft beim Anlagen­ Layout, bei der Programmierung und der Fehlersuche. Produktabläufe können an je­ dem windowstauglichen Personal-Compu­ ter erstellt und verändert werden. Mit einmal erstellten Programmen läßt sich die WTS-Anlage in Sekundenschnelle 104 Seit Mitte des Jahres 1996 bietet die Stein Dynamic GmbH – das zweite „Standbein“ – mit SPY ein völlig neues Produkt für Sportler an: Wenn man am Ende einer Fahr­ rad-, einer Jogging- oder Wander- Tour mehr wissen möchte als ledig­ lich „Touren -Zeit“ und „ Durchschnittsge­ schwindigkeit“, dann ist SPY genau das Richtige. Das elektronische Meßinstrument erfaßt und speichert alle anfallenden Touren-Da­ ten, wie momentane Höhe, Geschwindig­ keit, Gesamtkilometer oder Luftdruck in ei­ nen elektronischen Speicher. Nach Trai­ ningsende können diese Daten per Verbin­ dungskabel in einen handelsüblichen PC übertragen und dort grafisch ausgewertet werden. Im Laufe der Zeit entsteht eine Tourenda­ tei, anhand derer der Trainingserfolg abge­ lesen werden kann. Diese Daten stehen auch noch nach Jahren zur Verfügung. Das Auszeichnungsintervall wird über den PC eingestellt.

Bundespreis für innovatorische Leistungen Wieländer+ Schill mit „Airpuller AP 95″ weiter aufErfolgskurs Industrie, Handwerk und Gewerbe In Fachkreisen weltweit auf sich aufmerk­ sam machen konnte im letzten Jahr die „MV Marketing Vertriebs -GmbH & Co. KG Wieländer+Schill“ mit Sitz in Villingen­ Schwenningen, Siederstraße 50, die Karos­ serie-Spezialwerkzeuge für Automobile ent­ wickelt und vertreibt. Die 1974 von Gerold Wieländer und Josef Schill gegründete Fir­ ma arbeitet mit deutschen und europäi­ schen Automobilherstellern zusammen; sie beschäftigt 40 Mitarbeiter, die Hälfte davon im Außendienst. Seit 1994 wird das Unter­ nehmen von Josef Schill alleine geführt. Der Geschäftsinhaber nahm 1997 auf der 49. Internationalen Handwerksmesse in München den vorn Bundesminister für Wirtschaft verliehenen „Bundespreis für hervorragende innovatorische Leistungen für das Handwerk“ entgegen. Die Auszeich­ nung erhielt das Unternehmen für seine Neuentwicklung „Airpuller AP 95″. Hierbei handelt es sich um ein elektropneurnatisch gesteuertes Ausbeulsystern zur Behebung von Karosserieschäden. Hagelschäden, Längskratzer und kleine Beulen -auch an doppelwändigen Stellen der Fahrzeugkaros­ serie -lassen sich damit ohne aufwendiges Entfernen von Innenverkleidungen behe­ ben und die Arbeitszeiten für Reparaturen können um bis zu 70 0/o gesenkt werden. Weitere Vorteile neben der auf diese Weise erreichten Minimierung der Schadensko­ sten sind umweltfreundliche Energie-und Materialeinsparungen durch die Rettung von Altteilen nach der Maxime „instandset­ zen statt wegwerfen“. So sinkt im Vergleich zu herkömmlichen Reparaturmethoden der Verbrauch an Lack und anderen chemischen Produkten. Nach Schätzungen der DEKRA geben ,, Wieländer + Schill“ in Villingen-Schwenningen. 105

.Widändcr+ &hiU“ deutsche Autoversicherer für die Regulie­ rung von Hagelschäden pro Jahr zwischen 600 und 700 Millionen Mark aus, was er­ heblich zum Steigen der Versicherungstarife beiträgt. Durch den „Airpuller AP 95″ hofft die Firma „Wieländer+Schill“ diesem Trend gegensteuern zu können. Das Produkt ist weltweit zum Patent angemeldet und wird inzwischen in über 60 Ländern der Erde ver­ trieben. Anläßlich der Preisverleihung erklärte Fir­ menchef Schill: ,,Der Bundespreis für her­ vorragende innovatorische Leistungen ist ein sinnvolles und hilfreiches Gütesiegel und wird bei unseren künftigen Marketing­ maßnahmen eine zentrale Rolle spielen. Der Bundespreis stellt einen Anreiz für mit­ telständische Unternehmen dar zur Ent­ wicklung, Markteinführung und Anwen­ dung von Produktinnovationen.“ Dr. Helmut Rothenne/ Der „Airpuller AP 95″ im Einsatz. Das Produkt ist weltweit zum Patent angemeldet und ermöglicht kostengünstige Lackreparaturen an Autos. Bundeswirtschaftsminister Rexrodt überzeugte sich von der Qualität der „ Wieländer+Schill“-Entwicklzmg auf der 49. Internationalen Handwerksmesse in München. 106

Industrie, Handwerk und Gewerbe Rolf Bonnert und Otto Kaiser haben sich dem Dienstleistungssektor verschrieben MBK: Vier erfolgreiche Firmenzweige stetig weiterentwickelt und macht immer MBK -diese drei Buchstaben stehen für ein erfolgreiches Unternehmen, das nicht wieder durch innovative Neuerungen und Ideen in der Öffentlichkeit auf sich auf­ nur im Städtedreieck Donaueschingen, Hü­ merksam. Dem Dienstleistungssektor ge­ fingen und Bräunlingen einen guten Na­ men hat, sondern weit über die Grenzen des hört die geschäftliche Zukunft, das haben Schwarzwald-Baar-Kreises hinaus bekannt Rolf Bonnert und Otto Kaiser schon von ist. Vier verschiedene Firmenzweige hat die Anfang an erkannt. Hüfinger Firma MBK in der Hohenstraße Besonderen Wert legt die Hüfinger Firma 29 unter einem Dach vereint. Die beiden auf den Umweltschutzgedanken. Ein nah Geschäftsführer RolfBonnert und Otto Kai­ gelegenes Blockheizkraftwerk liefert die ser sind in Sachen „Sicherheitsdienst Bahn“ Wärme für die Betriebsräume. Wo immer es und „Schilder-und Fahrzeugbeschriftung“ geht, wird unnötige Verschwendung von ebenso kompetente Ansprechpartner wie in Ressourcen vermieden, voluminöses Ver­ den Bereichen „Elektrogroßhandel“ sowie packungsmaterial insbesondere im Bereich „Computer-und Software“. Im Laufe der des Computerhandels wiederverwendet. Jahre hat sich die MBK GmbH in der Ho­ MBK steht für die Familiennamen Mess­ henstraße mit ihren rund 50 Mitarbeitern mer (den von Frau Bonnert), Bonnert und MBK Hiefingen: am Firmensitz in der Hohenstraße 29 sind vier Geschäftszweige vereint, das seit 1991 in der heutigen Gesellschaftsform existierende Unternehmen beschiiftigt 50 Mitarbeiter. 107

!ndu tri, Handwerk und Gewerb Am personalintensivsten ist der Sicherheitsdienst entlang von Eisenbahnstrecken. M BK-Mitarbeiter war­ nen die Bauarbeiter mit ihrem Horn vor herannahenden Zügen. Kaiser. In der jetzigen Gesellschaftsform gibt es das erfolgreiche Unternehmen seit 1991. Damals schloßen sich Rolf Bonnerts ,,MB-Bewachungsdienst“ und der Elektro­ großhandel und Computer- und Software­ vertrieb von Otto Kaiser in einer GmbH zusammen. 480 �adratmeter Verkaufs-, Büro- und Schulungsräume in der Hohen­ straße bilden den Firmensitz. Bereits 1981 hatte Bonnert seinen MB-Be­ wachungsdienst gegründet, der für die Absi­ cherung von Baustellen an Bahngleisen ver­ antwortlich zeichnet. Zunächst unabhängig von seinem Geschäftspartner gründete Otto Kaiser 1987 einen Elektrogroßhandel, zwei Jahre später kam zusätzlich ein Computer­ fachhandel dazu. Weitere zwei Jahre dauer­ te es schließlich, bis die beiden Geschäfts­ leute gemeinsam an einem Strang zogen. Rolf Bonnert zeichnet heute für den techni- sehen Bereich verantwortlich, Otto Kaiser obliegt die kaufmännische Leitung. Im Dienste der Sicherheit Sowohl am umsatzstärksten als auch am personalintensivsten ist der Firmenbereich des Sicherungsdienstes. An allen Eisen­ bahnstrecken zwischen Offenburg und Ba­ sel, zwischen Stuttgart, Freiburg und Fried­ richshafen sorgen die MBK-Mitarbeiter an Baustellen für die Sicherheit der Arbeiter. Egal ob Bahnübergänge oder Tunnels repa­ riert, neue Gleise verlegt oder bestehende Schienenstränge mit Schotter aufgefüllt wer­ den, die mit grellen Warnwesten gekleideten Sicherungsposten sind wahrscheinlich Mit­ arbeiter von MBK Ausgestattet mit einem Horn warnen die „Sipos“ die Bahnarbeiter vor herannahenden Zügen und überneh- 108

men so einen verantwortungsvollen Dienst, der Engagement und Aufmerksamkeit for­ dert. Neben der Deutschen Bahn AG zählt auch die Schweizerische SBB zu den Kunden. Eidgenössische Aufträge werden über das in Neuhausen/Rheinfall sitzende Tochterun­ ternehmen „MB-Sicherheitsdienst AG“ ab­ gewickelt. Ebenfalls zum Bereich „Bahnabsicherung“ gehört der MBK-Winterdienst, der mit Hil­ fe eines 16 Fahrzeuge umfassenden Maschi­ nenparks bewältigt wird. Die Männer von MBK sorgen dafür zuständig, daß die Höl­ lentalbahn und die Schwarzwaldbahn zwi­ schen St. Georgen und Engen im Winter schnee- und eisfrei sind. Nicht zuletzt über­ nehmen die „Sipos“ auch Vegetationsarbei­ ten – mähen Bahnböschungen und kürzen Sträucher, damit die Zugführer „freie Bahn“ haben. Den wohl spektakulärsten Auftrag erhielt die Hüfinger Firma 1992, als im Bahnhof Schluchsee-Seebrugg radioaktiv belasteter Schotter fachmännisch entsorgt werden mußte. Maßgeblich an Sicherungsaufgaben beteiligt war MBK beim Neubau des Spur­ planstellwerkes Donaueschingen in den Jah­ ren 1980 bis 1984 und bei der Neuerstellung des Spurplanstellwerkes Konstanz in den Jahren 1984 bis 1988. Von 1988 bis ins Früh­ jahr 1997 waren die MBK-Männer auf der schweizerischen Großbaustelle N4/ Umfah­ rung Schaffhausen als Sicherheitskräfte im Einsatz. Wenn die Waschmaschine leckt Der Versand von Ersatzteilen für Küchen­ herde, Waschmaschinen, Kühlschränken und Geschirrspüler im Großhandel bildet ein zweites geschäftliches Standbein. Für rund 1500 verschiedene Maschinentypen haben Kaiser und Bonnert Ersatzteile ver­ sandfertig auf Lager. Beliefert werden Händ­ ler im gesamten Bundesgebiet. Um die nicht gerade umweltfreundliche Flut von Ersatz- MBK GmbH Hüfingen Auch Kundendienst und der Handel mit Ersatz­ teilen gehören zum Geschiiftifeld von MBK. teilkatalogen einzudämmen, bietet MBK seit Mitte 1997 die gesamte Palette im In­ ternet auf einer eigene Homepage an (www.mbk.de). Per Mausklick können die Händler online die benötigten Maschinen­ teile bestellen. Ein weiterer Vorteil des „elek­ tronischen Ersatzteillagers“ besteht in der Aktualität des Bestandes. PC- Kundendienst Im Geschäftszweig „Computer und Soft­ ware“ steht der Kundendienst an erster Stel­ le. MBK bietet nicht nur Computer für den Einzelarbeitsplatz oder ganze Netzwerklö­ sungen von Novell, auch die individuelle Beratung und die Wartung und Pflege nach dem Kauf steht bei MBK hoch im Kurs. Zahlreiche Firmenkunden, Behörden, Ärz­ te, Kommunen und andere professionelle Anwender in ganz Südbaden sind zufriede­ ne Kunden der Hüfinger Firma. In der eige- 109

MBK GmbH Hüfingen den Geschäftspartner in Sachen computerunterstützte Folien­ beschriftung einig. Kernpunkt des vierten Firmenstandbeins sind zwei moderne PC-Folien­ schneidegeräte, mit denen prä­ zise Beschriftungen und Halb­ tonbilder völlig ohne Chemie­ einsatz möglich sind. Schädli­ che Lösungsmitteldämpfe, wie beispielsweise bei der Beschrif­ tung mittels Siebdruck, gibt es bei MBK nicht. Im PC-Archiv befinden rund 5 500 Schriftschnitte und 60 000 ver­ schiedene Piktogramme und Lo­ gos gespeichert, auf die bei Be­ darf jederzeit zurückgegriffen werden kann. sich Egal ob Bandenwerbung für das heimische Fußballstadion, ob Firmen-LKW oder Privat­ Folienbeschriftung und Foliendruck e,:folgt bei MBK ganz ohne PKW, Boot, Flugzeug, Hub­ schrauber oder Wegleitsysteme Chemieeinsatz. für Firmen oder Gemeinden, mit der in unzähligen Farbnuancen vorräti­ gen Klebefolie ist MBK für alle „Beschrif­ tungsprobleme“ gerüstet. Zu den Kunden gehören Banken und Behörden ebenso wie Kommunen und Schulen. Kein Problem für MBK ist auch die unverzügliche Lieferung von Verkehrszeichenanlagen inklusive dem sofortigen, fachmännischen Einbau. nen Werkstatt sorgen Fachleute dafür, daß die Festplatte des PC wieder einwandfrei funktioniert und die Software ohne unsin­ nige Fehlermeldungen ihren Dienst tut. ,,GIS“, Geographisches-Informations-Sy­ stem, so heißt die allerneueste Software, die MBK insbesondere für Firmenkunden und Kommunen anbietet. Mit deren Hilfe ist es möglich, statistisches Zahlenmaterial auszu­ werten und mit geographischen Daten ge­ koppelt zu präsentieren. Wenn der Firmen­ chef wissen möchte, in welchem Bundes­ land seine Vertreter den größten Umsatz gemacht haben oder wenn der Kommu­ nalbeamte einen Stadtplan benötigt, auf der die Einwohnerstruktur dargestellt ist, leistet GIS wertvolle Hilfe. Folien für Fahrzeugbeschriftung Es gibt fast nichts, das von MBK nicht be­ schriftet werden könnte, so sind sich die bei- 110 Ein gelungenes Referenzobjekt in Sachen Beschriftung hat MBK direkt vor der Haus­ türe. Das gesamte Wegleitsystem der Stadt Hüfingen kommt von MBK. Die hölzernen Ortseingangsschilder mit dem Hüfingen­ Logo stammen ebenso von MBK wie die weißen Hinweisschilder, die den Fremden in der Bregstadt den Weg zu öffentlichen Einrichtungen und den ortsansässigen Fir- men weisen.

Ein Sägewerk mit modernster Technik Waldemar Finkbeiner und seine Steinbissäge in Triberg- Gremmelsbach Industrie, Handwerk und Gewerbe Waldemar Finkbeiner ver- fügt über alle Eigenschaften, die man an einer modernen Unternehmerpersönlichkeit schätzt: den Einblick in die großen wirtschaftlichen Zu­ sammenhänge, die Fähigkeit, Entscheidungen ruhig abzu­ wägen, Weitblick, die nötige Entschlußkraft, sie in die Tat umzusetzen, eine nimmer­ müde Schaffenskraft, Ver­ handlungsgeschick, Grund­ satztreue, in kritischen Situ­ ationen Wagemut, Gemüt­ haftigkeit, die selbst im Tadel den Schalk aus den Augen­ winkeln blitzen läßt, er ge­ hört zu den Arbeitgebern, de­ nen das Wohl und Wehe ihrer Waldemar Finkbeiner Angestellten am Herzen liegt und die deshalb ihren Betrieb in partner­ schaftlicher, eigentlich schon familiärer At­ mosphäre führen. Für sie ist er da, ihnen ge­ genüber fühlt er sich verantwortlich, und so kommen sie denn auch bei schwierigen per­ sönlichen Entscheidungen oder mit wel­ chen Problemen auch immer zu ihrem Chef und holen seinen Rat. Sein Lebensweg verlief geradlinig und schien vorgezeichnet. 1928 geboren, leitete der Angehörige der Aufbaugeneration die Steinbissäge in Gremmelsbach nach Volks­ schule, Realgymnasium Triberg, Schanzar­ beiten im Elsaß, Wehrertüchtigung, Volks­ sturmausbildung und Reichsarbeitsdienst, nach Abitur, Lehre als Sägewerker, Handels­ schulausbildung in Freiburg, Studium am Holztechnikum in Rosenheim mit dem Ab­ schluß als Diplombetriebswirt (1953). Un­ mittelbar danach trat er in den elterlichen Betrieb ein und übernahm im Jahr seiner Verheiratung mit Ehefrau Helene 1955 die volle Verant­ wortung für den Betrieb, sein VaterTheophil konnte sich in sein Privathaus an der Bun­ desstraße zurückziehen. Damals besaß die Steinbis­ säge neben einem Traktor und einem Lastwagen noch die drei legendären schweren Pferde (siehe Bild auf Seite 155), mit deren Hilfe es allein möglich war, den Betrieb über den Zweiten Weltkrieg hinweg zu retten. Neben die­ ser Attraktion des Werkes gehörte auch die Spiralturbi­ ne mit ihren 70 PS für die Stromerzeugung mit dem Wasser aus der Gutach dazu. Erst 1947 erhielt das Werk zu­ sätzlichen Fremdstrom. Für Waldemar war eine seiner ersten Arbeiten, die Gleich­ strommotoren auszubauen und solche für Wechselstrom anzuschaffen. Was unternehmerischen Sinn bedeutet, hatte er bei seinem Vater lernen können, der 1922 mit einer leeren Sägewerkshalle begin­ nen mußte. Zug um Zug wurde der Betrieb erweitert, verändert, vergrößert, mit neuen Maschinen und Einrichtungen versehen, Hebezeugen, Rollengängen, Förderbän­ dern, Kranbahnen. Nur in den Kriegs-und ersten Nachkriegsjahren lief auf diesem Ge­ biet nichts. Gewaltig hat sich danach die Ar­ beit und das Berufsbild des Sägers (in dop­ peltem Sinne) verändert. Die Arbeit ist leichter geworden, sie ist aber auch schneller geworden. Stapler bringen die Schnittware an jede gewünschte Stelle, die „Arche“, die Bretterbeige, muß nicht mehr bestiegen wer­ den. Und im Ansehen junger Leute ist der 111

Industrie, Handwerk und Gewerbe Sägerberuf gestiegen. Die Zeiten, wo dem ,,Metall“ der absolute Vorzug gegeben wur­ de, sind vorbei. Von 1975 bis 1990 hat Wal­ demar Finkbeiner 40 Lehrlinge ausgebildet. Natürlich müssen ausgebildete Säger auch noch Werkzeuge schärfen, wechseln, repa­ rieren und Maschinen pflegen können, aber ohne Beherrschung des Computers läuft nichts mehr. All diese Arbeiten hat Walde­ mar Finkbeiner immer auch selbst ausge­ führt, war ein Arbeiter erkrankt, nahm er dessen Stelle ein. Die Problematik der Steinbissäge war im­ mer wieder ihre Topographie: die Enge des Tales und die Bundesstraße, die mitten durchs Werk führte. Daß bei ihrer Frequen­ tierung nie ein Unfall geschah, erscheint heute wie ein Wunder. Erst in jüngster Zeit gab es „Luft“. Die Verbandskläranlage hatte 1988 die Verlegung der Straße mit der Tun­ nellösung im Gefolge, die bisherige Bun­ desstraße wurde zur Gemeindestraße abge- stuft, deren Randstreifen für die Holzlage­ rung genutzt werden kann, und für eine mo­ derne, ausreichend große Werkshalle wur­ den riesige Felsmassen abgetragen. Dies war die größte Investition, die kühnste unter­ nehmerische Leistung, die Waldemar Fink­ beiner mit seinem Sohn Andreas vollbrach­ te. Aber sie war notwendig. Die Konkurrenz mußte eingeholt und überholt werden. Der Betrieb stand vor der Wahl: in vergrößertem Maßstab mit der neuesten Technik weiter­ machen zu können oder aufgeben zu müs­ sen. So dramatisch war die Situation! Aber dadurch wurde aus einem mittleren Betrieb ein Großbetrieb mit Zukunft, der modern­ ste in weitem Umkreis. Heute ist die Fami­ lie glücklich, daß sie diesen Schritt gewagt – und hinter sich gebracht hat. Und der Absatz? Die Firma Finkbeiner lie­ fert 50 0/o der Schnittwaren ins benachbarte Ausland. Abnehmerländer sind Frankreich, Holland, Belgien, die Schweiz; die andere Die Steinbissäge in Triberg-Gremmelsbach aus der Vogelperspektive. 112

Hälfte verteilt sich auf den hiesigen Raum, etwa 50 bis 60 km im Umkreis, aber auch nach Norddeutschland. In diesem Zusam­ menhang nennt Waldemar Finkbeiner den „Euro“ als höchst sinnvolle Neuerung. Er wäre ein Segen für die exportierende Wirt­ schaft. Die Globalisierung ist eine Tatsache, auf die auch eine Sägerei mit verstärkter La­ gerhaltung und schlagkräftigem Angebot reagieren muß. Eine sichere Organisation muß dahinterstehen, wenn im Dreiviertel­ stundentakt jeden Tag etwa 14 Lastwagen Rundholz anliefern und dieselbe Zahl mit den Endprodukten (Balken, Dielen, Bret­ tern) den Betrieb wieder verläßt, mit Schnittholz, mit Hackschnitzeln, mit Säge­ spänen und mit Rinde, 360 Tonnen pro Tag. 30 Mitarbeiter finden in der Steinbissäge Arbeit, viele sonstige im Umfeld auch. Auf alle Wandlungen und Veränderungen hat Waldemar Finkbeiner auf seine ganz persönliche Weise reagiert. Obwohl er die Grenze zum Rentenalter überschritten hat, fungiert er als Teilhaber im Betrieb weiter, dies jedoch mit voller Arbeitszeit wie eh und je von 6.30 Uhr bis 18 Uhr – und auch spä­ ter ist er erreichbar. Die kaufmännische Sei­ te ist sein Teil, und er beherrscht ihn, wie man ihn nur beherrschen kann. ,,Wenn man nicht alles weiß, weiß man nichts.“ Aber man muß auch wissen, wofür man ar­ beitet. Hätte er seine Frau Helene und seine Familie – mit drei Kindern – nicht, es wäre alles anders. Immer waren sie sich eine ge­ genseitige Stütze, Helene packte im wörtli­ chen Sinn mit beiden Händen zu, wenn es sein mußte, sogar nachts, mit ihr bespricht er alle Sorgen, trägt er allen Verzicht. Urlaub hatte für beide Seltenheitswert. Helene lei­ stet heute noch immer Kurierdienste für die Firma, fährt jeden Morgen zur Post und zur Bank nach Triberg, holt, wenn nötig, auch einmal Ersatzteile in Villingen oder Tübin­ gen. Waldemar Finkbeiner fühlt sich außer sei­ nem Betrieb auch seiner Gemeinde ver­ pflichtet. War sein Vater Theophil schon Die Steinbissäge jahrzehntelang stellvertretender Bürgermei­ ster in Gremmelsbach, so wurde der Sohn nach dessen Ausscheiden aus diesem Amt 1965 in den Gemeinderat gewählt und wirk­ te nach der Gemeindereform 1974 noch zehn Jahre als Ortschaftsrat, so lange, wie er es selbst wollte. Sein Wort hatte in der Ge­ meindevertretung Gewicht. In seiner Zeit nahm Gremmelsbach einen stürmischen Aufschwung mit dem Straßenbau, dem Schulhausbau und dem Bau der Ausseg­ nungshalle, auch die schwere Entscheidung der Eingemeindung fiel in seine Zeit. Und schließlich weiß Waldemar Finkbei­ ner um den Wert von Leib und Leben, von Hab und Gut. In seinen Jugendjahren trat er der Freiwilligen Feuerwehr Gremmelsbach bei, besuchte regelmäßig die Proben und be­ teiligte sich an den Wettkämpfen und Einsätzen – 33 Jahre lang. Der Oberfeuer­ wehrmann ist heute Ehrenmitglied. Waldemar Finkbeiner ist auch Kavalier der Straße. Er rettete zwei Menschen das Leben. In der engen Kurve unterhalb seines Säge­ werks schleuderte ein PKW und stürzte in die reißende, eisige Gutach. Bis zur Brust im Wasser stehend, konnte er die Türe öffnen, das verletzte Ehepaar an den Bachrand ret­ ten und mit Decken vor dem Erfrieren be­ wahren, bis das Rote Kreuz eintraf Zu seinem Verantwortungsbewußtsein ge­ hörte auch, den Betrieb rechtzeitig mit Voll­ endung seines 65. Lebensjahres seinem Sohn Andreas zu übergeben, der ihn mit dem gleichen Elan weiterführt, wobei ihm die Erfahrung und Arbeitskraft des Vaters auch weiterhin zur Verfügung steht. Wenn er 1998 in sein siebtes Lebensjahr­ zehnt tritt, so wünschen ihm nicht nur sei­ ne Familie und die Betriebsangehörigen, daß ihm in seinem wohlbestellten Haus die Freude an der Arbeit erhalten bleibt, seine Vitalität, seine Integrationsfähigkeit – wie er es selbst will: zum Wohl seiner Mitmen­ schen. Karl Volk 113

Industrie, Handwerk und Gewerbe Hirth-Fahrzeugbau eine führende Adresse Das Niedereschacher Unternehmen produziert Anhänger aller Art Die Firma Hirth Fahrzeugbau GmbH in Niedereschach ist eine der führenden Adres­ sen in Baden-Württemberg, wenn es um An­ hänger jeglicher Art geht. In Zeiten der Glo­ balisierung der Märkte ist die Firma, die ihr eigentliches Einsatzgebiet schwerpunkt­ mäßig in Baden-Württemberg hat, in ganz Deutschland und im nahen Ausland, so auch in der Schweiz, tätig. 1953 gründete Bruno Hirth sen., dessen Vorfahren in Niedereschach seit Generatio­ nen das Schmiedehandwerk ausübten, ei­ nen Fahrzeugbaubetrieb. Aus bescheidenen Anfängen entwickelte Bruno Hirth die Fir­ ma zu einer leistungsfähigen und weithin bekannten Fahrzeugfabrik. Das Fertigungs­ programm umfaßt den Bau von PKW-An­ hängern, landwirtschaftlichen Anhängern, kleinen PKW-Anhängern, Auto-und Bau­ maschinentransportern, Koffer-und Kühl­ anhängern, Markt-und Verkaufsanhängern bis hin zu LKW-Anhängern. Kurzum: die Firma Hirth Fahrzeugbau produziert und verkauft Anhänger aller Art. Spezielle Aufbauten und Sonderfahrzeuge sind für die Firma Aufgaben, denen sie sich erfolgreich stellt. Markenzeichen für alle Hirth-Anhänger ist deren große Stabilität, die daraus resultierende lange Lebensdauer sowie die vielseitige Verwendbarkeit, was gleichbedeutend mit einer hohen Wirt­ schaftlichkeit ist. Nicht umsonst besitzt die Firma Hirth seit Jahrzehnten in Industrie, Landwirtschaft, Handwerk und Gewerbe sowie auf dem pri­ vaten Sektor einen guten Ruf. Steigende Nachfrage, auch in Zeiten, die wirtschaftlich schwierig sind, eine treue und langjährige Stammkundschaft beweisen eindrucksvoll die Leistungsfähigkeit der Niedereschacher Firma, bei der sich die Mitarbeiter und Mit­ arbeiterinnen voll und ganz mit dem Be- Das Niedereschacher Unternehmen Hirth-Fahrzeugbau beschiifiigt 25 Mitarbeiter. 114

Hirtb·Fahrzeugbau und Mitarbeiterin­ nen zur Firma, die zwischenzeitlich von Bruno Hirth jun. und dessen Ehefrau Rosemarie mit viel Engage­ ment, Erfolg und ganz im Sinne sei­ nes Vaters geführt wird. Nachdem Bruno Hirth jun., er ist der Sohn des Fir­ mengründers, 1985 vor der Hand- werkskammer in Kaiserslautern mit gutem Erfolg seine Meisterprüfung im Ka­ rosseriebauerhandwerk abgelegt hatte, über­ nahm er 1989 den elterlichen Betrieb. Zwei Jahre später erweiterte die inzwischen in ei­ ne GmbH umgewandelte Firma um eine neue Produktionshalle. Eine ständige Verkaufsausstellung zeigt heute die umfangreiche Palette von Produk­ tions-und Handelsfahrzeugen der Firma Hirth. Daß die Firma nicht nur im Schwarz­ sondern wald-Baar-Kreis, weit darüber hinaus be­ kannt ist, liegt sicher auch daran, daß man seit Jahr­ zehnten an der Südwest­ messe in Villingen-Schwen­ ningen teilnimmt. Bereits bei der dritten Südwestmes­ se war die Niedereschacher Firma präsent und hat da­ mit die Zeichen der Zeit ein­ mal mehr verstanden. Den Weg der Südwestmesse zu einer großen Regionalaus­ stellung hat die Firma Hirth, die stets im Freigelände der Messe zu finden ist, mit be­ gleitet. Doch auch in Nie­ dereschach selbst war die 115 Hirth-Einachs- und Tandem-Durchfahrtieflader. trieb identifizieren. Sicher ist auch dies ein wichtiger Beitrag für den hohen �alitäts­ standart der Hirth-Anhänger. Viele lang­ jährige Mitarbeiter, teils seit Jahrzehnten für die Firma tätig, konnten in der zurücklie­ genden Zeit für ihre Betriebstreue geehrt werden. Die Familie Hirth weiß um ihre Ver­ antwortung auch für die Menschen der Re­ gion, gerade in Zeiten hoher Arbeitslosig­ keit. Immerhin zählen heute 25 Mitarbeiter Hirth-Dreiseitenkipper .far extreme Belastbarkeit.

Hirth-Fahrzeugbau Hirth-Fahrzeugbau in Niedereschach Firma Hirth schon bei der ersten Gewerbe­ ausstellung mit dabei. Trotz der immer schwieriger werdenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen se­ hen Bruno Hirth jun. und seine Frau Rose­ marie optimistisch in die Zukunft. Dank der Qialitätsarbeit, die bei der Firma Hirth ge­ leistet wird, wird der Betrieb auch in Zu­ kunft den Erfordernissen und Ansprüchen gewachsen sein. Daß der Firmengründer Bruno Hirth sen. und dessen Frau Agnes trotz des Ruhestandes nach wie vor mit Rat und Tat mithelfen, ist für den Familienbe­ trieb eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Und so ist es nicht verwunderlich, daß man auch den Seniorchef und die Seniorchefin immer wieder in Aktion sieht, so auch bei Die warme Stube Schneeflocken rieseln, fallen ganz sacht. Verwandeln die Wiesen mit weißer Pracht. Eisblumengebinde am Fenster reifen zu Blütenbildern an allen Scheiben. 116 der Südwestmesse in Villingen­ Schwenningen, wo sie aktiv an der Kundenberatung- und be­ treuung teilgenommen haben. Ihr Herzblut hängt nach wie vor an der Firma, an den dort be­ schäftigten Menschen und an den Kindern und bereits auch Enkelkindern, die vielleicht in ei­ nigen Jahrzehnten einmal die Verantwortung für die Firma Hirth Fahrzeugbau übernehmen werden. Daß die Leitung eines Betriebes wie die Firma Hirth Fahrzeugbau größtes Engagement und einen großen zeit­ lichen Aufwand verursacht, sei hier nur am Rande erwähnt. 60 bis 80 Stunden in der Woche sind da, wie bei vielen Familienbe­ trieben im Schwarzwald-Baar-Kreis, keine Seltenheit. In Niedereschach jedenfalls ist man froh, mit der Firma Hirth einen weite­ ren Betrieb zu haben, der mit Optimismus und Elan, gepaart mit Fleiß, Können und Einsatzwillen, die Zukunft meistern will und damit Arbeitsplätze am Ort erhalten und vielleicht sogar zusätzlich schaffen wird. Solche Betriebe, und derer gibt es in Niedereschach einige, bilden das Rückgrat der Niedereschacher Wirtschaft. Albert Bantle Das Feuer im Ofen gar lustig flackert, glühende Kohlen, spielende Schatten. Die warme Stube, das schützende Dach, selige Ruhe trotz Wintersnacht. Margot Opp

Persönlichkeiten Trotz Karriere ein bescheidener Mensch Bürgermeister und Kreisrat Siegfried Baumann und sein Unterkirnach 7. Kapitel/ Almanach 98 Die gute Entwicklung des Landkreises ist nicht zuletzt Kreistagsmitgliedern zu verdanken, die dessen Werdegang von der Gründung bis heute mit Sachkenntnis begleitet haben. Bereits im ver­ gangenen Jahr stellte die Almanach-Redaktion die Kreisräte Günter Laujfer (St. Georgen) und Elmar Österreicher (Dauchingen) vor, die seit der ersten Wahlperiode 1973 die Geschicke des Krei­ ses mitbestimmten. Aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Sch warzwald-Baar-Kreises wer­ den aiif den folgenden Seiten die übrigen Kreisparlamentarier porträtiert. Siegfried Baumann ist 1938 in Nie­ dereschach geboren. In den Jahren des Zwei­ ten Weltkrieges herangewachsen, hat er aus der Not dieser Zeit heraus Sparen und Be­ scheidenheit gelernt. Sein Vater war Post­ beamter, und es war sicher in seinem Sinne, daß der Sohn ebenfalls die Beamtenlauf­ bahn bei der Post begann. Nach der Lehre war sein Tätigkeitsgebiet vorwiegend im Be­ reich der Bahnpost. ,,Diese Arbeit hat mir sehr viel Spaß gemacht, und gerne wäre ich dort geblieben“, so Bürgermeister Baumann heute. Doch bald mußte er feststellen, daß es in einem großen Staatsbetrieb beim be­ ruflichen Weiterkommen nicht nur auf Fleiß und Können ankam, sondern auch auf das Zuwarten, bis man an der Reihe war. Aber gerade das Zuwarten ist etwas, was dem heu­ tigen Bürgermeister nicht liegt. So wechsel­ te er 1961 zur Kommunalverwaltung, ab­ solvierte die Lehrgänge für den mittleren und gehobenen Verwaltungsdienst und leg­ te 1965 die Inspektorenprüfung ab. Beim Siegfried Baumann Landratsamt Villingen war er in der Folge Sachbearbeiter im Ausgleichsamt und Leiter des Rechnungsprüfungsamtes, danach im Rathaus in Deißlingen Leiter des Hauptam­ tes und des Rechnungsamtes. Im Herbst 1967 stellte sich Siegfried Bau­ mann neben drei Konkurrenten in Unter­ kirnach der Bürgermeisterwahl. Mit 88 Pro­ zent der Stimmen wurde er bereits im ersten Wahlgang gewählt. Ebenso erfolgreich wa­ ren die Wiederwahlen 1975, 1987 und 1995. Bei der letzten konnte Bürgermeister Bau­ mann 91,2 Prozent der gültigen Stimmen auf sich vereinen. Zitat von Gemeinderäten 117

Siegfried Baumann nach der W iedeiwahl, nachzulesen in einer Tageszeitung am 6. November 1995: ,,Einen Besseren können wir nicht haben.“ Vor 25 Jahren kandidierte Bürgermeister Baumann als Mitglied der CDU erstmals für den Kreistag, dem er mit Unterbrechung heute noch angehört. Als im Februar 1968 Bürgermeister Bau­ mann sein Amt in Unterkirnach antrat, wa­ ren seinem Tatendrang keine Grenzen ge­ setzt: Unterkirnach war ein kleiner land­ wirtschaftlich orientierter Ort mit dürftiger Infrastruktur, ohne Kindergarten, Fried­ hofskapelle, Sportanlagen, ja nicht einmal eine ausreichende Straßenbeleuchtung war vorhanden. Unter Bürgermeister Baumann entwickelte sich Unterkirnach zu einem be­ deutenden Luftkurort mit großem Erho­ lungs- und Freizeitwert. Viele Sporteinrich­ tungen wie Sporthalle, Turn- und Festhalle, Gartenhallenbad mit Kinderplanschbecken, Sportplatz mit Kunstrasenbelag, Tennisplät­ ze, Kegelbahnen und im Winter mehrere Kilometer gespurte Loipen stehen heute zur Verfügung, ebenso Wildpflanzenpark und Streichelzoo. Beispielhafte Ortskernsanierung Der Fremdenverkehr steigerte als Mittel zum Zweck auch den Wohnwert für die Einheimischen. Nach dem Bau der Umge­ hungsstraße nahm Bürgermeister Baumann die Ortskernsanierung in Angriff. Es wurde ein verkehrsberuhigter Bereich mit Dorf­ bach, Baumallee und Kieschtockbrunnen geschaffen. Eine weitere Attraktion entstand mit der Kirnachmühle. Auch den Erhalt der kommunalen Selbständigkeit bei der Ver­ waltungsreform haben die Unterkirnacher im wesentlichen dem Einsatz von Bürger­ meister Baumann zu verdanken. Neben den vielfältigen Investitionen steht bei Bürgermeister Baumann der Bürger als Mensch im Vordergrund. Er hat ein Herz für Kinder und Jugendliche. Eine Vielzahl von Kinderspielplätzen und umfangreichen Kin- 118 derprogrammen, die neben den Feriengä­ sten auch von den Einheimischen gerne be­ sucht werden, wurden geschaffen und ange­ boten. So kommt es nicht von ungefähr, daß Unterkirnach 1990 Bundessieger beim Wettbewerb „Familienferien in Deutsch­ land“ wurde. Bürgermeister Baumann hat auch dafür gesorgt, daß die Jugendlichen im „Combi“, einem von Fachkräften betreuten Jugendkeller, ein „Zuhause“ haben. In den Vereinen die Mitglieder zu moti­ vieren, ist ebenfalls eine Stärke von Bürger­ meister Baumann. Beim Bau des Sportler­ treffs hatte er für die 298 ehrenamtlichen Helfer im Alter von 6 bis 74 Jahren die frei­ willigen Arbeitseinsätze während der nahe­ zu dreijährigen Bauzeit Woche für Woche organisiert und selbst an der Baustelle Hand angelegt. Die Sportgemeinschaft, deren Ge­ schäftsführer Bürgermeister Baumann heu­ te noch ist, erhielt hierfür im März 1986 den Hauptpreis der Landesregierung beim Wettbewerb „Kommunale Bürgeraktionen“. Der Bürgermeister als Mensch war auch gefragt, als in der damals rund 2 100 Ein­ wohner großen Gemeinde ab Juni 1989 im Areal Maria Tann bis zu 600 Aussiedler un­ tergebracht wurden. Seine Bemühungen für ein menschliches Miteinander brachten der Gemeinde beim Bundeswettbewerb „Vor­ bildliche Integration von Aussiedlern in der Bundesrepublik Deutschland“ die Verlei­ hung der Silberplakette. Trotz des beruflichen Erfolges ist Bürger­ meister Baumann immer bescheiden geblie­ ben. Er hält sich fit durch seine Hobbys Rad­ fahren, Wandern in der erholsamen Natur und durch Tennis. Einen großen Wunsch hat er allerdings noch offen, und zwar ein bißchen mehr Zeit für seine von ihm über alles geschätzte Familie. Elfriede Dufner

Stets ein Anwalt der Bürger geblieben Kreisrat Lukas Duffner von Kindesbeinen an mit der Landwirtschaft verbunden Persönlichkeiten Lukas Duffner wurde 1929 in Ettenheim geboren und wuchs dort mit einem Bruder und einer Schwester auf. 1944 flüchtete die Familie ins Elsaß und kam nach Kriegsende zurück in den Schwarzwald, wo sie im Raum Triberg/Schonach zunächst Unterschlupf fand. Bald darauf wurde Lukas Duffner von den Franzosen verhaftet, konnte aber schon bald flüchten und ein Bekannter hielt ihn ei­ ne Zeitlang in Schonach versteckt. Dort lernte er auch seine spätere Ehefrau Alma Dold vom Schneiderjockelhof kennen und heiratete 1950 auf den Hof. Mit Alma Dold hatte er 7 Kinder. Das jüngste war gerade drei Jahre alt, als Alma 1974 starb. Nach diesem harten Schlag heiratete er 1978 seine jetzige Ehefrau Marianne aus Düsseldorf. Sie brachte 2 Kinder mit in die Ehe. Mit ihr hat der Kreisrat ein gemeinsa- mes Kind. Von Kindesbeinen an verdiente Lukas Duffuer seinen Lebensunterhalt in der Landwirtschaft. Auf der Suche nach ei­ nem Einkommen nach den Kriegswirren kam er 1954 zum ersten motorgetriebenen Schneeräumfahrzeug in der Region. Im Jahr 1965 begann er mit dem Neubau seines Ho­ fes. Als zweites Standbein begann er, den Hof touristisch zu erschließen. Aus den gu­ ten Erfolgen entwickelte sich sein jetziger Lebensunterhalt, der Betrieb des Kultur­ denkmals Reinertonishof. Zur Politik: Im Jahr 1965 stieg Lukas Duff­ ner bei der SPD in die Politik ein und wur­ de als jüngstes Mitglied in den Kreistag des damaligen Landkreises Donaueschingen gewählt. Bei den folgenden Wahlen hatte er immer sichere Mehrheiten, was er auf seine kontinuierliche Arbeit zurückführt. Von Kreisrat Lukas Du.ffezer vor seinem denkmalgeschützten Reinertonishof in Schönwald. 119

Lukas Duffncr 1966 bis 1975 war der engagierte Kreisrat im Agrarausschuß tätig. 1966 war er Mitgrün­ der des SPD-Ortsvereins Schönwald, des­ sen Vorsitz er bis heute mit dreijähriger Unterbrechung innehat. Außerdem ist er Ehrenbürger der langjährigen Partnerstadt Bourg Archard. Sein gesamtes Wirken ist vom Hauptthe­ ma Landwirtschaft und Kampf gegen zuviel Bürokratismus geprägt. Dabei habe es an­ fängliche Schwierigkeiten gegeben, denn die Landwirtschaft sei bis dahin kein Thema im Kreistag gewesen. In der ersten Zeit wurde Duffner von Fraktionssprecher Dr. Eddinger angeleitet, der ihm wertvolle Tips geben konnte. Duffuer lernte auch, daß geschlos­ senes Auftreten auch bei scheinbar aus­ sichtslosen Anliegen etwas bewirken kann. Über Parteizugehörigkeiten muß nach sei­ ner Ansicht auch mal um der Sache willen hinweggesehen werden, denn: ,,Um Mehr­ heiten zu haben, muß man Kompromisse eingehen können“, ist einer seiner Leitsätze. Er will mit allen Fraktionen zusammenar­ beiten, wendet sich bei Anliegen von Bür­ gern auch schon mal direkt an den zustän­ digen Sachbearbeiter einer Behörde. Durch die langjährige Arbeit hat Lukas Duffner auch gute Kontakte zu den Behörden in Freiburg und Stuttgart, was ihm gelegentlich hilft, seine Ziele zu erreichen. Unkonventionelle Wege einzuschlagen, fällt dem rührigen Kreisrat nicht schwer. So hat er einmal beim Ausflug des Kreistages in Wien bei einem Spaziergang mit den Kolle­ gen den Einbau einer neuen Küche im Landwirtschaftsamt durchgesetzt. Der Bau der Kreisstraße von Schönwald nach Scho­ nach ist seinem Zutun zu verdanken. Nach den Richtlinien durfte nur eine Gemeinde­ verbindungsstraße zu einer Kreisstraße aus­ gebaut werden. Der vorhandene Weg sollte zunächst also als Gemeindeverbindungs­ straße eingestuft werden, um den späteren Ausbau zu ermöglichen. Die zuständigen Herren kamen bei einer Besichtigungsfahrt mit einem Mercedes-PKW jedoch nicht 120 durch und lehnten die Einstufung schlicht­ weg ab. Das ganze Vorhaben war gefährdet. Duffner konnte beim Regierungspräsidium glaubhaft machen, daß dies nur an der schlechten Eignung des „Testfahrzeuges“ lag. Es wurde also mit „normalen“ Fahrzeu­ gen eine neue Besichtigung durchgeführt und der Einstufung stand nichts mehr ent­ gegen. Die vielfältigen Aktivitäten blieben bei der Landes-SPD nicht unbemerkt. An­ werbungen widerstand Lukas Duffner je­ doch stets. Soweit es seine Zeit erlaubte, un­ terstützte er jedoch den Wahlkampf, ließ sich auch für ein Wahlplakat ablichten. Lukas Duffner ist ein überzeugter Euro­ päer. ,,Wer den Zusammenbruch nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt hat, muß ein ver­ eintes Europa für Gottes Segen halten“, das ist seine Überzeugung. Nach seiner Ansicht sollte das vereinte Europa noch stärker aus­ gebaut werden. Seinen Einfluß will er noch eine Zeitlang behalten, denn: ,,Man wird ge­ wählt, um Einfluß zu haben.“ Auch die Nachwuchsförderung liegt ihm am Herzen. Der Erfahrungsschatz eines langjährigen Politikers ist zwar schwer zu ersetzen, aber die Jungen müssen mitarbeiten und mitent­ scheiden, sonst könne nichts erreicht wer­ den. Und er betont auch, daß es nur bei den Wahlen möglich sei, Dinge, mit denen man nicht zufrieden war, zu ändern. Deshalb will Duffuer die Jüngeren motivieren, nicht in Hoffnungslosigkeit oder Gleichgültigkeit zu versinken. Sei es bei den allgemeinen Le­ bensumständen oder im Kampf gegen die Bürokratie. Unterstützt wird Lukas Duffnervon seiner Ehefrau Marianne, ,,ohne die ich das alles nicht schaffen würde“, betont er. 1996 gab Duffuer den Schneiderjockelhof an seinen Sohn ab und lebt nun im (Un)ruhestand. Mit dem Mehr an Freizeit weiß er einiges anzufangen. So kann er sich mehr um die Gäste auf dem Reinertonishof kümmern. Außerdem geht er gerne schwimmen, mit den Gästen wandern oder begleitet Bus­ rundreisen, um etwas über die Gegend zu

Martin Kossow Einst der jüngste Bürgermeister im Land Lukas DuJTncr/Pcr önlichkciten daraus zu machen. Von den drei Landräten, die Duffner in seiner Tätigkeit kennenge­ lernt hat, war die Zeit des ersten (Dr. Astfäl­ ler) noch von einer ausgeprägteren Kame­ radschaftlichkeit, die Duffner heute ein we­ nig vermißt. Eine der jüngsten Aktionen war eine Initiative gegen die zu befürchtende Schwächung des Berufsschulstandortes Furt­ wangen. Dabei habe sich erneut gezeigt, daß durch Zähigkeit und geschlossenes Auftre­ ten in der Politik so manches erreicht wer­ den könne. erzählen. Zukunftsängste hat Lukas Duff­ ner keine. Sorgen machen ihm jedoch die geringen Spielräume, um etwas zu gestalten. Die Mittel seien derart knapp, daß man nur noch das Nötigste machen könne. Früher habe man wesentlich mehr Möglichkeiten gehabt. Er nennt als ein Beispiel den Sozial­ etat, denn durch die vielen Flüchtlinge oder Asylbewerber seien die Ausgaben enorm ge­ stiegen. Deshalb tritt Duffner für eine Ver­ besserung von Rückkehrmöglichkeiten ein. Die Kreisreform erlebte Lukas Duffner als ,,Umsetzung der Beschlüsse aus Stuttgart“. Entscheidungsmöglichkeiten habe es kaum gegeben, aber man habe versucht, das Beste Auch im Kreistag ist Albert Haas zu allererst ein Vertreter der Interessen seiner Heimatregion in der Rückschau. In der Erin­ Als Albert Haas 1968 zum Schonacher Bürgermeister ge­ nerung entschärfen sich zwar die Dinge, doch der „Bürger­ wählt wurde, war er mit 29 Jah­ meister i. R.“ bleibt kritisch. ren der jüngste im Land. ,,Aber nicht lange“, erinnert er sich: „36 Jahre habe ich auf dem „Erwin Teufel war knapp 25 Rathaus geschafft, davon sie­ Jahre alt, als er Bürgermeister benundzwanzigeinhalb Jahre als Bürgermeister“, zieht er Bi­ wurde.“ Erwin Teufel, der heu­ tige Ministerpräsident von Ba­ lanz und klopft auf zwei DIN­ A-4-Seiten, die seine überwie­ den-Württemberg und Wahl­ kreisabgeordneter, war dem gend ehrenamtlichen Positio­ heute 59jährigen Albert Haas nen neben dem Bürgermei­ ein Weg-· und Parteigefährte. ster-und dem Kreisrats-Amt „Die Wahlkämpfe damals mit auflisten. Da blieb nicht viel Dr. Häfele und mit Erwin Teu­ Zeit für die Familie, einen Fei­ fel…“, Albert Haas schmunzelt. erabend kannte er nicht, und Nie hat er die beiden Männer Kreisrat Albert Haas am Wochenende widmete sich aus den Augen verloren. Albert Haas der Bevölkerung, 1971 wurde Haas für die CDU in den den Vereinen, denn er wollte ein Bürger­ Kreistag gewählt. Sechsmal wurde er wie­ meister für alle sein. 1974 erhielt er dafür dergewählt, 1994 mit über 4 000 Stimmen – den Kupferteller der Gemeinde, 1993 die diesmal jedoch für die Freien Wähler. Ein Ehrung durch den Gemeindetag. Bruch in der Lebensgeschichte von Albert Die Familie hat zu ihm gehalten. Die Bür­ ger nicht in dem Maße, wie er es sich ge­ Haas? Kein Bruch, eher die ehrliche Konse­ quenz und Handlungstreue, so Albert Haas wünscht hat: ,,An die Zukunft sollten sie 121

Albert Haas Überwältigendes Ergebnis denken. Ich wollte die Bodensee­ Wasser-Versorgung für ein neues Baugebiet. 1 000 neue Bürger hätte uns das gebracht, Schonach wäre stärker geworden, hätte an Kaufkraft gewonnen und das Steueraufkommen vergrößert.“ Haas fühlte sich in diesem Zu­ kunftsbestreben von der Scho­ nacher CDU-Fraktion, der stärk­ sten im Gemeinderat, im Stich gelassen. Folge: Austritt aus dem CDU-Ortsverein und Abdan­ kung vom Bürgermeisteramt, er wollte keinen offiziellen Ab­ schied, viele Schonacher bedau­ erten das. Doch Haas ist nicht der Mann, der einen Groll lange bewahrt. Dafür lacht er zu gern – ein ehrliches Lachen, das an­ steckend ist. Daß er im Laufe der Zeit zu ei­ ner kommunalpolitischen Per­ sönlichkeit im Schwarzwald­ Baar-Kreis herangereift war, zeig­ ten ihm die Wahlen für den Kreistag 1994. Die Freien Wähler Tribergs, der Nachbarstadt, hat­ ten Haas gefragt, ob er nicht auf ihrer Liste für den Kreistag kan­ didieren wolle. Er griff zu. Da die Region Triberg die erforderlichen 15 000 Einwohner für einen Wahlkreis nicht zusammen­ Winter im Skido,f Schonach, auch dank des Zutuns von Albert bringt, ist St. Georgen der Wahl­ kreispartner. Seine Reputation über die 26 Jahre Kreispolitik und drei Landräte hat Dorfgrenzen hinweg verschaffte Albert er erlebt. Albert Haas sieht Landrat Dr. Ast­ Haas ein überwältigendes Stimmenergebnis. faller noch vor sich und erinnert sich im Ge­ Nun macht er noch Kreispolitik, erlebt die spräch an die Schwierigkeiten von damals: Zeit jetzt mit der Familie als Glück und ,,Zuerst waren wir der Landkreis Villingen, kehrte beruflich fast zum einst Erlernten dann der Landkreis Villingen-Schwennin­ zurück: Der Großhandelskaufmann und gen, eine badische und eine württember­ Verwaltungsinspektor verwaltet Ferienwoh­ gische Region zusammen … “ Damals galt es nungen in Schonach. schier unüberwindbare Grenzen einzu- 122 Haas ist Schonach eine von nur sieben Gemeinden auf der Wtlt, die sich „FIS-Austragungsort“ nennen diüfen.

reißen. Als Donaueschingen dazu kam und der Schwarzwald-Baar-Kreis ins Leben geru­ fen wurde, entstanden erneute „Graben­ kämpfe“. ,,Das hat sich bis heute durchaus erhalten: Die Donaueschinger gucken kri­ tisch auf das Oberzentrum (Villingen­ Schwenningen), das Oberzentrum kritisch auf das starke Umland, zu dem ja St. Geor­ gen als Mittel-und Triberg als Unterzen­ trum gehören und alle auf die anderen. Al­ le passen auf, daß es gerecht zugeht.“ Das ginge quer durch die Fraktionen, belebe aber auch die Diskussion und mache die Entscheidungen nicht zu leichten Übungen. „Unter Dr. Gutknecht haben wir viel für die Kreisgemeinden getan“, schaut Haas zurück. Kreisweit wurde das Schulwesen organisiert mit Berufs-und Sonderschulen: „Da konnten wir noch investieren, das ist heute nicht mehr möglich.“ Umstruk­ turierung ist angesagt, um Kosten zu sparen. ,,Es fehlen einfach die Berufsschüler“, be­ mängelt er die Entwicklung. Kreisweit wur­ de die Abfallbeseitigung organisiert und zur Aufgabe des Landkreises gemacht. ,,Ge­ meinden wie Schonach könnten das heute aus eigener Kraft nicht mehr bezahlen“, be­ stätigt Haas diese Entscheidung. Auch für Schonach blieb immer etwas aus der Kreis­ politik hängen: Die zentrale Zimmerver­ mittlung zum Beispiel. Davon profitiere Schonach als Fremdenverkehrsort doch sehr. .�ir müssen umdenken“ Die Kommunalpolitik jedenfalls läßt Haas nicht los. ,Ja, ich glaube schon, daß ich mit Leib und Seele Kommunalpolitiker bin“, sagt Haas und muß es nicht beweisen. In­ teressiert ihn ein Thema, dann legt er sich ins Zeug und kann mit seiner Stimme ganze Säle füllen. Dabei begleitet ihn zwar der Op­ timismus, aber auch das Erkennen der jetzi­ gen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation auch im Kreis. ,,Wir müssen um­ denken, wir müssen die Bürger stärker an ihr Persönlichkeiten gesellschaftspolitisches Mittun erinnern, wir können heute nicht mehr vom Staat alles fordern“, sagt er und meint damit auch die Schülerbeförderung. Seiner Meinung nach müßten Eltern durchaus eingebunden wer­ den in die Kosten der Beförderung. ,,Der Kreis tut doch viel mit den Schulen, ihren Einrichtungen, der Lernmittelfreiheit“, für Härtefälle sei doch gesorgt. Wenn der Kreis vom Land keine Gelder bekomme, muß er von der Kreisumlage leben, die von den Ge­ meinden kommt. Und die Gemeinden bit­ ten die Bürger zur Kasse. ,Wir müssen ge­ meinsam unsere Ansprüche zurückneh­ men“, wünscht er sich für die zukünftige Kreisarbeit. 26 Jahre Kreistagspolitik mit Ausschuß-Sit­ zungen, Ortsbegehungen, Fraktionssitzun­ gen -war es denn immer nur Arbeit und nüchterne Atmosphäre? ,,Früher weniger“, erinnert sich Haas schmunzelnd. ,,Die Nachsitzungen mit Otto Weissenberger wa­ ren immer sehr anregend. Das Gesellschaft­ liche fehlt heute im Gremium fast ganz.“ Und was hat ihn -den „alten Hasen“ des Kreistages -denn geärgert in all den Jahren? Da antwortet der Schonacher ganz spontan: ,,Daß der Kreistag nie den Schwarzwald­ pokal so akzeptiert hat wie er seiner Bedeu­ tung nach akzeptiert werden müßte. Nur sieben Gemeinden auf der Welt sind FIS­ Austragungsort und eine davon ist Scho­ nach, das fand im Kreistag nie einen Nie­ derschlag.“ Aber geärgert hat ihn das weni­ ger, nur traurig gestimmt. Denn auch da ist sich Haas treu: ein Schonacher ist ein Scho­ nacher -und der steht auf den Skiern. Und auch wenn er selbst nicht mehr aktiv dabei ist, ist doch der Skiclub sein Zuhause und für den Skiclub wird er auch weiter­ kämpfen. Auch wenn er mal nicht mehr Kreisrat sein sollte. Renate Bökenkamp 123

Prrsönlichkriteo Kommunalpolitiker mit Leib und Seele Dr. Gerhard Gebauer 35 Jahre Oberbürgermeister und Kreispolitiker Kommunalpolitiker mit Leib und Seele ist der Jurist Dr. Gerhard Gebauer, von 1962 bis 1972 zunächst Oberbürgermeister von Schwenningen, dann bis 1994 von Villin­ gen-Schwenningen. Neben diesem Amt en­ gagierte er sich als SPD-Fraktionsvorsitzen­ der auf regional- und kreispolitischer Ebene. Führende Tätigkeiten beim Deutschen Städ­ tetag sowie als Interessenvertreter der deut­ schen Städte in europäischen Institutionen sind seine weiteren Tätigkeitsfelder. Am 1. Mai 1960 trat Dr. Gebauer sein Amt als 1. Bürgermeister der Stadt Schwenningen an, nachdem er im Februar vom Gemeinde­ rat mit 29 Stimmen bei einer Enthaltung ge­ wählt worden war. Bereits im August 1961 mußte er dann die Stelle des Oberbürger­ meisters kommissarisch übernehmen, weil Amtsinhaber Dr. Hans Kohler erkrankte. Als dieser im August 1962 starb, verzichte­ ten die Parteien auf die Aufstellung eigener Kandidaten und Dr. Gebauer wurde mit großer Mehrheit zum neuen OB gewählt. Die erste Amtszeit des damals jüngsten Oberbürgermeisters in Baden-Württemberg war durch einen bemerkenswerten Ausbau der infrastrukturellen Einrichtungen, vor al­ lem in den Bereichen Bildung, Sport und Soziales, sowie durch den Beginn der bei­ spielhaften Innenstadtsanierung geprägt. Diese Leistungen wurden 1970 durch eine überzeugende Wiederwahl Dr. Gebauers für nunmehr 12Jahre honoriert, wobei die Par­ teien abermals auf eigene Alternativkandi­ daten verzichteten. Mit der Bildung der Doppelstadt Villin­ gen-Schwenningen am 1. 1. 1972 endete die Amtszeit des OB vorzeitig. An den Planun­ gen zur Städtefusion und zum Ausbau eines leistungsfähigen Oberzentrums war er ent­ scheidend beteiligt. Gemeinsam mit Severin Kern, dem Oberbürgermeister von Villin- 124 Bundeskanzler Kiesinger zu Gast in Schwenningen bei Dr. Gebauer(J968). gen, stand er an der Spitze der Verfechter für die Bildung einer Einheitsgemeinde als star­ ke Mitte der Region Schwarzwald-Baar­ Heuberg mit ihren 405 000 Einwohnern. Es gelang, die große Mehrheit der Bürger für dieses Ziel zu gewinnen und durch ein Son­ dergesetz des Landtags wurde die gemeinsa­ me Stadt Realität, deren erster Oberbürger­ meister Dr. Gebauer hieß. Unter seiner Ver­ handlungsführung wurde die territoriale Stadtentwicklung bis 1975 durch die Ein­ gliederung von 9 weiteren Gemeinden ab­ geschlossen. Die Bevölkerungzahl erreichte damit einen Stand von mehr als 82 000 Per­ sonen. 23 Jahre lang stand Dr. Gebauer an der Spitze der zweitgrößten südbadischen Stadt. Seine Leistungen zur Fortentwicklung des Oberzentrums und zur gesamtstädtischen Integration wurden 1979 und 1987 durch Bestätigungen im Amt anerkannt und ge­ würdigt. 1994 trat der 68jährige als dienstäl-

tester OB Deutschlands nach fast 35 Amts­ jahren in den Ruhestand. Als Kommunalpolitiker hat Dr. Gebauer in Europa und in der gesamten Bundesre­ publik Anerkennung gefunden. Die Interes­ sen der deutschen Städte vertritt er als nach wie vor tätiges Mitglied im Präsidium des Ausschusses der Regionen der Europäischen Union (ADR) in Brüssel. Bis zum Jahr 1999 ist er als l. V izepräsident des Rats der Ge­ meinden und Regionen Europas (RGRE) gewählt, dessen Präsident er über 10 Jahre hinweg gewesen ist. Jahrzehntelang war er Mitglied des Präsidiums des Deutschen Städtetags, für acht Jahre als l. V izepräsident und als Stellvertreter des Präsidenten dieses größten Kommunalverbands in Deutsch­ land. Seine Verdienste fanden ihren beson­ deren Ausdruck durch die Ernennung zum Ehrenmitglied des Städtetags auf Lebens­ zeit. Seit ihrer Bildung ist Dr. Gebauer ein eif­ riger Verfechter der Stärkung der Regional­ verbände. Mehrere Jahre war er Vorsitzender der Planungsgemeinschaft Schwarzwald­ Baar-Heuberg, die Mitte der sechziger Jahre aus den Kreisen Rottweil, Tuttlingen, Villin­ gen, Donaueschingen und Neustadt ent­ stand. Ein großer Erfolg dieser Gemein­ schaft war die Durchsetzung des zügigen Dr. Gerhard Gebauer Ausbaus der Bodenseeautobahn. Seit der Gründung des Regionalverbands Schwarz­ wald-Baar-Heuberg im Jahr 1972 ist Dr. Ge­ bauer in diesem Gremium führend tätig, viele Jahre als SPD-Fraktionsvorsitzender und bis 1999 als stellvertretender Verbands­ vorsitzender. Die kreispolitische Tätigkeit Dr. Gebauers erstreckt sich über einen Zeitraum von 37 Jahren. Seit 1960 war er in seiner Funktion als Bürgermeister bzw. OB zunächst stell­ vertretendes, dann ordentliches Mitglied des Kreisrates im Landkreis Rottweil, dem Schwenningen bis 1972 zugehörte. In den Jahren der Kreisreform 1971/72 trat er für die Bildung eines leistungsfähigen Groß­ kreises ein, der sich aus den bisherigen Land­ kreisen Rottweil, Tuttlingen, Donaueschin­ gen und V illingen zusammensetzen sollte. Nach dem Scheitern dieser Bemühungen kandidierte er mit großem Erfolg für den Kreistag des neu gebildeten Schwarzwald­ Baar-Kreises, dem er noch immer angehört und in dem er viele Jahre lang als Vorsitzen­ der der SPD-Fraktion wirkte. Bis heute ist er Stellvertreter des Landrats, die Bereiche Bil­ dung, Kultur und Soziales stehen im Vor­ dergrund seiner Bemühungen. Dr. Helmut Rotherrnel Im Gespräch: links Willy Brandt, in der MitteDr. Ge­ bauer (1970). 125

Persönlichkeiten Ein Liberaler mit hohem sozialen Anspruch Der Blumberger Harald Mattegit ist seit 1971 viel geachteter Sprecher seiner Kreistagsfraktion Die Limousine mit dem Bon­ ner Kennzeichen biegt von der Autobahn ab, im Fond schlägt Außenminister Dietrich Gen­ scher die Augen nach einem kurzen Nickerchen auf: „Wo sind wir denn hier“, fragt er sei­ nen Fahrer und als dieser Villingen-Schwenningen sagt, kommt ein promptes: ,,Aha, bei Herrn Mattegit!“ Die Ge­ schichte, sie ereignete sich vor Jahren während eines Bundes­ tagswahlkampfes, ist überlie­ fert und während Harald Mat- tegit, wenn angesprochen, stets schmunzelnd die Schultern Kreisrat Harald Mattegit zuckt, nickt der Altliberale Genscher bestätigend und mit einem freundschaftlichen Lächeln. Genscher und Mattegit – der eine unbestreitbar ein Welt­ politiker von Format, der andere ein Kom­ munalpolitiker mit Leib und Seele und bei­ de verbindet nicht nur eine Freundschaft und die Vorliebe für ausgezeichnetes Essen, was sich in stattlichen Kleidermaßen wider­ spiegelt, sondern ebenso der Feingeist sowie die Auffassung über einen sozial zu vertre­ tenden und vorzulebenden Liberalismus. heit, die schon so mancher po­ litische Gegner zu spüren be­ kam. Im Jahr 1963 begann sei­ ne offizielle politische Lauf­ bahn bei den Liberalen. Der damalige Landtagsabgeordnete Fritz Einwald hatte ihn dazu bewegt. 1971 wurde der damals 38jährige im einstmaligen Kreistag Donaueschingen und im Blumberger Gemeinderat zum Fraktionsvorsitzenden ge­ wählt und übernahm zudem die Führung des Kreisverban­ des der Liberalen. Bei seinem Amtsantritt begrüßte ihn der damalige Bräunlinger Bürger­ meister und Freie Demokrat Bernhard Blenkle mit den Worten: ,,Des isch ab hit iisern Chef!“ Im Kreistag nahm ihn dann sogleich der Furtwanger Bürger­ meister und Landtagsabgeordnete Hans Frank kritisch ins Visier, doch bestand der Neuling, auch damals rhetorisch schon recht versiert, seine Premiere auf der politischen Bühne ganz gut. Hans Frank kam dann auch prompt nach der Sitzung, klopfte dem jun­ gen Kollegen auf die Schulter und meinte: „Hast Du gut gemacht. Ich wollte Dich nur mal testen.“ Harald Mattegit, wer ist dieser Mensch, der zumeist ein freundliches Lächeln trägt und den offenbar fast nichts aus der Ruhe brin- Gebürtiger Schweizer gen kann. Er ist auf jeden Fall ein Kreisrat der ersten Stunde, Fraktionsvorsitzender der Liberalen im neuen Kreistag, der nach der Kommunalreform vor rund 25 Jahren ge­ bildet worden war. Ob Kreis-FDP, Blum­ berger Gemeinderatsfraktion oder Kreis­ tagsfraktion, der Liberale war stets von Be­ ginn an die Galionsfigur an den lokalen und regionalen Fronten, geachtet wegen seiner Fairneß, gefürchtet ob seiner Wortgewandt- Harald Mattegits Beziehung zur Schweiz und zur Grenzlandschaft besteht seit seiner Geburt am 19. März 1933. Das Licht der Welt erblickte er nämlich im schweizeri­ schen Laufenburg. Der Vater war beim Kraftwerk angestellt und die Familie lebte jenseits der Grenze. Bis 1945 dauerte dies, dann wurden die Mattegits des Landes ver­ wiesen und zogen nach Bad Säckingen und 126

nur zwölf Monate später in den Blumberger Vorort Zollhaus, wo der Vater im Um­ spannwerk beschäftigt war. Neben dem El­ ternhaus war sicherlich auch das „St.-Hein­ rich-Konvikt“ in Donaueschingen prägend für den jungen Mattegit, der die Einrich­ tung von 1946 bis 1948 besuchte. Der heu­ te 64jährige hätte sich durchaus auch ein Le­ ben als Pfarrer vorstellen können, zumal ihn die missionarische Arbeit stets reizte und noch immer reizt, nur daß er statt der Kan­ zel das Podium der kommunalen und re­ gionalen Politik gewählt hat. Sein Abitur baute Mattegit 1954 am Do­ naueschinger Fürstenberg-Gymnasium. Als Studienfach wählte er hernach eben nicht die T heologie, auch wenn seine Mutter dies durchaus gerne gesehen hätte, sondern die Zahlen: Steuern und Recht wurden nach Harald Mattegit dem Diplom Ende der 50er Jahre auch der Inhalt seines Arbeitslebens, sehr bald schon als Unternehmer mit eigenem Steuerbera­ tungsbüro in Donaueschingen, in dem heu­ te über 30 Mitarbeiter beschäftigt sind. Ein bodenständiger Mensch Politisch, beruflich und auch privat liebt Harald Mattegit die Bodenständigkeit. So verwundert es auch nicht, daß er 1959 seine alte Jugendliebe Helga Schmid heiratete. Die Tochter des einstmaligen Blumberger Bürgermeisters hatte er auf gemeinsamen Busfahrten zur Schule nach Donaueschin­ gen kennengelernt. Ein Sohn und eine Tochter entsprangen aus dieser Verbindung, die auch heute noch sehr harmonisch ist. „Wahrscheinlich, weil ich so selten daheim Harald Mattegit mit der Generalsekretärin der FDP, Dr. lrmgard Adam -Schwaetzer. Aufgenommen im Jahr 1983 in der „Scheffellinde“ in Achdorf beim politischen Aschermittwoch. 127

mit dem Satz: ,,Tue Gutes und rede darüber“ absolut nichts anfangen kann. Zudem ist er das lebende Beispiel dafür, daß die FDP of­ fenbar doch nicht nur kalte Wirtschaftslibe­ rale und stromlinienförmige Politaufsteiger in ihren Reihen hat. Ein echter Liberaler, so Mattegit, ist auch immer ein sozialer Li­ beraler! ,,Allerdings glaube ich, daß der Mensch sein Schicksal selber verantworten soll. Dazu muß ihm der Staat aber die Mög­ lichkeit geben. Der Ruf nach Staat ist nur zu oft verbunden mit der Preisgabe persönli­ cher Freiheit.“ Harald Mattegit, der sich nie um Verantwortung gedrückt hat und der für die Jugend den weisen Rat bereit hält, zuerst einen Beruf zu lernen, um unabhängig von Parteien und Wahlergebnissen zu sein, cha­ rakterisiert sich selber als völlig normalen Menschen mit Schwächen und Stärken, der Höhen und Tiefen, der Erfolge und Mißer­ folge erfahren hat. Und: Ein paar Jahre Politik in der Region wird er wohl noch dranhängen … Ach ja, wie war das nun mit Dietrich Gen­ scher und der großen Politik? Hat diese Harald Mattegit denn jemals gereizt, oder war er froh, angesicht der Eiertänze in Bonn, Kommunal- und Kreispolitiker zu sein? „Letzteres ja, wenngleich diese Tanzform inzwischen auch zuweilen von Kommunal­ politikern dargeboten wird.“ Trotzdem gibt er zu, daß er sich ein höheres politisches En­ gagement durchaus überlegt hatte: ,,Wenn die große Politik auch ihre eigenen Reize hat, so bin ich doch lieber Harald Mattegit geblieben, um für Menschen, die ich kenne und die mich kennen und vielleicht auch er­ tragen müssen, etwas bewirken zu können.“ Daß er diesem Anspruch gerecht wird, ist si­ cherlich unbestreitbar. Achim Stiller Harald Mattegit Leidenschaftlicher Rhetoriker bin“, verrät der mittlerweile zum Großvater aufgestiegene Liberale. Dennoch, die Fami­ lie ist für ihn der ruhende Hort, den er trotz zugegebener Vernachlässigung braucht und dem er einen hohen Stellenwert beimißt. Die Geselligkeit ist eine der vielen Seiten des Harald Mattegit und nicht zuletzt auch eine Triebfeder für das umfangreiche Engage­ ment in der Politik und in zahlreichen Ver­ einen und Institutionen, in denen sein Rat und Mitwirken hoch geschätzt sind. ,,Zu­ sammensein mit Menschen bereitet mir Freude, regt mich an, gibt mir Impulse, und mit Menschen gemeinsam zu lachen ist mein Lebenselixier. Mein Engagement in Vereinen und beruflichen Organisationen ist mir ein Anliegen, nicht von anderen et­ was zu verlangen, wenn man selber zu be­ quem ist.“ Dabei liebt der Badener die Bequemlich­ keit, vor allem, wenn sie mit seiner Lieb­ lingsspeise verbunden ist, dem badischen Hochzeitsessen (gekochtes Rindfleisch mit Bouillonkartoffeln, Meerrettichsoße und Rahnensalat) oder Fleischküchle, aber nur wenn sie von seiner Frau gemacht sind. Oder auch mit einem guten Viertele und den geliebten dünnen Sumatra-Zigarillos. Dabei kann der leidenschaftliche Rhetoriker Mattegit schon einmal ins humorige Philo­ sophieren kommen, wenn es zum Beispiel um die Verbindung von Rebsaft und Politik geht: Der alte Satz „Im Wein liegt Wahr­ heit“, sollte auch für die Politik gelten. Es gilt aber als gesichert, daß diesem Satz na­ türlich auch bei einem Glas Fürstenberg-Pil­ sener zum Durchbruch verholfen werden kann. Politik und Wahrheit sollten keine Gegensätze sein. Doch hat das vielfältige Engagement von Harald Mattegit auch eine christlich-soziale Komponente. Wer Schutz und Hilfe bedarf, der kann auf ihn zählen, wenngleich er des­ wegen im Gegensatz zu anderen Politikern 128

Die Politik zweier Landkreise mitgestaltet Rüdiger Schell ist seit 1966 in der Kreis· und Kommunalpolitik engagiert Persönlichkeiten Was der damals 32jährige empfand, als er das erste Mal in den Kreistag marschierte? Rüdiger Schell kann sich an ein sonderlich ,,erhebendes Gefuhl“, gar eine Art von „Tri­ umph“ anläßlich seines „Erstauftrittes“ im Ratsgremium des Kreises nicht erinnern. Zu sehr war er damals, frisch gewählt von seiner sozialdemokratischen Klientel, von seiner politischen Aufgabe überzeugt, als daß er sich zu diesem Zeitpunkt hätte von Emo­ tionen leiten lassen wollen. Eine gewisse Aufbruchsstimmung läßt sich nicht leug­ nen. Der Schwung der „68er“-Generation, die zum ,;Weg durch die Institutionen“ auf­ rief, ist in jenen Jahren, als Willy Brandt an den Grundzügen seiner Ostpolitik baut, auch hier, im Südwesten Deutschlands zu spüren. Aber völlig unabhängig davon hat Schell sich zu diesem Zeitpunkt bereits seit drei Jahren im Donaueschinger Gemeinderat Gehör zu verschaffen gewußt – wobei er als Vorsitzender des SPD-Ortsvereins durchaus auch des „Revoluzzertums“ verdächtigt wer­ den mochte. Für seine erste Wahl in den Kreistag, bei der er ganz oben auf der Liste steht, kann er sich – obwohl erst seit 1966 in Donaueschingen lebend – gute Chancen ausrechnen. Der Einzug ist gesichert. Der 1939 in Gengenbach geborene Gym­ nasiallehrer ist damals einer der Jüngsten im Gremium. In Freiburg, München und Hei­ delberg hat er zwischen 1959 und 1966 Ge­ schichte, wissenschaftliche Politik, Deutsch und Philosophie studiert. Durch die Mitbestimmung im Donau­ eschinger Rathaus schon auf die Realität der Tätigkeit des praktizierenden (Kommu­ nal)Politikers eingestimmt, steht er nun also im Sitzungssaal des Landratsamtes in der Käferstraße, das damals noch das des alten Kreises Donaueschingen ist. An Bernhard Blenkle und Karlhermann Russ zum Bei­ spiel kann er sich – neben anderen – noch Rüdiger Schell (rechts vorne) im Kreis der SPD-Fraktion, Anfang der 1980er Jahre. 129

Rüdiger Schell Ein neuer Landkreis gut erinnern. Der damalige Frakti­ onsvorsitzende Werner Gerber weist die Neulinge ein. ,,Und dann“, sagt Schell, ,,haben wir uns erst mal mit­ ten reingesetzt.“ Donaueschingens damaliger Land­ rat, Robert Lienhart, findet seiner­ zeit diplomatische Worte. Er schickt dem jungen Rüdiger Schell nach dem Wahltag ein persönliches Schreiben, in dem er ihm gratuliert. „Ich wäre Ihnen dankbar“, heißt es darin allerdings auch, ,,wenn Sie da­ zu beitragen könnten, das gute Ein­ vernehmen (im Kreistag) auch in der neuen Wahlperiode zu erhalten“ – was nicht immer Übereinstimmung der Auffassungen voraussetze. Die aktuellste Aufgabe, die ansteht, ist zu diesem Zeitpunkt die Auflö­ sung und Abwicklung des alten Landkreises. Dazu gehört auch die Frage, was mit dem kreiseigenen Pflegeheim in Geisingen geschehen soll. Schell, der gleichzeitig mit dem nur ein Jahr älteren und heutigen FDP/FW-Fraktionsvorsitzenden im Donaueschinger Stadtrat, Hansjür­ gen Bühler, in den Kreistag einzieht, Die Familie Schell: von links Tochter Daniela, Tochter Chri­ wird ins kalte Wasser geworfen. Daß er gleichzeitig im Kultur-und So­ zialausschuß, bald darauf im Finanz-und bei denen die SPD 18 Sitze erringt. Rainer Gutknecht wird Landrat. Verwaltungs-sowie dem Landwirtschafts­ ausschuß sitzen soll, bezeichnet er heute Mit der Zeit kann es nicht ausbleiben, daß Sozialdemokrat Schell, mittlerweile Vorsit­ noch als „Ochsentour“. Doch das gewaltige zender des Kreisverbandes, sich der Frage Pensum, das ihm bevorsteht, vermag ihn nicht zu schrecken. Im Gegenteil: Die Men­ stellt, ob er den Weg in die Berufspolitik ein­ schlagen soll. Den Landtagswahlkampf 1976 ge der Aufgaben, die er zu bewältigen hat, erlebt er als Zweitkandidat für Villingen­ scheint seinem festen Willen, sich und seine Schwenningen Seite an Seite mit Adam Ber­ Auffassungen mit Nachdruck in die Kom­ berich. Anläßlich einer zweifelsohne auch munalpolitik einzubringen, nachgerade zu entsprechen. von familiären Überlegungen geprägten 1973 finden erstmals Wahlen für den neu­ Zwischenbilanz entscheidet er sich schließ­ lich dafür, bei der Kommunalpolitik zu blei- gebildeten „Schwarzwald-Baar-Kreis“ statt, 130 stiane sowie Ehefrau johanna Schell und Dackel „Purzel“.

ben – ein Entschluß, den er bis heute nicht bereut. 1979 nimmt Rüdiger Schell im Kranken­ hausausschuß Platz. In den 80er Jahren wird der Neubau des Landratsamtes zum beherr­ schenden T hema. „Ich war anfangs sehr skeptisch“, sagt Schell. Als es dann dem Kämmerer gelingt, die Schulden des Kreises von 90 auf 60 Millionen zu reduzieren, kann er sich langsam mit dem Gedanken an einen Neubau anfreunden – wenn ihm manche auch den unangenehmen Aus­ spruch nachtragen, daß der Neubau kein ,,Palazzo Protzi“ sein solle. 1984 wird Schell stellvertretender Frak­ tionssprecher – freilich zu einem Zeitpunkt, als die SPD einen deftigen Einbruch bei den Wählerstimmen hinnehmen muß. Wesent­ lichen Anteil daran haben die Grünen, die sieben Sitze für sich verbuchen – eben vor allem aufKosten der Sozialdemokraten, die auf13 Sitze zurückfallen. Schell heute: „Das hat wehgetan.“ Neue Schwerpunkte Ende der 80er Jahre beginnt die Abfall­ wirtschaft in den Brennpunkt zu rücken, einschließlich der thermischen Restmüll­ entsorgung und des Bioabfalls. Gleichzeitig wird der öffentliche Nahverkehr wieder stär­ ker thematisiert. An den Berufsschulen des Kreises zeichnet sich die Notwendigkeit ab, verschiedene Ausbildungszweige aus Grün­ den der Kostenersparnis nicht mehr an je­ dem Standort, wo das Duale Bildungssy­ stem gepflegt wird, anzubieten. Bei den Wahlen im Jahr 1989 erringt die SPD schon wieder 14 Sitze, Schell rückt in den Techni­ schen Ausschuß, das heutige Gremium für Abfall- und Umweltfragen. 1992 wird er Fraktionssprecher der Sozialdemokraten im Kreistag. 1994 kann mit 17 Sitzen fast wie­ der der einstige Anteil an Wählerstimmen eingefahren werden. Das Verhältnis zu Landrat Rainer Gut­ knecht, sagt Schell rückblickend, hat sich im Per önlichkcitcn Lauf der Zeit gewandelt. Man respektiert sich gegenseitig, achtet die Standpunkte des jeweils anderen und weiß Sachfragen den Vorrang zu geben. Mit Gutknechts Nach­ folger Karl Heim sieht Schell für die kom­ menden Jahre eine fruchtbare Zusammen­ arbeit voraus. Auf mehr als zweieinhalb Jahrzehnte kreis­ politischen Engagements zurückblickend, weiß Rüdiger Schell aber auch, daß er dies alles nicht ohne seine Familie, seine Kinder, das Einverständnis und die Unterstützung von Ehefrau Johanna hätte bewältigen kön­ nen. Und ist doch zugleich stolz darauf, sich stets einen festen Raum für seine „bessere Hälfte“ und die Töchter reserviert zu haben, von denen die ältere, Daniela (29), zwi­ schenzeitlich Apothekerin ist, Christiane, die jüngere (28), Grund- und Hauptschul­ lehrerin wurde. Neben seinem Beruf als Studiendirektor widmet er heute immer noch zwischen 20 und 25 Stunden pro Woche der Kommu­ nalpolitik, denn zur Kreistagsarbeit addiert sich immer noch das Mandat im Donau­ eschinger Gemeinderat hinzu. Über die Er­ fahrungen seiner Töchter, die noch während ihrer Schulzeit auch mal den ein oder ande­ ren Kommentar über Kollegen ihres Vaters loswurden, hat der 57jährige gelernt, auch manchen Aspekt seiner eigenen Berufstätig­ keit zu relativieren. Wobei er das Wörtchen vom vorzeitigen Ruhestand „nicht einmal in den Mund nehmen“ würde: Zu viele Din­ ge, die noch nicht erledigt sind, und durch­ aus noch der erfahrenen Unterstützung be­ dürfen, stehen für ihn gegenwärtig im Raum. Und Demokratie, sagt er, hängt im­ mer noch entscheidend davon ab, wieviele „mitmachen“. Er jedenfalls ist immer noch dabei – aus Überzeugung. Klaus Koch 131

Persönlichkeiten Otto Sieber ist ein Mann der Tat Am 1. Mai 1970 mit viel Engagement das Bürgermeisteramt in Niedereschach übernommen Otto Sieber ist ein Mann der Tat. Wie sonst läßt es sich erklären, daß er – gerade 26jährig – als frisch gebackener Verwal­ tungsinspektor den Griff nach dem Bürger­ meisteramt in Niedereschach wagte? Seine mutige und selbstbewußte, mit klarem Er­ folg gekrönte Bewerbung, gab dem Leben des am 1. August 1944 geborenen Balingers schon früh jenes feste Fundament, das er braucht, um mit sich und seiner Umwelt zu­ frieden zu sein. Die Tatsache wiederum, daß er dieses Amt nun schon seit über einem Vierteljahrhundert bekleidet, ist freilich nicht nur auf die Bodenständigkeit des Schultes, sondern in noch größerem Maße auf den eindrucksvollen Vertrauens- und Sympathiebeweis „seiner“ Bürger zurückzu­ führen. Das Schalten und Walten in deutschen Amtsstuben hat Otto Sieber bereits bei sei­ ner Ausbildung zum gehobenen Verwal­ tungsdienst kennengelernt, die sich dem Abitur anschloß. Als Auszubildender war er im Bürgermeisteramt Geislingen und im Landratsamt Saulgau tätig, und nach der 1968 absolvierten Staatsprüfung arbeitete er als Inspektor im Landrats­ amt Balingen. Als Otto Sieber am 1. Mai 1970 den Bürgermeisterpo­ sten in Niedereschach an­ trat, zählte der Ort nur 1 600 Einwohner. Doch die Ver­ waltungsreform der 70er Jahre ließ den Kernort bin­ nen weniger Jahre um die Ortsteile Fischbach, Scha­ benhausen und Kappel an­ wachsen. Heute leben in der Gesamtgemeinde Nieder­ eschach 5 500 Menschen, davon allein im Kernort 2 800. Otto Sieber erinnert sich noch gut an die schmerzhaften Geburtswe­ hen bei der Entstehung der neuen Gemeindestruktur, und er hat nicht vergessen, wie sehr insbesondere die Fischbacher unter dem Zu­ sammenschluß litten. Ob­ wohl sie am liebsten selb­ ständig geblieben wären, hatten sie plötzlich die Qyal der Wahl zwischen einer Otto Sieber, Tag für Tag schon ab 7 Uhr am Schreibtisch. 132

Zugehörigkeit zu Königsfeld oder Nieder­ eschach. ,,Es war eine schwierige Entschei­ dung, die nicht nur einen Graben durch ganz Fischbach zog, sondern sogar Freund­ schaften zerstörte“, so Sieber im gedanken­ vollen Rückblick auf die turbulenten An­ fänge seiner Bürgermeisterzeit, die ihm gleich eine gehörige Portion Verhandlungs­ geschick und Einfühlungsvermögen abver­ langten. Heute ist über die Angelegenheit zwar Gras gewachsen, doch das macht den Niedereschacher Rathauschef nicht blauäu­ gig. Er ist realistisch genug, um zu wissen, daß es um die momentane Ruhe schnell geschehen wäre, sollte sich eines Tages ein gesetzliches Schlupfloch zur Revidierung dieser Reform auftun. Da ist es gut, daß die Erfolge der Gesamtgemeinde klar auf der Hand liegen, daß sich sowohl der Kernort als auch die Teilorte in all den Jahren ihres Zusammenseins positiv und kontinuierlich weiterentwickelt haben. Zahlreiche Dorf­ erneuerungsmaßnahmen, gute Straßen und neu erschlossene Baugebiete, mehrere Schulhaus- und Kindergartenerweiterun­ gen, dazu die Instandhaltung des Hallenba­ des, und jetzt die nagelneue Gemeindehalle stärken die Infrastruktur, die über die politi­ sche Arbeit hinaus ganz entscheidende Im­ pulse von einem überaus aktiven Vereinsle­ ben erhält. In mehr als vierzig Vereinen wird in Nie­ dereschach, Fischbach, Kappel und Scha­ benhausen in Eigenarbeit und ehrenamtli­ cher Tätigkeit gewerkt und gewirkt und oft kommt das Ergebnis nicht nur den Vereins­ mitgliedern, sondern eben allen Bürgern zu­ gute. Die Kulturfabrik, ein Vogel-, ein Wald­ und ein geologischer Lehrpfad, die Stollen in Schabenhausen und viele Beispiele mehr kann Bürgermeister Sieber anbringen, um auf eindrucksvolle Weise das gute Mitein­ ander auch über die Ortsteilgrenzen hinaus zu dokumentieren. Gerade in der heutigen Zeit, in der die Fi­ nanzkraft von Bund, Ländern und Gemein­ den stetig und unaufhörlich schwindet, Otto Sieber scheint Otto Sieber die Arbeit der Vereine bares Gold wert. Denn freilich spürt auch seine Gemeinde den eisigen Wind der all­ gemeinen Finanzmisere ums Rathaus we­ hen. Die Zuschüsse aus Bundes- und Län­ dertöpfen werden immer kleiner, die Umla­ gen der Kommunen an das Land dagegen immer größer. Arbeit für 450 Menschen Bisher noch konnte Niedereschach diesen Spagat verkraften, weil sich hier eine breit­ gefächerte Industrie- und Gewerbeland­ schaft entfalten konnte. Ihren Ursprung hat­ te diese Entwicklung in zwei großen Uhren­ fabriken, die schon vor 150 Jahren eine par­ allele Schiene zur Landwirtschaft legten. Zwar sind diese Fabriken heute stillgelegt, doch die verloren gegangenen Arbeitsplätze konnten durch das Anfang der 80er Jahre angesiedelte, bereits mehrmals erweiterte In­ dustriegebiet ersetzt werden. Heute finden hier 450 Menschen Arbeit. Dieses florierende Industrie- und Gewer­ begebiet ist ein lachender Joker, ,,ein Rie­ senvorteil“ für den ganzen Ort. Denn die ge­ sunde Arbeitsplatzsituation, so rechnet Bür­ germeister Sieber vor, führt dazu, daß sich Niedereschach als Selbstversorgergemeinde darstellen kann, daß neben der öffentlichen auch die private Infrastruktur sehr gut aus­ gebaut ist und sich die Kaufkraft – ganz dem Wortsinn entsprechend – kräftig entwickel­ te. Eine so positive Bilanz können heute nicht alle Gemeinden des Schwarzwald-Baar-Krei­ ses aufweisen. Und wie es ansonsten um den ländlichen Raum bestellt ist, welche Sorgen und Nöte die Nachbarorte quälen, aber auch welche Stärken sie ausspielen können und welche Gemeinsamkeiten sie alle ver­ bindet, das erfährt Otto Sieber im Kreistag, dem er von der ersten Stunde seines Beste­ hens an als Bürgermeister Niedereschachs, aber auch als Wahlkreisabgeordneter des Hintervillinger Raumes angehört. Diese 133

Otto Sieber quasi automatische Bürgermeister-Mitglied­ schaft findet er auch sinnvoll, denn schließ­ lich sei es wichtig, daß die Kontakte zwischen Kreis und Kommune eng und ver­ trauensvoll sind. ,,Das tut dem Kreis gut und den Gemeinden auch“, glaubt Otto Sie­ ber, auch wenn der Pioniergeist aus der An­ fangszeit des Kreistages heute ein bißchen verstaubt ist, was keinesfalls mit mangeln­ dem Interesse seitens der Gesprächs- und Verhandlungspartner, als vielmehr mit der momentanen Finanzsituation in Zusam­ menhang gebracht werden muß. „Wenn man sich in den Anfängen der Kreisreform für die Interessen der Bürger stark machte“ und gemeinsam mit den Ver­ tretern aus Königsfeld, Mönchweiler und Dauchingen die Belange des Hintervillinger Raumes vertrat, ,,dann war dies auch mit Er­ folg gekrönt“, so meint Otto Sieber im fast wehmütigen Rückblick auf die „Gründer­ jahre“ und verweist auf attraktive Dorfer­ neuerungsmaßnahmen, auf den „vorbildli­ chen Kreisstraßenbau“, auf den Ausbau des Berufschulwesens, die Schülerbeförderung und nicht zuletzt die stetige Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs, den man nun so gerne noch weiter ausbauen wolle. Doch wo ein Wille ist, ist nicht immer auch ein Weg. „Investitionen konzentrieren sich“ Und die allgemeine Finanznot wird künf­ tig gewiß für tiefe Schlaglöcher sorgen. Man­ cher Wunsch, ja mancher Bedarf wird da auf der Strecke bleiben. Und notgedrungen, so lautet die Prognose Otto Siebers, der auch dem Verwaltungs- und Wirtschaftsausschuß des Kreistages angehört, werden sich die In­ vestitionen des Kreises immer mehr auf die Städte und Oberzentren konzentrieren. Das sei zwar für die Umlandgemeinden nicht unbedingt von Nachteil, doch müsse sehr darauf geachtet werden, daß die Nutzung al­ ler städtischen Institutionen auch für die Be­ völkerung der Umlandgemeinden gewähr- 134 leistet werde. Große Pläne und Zukunftsvi­ sionen seien heutzutage – sowohl aufKreis­ wie auch auf Kommunalebene – freilich fehl am Platze. Wichtig aber sei es, das bisher Er­ reichte zu erhalten und darauf hinzuwirken, daß der Kreis die Umlagen für die Kommu­ nen im Rahmen halte. An eisernem Willen und bärenstarker Ar­ beitsmoral auch für die eher ernüchternden Aufgaben der heutigen Zeit mangelt es Ot­ to Sieber ganz gewiß nicht. Frei nach dem Bestseller „Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung“ sitzt der Niedereschacher Schultes tagtäglich schon zu eben dieser frühen Stunde am Schreibtisch – und abends um sieben ist sein Arbeitstag noch lange nicht zu Ende. Sitzungen auf Kreis­ und Kommunalebene, Vereinsversammlun­ gen, Veranstaltungen, das „Nachtpro­ gramm“ des Otto Sieber ist vielfältig. „Entweder ich mache den Job richtig, oder aber gar nicht. Für’s Richtige hab‘ ich mich entschieden und da bleibt’s jetzt auch da­ bei“, meint der CDU-Mann, der seine christliche Gesinnung nicht verleugnet. Als Kind war er Internatsschüler am bischöfli­ chen Knabenseminar Rottenburg, heute schöpft er jährlich Kraft bei den Besin­ nungstagen für Bürgermeister und Kommu­ nalpolitiker im Kloster Beuron. Für Hobbys allerdings bleibt dem Ge­ meindeoberhaupt Niedereschachs keine Zeit. Da reicht es höchstens einmal zum Volkswandern in der nahen Umgebung. Das Musizieren auf dem Klavier und der Trom­ pete ist unter dem Stichwort Vergangenheit abzuheften und auch das Schwingen des Tennisschlägers hat, so gibt er klaglos zu, ziemlichen Seltenheitswert. Und wie steht es mit der Familie? Otto Sieber ist Vater von vier Kindern im Alter zwischen vierzehn und 27 Jahren. Ehefrau Theresia managt das Familienleben, samt Haushalt, Garten und Biotop und entlastet ihren Mann so maß­ geblich. Brigitte Schmalenberg

Persönlichkeiten Walter Eichner – Ein Leben für die Kultur Als Kulturamtsleiter von Villingen-Schwenningen eine Vielzahl von Akzenten gesetzt Wem ist es schon vergönnt, das Kulturle­ ben einer Stadt aufzubauen? Und wer wird schon nach einem langen Arbeitsleben aus seinem Ruhestand auf seinen alten Platz zurückgerufen, um ein vom Kurs gekom­ menes Schiff wieder in die Fahrrinne zu­ rückzusteuern? Beides hat er erfolgreich ge­ meistert und kann nun mit Zufriedenheit und Genugtuung auf die vielen und vielfäl­ tigen Aktivitäten zurückblicken, die heute das Kulturleben in Villingen-Schwenningen ausmachen: der waschechte Münchner Wal­ ter Eichner hat diesem Kulturbetrieb zwi­ schen Brigach und Neckar mehr als deutlich seinen Stempel aufgedrückt. Insgesamt 22 Jahre war er – um im Bild zu bleiben – in Personalunion Kapitän und Steuermann eines Kulturamtes, in dem sich das Traditions bewußtsein einer fast lOOOjäh­ rigen Stadt ebenso widerspiegeln mußte, wie neue, avantgardistische Kulturformen. Bei allem nahm er sich immer den Spielraum, um eigenen Vorlieben nachzugehen. Denn für Eichner war die Zeit in Villingen­ Schwenningen mehr als nur ein Job; und so viel Umtriebigkeit läßt sich nur dann be­ wältigen, wenn massives Engagement da­ hintersteckt. Obwohl Walter Eichner, der 1949 zum Dr. phil. promovierte und seinerzeit eine Dis­ sertation über „Münchens Entwicklung als Musikstadt im Spiegel der zeitgenössischen Presse“ schrieb, immer wieder in ganz Eu­ ropa mit beachtlichem Erfolg Opern insze­ nierte (wobei die Komponisten Carl-Maria von Weber und Richard Wagner seine Fa- Walter Eichner, insgesamt 22jahre lang prägte er das Kultur/eben im Oberzentrum maßgeblich. 135

Walter Eichner voriten sind), machte den Hauptteil seiner beruflichen Tätigkeit die Arbeit am Schreib­ tisch im Kulturamt im Untergeschoß des Theaters am Ring aus. Sie war eher damit ausgefüllt, mit einem relativ bescheidenen Budget dafür zu sorgen, daß die Theater­ und Konzertfreunde aus Villingen-Schwen­ ningen und Umgebung mit einem attrakti­ ven und abwechslungsreichen Programm bedacht wurden. Diese Unmöglichkeit schaffte er. Und der Erfolg gab Eichners Konzept recht: Die Abonnements im Theater am Ring, bei denen er eine gekonnte Mischung aus Boulevardkomödie und modernen Klas­ sikern servierte, erfreuten sich stets großer Beliebtheit und die Musikreihen wurden in erster Linie geprägt durch die Meisterkon­ zerte, die sich nach Fertigstellung des Fran­ ziskaner-Konzerthauses eines regelrechten Booms erfreuten. In beiden Sparten kamen immer wieder namhafte Künstler in die Stadt, viele nicht zuletzt aufgrund der guten Kontakte, die der gewiefte Kulturarbeiter sich mit den Jahren geschaffen hatte und mit denen er auch den guten Ruf mehrte, den die Doppelstadt im Schwarzwald heute in diesem Bereich hat. Natürlich stand Eichner auch das Glück des Tüchtigen zur Seite, denn das Franzis­ kaner-Konzerthaus ist heute im Klassikbe­ reich eine Spielstätte, von deren akustischer und atmosphärischer Qialität es nicht viele gibt. Entgegen vieler skeptischer Stimmen schaffte es Eichner, das Konzerthaus mit re­ gelmäßigen Belegungen mit Leben zu fül­ len. Und zum Ende seiner zweiten Ära in Villingen-Schwenningen begann auch noch der Ausbau des Bühnenhauses am Theater am Ring – ein Projekt, für dessen Realisie­ rung sich Eichner viele Jahre stark gemacht hat. Kaum jemand hatte geahnt, daß er nach seinem offiziellen Ausscheiden 1992 noch einmal an den wohlvertrauten Schreibtisch gerufen würde. Drei Jahre nach dem Ab­ schied aus den Diensten der Stadt Villingen- 136 Schwenningen erklärte er sich bereit, das in arge Schieflage geratene Kulturschiff wieder flottzumachen, als Nachfolger seiner so un­ glücklich agierenden Nachfolgerin Stürmer. Kein Wunder, daß Eichner bei seinem zwei­ ten Abschied von der Stadt Villingen­ Schwenningen, Anfang 1997, so mit Lob und Dank überschüttet wurde wie noch kein ausscheidender Amtsleiterkollege vor ihm. Denn das Spektrum dessen, was unter sei­ ner Ägide begann, angestoßen oder ausge­ weitet wurde ist beachtlich. Neben dem of­ fiziellen Theater- und Konzertbetrieb sorg­ te er mit dafür, daß die kirchenmusikali­ schen Aktivitäten angeschoben wurden, daß ein Jazzfestival zu mittlerweile beachtlichem Niveau heranreifen konnte, daß sich ein Sinfonieorchester zu neuen Qialitäten ent­ wickelte und daß sich alternative Kultur­ aktivitäten im Jazz-, Folklore-, Kino- und Theaterbereich stabilisierten. Darüberhin­ aus schlug er noch den Bogen zur traditio­ nellen Blasmusik der Stadt- und Bürger­ wehrmusik Villingen-Schwenningen und managte als Geschäftsführer der Zuggesell­ schaft noch den öffentlichen Veranstal­ tungsreigen der Narrenvereine. Da ist dann kaum noch erstaunlich, wenn Eichner viele Jahre ehrenamtlich Geschäfts­ führer der Städteoper Südwest oder Präsi­ dent der „Interessengemeinschaft der Städ­ te mit Theatergastspielen“ war. Die Kultur füllte ihn aus, rund um die Uhr. Eichner, der trotz all dieser Belastungen noch immer Zeit fand, seinem Stecken­ pferd, den Operninszenierungen, nachzu­ gehen, steckt auch jenseits der 70 noch vol­ ler Tatendrang und denkt keineswegs an einen beschaulichen Ruhestand im gemütli­ chen Haus in Hardt. Solange die Gesund­ heit mitmacht, wird er weiterhin im Kultur­ leben mit dabei sein: immer wieder mit Inszenierungen und gelegentlich auch als ganz einfacher Veranstaltungsbesucher. Friedhelm Schulz

Außergewöhnlicher Einsatz für die Baar Persönlichkeiten Prof. Dr. Günther Reichelt und seine Liebe zur Geologie, Natur, Geschichte und zur Kunst Wenn Günther Reichelt vor seine Haustü­ re in der Uhlandstraße tritt, sieht er auf Do­ naueschingen. Wie ein Teppich breitet sich das Häusermeer vor ihm aus, mitten drin die Stadtpfarrkirche St. Johann mit ihren beiden Türmen. Nahtlos schmiegt sich die einmalige Hügellandschaft der Baar an, die der Professor für Naturwissenschaften lieb­ gewonnen hat: als Beobachter, als Geologe und als Maler. Eine Landschaft, für deren Erhalt er sich einsetzt. Seine Art, für die Umwelt zu kämpfen, Schäden an Land­ schaften sachlich zu dokumentieren und gleichzeitig Lösungsmöglichkeiten aufzu­ zeigen, machten Reichelt in ganz Europa bekannt. Die Zahl seiner Ehrungen nimmt ständig zu, darunter das Bundesverdienst­ kreuz (1980), und gleich zweimal die Staats­ medaille in Gold. 1990 wurde Reichelt wis­ senschaftlicher Beirat der Europäischen Akademie für Umweltfragen. 1996 feierte der Umweltschützer seinen 70. Geburtstag. Unterwegs in der Natur hat er immer Feld­ buch, Geologenhammer, Messer, Spachtel, Notizblock und Stifte dabei. Wie ein Foto­ graf durchforstet er Wald und Flur, auf­ merksam registriert er jede Veränderung. Seit 1943 führt er Tagebuch. Bis vor wenigen Jahren schätzte er sogar die Höhe der Bäu­ me ab. Seine Entdeckungen zeichnet er Prof Dr. Günther Reichelt in seinem Studierzimmer. Der Umweltschützer engagiert sich seit Jahrzehnten für die Baar, eine Landschaft, die er liebt wie die Menschen, die dort zuhause sind. 137

Günther Reich lt sorgfältig auf, den Geologen interessieren besonders die verschiedenen Gesteinsarten, die er mit Farbstiften festhält. Sein Wissen mündet immer wieder in Büchern und Bild­ bänden. Günther Reichelt ist kein bequemer Mensch. Er sagt was er denkt, den Politikern und Vertretern der Behörden ebenso wie sei­ nen Nachbarn. Wenn ihm etwas am Herzen liegt, läßt er nicht locker. Eine Karriere hat er nie angestrebt. Für seine Zukunft wünscht er sich, daß ihm seine geistige Kraft und Be­ weglichkeit möglichst lange erhalten bleibt, denn Pläne habe er genug. Geboren wurde der „Kenner der Baar“ in Sehladen im Harz als dritter Sohn des Inge­ nieurs Paul Reichelt und seiner Frau Anna­ Luise. Nach der Volksschule in Sehladen wechselte er 1939 nach Wolfenbüttel auf die Deutsche Oberschule in Aufbauform. Ab 1941 Flieger-HJ in Wolfenbüttel, wurde er 1943 als Luftwaffenhelfer in Braunschweig eingesetzt. 1944 kam er als 18jähriger an die Front. Nach kurzer amerikanischer Gefan­ genschaft kehrte er im Juni 1945 heim und verdingte sich zunächst als Landarbeiter. Ein Studium der Biologie, Chemie, Geographie und Philosophie in Göttingen und Freiburg legte 1951 den Grundstock für seinen be­ ruflichen Werdegang. Im gleichen Jahr heiratete Reichelt seine erste Frau Gertraude. Seine gewonnenen Kenntnisse gab er früh an seine Kinder Pe­ ter und Eva weiter. 1988 starb seine Frau. Ein Jahr später vermählte sich Reichelt mit Helga Kirschvink geborene Meister. Auch Vorsitzender des Landesnaturschutzverbandes Von 1951 bis 1954 war Reichelt als Ökolo­ ge und Pflanzenökologe am Staatlichen For­ schungsinstitut für Höhlenlandschaft in Do­ naueschingen tätig. Ab 1954 unterrichtete er, inzwischen als Studienrat, bis 1964 in Donaueschingen, Freiburg, Baden-Baden und Villingen. Davon war der umtriebige 138 Mensch fünf Jahre lang parallel als Kreisbe­ auftragter für Naturschutz und Landschafts­ pflege im Landkreis Villingen tätig. Dieser Aufgabe widmete er sich bis 1970. Nebenbei promovierte Reichelt 1960 in Freiburg zum Doktor „rer. nat.“ und wurde Leiter des Fachseminars in Biologie, wo er als Gymnasialprofessor unterrichtete. Eren­ gagierte sich ab 1980 acht Jahre lang als Fachberater am Staatlichen Studienseminar Rottweil. 1970 folgte seine Ernennung zum Professor. Von 1959 bis 1969 war Reichelt Naturschutzbeauftragter im Kreis Villingen. 1982 wurde er Vorsitzender des Landesna­ turschutzverbandes Baden Württemberg. Als Vorsitzender leitete er von 1964 bis 1978 den „Verein für Geschichte und Naturge­ schichte der Baar“. Während dieser Tätigkeit gründete er zu­ dem die „Arbeitsgemeinschaft Umwelt­ schutz Schwarzwald Baar Heuberg“, eine der drei Wurzeln des späteren „BUND“. Er ist Mitglied mehrerer staatlicher Landes­ beiräte für Natur-und Umweltschutz. Rei­ chelt gehört weiter dem Umweltbeirat der evangelischen Landeskirche Baden an. Den Menschen setzt er stets in Beziehung zur Landschaft, die eine Rückwirkung auf ihn habe. An der Baar liebt er die herbe Landschaft mit ihrer befreienden Weite. Er schätzt ihre klaren Formen und reinen Far­ ben. Täglich stellt er das Leben in Frage. Für jeden Neubeginn ändert Reichelt bereitwil­ lig seinen Kurs. Seine geowissenschaftlichen Erkenntnisse wie auch Themen, die die Umwelt betreffen, hielt Günther Reichelt als Autor und Mit­ autor in zahlreichen Büchern fest. Dazu kommen noch um 120 Fachveröffentli­ chungen. Darunter befinden sich seine Tier­ und Pflanzenbeobachtungen. Von Tradition hält Reichelt viel. Er selbst ist Mitglied im 1805 gegründeten Verein für Geschichte und Naturgeschichte der Baar Donaueschingen. Von 1960 bis 1980 war Reichelt für die Herausgabe der umfang­ und abwechslungsreichen Schriften des

„Vereins für Geschichte und Naturgeschich­ te der Baar“ verantwortlich. Nach längerer Pause übernahm er 1991 die Schriftleitung für die Herausgabe der jährlichen Publika­ tionen. 1941 entdeckte Reichelt, daß er nach der Natur zeichnen könne. Selbst Reiseanekdo­ ten bebilderte er. In seinen Motiven spie­ geln sich seine Empfindungen wider. Selbst im Urlaub hält Reichelt ständig neue Ein­ drücke fest. Seine Neugierde scheint gren­ zenlos, sein Wesen rastlos. So setzte er sich 1994 in Mecklenburg-Vorpommern dafür Persönlichkeiten ein, daß eine ökologisch wertvolle Region als Naturschutzgebiet ausgewiesen wurde, ebenso in der Lausitz. Dieses zweite Gebiet sei, so versichert Reichelt mit Stolz, das größte Naturschutzgebiet in ganz Sachsen. Seinen außergewöhnlichen Einsatz für die Baar hält er übrigens für selbstverständlich: „Man muß ganze Arbeit leisten, da wo man ist.“ Birgit Tilgner Ein Leben für die Geologie Zum Tode von Professor Willi Paul Im Oktober 1996 starb Professor Willi Paul im 89. Lebensjahr. Der nachfolgende Bei­ trag zeichnet Stationen eines Lebens für die Geologie nach, in dem sich der in Vöhren­ bach beheimatete Willi Paul zahlreiche Ver­ dienste um die Geologie des Landes Baden­ Württemberg erworben hat, für die er mit hohen Ehrungen bedacht wurde. Wer sich mit Professor Willi Paul im 1968 bezogenen Wohnhaus in der Vöhrenbacher Hagenreutestraße auf ein Gespräch über die Geologie einließ, erlebte faszinierende Stun­ den: Bereits der Gang durchs Treppenhaus hinauf zum Arbeitszimmer war vom Blick auf Fossilien und interessante Gesteins­ stücke begleitet. Im Arbeitszimmer bot sich das gleiche Bild: Überall Fundstücke, zu­ sammengetragen bei Exkursionen in der näheren und weiteren Umgebung. Über die­ se „toten Dinge“ verstand es Willi Paul span­ nend zu erzählen. Ereignisse, die sich vor Millionen von Jahren zugetragen hatten, so zu schildern, als wären sie gerade eben im Gang: ,,Steine sind keine tote Masse, son­ dern höchst lebendig“, pflegte Willi Paul sei­ nen Erklärungen oft voranzuschicken und lieferte in der Folge mit seinen Ausführun­ gen den Beweis. Gerne erzählte er auch, wie der geborene Villinger (5.10. 1907) als Fünfjähriger lei­ denschaftlich aber vergebens in der frisch eingeschotterten Brigachstraße nach Über­ resten von Dinosauriern suchte. Als Zwölf­ jähriger fand er in einem Steinbruch bei Vtl­ lingen seinen ersten Ammoniten (ausge­ storbene Kopffüßer aus der Kreidezeit), verschlang alles an Fachliteratur, was zu be­ kommen war, und begann eigene Abhand­ lungen zu verfassen. Die Liebe zur Geologie war früh und in­ tensiv ausgeprägt. Doch familiäre Schick­ salsschläge und das Dritte Reich machten Willi Paul den Abitursabschluß mit nach­ folgendem naturwissenschaftlichem Studi­ um unmöglich. Nach der Oberrealschule trug er zwei Jahre lang als Hilfsarbeiter in der feinmechanischen und Uhrenindustrie zum Unterhalt der Familie bei, erlernte dann den Beruf des Industriekaufmanns, holte im Selbststudium das Abitur nach (1931) und widmete sich nach dem Schei­ tern eines Studiums (Drittes Reich) als Au­ todidakt voll und ganz der Geologie, neben 139

Willi Paul der beruflichen Tätigkeit als kaufmännischer Geschäftsführer eines Industrieunterneh­ mens in Furtwangen (Baduf) und einer nachfolgenden leitenden Position in der Elektroindustrie (DZG, Vöhrenbach). Ministerpräsident Lothar Späth zeichnete die wesentlichen Stationen dieser außerge­ wöhnlichen geologischen Laufbahn bei der Verleihung des Professorentitels im Jahr 1980 nach: ,,Bereits mit der 1936 veröffent­ lichten Schrift über den Hauptmuschelkalk im südöstlichen Schwarzwald machten Sie die Fachwelt auf sich aufmerksam. Ihr Re­ nommee unter den Geologen war bald so groß, das Sie 1948 aus Anlaß des 60jährigen Bestehens der Badischen Geologischen Lan­ desanstalt wegen Ihrer Verdienste um die Geologie des Landes zum ständigen freien Mitarbeiter ernannt wurden. Dem geologi­ schen Landesamt gehören Sie seit seiner Gründung ebenfalls in gleicher Eigenschaft an. Nach dem Kriege haben Sie eine Fülle wis­ senschaftlicher Veröffentlichungen vorge­ legt. Sie befaßten sich im wesentlichen mit den Vereisungsvorgängen vorwiegend des mittleren Schwarzwaldes, der Morphogene­ se (Ausgestaltung, Entstehung) dieses Ge­ birges, dem Ablauf der Gebirgsbildung im Schwarzwald und der Flußgeschichte in Südwestdeutschland sowie der Problematik des Muschelkalkes und des Keupers, von der Sie dereinst ausgingen. Es ist bemerkenswert und von den Schulgeologen als Beweis der �alität Ihrer Forschungen stark beachtet worden, wie breit das Spektrum Ihres wis­ senschaftlichen Werkes ist, ein bei Autodi­ dakten seltener Fall.“ Soweit der damalige Ministerpräsident. Über 30 wissenschaftliche Arbeiten, darun­ ter grundlegende über die Altersfolge der Schichtgesteine, zur Tektonik, Fluß- und Landschaftsgeschichte von Wutach, Donau und Baar sowie der Eiszeitgeologie sind im Laufe dieses von der Geologie erfüllten Le­ bens entstanden, die noch heute als Stan­ dardwerke ihre Gültigkeit haben. Gewon- 140 Professor Willi Paul nen wurden diese Erkenntnisse bei Tausen­ den von Exkursionen, fast immer in Beglei­ tung der vor wenigen Jahren verstorbenen Ehefrau Mathilde, mit der Willi Paul eine Seilschaft fürs Leben gebildet hatte, wie er es gerne formulierte. Willi Paul hat sein Fachwissen auf vielfa­ che Weise weitergegeben. Nicht nur durch Veröffentlichungen, sondern auch im Rah­ men von Exkursionen bei Volkshochschu­ len oder Schwarzwaldvereinen und in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Abteilung Naturgeschichte des „Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar“, der ihn zum Ehrenvorsitzenden ernannte. Der profunde Kenner der Geologie verstand es als Ver­ pflichtung, das eigene und das Wissen derer weiterzugeben, die vor uns waren. Von die­ ser Einstellung haben auch Städte und Ge­ meinden profitiert. Für sie suchte Willi Paul

Persönlichkeiten nach Trinkwasservorräten. Für die Stadt Furtwangen fand W illi Paul die ergiebigen Tiefbrunnen im Katzensteig. Eine besondere Freude war es Professor Paul in einer Gesellschaft Ehrenmitglied zu werden, in der alle maßgeblichen Eiszeit­ forscher zusammengeschlossen sind und die als „illustrer Zirkel“ gilt. Es handelt sich da­ bei um die Deutsche Q!iartärsvereinigung, die den Geologen seit ihrer Gründung im Jahr 1948 als Mitglied führte. W illi Paul hat in den Jahrbüchern dieser Vereinigung zahl­ reiche wissenschaftliche Beiträge veröffent­ licht und konnte die hohe Auszeichnung im Jahr 1980 im Rahmen einer Tagung in Aachen entgegennehmen. Präsident Prof. Dr. Fränzle: ,,Dies geschieht in W ürdigung Ihrer hervorragenden Leistungen auf dem Gebiet der Q!iartärsforschung, durch die Sie wesentliche Erkenntnisse über Ausmaß und Zeitstellung der Schwarzwaldvergletsche­ rung und zu räumlich und inhaltlich be- nachbarten quartär-geologischen Proble­ men gewonnen haben.“ Wohl kein zweiter Vöhrenbacher hat seine Umwelt mit den Augen W illi Pauls betrach­ tet: Wenn er zu seinen täglichen Spazier­ gängen aufbrach, dann war ihm bewußt, in einer Landschaft umherzustreifen, die vor 400 Millionen Jahren winziger Bestandteil eines riesenhaften Gebirges war, des Variski­ schen Gebirges. Eine Landschaft auch, durch die vor 20 Millionen Jahren erstmals die Ur-Breg zu fließen begann und die noch heute Jahr für Jahr um zirka einen Millime­ ter in die Höhe steigt. Die Erde befindet sich in einem beständigen Wandel und ist dabei ihr eigener Biograph. Professor Willi Paul vermochte die Spuren dieses Wandels in „toten Steinen“ nachzulesen. Im Fall von Schwarzwald und Baar wie kein zweiter zu­ vor. Wi!frfed Dold Hilfe für den Mitmenschen als Herzenssache Christel Esterle wurde im Alter von nur 43 Jahren plötzlich dem Leben entrissen Sie war Mutter von sechs Kindern, das jüngste neun Monate alt, die sich bei ihr wohl behütet wußten. Eine große Aufgabe, die sie voller Lebensfreude erfüllte. Und es ringt einem uneingeschränkte Bewunderung ab, daß es Christei Esterle als Selbstver­ ständlichkeit sah, es für sie eine Herzenssa­ che war, weit über den familiären Rahmen hinaus anderen Menschen zu helfen, einen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten. Fas­ sungslos stand am 19. Januar 1997 ganz Vöhrenbach dem plötzlichen Tod einer Mit­ bürgerin gegenüber, die im Alter von erst 43 Jahren aus dem Leben gerissen wurde und die allen als eine liebenswerte Wegbeglei­ terin in Erinnerung ist. Geboren am 26. Oktober 1953 und aufge­ wachsen in Langenbach auf dem Bauernhof der Eltern, war es Christei Esterle geborene Schätzle von Kindesbeinen an gewöhnt, in der Landwirtschaft und im Haushalt dort anzupacken, wo es das Tagwerk erforderte. Langenbach und Vöhrenbach, hier fühlte sie sich zuhause, fest verwurzelt in ihrer Fa­ milie und einer großen Gemeinschaft von Freunden. Die überzeugte Katholikin begann schon in jungen Jahren damit, sich für die Allge­ meinheit zu engagieren. Als Gruppenleite­ rin in der Katholischen Jugend erfreute sie sich am Beginn der 1970er Jahre großer Wertschätzung und wurde 1974 als An- 141

Chsi tel Esterle sprechpartnerin für die Jugend in den Pfarr­ gemeinderat berufen. Sie half zudem, das Jugendrotkreuz des Ortsvereins des Roten Kreuzes aufzubauen, zusammen mit ihrem späteren Ehemann. Nach der Heirat mit Manfred Esterle er­ füllte sie sich den Traum von einer großen Familie, ihr öffentliches Engagement führte sie so gut es ihr möglich war weiter. Im Ro­ ten Kreuz wirkte Christei Esterle zunächst als Schwesternhelferin, dann als Sanitäterin. Und 1993 übernahm sie das Amt der Be­ reitschaftsleiterin, kurz darauf zugleich das der stellvertretenden Kreis-Bereitschaftslei­ terin. Hatte sie von 1974 an erstmals dem Pfarrgemeinderat angehört, führte sie ihr Engagement in diesem Gremium nach einer längeren Pause am Ende der 1980er Jahre weiter. Bei der letzten Pfarrgemeinderats­ wahl erhielt Christei Esterle die mit Abstand meisten Stimmen, genoß im Gremium ho­ hes Ansehen und galt als feinfühliges Bin­ deglied zur Katholischen Jugend, die in ihr eine verständnisvolle Mittlerin in vielerlei Angelegenheiten hatte. Eine wertvolle Stüt­ ze war sie zudem innerhalb der katholischen Frauengemeinschaft. Sie liebte den Turn­ sport, gehörte dem Turnverein an und half bei der Volkshochschule im Rahmen der Hausaufgabenbetreuung. Gleich ob Rotes Kreuz oder Katholische Pfarrgemeinde, Christei Esterle galt als ver­ läßliche und kompetente Mitarbeiterin, die unauffällig half, wo es geboten schien. Sie organisierte für das DRK Hilfsdienste jeder Art, auch im Rahmen der Rußlandhilfe und der Kinderhilfe Osijek. Vielfach interessiert und talentiert, verfaß­ te Christei Esterle für die lokale Presse zahl­ reiche redaktionelle Beiträge über das Ge­ schehen in Vöhrenbach. Sie liebte es, Ge­ dichte und Verse zu schreiben und hätte die­ se gerne einmal als Büchlein herausgegeben. Geschätzt war sie zudem als Mitarbeiterin des Vöhrenbacher Narrenblättles der Hei­ matgilde „Frohsinn“, denn der Fastnacht fühlte sich die lebensfrohe Frau eng ver- 142 Christei Esterle bunden. Kaum ein Fasnetmendig der jün­ geren Vergangenheit, an dem die Familie Esterle samt Anhang und Freunden nicht mit einer großen Gruppe beim Umzug ver­ treten gewesen wäre. Überall angesehen und beliebt, weil hilfs­ bereit und in Freundschaft vielen Menschen verbunden, es gibt nur wenige, die dieses für sich in Anspruch nehmen dürfen. Christei Esterle hätte es nie getan, ihre Bescheiden­ heit hätte das nicht zugelassen, aber bei ihr war es der Fall. Vöhrenbach hat eine enga­ gierte, im Stillen sozial wirkende Bürgerin verloren, für die caritatives Engagement ei­ ne Menschenpflicht, eine Ehrensache war. Wf!fried Dold

Der Kunst des Wortes verpflichtet Dr. Lorenz Honold hat den „Almanach“ über ein Jahrzehnt lang entscheidend mitgeprägt Per önlichkeiten Er habe sein Berufsleben lang den Men­ schen gedient, anerkannte Stadtpfarrer Dr. Otto Scheib am 5. Dezember 1996 in der Einsegnungskapelle des Donaueschinger Stadtfriedhofes bei der Trauerfeier für Dr. Lorenz Honold. Gedient habe der Mann, den der Tod erlöst hatte, den Menschen mit der Kunst seines Wortes und der Seriosität seiner Arbeit als Journalist. Gedient hat Dr. Honold den Menschen, so ist hinzuzufü­ gen, gewiß auch mit seinem langjährigen Wirken als einer der Schriftleiter dieses „Almanach“, des Heimatjahrbuches des Schwarzwald-Baar-Kreises. Lorenz Honold, am 7. Juli 1905 im heuti­ gen Blumberger Stadtteil Riedböhringen zur Welt gekommen, absolvierte nach der heimatlichen Volksschule die humanisti­ schen Gymnasien in Sasbach bei Achern und in Freiburg und studierte danach Theo­ logie und Philosophie, Neuphilologie und Geschichte, Literatur und Kunstgeschichte. Über das Verständnis der Rechtsphilosophie in der Renaissance promovierte er, erst 22jährig, in Freiburg zum Dr. phil. Nach zwei ersten Berufsjahren als wissenschaftli­ cher Mitarbeiter des Deutschen Volkslied­ Archives in Freiburg wurde Honold 1931 Volontär bei der „Kölnischen Volkszeitung“. Sie übernahm ihn nach seiner journalisti­ schen Ausbildung als Redakteur in ihr Kul­ tur-Ressort, machte ihn bald darauf zum Re­ feratsleiter für Schauspiel und Bildende Kunst und vertraute ihm auch ihre Sonder­ seiten und Serien an. Der bereits in jungen Jahren geschichtlich denkende Kulturredakteur machte sich über den politischen Weg und die Zukunft des Dritten Reiches schon früh keine Illusionen, als die relative Mehrheit der Deutschen in den wirtschaftlichen Nöten und geistigen Wirren am Ende der Weimarer Republik ih- Dr. Lorenz Honold re Hoffnungen 1933 auf Adolf Hitler setzte und der greise Präsident Hindenburg den Nazi-Führer zum Reichskanzler machte. Dr. Lorenz Honold entzog sich der Gleich­ schaltung und Trenddiktatur der Partei auch in der Kulturberichterstattung, indem er für die „Kölnische Volkszeitung“ als Umbruch­ redakteur nach Essen ging. Eine Ausstellung mit angeblich „entarteter Kunst“, mit der die Nazis zwei Jahre später in München ihr jeglichem Experiment feindseliges Kunst­ verständnis demonstrierten, nahm ihm voll­ ends jede Hoffnung, sein journalistisches und kulturelles Selbstverständnis je noch einmal ins angestammte berufliche Metier investieren zu können. Der Kultur-Redakteur, der mit der Rezen­ sion großer Aufführungen im Ruhrgebiet 143

Lorenz Honold und namhafter Ausstellungen in ganz West­ deutschland und selbst in den Niederlanden sich einen Namen gemacht hatte, zog sich 1937 ins Lokal-Ressort der „Dürener Zei­ tung“ zurück, wo er, wie er später immer wieder berichtete, dem Meinungsdruck der Nazis leichter habe ausweichen können, doch die Zeitung sei zu dieser Zeit nur noch sein „Brotberuf“ gewesen. Sieben Jahre tat er diesen Dienst, der seiner umfassenden Bildung nur eine aufgezwungene schmale Basis beruflicher Betätigung bieten konnte, bis auch Düren zerbombt wurde und Dr. Honolds umfangreiche Bibliothek und vie­ le Kunstschätze zerstört oder von später ein­ rückenden Besatzern verbrannt wurden. Seine Frau und die beiden kleinen Söhne hatte er schon zwei Jahre zuvor auf der hei­ matlichen Baar in Sicherheit gebracht. Als die „Badische Zeitung“ wenige Mona­ te nach ihrer Gründung am l. Februar 1946 in Freiburg auch auf der Baar Fuß zu fassen suchte, ließ sich Dr. Lorenz Honold von ihr als Redakteur in Donaueschingen engagie­ ren. Bis November 1971, also gut ein Vier­ teljahrhundert, wirkte er für das Blatt. Doch es war halt erneut „nur“ das Lokal-Ressort, das ihm einen Job bot, der – wenn auch un­ ter nun viel positiveren politischen Vorzei­ chen – damit dem Journalisten zum zweiten Mal zum „Brotberuf“ wurde. Doch dem Mann mit der umfassenden hu­ manistischen Ausbildung und der noblen Geisteshaltung blieben die zuweilen kon­ fliktbeladene Kommunalpolitik, die Zahlen und Fakten der heimischen Wirtschaft und das Regelwerk der vielen Sportarten eher fremd. Viel vertrauter waren ihm im Ver­ gleich dazu die Kunstschätze der Fürstlich­ Fürstenbergischen Sammlungen, des F. F. Archivs und der Bibliothek des Fürstenhau­ ses. Unter Arbeitbedingungen, die sich heu­ te kaum ein Journalist mehr vorstellen kann, erfüllte Dr. Honold seine Berufspflichten, so gut er es als BZ-Alleinredakteur und ge­ gen die übermächtige Konkurrenz anderer Zeitungen im langgestreckten einstigen 144 Landkreis Donaueschingen vermochte. Als er, bereits mehr als 66jährig, im November 1971 pensioniert wurde, blieb er der Do­ naueschinger Redaktion der „Badischen Zei­ tung“ als Autor ungezählter Beiträge zu Kunst, Geschichte und Brauchtum, zum ak­ tuellen Kulturgeschehen wie über die Jah­ resausstellungen der „Künstlergilde“, zum Schaffen des Donaueschinger Hans-Thoma­ Preisträgers Helmut Müller-Wiehl und mit Rezensionen selbst von Theateraufführun­ gen und Konzerten verbunden. Dr. Lorenz Honold war schon 70 Jahre alt, als ihn Dr. Gutknecht bat, an der Herausga­ be des Heimatjahrbuches des noch jungen Schwarzwald-Baar-Kreises mitzuwirken; der 1981 verstorbene Donaueschinger Dichter und Reiseschriftsteller Max Rieple hatte dem Landrat den Tip gegeben, sich dieses Engagement zu sichern. Nach wenigen Ta­ gen Bedenkzeit sagte Dr. Honold zu; er ver­ stand sich freilich nicht als Mitarbeiter, der lediglich die Beiträge anderer zu redigieren hatte, sondern er wurde rasch auch zu einem der fruchtbarsten Autoren des Heimatjahr­ buches. Und er bereicherte dieses jedes Jahr von vielen erwartete und meist auch umge­ hend ausverkaufte Werk als Ideengeber für andere Mitbürger des Landkreises, die seine Themenvorschläge aufgriffen. Daß andere Landkreise Baden-Württembergs Dr. Gut­ knechts „Almanach“- Idee mit eigenen Jahr­ büchern kopierten, war damit auch das Mit­ verdienst von Dr. Lorenz Honold. Mehr als ein Jahrzehnt arbeitete der pen­ sionierte Journalist, körperlich wie geistig beneidenswert lange rüstig geblieben, für das Heimatjahrbuch des weiten Landkreises zwischen Blumberg und Triberg, zwischen Gütenbach und Tuningen. Und wie zuvor im Journalistenkreis der „Badischen Zei­ tung“, blieb er auch in diesem Aufgabenfeld der stets bescheidene und zurückhaltende Kollege, der belesene und kluge Gesprächs­ partner, der gerade zwischen Meinungsfron­ ten ausgewogene Vermittler, der für jede Art des Sensationsjournalismus nie zu haben

gewesen wäre, der liebenswürdige Mit­ mensch und eingängig formulierende Schreiber. Mit dem Begriff „Heimat“ und dem, was der Leser unter dieser Rubrik er­ wartet, hatte er ebenso wenig Probleme wie mit Menschen, die sich als Intellektuelle se­ hen und eben diese Heimat und ihre Werte als „Provinz“ betrachten. Über derlei Schub­ ladendenken war der Mann, der ein rasches, ja vorschnelles Urteil stets vermied und der selbst in Enttäuschung oder gar Ärger nie „auszurasten“ pflegte, ebenso gescheit wie altersweise erhaben. Er sei ein „Mensch von lauterstem Charakter“, hatte der Haupt­ schriftleiter der „Dürener Zeitung“ Dr. Lo­ renz Honold bei dessen Ausscheiden gegen Ende des Zweiten Weltkrieges bescheinigt. Sich selbst als Journalist als „Meinungs­ macher“, ja als „Mann der vierten Gewalt“ wichtig zu sehen oder sich gar wichtig zu machen, wäre Honold nie in den Sinn ge­ kommen; er tat bescheiden seine Pflicht und hielt sich im übrigen im Hintergrund. Nur einmal ließ er sich überreden, im Mittel­ punkt zu stehen: Am 24. Oktober 1984, we­ nige Monate vor seinem 80. Geburtstag, hef­ tete ihm der Landrat das Bundesverdienst­ kreuz am Bande an, das ihm auf Dr. Gut­ knechts Antrag Bundespräsident Richard von Weizsäcker verliehen hatte. Dr. Lorenz Persönlichltei1en Honold war der erste Journalist im Schwarz­ wald-Baar-Kreis, dem diese Ehrung zuteil wurde. Sein Engagement sei für den Almanach zum Glücksfall geworden, würdigte der Landrat als Laudator im schönen Sitzungs­ saal des Donaueschinger Rathauses damals das Werk des Geehrten. Denn dieser hatte als gebürtiger Baaremer die eingehende Kenntnis seiner Heimat in Geschichte und Gegenwart mit dem Können und der hand­ werklichen Routine des Redakteurs verbun­ den, der sich auch fern dieser „Landschaft der weiten Horizonte“ (Max Rieple) be­ währt und aus diesem Wirken ein gutes Stück Weitläufigkeit in die sogenannte Pro­ vinz zurückgebracht hatte. Dr. Lorenz Ho­ nold bekannte damals bewegt, sein W irken für das Heimatjahrbuch des Schwarzwald­ Baar-Kreises sei auch für ihn selbst zum Glücksfall geworden. Denn dieses Engage­ ment hatte ihm im Herbst seines Lebens ganz unverhofft die Chance geboten, seine umfassend gebildete Persönlichkeit abseits aller Tageshektik noch einmal umfassend in eine geschätzte Publikation einbringen zu können. Gerhard Kiefer Winter-Abend Der Frost schreibt die Partitur des Violin-Konzerts von L. v. Beethoven in D-Dur mit feiner Schrift auf das Fensterglas Das Orchester unsichtbar Ich stelle mir vor: wie die zarten Töne der Violine behutsam deine Haut berühren im Zimmer wird es warm Ist es die Musik oder meine Vorstellung .. ? Bernhard Brommer 145

Persönlichkeiten Der Heimat und den Menschen verbunden Der Triberger Alexander Jäckle zählte auch zu den Mitarbeitern des „Almanachs“ In der Nacht von Allerheiligen auf Aller­ seelen starb im vorigen Jahr Alexander Jäck­ le. Daß er just in diesem Kirchenjahrs-Ab­ schnitt heimgerufen wurde, bedeutete für ihn die Erfüllung einer seiner wenigen Wün­ sche. Groß war die Schar derer, die ihm, Wind und Wetter trotzend, das letzte Geleit auf dem Triberger Bergfriedhof gaben. Alexander Jäckle, der nie einen Anspruch aufEhrungen und Dankadressen erhob, leb­ te bescheiden, war aber doch stets präsent. Der gebürtige Triberger wirkte über 40 Jah­ re als Mitarbeiter der Südkurier-Lokalredak­ tion, aber auch für die Badische Zeitung, für die er über Jahrzehnte hinweg einen stän­ digen Nachrichtenüberblick für die Ausgabe Furtwangen über die Geschehnisse in der Raumschaft Triberg lieferte. Er begleitete die Kommunalpolitik, aber auch das kulturelle Leben in Triberg als Berichterstatter, seine besondere Liebe galt dem Vereins- und kirchlichen Leben. Als ausgebildeter Kaufmann fand er nach dem Krieg, an dem er als Soldat teilnehmen mußte, seinen Arbeitsplatz bei der Elektri­ zitäts-Gesellschaft Triberg. In dieser Zeit hei­ ratete er Waltraud Jehle, mit der er bis zu ihrem Tode 1992 in Friedrichshafen glück­ lich zusammenlebte. Groß waren seine Be­ mühungen und sein Wirken in der Kir­ chengemeinde. Als Witwer engagierte er sich im Alten- und Altenpflegeheim in Tri­ berg. Dort wurde er zum Heimfürsprecher gewählt. So bescheiden Alexander Jäckle lebte, in der Musik war er anspruchsvoll. Er gehörte der Sängerlust an, bildete Anfang der 50er Jahre mit Josef Schwer, Willi Kienzler, Lo­ thar Bräuer und Josef Dold das „Qyartett der Frohen Fünf“, die auch Kurkonzerte be­ stritten. Jäckle spielte selbst Klavier und träl­ lerte immer gern ein fröhliches Lied. Neben 146 Akxander }äckle dem Wohl für die Mitmenschen lag ihm auch das Leben und die Geschichte seiner engsten Heimat am Herzen. Von 1986 bis 1996 und in über zehn Beiträgen schilderte er im „Almanach“ Menschen und Ereignis­ se rund um Triberg. 50 Jahre nach Kriegsende sagte Alexander Jäckle in einem Interview, das er, der als Zei­ tung-Berichterstatter sonst fragte, erstmals gab: ,,Man sollte bewußt dankbar sein für so viele Lebensmöglichkeiten heute und sich bewußt sein, daß das im Grunde genom­ men gar nicht selbstverständlich ist.“ Das war seine Lebensmaxime. Renate Bökenkamp

Archäologie 8. Kapitel I Almanach 98 Die Römerbadruine in Hüfingen Modeme Präsentation einer archäologischen Kostbarkeit aus der Zeit um 70 n. Chr. Nach dreijähriger Sanierungszeit konnte im Oktober 1995 die römische Badruine in Hüfingen wieder der Öffentlichkeit zugäng­ lich gemacht werden. Das ehemalige Militärbad wurde von rö­ mischen Soldaten gebaut, die im ersten nachchristlichen Jahrhundert im Kastell auf dem Galgenberg stationiert waren. Das Hü­ finger Kastell war der westliche Befesti­ gungspunkt des Donaulimes, der zur Regie­ rungszeit Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.) angelegt wurde. Das Badewesen war ein unverzichtbarer Bestandteil der römischen Lebensart, selbst in den entferntesten Provinzen und auch für das Militär. Auch in Hüfingen, zu Fuße des Kastells, das in seiner Hochzeit 1 000 be­ rittene Soldaten aufnahm, entstand um 70 nach Christus eine römische Badeanlage. Ursprünglich diente sie den Kastellsoldaten zur Hygiene, körperlichen Abhärtung, Ge­ sundheit und Entspannung. Die Zivilbevöl­ kerung, die in der nahe gelegenen Siedlung ,,Brigobannis“ im Mühlöschle lebte, be­ nutzte das Bad aber bald mit. Jeder Besu­ cher, der heute bei winterlichen Außentem­ peraturen auf der rauhen Baar die Ruine be­ sichtigt, bekommt eine direkte Vorstellung davon, welchen Luxus ein warmes, beheiz­ tes Bad für die Menschen damals bedeutet haben muß, egal ob römischer Soldat, Söld­ ner oder Bewohner des Dorfes „Brigoban- . „ms. Die Hüfinger Römerbadruine mißt 19 x 30 Meter. In zwei Bauphasen entstanden zuerst ein Heizraum, ein Warmbaderaum, ein lau- Von den Besucheostegen aus sind alle Teile deo oömischen Badouine bestens einsehbar. 147

Archäologie waschbecken). 1 Der lauwarme Raum (tepidarium) diente als Wärmeschleuse zwi­ schen Warm-und Kaltbaderaum und benötigte kein Wasser. Im Kaltbaderaum (frigidarium) stan­ den Kaltwasserwannen und die Badegäste konnten in ein tiefer ge­ legenes Becken (piscina) hinab­ steigen. Aus dem Maul eines stei­ nernen Löwenkopfes sprudelte einst das Wasser in die Piscina. Im großen Umkleideraum (apodyte­ rium), der auch als Ruhehalle diente, gab es ein Becken von 7 x 5 Blick ins Caldarium mit Hypokaustpfeiler und Labrum (Hand- Meter, das aufwendig isoliert und von Säulen umstanden war. Ni­ schen in den Wänden und Regale warmer Raum und ein Kaltbaderaum mit dienten als Ablage für die Kleidung. Das Kaltwasserbecken. Wahrscheinlich in Folge runde Schwitzbad (sudatorium) hatte einen der Truppenverstärkung im Kastell wurden Durchmesser von 7 Meter und war über­ in einer zweiten Bauphase ein großer Aus­ kuppelt. Von seiner Funktion ist es mit der kleide-und Ruheraum mit großem Becken und ein rundes Schwitzbad hinzugefügt. Die für den Bau des Badegebäudes verwen­ D deten Ziegel mit Stempeln der 11. Legion sind nicht nur wichtig für seine Datierung, sondern legen auch die Vermutung nahe, daß die in Hüfingen stationierten Truppen dem Legionskommandanten in Vindonissa (Windisch) unterstellt war. Im Heizraum (praefumium) ist ein aufge­ mauerter Heizkanal mit Holzfeuerstelle zu sehen. Hier wurden die Heizgase für die Bo­ den-und Wandheizung in den angrenzen­ den Warmräumen erzeugt. Auch die Warm­ wasseraufbereitung erfolgte im Heizraum auf der Feuerstelle. Der Warmbaderaum (caldarium) war mit Heißwasserwanne, Fuß­ bodenheizung und einem Springbrunnen (labrum) ausgestattet. Hier war es heiß und feucht wie in einem türkischen Dampfbad, das ja aus der römischen Badetradition ent­ standen ist. Wie genau die römische Boden­ und Wandheizung, die sogenannte Hypo­ kaustanlage funktioniert, wird vor Ort an­ hand der Originalbefunde und der didakti­ schen Schautafeln sehr anschaulich erklärt. 148 1 Praefi,mium 2 Caldarium mit Labrum 3 Tepidarium 4 Frigidarium mit Wasserbecken 5 Apodyterium mit Wasserbecken 6 Sudatorium 5

Hüfinger Römerbad es still im und um das Bad. Erst im 17. Jahrhundert, zur Zeit der ba­ rocken Gelehrten und ihrer humani­ stischen Bildungsideale, tritt die rö­ mische Vergangenheit Hüfingens wieder ans Licht. Das allgemeine In­ teresse dieser Zeit an der Antike er­ faßte auch den damaligen Ortsher­ ren Hans von Sehellenberg, genannt der Gelehrte. Er berichtete erstmals von römischen Funden aufHüfinger Gemarkung. Doch erst zwei Jahr­ hunderte später erfolgten die ersten systematischen Ausgrabungen. Da­ mals identifizierte nämlich ein Pro­ fessor aus Regensburg Hüfingen mit Skizze von Joseph Frick, Ansicht des Bades bei seiner Frei- legung im Jahr 1821. modernen Sauna und ihrer trockenen Hitze vergleichbar. Den körperlich hart arbeiten­ den Soldaten diente das Schwitzbad zur Ab­ härtung. Nachdem die Kastellbesatzung um die er­ ste Jahrhundertwende herum abgezogen wurde, benutzte die Zivilbevölkerung das Bad noch bis ins dritte, vierte Jahrhundert weiter, also auch noch nach Beendigung der römischen Herrschaft (259/60). Dann wird dem antiken Brigobannis. Der junge Karl Egon von Fürstenberg be­ auftragte daraufhin 1820/21 eine Kommis­ sion mit der Grabung auf dem Gelände am Fuße des Galgenberges, und die Badeanlage wurde freigelegt. Sie erhielt sogleich einen Schutzbau in Form einer Baaremer Scheu­ ne, der heute als einer der ältesten musealen Schutzbauten Deutschlands schon selbst wieder ein geschütztes Denkmal ist. Eine In- Reste des Fußbodenmosaiks im Caldarium und Tepidarium. 149

Archäologie Blick ins Tepidarium, einst ein Baderaum mit einer Temperatur von ca. 25 Grad. Bau, der ja bereits aus mehreren Bauphasen besteht, sicher eine sinnvolle Entscheidung. Der Dachstuhl des Schutzbaus wurde sa­ niert und der Dachfirst als Oberlicht geöff­ net. Zwei Glasanbauten und eine transpa­ rente, freischwingende Besuchersteganlage aus verzinktem Stahl kamen hinzu und er­ möglichen dem Besucher einen guten Blick auf die römischen Befunde. Museumsdi­ daktische Schautafeln vervollständigen das Konzept, das einen Rundgang über alle Räu­ me des Bades mit zusätzlichen Erläuterun­ gen am jeweiligen Standort vorsieht. Im Ein­ gangsbereich wird der Besucher mit einem geschichtlichen Überblick, aufgelockert durch zahlreiche Abbildungen und inte­ grierte Kleinvitrinen mit Originalfunden, auf die Besichtigung der Badruine einge­ stimmt. Öffnungszeiten: Das Römerbad ist von Mai bis Oktober sonn- und feiertags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Archäologische Führungen sind jeder­ zeit, auch in den Wintermonaten, nach telepho­ nischer Vereinbarung mit der Stadtverwaltung möglich. schrift, die er sich selbst setzte, erinnert an den „Ausgräber“: ROMANO RUM QUAE HIC SPECTAS MONUMENTA ERUIT POSTERISQUE SERVAVIT CAROLUS EGON PRINCEPS DE FUERSTENBERG MDCCCXXI (Die Denkmale der Römer, die du hier siehst, hat Karl Egon, Fürst zu Fürstenberg, ausgegraben und für die Nachwelt bewahrt. 1821) 1970 ging die ganze Anlage in das Eigen­ tum und die Baupflicht des Landes Baden­ Württembergs über. Der Schutzbau war in schlechtem Zustand und der Gesamtein­ druck der Badeanlage entsprach in keiner Weiser ihrer kulturhistorischen Bedeutung. In den 90er Jahren erfolgte schließlich, for­ ciert durch die Stadt Hüfingen und Bürger­ meister Knapp, die Sanierung, für die das Land Baden-Württemberg fast 2 Millionen Mark zur Verfügung stellte. Das Sanie­ rungskonzept basierte auf einer konsequen­ ten Trennung von alt und neu -in einem 150 Beatrice Scherzer

Geschichte Vom „Eisen“, Nagelschmied und Feilenhauer Untergegangene Berufe und Tätigkeiten am Beispiel der Raumschaft Triberg 9. Kapitel/ Almanach 98 Der technische Wandel hat ständig neue Tätigkeiten und Berufsbilder hervorgebracht. Wer heutzutage ein Ver­ zeichnis von Gewerbetreibenden des ver­ gangenen Jahrhunderts zur Hand nimmt, findet darin Weißgerber und Leimsieder, Ziegler, Tonfedernmacher oder Kohlbren­ ner. Aber auch Nagelschmiede, Seiler und eine Vielzahl von Berufen, die im Zusam­ menhang mit der einstigen Uhrmacherei standen, die wie die Strohflechterei aber nicht Gegenstand des nachstehenden Bei­ trages sein sollen. Zunächst am Beispiel der einstigen Herrschaft Triberg, dann am Bei­ spiel Tuningens (Dreher und Pfeifenmacher sowie Küfer) und schließlich mit einem Bei­ trag über den Grüninger Orgelbauer Sieg­ fried Fromm wird an einige meist fast ver­ gessene Berufe und Tätigkeiten erinnert. Die meisten alten Berufe sind untergegan­ gen, viele bereits im Zuge der Industrialisie­ rung des ausgehenden 19. Jahrhunderts, ei­ nen endgültigen Wandel brachten dann je­ doch die 1950er und 1960er Jahre. Karl Wacker beschreibt diesen Umbruch in sei­ nem 1966 erschienenen Buch „Landkreis Donaueschingen“ für den Bereich der Baar, was er festhält, hat in dieser Form für den ge­ samten Landkreis seine Gültigkeit: ,,Viele der in der Baar früher sehr weit verbreiteten Handwerksberufe, wie etwa die Wolle-und Leinenweber, die Gerber oder die Rechen­ macher, haben der Industrialisierung wei­ chen müssen und sind heute völlig ausge­ storben. Andere Handwerkszweige wieder­ um, vor allem solche des Landhandwerks, befinden sich mitten in einer Umstellung und müssen sich durch Ausweichen auf an- dere Arbeiten den geänderten Marktver­ hältnissen anpassen. So sind z.B. von den vielen früher hier bestehenden Mühlen ei­ nige wenige Betriebe, die Kundenmüllerei betreiben, übriggeblieben. Dieselschlepper und motorisierte Arbeitsgeräte verdrängen Pferd und Wagen. Der Dorfschmied hat sich darum weitgehend von Hufbeschlag aufRe­ paratur und Kundendienst für landwirt­ schaftliche Geräte umgestellt, und der Wag­ ner wurde zum Bauschreiner oder zum Karosseriebauer. Der Sattler, der keine ffer­ degeschirre mehr anzufertigen und zu repa­ rieren hat, verlegt Linoleum und verkauft Polstermöbel. Der Küfer, den das Vordrin­ gen der Kunststoffe arbeitslos gemacht hat, übernimmt eine Bier-und Weinhandlung.“ So weit die Schilderungen von Karl Wacker. Am Beispiel der Raumschaft Tri­ berg sei nachfolgend an einige fast vergesse­ ne Tätigkeiten erinnert, die über Generatio­ nen hinweg zum Lebensunterhalt der Be­ völkerung beitrugen. Die ursprünglich aus Holz oder Horn ge­ schnitzten und von Glasträgern vertriebe­ nen Eßlöffel wurden in der ersten Hälfte des 18.Jh. immer mehr von hauptsächlich in Sachsen hergestellten Blechlöffeln ver­ drängt. Als erste in der Herrschaft Triberg beschäftigten sich der Schönwälder Anton Weißer und der Schonacher Johann Ketterer erfolgreich mit dem Schmieden von Löffeln aus Schwarzblech. In Triberg selbst began­ nen Q.iirin Haas und Christian Walter 1735 und 1737 mit der Blechlöffelfabrikation. Im Generallandesarchiv in Karlsruhe ist das Ge­ such eines gewissen Anton Neininger, Löf-151 Der Löffelschmied

Nachdem es möglich war, die Wasserkraft für die Produktion zu nutzen, konnten die Triberger Löffel- schmiede bis zu 6 500 Dutzend Löffel im Jahr erzeugen. Geschichte felschmied und Spengler in Triberg, zur Er­ richtung einer Feuerstätte (kleine Schmiede, d. Verf.) vom 22. 1. 1769 erhalten. Unter der Bedingung, daß jährlich 1 fl. (Gulden) rhei­ nisch als Gebühr zu zahlen sei, wurde das Gesuch mit Datum vom 15. 3. 1769 geneh­ migt. Zunächst wurden die Löffel aus Schwarz­ blech mit angenieteten Stielen hergestellt, später dann aus einem Stück geschmiedet. Die erfolgreiche Schwarzwälder Produktion erlitt einen Rückschlag, als die sächsischen Hersteller in großem Umfang verzinnte Blechlöffel auf den Markt brachten. Nach anfänglichen Schwierigkeiten beim Verzin­ nen gelang es den heimischen Löffelschmieden jedoch bald, die richtige Flüssigkeit des Zinns und dessen strahlenden Glanz auf dem Eisenblech zu erzielen. Um der nun wieder laufend steigenden Nachfrage gerecht zu werden, entstanden um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 15 Löffel­ schmieden in der Herrschaft Triberg, in denen im Schnitt der Meister und ein Geselle ar- beiteten, die jährlich 2 000 bis 2 600 Dut­ zend Löffel herstellten. Nachdem es mög­ lich geworden war, die Wasserkraft für das bis dahin mühsame und Kraft kostende Schlagen und Aushöhlen der Eisenbleche zu nutzen, konnte die jährliche Produktion auf ungefähr 6 500 Dutzend Löffel erhöht werden. Der wohl letzte Triberger Löffelma­ cher, Sebastian Rimprecht, genannt „Löffel­ basche“, erbaute nach dem Stadtbrand von 1826 in der Kreuzstraße neben dem Gast­ haus Rößle ein neues Haus mit Werkstatt, in dem sich später als letzter Handwerksbetrieb die Metzgerei Obergfell befand. Das Anwe­ sen wird heute als Wohn- und Geschäfts­ haus genutzt. Das einst bedeutende Löffelmachergewer­ be, das eine Zeitlang manchen Herrschafts­ bewohner und seine Familie ernährte, ist 152 längst untergegangen, von der andernorts ansässigen Industrie verdrängt worden. Der Nagelschmied Das Schmieden von Nägeln aller Art ist ei­ ne weitere handwerkliche Tätigkeit, die heu­ te ebenfalls ganz verschwunden ist. ,,Die Na­ gelschmiede sind im Jahr 1680 zum ersten Mal erwähnt. Sie kamen aus den Hammer­ schmieden und bedurften keinerlei großer Einrichtungen und Kenntnisse. Ein Blase­ balg, Amboß, Hämmer und Nageleisen genügten für die kleinen Werkstätten voll­ auf.“ So berichtete Wilhelm Maier über die- ses Handwerk, das bereits um 1844 erste schmerzliche Ein­ bußen erlitt, als erstmals Na­ gelmaschinen, sogenannte Schlagmaschinen, aufkamen. Mit Ausnahme der langen Zimmermannsnägel für den Bau der Schwarzwaldhäuser, die noch bis zum Beginn unse­ res Jahrhunderts weiterhin mit der Hand geschmiedet wur­ den, produziert die Industrie seither alle übrigen Nagelsor­ ten als typische Massenware billiger und in gleichbleibender Qialität. In Triberg waren 1860 noch zwei Na­ gelschmiede ansässig. Während Benedikt Holzmann seine Werkstatt gegenüber dem Gasthaus Rößle betrieb, ist der Standort des Anwesens von Bartholomä Meier nicht mehr bekannt. Über die Feilenhauerei Knapp achtzigJahre – zwischen 1797 und 1874 – spielte die Feilenhauerei für die an­ sässige Uhrenfabrikation eine nicht unwe­ sentliche Rolle, bis auch dieses Handwerk von der Industrie außerhalb unseres Raums verdrängt wurde. Die handwerksmäßige Feilenherstellung erfolgte in mehreren, teils aufwendigen Ar-

beitsgängen. Der etwa 50 cm lange Amboß war in einen mächtigen, tief in der Erde ver­ ankerten Holzklotz eingelassen. Verschiede­ ne harte Meißel mit breiter, scharfer Schnei­ de und eine Vielzahl eigenartig geformter Hämmer mit kurzen, krummen Stielen la­ gen griffbereit. Bevor der Feilenhauer mit der Arbeit begann, wurde der eiserne Roh­ ling zunächst mit zwei Lederriemen auf den Amboß gespannt. Beide Riemen konnte der am Amboß sitzende Handwerker mit den Füßen gespannt halten, während er mit Hammer und Meißel Schlag um Schlag, im Schnitt mehr als lOOmal je Minute, paralle­ le Kerben in das Werkstück schlug. Über die­ se „Unterhieb“ genannten Linien wurde ein versetzter „Oberhieb“ gehauen und so das für die meisten Feilen typische Rautenmu­ ster erzielt -die Feile hatte ihre Zähne be­ kommen. Jetzt mußte das in der Form ferti­ ge Werkzeug noch gehärtet werden. Dazu wurde es mit einer bestimmten Masse be­ strichen, die beispielsweise aus Kochsalz­ lösung, Roggenmehl, Bierhefe, Hornkohle, Ofenruß, Pferdemist und Ton bestand. Erst wenn dieser Mantel trocken war, wurde das Werkstück rot-glühend gemacht und in Re­ genwasser oder Kochsalzlösung getaucht. Nach der Reinigung nochmals erwärmt und dann eingeölt, wurde die nunmehr fertige Feile in Papier verpackt. Wahrscheinlich gehörten alle Triberger Feilenhauer der weitverzweigten Sippe Schwer an, der im übrigen auch der spätere Gründer der „Schwarzwälder Apparatebau­ Anstalt SABA“ entstammte. Als Feilenhau­ er wurden im Laufe der Jahre aktenkundig Leonhard Schwer und dessen Söhne Josef, Benedikt, Sigmund und Clemens. Mit dem Tod von Benedikt Schwer 1874 starb das Handwerk in Triberg aus. Wahrscheinlich nur in Triberg beheimatet war die Herstellung einer ganz besonderen Art von Topf-und Pfannenreiniger, den so- Von der Hamischmacherin Altes Handwerk Feilenhauer bei der Arbeit. Eine originalgetreue Darstellung im Schwarzwaldmuseum Triberg erin­ nert an dieses lang ausgestorbene Handwerk. genannten „Harnischen“. Diese über Jahr­ zehnte von Heimarbeiterinnen als „leichte Nebentätigkeit neben der Haushaltung“ ausgeübte Sonderform der Drahtverarbei­ tung wurde 1907 in einem amtlichen Bericht an die Großherzoglich Badische Regierung beschrieben: „Eine Drahtzieherei und Kettenfabrik zu Triberg . .. beschäftigt eine geringe Anzahl von Heimarbeiterinnen, vorwiegend Frauen ihrer Arbeiter, mit der Herstellung von Har­ nischen, das sind Ketten zur Reinigung von gußeisernen und emaillierten Kochgeschir­ ren …. Die Arbeiterinnen erhalten offene Stahldrahtringe von 12 mm Durchmesser zugewogen; ihre Aufgabe besteht darin, die­ se Ringe durch Ineinanderhängen und Zu­ sammendrücken der Ringenden zu bewegli- 153

Geschichte chen Flächen wie bei Panzerhemden – daher der Name Harnisch – zu vereinigen. Die Drahtringe sind einfach, zweifach oder drei­ fach gewunden. Die Arbeiterin hat das Ma­ terial in großer Menge vor sich auf dem Tisch liegen; sie hält in jeder Hand ein Flachzängchen und hängt in methodischer Weise die verschiedenen Ringe ineinander. Die Harnische werden in fünf verschiede­ nen Größen hergestellt.“ Als das gußeiserne Kochgeschirr zuneh­ mend von Töpfen und Pfannen aus ande­ ren, empfindlicheren Materialien verdrängt wurde, verschwanden die Harnische aus dem Reich der Hausfrau und wurden durch schonendere Putzmittel ersetzt. Der Holzfuhrmann Noch bis weit in die fünfziger Jahre un­ seres Jahrhunderts hinein wurde das Lang­ holz mit zwei- oder mehrspännigen Pferde­ fuhrwerken vom Wald in die Sägewerke ge­ fahren. Zum Transport des Langholzes, also der gefällten, entasteten und geschälten Fichten- und Tannenstämme, war ein spe­ zieller, schwerer Wagen notwendig. Dieses Fahrzeug bestand aus zwei einachsigen, von­ einander unabhängigen, manchmal mit Holmen versehenen Pritschen. Ursprüng­ lich hatten sie wuchtige, hölzerne, eisenbe­ reifte Speichenräder, die etwa seit der Jahr­ hundertwende nach und nach von voll­ gummibereiften, eisernen Scheibenrädern abgelöst wurden. Schließlich erhielten die Langholzwagen gummibereifte LKW-Fel­ gen. Bespannt waren die Fuhrwerke mit schweren, kräftigen Rössern oder auch mit ,,Schwarzwälder Füchsen“. Die etwas leich­ teren Pferde aus einer Züchtung des Hoch­ schwarzwaldes gelten auch heute noch als besonders ruhig und zuverlässig. Für den Umgang mit diesem Fuhrwerk, häufig auch Holländer-Wagen genannt, weil besonders im 18. Jh. die langen Stämme nach Holland verkauft wurden, wo sie vor allem im Segelschiffbau (z. B. als Masten) 154 Verwendung fanden, waren in der Regel zwei kräftige, erfahrene Männer erforder­ lich, die sich absolut aufeinander verlassen konnten. Die Teamarbeit begann schon beim Verladen der großen Stämme, die zu­ vor von den Waldarbeitern mit Ochsen­ oder Pferdegespannen aus dem Wald an den Holzabfuhrweg gezogen worden waren. Handelte es sich um einen in der Raum­ schaft häufig vorkommenden Hangwald, befanden sich entlang des Weges in größe­ ren Abständen rampenartig aufgeworfene, von Trockenmauern zur Wegseite hin befe­ stigte, längliche Erdhügel. Auf diese Ram­ pen wurden die Langholzstämme gezogen und in schwieriger Arbeit vorsichtig über an­ gelegte Ladehölzer auf das Fahrzeug gerollt. In flachem Gelände mußten die Stämme mit Hilfe von (Draht-)Seilen, ebenfalls über Ladehölzer, auf das parallel zum Wegrand stehende Fuhrwerk gezogen werden. Diese Arbeit hatten die Pferde, die sich auf der an­ deren Längsseite des Gefährts befanden, zu verrichten. Das verladene Langholz mußte noch durch schwere Ketten zusammenge­ halten und gesichert werden. Während der Fuhrmann die Pferde zu führen und die Kurbeibremse an der vorderen Pritsche des Fuhrwerks zu bedienen hatte, war sein Mit­ arbeiter für die abgestimmte Steuerung der hinteren Pritsche und deren Bremse zustän­ dig. Es war schon ein Kunststück, wie die Fuhrleute immer wieder die schweren Fahr­ zeuge sicher über die steilen Wege, Straßen und durch die engen Kurven (z. B. ums Pfaff-Eck) ins Städtle brachten. Nicht nur die Buben und die Kurgäste, sondern auch einheimische Erwachsene staunten dabei nicht schlecht, mit welcher Geschwindigkeit die Männer, jeder für sich an seinem Teil des Gefährts und doch in Zusammenarbeit mit dem Kollegen an der anderen Pritsche, die ,,Migi“ (regionaler Ausdruck für Kurbei­ bremse) mit viel Fingerspitzengefühl auf­ und zudrehten. Heute ist die schwere und recht gefährliche Arbeit längst motorisiert sowie durch den

Altes Handwerk Langholzfuhrmann Lauble mit dem Dreispänner der Steinbissäge am Triberger „Pfaff-Eck ‚:fotografiert in den 19 5 Oer Jahren. Einsatz von LKW-eigenem Seilzug und Greifarm wesentlich erleichtert worden. Und so ist der Holzfuhrmann alten Schlags mit seinem Gespann aus unserer Landschaft verschwunden. Das „Eisen“ auf den Eisweihern Bis zu sieben Brauereien waren früher in Triberg ansässig, von denen die meisten et­ wa um 1930 ihre Tätigkeit eingestellt haben. Lediglich die Adler-Brauerei arbeitete bis August 1960. Zur Temperierung des herge­ stellten Biers wurde Eis benötigt. Da die Er­ zeugung von Kunsteis damals noch nicht möglich war, mußte im Winter Natureis gewonnen und so eingelagert werden, daß auch in der wärmeren Jahreszeit genügend Eis zur Kühlung des laufend gebrauten Biers zur Verfügung stand. Beinahe jede Brauerei hatte vor den Toren der Stadt ihren eigenen Eisweiher. Sobald sich bei anhaltendem Frost auf den Weihern eine Eisschicht von mindestens 10 Zenti­ metern Dicke gebildet hatte, traten die Eiser in Aktion. Kräftige Männer in hochreichen­ den, den Flößerstiefeln vergleichbaren Stie­ feln – meist Bauhandwerker und Holzfäller, die witterungsbedingt ohne Arbeit waren – brachen mit speziellen Werkzeugen Eis­ schollen aus dem Weiher und spalteten sie in kleinere, fur den Abtransport mit Pferde­ fuhrwerken günstigere Brocken. Die Einla­ gerung dieser Eisstücke erfolgte in brauerei­ eigenen Felsenkellern, die das ganze Jahr über konstant niedrige Temperaturen auf- 155

Geschichte wiesen. Doch auch hier schmolz das Eis langsam ab. Um diesen Prozeß zu verzögern und um das Anbacken der Stücke aneinan­ der zu verhindern, wurden die Eisbrocken rundum mit Sägemehl bestreut. So wurde eine recht gute Isolierung erreicht, und für die warme Saison stand genügend Eis zur Verfügung. Derartige Eisweiher lagen an der Abzwei­ gung der Straße zum Hoflehentalgrund von der Rohrbacher-Straße (Buisson -Weiher), an der Alten Schonacher-Straße oberhalb des Friedhofs und an der Abzweigung der Schönwälder-Straße / Schonacher-Straße oberhalb des Gasthauses ,Jägerhaus“. Heu­ te stehen auf diesen ehemaligen Weiher­ grundstücken Wohnhäuser bzw. das Verwal­ tungsgebäude der EGT. Die Lage anderer, einst vorhandener Eisweiher ist nicht mehr eindeutig nachweisbar. Eiskeller befanden sich beispielsweise im Berg unterhalb des Felsenhäusles mit Eingang im Riffhaldeweg, im Kapellenberg mit Eingang im Gasthaus ,,Krone“ in der Schulstraße, im Berg ge­ genüber dem Haus Touristik-Duffner in der Gerwigstraße, im Hohnenberg gegenüber der Einmündung der Frejus-Straße in die B 33 mit Eingang in der Hornberger-Straße/B 33 und nochmals im Hohnenberg mit Ein­ gang in der Nußbacher-Straße/B33 schräg gegenüber dem früheren Gaswerk und heu­ tigen Städt. Bauhof. Ein Teil dieser Keller, die allesamt im Zweiten Weltkrieg als Luft­ schutzkeller genutzt wurden, ist heute noch begehbar. Nachdem der technische Fortschritt die bequeme und immer preisgünstigere Her­ stellung von Kunsteis ermöglichte, wurde die aufwendige, schwere und gefahrvolle Ar­ beit des Eisens im Laufe der fünfziger Jahre eingestellt, die Eisweiher aufgegeben. Wolfgang Müller Sekundenleben Jeder Tag Abschied von gestern – Heute ist das Gestern von morgen. Mit jeder Sekunde stirbst du sekündlich der künftigen Vergangenheit entgegen – 156 die du als ständigen Abschied nicht wahr-nimmst. Aber du ahnst die Bedeutung des Wortes: Tausend Jahre sind wie ein Tag. Jürgen Henckell

Der letzte „Dreher“ Tuningens Christian Hauser verstand auch die Kunst des Tabak-Pfeifenmachens Altes Handwerk Sogar die Zimmerleute nahmen seine Dien­ ste beim Treppenbau in Anspruch und dies bis in die neueste Zeit hinein. Die feineren Arbeiten wurden meist in den Winter verlegt, wobei Christian Hauser oft Freunde und Nachbarn als Zuschauer bei sich hatte, die sich gerne bei ihm in der Wenn man im alten Tuningen das „Dorf hinab“ ging, d. h. die Hauptstraße hinunter, sah man links an einem etwas zurückste­ henden Haus ein großes Schild: ,,Christian Hauser, Dreher“, auf dem neben der Schrift noch eine Tabakspfeife abgebildet war. Das bedeutete, daß besagter Christian Hauser Dreher (Drechsler) und Pfei­ fenmacher war. Auf tunin­ gerisch nannte man ihn „Dra­ jer“ und seine Familie hieß Jahrzehntelang „s’Drajers im Doarf „, denn Christian Hau­ ser war Drechsler in der drit­ ten Generation und seit dem Ersten Weltkrieg ermöglichten die vielseitigen Kenntnisse des „Drajers“, daß er bis ins hohe Alter noch erfolgreich im Be­ ruf tätig sein konnte. Er drech­ selte Grobes und Feines auf seiner Bank, die er bis zur Elektrifizierung Tuningens im Jahre 1913 mit dem Fuß in Schwung halten mußte. Ein Elektromotor brachte dann Erleichterung. Die großen Naben für die Wagenräder mußten sehr sta­ bil sein, denn sie mußten schon bei der Weiterverarbei- Christian Hauser beim Drehen einer Stakete.für Treppengeländer. tung beim Wagner einiges aus­ halten, von der späteren Belastung, zum Beispiel bei den schweren, sogenannten ,,Holländerwägen“ (Langholzfuhrwerke), ganz zu schweigen. Auch die früher von den Ofensetzern verwendeten gedrechselten Füße für die Kachelöfen mußten stabil sein. Gute Kunden für den „Drajer“ waren die Schreinereien, denn die Möbel hatten früher viel Gedrechseltes an sich und wur­ den ausschließlich handwerklich hergestellt. Werkstatt wärmten und mit ihm muntere Gespräche führten. Kunkeln und Spinnrä­ der mit mancherlei Zubehör waren von Frauen und Mädchen vor dem Ersten Welt­ krieg noch sehr begehrt. Im Gegensatz zu heute, wo sie der Zierde dienen, mußten diese Gegenstände damals gut funkti­ onstüchtig sein. Eine ganz tüftlige Arbeit war das Pfeifenmachen. Hier zeigte sich das Qialitätsbewußtsein des „Drajers“. Seine 157

Ge chichtc ,,Tuninger Schäferpfeifen“ waren weithin be­ kannt und bei allen Schäfern beliebt. Das Bruyereholz bezog er direkt aus Frankreich, und daraus wurde der Pfeifenkopf ge­ schnitzt, fur das Mundstück verwendete er Horn von Rindern. Den Bedarf konnte er nicht immer decken, denn neben den ande­ ren Aufträgen mußte auch die Landwirt­ schaft noch umtrieben sein. Eine Freude auch fur den „Drajer“ war je­ des Jahr im Frühling die sogenannte „Ha­ bergoaßazeit“ (Tanzkreisel). Oft standen die Schulkinder von Tuningen und Umgebung Schlange vor der Werkstatt, um schnell eine vom „Drajer“ gefertigte „Habergoaß“ zu er­ gattern, denn die waren auch ohne Farbe be­ deutend besser als die aus dem Laden (außerdem im Dreck war Farbe doch nutz­ los). Das ging dann flott: Ein Stück Holz eingespannt, mit dem Beitel abgeschrägt, ein Paar Rillen und an der Spitze eine klei­ ne Kerbe fur den Schuhnagel, und fertig lag eine in den Spänen, wo sie der Junge schnappte, zehn Pfennig auf den T isch leg­ te und beglückt verschwand; ,,der nächste, bitte.“ Manchmal gab es auch ein Tauschge­ schäft: ,,Habergoaßa“ gegen Kuhhorn. Sehr nützlich machte sich Christian Hau­ ser nochmals in der Kriegs- und Nach­ kriegszeit, als er Dinge herstellte, die es fur Geld nicht zu kaufen gab. Wie froh waren viele Frauen, wenn er ihnen Knöpfe fur ei­ ne Strickjacke machte oder wenn er Stopfei­ er zum Strümpfestopfen herstellte. Sogar Fabriken benutzten seine Gefälligkeiten zur Herstellung von Griffen fur Feilen und Schraubenzieher oder auch fur Gehäuse zu Einsteckuhren. Christian Hauser war sehr beliebt, er starb 80jährig im Jahr 1966 und mit ihm der letz­ te „Drajer“ im Dorf Ernst Braunschweiger ,,Zügküaffers“ Zuber und Fässer begehrt Das Küferhandwerk war in Tuningen durch die Familie Erchinger ehemals gut vertreten Da früher die meisten Behälter fur Flüssig­ keiten in Haushalt und Landwirtschaft sta­ bil aus Holz gefertigt waren, konnten diese nur von einem Fachmann, dem Küfer, was­ serdicht hergestellt werden. Weit über Tu­ ningen hinaus war deshalb Küfermeister Michael Erchinger bekannt und beliebt. Schon 1887 wurde von Vater Johann-Georg Erchinger das Geschäft gegründet. Da er be­ reits 1908 starb, mußte der Sohn Michael schon mit 18 Jahren in das Geschäft einstei­ gen. Sein Hausname war „Ziigmichel“, denn die Vorfahren der Erchinger waren früher Zeugweber. Die Küferwerkstatt befand sich an einem günstigen Standort, denn Tuningen war in jener Zeit sozusagen ein Unterzentrum mit überörtlich bedeutsamen Handwerksbetrie- ben und größeren Kaufläden. Nach dem Er­ sten Weltkrieg und nach Ablegung der Mei­ sterprüfung 1922 begann der Aufschwung. Da in Tuningen und Umgebung reichlich Bedarf vorhanden war, fehlte es nie an Kundschaft und Arbeit. Die Landwirtschaft wurde aufgegeben und die freigewordenen Räume zum Zwecke der Küferei ausgebaut. Die Werkstatt wurde vergrößert und moder­ nisiert, auch eine in der Gegend erstmalige hydraulische Kelter eingebaut. Die guten Handlangerdienste seiner An­ gehörigen und auch einiger Nachbarn gerne nützend, wurden nun Fässer aller Größen sowie Zuber, Krautstanden, Kübel, Gelten, Schapfen und Wannen hergestellt und ver­ kauft. Dazu brauchte der „Ziigmichl“ gutes trockenes Holz, das er in der Werkstatt vor- 158

bereitete und dann im Freien aufsta­ pelte. Die Herstellung eines Fasses erfor­ derte gute und genaue Arbeit. Dabei war eine besondere Kunst des Küfers das Zusammenfügen der fertigen Dauben zwischen den vom Schmied hergestellten Eisenreifen. Das war Musik für die ganze Kalkhofstraße, es tönte: ,,Hopp, die bopp, mein Hammerschlag, Hopp, die bopp, am Arbeitstag, Hopp, die bopp, das Faß umrunden, Hopp, die bopp, den Reif nach unten, Küafferschlegile, hopp die bopp, Hammerschlag, Meister/ob.“ Mit Schliff wurden danach die Fu­ gen abgedichtet und gleichzeitig Deckel und Boden eingefügt – das Faß war jetzt weitgehend fertig und der Küfer und seine Helfer hatten sich eine kleines „Richtfestle“ ver­ dient. Sorgfalt mußte der „Ziigmichl“ auch für andere Geräte aufwenden, die seine Werkstatt verlassen sollten. Denn welcher Bauer führte nicht mit geringem Stolz sein schmuckes Gül­ lefaß durchs Dorf, das nicht nur schön sein sollte, sondern auch den stinkenden Inhalt behielt. Ebenso mit Freude stellte die Bäuerin das Butterfäßchen nach Gebrauch zum Trocknen in die Sonne, ans Küchen­ fenster. Die kleinen Badewännchen für Säuglinge, stets vorrätig beim Kü­ fer, mußten immer sorgsam gepflegt Beim Auftürmen der für Faßdauben vor­ gesehenen Eichenhölzer: Links Meister Michael in der Mitte Bruder Karl ganz oben Sohn Fritz und rechts Manfred Er­ chinger. Alte Handwerk 159

weiter. Da der Küfermeister im eigenen Haus einen guten Brunnen hatte, begann er mit der Herstellung von Limonade, der Start zur alkoholfreien Zeit. Mit dem Namen „Er­ chola“ entwickelte sich das Geschäft sehr gut, erforderte auch nochmals Arbeitskräfte. Im letzten Krieg waren auch etliche fran­ zösische Kriegsgefangene in der Fabrikation beschäftigt, zu denen teilweise jetzt noch Verbindung besteht. Der „Ziigküafer“ war in der Nachkriegszeit noch sehr aktiv, ob­ wohl er ahnte, daß sein geliebtes Plakat an der Werkstattwand „Holz bleibt Holz“ doch bald nicht mehr erforderlich war. Sohn Fritz lernte das Handwerk noch und machte 1935 die Meisterprüfung. Der zweite Sohn Man­ fred ging zur Ober-Realschule in Schwen­ ningen und machte 1938 das Abitur, um ei­ nen anderen Beruf zu ergreifen. Doch beide mußten in den Krieg und Fritz kam nicht zurück. Manfred mußte notgedrungen ins Geschäft einsteigen und machte mit 29 Jah­ ren noch die Küferlehre. Die gesamte Tätig­ keit ging auch unter Manfreds Führung wei­ ter und wurde 1962 vom Vater auf den Sohn übertragen. Der „Ziigküafer“ Michael Er­ chinger starb 1966 mit 76 Jahren. Sohn ,,Ziigmanfred“ führte das noch mit Wein­ handel und Schnapsbrennerei vergrößerte Geschäft weiter, bis auch er, nun ebenfalls im Ruhestand, sehen mußte, daß er sich mit den inzwischen entstandenen Großmärkten nicht messen konnte. Zug um Zug gab er sämtliche Geschäftszweige auf Nur das „Doaninger Brennt’s“, der edle Tuninger Schnaps aus seiner Brennerei, wird noch über den Tuninger Heimatverein ver­ trieben. ErnsL Braunschweiger Geschichte sein und möglichst für die ganze Kinder­ schar der Familie halten, sprich, es war Pro­ duktqualität verlangt. Dann waren da noch die kleinen, mes­ singbeschlagenen Fäßchen, die vom „Ziig­ michl“ besonders sorgfältig gemacht wur­ den und im Sommer stets mit guten Ge­ tränken (oder nur mit Wasser) gefüllt vom hinteren Wagenteil hingen und zum Durst­ löschen bei der Feldarbeit gute Dienste lei­ steten – ein Stolz der Besitzer. Weniger Sorg­ falt erforderten die großen Zuber, die beim Schlachtfest benötigt wurden und nebenbei für die ganze Familie als Badewanne dien­ ten. Da Badezimmer früher kaum vorhan­ den waren, wurden die Wannen nach jedem Gebrauch frisch mit warmem Wasser gefüllt und in der Waschküche benützt. Die V ielseitigkeit des „Ziigküaffers“ zeigte sich auch darin, daß er laufend kleine, aber auch große Gölten zum Wassertransport an­ fertigte. Tuningen besaß nämlich bis Ende der 20er Jahre keine Wasserleitung und man mußte an die vielen Pumpbrunnen im Dorf zum Wasserholen für Küche und Stall ge­ hen. Nur das Großvieh kam zur Tränke an den Brunnen. Auch das Kraut wurde früher zur Bevorratung in die vom Küfer angefer­ tigten Krautstanden eingestampft. Mit eigener Mosterei und Limonadenherstellung Als Einheimischer wußte Erchinger zur Genüge, daß die obstarme Baar zusätzliche Getränke benötigte und ließ jeden Herbst waggonweise Mostobst aus der Schweiz her­ fahren und verkaufte es. Dadurch wurde nicht nur die Werkstattarbeit durch ver­ mehrte Herstellung von Fässern gefördert, sondern auch die Arbeit in der Mosterei. Außerdem wurden tausende Liter eigenen Mosts in den inzwischen von der früheren Ochsenbrauerei angekauften Kellern zum ganzjährigen Verkauf in großen Fässern ein­ gelagert. Im Jahre 1928 ging es noch einen Schritt 160

Einst Orgelbaumechaniker bei Bmder Söhne Der Grüninger Siegfried Fromm erlebte noch die Zeit des Orgel- und Orchestrionbaues Alt Handwerk Ein Satz aus dem Arbeits­ zeugnis von Siegfried Fromm vor mehr als 60 Jahren: ,,Das Schicksal hat es gewollt, daß diese Liebe für den größten Teil seines Lebens eine stille Liebe bleiben sollte.“ Tatsäch­ lich konnte er seinen „Traum­ beruf“ Orgelbauer nur wenige Jahre ausüben: Auf seine Lehr­ jahre folgte die Zeit der Welt­ wirtschaftskrise, dann über­ rollte die „moderne“ Technik in Form von Koffergrammo­ phon und Radio die Wunder­ welt der mechanischen Musik­ werke in Spieluhren, Orche­ strien, Dreh- und Jahrmarkt­ orgeln, die weltbekannten Orgelbaufirmen standen vor dem Aus. Die Leidenschaft für die ho- he Kunst der mechanischen Musikinstrumente blieb Siegfried Fromm immer erhalten, aber erst in seinem Ruhe­ stand konnte er sich seiner alten Liebe wie­ der voll widmen. Was lange Zeit unbeachtet blieb, als wertloser Plunder zerstört wurde, verfallen und unbrauchbar geworden war, gelangte wieder zu großem Ansehen bei pri­ vaten Sammlern und Museen. Noch waren zahlreiche Exemplare alter Meisterwerke, wenn auch meist in beklagenswertem Zu­ stand, vorhanden, was fehlte, war die für die Renovierung notwendige Sachkenntnis. Dies war die Stunde von Siegfried Fromm, dem letzten Lehrling der bekannten Wald­ kircher Drehorgelfabrik „Wilhelm Bruder Söhne“. wo bereits Großvater, Vater und Onkel eine Familientra­ dition begründet hatten. Sie alle waren in Waldkircher Or­ gelfabriken tätig, von denen ab 1834 nacheinander sechs entstanden waren, die den guten RufWaldkirchs als „Or­ gelstadt“ in alle Welt trugen. Siegfried Fromm begann im Jahre 1924, nachdem er zuvor eine von den Orgelbaufirmen eingerichtete Musikschule be­ sucht hatte, seine Lehre als Or­ gelbaumechaniker bei „Wil­ helm Bruder Söhne“ in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit. Das 1868 gegründete Unternehmen, zeitweise größ­ ter Orgelbauer in Waldkirch mit einer Produktpalette von der Spieluhr über Drehorgeln bis zu motorgetriebenen und figurenverzierten Walzenorgeln, hatte be­ reits während des 1. Weltkriegs die Produk­ tion einstellen müssen. Nach deren Wieder­ aufnahme 1918 und zögernder Erholung erschütterten Inflation und dann schwin­ dende Auslandsaufträge das Unternehmen. Schließlich besserte sich die Auftragslage, Aufbau und Umbau von Orgeln wurden das erste Tätigkeitsfeld von Siegfried Fromm. Da ;;w. B. S.“ die einzige Waldkircher Orgel­ Siegfried Fromm aus Grünin­ gen erlebte als Orgelbaume­ chanik.er bei „Bruder“ in Waldkirch noch die große Z-eit des Orgelbaues. Der 87jährige gilt heute als Kapazität für al­ le Gattungen von mechani­ schen Musikinstrumenten. fabrik war, die noch Walzendrehorgeln her­ stellte, bei der zudem auch Spieluhren re­ pariert wurden, erhielt er bereits während seiner Lehrjahre einen Einblick in ein brei­ tes Spektrum der mechanischen Musikin­ strumente. Geboren wurde Siegfried Fromm am 10. Mai 1909 in Obertal im Landkreis Freuden­ stadt. Schon früh kam er nach Waldkirch, Im verschärften Konkurrenzkampf der von der heraufziehenden Weltwirtschafts­ krise bereits angeschlagenen und nicht zur 161

Geschichte möglicherweise existenzsichernden Koope­ ration gewillten Orgelbauunternehmen er­ hoffte man sich die Rettung von neuen Pro­ dukten im Bereich mechanischer Großor­ geln. Starktonorgeln, Rollenorgeln, Kinoor­ geln wurden gebaut. Aber alle Versuche waren vergeblich, im Jahre 1930 war der Or­ gelbau in Waldkirch am Ende. Wie Vater und Onkel bei anderen Waldkircher Orgel­ bauern, mußte auch Siegfried Fromm zunächst den bitteren Gang in die Arbeits­ losigkeit antreten. „Vom Balg bis zur fertigen Orgel ging alles durch unsere Hand“ „Nach Hitlers Machtübernahme“, erinnert er sich, ,,konnten wir mit 4 Mann die Arbeit wieder aufnehmen, aber wir mußten zu­ sätzlich für den Luftschutz benötigte Teile fertigen, Bälge und Filter für die Frischluft­ zufuhr in Luftschutzkellern.“ Im eigentli­ chen Orgelbau galt es für die kleine Beleg­ schaft, ,,Mädchen für alles“ zu spielen. Nicht schlecht wiederum für die Erweiterung des Kenntnisstandes, denn „vom Balg bis zur fertigen Orgel ging alles durch unsere Hand.“ Finanzielle Engpässe und fehlende Materialzuteilungen bedeuteten dann aber doch das Ende der einst blühenden Orgel­ fabrikation. Eine Fabrik nach der anderen mußte aufgeben, aber zwei Jahre, bevor Wil­ helm Bruder Söhne im Jahre 1939 die Tore endgültig schloß, war Siegfried Fromm be­ reits nach Gutmadingen gezogen, wo er bei der Firma „Kramer-Schlepper“ zum Mecha­ niker umgeschult wurde. Im gleichen Jahr heiratete er seine aus Oberwasser-Unzhurst stammende Frau Ma­ riaJosefine geb. Trapp, die, wie es der Zufall wollte, auf einer Fortbildungsschule in Unz­ hurst bereits vom späteren Grüninger Leh­ rer Schelling unterrichtet worden war. Die Familie zog nach Geisingen, wo 1938 und 1940 die beiden Töchter Gisela und Christa zur Welt kamen. 1940, kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde er zur Villinger 162 „Saba“ dienstverpflichtet, wo er dann auch den Rest seines Arbeitslebens verbrachte, vornehmlich mit Aufgaben der Qialitäts­ kontrolle beauftragt. Nach Grüningen zogen die Fromms im Jahre 1941. Zunächst wohnten sie zur Mie­ te am Bergring, aber als in den fünfziger Jah­ ren das Neubaugebiet am Rebberg entstand, waren sie unter den ersten „Häuslebauern“. 1957 konnte das Haus bezogen werden, in dem er nun mit der Familie seiner Tochter Gisela, verheiratet mit Peter Chudzinski, sei­ nen Lebensabend verbringt. Seine Frau Jo­ sefine verstarb im Jahre 1991. Im Jahre 1972, im Alter von 63 Jahren, wechselte Siegfried Fromm in den Ruhe­ stand. Zwar war seine Begeisterung für die mechanischen Musikinstrumente noch le­ bendig, viele Wochenenden hatte er mit Re­ paraturen an Spieluhren und kleinen Or­ geln verbracht, aber das rechte Betätigungs­ feld für eine erneute intensive Beschäftigung mit der alten Kunst fehlte. Zu dieser Zeit gab es in Waldkirch Bestrebungen, wieder an die Tradition als Orgelstadt anzuknüpfen. Her­ mann Rambach wurde mit dem Projekt ,,Elztal-Heimatmuseum“ beauftragt. Die Orgelabteilung des ab 1978 aufgebau­ ten Museums, inzwischen in „Elztalmuse­ um -Regionalgeschichte und Orgelbau“ umbenannt, verfügte zwar über zahlreiche Exponate, aber viele Orgelwerke waren re­ paraturbedürftig. Rambach, Laie auf diesem Gebiet des Orgelbaues, beklagte fehlende Unterlagen und Zeichnungen, vergeblich hatte er nach Fachleuten für Restaurie­ rungsarbeiten gesucht. Rambachs Freund Josef Hermann, ein ehemaliger Klassenka­ merad von Siegfried Fromm, gab den ent­ scheidenden Hinweis. Im Oktober 1979, als Siegfried Fromm zu einem Klassentreffen in Waldkirch weilte, bat Bürgermeister Eisele ihn persönlich um seine Mithilfe: Siegfried Fromm sagte ohne Zögern zu. Mit großer Freude ging Siegfried Fromm an seine neue Aufgabe. Zeichnungen wurden angefertigt, Reparaturen durd1geführt. Viele Wochen im

Altes Handwerk Mit prachtvollen Figuren geschmückt, eine von Siegfried Fromm restaurierte „Bruder-Orgel“. Jahr verbrachte er in Waldkirch, ehrenamt­ lich stellte er Wissen und Tatkraft zur Verfu- gung. Das Charakteristikum mechanischer Mu­ sikinstrumente ist das Vorhandensein eines Steuerteils, von dem die Tonfolge von ei­ nem Toninformationsträger, etwa Stiftwal­ ze, Lochband oder Lochplatte, abgelesen und an das eigentliche Musik- instrument, den Schallquellen­ teil, übergeben wird. Spieluh­ ren sind die kleinsten und frühesten Vertreter dieser Gat­ tung, Drehorgeln und mecha­ nische Großorgeln wie Jahr­ markt- oder Tanzorgeln die wohl kunstvollsten mechani­ schen Musikinstrumente, letz­ tere beein­ druckend durch die üppigen Schmuckfassaden. Mit den als „Wunderwerke“ bestaunten Orchestrien ließen sich durch eine Vielzahl spezieller Pfeifen die wichtigsten Instrumente eines ganzen Orchesters nachbilden, mechanisch bewegte Musikantenfiguren sorgten für die Faszination dieser Vorläufer der Musikbox. Die komplizierten pneumatisch gesteuer- insbesondere Das Charakteristikum mechanischer Musik- instrumente ist ihr Steuerteil (z.B. Loch- band), von dem die Tonfolge von einem Toninformationsträger abgelesen wird. ten Schaltungen, ohne gründliche Kenntnis der je nach Hersteller unterschiedlichen Funktionsweise eines Instruments schwer zu durchschauen und zu verstehen, wurden so­ zusagen zum Spezialgebiet von Siegfried Fromm. Teils verfügte er über alte Zeich­ nungen, teils fertigte er sie neu an, insgesamt wohl über vierhundert, auch noch im hohen Alter. Ihm erschlossen sich die Zusammenhänge schnell, viele Orgelwerke kannte er in klein­ sten Details. Die Orgelabtei­ lung des Museums verdankt seiner Arbeit sehr viel, mit sei­ nen technischen Zeichnungen hat er ihr nach den Worten von Dr. Petra Rohde vom Elz­ talmuseum „einen unschätzba­ ren Dienst für die wissen­ schaftliche Aufarbeitung und konzeptionelle Aufbereitung des Orgelbestands“ geleistet. Kein Wunder, daß Siegfried Fromm, der weiterhin häufiger Gast in Waldkirch ist, dort höchstes Anse­ hen genießt. Anläßlich eines von ihm ar­ rangierten Besuchs des Grüninger „Alten­ treffs“ berichtete die Tagespresse von einer Führung durch „sein“ Museum. 163

Alt Handwerk Für private Liebhaber, aber auch kleinere Orgelbaufirmen, ist Siegfried Fromm auf seinem Spezialgebiet noch heute, 87jährig, ein gefragter Ansprechpartner. Zahlreiche Dankschreiben belegen die große Hilfsbe­ reitschaft Siegfried Fromms, aus ihnen spricht aber auch immer wieder Bewunde­ rung über sein technisches Verständnis und die noch in hohem Alter vorhandene Fähig­ keit, technische Vorgänge präzise und ver­ ständlich wiederzugeben. Zum Standardwerk des Metiers, ,,Mecha­ nische Musikinstrumente -Einführung in Technik und Geschichte“ von Dr. Ing. Her­ bert Jüttemann, der ihn oft in Grüningen besuchte, leistete er wertvolle Beiträge zu Einzelheiten der pneumatischen Steuerung. Im Vorwort wird er neben Hermann Ram­ bach und dem aus einem alten Orgelbauge­ schlecht stammendem Carl Frei jun. als ei­ ner der wenigen erwähnt, die noch die Blü­ tezeit mechanischer Musikinstrumente mit­ erlebt haben und das Wissen aus dieser Zeit weitergeben können. Seine über Jahrzehnte gesammelten schriftlichen Unterlagen und seine sachkundigen Angaben seien für die Erhaltung von Dreh-und Jahrmarkt-Orgeln von unschätzbarem Wert, sie helfen, ein be­ deutsames Kulturgut zu retten, schrieb ihm der Verfasser. Siegfried Fromm, der „Kulturträger des Orgelbaues“ Siegfried Fromm, der „Kulturträger des Orgelbaues“, wie er oft genannt wird, ist langjähriges Mitglied der „Gesellschaft für selbstspielende Musikinstrumente e. V.“ und 1995 zum Ehrenmitglied ernannt wor­ den. In deren Journal „Das Mechanische Musikinstrument“ findet er oft Erwähnung, sei es wegen wertvoller Hinweise auf bisher unbekannte Fakten zur Geschichte einst­ mals bekannter, aber heute fast vergessener Orgelbaufümen, sei es wegen der Zurverfü­ gungstellung seltener Unterlagen. In dieser Zeitschrift findet sich auch ein Portrait von 164 ihm, darin berichtet er in anschaulicher Wei­ se von den bewegten Jahren bei der „Wil­ helm Bruder Söhne“. Seine letzte Ehrung erfuhr Siegfried Fromm anläßlich des 5. Internationalen Waldkircher Orgelfestes im Juni 1996. In der als Festschrift erschienenen „Waldkircher Orgelzeitung“ werden seine Verdienste in einem Beitrag noch einmal gewürdigt. Im­ mer noch steckt er voller Tatendrang und freut sich schon wieder auf einen längeren Aufenthalt in Waldkirch, wo er zwei junge Japaner in die Kunst des Orgelbaus einwei­ sen soll. Fast selbstverständlich, daß sich Siegfried Fromm auch in seinem Wohnort Grünin­ gen für die Musik engagiert hat: Beim Mu­ sikverein ist er Gründungs-und Ehrenmit· glied. Beim ehemaligen Gesangverein küm­ merte er sich in den 50er Jahren um die Theateraufführungen. Groß ist aber auch sein geschichtliches In­ teresse. Diese Liebe erwachte, als er 1936 an­ läßlich der 1000-Jahrfeier der Stadt Wald­ kirch als „Fremdenführer“ für die zahlrei­ chen Besucher ausgebildet wurde und in ei­ nem Kurs bei Professor Fischer, Lehrer an der Realschule, seine ersten Kenntnisse sammelte. Die damals ausgestellten Unter­ lagen aus der vorderösterreichischen Zeit blieben ihm im Gedächtnis. Als er sich 1979 zur Mitarbeit bei der Orgelrenovierung be­ reit erklärte, wünschte er sich als Gegenlei­ stung daraus die Qiellen, die sich auf seine zweite Heimat Grüningen bezogen. Viele Fakten zur Geschichte des Dorfes im Brig­ achtal hat er bis heute zusammengetragen, vieles gibt er mündlich weiter. Ein Geschenk aber hat Siegfried Fromm den Einwohnern gemacht. Die von ihm 1951 entworfene, in vielen Arbeitsstunden erbaute und seitdem zweimal umgestaltete große Krippe ziert noch immer zur Freude von Jung und Alt in der Weihnachtszeit die Grüninger St. Mauritiuskirche. Dr. H.- G. Buller

Geschichte der Auswanderer vom „Hof“ Geschichte Die Schicksale der Familie Klausmann aus Gremmelsbach in der „Neuen Welt“ Mit der Auswandererbewegung verbinden sich etwas voreilig Illusionen wie „das große Geld, das große Glück machen“, ,,der reiche Onkel aus Amerika“, der die „unbegrenzten Möglichkeiten“ wahrgenommen hat. Weni­ ger assoziiert wird, daß diese Möglichkeiten auch alle negativen Dimensionen ausmes­ sen konnten. Ein nahezu unentwirrbares Knäuel bildeten die Motive, der ange­ stammten Heimat für immer den Rücken zu kehren: Die dürftige ererbte Scholle und die Aussichtslosigkeit, je zu einer komfortable­ ren Existenz zu finden, rückständige Indu­ strie, Mißjahre, religiöse Intoleranz, fehlen­ de politische Freiheit, eine Verpflichtung oder ein Vergehen, dem man sich durch Flucht entziehen konnte, aber auch Widrig­ keiten aller Art in der alten Heimat. Dies al­ les auf der einen Seite, und die Hoffnung auf ein paradiesisches Leben, Abenteuerlust, Pioniergeist, unbändiges Vorwärtsstreben, der Wille, keinem andern als dem freige­ wählten Gesetz untertan zu sein, die Ver­ lockungen von Werbeagenturen, an der großen Freiheit teilzuhaben, das Hinausge­ drängtwerden durch die Behörden (die sich von der Versorgung von Habenichtsen be­ freiten) auf der anderen Seite verursachten einen welthistorischen Vorgang, der nach dem 30jährigen Krieg einsetzte und den auch das Wilhelminische Kaiserreich nicht aufzuhalten vermochte. Im Gegenteil, es er­ lebte in den Jahren 1881 bis 1890 einen Aus­ wanderungsschub von 1,3 Millionen. Den Ersatz bildete der Zuzug billiger Arbeits­ kräfte aus den östlichen Nachbarländern (GWU, 2, 82, S. 81). Auch dies eine unge­ heure Wanderbewegung. Der Heimat blieb die Hoffnung, durch enge Verbindung mit den ethnischen Inseln in der Neuen Welt Der „Hof‘ in Gremmelsbach. Im Vordergrund ein Holzpolter, dem Seelenwaldwanderer an dieser Stelle ein gewohntes Bild. 165

Ge chich1 oder wo immer, deutsche Art im Ausland zu erhalten und durch den Handel mit den Auswanderern in den Kolonien an ihrem Wohlstand zu partizipieren. Einzelne Fami­ lien mochten hoffen, daß die blutmäßigen Bande in die Zukunft tragen, sogar die näch­ sten Generationen erfassen würden. Die Wahrheit sah in vielen Fällen sehr pro­ saisch aus, die Existenzgründung war eine Sache auf Leben und Tod, und die alte Hei­ mat lag in unerreichbarer Feme, schon von den Kindern vergessen, die oft kaum noch die Sprache ihrer Eltern kannten, geschwei­ ge denn sich als Deutsche fühlten. Anderer­ seits werden auch heute noch Heimatfor­ scher von Nachkommen der Auswanderer aus O t und West gebeten, bei Angaben zu ihren Vorfahren behilflich zu sein. In keinem Fall – soweit bekannt – ließen sich nach der Vertreibung der Donausd,wa­ ben wieder familiäre Zusammenhänge mit Nachkommen gemeinsamen Ur prungs herstellen, wenn sie je gesucht wurden. Und oft genug war es mit den Amerika-Auswan­ derern nicht anders. Beispiele, die exempla­ risch sein mögen für Tausende, können dies belegen, und zwar vom „Hof“ in Grem­ melsbach, wo seit dem 30jährigen Krieg der Name „Klausmann“ beheimatet ist. Söhne und Töchter verließen zu verschiedenen Zeiten in entgegengesetzte Rid,tungen den heimatlichen Boden. Zwei Enkelinnen des Andreas Klausmann, ihres )ieben Großvaters“, Katharina und Rosina Kienzler, wanderten 1760 mit ihren Ehemännern nach Ungarn (Kolluth) aus, ih­ re Spuren sind in den Weiten der Pußta und im Dunkel der Geschichte verweht (Vgl. Almanach 1992, S. 99, und W Hacker, Aus­ wanderungen aus dem südöstl. Schwarz­ wald zwischen Hochrhein, Baar und Kinzig, insbesondere nach Südosteuropa im 17. und 18. Jahrhundert, München 1975). Etwa 120 Jahre später waren es drei Brüder, die der Heimat den Rücken kehrten, und nur einer von ihnen sah sie für kurze Zeit wieder. Was man von ihnen noch weiß, ver- 166 danken wir dem Erinnerungsvermögen von Matthias Klausmann, Alt-Josenbauer in Tennenbronn, 1909 geboren in Gremmels­ bach auf dem „Hof“, dessen Bruder Bern­ hard (Unterschafberg) und Frau Hilda Bert­ sche, Gremmelsbach. Von den sieben Kindern (fünf Buben und zwei Mädchen) aus der Generation der El­ tern (al o Onkel und Tanten von Matthias Klausmann) wanderten drei (Klaus, Micha­ el [ ,,Hofmichel“] und Hans) nach Amerika (USA) aus. Den Hof konnte nur einer erben, und die damalige Industrie war nicht in der Lage, den Ansturm geburtenreid,er Jahr­ gänge zu bewältigen. Auch der vierte Bruder Fridolin hatte die Absid,t, vermutlich weil sein Vater ihm den Hof (nod, ?) nicht über­ geben wollte. Er war schon bis Hamburg ge­ kommen, um die Überfahrt zu regeln, da er­ reichte ihn ein Brief von der Mutter Agata mit der Bitte, doch wieder zurückzukehren und den Hof zu übernehmen. Der Vater Qo­ hann) war am 22. Juni 1892 gestorben, Fri­ dolin konnte den Hof übernehmen. Des Briefes hätte es wohl nicht bedurft, denn als Fridolin das weite Meer sah, grauste ihn, und er wollte die Fahrt nicht mehr wagen, so Bernhard Klausmann. Die drei Brüder gerieten just in die große wirtschaftliche Krise der USA, die 1893 den Höhepunkt „panic of 1893″ erreichte und zum Nachlassen des Einwanderungsstroms aus Deutschland führte (GWU, ebda). Vermutlid, als einzigem ist es Klaus Klaus­ mann gelungen, eine Existenz aufzubauen und zu Geld zu kommen. Er war Bierbrau­ er, das Brauen hatte er in Deutschland ge­ lernt, freilich ist nicht mehr festzustellen wo. Er ließ sich mit seiner Ehefrau Karoline (geb. Eble), die er auf dem Schiff geheiratet haben soll, in New York nieder und betrieb dort selbständig eine Brauerei. Das Alko­ holverbot in den Vereinigten Staaten, die Prohibition, auch „Trockenlegung der USA“ genannt (1919 vom Kongreß beschlosssen, 1933 wieder aufgehoben), tat dem Geschäft großen Abbruch. Da versuchte der Unter-

%,,� �\,�G\b�te� \G� �o�b“ \\b �ÜbG\��ltG. Die Auswanderung in die „Neue Welt“ wurde in vielen Fällen durch Agenten gegen teure Gebühren organisiert, die in Tageszeitungen und Amtsblättern zuhauf für sich Werbung machten. Auswanderung vom .Hof“ (4) met Unter3eid)ncle beföl’bert jebe mlod)e übet .4-,,tu,erp“n• Bre· „“““• Havre. Lo-,1tlon, ßtJtterdana auf ll3oft,, ®enel• unb mamµf, �. fd>iffrn l3nffaniere �u billigen l3tcifen. mie @eneraT,2lnentur: met IBr3itftlagent: 1!i1!k D?. fill i t f d) i 11 g in IDlam,�ehn. D? a ;i; !ß tu g g et in g)onnuef cliingen. die Verbindung mit ihm abgerissen. Der nehmungslustige sein Glück als Goldgräber. zweite der Brüder, Michael, blieb unverhei­ Den Interessenten wurde staatlicherseits ein ratet. Er baute in New York ein Fuhrgeschäft Stück Land zugeteilt. Er habe oft tagelang auf Mehr ist von ihm nicht bekannt. ein Feuer unterhalten, damit der Boden auf­ Der dritte Bruder, Hans Klausmann, war taute. Das spricht dafür, daß die Grabungs­ ein „Naturmensch,“, auch er blieb ehelos. Er stelle in Alaska lag. Viel mehr als ein Zubrot gab sich hemmungslos seiner Reiselust hin; war der Goldsegen freilich nicht. Daraus er­ seine Strecke war der ganze amerikanische wuchs kein Reichtum. In dieser Zeit hätten Kontinent von Nord bis Süd. Ging ihm das sie Bärenfleisch geräuchert und gegessen. Geld aus, so verdiente er sich neues, wo er Dies erzählt noch Hilda Bertsche. Gelegenheit dazu fand. Er berichtete in die Klaus Klausmann kehrte mit seiner Ehe­ alte Heimat, 2 000 km gefahren zu sein, oh­ frau 1919 nach Deutschland zurück, be­ ne einen Baum gesehen zu haben. Große suchte auch den „Hof“, schenkte jedem sei­ Sorgen machten sich seine Angehörigen in ner Verwandten eine Orange, die erste und Gremmelsbach, er könnte wilden Tieren für längere Zeit die letzte die sie sahen (wie zum Opfer gefallen zu sein, als längere Zeit sich so etwas im Gedächtnis festsetzt!). Das eine Nachricht von ihm ausblieb. Sie erfuh­ Ehepaar brachte seine beiden Töchter Lilli ren aus Briefen von ihm, daß er ein Gebiet und Anne mit und erwarb sich in Baden – mit einer äußerst gefährlichen Löwenrasse Oos eine Villa mit einem Obstgarten dar­ durchquerte. Später berichtete er, er sei sol­ um, ob durch das Alkoholverbot dazu ver­ chen begegnet, habe aber, obwohl er ein Ge­ anlaßt, ist ungewiß. Die Eltern durften sich wehr trug, nicht zu schießen gewagt. Wieder ihres Glücks nicht lange freuen, denn sie wuchs die Angst um ihn, als in Zeitungen starben beide wenig später. Sie kamen noch von einem schweren Erdbeben in einer Re­ das eine oder andere Mal nach Gremmels­ gion, wo er sich gerade aufhielt, zu lesen war. bach. Die Töchter wurden in Deutschland Diesmal nahmen die Angehörigen die Hil­ nicht heimisch und kehrten in die USA fe des Roten Kreuzes in Anspruch, und dem zurück. Ihre beiden Brüder waren in der gelang es, ihn ausfindig zu machen. Er war Neuen Welt geblieben. wohlauf. Noch einmal schickte er ein Le­ Der eine war ein Abenteurer, ein Rennfah­ benszeichen über den Ozean -und dann rer, von ihm hat man nichts mehr gehört. Er nie wieder. So galt er als verschollen. ist wahrscheinlich untergegangen. Der an­ Die Geschichte des heimatlichen Hofes dere betrieb die Brauerei des Vaters weiter, nach Matthias Klausmanns Kenntnis durfte aber durfte nicht stillstehen. Von Hamburg zurückgekehrt, übernahm Fridolin Klaus­ er weiterhin Leichtbier brauen. Er kam nach mann am 28. September 1893 den „Hof“, dem Zweiten Weltkrieg nach München, heiratete am 2. Oktober 1893 Apollonia kaufte dort eine komplette Brauereiausstat­ Dieterle vom Alpirsbachhof (Schonach) tung, weil die alte völlig verrostet war, und und widmete sich in nimmermüder Weise ließ sie nach Amerika schaffen. Seither ist 167

Auswanderung vom ,Hof“ der „Heimat“. Er schloß sich der Auffor­ stungswelle der damaligen Zeit an, hatte in 6 Jahren eine Fläche von 35 ha Weidfeld an­ gepflanzt, er legte damit den Grund für den Holzreichtum seines Hofes bis zur Gegen­ wart, mußte aber 1899 einen schweren Schicksalsschlag verkraften, ein Blitz äscher­ te eines Sonntagabends im August den Hof ein, mit 14 000 Mark von der Versicherung baute er ihn an der jetzigen Stelle wesentlich kleiner wieder auf, hatte in den zwanziger Jahren mit dem Problem zu kämpfen, das Holz aus dem Wald zu bringen, weil die Nachbarn Schwierigkeiten machten, die Ehefrau in jungen Jahren starb und die Kin­ der noch klein waren. Da verleidete ihm al­ les, er dachte ans Verkaufen, hatte auch schon einen Interessenten, das Sägewerk Katz und Klumpp (Mannheim), aber der Oberamtmann in Triberg redete es ihm wie­ der aus. Er stieß noch einen Großteil des Seelenwaldes, das auch ein steiles Stück im Geißloch umfaßte (36 ha) ab, dabei beließ er es. Der Hof blieb erhalten und der jahr­ hundertelang gleiche Name auf dem „Hof“ auch. Karl Volk Q!,cllen: Erzählungen von Matthias und Anton Klausmann Literatur: Emö Deak: Die Auswanderung – eine Massenbewegung in: Das Zeitalter Kaiser Franz Josephs 2. Teil 1880- 1916, Glanz und Elend, Beiträge, Schloß Grafenegg 9. Mai – 26. Okto­ ber 1987 Niederösterreichische Landesausstellung, S. 25 ff. Propyläen Geschichte Europas Bd. V, TI1eodor Schieder: Das europäische Staatensystem als Vormacht der Welt 1848 – 1918 o.J. S. 169 ff. Franz Schnabel: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahr­ hundert III. Band Erfahrungswissenschaft und Technik, Frei­ burg 1954, S. 358 ff. Klaus Dade: Die .Gastarbeiter“ des Kaiserreichs – oder: Vom Auswanderungsland des 19. Jahrhunderts zum ,Einwan­ derungsland Bundesrepublik“ in: Geschichte in Wissen­ schaft und Unterrid1t, 2, 1982, S. 79 ff. ,,Morgennebel am Blindensee‘: Aquarell von Herbert Böhm. 168

Adolf Heer, ein fast vergessener Bildhauer Ein Beitrag aus Anlaß des 100. Todestages des gebürtigen Vihrenbachers Ge chichte Am 29. März 1998jährt sich zum 100. Ma­ le der Todestag von Adolf Heer. Er ent­ stammt einer angesehenen Vöhrenbacher Bürgerfamilie, deren Namen seit 1688 in den Kirchenbüchern zu finden ist. Im Jahre 1808 gründete der Bildhauer Fi­ del Heer (1781-1862) in Vöhrenbach eine Bildhauerwerkstatt, die seine Söhne Josef Heer (1819-1891) und Carl Heer (1821- 1911) unter dem Namen Gebr. Heer weiter­ führten. Beide Söhne erhielten ihre künstle­ rische Ausbildung in München bei Hof­ bildhauer Ludwig von Schwanthaler (Bavaria, Walhalla). Am 13. Septem­ ber 1849 wurde Adolf Heer in Vöhrenbach als Sohn des Bildhauers Josef Heer, dessen Name über die Heimat hinaus bekannt war, geboren. Schon sehr früh erkannte der Vater die künstlerische Begabung sei­ nes Sohnes und erteilte ihm die ersten Anleitungen im Zeichnen und Modellie­ ren. Während der Lehrzeit Adolfs in der väterlichen Werkstatt half ihm der mit der Familie Heer befreunde­ te Arzt Dr. Constantin Merz, seine Kenntnisse in der Kul- tur- und Kunstgeschichte zu erweitern. Um sich weiterzubil­ den, besuchte Adolf Heer von 1868 bis 1871 die neu errichtete und von Direktor Kre­ ling geleitete Kunstge­ werbeschule in Nürn­ berg, an der er sich den ornamentalen, archi­ tektonischen und pla­ stischen Studien wid- mete. Nach Ablauf der Studien gab Kreling dem außergewöhnlich begabten Schüler den Rat, sich der monumentalen Bildhaue­ rei zuzuwenden und die Studien und prak­ tischen Arbeiten in einem Meisteratelier in Berlin oder Dresden fortzusetzen. Heer ent­ schied sich für Berlin, wo er in den Werk­ stätten der Bildhauer Calandrelli und Sie­ mering von 1871 bis 1873 Aufuahme und vielfältige Arbeit fand und nebenbei auch die Kunstakademie besuchen konnte. Bald erhielt Heer von Prof. Adolf Brey­ mann in Dresden das Angebot, ihm bei monumentalen Arbeiten behilflich zu sein. Unter anderem war er an der Herstellung der zwei Engelsfiguren beteiligt, die im Auftrag der engli- schen Königin Victoria für das Mau­ soleum ihres Prinzgemahls Albert von Sachsen-Coburg-Gotha in W indsor an- gefertigt wurden. Die Arbeiten in Berlin und Dresden (1873-1875) im klassischen Stil prägten Heers späteres Schaffen. Heers Aufenthalt in Rom (1877-1880) Die Mitarbeit an den En­ gelsfiguren verhalfen Heer zu seiner ersten großen selb­ ständigen Arbeit und zu ei­ nem Aufenthalt in Italien, zumeist in Rom. Der kunst- liebende Fürst Carl Egon III. von Fürstenberg von den Engelsfiguren in W indsor unterrichtet, bestellte bei Heer zwei ähnliche überlebens­ große Engelsfiguren (Engel des Todes und Bildhauer Ado!f Heer (1849-1898} 169

Ge chichte „Die Baar deutet ihrer jungen Tochter- der Donau – den Weg in die Ferne“; Donauquellen-Denkmal von Adolf Heer im Donaueschinger Schloßpark. und fanden die Anerkennung vieler ausländischer Künstler, wodurch Heers Name der Fach­ welt bekannt wurde. Da Heers Arbeit auch zur Zufriedenheit des Bestellers ausgefallen war, erteilte ihm sein fürstlicher Gönner einen neuen Auftrag: die Figurengruppe „Die Baar deutet ihrer jungen Tochter – der Donau – den Weg in die Feme“. Dieses Werk stammt auch aus Heers römischer Schaffensperiode, wurde aber erst 1896 vollendet; es steht heute an der Donauquelle im fürstlichen Schloßpark in Do­ naueschingen. Am Ende seines Aufenthalts in Italien bewarb sich Heer um eine Lehrerstelle an der Kunstgewerbeschule in Karlsruhe, dessen Lehrkörper er erst als Lehrer und vom 1. Ju­ li 1881 an als etatmäßiger Pro­ fessor bis zu seinem Tode an­ gehörte. Heers Arbeiten in Karlsruhe Hier begann Heers zweite Schaffensperiode. Es eröffnete sich ihm ein reiches Betäti­ gungsfeld als Lehrer für den plastischen Unterricht wie als Künstler. Viele Arbeiten in und außerhalb von Karlsruhe zeu- gen von Heers unermüdlicher der Auferstehung) in carrarischem Marmor für die Fürstengruft Maria-Hof in Neudin­ gen bei Donaueschingen. Die Ausführung der Arbeit hatte in Rom zu geschehen. So bot sich Heer die seltene Gelegenheit, Itali­ en, das klassische Land der Kunst und die zahlreichen Kunstwerke der Antike kennen­ zulernen und seine künstlerische Ausbil­ dung zu vervollkommnen. Diese beiden Erstlingswerke wurden in Rom ausgestellt Schaffenskraft. Der reiche Bankier August Sehmieder ließ in Karlsruhe durch den Architekten und Oberbaudirektor Josef Durm eine Villa er­ bauen, um hier seinen Lebensabend zu verbringen. Durm erteilte Heer den Auftrag, 16 überlebensgroße Statuen, vier riesige At­ lanten, vier große allegorische Reliefs sowie zwei Medaillons (Frauenbildnisse) anzu­ fertigen. Dieser reiche architektonische 170

Schmuck an der Villa Sehmieder (seit 1899 Prinz-Max-Palais) ist wohl das bedeutendste Werk des damals erst 32jährigen Künstlers. In einem Bericht von 1886 steht: „Zu den reizendsten Bauten in Karlsruhe hat man je­ denfalls das Palais Sehmieder zu zählen, wo die bildhauerische Verzierung durch Heer in richtigem Verhältnis zur Architektur steht.“ Für den Figurenschmuck an der Kunsthalle in Karlsruhe schuf Heer die Sta­ tuen Holbein und Dürer sowie allegorische Werke. Diese Künstlerstatuen vertreten nicht mehr die italienische, sondern die deutsche Kunst. Im Jahre 1888 schrieb die Stadt Karlsruhe einen Wettbewerb aus zur Errichtung eines Denkmals für den Dichter JosefViktor von Scheffel. Obwohl Heer für sein Modell der erste Preis zugesprochen wurde, erhielt er den Auftrag nicht. Zu gleicher Zeit plante man auch in Heidelberg, ein Scheffel-Denk­ mal zu erstellen. Durch eine namhafte Spen­ de des Malers W ilhelm Klose konnte das Heidelberger Scheffel-Komitee den Entwurf Heers erwerben und ihn mit der Ausführung des Denkmals beauftragen. Das Scheffel­ Denkmal auf der Schloßterrasse in Heidel­ berg stellt den Dichter als Wanderer im Rei­ segewand vor. Im Zweiten Weltkrieg mußte das Denkmal zur Rohstoffgewinnung abge­ liefert werden. Das Grabmal von Josef Viktor von Schef­ fel auf dem Karlsruher Friedhof (Bronzere­ lief), zwei eherne Figuren (Wissenschaft und Fama) für die Aula der Universität Heidel­ berg, die Sandsteinfiguren am Heidelberger Rathaus und die Büste des Literaturhistori­ kers Gervinus (1805-1871) auf dem Berg­ friedhof in Heidelberg stammen ebenfalls aus Heers Atelier. Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal Dieses Standbild, eine überlebensgroße Reiterfigur, wird vielfach als das größte Werk Heers bezeichnet, das ihm den Ruf eines Künstlers ersten Ranges verschaffte. Es wur- Adolf Heer Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Karlsruhe. de auf dem Kaiserplatz am ehemaligen Mühlburger Tor errichtet und am 18. Okto­ ber 1897 enthüllt. Anwesend waren alle Mit­ glieder der großherzoglichen Familie, ein Vertreter der Kaisers – er selbst besichtigte es drei Tage später – der Behörden, der Stadt Karlsruhe und viele Ehrengäste. Auch in diesem Werk erweist sich Heer wie in seinen 171

Adolf Heer anderen als Anhänger des Klassizis­ mus, wobei zeitbedingt ein patrio­ tisch-pathetischer Einschlag nicht zu übersehen ist. Dieses Werk war Heers letzte große Arbeit. Weitere Werke Heers, die aber nicht mehr erhalten sind: die allegorische Figurengruppe „Festesfreude und Ruhm“ am Nordportal der Festhalle in Karlsruhe (durch Bomben zer­ stört), der Figurenschmuck am Kaise­ rin-Augusta-Bad in Baden-Baden (ab­ gerissen) und das Kaiser-Wilhelm­ Denkmal in Osnabrück (abgeliefert zur Rohstoffgewinnung). Die letzten Monate Den Anstrengungen jahrelangen an­ gestrengten Schaffens war Heers schwache Gesundheit nicht gewach­ sen. Ein Lungenleiden kam zum Aus­ bruch. Heer suchte Heilung im mil­ den Klima Italiens. Doch der Aufent­ halt in Rom brachte nicht die erhoff­ te Genesung. Vielmehr überfiel ihn bald nach seiner Ankunft ein Mala­ riafieber. Schwer erkrankt kehrte er nach Karlsruhe zurück, wo ihn nach wenigen Wochen eine Lungenentzündung dahinraffte. Er starb am 29. März 1898 im Alter von nur 49 Jahren. Auf dem Höhe­ punkt seines künstlerischen Schaffens wur­ de Heer abberufen, der lehrend und schaf­ fend noch Bedeutendes hätte leisten kön­ nen. Heer war nicht verheiratet. An seinem Grabe trauerten seine Ge­ schwister, Freunde, viele Schüler und Ver­ ehrer seiner Kunst sowie die Angehörigen der großherzoglichen Familie. Heer ruhte bis zum Jahre 1976 auf dem Karlsruher Friedhof an der Seite seines Freundes, des Malers Rudolf Gleichauf von Hüfingen. Der Maler Wilhelm Klose, Heers Freund, ließ beiden Künstlern ein schönes Denkmal er­ richten. Heute steht das Grabmal mit den Medaillons der beiden Künstler auf dem 172 „Der Engel des Todes“ in der Fürstengruft Maria Hof in Neudingen gilt als erstes Werk des Vöhrenbacher Bild­ hauers Prof Ado!f Heer. Friedhof von Hüfingen. Adolf Heer war zweifellos ein gottbegnadeter Künstler; sein ganzer Werdegang prädestinierte ihn zum Bekenner jener klassischen Richtung, welche die Wurzeln ihrer Kraft im Nährboden der großen Kulturzentren des Altertums findet. Er hielt mit Zähigkeit, die dem Schwarzwäl­ der eigen zu sein pflegt, an seinem Ideal fest und hatte dabei immer den Triumph, daß selbst die Widersacher seiner künstlerischen Anschauungsweise anerkennend,· bewun­ dernd vor seinen Schöpfungen standen. Erich Willmann, Bernhard Kleiser

Lucian Reich und seine kleine Hüfinger Welt Über die Wechselwirkungen zwischen Heimat und Schaffen im Werk des Malers und Dichters Geschichte Es war der große Jean Paul, der in seiner „Selberlebensbeschreibung“ schrieb: „Lasse sich doch kein Dichter in einer Hauptstadt gebären oder erziehen, sondern womöglich in einem Dorfe, höchstens in einem Städt­ chen.“ 1 (Er selber war in Wunsiedel geboren worden.) Lucian Reich scheint diesen hin­ tersinnigen Rat seines Lieblingsdichters be­ folgt zu haben: er kam am 26. Februar 1817 in Hüfingen zur Welt. Und es steht fest, daß er ohne dieses Städtchen nichts oder etwas ganz anderes geworden wäre. Hüfingen war klein, überschaubar, voller anschaulicher Einzelzüge. Yor den Häusern standen plaudernde Männergruppen, den frühen Feierabend in behaglicher Ruhe ge­ nießend, und an Bach und Brunnen waren noch fleißige Hände mit Waschen und Put­ zen beschäftigt. Aber die Kinder, welche bis­ her vor dem Rathause, um die hohe, mit ei­ sernem Geländer versehene Freitreppe, ihr lärmendes Wesen getrieben, hatten sich, nachdem die Betglocke angezogen, gebüh­ rendermaßen schon von der Gasse entfernt. Das steinerne, mit Blumen bekränzte Mut­ tergottesbild auf dem Stadtbrunnen sah ernst und schweigend herab auf den Platz, wo um den Brunnen die Knechte und Bu­ ben ihre Rosse tränkten.“2 So schrieb Reich in seinem Hauptwerk, dem „Hieronymus“. Wenn man seine Worte liest, sieht man Bil­ der vor sich; diejenigen, die er selber seinem Buch beigegeben hat, oder auch solche von Zeitgenossen wie Ludwig Richter, Carl Spitzweg oder Moritz von Schwind (mit dem Reich einst den Schwarzwald, die Baar und den Hegau durchstreifte und dem er bei der Ausmalung der Karlsruher Kunsthalle zur Hand ging). Hüfingen war eine kleine Welt und eine Welt auch für die Kleinen. Den Kindern fehlte es nicht an Raum zum Spiel und nicht Lucian Reich an Zeit (bis die besagte Betglocke sie nach Hause rief). Noch im Alter wußte Reich ge­ nau, wie diese Spiele alle hießen – Haber­ fassen und Messerspicken, Humaußen und Eckballen, Bruckspringen und Geißhüten und Steindechseln und so weiter; und eben­ so genau wußte er noch, wie er und seines­ gleichen einst auszogen, um „im Wolfbühl oder am Hölenstein eine Meisenhütte zu er­ richten, Palmenreis zu holen, im Frührot ei­ nes ahnungsvoll verschleierten Herbstrnor­ gens mit Klebruten und Lockvogel auszu­ ziehen, im Feld ein Wurzelfeuer anzufa­ chen, Erdäpfel in der Glut zu braten und nebenher Cigarren, d. h. dürre Hanfstengel zu rauchen.“3 Hüfingen war eine kleine, aber dennoch 173

Gescbid,1 Der Hiifinger Stadttunn, Zeichnung von lucian Reich, dem ‚kizzenbuch entnommen. keine heile Welt; die Abendsonne, die diese Stadt beschien, warf auch tiefe Schatten, und am Horizont zogen zuweilen schwarze Wolken auf Am Rand der bürgerlichen und bäuerlichen Ge ellschaft, die Reich so schön beschrieb, trieb sich allerlei land-, recht- und gesetzloses Gesindel herum, das er (z.B. im 15. Kapitel des „Hieronymus“) ebenfalls be­ schrieb. Und er wußte Bescheid, aud, weil ein Großvater Schelble als Vorsteher des fürstenbergischen Zuchthauses zu Hüfingen amtierte. eine Großmutter wohnte übri­ gens im Henkerhaus nahe am Galgenberg, und seine Kindsmagd, die einst des Mordes an ihrem ungeliebten Gatten überführt wor­ den war, hatte draußen auf dem Hexenplatz, der alten Richtstätte, schon auf dem Richt­ stuhl gesessen und auf den Schwertstreich des Henkers gewartet, als dann dod1 nod1 Gnade vor Red1t erging. Auch dies gehörte 174 zur sogenannten guten alten Zeit, in der Reich lebte. Hüfingen war eine kleine, überschaubare Welt; und dennoch ragte die große in sie hinein. Das Hüfinger Schloß muß dem jun­ gen Reich wie eines aus dem Märchen er­ schienen sein; denn in ihm standen die „ge­ schnitzten und gepol terten Sessel und Lehnstühle, die verschnörkelten, mit far­ bigem Holze künstlich eingelegten Kom­ moden und Kästchen“4, die er noch im ,,Hieronymus“ beschrieb; und an den Wän­ den hingen die „lebensgroßen, in Oel gemalten Ahnenbilder de erlauchten Fürstenhauses in ihren kriegerischen Rü­ stungen und verschiedenartigen Ordensge­ wändern“ 5 und viele Bilder mit kriegeri­ schen, jagdlid1en und biblisd1en Motiven. Doch das schönste Zimmer zeigte man zu­ letzt: ,,Gleich beim Eintritt fielen die Augen auf einige Pudel, Truthähne und Pfauen, welche auf einer freistehenden Kommode aßen, denn sie waren aus verschiedenen Schnecken und Muscheln so natürlid1 nad1- gebildet, daß man fast davor erschrak. In ähnlicher Weise waren an den Wänden pos- ierliche Affen und häßli he Waldteufel, grimmig blickende Tiger und Löwen in al­ lerlei Positur zu sehen; sodann wieder ganze Landschaften, Städte, Burgen und Seehäfen, aus Rinde, Moos und Korallen, w1d weil ,,curios das Aug und menschliche Gemü­ tl,er“ so präsentierten sich dazwischen far­ bige Zwerge, Bettler und Mißgeburten, Kohl- und Salatstöcke, von feinstem, glän­ zendstem Porzellan.“6 Ein Kuriositäten­ kabinett, eine fürstliche Kunstkammer mit­ ten im bürgerlichen Städtchen – das war auch ein bildendes, bleibendes Erlebnis.7 In seinen späten autobiographischen Auf­ zeichnungen hat Reich die e Erinnerungen nod1mals erneuert und erweitert; sie waren ihm wichtig, und er wußte wohl warum. „Von nid1t zu unterschätzender Bedeutung für die kleine Stadt war das fürstliche Schloß mit seinem schönen Garten und den Kunst­ und Naturmerkwürdigkeiten im „Kabinet“.

Lucian Reich und Hüfingen Hüfingen zur Z,eit des Lucian Reich, immer wieder drehte sich das Schaffen um diese kleine, überschau­ bare Welt, deren Abbild der Hiifinger Künstler unzählige Male festgehalten hat. Was es da zu betrachten und zu bewundern gab, machte auf mich einen lebendigeren und nachhaltigeren Eindruck als das, was wir bald nachher von Sammlungen, wissen­ schaftlich geordnet, klassifiziert und katalo­ gisiert, zu sehen bekamen. Und dasselbe möchte ich auch von andern Jugenderinne­ rungen sagen, z. B. von den Schlittenfahr­ ten, welche die Herrschaften oft an schönen Wintertagen hierher machten, in den phan­ tastisch gestalteten Schlitten aus der Zeit des Rokoko. Diana mit dem Hirsch, Neptun das Walroß lenkend, Löwen und anderes Gebil­ de zeigend. Abends sahen wir das Schloß dann erleuchtet, im Saale gegen den Hof zu ertönte Musik zu improvisierten Tänzen, und die bei Fackelschein bewerkstelligte Rückfahrt ließ uns den Zug erst recht im ro­ mantisch märchenhaften Lichte erschei­ nen.“ 8 Das war eben eine andere Welt, die hier aufschien. Der kluge Graf Kessler schrieb einmal, die vielen Residenzen hätten „gewiß viel Gutes getan für die allgemeine Bildung in Deutschland“ 9, sie hätten „die Kultur geför­ dert, aber den Menschen gebrochen“10. In nächster Nähe der Fürstenthrone konnte kein Bürgerstolz gedeihen. Auch Reich hat seiner „Hochfürstlichen Durchlaucht“, dem damaligen Fürsten zu Fürstenberg, sein Hauptwerk „in tiefster Ehrfurcht“ gewid­ met. 11 Wenn ihm dafür nur die Förderung zuteil geworden wäre, die er gebraucht hät­ te, um sich entfalten zu können! ,,0, sie war eine Künstlerin, die ihresgleichen gesucht hat. Bei richtiger Anleitung hätte sie es ge­ wiß auch in der größern Welt zu etwas ge­ bracht. Aber so fehlt es eben manchem Bäumlein im schattigen Wald an Licht und Luft, emporzuwachsen.“ 12 So sagt bei Reich ein Mann über seine früh verstorbene Frau, die Uhrenschilder malte -er hätte es über Reich selber sagen können. Es wurde ja schon viel aus ihm, aber längst nicht so viel, wie aus ihm hätte werden können. Hüfin­ gen steht für seine Größe und auch für sei­ ne Grenze. Aber ohne Hüfingen wäre er gar nichts oder etwas ganz anderes geworden; hier hat er zuerst die Augen geöffnet, die Stifte ge­ spitzt und die Farben gemischt. Und da er nicht nur ein Zeichner und ein Maler, son­ dern auch ein Dichter werden sollte, muß­ ten auch seine sonstigen Sinne geöffnet wer­ den, mußte er nicht nur sehen, sondern 175 Vom Öffnen der Sinne

Lucian Reich und Hüfingen 1 :i;J;h/ ‚t‘ � -9?1 . … ‚1t .. //1 Seite aus dem Skizzenbuch von Lucian Reich, das im Hüfinger Stadtmuseum ßi.r Kunst und Geschichte zu finden ist. /, ·–· auch hören, riechen, schmecken und fühlen lernen – und dies alles beschreiben, zur Sprache bringen lernen. Und wie sein did1terisches Schaffen auf je­ der Seite zeigt, lernte er es auch: ,,In der al­ ten Stadtmauer und auf den Vogelbeerbäu­ men am Stadtgraben schrieen und jagten sich die Spatzen wie im tollen Gaudium über den schönen Tag. Red1ts floß die Breg so ruhig und tiJI hinter der Stadt weg – als wolle sie ausruhen von ihrem ungestümen Lauf über Stock und Stein – die glatte Was­ serfläcl1e dampfte wie in Schweiß geraten. Weiter hinaus in der Baar in den Dörfern längs den blauen Wellenlinien des Heuber­ ges, welcher die rauchenden Morgennebel überragte, tönten die Morgenglocken – es war ein Festtag – herrlich weit und breit. In den Gärten unten an dem Stadtgraben stan­ den schon einige Hausväter betrachtend vor den Bienenkörben oder dem knospenden Tulpen- und Rosenflor, und auf der Straße von Donaueschingen her wanderten festlich gekleidete Leute, einzeln und in Gesell­ schaft gegen die Stadt.“ 13 Über Johann Peter Hebel, den Reich lieb­ te, sagte Goethe: ,Jahres- und Tageszeiten gelingen dem Verfasser besonders. Hier 176 kommt ihm zugute, daß er ein vorzügliches Talent hat, die Ei­ gentümlichkeiten der Zustände zu fassen und zu schildern. Nicht allein das Sichtbare daran, son­ dern das Hörbare, Riechbare, Greifbare und die aus allen sinn­ lichen Eindrücken zusammen entspringende Empfindung weiß er sich zuzueignen und wieder­ zugeben.“ 14 Goethes Lob gilt auch für das, was Reich schrieb. Die Heimatstadt, die Reich formte, die ihn und seine Sinne in die beste Schule nahm, hieß Hüfingen. In ihr ist er am 2. Juli 1900 auch gestorben.15 Dr. Johannes Werner . 29. . 705-754; hier S. 716. I Jean Paul, Selberlcbensbcschreibung. In: J. P., Werke Bd. 3. 4. Aufl. München 1986, 2 Lucian Reich, Hieronymus. Lebensbilder aus der Saar und dem Schwarzwalde. Karlruhe 1853, 3 Lucian Reich, Blätter aus meinem Denkbuch. In: Schrif­ ten des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Saar und der angrenzenden L1nde teile in Donaueschingen 9 (1896), S. 89-136; hier S. 97. 4 Reid,, Hieronymus S. 33. 5 Ebd. 6 Ebd. S. 34. 7 Die im Schloß von Hüfingen verwahrten Sammlungen wurden 1870 nach Donaueschingen in das damals neu er­ baute Museum am Karlsplatz überführt; die von Reid1 er­ wähnten Gebilde aus Schnecken, Muscheln etc. sind fi-eilich nicht mehr aufzufinden (frdl. Mitteilg. von Georg Goerlipp, Fürst!. Fürstenberg. Ard1ivar, am 16.10. 96.) 8 Reich, Blätter S. 100 f. 9 Harry Graf Kessler, Tagebüd1er 1918-1937. Hrsg. von Wolfgang Pfeiffer-Belli. Frankfurt a. M. 1961, S. 392. 10 Ebd. l l Reich, Hieronymus (o. S.) 12 Lucian Reich, Wanderblüthen aus dem Gedenkbuche ei­ nes Malers. Karlsruhe 1855, 13 Reid,, Hieronymus S. 30. 14 Johann Wolfgang von Goetl,e, Rez.: Johann Peter Hebel, Alemannische Gedichte. In: J. W. G., Werke Bd. 12. Hrsg. von Erich Trunz. 11. Aun. München 1989, S. 261-266; hier s. 263. 15 Der Verfasser verweist insgesamt auf einen Vortrag, den er am 8.10. 1996 im Stadtmuseum Hüfingen gehalten hat und der demnächst im Druck erscheinen wird (,In sich und in allem perfekt“. Das literarische Werk von Lucian Reich). . 102.

10. Kapitel /Almanach 98 Museen im Schwarzwald· Baar · Kreis Das „Schwarze Tor“ in St. Georgen Ein sorgfältig restauriertes Bauernhaus erzählt vom Leben in alter Zeit Wenn mir Eich hit e weng verzelle, wa mir im Städtle mache welle mit em alde »Schwarze Dor“, konnt manchem des weng komisch vor. Wer denkt denn no an alde Zite, wenn om‘ s ganz Huus rom stehn Fabrike. Doch bsinnt mer se – un isch weng still, uff oamol konnt e ander Gfiehl, pletzlich -jo – do duet mef s merke: Des isch e Stickte »Ald-Sanderge’� Mit diesen Überlegungen wurde die Re­ staurierung des „Schwarzen Tors“ 1987 durch einen Förderverein, gegründet und geleitet von Helmut Diebe!, in Angriff ge­ nommen. Mit viel Liebe, in vielstündiger, uneigennütziger Arbeit, wurde das Haus in der Folge in seinen Urzustand gebracht. Das „Schwarze Tor“ wurde 1803 erbaut, nachdem das alte Gebäude zuvor durch Blitzschlag zerstört wurde. Die Besitzer wa­ ren Gottlieb und Anna Maria Lehmann. Im Lagebuch von St. Georgen sind Aufzeich­ nungen über ein Haus auf dem Platz des „schwarzen T hores“, wonach das Gebäude wahrscheinlich schon vor dem Jahre 1666 bestand. 1906 verkaufte Gottlieb Lehmann eine Hälfte des Hauses an Bäcker Philipp Haas für 850 Gulden, so daß es bis zur Re­ novierung zweigeteilt war. Ab 1912 gehörte das Anwesen der Firma Tobias Baeuerle, und wurde von dieser 1978 kostenlos an die Stadt St. Georgen weitergegeben. Von dieser Zeit an lag das Haus im Dornröschenschlaf, keiner wußte, was daraus werden sollte. 1986 endlich war die Erhaltung und damit Das „Schwarze Tor“ in St. Georgen wurde durch den eigens gegründeten Förderverein mit viel Liebe zum Detail in uneigennütziger Arbeit restauriert, sprich in seinen Urzustand versetzt. 177

Museen im Schwarzwald· ßaar · Krei Die Küche im „Schwarzen Tor“ ist die einzige original erhaltengebliebene Rauchküche der Region. die Zukunft des „Schwarzen Tores“ durch den gegründeten Förderverein gesichert. Man sah sich einer riesigen Aufgabe ge­ genübergestellt, sowohl arbeitsmäßig, als auch finanziell. Der Verein hatte jedoch in Helmut Diebe! einen unermüdlichen Motor – seine Devise: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! – Und der Erfolg sollte ihm rechtge­ ben. 1977 bereits wurde das „Schwarze Tor“ vom Landesdenkmalamt als schützenswert eingestuft, und somit wurden auch die Bau­ arbeiten auf das sorgfältigste überprüft. Ei­ ne genaue Vermessung und Bestandsauf­ nahme waren der erste Schritt. Jeder Stein, jeder Balken, jede Farbe wurde aufgezeich­ net, um den Originalzustand gesichert zu wissen. Es war für die „Bauarbeiter“ nicht die reinste Freude, das Haus erst einmal zu säubern, lOOjähriges Heu von der Tenne zu holen, den alten Stall auszuräumen, und das Unbrauchbare, das die verschiedenen Be- wohner der Nachkriegszeit hinterließen, beiseite zu schaffen. Das „Schwarze Tor“ ist kein Museum im üblichen Sinne, wo erhal­ tenswerte Dinge ausgestellt werden, sondern ein altes Schwarzwälder Bauernhaus in sei­ nem ursprünglichen Zustand, das in seinen Räumen das ganze bäuerliche Leben der da­ maligen Zeit widerspiegelt. Beginnen wir also unseren Rundgang und kommen zuerst in die Küche. Es ist in wei­ ter Umgebung wohl die einzige, noch origi­ nal erhaltene Schwarzwälder Rauchküche. Ohne Schornstein, leitete das Gewölbe (‚ s Gwelm), aus Sandstein, Stroh und Lehm hergestellt, den kalten Rauch in den Dach­ raum, wo er dann langsam durch das große Schindeldach abzog. Im Gewölbe hingen die Speckseiten, Schinken und Würste aus der Hausschlachtung, und das so langsam Geräucherte ergab die unverwechselbaren Delikatessen aus dem Schwarzwald. Den Boden der Küche bedecken die alten Sand- 178

Das .Schwarze Tor“ Zubehör. 1856 entstand in St. Georgen die Stroh- und Palmhutfabrik des Andreas Weißer, in welcher die geschickten Flechte­ rinnen -es mußte mit bis zu 800 Halmen gleichzeitig geflochten werden -die bis nach Amerika begehrten Panamahüte anfertig­ ten. Der Mittelpunkt des Schwarzwaldhauses ist die Stube mit ihrem großen Kachelofen. Sie war der einzige beheizbare Raum und aus diesem Grund Eß-, Aufenthalts-und Ar­ beitsraum zugleich. Die ersten Uhrmacher hatten hier auch ihre Drehbank aufgestellt. Der originelle Wandschrank enthält schöne Gläser, Dokumente, Geschenke und sicher auch ein „Kriesewässerle“ für den Besuch. Gehen wir jetzt eine Treppe höher und kommen in die Uhrenwerkstatt: Sie ist mit allem eingerichtet, was man zur Herstellung und Reparatur von Holzuhren und Mes­ singrädern benötigt. Werkbank, Dreh-und Zahnstuhl und viele Werkzeuge erzählen von der Kunstfertigkeit der damaligen Uhr­ macher. Gleich im Raum daneben hängen die typischen Schwarzwalduhren. Die Aus­ stellung im „Schwarzen Tor“ zeigt alle Ent­ wicklungsstufen der Räderuhren, von der einzeln angefertigten Holzräderuhr von 1730, bis zum industriell gefertigten „Ame- steinplatten. An der einen Wand steht der Schüttstein, ebenfalls aus Sandstein gehau­ en. Der gemauerte Herd wärmte zugleich ei­ ne Kachelwand im angrenzenden Zimmer, von wo der Rauch durch Züge in der hoh­ len Wand wieder in das Küchengewölbe zurückgeführt wurde. Durch das große Feu­ erloch in der linken Ecke heizte man mit Reisigwellen den großen Kachelofen in der Stube. Sonst war die Einrichtung mit klei­ nem Kasten, Wandborden und dem Tisch sehr spärlich, aber die vielen Gebrauchsge­ genstände des täglichen Bedarfs runden das Bild ab, wie die Bäuerin damals in der ruß­ geschwärzten, rauchigen Küche hantieren mußte. Jetzt betreten wir das Strohflechtzimmer. Schon 1740 wurde in St. Georgen Stroh ge­ flochten, um den kärglichen Verdienst etwas aufzubessern. Während einer großen Hun­ gersnot suchte die Stuttgarter Regierung nach einer Lösung, das Strohflechten etwas produktiver zu gestalten. So sandte man ei­ nen Herzog!. Rat in das Oberamt St. Geor­ gen, der anmahnte, „zwecks Ersparnis zur Backung eines Brods Erdbirn, weiße Rüben u. Kirbsen zu verwenden, an das Vieh Gin­ ster u. Thanen-Spitzen zu verfuttern.“ Er regte die Fertigung von Strohhüten an und, um alles in Gang zu bringen, wurde das Stroh unentgeltlich abgegeben und die fertigen Er­ zeugnisse in Form von Le­ bensmitteln abgegolten. 1797 kam es dann zur ersten Strohflechtschule. An den or­ dentlichen Unterricht wurden ein paar Stunden angehängt, und in der Schulstube, die aber „nicht sonders geheizt werden durfte“, Flechtunterricht gege­ ben. In unserem Zimmer hier sieht man die verschiedenen Flechterzeugnisse, Taschen in allen Formen und Größen, Strohschuhe, ein altes Muster- Das Strohflechtzimmer erinnert an ein Gewerbe, das sich far St. Ge­ buch und alles notwendige orgen bereitsfar die Zeit um 1740 nachweisen liißt. 179

Museen im Sd,warzwald-ßaar-Kreis Trachten der Raumschaft St. Georgen, darunter auch der prächtige St. Georgener Schäppel, und eine Uhrmacherwerkstatt (unten) sind im „Schwarzen Tor“gleichfalls zu bestaunen. 180

Das .Schwarze Tor“ rika-Werk“ von 1900. Dabei stellt eine signierte Originaluhr, welche mit Sicherheit von einem bekann­ ten St. Georgener Uhrmacher her­ gestellt wurde, eine besondere Ra­ rität dar, dürfte sie doch die älteste noch erhaltene Schwarzwalduhr sem. Jetzt kommen wir wieder in den Wohnbereich und befinden uns in der doch recht heimeligen „Kam­ mer“. Das große Himmelbett, die Kinder- und Puppenwagen, die schöne Truhe für Aussteuer und Leinen, und nicht zuletzt die schön bemalten Schränke, geben Das Schlafzimmer mit Kinderbett ist ebenso origi.nalgetreu re­ ein buntes Bild. Eine kleine Bo- konstruiert wie alle übrigen Räume im St. Georgener Heimat­ denluke, direkt über dem darun- museum. terliegenden Kachelofen, bringt ein wenig Wärme in die Kammer. Das anschließende Trachtenzimmer zeigt die St. Georgener Tracht in ihrer ganzen Vielfalt. Da ist der rote und der schwarze Bollenhut, das reichhaltige Zubehör zur „Hippe“ aus schönen Stoffen, Perlen und Glitzerzeug, und nicht zuletzt die Braut aus­ gestellt, die den St. Georgener Schäppel trägt. Dieser ist ein Prachtstück aus Glasper­ len und Spiegeln, bis zu 7 Pfund schwer. Kein Wunder, daß er von Generation zu Ge­ neration weitervererbt wird, er darf aber von der Frau an ihrem Hochzeitstag zum letzten Mal getragen werden. Jetzt werfen wir noch einen Blick auf den großen Speicher. Da ist zunächst auch der Raum des Uhrenschildmalers, wie er einmal in diesem Haus gearbeitet hat. Die fortlau­ fenden Beispiele erklären, wie zuerst aus Erdfarben und Kasein, dann über Kreide- Myrta Stieber grundierung, Gips und Leim in mehreren Schichten aufgetragen, am Ende die herrlich bemalten Holzschilder entstanden. Am be­ kanntesten ist wohl das Rosenmotiv. Auf dem Speicher finden auch viele landwirt­ schaftliche Arbeitsgeräte ihren Platz. Eine Küferwerkstatt, Faßdauben, die damals be­ gehrten Abfahrts- und Langlaufski, große Webstühle, Flachsbreche und vieles mehr, wecken das Interesse des Besuchers. Wenn man den Rundgang über eine Trep­ pe in das Erdgeschoß beendet, führt der Weg noch an einer großen Hausmahlmüh­ le mit vielen Funktionen vorbei, und in ei­ ner Ecke wird man in die Fertigkeit des Schindelspaltens eingeweiht. Zum Schluß erzählen die (Teucheln) ,,Diechele“ vom ehemaligen Wasserleitungsnetz in St. Geor­ gen. ,,Diechele“ sind zirka 6 Meter lange, aus gerade gewachsenen Kiefern ausgehöhlte Baumstämme. Mit einem „Diecheleboh­ rer“, 3,5 Meter lang, wurden die Stämme von zwei Seiten gleichzeitig durchbohrt, um sich in der Mitte zu treffen. Dann war das Leitungsrohr geglückt – eine ganz besonde­ re Handwerkskunst. Anschrift: Bahnhofstraße 37, 78112 St. Ge­ orgen (Tel. 07724/87194, Verkehrsamt) Öffnungszeiten: Mai – September, samstags 13 bis 16 Uhr. Okt.-Apr. 1. Samstag im Monat 13 – 16 Uhr. 181

Museen im Schwarzwald-Baar-Kreis Fassadenmalereien am Alten Rathaus Im Villinger Franziskanermuseum werden zwei wertvolle Entwürfe bewahrt Das Franziskanermuseum in Villingen­ Schwenningen bewahrt zwei großformatige Aquarelle, die beide die Fassade des Alten Rathauses in Villingen zeigen, jedoch mit ei­ ner jeweils völlig unterschiedlichen Bema­ lung. Beide sind etwa gleichzeitig entstan­ den. Die Geschichte ihrer Entstehung soll hier erzählt werden. Sie entpuppen sich da­ bei als wichtige Qiellen zum politischen Selbstverständnis der Stadt Villingen. Doch nicht nur deshalb werden sie hier vorge­ stellt. Im Rahmen der Vorbereitungen zur Feier der lOOOjährigen Wiederkehr der Ver­ leihung des Marktrechtes gibt es Bestrebun­ gen, die Fassade des Alten Rathauses wieder neu zu bemalen. Die früheren Fassungen gewinnen so neue Aktualität, zumal eines der beiden Aquarelle sogar als Vorlage für ei­ ne Rekonstruktion in die Diskussion ge­ bracht worden ist. Das Alte Rathaus in Villingen ist eine Ge­ bäudegruppe, deren älteste Bestandteile aus dem 13. Jahrhundert stammen. Das äußere Erscheinungsbild wird geprägt durch eine repräsentative Fassade zum Münsterplatz hin, die spätestens seit dem 18. Jahrhundert bemalt war. Nachdem das Gebäude 1876 zur städtischen Altertümersammlung um­ genutzt wurde, war man bestrebt, die alte, offensichtlich nur noch in Spuren vorhan­ dene Bemalung zu erneuern. 1892 setzte der Gemeinderat eine Kommission zur Restau­ rierung der Fassade ein. Im Zuge der nun folgenden konkreten Pla­ nungen legte der Malermeister Albert Säger 1893 eine „nach den vorhandenen Überre­ sten“ erstellte Rekonstruktion der Fassade des 18. Jahrhunderts vor (Abb. 1). Das Ge­ bäude wird mit gemalten Eckquadern dar­ gestellt, den Treppengiebel akzentuiert ein Band aus flachen Segmentbögen über Kon- 182 solen, die Fenster sind durch Pilaster und Gesimse verziert sowie von Vasen und Bü­ sten bekrönt. In der Giebelzone befinden sich links das österreichische, rechts das Vil­ linger Wappen und als zentraler Abschluß der doppelköpfige Reichsadler, der zusätz­ lich von einer auf die Habsburger-Dynastie verweisenden Kette des Ordens vom Gol­ denen Vlies umgeben wird. Zwischen den Fenstern des Obergeschosses thront in einer gemalten Nische die Personifikation der Ge­ rechtigkeit mit Waage und Schwert in den Händen sowie den mosaischen Gesetzesta­ feln in einem muschelförmigen Baldachin. Dieser Hinweis auf die Gerichtsbarkeit steht ganz in der Tradition von Rathausausstat­ tungen seit dem Mittelalter. Das eigene Stadtrecht und die Ausübung der Gerichts­ barkeit waren die wichtigsten Privilegien der vom Reich bzw. vom Landesherren garan­ tierten städtischen Freiheit. Albert Sägers Rekonstruktion mit Kruzifix und Balkon Sägers Rekonstruktion weist darüber hin­ aus eine interessante Besonderheit auf: Über dem Fensterband des Ratssaales verläuft ei­ ne gemalte Balustrade mit einem vorsprin­ genden mittleren Balkon. Ein Verkündi­ gungsbalkon ist im südwestdeutschen Rat­ hausbau des 18. Jahrhunderts nicht ohne Parallele. In Villingen jedoch kann von hier aus niemand ein Urteil verkünden, denn statt eines Fensters erhebt sich über dem Bal­ kon in einer altarartigen Rahmung aus stuckierten Vollsäulen ein Kruzifix vor ei­ nem Landschaftshintergrund. Der Balkon wird durch eine Stoffdraperie wie ein Altar verziert und erhält eine Inschrift: ,,Non iu­ dices contra iudicem.“ (,,Du mögest nicht

Fas adenmalerei gegen den Richter urtei­ len.“) Eine weitere Inschrift­ tafel vermittelt in der Ge­ simszone über dem Kruzi­ fix zur darüber befindlichen Personifikation der Gerech­ tigkeit: „Diligite Iustitiam“, zu ergänzen ist: „non tem­ nite divos“ also: ,,Achte die Gerechtigkeit hoch und ver­ achte Gott nicht.“ Die In­ schriften beziehen also Christus in das Gerechtig­ keitsprogramm mit ein. Christus ist aber nicht -wie allgemein in Rathäusern üblich -als Weltenrichter dargestellt, sondern am Kreuz auf einer Art Altar. In einer 1887 verfaßten Be­ schreibung der Bemalungs­ reste wird dieses Detail mit der üblichen Rechtspraxis erklärt: ,,ein Cruzifix, wie solches bei Eidesabnahmen üblich“. Die gesamte Rat­ hausfassade bekommt so den Charakter eines monu­ mentalen moralischen Ap­ pells an die gesamte Bürger­ schaft: Die Aufforderung „Achte die Gerechtigkeit hoch!“ wird zusätzlich durch eine immerwährende Eidesleistung des „So wahr mir Gott helfe“ christlich verstärkt. Die Rekonstruktion der al­ ten Fassadenbemalung wur­ de jedoch nicht realisiert. Daß die Kommission sich dazu nicht entschließen konnte, lag wahrscheinlich daran, daß der gesamte Erdgeschoßbereich fehlte und der junge Malermeister auch ei­ nige künstlerische Unbeholfenheiten offen­ barte. Das ganz auf die Gerichtsfunktion des Abb. 1: Albert Säger, ,,Facade des Alten Rathhauses zu Villingen im 18. Jahrhundert‘: 1893 (Franziskanermuseum Villingen-Schwennin­ gen, lnv.-Nr. 12560) Rates abgestimmte Programm paßte aber auch nicht mehr zum längst als Museum ge­ nutzten Gebäude dahinter. Noch entschei­ dender dürfte gewesen sein, daß die alten 183

Museen im Schwarzwald-Baar·Kreis protokoll die Rekonstruktion Albert Sägers zwar scheinbar als Grundlage der Neufas­ sung anerkannt, in Wahrheit aber ein ganz anderes histori­ stisches Programm festgelegt: Neu hinzu kommen sollten Darstellungen der Kaiser Ot­ to III., Rudolf 1. und Maxi­ milian I., des Herzogs Alb­ recht von Österreich, des Grafen Egino von Fürsten­ berg sowie der „geborenen Villinger“ Matthäus Hum­ mel, Georg Pictorius, Trud­ pert Neugart und Hans Kraut. Weiterhin sollten auch Berthold III. und Berthold IV.von Zähringen aufgemalt werden, ,,welche die Gründer der Stadt sind“. Karl Eyth und seine Gruppe der drei Kaiser Auf dieser inhaltlichen Grundlage bat man im März des selben Jahres den Profes­ sor für dekorative Malerei an der Karlsruher Kunstgewer­ beschule Karl Eyth um die Herstellung eines Entwurfs, den Eyth im August 1894 nach Villingen schickte (Abb. 2). Dessen dominierendes Zentrum ist die Gruppe der drei Kaiser. Rudolf!. und Ma­ ximilian I. stehen überlebens­ groß auf einem monumenta- len Sockel, den ihnen die Stadt Villingen bereitet: In der optisch zu­ sammengefaßten Zone aus Erdgeschoß und Fensterband des Ratssaales im ersten Ober­ geschoß, die im Zentrum das Villinger Wap­ pen aufnimmt, sind in engen, wie Kellerge­ wölbe wirkenden Rundbögen die lokalen Gelehrten und Künstler Hummel, Pictorius, Abb. 2: Karl Eyth, ,,Entwurf zur Bemalung der Rathhausfassade in Villingen ‚: 18 9 4 (Franziskanermuseum Villingen -Schwenningen, Jnv.-Nr. 12561) städtischen Freiheiten seit 1806 endgültig verloren gegangen waren und Villingen nun eine politisch relativ unselbständige Kom­ mune innerhalb des badischen Staates ge­ worden war. Folglich galt es, für die Fassade neue, zeitgemäße Inhalte zu finden. Am 6. Januar 1894 wurde in einem Besprechungs- 184

Kraut und Neugart eingezwängt. So betreibt der Entwurf einen ausgesprochen untertäni­ gen Kaiserkult, während die mittelalterli­ chen Landesherren Berthold III. und Egino von Fürstenberg bewußt an den Rand ge­ drängt und dort in Ornarnentgrotesken fast versteckt werden. Das entspricht der offiziellen, auch in Vil­ lingen geteilten, wilhelminisch-bürgerlichen Sicht auf die Geschichte: Die historischen Kaiser wurden ebenso als Garanten der bür­ gerlichen Freiheiten gesehen wie der aktuel­ le, während die Feudalherren des Mittelal­ ters tendenziell als despotisch verschrien waren. Das Bürgertum feierte so seinen ak­ tuellen Kompromiß mit dem preußisch do­ minierten, obrigkeitsstaatlichen Kaiserreich in historischer Verkleidung. In den Städten des Spätmittelalters und der frühen Renais­ sance mit Nürnberg als der „Stadt der Städ­ te“ erblickte das in seiner politischen Mit­ bestimmung auf die kommunale Selbstver­ waltung beschränkte Bürgertum das leuch­ tende Vorbild. Dem entspricht auch der ,,Übergangsstil der Spätgotik zur Renais­ sance“, den der Künstler für seinen Entwurf wählte. In Villingen konnte man mit dieser Sichtweise mühelos die Erinnerung an die große vorderösterreichische Zeit verbinden, da die Habsburger zugleich auch Landes­ herren waren. So sind die beiden Habsbur­ ger Kaiser die eindeutig dominierenden Fi­ guren des Arrangements, während Otto III. nur in Halbfigur erscheint. Gegenüber soviel Geschichte „großer Männer“ in hierarchisch strenger Über-und Unterordnung geriet die Funktion des Ge­ bäudes zur Marginalie. Vom alles beherr­ schenden Gerechtigkeitsthema ist links ne­ ben dem Fensterband des 1. Obergeschosses lediglich ein Putto mit Schwert und Gesetz­ buch übriggeblieben, der mit ,Justitia“ be­ schriftet wird, während rechts ein weibliches Pendant mit Kunkel und Kachelofen sowie der Unterschrift: ,,Am guten Alten / In Treue halten“ auf die aktuelle Funktion des Gebäudes als Ausstellungsort der Altertü- Fassadenmalerei mersammlung hinweisen soll. An dieser merkwürdigen Allegorie des Heimatmu­ seums zeigt sich die inhaltlich diffuse Dar­ bietung von Geschichte im Historismus am Ende des 19. Jahrhunderts. Die konkreten Zeugnisse der Villinger Geschichte werden von der politisch motivierten Dokumenta­ tion der Kaisertreue an den Rand gedrängt und als dekorative Unverbindlichkeiten prä­ sentiert. Der Entwurf Karl Eyths wurde mit eini­ gen gravierenden Veränderungen ausge­ führt. Der im Sommer 1895 realisierten Fas­ sadenbemalung war jedoch keine lange Dauer beschieden. Schon bald zeigten sich Schäden. Seit 1928 ist sie durch den seither bestehenden nüchternen einfarbigen An­ strich ersetzt. Überraschend hat eine Grup­ pe von Bürgern der Stadt nun vorgeschla­ gen, den Fassadenentwurf von Karl Eyth zu rekonstruieren und das Alte Rathaus wieder im kaiserzeitlichen Glanz erstrahlen zu las­ sen. Dieses Projekt stößt jedoch nicht nur auf praktische Schwierigkeiten, weil das er­ haltene Aquarell keineswegs mit der ausge­ führten Version identisch ist. Ein ganz aus dem politischen Geist des späten 19. Jahr­ hunderts entwickeltes Geschichts-und Ge­ sellschaftsbild vermag auch kaum den Weg ins nächste Jahrtausend zu weisen. Die Ge­ schichte der beiden Aquarelle zeigt, daß man vor gut hundert Jahren erkannt hatte, wie sehr neue politische und gesellschaftli­ che Verhältnisse nach einer neuen und ei­ genständigen künstlerischen Gestaltung ver­ langen. Anschrift: Rietgasse 2, 78050 VS-Villingen, Tel. 07721/82-2352. Öffnungszeiten: Dienstag -Freitag 10 -12 Uhr, Dienstag, Donnerstag -Samstag 14 -17 Uhr, Mittwoch 14 -20 Uhr. An Sonn-und Feiertagen 13 -17 Uhr. 185 Dr. Michael Hütt

Mu eo im Schwarzwald· Baar·Kreis Europas größte Drehorgelsammlung Der Telefonanruf eines Waldkircher Dreh­ orgelspezialisten und das rasche Handeln von Museumsleiter Werner Oppelt (Bild rechts) bescherten dem Schwarzwaldmu­ seum Triberg eine einmalige Spende: Über 100 Drehorgeln und andere kostbare Stücke aus der Sammlung des Berliners Kurt Nie­ muth sind in den Besitz des Museums ge­ langt. Wert der einmaligen Sammlung: 2,5 Millionen Mark. Größtes Exponat der Nie­ muth-Sammlung ist die Zirkus-Drehorgel der Firma Wrede aus Hannover (Bild unten, im Hintergrund). Sie entstand um das Jahr 1925 und verfügt über 69 Tonstufen. Auch Fotoalben und Stühle mit Musikwerk sowie Schwarzwälder Drehorgeln gehören zu die­ ser Stiftung. Die schönsten Drehorgeln der Niemuth-Sammlung, die größte Europas im übrigen, stammen aus Waldkirch. 186

11. Kapitel I Almanach 98 ,,Guck mal, da kommt (k)ein Vögelchen raus“ Über den Erfolg und die Herkunft der Schwarzwälder Kuckucksuhr Uhren und Uhrengeschichte Neben den kulinarischen Spezialitäten Kirschwasser, Kirschtorte und Schinken ver­ sinnbildlichen vor allem Kuckucksuhr und Bollenhut aus der Sicht des Fremden den Schwarzwald. Die Kuckucksuhr dürfte da­ bei, was Bekanntheit und Beliebtheit an­ geht, an vorderster Stelle stehen. Schon das au&nerksamkeitsheischende und beschwö­ rende „guck mal, da kommt ein Vögelchen raus“ des Fotografen rechnet mit dem Wis­ sen des zu fotografierenden Kindes um die­ se seltsame Erfindung. Woher kommt nun eigentlich die Popularität der Schwarzwälder Kuckucksuhr? Im Volksglauben spielt der Kuckuck unter anderem durch Ruf und Lebensweise eine wichtige Rolle, zum Beispiel als Glücks-und Unglücksbringer oder als Vorhersager des Schicksals. Dabei wird die Zahl seiner Rufe gedeutet als Zahl der verbleibenden Le­ bensjahre, zu erwartender Kinder oder ins­ gesamt als bedeutsam für künftigen Reich­ tum. Der Kuckuck brütet bekanntlich seine Eier nicht selbst aus, sondern er legt ein Ei in ein „Wirtsnest“. Das Ei gleicht in Größe und Farbe täuschend derjenigen seines bevor­ zugten Wirtes. Dieser Täuschungseffekt ist wohl der Grund, warum man dem Kuckuck eine besondere Klugheit und Weissage­ fahigkeit zutraute. Da der Kuckuck sich seinem Schicksal (der Brutpflege) geschickt entzieht, vermutete man eine besondere Be­ ziehung zum wechselhaften Glück. Zudem hat der Kuckuck in der Natur die Eigen­ schaft, daß man ihn wohl immerzu hört, aber nie zu sehen bekommt. Die rätsel­ hafte Unsichtbarkeit und die Eignung des Wortes als Fluchwort (,,zum Kuckuck!“) sowie die Rücksichtslosigkeit seines Brut­ verhaltens -denn die zuerst schlüpfen­ den Kuckucksjungen werfen die übrigen ,,legitimen“ Nachfolger des Pflegeeltern­ paares aus dem Nest -führten dazu, den Kuckuck auch mit negativen Erscheinun­ gen, wie dem Teufel, Ehebrechern bzw. den Gehörnten oder dem Gerichtsvoll­ zieher in Verbindung zu bringen. Die Bedeutungsebene des „memento 187 Abb.1: Enthauptungsuhr, um 1800, Franzis­ kanermuseum Villingen-Schwenningen.

_:�� ‚ mori“, der Erinnerung an die Vergänglichkeit von (Lebens)­ Zeit und Glück, ließ den Kuckuck neben seiner allge­ meinen Beliebtheit als Bildmotiv auf Zeitmes­ sern vorzüglich geeignet erscheinen. So ist der Kuckuck bereits auf Lackschilduhren abge­ bildet. Der Kuckuck hat gegenüber den zum Teil sehr drasti­ schen Darstellungen anderer Automaten­ uhren mit Gerippen, _…�� lJ ;··· Totenkopf, Schlacht­ oder Enthauptungs­ szenen (Abb. 1) den � – • = Vorzug, diese The­ matik nur sehr ver­ steckt anzusprechen, so daß sie in dieser ·—.. u·�,-�· Form für sensible Gemüter auch heute noch akzeptabel ist. Der Kuckuck ist einer der wenigen Vögel, die ihren eigenen Namen rufen oder umgekehrt: Mit der Benennung „Kuckuck“ versucht man, lautmalerisch den Ruf des Kuckucks Abb. 2: Sogenannte Paradiesuhr mit Kuckuck, nachzuahmen. Dies ist wohl mit ein Grund, warum sich der Kuckuck bei Kindern großer Beliebtheit erfreut und in zahlreichen Liedern und Ver­ sen vorkommt. Die Nähe zum Wort „gucken“ oder „kucken“ im Sinne von ,,blicken“ ist zudem Grundlage für ein Spiel, das die Erwachsenen schon mit den Aller­ kleinsten und mit großer Begeisterung üben. Jemand ruft -wie der Vogel -aus ei­ nem Versteck heraus „Kuckuck“, meint „guck mal!“, ,,such mich mal!“, und ehe sich der Angerufene versieht, schaut der Rufer überraschenderweise schon aus sei­ nem Versteck und erschreckt den Suchenden. Dieses Sichverstek- ken, Rufen, Suchen und dabei Erschrecken ist ein altes und beliebtes Spiel, das in vie­ lerlei Variationen auftritt. Indem man den Kuckuck hinter ein Türchen pack­ te, das sich nur zu be­ stimmten Zeiten öff­ nete, nutzte man ge­ nau diesen Effekt aus. Zudem kam Be­ wegung ins Spiel. Die Freude an „bewegli­ chen Bildern“, wel­ cher die Automaten­ uhren insgesamt ihre Entstehung verdan­ ken, scheint hier be­ reits die an Kino und Fernsehen vorweg­ zunehmen. Aber im Gegensatz zu den übri­ gen Automatenuhren, die eine Szene, welche die ganze Zeit über sicht­ bar ist, kurzfristig in Bewegung versetzen, reduziert der Kuckuck die Schaufreude auf wenige Augenblicke und schlägt die Türe – unvermutet rasch – wieder hinter sich zu. Daß der Kuckuck da­ mit diejenigen narrt, die nicht die Muße ha­ ben aufzupassen, entspricht ganz seinem „natürlichen“ Wesen und gibt der Uhr mit beweglichem Kuckuck einen zusätzlichen Reiz. Den Kuckuck hinter einem Türchen findet man ebenfalls bereits bei einigen Lackschilduhren, meist in einen gemalten Baum integriert (Abb. 2). Die Kombination des optischen Phäno­ mens mit einem akustischen, dem Kuk­ kucksruf, wurde den Kindern zur Freude, um 1770-90,jüngere Übermalung, Franziska­ nermuseum Villingen -Schwenningen. Uhren und Uhrengeschichte 188

Schwarzwälder Kuckucksuhr Entwurf als Entwurf für das Äußere einer Uhr verwenden? Der Baurat Friedrich Ei­ senlohr (1805-1854) hatte den Auftrag, beim Bau der badischen Staatseisenbahn die notwendigen Begleitbauten wie Bahnhöfe und Bahnwärterhäuser zu entwerfen. Im Jahre 1853 veröffentlichte er die Schrift ,,Holzbauten des Schwarzwaldes“, die in ty­ pisch historistischer Manier als Vorlagen­ sammlung ausgenutzt wurde. Versatzstück- schreckhaften und genervten Erwachsenen zum Ärgernis. Gegen Ende des 18. Jahr­ hunderts setzte man besondere Ambitionen in die Nachahmung von Tierstimmen durch Musikinstrumente. Der charakteristische Kuckucksruf bot sich für derlei Experimen­ te besonders an. Schon mit einfachen Flöten oder auch Orgelpfeifen ließ er sich imitie­ ren. Die Betrachtung des Blasebalgs einer Orgel soll daher auch – nach einer der bei­ den Ursprungslegenden – Auslöser für die „Erfin­ dung“ der Kuckucksuhr gewesen sein. Franz An­ ton Ketterer aus Schön­ wald soll diese Einge­ bung 1730 umgesetzt haben. Nach einer an­ deren Ursprungslegende haben zwei Schwarzwäl­ der Uhrenhändler auf ei­ ner ihrer Reisen einen böhmischen Händler ge­ troffen, der hölzerne Kuckucksuhren verkauf­ te. Sie brachten diese Kunde in den Schwarz­ wald, woraufhin einige Uhrmacher solche Kuk­ kucksuhren nachbauten. Gegen beide Varianten der Ursprungslegende gibt es begründete Be­ denken, so daß man nicht sicher sagen kann, wie der Kuckuck in die Uhr kam. Nun fehlte – um das Ganze zum Verkaufs­ schlager und „Inbegriff“ einer Schwarzwalduhr zu machen – nur noch das typische Gehäuse. Wie schon der Name sagt, hat auch die Uhr ihr Haus. Warum sollte man nicht Abb. 3: Bahnhäusleuhr mit Kuckuck, datiert 1859, Franziskanermu- einen architektonischen seum Villingen-Schwenningen. 189

chwarzwäldcr Kuckucksuhr artig werden in der „Bahnhäusleuhr“ (Abb. 3) Elemente aus den verschiedensten Berei­ chen zusammengeführt. Das Stabwerk und die Fialen der Gotik als Zugeständnis an den zeitgenössischen Architektur- und Einrich­ tungsstil, Wildbret, Eichenlaub und Hirsch­ geweih, um sich die Natur, bzw. den Schwarzwald ins Haus zu holen, und mit dem „Bahnhäusle“ Assoziationen an die moderne Technik der Eisenbahn. Ein stim­ miges Konzept für die damalige Zeit und aufgrund der inzwischen damit verbunde­ nen Gemütlichkeit und Urtümlichkeit auch noch für heutige Liebhaber, wenn auch manchmal ironisch zitiert oder verfremdet. Eine Uhrenidee und die Kunst Eine solche ironische Verfremdung stellt die „Guckucksuhr“ des Videokünstlers Her­ bert Wentscher von 1993, die im Eingangs­ bereich des Franziskanermuseums zu sehen ist, dar. Äußerlich entspricht sie vollkom­ men dem Klischee einer Kuckucksuhr. War­ tet man jedoch bis zum Stundenschlag, dann „kommt kein Vögelchen raus“, son­ dern das Ebenbild des Betrachters auf einem Monitor, das über eine eingebaute Videoka­ mera aufgezeichnet wird. Die Doppelung, die das Wort „Kuckuck“ (,,Guck, guck!“) beinhaltet, wird hier in eine Verdoppelung des Guckenden umgesetzt. Der Betrachter wird damit möglicherweise zweifach genarrt. Wenn er den Stundenschlag verpaßt so­ wieso, aber wenn er ihn nicht verpaßt, auch. Denn er sieht nicht, was er erwartet. Er sieht nicht den sondern den ,,Gucker‘, sich selbst. Zu dieser Ent-Täu­ schung kommt ein Moment der Verunsi­ cherung. Nicht einmal in der „unschuldi­ gen“ Freude am Kuckuck ist man „sicher“ (unbeobachtet), selbst hier lauert „einer“ auf, filmt den Betrachter, der dies bestenfalls mit einem irritierten und leicht panischen Lächeln quittiert. Die Videoskulptur von Herbert Wentscher kann als postmodernes Kunstwerk gelesen werden. Wentscher zi- „Kuckuck“, 190 tiert eine bekannte, allzu bekannte Form und „dekonstruiert“ sie: er verwendet die Form so, daß ihr „eigentlicher“ Sinn (gucken, überraschen, narren) wieder be­ wußt gemacht wird. Wenn der „dritte Mann“, die Hauptperson in dem gleichnamigen Filmklassiker in sei­ ner schwersten Stunde und zur Rechtferti­ gung des Bösen sagt: ,, … unter den Borgia war Mord und Totschlag, aber sie förderten einen Michelangelo und brachten die Re­ naissance hervor. In der Schweiz herrscht seit 900 Jahren die Demokratie, und was ha­ ben wir davon: die Kuckucksuhr“, dann wird nicht nur an die widersprüchlichen Meinungen erinnert, die wie bei vielen le­ gendären Erfindungen auch hinsichtlich der ,,Urheberrechte“ der Kuckucksuhr existie­ ren, sondern eine „Schöpfung“ verharmlost, die vielleicht nicht unbedingt genial, aber sehr gut durchdacht war. Dr. AnilaAuer Auf der Antikuhren-Messe Ein Mann, der über Land fuhr, sucht auf der Mess‘ ne Standuhr. Vielleicht auch eine Wanduhr. Zur Not eine Armbanduhr. Jedoch aus erster Hand nur. Doch nichts gefiel dem Schlecker, da kauft‘ er sich ’nen Wecker. So sind halt die Geschmäcker. Dietrich Schnerring

Uhren und Uhrengeschichte Ein innovativer Schulterschluß in schwerer Zeit Vor 150 Jahren wurde der „Gewerbsverein für den uhrenmachenden Schwarzwald“ gegründet kosteten vor 10 Jahren 18 Thaler, jetzt die­ Die Uhrmacherei gab der Region Furt­ selben 8 Thal er … Die Email blätter haben wangen /Triberg in der ersten Hälfte des 19. seit 10 Jahren durchweg die Hälfte abge­ Jahrhunderts die entscheidenden Impulse schlagen, ebenso alle Lackier-Gegenstände für ein rasches Wachstum. Gleich ob Holz­ auf Blech und Holz, und dennoch sind all uhrenmacher, Gestellmacher, Schildbrett­ diese Gegenstände weit schöner und ge­ macher, Schildmaler, Glocken- und Rä­ schmackvoller als vor zehn Jahren! Woher dergießer, Uhrenräderdreher, Uhrenzeiger­ dieses? Weil man vorangeschritten ist in der macher, Uhrenkettenmacher, die Verfertiger Fabrikation … “ musikalischer Spielwerke, Spediteure oder Der Absatz-und Preisverfall im Uhren­ Händler; sie allesamt lebten vom „Gang der gewerbe traf die Bevölkerung doppelt hart, Zeit“. An sechs Tagen in der Woche wurden denn er wurde durch Kartoffel-Mißernten – von morgens um 5 Uhr bis abends 9 Uhr, die Kartoffel war damals das Hauptnah­ bei starker Nachfrage sogar bis 10 Uhr, die rungsmittel -noch verschlimmert. Das Zu­ in aller Welt bekannten Schwarzwälder Uh­ sammenkommen all dieser Faktoren drohte ren gefertigt. Adolph Poppe berichtet in sei­ die nahezu vollständig vom Uhrenbau ab­ ner „Geschichte der Schwarzwälder Uhren­ hängigen Menschen in der Raumschaft Furt­ industrie nach ihrem Stand im Jahr 1838″, wangen/Triberg an den Rand des Ruins zu daß im einstigen Marktflecken Furtwangen bringen. In der „Neuen Freiburger Zeitung“ die Bevölkerung im Zuge des rasch wach­ steht in einem Rückblick auf diese schlimme senden Uhrengewerbes in 20 Jahren um 500 Zeit im Juli 1851 zu lesen: »Die Noth und „Seelen“ zugenommen habe, die Bevölke­ rung des gesamten Triberger Amtsbezirkes Verarmung macht Riesenschritte; Ban­ gar um 1500 „Seelen“. querotte in Menge fanden statt, und man­ cher gute Schwarzwälder Uhrmacher mußte Das „Uhrenland“ erlebte eine Hochkon­ sein täglich Brod durch eine andere Be­ junktur mit all ihren positiven Folgen, die schäftigung verdienen. Es hatte damals den sich aber ab 1845 ins Gegenteil verkehrte: Anschein, als solle der Schwarzwald ein Weil man sich auf den Erfolgen auszuruhen zweites Schlesien geben.“ begann, immer mehr minderwertige Uhren Nicht wenige versuchten, der Not in der gefertigt wurden, die sich gegen die auslän­ Heimat durch eine Auswanderung nach dische Konkurrenz nicht behaupten konn­ Amerika zu entrinnen. Die Zeitungen jener ten, da diese billiger und in besserer �alität Tage sind voll von Auswanderungsangebo­ produzierte, war die Vormachtstellung der ten diverser Agenturen. Viele angesehene Schwarzwälder jäh beendet. Romulus Kreu­ Handwerker verloren ihr Hab und Gut, wie zer, Uhrenschildmaler, Furtwanger Chronist beispielsweise der Furtwanger Schilderma­ und zusammen mit dem Vöhrenbacher ler Bonaventur Moser, dessen Haus an der Kunstmaler Casimir Stegerer die Haupt­ triebfeder zur Gründung des „Gewerbs­ Straße von Furtwangen nach Schönenbach verein für den Uhren machenden Schwarz­ gelegen, 1847 zwangsversteigert wurde. Ein wald“, berichtet im März 1847 über diese ,,Blick auf die ungünstige Lage der Uhrenfa­ Entwicklung: ,,Vor 10 Jahren kostete eine brikation des Schwarzwaldes“, abgedruckt Franc-Comte -Uhr 50 Frc., jetzt kostete die­ am 4. Mai 1847 im „Schwarzwälder“, faßt selbe �alität 22 …. Die Amerikaner-Uhren die Situation zusammen: „Welcher Zukunft 191

Uhren und Uhrengmhi bt sieht der Schwarzwälder bei allem Fleiße, bei aller Ausdauer, bei aller eisernen Be­ harrlichkeit entgegen, wenn das Übel nid1t bei der Wurzel gefaßt und vertilgt wird? Werfen wir unseren Blick nur um zehn Jahre zurück; damals, als die Uhren noch einigen Wert hatten, welche Lebens­ freude? Welcher Mut zur Ge­ werbtätigkeit? Welcher Absatz aller in diesen Industriezweig einschlagenden Gegenstände? Jedes Kind von 12 bis 14 Jah­ ren konnte damals durch seine Beihilfe sich sein Brot erwer­ ben. Und jetzt – alle Gegen­ stände, die der Sd1warzwälder zu verkaufen hat, sind um die Hälfte gesun­ ken, und jene, welche er kaufen muß, ins­ besondere alle Nahrungsmittel, sind dop­ pelt so teuer als früher – welcher Unter­ schied! Können wir uns auf die Produkte, die uns von diesen rauhen Bergen spärlich zugemessen werden, beschränken? Oder sollen wir den teuren Ort der Geburt, wie­ wohl von der Natur stiefmütterlich behan­ delt, an den uns aber manch heitere Erinne­ rung knüpft, sollen wir unsere Heimat, un­ ser Vaterland, sollen wir dies alles verlassen, und uns dort in der neuen Welt, dem Sam­ melplatze aller Nationen, eine Heimat su­ chen, die wir vielleicht nie finden werden? Und doch – welche Aussichten stehen uns offen, wenn wir uns noch lange in dieser an­ geborenen Lethargie, in diesem Phlegma fortschleppen? Wenn dieser Zustand noch länger so fortdauert, so ist keine Rettung für den Schwarzwald zu hoffen … “ „Neues Leben“ für die Industrie Der wahrscheinlich aus der Feder von Ro­ mulus Kreuzer stammende Beitrag endet mit dem Aufruf, sich am Uhrengewerbsver­ ein zu beteiligen. Ein Aufruf, dem ein Erfolg beschieden war, der noch heute seine posi­ tiven Auswirkungen auf die Entwicklung der 192 Romulus Kreuzer: „Und doch – welche Aussichten stehen uns offen, wenn wir uns noch lange in dieser angeborenen Lethar­ gie, in diesem Phleg- ma fortschleppen?“ Raumschaft Furtwangen hat. Und wie wenn sein Mit-Begründer dieses damals vorausge­ sehen hätte, heißt es in einer von Romulus Kreuzer im „Schwarzwälder“ gleichfalls ver- öffentlichten Anzeige: ,,Durch diesen Verein soll keine Hand, welche durch diese Industrie ihren Erwerb hat, beeinträch­ tigt, sondern dem Schwarzwal­ de in allen Fächern seiner In­ dustrie neues Leben beige­ bracht werden.“ Um die Not zu beenden, galt es den Rückstand aufzuholen, innovative Ideen in die Uh­ renfertigung einzubringen, vor allem die Qialität zu steigern. Romulus Kreuzer und Casimir Stegerer hat­ ten dies zusammen mit anderen führenden Köpfen des Uhrengewerbes erkannt. Und ihr Ansatz zur Bewältigung dieser Wirt­ sd1aftskrise ist heute so aktuell wie damals – kurz vor der Jahrtausendwende würde man die hinter der Gründung des Gewerbever­ eins stehende Absicht schlicht als Technolo­ gietransfer umschreiben. Ins Leben gerufen wurde der Gewerbeverein am 13. Mai des Jahres 1847 im „Löwen“ zu Schönenbach. 68 Personen aus dem gesamten Schwarz­ wald nahmen an der Versammlung teil, die den Vöhrenbacher Lithografen Casimir Stegerer zu ihrem kommissarischen Vorsit­ zenden wählte, Romulus Kreuzer, damals Wirt auf dem „Löwen“, zu dessen Stellver­ treter. In Vöhrenbach fand dann im Juni des sel­ ben Jahres die erste Generalversammlung statt, wo die erste ordentliche Vorstand­ schaft gewählt werden sollte, wa aufgrund diverser Meinungsversdliedenheiten aber nicht möglich war. Eingeladen hatte man zu dieser Zusammenkunft im eigenen Vereins­ organ, dem „Uhrengewerbsblatt für den Schwarzwald“, das der Villinger Druckerei­ be itzer Ferdinand Förderer alle 14 Tage ko- tenlos als Beilage zum „Schwarzwälder“ lie­ ferte. Welche Bedeutung diesem Zusam-

menschluß mittlerweile beigemessen wurde, zeigt exemplarisch die Entwicklung in Vöhrenbach auf, wo 50 Bürger binnen we­ niger Wochen dem neuen Gewerbeverein beitraten. Und um es vorwegzunehmen: Einzig dem 1847 gegründeten Uhrengewerbsverein ist es zu verdanken, daß in Furtwangen eine Uhrmacherschule entstand, von der wesent­ liche Impulse für die gesamte Industrie der Region ausgingen und die zugleich den Vor­ läufer der heutigen Fachhochschule dar­ stellt. Auch etliche lokale Gewerbevereine, wie etwa der Furtwanger, sind aus dem Uh­ rengewerbsverein hervorgegangen. Zudem ist aus dem Uhrengewerbsverein die Be­ zirkssparkasse Furtwangen hervorgegangen, die sich im März des Jahres 1848 als „Spar­ cassa-Gesellschaft“ gründete, um sich der Not der Armen anzunehmen. Bei der ersten Generalversammlung im Vöhrenbacher Rathaussaal am 28. Juni 1847 sind dem Verein 200 weitere Mitglieder bei­ getreten, über 300 Personen waren anwe- Furtwangcr Uhrcngcwerbsvercin send. Im Uhrengewerbsblatt wird berichtet: ,,Einstimmig erklärte man sich einverstan­ den mit drei Bittschriften, welche der provi­ sorische Verwaltungsrat vorlegte. Nämlich mit den Bittschriften einmal um Errichtung einer Uhrengewerbschule samt Musterwerk­ statt auf Staatskosten zur Einführung der Stockuhrenmacherei; dann um Absendung von 4 geeigneten Schwarzwäldern in die Schweiz, nach Frankreich und nach England zur Herbeischaffung von Werkzeugen und Maschinen, Musteruhren und Verfertiger solcher für die Musterwerkstatt; endlich um Erkundigungseinziehung, ob sich nicht mit den Schwarzwälderuhren nach China Ge­ schäfte machen ließen. Außerdem wurde noch beschlossen, der provisorische Verwal­ tungsrat solle zwei weitere Bittschriften an die großherzogliche Staatsregierung richten, die eine um Festsetzung der Bestimmung, daß nur nach Antritt des Bürgerrechtes das Uhrengewerbe selbständig betrieben wer­ den dürfe … “ Auch wenn sich viele Hemmnisse ein- Die Großherzog/ich Badische Uhnnacherschule in Furtwangen, Fotografie aus den 1930er Jahren. 193

Furtwangcr Uhrcngewerb vcrcin stellten: alles was im Uhren machenden Schwarzwald Rang und Namen hatte, war in jener Zeit im Gewerbsverein zusammenge­ schlossen. Sein wohl wichtigstes Ziel konn­ te der Verein am 5. Februar 1849 erneut bei einer Versammlung in Vöhrenbach verwirk­ lichen: Nach vorausgegangener Genehmi­ gung durch die großherzogliche Regierung legte man den Standort für eine Uhrma­ cherschule fest: Da Furtwangen 552 Uhren­ gewerbsleute vorweisen konnte und die zen­ tralste Lage hierfür besaß, wurde dort die Uhrmacherschule eingerichtet. Sie eröffnete am 28. März des Jahres 1850 und in dem da­ mals 30jährigen Ingenieur Robert Gerwig fand sich ein weitsichtiger Schulleiter, der in der Folge dem darniederliegenden Uhren­ gewerbe tatsächlich die erhofften Impulse geben konnte. Die Einführung von Arbeits­ teilung und besserer Produktionsmethoden machten die Schwarzwalduhren wieder kon­ kurrenzfähig. Und: Es ist zudem im Umfeld der Uhrmacherschule eine feinmechanische Industrie herangewachsen, die noch heute Bestand hat und in der Region Furtwangen eine gute Beschäftigungslage garantiert. Zugleich legte Gerwig damals den Grund­ stein für eine weitere wichtige Einrichtung: aus einer von ihm initiierten Schwarzwald­ uhrensammlung, die den Uhrmacherschü­ lern als Anschauungsmaterial dienen sollte, ist später das Deutsche Uhrenmuseum Furt­ wangen hervorgegangen. Uhrengewerbsverein wird im Zuge des Badischen Aufstandes verboten Dem Uhrengewerbsverein war trotz seiner eminent wichtigen Bedeutung ein nur kur­ zes Leben beschieden: Er wurde im Zuge des niedergeschlagenen Badischen Aufstandes wie alle anderen Vereine auch 1849 verbo­ ten. Als er im März des Jahres 1853 seine Geschäfte wieder aufnehmen durfte, konn­ te er seine einstige Bedeutung nicht mehr er­ reichen, sein Wirkungskreis blieb von nun an aufFurtwangen beschränkt. Und das, ob- 194 wohl er im September des Jahres 1847 be­ reits über 700 Mitglieder gezählt hatte. Die Bedeutung des Uhrengewerbsvereins widerspiegelt zuguterletzt auch die Zusam­ mensetzung seiner Vorstandschaft, die sich nach der Übergangszeit mit provisorisch be­ setzten Ämtern am 27. September 1847 im „Engel“ in Furtwangen als Verwaltungsrat konstituiert hatte. Vorsitzender wurde der praktische Arzt Dr. Josef Duffner aus Furt­ wangen, Romulus Kreuzer blieb zweiter Vorsitzender, als Sekretär und Redakteur des Uhren-Gewerbsblattes fungierte Johann Ge­ org Schultheiß aus St. Georgen, als Kassie­ rer der Furtwanger Schildermaler Florian Hummel. Der Verwaltungsrat setzte sich zu­ dem aus folgenden Personen zusammen: Taschen-Uhrenmacher Xaver Heine aus Vöhrenbach, Wunnibald Kienzler, Handels­ mann aus Schönwald, Lorenz Bob, Uhren­ genius aus Furtwangen, Lorenz Furtwängler, Uhrmacher aus Neukirch, Gregor Duffner, Uhrmacher aus Rohrbach, Joseph Pfaff, Uhrmacher von Triberg, Maximilian Kam­ merer, Uhrmacher von Furtwangen, und Karl Brucker, Bärenwirt aus Triberg. Daß der Uhrengewerbsverein mit der Gründung der Furtwanger Uhrmacherschu­ le tatsächlich schon bald der ganzen Region Furtwangen/Triberg eine wirtschaftliche Neubelebung bescherte, belegt unter ande­ rem eine Zeitungsnotiz im „Schwarzwälder“ vom 21. November des Jahres 1856: ,,Der Uhrenhandel, in welchen die Kriegswirren einen fatalen Stillstand gebracht, beginnt sich allmählich wieder zu beleben; der fleißige Wälder sieht mit Vergnügen wieder Bestellungen aus den Ländern eingehen, na­ mentlich von Rußland her, wohin übrigens der Absatz auch während des Krieges nie ganz aufgehört hatte. Haben wir einmal den Frieden wieder fest und sicher, so wird die Industrie des Waldes ohne Zweifel einen er­ neuten Aufschwung nehmen … “ Wf!fried Dold

Prunk und Pracht im Deutschen Uhrenmuseum Sammlung wertvoller französischer Pendeluhren als Stiftung in Aussicht gestellt Uhttn und Uhreng chichte Die Sonderausstellung „Französi­ sche Pendeluhren des 18. Jahrhun­ derts. Eine Stiftung für das Deut­ sche Uhrenmuseum Furtwangen“ bildete den Höhepunkt des Mu­ seumsjahres 1997 in Furtwangen. Vom 16. Mai bis zum 17. August 1997 konnte erstmals eine hoch­ karätige Privatsammlung, der Öf­ fentlichkeit vorgestellt werden, die zu einem späteren Zeitpunkt als Stiftung an das Museum überge­ hen wird. Die Sammlung doku­ mentiert die Blütezeit der französi­ schen Pendule vom späten 17. bis zum frühen 19.Jahrhundert. Frankreich Zu Beginn dieser Epoche hatte sich Frankreich als mächtigstes Land Europas etabliert. Dafür ver­ antwortlich war in erster Linie das System des Absolutismus mit seiner spezifischen Herrschafts­ form und -repräsentation, mit sei­ ner Wirtschaftspolitik und seiner höfischen Kultur. Im kulturellen Bereich fand der französische Ab­ solutismus seinen wohl prägnante­ sten Ausdruck im Schloß Versailles, wo der französische Hof seit 1682 ständig residierte. Zu diesem Hof gehörte nicht nur die königliche Familie, sondern fast der gesamte französische Adel, den Ludwig XIV. an den Hof gebunden und damit poli­ tisch entmachtet hatte. In Versailles und in Paris stand der Adel ganz im Dienste der kö­ niglichen Repräsentation. Paris und Versailles – der Hof und die Hauptstadt – bildeten zusammen das Zen- Abb. 1: Religieuse Paris, spätes 17. Jahrhundert. Werk: Feder­ zug, Spindelhemmung mit waagrecht liegender Spindel Zyk/.o­ idenpendelaujhängung. Rechenschlagwerk mit Halbstunden­ schlag auf Bronzeg/.ocke. Signatur: Gilles Martinot AParis. trum Frankreichs. Hier führte die Konzen­ tration des Adels zu einer massiven Kauf­ kraftsteigerung, die sich auf Kunst, Hand­ werk und Gewerbe und insbesondere auf die Nachfrage nach Luxusgütern auswirkte. Denn wer zum Hof gehörte, hatte dessen 195

Uhren und Uhrenge chichte Abb. 2: Kaminuhr. Paris, Mitte 18. Jahrhundert. Das fiuervergoldete Bronzegehäuse zeigt den Raub der Europa. Z-eus in Stiergestalt trägt die auf der Uhr sitzende Königstochter Europa davon. Sockel mit Akan­ thusblättern, iibergehend in geschwungenes Linienornament. Signiert: GUDIN A PARIS. 196

Etikette zu befolgen, zu der die standes­ gemäße Repräsentation, d. h. die Zurschau­ stellung von Luxus gehörte. Einen weiteren Impuls erhielten Kunst und Handwerk in Paris durch großzügige königliche Unter­ stützung und Förderung. Der französische Absolutismus mitsamt seinem höfischen Luxus wurde andernorts vielfach kopiert und nachgeahmt. Was am Hof in Versailles und in Paris Mode war, wurde von den europäischen Führungs­ schichten rasch übernommen. Paris wurde dadurch zum unbestrittenen Zentrum der europäischen Luxusgüterproduktion. Die französische Hauptstadt war der Ort, wo Mode und Geschmack für den ganzen Kon­ tinent bestimmt wurden. Zu den gefragten Luxusprodukten französischer Provenienz gehörten vom späten 17. bis ins frühe 19. Jahrhundert immer auch Pendeluhren. Daran hat sich bis in die Gegenwart wenig geändert. Französische Pendeluhren jener Zeit gehören heute zu den Prunk­ stücken vieler Museen in der ganzen Welt. Pendeluhren Die Erfindung des Pen­ dels in der Mitte des 17. Jahrhunderts war nicht nur eine bahn­ brechende tech­ nische Innovati­ on, welche die Ganggenauig­ keit der Uhren mas- siv verbesserte, es ver­ änderte auch deren Er­ scheinungsbild. Einerseits mußte das Uhrengehäuse auf Länge und Amplitude des Pendels Rücksicht nehmen. An­ dererseits zwang der Umstand, daß das Pendel nur in einer verti­ kalen Ebene schwingt, zu einem permanenten Aufstellungsort der Französi cbe Pendeluhren Uhren. Pendeluhren wurden rasch als Teil der Möbilierung oder als dekoratives Wand­ element zu einem festen Bestandteil der französischen Innenarchitektur. Der Ruf der französischen Pendeluhren geht in erster Linie auf die hohe künstleri­ sche und handwerkliche �alität ihrer Ge­ häuse zurück. In diesem Bereich spielten die französischen Handwerker während des ganzen 18. Jahrhunderts europaweit eine führende Rolle, während sich damals in der Uhrmacherei immer häufiger englische Pro­ duzenten besonders hervortaten. Französi­ sche Pendeluhren aus dem 18. Jahrhundert haben in der Regel vergleichsweise einfache, aber solide und meist sehr sauber gearbeite­ te Werke. Die Hersteller Die Herstellung von Pendeluhren im 18. Jahrhundert war in Paris durch eine weitge- hende Arbeitsteilung charakterisiert. Die wichtigsten Personengruppen waren die Uhrmacher, die Gehäusemacher und die „mar­ chands-merciers“. wohl Obschon französische Pendeluh­ ren in der Regel so­ auf dem _./ Uhrwerk als auch – auf dem Ziffer­ blatt die Signatur eines Uhrmachers tra­ gen, stellte er diese nicht alleine her. Der Uhr­ macher war vielmehr der Organisator eines komplexen Produktionsprozesses, der die einzelnen Teilarbeiten von Speziali- Abb. 3: Carteluhr. Paris, Mitte 18. Jahrhundert. Signiert: TH/OUT L’AINEA PARIS. 197

Uhren und Uhreng chicht sten ausführen ließ. Die „Encyclopedie“ nennt in der Mitte des 18. Jahrhunderts 15 verschiedene Teilarbeiter und Teilarbeiterin­ nen, die an der Herstellung einer Pendeluhr beteiligt waren. Der eigentliche Uhrmacher setzte lediglich die verschiedenen von an­ deren gefertigten Bestandteile zusammen und arbeitete diese bei Bedarf nach, er stell­ te das Uhrwerk fertig und kontrollierte des­ sen Gang. Zu den Gehäusemachern in Paris gehörten namentlich Schreiner, Kunstschreiner, Skulpteure, Bronzegießer, Ziseleure und Vergolder. Diese arbeiteten aber nicht nur als Zulieferer für die Uhrmacher, sie ließen umgekehrt auch die Uhrmacher als Zuliefe­ rer für sich arbeiten. Daß bei französischen Pendeluhren das Gehäuse nicht nur in ästhetischer sondern auch in ökonomischer Hinsicht im Vordergrund stand, zeigt das Beispiel von Pendulen mit feuervergolde­ ten Bronzegehäusen. Hier weiß man, daß von den gesamten Pro­ duktionskosten in der Re­ gel auf den Modellentwurf etwa 10 Prozent, auf den Guß 20 Prozent, auf die Zi­ selierung 30 Prozent, auf die Vergoldung 30 Prozent und auf das Uhrwerk ledig­ lich 5-10 Prozent entfielen. Die wichtigste Rolle im Pro­ duktionsprozess spielten aber nicht die eigentlichen Hersteller, sondern die Händler, die soge­ nannten „marchands-merciers“, die Abb. 4: Pendule a Cercles Toumants. Paris, letztes Viertel 18. Jahrhtmderl. Gehäuse: in Dreifuß eingelegte Vase mit Uhrwerk und Zeitanzeige atif ro­ tierenden Reifen, feuervergoldete Bronze mit blauem Porzellan. Signiert: BAUDJN A PARIS. 198 sich auf den Handel mit Luxusprodukten spezialisiert hatten. Ihnen war zwar verbo­ ten, selber etwas zu produzieren, sie durften den Luxusgütern aber den letzten Schliff ge­ ben, sie verzieren. Die „marchands-mer­ ciers“ hielten daher Uhrengehäuse, Dekora­ tionselemente und Uhrwerke am Lager. Auf diese Weise kam ihnen bei der Organisation und Koordination der Produktion von Pen­ deluhren eine Schlüsselrolle zu: Sie ließen bei Uhr-und Gehäusemachern Bestandteile anfertigen, die sie anschließend nach ihren Vorstellungen und denen ihrer Kunden zu­ sammensetzten. Lag der Verkauf von Uhren in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Paris noch zu einem beträchtlichen Teil in den Händen der Uhrmacher, so entglitt ihnen dieser im Laufe des 18. Jahrhunderts zunehmend. Es waren die „marchands-merciers“, die wesentlich mehr Uhren verkauften als die Uhrmacher selbst, deren Markt­ anteil im Jahre 1766 nur noch ein Drittel betrug. Wer sich im 18.Jahrhundert in Paris eine Pendeluhr kau­ fen konnte, stand an der Spit­ ze der Sozialpyramide. Es wa- ren jene Kreise, die von den Einkünften ihrer Vermögen leben konnten. Der Hof in Versailles und die Hauptstadt Paris waren für sie der bevorzugte Aufenthaltsort. Es waren Angehörige dieser Gruppen, die in den Ladengeschäften der „marchands-merciers“ verkehrten und sich dort oder auch bei einem Uhr-oder Gehäusemacher eine Pendeluhr kauften. Paris war aber nicht nur das Zentrum Frankreichs, sondern während des ganzen 18. Jahr­ hunderts auch Vorbild für die europäischen Eliten. Zur Kli- Die Käufer

entel der Pariser Produzenten und Händler gehörte die Oberschicht aus ganz Europa, die sich hier mit Luxusgütern aller Art ein­ deckte. Ausländische Höfe, Aristokraten, fremde Gesandte und Reiche von Lissabon bis Stockholm und von London bis St. Pe­ tersburg kauften in Paris ein. Paris hatte den Ruf, das „Warenhaus Europas“ zu sein. Mo­ de- und Luxuswaren machten denn auch während des ganzen 18. Jahrhunderts rund die Hälfte aller registrierten französischen Ausfuhren aus. Die Sammlung Die neunzehn Uhren der Sammlung und Stiftung dokumentieren fast alle gängigen Typen aus der Blütezeit der französischen Pendeluhr und die Qialität aller Uh­ ren ist hervorragend. Sie können ty­ pologisch und chronologisch nach pragmatischen Gesichtspunkten in drei Gruppen unterteilt werden. Die Pendeluhren aus dem späten 17. und frühen 18.Jahrhundert haben in der Regel Gehäuse aus Holz. Zuerst dominierte ein einfaches, rechteckiges und dunkles Holzgehäuse. Später kamen immer häufi­ ger Verzierungen aus feuer­ vergoldeter Bronze und prunkvolle Einlegearbeiten aus Schildpatt und Edelmetallen dazu (Abb. 1). Diese Tech­ nik wird nach dem berühmtesten Kunst­ schreiner der Epoche, Andre-Charles Boul­ le, auch als Boulle­ Marketerie bezeich­ net. Sie erreichte um 1700 in Paris eine historisch einma­ lige Qialität und Perfektion. In der 18. Mitte des � Franzö i ehe Pendeluhren Jahrhunderts wurden anschließend vor al­ lem Pendeluhren mit feuervergoldeten Bronzegehäusen hergestellt. Dabei kom­ men sowohl Kaminuhren (Abb. 2) als auch die als „Carteluhren“ bezeichneten Wand­ uhren (Abb. 3) vor. Das ausgehende 18. und frühe 19. Jahrhundert war die große Zeit der Kamin- oder Tischuhren. Diese wurden in großer Formenvielfalt und aus unterschied­ lichen Materialien hergestellt, beispielswei­ se aus feuervergoldeter Bronze, aus Porzel­ lan und aus Marmor (Abb. 4 und 5). Obschon zur Sammlung des Deutschen Uhrenmuseums auch heute schon einige bedeutende französische Pendeluhren ge­ hören, wird erst diese Stiftung die französi­ sche Pendule zu einem wichtigen Standbein des Museums machen. Gerade in Zeiten knapper öffentlicher Finanzen und schrumpfender Museumsbudgets ist eine solche Stiftung als Form der pri­ vaten Kulturförderung hochwillkom­ men. Dem Stifterpaar gebührt nicht nur der Dank des Deutschen Uhren- museums sondern ebenso der Dank der Öffentlichkeit, die letztlich durch diese Stiftung französischer Pendeluhren bedacht wird. Jakob Messerli �����;;-;���;i�- feuervergoldete Bronzede- Abb. 5: Kaminuhr mit Datum, Mondalter und Mondphase. Pa­ ris, Ende 18.Jahrhundert. Werk: Federzug, Laufdauer 8 Tage. Weißer Marmorsockel und koration mit Emaileinla- gen. Signatur: Bruel A PARIS. 199

Brauchtum 125 Jahre Villinger Katzenmusik 12. Kapitel I Almanach 98 Aus schlichten Anfängen heraus zu einem großen Fastnachtsverein entwickelt Überlieferungen von der Entstehung ein­ zelner Fastnachtsbräuche sind eine Rarität. Meist stützen sich die Annahmen auf Ver­ mutungen: man unterstellt, daß es so und nicht anders gewesen sein muß (könnte}. Auch wer die Geschichte der Villinger Kat­ zenmusik darstellen will, die an der Fast­ nacht 1997 ihr 125jähriges Bestehen feierte, ist für die Gründungszeit auf mündliche Überlieferungen aus früherer Zeit an­ gewiesen. Das Treiben der Villinger Fastnacht, bei dem der allseits bekannte Villinger Narro im Vordergrund steht, dürfte auch schon früher mit vielerlei Ab­ wechslungen verbunden gewesen sein. Das läßt sich aus der Ausgelassenheit, die mit einem Fastnachtstreiben un­ willkürlich verbunden ist, ohne wei­ teres schließen, denn der Narro allein hätte dem Leben auf den Straßen und Gassen sowie den Lokalen nicht den vollen Impuls geben können. Da die Welt kein Zustand ist, sondern ein Vorgang, war auch die Zeit nicht stehengeblie­ ben: Auch der „kleine Mann“, der Hintersaße von einst, wur­ de zum Akteur, verlangte sei­ nen Platz an der Fasnet. Und er gestaltete sie sich auf seine Art, ohne die traditionell beding­ ten Hintergründigkeiten der Fasnet des Bürgertums. Kat­ zenmusik nannte sich die närrische Gesellschaft, die vor diesem Hintergrund entstand und deren Ur­ sprünge wegen fehlender 200 Aufzeichnungen etwas im Dunkeln liegen, die aber ihren gesicherten Ausgangspunkt nach dem 1870er Krieg hatte. Den Namen ,,Katzenmusik“, der sich von dem vierbeini­ gen schnurrigen Haustier ableitet, hat diese närrische Vereinigung im übrigen nicht im­ mer gehabt. Und es gilt weiter: zwar ist der Kater seit langem das Wappentier der „Kamuvi“, doch ist sicher, daß er nichts mit jenem Gemütszu­ stand zu tun hat, der allzu aus­ schweifenden Trinkfreuden folgt. Eher mit einer Art mißtönender Musik, die der Volksmund als Katzenmusik bezeichnet und die im Zusammenhang mit der Fasnet seit dem frühen Mittelalter bekannt ist. Ihre Wurzeln hat die Kat­ zenmusik in der „Schar der damaligen Uh­ renschildmalerei“, die erstmals im Jahre 1872 auftrat. Sie zog musi­ zierend und singend durch die Straßen und spielte in den von ihr ab- wechselnd besuchten Wirt­ schaften auf. Dieser Musiker­ schar schloß sich die Jugend be­ geistert an. Die Uhrenschild­ maler vereinigten sich in der Folge mit einigen Freunden zu einer Musikkapelle, die ihre Proben in der Werk­ stätte der Maierschen Uhrenschildmalerei abhielt (heute Platz der neuen Festhal­ le). Im Laufe der Zeit hieß sie die ,,Lang’sche Kapelle“ und spielte un- Kater mit Laterne und der Eule auf dem Schwanz.

Vtllingcr Katzenmusik Historische Aufaahme der Katzenmusik, wohl 1920er Jahre. ter der Führung eines Musikers namens Lang auch bei Hochzeiten und gelegentli­ chen Tanzveranstaltungen auf. Und weil man an Fastnacht so „gräßlich schöne“ Mu­ sik machte, war es nur zu natürlich, daß man diesem närrischen Volk in W indeseile den Namen „Katzenmusik“ zuordnete. Somit wird das Jahr 1872 als Gründungsjahr der Katzenmusik dokumentiert. Anfangs geschah bei der Volksfastnacht der Katzenmusiker alles mit primitiven Mitteln: es ging mit umgewendeten Kitteln, Frauen­ röcken, mit gefärbten und geschwärzten Ge­ sichtern und selbstgefertigten Larven auf die Straße. Als Stammlokal dieser kleinen Ge­ sellschaft diente die damalige W irtschaft „Zum Ockenfuß“ (ehemals Photo Bräunlich in der Bertholdstraße), wo sich die Anhän­ ger dieses Fastnachtstreiben regelmäßig zu­ sammenfanden. Von Jahr zu Jahr wurde die Schar immer größer, so daß selbst die „Lang‘ sehe Kapel­ le“ für das Radaumachen nicht mehr aus- reichte. Blechbüchsen, Kochtopfdeckel, selbstgefertigte Blechtrommeln und anderes mußte herhalten, um das Spektakel zu ver­ größern. Gestalten der buntesten Art tauch­ ten im Laufe der Zeit auf. Der Fremde, der in jenen ersten Jahrzehnten der Katzenmu­ sik nach Villingen kam und in den Hexen­ kessel des Fastnachtmontags hineingeriet, mochte sich die schwäbisch-alemannische Fastnacht anders vorgestellt haben. Eine ganze Stadt war ein Tollhaus geworden, in dem einzig der Umzug der Narrozunft eine würdige Note trug. Nach Auflösung der „Lang‘ sehen Kapelle“ übernahm die „Kuner‘ sehe Kapelle“ das Wecken und stellte sich als Festkapelle der Katzenmusik zur Verfügung. Nach und nach schalteten sich auch Gruppen ein, die die örtlichen und persönlichen Begebenhei­ ten sowohl in satirischer als auch in humo­ ristischer Art und Weise während des Um­ zugs und auch vor den Häusern der Verulk­ ten aufführten. Eine gewisse Zeit herrschte 201

Brauchtum immer Ordnung, aber nach und nach arte­ ten die Veranstaltungen aus und glichen ei­ nem „Haberfeldtreiben“, wie sich ein dama­ liger Chronist ausdrückte. Es vergingen Jahre, bis sich aus dieser neu­ en Fastnachts-Gesellschaft, der „Katzenmu­ sik“, die ersten Gruppen zu Fuß und zu Wa­ gen zu organisieren begannen, sich ange­ führt von Tambourmajor, mit Trommeln und Pfeifen, und „Oberrolli“ zu regelrech­ ten Umzügen formierten. Diese Gruppen wurden begeistert begrüßt und belacht. Aber auch wenn das Lachen bekanntlich ge­ sund sein soll, manchem, selbst bis in den Rat der Stadt hinein, war eben dieses gründ­ lich vergangen. Die Folge waren öffentliche Rügen und Polemiken in den Zeitungen. Doch trotz allem wiederholte sich das Spiel im nächsten Jahr wieder. Doch dank einiger beherzter Männer wurde diesem wüsten Treiben ein baldiges Ende bereitet. Strenge Ordnung kehrte wieder ein, ohne jedoch dem gesunden Humor oder anständigen Ulk Vorschriften zu erteilen. Vielleicht in Verhöhnung des „Preußen-Reiches“, aber auch zum Schutz der Ordnung, wurde eine militärisch ausgerichtete und uniformierte ,,Zugpolizei“ geschaffen. Schon 10 Jahre später, im Jahre 1882, wur­ de zu einer ordnungsgemäßen Versamm­ lung unter Abwicklung der Regularien in ‚Jl ‚. den „Felsen“ in die Gerberstraße eingela­ den. Damals schon hat man den heute noch gespielten Katzenmusikmarsch intoniert. Es war somit eine lange Entwicklung bis die Katzenmusik, diese „zweitstärkste Partei“ im städtischen Fastnachtsrummel und sozusa­ gen die „Oppositionspartei aus Grundsatz“, soweit war wie sie heute ist. Um jene Zeit war man sich auch klar dar­ über, daß es ohne straffe Organisation nicht mehr geht, das hieß, man mußte sich vor den hohen Tagen treffen, um die Gestaltung des Umzugs zu besprechen. Man sprach da­ mals schon innerhalb der Katzenmusik von einer Zuggesellschaft, die vereinsintern alles Organisatorische für die Fastnacht festlegte. Ein Zusammenschluß mit dem damaligen Fröhlichkeitsverein hatte wegen unüber­ brückbarer Meinungsverschiedenheiten kei­ nen Bestand. Die Katzenmusiker machten der Lamentierei schon bald ein Ende und organisierten ihr Vereinsgeschehen wieder in eigener Regie. Die Vorbereitungen für die hohen Tage wa­ ren allerdings noch nicht so umfangreich wie heute: man traf sich drei Tage vor dem „Fescht“ und gab Direktiven aus, um die Fastnachtstage „unfallfrei“ über die Bühne zu bringen. Viele Namen wären an dieser Stelle zu nennen, die sich voll und ganz der Katzenmusik vor dem Ersten Weltkrieg ver­ schrieben hatten. Der Krieg brachte dann das Fastnachtstreiben in der ganzen Stadt zum Erliegen. Sehr viele Katzenmusiker waren zum Kriegsdienst eingezogen worden und kehrten erst 1919 und 1920 wieder in die Heimat zurück. Im Jahre 1920 machten die Katzen­ musiker Nägel mit Köpfen, bildeten ei­ nen Ausschuß, der am l. Februar zu ei­ ner Gründungsversammlung einlud. Nach einer kurzen Erklärung und an­ schließender Aussprache waren sich die Teilnehmer einig, die 48 Jahre lang be­ standene Umzugsgesellschaft wieder aus dem Schlaf zu wecken und ihr nun Anfahrt zum traditionellen Katerempfang beim Romäus- turm am Fasnetstmdig. 202

den offiziellen Namen „Katzenmusikverein Miau“ zu geben. Damit war die Fastnachts­ vereinigung auf ein Fundament gestellt, auf das nachfolgende Generationen Stein auf Stein setzen konnten. Von da an spürte man den Willen, eine ordentliche Fastnacht auf die Beine zu stellen. Man hatte nun eine Führung, die sich bei Vorbereitung und Durchführung des Umzugs jegliche erdenk­ liche Mühe gab, getreu nach dem Motto: ,,Wir sind mit Stolz und Würde der Katzen­ musik Zierde.“ Im Jahre 1924 die großen Unterhaltungsabende begründet Im Jahre 1924 entschloß man sich zusätz­ lich zum Umzug einen Unterhaltungsabend zu veranstalten, der sich seitdem alljährlich großer Beliebtheit erfreut. Diese Auffüh­ rungen nahm das Publikum begeistert auf, wurden doch hierbei jeweils die Villinger Begebenheiten mit einem gepfefferten Stadtklatsch beleuchtet. Diese Abende fan­ den einen solchen Zuspruch, daß die Säle stets überfüllt waren. Die Verantwortlichen setzten sich weiter mit der Neuordnung des Umzugs auseinan­ der. Die Wagen- und Fußgruppen bekamen in ihren Ausdrucksformen ein eindeutiges Gepräge. Die Ausführungen wurden von Jahr zu Jahr besser. Und obwohl die Kat­ zenmusiker im Dritten Reich als die „Roten“ verschrieen waren, gelang es ihnen immer wieder, unter ihrer Narrenkappe ein offenes Wort zu riskieren. Der Zweite Weltkrieg brachte dann das närrische Treiben erneut zum Erliegen. 1947 tritt die Katzenmusik wieder mit ei­ ner Wagengruppe (,,Wer hat dich du schöner Wald … „) an die Öffentlichkeit. Der Wagen wurde kurzerhand von der damaligen Be­ satzungsbehörde verboten, weil er die Re­ parationshiebe zum Ziel hatte. In den nach­ folgenden Zeiten des Wirtschaftswunders ging es auch bei der Katzenmusik mit Rie­ senschritten weiter aufwärts. In das Jahr Vlllinger Katzenmusik 1950 fällt der Zeitpunkt, an dem die Stadt­ harmonie Vtllingen in voller Stärke beim Katzenmusikumzug auftrat. Zum 80jähri­ gen Jubiläum imJahre 1952 wurde dem Ge­ neralfeldmarschall eine „Katzmotter“ zur Seite gestellt. Über viele Jahre hinweg war dies die bekannte Maria Zschoche. Zu die­ sem Jubiläum wurde auch erstmals ein Ga­ lawagen für die Vorstandschaft eingeführt. Bisher wurden die Umzüge vom jeweiligen Generalfeldmarschall immer hoch zu Roß angeführt. 1953 wurden in der Vorstandschaft der Katzenmusik die verantwortlichen Zustän­ digkeiten in der Weise geschaffen, daß Kom­ missionen für den Wagenbau, Unterhal­ tung, Zeitung und Ordensverleihung festge­ legt wurden. Ein Kostüm für die Leitfigur des Vereins, den Kater, wurde erstmals 1958 geschaffen. Mit der Laterne in der Hand und in Begleitung einer Eule, als Zeichen der Weisheit, versucht er zu „loschoren“. Anstelle des Fastnachtssuchens wird seit 1958 der Kater am „Fasnet-Sundig“ aus dem Romäusturm befreit und mit viel Trara zum Generalappell in die Tonhalle geleitet. Im Jahre 1954 wurde wieder ein entschei­ dender Schritt unternommen, man ent­ schloß sich, den Verein in das Vereinsregister eintragen zu lassen. Seitdem fuhrt der Ver­ ein die Bezeichnung „Katzenmusikverein Villingen e. V.“ Ohne Idealisten, die leider nicht alle ge­ nannt werden können, wäre die Katzenmu­ sik heute nicht auf solch einem hohen Ni­ veau. Das Ansehen der Katzenmusik stieg permanent, was nicht zuletzt ein Verdienst ihrer Generalfeldmarschälle war. Ludwig Rapp und Hermann Ummenhofer galten als die Erneuerer des Vereins. Ihre Nachfol­ ger Karl Strittmatter, Heinz Glunz und vor allen Dingen Alfons Moser, brachten die Katzenmusik mit ihrem Engagement immer weiter zu resr.ektvollem Ansehen. Eine neue Ara begann im Jahre 1991. Al­ fons Moser gab den Marschallstab in jünge­ re Hände. Heinz Gabriel, ein Katzenmusi- 203

Villinger Katzenmusik Die Narrenwelt aus d$r Sicht des Katers, Blick vom Romäusturm beim Katerempfang am Fasnetsundig. wurde im Jahre 1992 nachgeholt -mit Stolz und Würde zog man wieder in die alte Zähringerstadt ein. Aus simplen Anfängen heraus hat sich die Katzenmusik zu einem der großen Fast­ nachtsvereine entwickelt. Sie ist auf dem richtigen Weg, denn sie will ein großes sati­ risches Bilderbuch für jeden sein. Werner jörres ker von altem Schrot und Korn, übernahm mit einer jungen Vorstandschaft die Füh­ rung über das Katzenheer. Doch gleich zu Beginn seiner Amtszeit wurde ihm ein her­ ber Schlag versetzt: Die Fastnacht 1991 fand nicht statt. Wegen des unheilvollen Golf­ krieges wurden auf Empfehlung der Bun­ derregierung keine närrischen Tage veran­ staltet. Alle Vorbereitungen für den großen Katzenball und den Umzug waren umsonst. Was im Jahre 1991 nicht zum Tragen kam, 204

Fohrebobbele verkörpert den Schwarzwald Die Fasnacht wird in St. Georgen erst seit dreißig Jahren gefeiert Brauchtum Die Fasnacht hat im im Schwarzwald-Baar­ Kreis eine lange Tradition und es gibt wohl kaum einen Ort, wo zur fünften Jahreszeit die Narren nicht zu finden wären. Auch im überwiegend evangelischen St. Georgen wird das närrische Brauchtum heutzutage gepflegt. Allerdings reichen die Wurzeln nicht wie bei echten Narrenhochburgen ins vergangene Jahrhundert zurück. Zwar ist in Zeitungsberichten schon Anfang des 20. Jahrhunderts die Rede von Fasnachtsveran­ staltungen, doch diese beschränkten sich auf Saalfeiern. Erst 1967 wagte eine Handvoll Männer den Schritt, die Fasnet in die Bergstadt zu brin­ gen. Die Anfänge waren bescheiden, jedoch wollten die Organisatoren die St. George­ ner Fasnacht in kleinen, dafür beständigen Schritten aufbauen. Heute, 31Jahre danach, zählt St. Georgen fünf eigenständige Nar­ rengruppen, einen Fanfarenzug sowie eine Tanz- und eine Junggarde. Aus dem Ortsteil Peterzell reihen sich eine Bürgerwehr, eine Narrengruppe und eine Guggenmusik in die närrische Familie ein. Daß die Fasnet in St. Georgen so lange überdauert hat, ist nicht selbstverständlich. Zur Zeit der Grün­ dung der Narrenzunft war St. Georgen kon­ fessionell überwiegend protestantisch, und die Idee, ausgerechnet hier die alemanni­ sche Narretei anzusiedeln, stieß auf wenig Gegenliebe und noch weniger Verständnis. Für die Gründungsmitglieder der Narren­ zunft war klar, daß die Fasnachtsfigur die Landschaftsverbundenheit ausdrücken soll­ te. Und so erblickte im Frühjahr 1967 das ,,Fohrebobbele“ das Licht der (Fasnachts)­ Welt. Die Maske ist einem Kiefernzapfen nachempfunden, das braune Häs mit klei­ nen Kiefernzapfen, eben Fohrebobbele, und Glöckchen bestückt. Auf dem Rücken thront ein gemaltes Eichhörnchen, und das Beinkleid ist mit Motiven aus der Natur handbemalt. Um das Fohrebobbele nicht als Einzelfigur laufen zu lassen, stellte man ihm bereits zwei Jahre später das Kräuter­ wieble an die Seite. Hier fällt die Bemalung des Rockes mit allerlei Kräutern besonders auf Die grüne Jacke symbolisiert den Wald, in dem sich das Kräuterwieble vorwiegend aufhält, die Maske zeigt ein liebenswertes, wettergegerbtes Gesicht. In den ersten Jah­ ren des Bestehens der Narrenzunft St. Ge­ orgen wurden außerdem ein Fanfarenzug und dank der rheinischen Herkunft eines der Gründungsmitglieder eine Georgetten­ garde gegründet. Im Laufe der Jahre hat sich die Fasnet in St. Georgen etabliert, ist aber bis zum heu­ tigen Tag nicht unumstritten. Immerhin säumen beim alljährlichen Rosenmontags­ umzug einige tausend Bürgerinnen und Bürger die Straßen, um den närrischen Lindwurm an sich vorüberziehen zu lassen. Auch das „Bütteg’schwätz“, eine Veranstal­ tung mit Büttenreden, Sketchen und Tän­ zen, hat seinen festen Platz im Narrenka­ lender, ebenso wie die Machtübernahme der Narren am Schmotzigen Donnerstag durch die symbolische Übernahme des Rathaus­ schlüssels und die Fasnachtsverbrennung am Dienstag auf dem Marktplatz. So hatte die St. Georgener Fasnet in den ersten 25 Jahren ihres Bestehens eine Mo­ nopolstellung in der Bergstadt. Abgesehen von Peterzell, das mit seiner närrischen Bür­ gerwehr seit Anfang der siebziger Jahre ebenfalls an der St. Georgener Fasnet mit­ wirkt und als einziger Ortsteil von St. Ge­ orgen seit 1990 eine eigene Fasnachtsfigur, den Engelegoascht, und die Guggenmusik „Bloos-Arsch“ besitzt. Im Jahr 1992 gesellte sich eine neue Fasnachtsfigur hinzu: Die „Nesthexe“, eine nach einer alten Brigacher 205

Brauchtum Fohrebobbele und Kräuterwieble, die Haztpifigu.ren der St. Georgener Fasnacht. Sage entworfene Figur. Das „Nest“ ist ein Zinken im St. Georgener Ortsteil Brigach. Dort, so die Sage, lebte einst eine alte Frau, die im „siebten Buch Moses“ las. Allerdings verstand sie den Inhalt nicht recht und merkwürdige Dinge passierten. Erst als die alte Frau das Buch unter einem Grenzstein vergrub, herrschte Ruhe. Heute hüpft die Nesthexe als Fasnachtsfigur im Schwarz-Li­ la-Häs und mit einer Maske mit echtem Roßhaar durch die fünfte Jahreszeit. Ein Jahr später blätterten wohl wieder ei­ nige narrenbegeisterte junge Leute in der St. Georgener Chronik und entdeckten die Geschichte von einem jungen Mann, dem im St. Georgener Hochwald der Teufel in leibhaftiger Person erschienen sein soll. So entstand der „Hohwalddeufel“ mit weinro­ tem und schwarzem Häs. Die St. Georgener Bevölkerung hatte jedes Jahr beim großen Rosenmontagsumzug ei­ ne neue Attraktion zu bewundern, denn die neuen Figuren wurden dort der Öffentlich­ keit meist erstmals vorgestellt. Doch mit den „Hohwalddeufel“ hatte die Vermehrung der Bergstädtischen Narren noch lange kein Ende gefunden. Zur Fas­ nacht 1995 stießen die „Mühlbachgeister“ hinzu. Die Entstehungsgeschichte dieser Mühlbachgeister geht auf einen habgierigen Bauern zurück, den Mühlbachjockel, der ei­ nes nachts in seinem Weiher ertrank und seither als Geist umherirren soll. Das Häs des Mühlbachgeistes ist farblich den Ele­ menten der Sage angepaßt. Schwarze Lei­ nenhose als Symbol für die Nacht, der Kit­ tel in blauer Grundfarbe zur Darstellung des Weihers, und die aufgemalte Mühle auf der Vorderseite des Kittels steht für die Mühlen im Schwarzwald. Eine Besonderheit der 206

SL Georgeocr Fasnacht Mühlbachgeister ist ihr Hand­ werkszeug: Mit langen, peit­ schenähnlichen Karbatschen treiben sie, zumindest symbo­ lisch, den harten und kalten Winter aus. Die letzte Figur, die die St. Ge­ orgener Fasnacht bereichert, ist der „Schof-Striezi“. Auch eine Hexenfigur, fällt die Gestalt durch großzügige Verwendung von Heidschnuckenfell auf, das als Schürze, Weste und in der Kopfbedeckung verarbeitet wur­ de. Daher auch der Name „Schof“. Der „Striezi“ steht für einen kleinen Strolch, der aber nichts Böses im Sinn hat. Im Ge­ gensatz zu den anderen Figuren entstand der Schofstriezi nicht nach einer Sage, sondern aus der Kreativität einiger junger Män­ ner und Frauen. Zur Fasnacht gehört auch Mu­ sik und Gesang, und ein be­ kannter Tegernseer Blasmusiker komponierte den Fohrebobbele­ marsch. Dem fügte ein St. Geor­ gener Bürger später noch einen zweiten Teil hinzu, und zu die- sen beiden Melodien tanzen Fohrebobbele und Kräuter­ wieble bei Saalveranstaltungen einen Tanz mit echtem Brauch­ tumscharakter. . – Der Fortbestand der St. Geor­ gener Fasnacht ist für die kom­ menden Jahre wohl kaum ge­ fährdet, denn sämtliche Zünfte und Gruppen können über Der Engelegoascht aus Peterzell, St. Georgens einzigem Stadtteil Nachwuchsmangel nicht klagen. mit eigener Fasnachtsfigur. Und so werden sicherlich auch nach der nahen Jahrtausendwende die ver­ schiedensten Fasnachtsfiguren an den närri­ schen Tagen zwischen Schmotzigem Don- nerstag und Aschermittwoch durch St. Ge- orgens Straßen hüpfen und mit lauten „Nar- ri-Narro“-Rufen die Bergstadtbevölkerung zur Narretei animieren. Roland Sprich 207

Ein Bilderbuch des Glaubens Zeugnis gibt. Jedenfalls mußten sich die Bräunlinger über Jahrhunderte hinweg mit der Remigiuskirche draußen vor der Stadt begnügen. Der Bau der heutigen, monu­ mentalen Stadtkirche erfolgte dann erst im vorigen Jahrhundert. Die Initiative zum Bau einer großen Kir­ che geht auf den damaligen Pfarrer und De­ kan Carl Alois Metz zurück, der von 1876 13. Kapitel I Almanach 98 Die Pfarrkirche „Maria vom Berge Karmel“ in Bräunlingen ein monumentales Bauwerk Entsprechend der langen Geschichte Bräunlingens -lange vor der Stadterhebung 1295 -reicht auch die kirchliche Vergan­ genheit weit zurück. Heute gilt Bräunlingen nachweislich als Mutterpfarrei der gesamten Westbaar. Das christliche Gemeindeleben dürfte bereits im 8. Jahrhundert mit einem kleinen Remigius-Heiligtum begonnen ha­ ben. Die Gründungsurkunde, auf welche sich die Pfarrei Bräunlingen heute berufen kann, datiert aus dem Jahre 799. Sie stammt vom Kloster Reichenau im Bodensee und beurkundet, daß der damalige Abt des In­ selklosters, Waldo, einen Priester entsandte mit der Aufgabe, in der neu errichteten Pfar­ rei „ad sacellum Sancti Remigii“ (Heiligtum des Heiligen Remigius} die Seelsorge wahr­ zunehmen. Das genannte Remigius-Heiligtum war wohl eine kleine bescheidene Holzkirche, von der sich keine Spuren erhalten haben. Vermutlich um das Jahr 900 wurde dann an Stelle des Holzkirchleins ein größeres Got­ teshaus aus Stein errichtet. Dieser Bau über­ dauerte etwa 400 Jahre, ehe er durch die heutige Remigiuskirche abgelöst wurde. Diese heutige „Gottesackerkirche“ erinnert noch an die Zeiten, wo das Gotteshaus kirchlicher Mittelpunkt der gesamten West­ baar war. Eine große Kirche inmitten der Stadt ha­ ben die Bräunlinger allerdings im Verlauf der Jahrhunderte nie besessen. Das 1695 eingeweihte Lieb-Frauen-Kirchlein, zur Un­ terscheidung von der Remigiuskirche „unte­ re Pfarrkirche“ genannt, war viel zu klein und zu eng. Allerdings muß der Bau mit ei­ ner prächtigen barocken Innenausstattung geschmückt gewesen sein, wovon die noch heute in der Stadtkirche erhaltene Kanzel Kirchen und Kapellen Die Bräunlinger lfarrkirche „Maria vom Berge Karmel“ wurde im 19. Jahrhundert erbaut. 209

Kirchen und Kapellen bis 1906 Seelsorger in Bräunlingen war. Ihm gelang es, die Bevölkerung rasch für das große Vorhaben zu begeistern und schon bald wurde mit dem Abbruch der alten Lieb­ Frauen-K.irche („untere Pfarrkirche“) begon­ nen, an deren Stelle die neue Stadtkirche emporwachsen sollte. Kurioserweise begann Dekan Metz den Neubau mit der Beschaf­ fung eines neuen Geläutes, das er in einem hölzernen Notturm aufhängen ließ. Nachdem die Verhandlungen über Pla­ nung und Finanzierung zum Abschluß ge­ bracht worden waren, stand fest, daß die Bauleitung nicht bei der Pfarrgemeinde, sondern bei der politischen Gemeinde lie­ gen sollte. Als Bauleiter sollte der damalige fürstlich fürstenbergische Hofbaumeister Weinbrenner fungieren. Die politische Ge­ meinde mußte mit 115 000 Goldmark auch die Hauptlast der Kosten übernehmen, während die Kirchen­ gemeinde rund 90 000 Mark aufzubringen hatte. In diesen Ko­ sten war der Innenaus­ bau nicht erhalten, der von der Kirchenge­ meinde selbst getragen werden mußte. Da die politische Ge­ meinde als Hauptgeld­ geberin des Rohbaus auch für die Baulei­ tung verantwortlich zeichnete, waren der Kirchengemeinde die Hände gebunden, was den Baustil der neuen Kirche betraf. Pfarrer Metz hätte am liebsten eine Kirche im rein romanischen Stil mit zwei niedrigen Tür­ men verwirklicht. Der ausgeführte Kirchen­ bau hingegen ist nicht eindeutig einer Stil­ richtung zuzuordnen. Er vereinigt sowohl neuromanische, neugotische, neubarocke wie auch Elemente des Nazarener-Stils. Stadtpfarrer und Dekan Carl Alois Metz, der von 1876 bis 1906 in Bräun- fingen tätig war. Nach zweijährigen Vorbereitungen und Planungen war am 8. Juni 1881 feierliche 210 Der Patron der Friedhofikirche Remigius, wie die Kanzel auf dem Bild unten geschaffen um 1750 durch den Villinger Bildhauer Schupp. Die Kanzel stammt aus der früheren lieb-Frauen-Kirche.

.Maria vom Berge Karmel“ Maße wie eine wahre Kathedrale“, schrieb der Bekannte Dichterpfarrer Heinrich Hans­ jakob über seinen ersten Eindruck, den er beim Betreten der neuen Kirche hatte. Und eben dieser monumentale Innenraum sollte nach dem Willen von Pfarrer Metz eine prächtige Ausstattung bekommen, mit far­ benfroh getönten Wandflächen und zahl­ reichen Wand-und Deckengemälden. Den Auftrag für die Verwirklichung des großen Werkes bekam der Bildhauer und Maler Franz Simmler aus Offenburg. In Grundsteinlegung. In der Folgezeit wuchs der Rohbau rasch empor und schon zu Al­ lerheiligen 1883 nahm die Gemeinde ihr neues Gotteshaus in Besitz, obwohl es da­ mals noch nicht fertiggestellt war und sogar die Fenster noch mit Brettern vernagelt wa­ ren. Die festliche Einweihung der neuen Stadtkirche „Maria, Unsere Liebe Frau vom Berge Karmel“ erfolgte dann am Kirchweih­ fest 1889 durch den Bischof von Mainz, da der damalige Erzbischof von Freiburg krank­ heitshalber nicht nach Bräunlingen reisen konnte. Entstanden war ein monu­ mentaler Bau, der noch heu­ te durch seine Größe impo­ niert. Ohne Turm umfaßt die Kirche eine Innenfläche von 963 Qiadratmetern, hat im Mittelschiff, Qierschiff und Chorraum eine lichte Höhe von 17,50 Meter und in den Seitenschiffen von 8,80 Me­ ter. Die äußere Höhe bis zum Dachfirst mißt 21,90 Meter, die Kirche ist insgesamt 54 Meter lang und bis zur Kreuz­ spitze erhebt sich der Turm 62 Meter über den Erdboden. Als der Neubau vollendet war, konnte Pfarrer Metz in sein Tagebuch schreiben: „Gott sei Lob und Dank, daß wir soweit sind und kein Un­ fall passiert ist… Der Rohbau mit Gestühl hat gekostet 246000 Mark“, Damit war der Kostenvoranschlag um 41000 Mark überschritten worden, ganz abgesehen von den immensen Kosten für die innere Ausgestaltung des Baus. Bei der Innenausstattung der Kirche hatte Pfarrer Metz freie Hand. ,,Er imponiert Der Hochaltar mit der großen Figurengruppe „Maria, Unsere Liebe durch seine Größe in hohem Frau vom Berge Karmel“. 211

Kirchen und Kapellen leuchtenden Farben schuf er ein wahres Bilderbuch mit Darstellungen von Bi­ belmotiven, Engeln und Heiligen. Im Jahre 1889 war das Werk im wesentlichen vollendet, wovon die im Gewölbe des Chores einge­ malte Jahreszahl Zeugnis gibt, doch bis der letzte Pin­ selstrich getan war, sollten nochmals zehn Jahre ins Land ziehen. An diesen Ar­ beiten war dann auch der einheimische Kunstmaler Carl Hornung beteiligt. gepaßt. Nicht zuletzt erhielt die Pfarrkirche damals auch eine neue Orgel mit 35 Re­ gistern aus der Werkstätte der Firma Schwarz aus Überlingen am Bodensee. Die Ausstattung der Kirche ist ungewöhnlich reich. Ins­ gesamt schmücken über 100 farbige Gemälde und rund 50 figürliche Werke den Kir­ chenraum. Blickfang ist der Hochaltar mit der großen Figurengruppe „Maria, Un­ sere Liebe Frau vom Berge Karmel“. Die W ände und die Decke sind fast vollstän­ dig mit Gemälden überzo­ gen. So prangen beispiels­ weise am Kreuzgewölbe in der Vierung die vier Evan­ gelisten mit ihren Symbo­ len: Matthäus mit der Bei­ gabe eines Menschen- oder Engelgesichts, Markus mit Löwe, Lukas mit Stier und Johannes mit Adler. Über den Säulen des Mittelschiffs sind umlaufend die zwölf Apostel dargestellt. Im Deckengewölbe des Haupt­ schiffs hat der Maler acht detail- und farbenreichen Fenster der Szenen aus verschiedenen Bräunlinger Kirche. Heiligenleben geschaffen, zur Illustration der acht Se- ligkeiten: Franz von Assisi, Franz von Sales, Engel am Grab Jesu, Franz Xaver, Elisabeth von Thüringen, Königin Kunigunde, Niko­ laus von Flüe und Bischof Athanasius von Alexandrien. Im Deckengewölbe der Sei­ tenschiffe sind festgehalten die Werke der Barmherzigkeit: Hungrige speisen, Durstige tränken, Nackte bekleiden, Fremde beher­ bergen, Gefangene befreien, Kranke besu­ chen, Tote begraben und schließlich Chri­ stus beim Weltgericht. Gelungen ist den beteilig­ ten Künstlern damals ein beachtenswertes Gesamt­ kunstwerk von Architektur und Ausstattung, das der Bräunlinger Stadtkirche ei­ nen besonderen Rang unter den Kirchenbauten aus der Zeit des Historismus ver­ leiht, jener Zeitspanne also, als es für Kirchenbauten von der Mitte des 19. Jahr­ hunderts bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts keinen verbindlichen Stil gab. Da­ mals nahmen die Architek- Kostbare Meisterwerke sind auch die ten und Künstler Anleihen aus den Epochen von Ro­ manik, Gotik und Barock und schufen aus diesen Elementen ganz neue Stilkompositionen. Nach langen Jah­ ren der Geringachtung, schätzen heute selbst Fachleute wieder den Wert der Kir­ chenbauten aus dieser Phase. In jedem Falle blieb das wertvolle Bräun­ linger Gesamtkunstwerk bis heute vollstän­ dig erhalten, eine Seltenheit. Auch die große Renovierung der Jahre 1972 und 1973 ließ die Ausstattung unangetastet und frischte die Farben behutsam auf. Neues wie der Volksaltar wurde sorgsam in den Raum ein- 212 Eines der auffälligsten Ausstattungsstücke

ist zweifellos die prächtige Kanzel. Sie stammt noch aus dem alten Lieb-Frauen­ Kirchlein, das beim Neubau der Stadtkirche abgebrochen wurde. Geschaffen wurde das barocke Meisterwerk wohl in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in der Villinger Schupp-Werkstatt. In den Feldern des Kan­ zelkorbes finden sich Darstellungen der vier lateinischen Kirchenlehrer: Augustinus mit Buch, Gregor der Große mit Tiara, Ambro­ sius mit Bienenstock und Hieronymus mit Löwe. Den Schalldeckel schmückt das für die Schupp-Werkstatt charakteristische kräf­ tige Laubwerk mit Rosetten. Auf dem Rand des Schalldeckels stehen die Figuren der Evangelisten sowie Petrus und Paulus. Auf der Spitze der Kanzel thront Jesus Christus, das Wort Gottes. Zudem gehören zum In­ ventar der Kirche zahlreiche Heiligenfigu­ ren, darunter ein Johannes Nepomuk und ein Remigius, die ebenso wie die Kanzel aus der Schupp-Werkstatt stammen. .Maria vom Berge Karmel“ Erst nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt die Bräunlinger Stadtkirche ihr heutiges Geläute. Die Glocken von 1877 und von 1921 hatten allesamt die Kriege nicht über­ standen. In der Amtszeit von Bürgermeister Blenkle und Pfarrer Weißmann wurde bald nach Kriegsende an die Beschaffung neuer Glocken herangegangen. Gegossen wurden die fünf neuen Glocken in der Werkstätte von Meister Hermann Hamm im pfälzi­ schen Frankenthal. Glockenweihe durch Prälat Schuldis war am 29. Juni 1950. Seit­ her rufen vom Bräunlinger Stadtkirchturm aus luftiger Höhe in der Tonfolge cl -esl – fl -g 1 -bl die Christkönigsglocke (2100 Kilogramm), Marienglocke (1210 Kilo­ gramm), Remigiusglocke (872 Kilogramm), Donatusglocke (632 Kilogramm) und die Agathaglocke (355 Kilogramm). Jochen Schultheiß Blick in die Vierung mit den Darstellungen der vier Evangelisten. 213

Kirchen und Kapellen ,,Eine der schönsten im Schwarzwald“ Schönenbacher St.· Nikolaus· Kirche geht auf das Jahr 1221 zurück „Sie ist eine der schönsten des ganzen Schwarzwaldes.“ So rühmte Hermann von Vicari einst die Schönenbacher Pfarrkirche. Das war im Jahre 1844, als der Freiburger Erzbischof eigens nach Schönenbach ge· kommen war, um in der St-Nikolaus-Kir­ che die Firmung zu spenden. Inzwischen sind nicht nur über 150 Jahre vergangen, die Kirche hat auch mehrere Renovationen er­ lebt, die ihr Erscheinungsbild im Innern so stark veränderten, daß es so, wie es sich heu­ te präsentiert, nicht mehr viel Ähnlichkeit haben dürfte mit dem, was Erzbischof von Vicari 1844 noch vor Augen hatte. Die Schönenbacher St. -Nikolaus-Kirche, die einst eine Wehrkirche gewesen sein könnte. 214 Nach der letzten Renovation, außen 1983, innen 1986/87, präsentiert sich die Schö­ nenbacher St.-Nikolaus-Kirche aber wieder so geschlossen und reizvoll, daß sie zumin­ dest zu den interessantesten Kirchen des Schwarzwaldes gezählt werden muß, vor al­ lem auch, was ihre Geschichte anbelangt. Archivar Dr. Walter Fauler und der Salesia­ nerpater Franz Hettel, gegenwärtig Pfarrer in Schönenbach, haben in der Forschung die­ ser Geschichte Vorzügliches geleistet. Auf ihren Nachforschungen und Niederschrif­ ten fußt dieser Beitrag. Als „filia ecclesiae parrochialis Herzogin­ wilare“ – als »Filial-Kapelle“ der Pfarrkirche von Herzogenweiler also -so taucht die er­ ste Schönenbacher Kirche im Jahre 1221 aus der Geschichte auf. Vermutlich war schon dieses Kirchlein »St. Niclasen“ geweiht. Dem bei Renovierungsarbeiten aufgefunde­ nen Restmauerwerk nach zu schließen, dürf­ te es ein regelrechtes Wehrkirchlein gewesen sein mit dicken Mauern und Schießschar­ ten. Die Siedler, die in dieser Kirche seeli­ schen Trost und leiblichen Schutz suchten, bewirtschafteten die 29 Lehensgüter des Klosters St. Georgen, die um 1160 zur Vog­ tei „Sconowe“ vereinigt worden waren. Der Name „Sconowe“ bedeutete im damaligen Amtsdeutsch „Waldwiese“ oder »schöne Wiese (Au) im Wald“. Der Name wandelte sich später in Schönowe (1315). Schönach (1360), Schönnow (1430), Schenow (1541) und schließlich ab 1709 in Shenenbach und Schönenbach. 1599 schreibt sich Vikar Conrad Binder mit seinem »Schönenbacher Kalendarium“ in die Ortsgeschichte ein; erster Pfarrer wird aber Christoph Landherr, Magister und Pfarrer aus Geisingen (1639-1651), denn 1639 wird die Pfarrei, mittlerweile zu Vöhrenbach gehörig, selbständig.

Nach Pfarrer Christoph Landherr sind wei­ tere 42 Namen im Register der Schönen­ bacher Pfarrer verzeichnet, darunter der gegenwärtige Furtwanger Stadtpfarrer und Geistliche Rat Josef Beha gleich dreimal – zweimal als Pfarrverweser (1972-1973, 1977) und einmal als „vicarius oeconomus“ (1981-1982). 1982 übernahm Salesianerpa­ ter Franz Bettel die Pfarrei Schönenbach samt der Filiale Linach. Unter den Schönenbacher Pfarrern waren einige herausragende Persönlichkeiten. Von ihnen sei nur einer herausgegriffen: Pfarrer Florian Baumgärtner (1875-1913). Er war nicht nur 38 Jahre lang in Schönenbach überaus segensreich tätig (Pfarrer Stephan Scherer: ein heiligmäßiger Mann}; er war es auch, der die große Innenrenovation einlei­ tete und (1909-1912} durchführen ließ. Dies ist insofern von Interesse, als die Kirche heute, nach mehrfachen Veränderungen, in etwa wieder das Bild von damals bietet. Die Schön nbacber Kirche Chronisten hatten dazu festgehalten: ,,Neo­ romanische Altäre wurden aufgestellt, die schmucklosen Fenster durch schön bemalte ersetzt. Maler Kallen aus Konstanz schuf auch das Chorgemälde mit den zwölf Apo­ steln. Der Kreuzweg wurde neu gefaßt. Der Beichtstuhl kam von Marmon in Sigmarin­ gen.“ Es ist anzunehmen, daß die Kirche auch die malerische Ausgestaltung erhielt, die sie heute aufweist, die Deckengemälde und die Bänderung der Decke (Schablonen­ malerei), ebenso die Gestaltung der Wände hinter den Seitenaltären mit Jugendstilmo­ tiven. Diese Malereien verschwanden 1938 wieder. Sie wurden weiß überstrichen. 1955 wurde das Kircheninnere abermals verän­ dert, ,,im Geist der damaligen Zeit ausge­ staltet.“ Die Decke wurde mit schlichten Bändern mit wenig Ornamenten bemalt und 1968 wurde die ganze Kirche nach ei­ nem Brand am Marienaltar mit einem ge­ deckten Weiß ausgemalt (Dispersionsfarbe). Die kostbaren Deckengemälde und Ornamente wurden im Rahmen der groß angelegten Innenrenovation im Jahr 19 8 6 wieder freigelegt und restauriert. 215

Kirchen und Kapellen Die Schönenbacher Madonna aus graugrünem Sandstein. Ihre Entstehung wird um das fahr 1250 datiert. Erhalten blieb nur die Apostelgruppe im Chorbogen. 1983 Außenrenovation der Kirche; 1986 Innenrenovation, 1993 Einbau der „neuen“ Orgel – so der chronologische Ablauf der Gesamterneuerung der Schönenbacher Kir­ che. Bei der Innenrenovierung entschied man sich, die Ausmalung von 1909bis 1912 wieder sichtbar zu machen. Das Abnehmen der deckenden Farben erwies sich im Nach­ hinein aber als sehr schwierig. Allein der Mehraufwand dafür betrug 213 392 Mark. Erhalten geblieben war die Bemalung des Chorbogens (Christus mit Mandorla inmit­ ten der zwölf Apostel von Maler Kollen aus 216 Konstanz, 1909), freigelegt wurde wieder die Bebänderung (sieben Sakramente und Or­ namente), die Bemalung der Wände hinter den Seitenaltären Ougendstil?) und die Deckengemälde, die den Auferstandenen mit Wächter und Engel zeigen (vorne), die Krönung Mariens (Mitte) und Mariä Ver­ kündigung (hinten). Außergewöhnliche Fenster Die bunten Glasfenster (1909-1912) wa­ ren der Kirche erhalten geblieben. In ihnen sind die acht Seligpreisungen dargestellt. So zeigen die Fenster der Nordseite (von hin­ ten) die Hirten von Bethlehem (,,Selig sind die Armen im Geiste“), ein Raubüberfall (,,Selig sind die Sanftmütigen“), Magdalena und den Auferstandenen (,,Selig sind die Trauernden“),Jesus und Nikodemus (,,Selig sind die Hunger und Durst leiden“) und der Südseite (von hinten) eine Gefängnisszene (,,Selig sind die, die Verfolgung leiden“), den verlorenen Sohn (,,Selig sind die reinen Her­ zens sind“) und einen barmherzigen Sama­ riter (,,Selig sind die Barmherzigen“). Diese Darstellungen werden von Kunstkennern als „außergewöhnlich“, weil sonst nirgend­ wo auftretend, erachtet. Mariens Darstel­ lung im Tempel ist im linken, der Kirchen­ patron, der hl. Nikolaus, im rechten Chor­ fenster zu sehen. Mittelpunkt des prachtvollen, goldgefaß­ ten, von gotischen Türmchen gekrönten Hauptaltars ist der Tabernakel, darüber eine Kreuzigungsgruppe und Christus als Ho­ herpriester. Skulpturen – der hl. Nikolaus und Bischof Konrad von Konstanz – und Tiefenreliefs -Abraham opfert seinen Sohn und das „Manna-Wunder“ – ergänzen das Bildwerk. In der Mitte des Antipendiums ist Emmaus dargestellt. Links wird auf Mala­ chias verwiesen (1.11 „An jedem Ort wird meinem Namen Rauchopfer dargebracht und reine Opfergabe.“) und rechts auf Kö­ nig David, Buch der Weisheit (16,20 „Man­ na. Statt dessen gabst du deinem Volke En-

gelspeise zu es­ sen.“) „Marienleben“ ist das Thema des linken ebenfalls gotischen Seitenaltares. Mittel­ punkt ist die „Schönenbacher Madon­ na“. In Reliefs ist „Mariä Verkündigung“ und ihr Besuch bei Elisabeth dargestellt. Vier kleine Skulpturen krönen den Altar: Die Heiligen Aloisius, Katharina, Appolo­ nia und Barbara (von links). Die beiden Re­ liefs in der Predella haben Mariä Ver­ kündigung und den Besuch Marias bei Elisabeth zum Vorwurf. Legendä­ res ist in dem kleinen Bild zwischen diesen Reliefs dargestellt: Die Mutter Gottes überreicht dem heiligen Do­ minikus den Rosenkranz. Der „Schönenbacher Madonna“ sollte der Besucher seine besondere Aufmerksamkeit schenken. 97 Zentime­ ter hoch, aus graugrünem Sandstein, farb­ lich gefaßt, stellt sie ein außergewöhnliches Kunstwerk dar. Ihre Entstehung wird um 1250 datiert. Maria trägt das Kind auf dem linken Arm. Sie reicht ihm einen Rosen­ zweig mit zwei Blüten. Auf dem Zweig sitzt ein kleiner Vogel. Das Kind berührt den Vogel mit der rechten Hand; der Vo­ gel beißt das Kind in seinen linken Zeige­ finger, ein Symbol des irdischen Leidens, der Passion, der das Kind ausgesetzt sein wird. Stil, Ausdruck und eine verblüffende Ähnlichkeit mit der Madonna im Freiburger Münster (Westportal, Innenseite) lassen den Schluß zu, daß diese wertvolle Plastik in ei­ ner oberrheinischen Bauhütte entstand. Gleich aufgebaut ist auch der rechte Sei­ tenaltar, der ,Josefsaltar“. Die Skulptur ,Jo­ sef mit Kind“ wird von zwei Reliefs flankiert ,Josefs Traum“ und „Flucht nach Ägypten“. In der Predella ist eine ausgesprochene Ra­ rität eingelassen, ein kleines Gemälde ,Jo­ sefs Tod“. Die Kleinplastiken stellen dar (von links): Franz Xaver, Wendelin, Franzis­ kus und Antonius. Ein Rätsel gibt noch die neoromanische Schönenbacher Kirche 300 Jahre alter Christus, gearbeitet aus Kiefernholz. genauer: Kanzel auf, die Darstellung einer Frau mit Krone inmitten der abend­ ländischen Kirchenlehrer Augu­ stinus, Gregor, Hieronymus und Ambrosius. Ihre Gewandnadel (Fibel) zeigt das Bild einer Tau­ be. Der heiligen Theresia von Avila wurde erst später der Status einer Kirchenlehrerin zuer­ kannt, so daß diese nicht ge­ meint sein kann. So liegt die Vermutung nahe, daß es sich um eine allegorische Darstel­ lung der Kirche handelt. Auch der übrige Kirchen- schmuck ist beachtenswert, so die Statuen, die an den beiden Seiten­ wänden ihren Platz gefunden ha­ ben. Einige von ihnen dürften noch von dem barocken Bildhauer Jakob Rappenecker stammen, der, ein gebür­ tiger Schönenbacher, zwischen 1710 und 1749 an der Ausschmückung der Kirche arbeitete. Auf den Podesten an der Nordwand (links) stehen: Nepomuk, Ge­ org, Wolfgang, Aloisius, V inzenz von Paul (um 1760; 1990 gestiftet), Franz Xaver (Mis­ sionar) und Jakobus d. Ältere; an der Süd­ wand: Konrad v. Parzham, Bernhard v. Ba­ den (selig gesprochen), dann der Apostel Paulus, die Evangelisten Markus, Lukas und Johannes und schließlich der hl. Nikolaus. Der Evangelist Matthäus fehlt. Im Jahr 1915 wurden die Barockaltäre von 1722/23 verbrannt. Die schönen Altar­ gemälde, der hl. Nikolaus und die Kreuzi­ gung, blieben erhalten. Sie schmücken heu­ te wieder die Kirche, ebenso die Bildnisse des Antonius von Padua und der Theresia vom Kinde Jesu. Eine besonders wertvolle Skulptur, ein aus Kiefernholz gearbeiteter Korpus, dessen Al- 217

Schönenbacher Kirche ter auf 300 Jahre geschätzt wird, schmückt die Südwand auf der Orgel­ empore. Ehemals im Außenbereich an­ gebracht, war der Korpus dick bemalt. Pater Bettel selber hat die Farbschich­ ten abgenommen und die schöne Holz­ maserung wieder freigelegt. Mit einer „neuen“ Orgel, 1993 einge­ baut, wurde die Ausstattung der Niko­ lauskirche in Schönenbach würdig er­ gänzt. Das wertvolle Instrument aus dem Jahre 1867 (Gebrüder Link in Giengen an der Brenz) hat 23 klingen­ de Register und kann als eine besonde­ re Kostbarkeit angesehen werden. Der auswärtige Besucher hat auch noch das wunderschöne Geläut der Schönenba­ cher Kirche zu entdecken und, zur Weihnachtszeit, die mechanische Krip­ pe von Karl Dorer. Die vier neuen Glocken, von F. W. Schilling in Heidel­ berg gegossen, wurden am 8. Juni 19 52 eingeweiht. Sie wurden Christus, Ma­ ria, dem Erzengel Michael als dem Pa­ tron der Deutschen und dem Kirchen­ patron, dem hl. Nikolaus gewidmet. So präsentiert sich die Schönenbacher Pfarrkirche heute wieder, wie sie Hein­ rich Hansjakob, dessen Urgroßvater mütterlicherseits in der Schönenbacher Nikolauskirche getraut wurde, im Jahre 1900 erlebt hatte: ,,Es (Anm. das Wald­ kirchlein) ist innen so lieblich ausge­ stattet wie außen, ein echtes, rechtes Schwarzwälder Volksheiligtum, farbig und goldig und blumig.“ Robert Scherer Blick ins Kirchenschi.ff und auf die Schönen­ bacher Kanzel mit allegorischen Darstellun­ gen, deren Symbolik noch nicht vollständig ge­ klärt ist. 218

V iele Verdienste um evangelische Gemeinde Heinrich Karl Wilhelm Lotz von 1908 bis 1946 Pfarrer in Mönchweiler Kirchen und Kapellen Er war der am längsten dienende Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde von Mönchweiler. Heinrich Karl Wilhelm Latz wurde am 11. Februar 1871 in Rochester im Staat New York geboren. Seine Eltern waren der Kupferschmiedemeister Wilhelm Karl Latz aus Darmstadt und Magdalena Hart­ mann aus Pirmasens. Sie waren kurz vor dem deutsch-französischen Krieg, im Jahre 1870, in die USA ausgewandert und erhoff­ ten sich dort bessere Existenzbedingungen. Sie besuchten viele große Städte, fanden aber das Gesuchte nicht und kehrten nach einigen Jahren wieder in die angestammte Heimat zurück. Zunächst ließen sie sich in Mainz nieder, kurze Zeit später ging es dann wieder nach Darmstadt. Der junge Latz besuchte die Schulen in Mainz und Darmstadt und studierte später in Basel und Heidelberg. Er war ab 1897 sechs Jahre lang im Dienst des Evangeli­ schen Vereins für Innere Mission in Frank­ furt am Main tätig. Es waren sehr gewinn­ reiche Jahre für ihn. Er lernte u. a. auch Friedrich Naumann und dessen Mitarbeiter kennen, den späteren Bundespräsidenten T heodor Heuss. Beeinflußt in jener Zeit wurde er von Hofprediger Stöcker, der oft nach Frankfurt kam. Bevor er 1905 unter die badischen Pfarrkandidaten aufgenommen wurde, vermählte er sich in Darmstadt mit Margarete Stritzinger, Tochter des Möbel­ händlers Jean Stritzinger und der Katharina Engesser. Drei Kinder wurden ihnen im Laufe der Jahre geschenkt: lrene, Walter und Waldemar. Von 1905 bis 1908 war er Stadt­ vikar in Homberg. Diese drei Jahre unter Pfarrer Dr. Lehmann gehörten zu den schönsten seines Lebens. Inzwischen war die von ihm gewünschte Pfarrstelle in Mönch­ weiler frei geworden, der er zunächst als Pfarrverwalter vorstand. Kurze Zeit später ijarrer Heinrich Karl Wilhelm Lotz folgte die Wahl zum Pfarrer durch den Kir­ chengemeinderat. Von 1908 bis 1946, also fast 40 Jahre lang, diente er seiner Gemein­ de als Seelsorger. Auch nach seiner Zurruhe­ setzung wohnte er noch 14 Jahre im Ort. Im Jahre 1962 nahm er infolge seines schlechten Gesundheitszustandes schweren Herzens Abschied von seiner geliebten Ge­ meinde Mönchweiler, um die letzten Jahre im Hause seiner Tochter Irene und deren Mann in Mannheim zu verbringen. Im Fe­ bruar 1962 durfte der Jubilar im Kreise sei­ ner Großfamilie seinen 90. Geburtstag ver­ bringen. V iele Mönchweiler nahmen immer noch lebhaften Anteil daran, konnten sie die guten Jahre ihres langjährigen Pfarrers doch nie vergessen. Am 24. Juli 1962 ver­ starb er hochbetagt und wurde neben seiner 219

Pfarrer Heinrich Karl Wtlhelm Lotz Ehefrau, die ihm 20 Jahre vorher in den Tod vorausgegangen war, auf dem Bergfriedhof von Heidelberg feierlich zu Grabe getragen. Pfarrer Lotz war ein weltoffener Mann, der in seinen Predigten nicht nur biblische Ge­ schichten vorlas, sondern auch zum Weltge­ schehen Stellung bezog. So erfuhren die Mönchweiler Kirchenbesucher von der Kan­ zel herunter z.B. vom erfolgreichen Flug dreier Piloten nach Amerika. Einer der Pilo­ ten war Kapitän König aus Frankreich, der „unter schrecklichen Magenschmerzen den Flug durchhielt.“ So etwas interessierte die Leute, gab es doch damals kaum Radio oder eine Tageszeitung im Ort. In der Schule, wo er Religionsunterricht abhielt, war er ein gar strenger Mann, der auch den Rohrstock be­ nutzte, wenn die Dorfjugend im Unterricht unaufmerksam war. Ihn ärgerte vor allem auch, wenn die jungen Buben während des Unterrichts „das Lachen nicht verheben konnten.“ Die Kirche hatte um die Jahrhundertwen­ de einen größeren Einfluß als heute. So hieß es für die damaligen Konfümanden nach der Konfirmation nicht „Ade Kirche!“, son­ dern es mußte 4 weitere Jahre lang die Chri­ stenlehre bzw. die Sonntagsschule von 13 bis 14 Uhr besucht werden. Nach dieser Zeit erfolgte eine offizielle Entlassung durch den Pfarrer mit Überreichung eines Besuchs­ scheines über diese 4 Jahre. Dabei wurde auch immer eine Anwesenheitsliste geführt über den morgendlichen Kirchenbesuch, bzw. den nachmittäglichen Sonntagsschul­ besuch. Eines von beiden war Pflicht, um den begehrten Entlassungsschein zu be­ kommen. Bekannt ist auch, daß am Anfang der Tätigkeit von Pfarrer Lotz, nachdem im übrigen heute einer der Mönchweiler Straßen im Neubaugebiet benannt ist, vor seinen Predigten oft so aufgeregt war, daß es ihm auf der Kanzel übel wurde und Lehrer Schneider, der die Orgel spielte, auch noch die Predigt übernehmen und den Gottes­ dienst zu Ende führen mußte. Später legte 220 sich diese menschliche Schwäche des Pfar­ rers und seine Predigten wurden so gut, daß die Kirche sich über Besuchermangel nicht zu beklagen hatte. Viele der älteren Mitbürger erinnern sich auch gerne an die Zeit dieses langjährigen Pfarrers, durch den viele Generationen, sei es im Konfirmandenunterricht, dem Schul­ unterricht, bei Tauf-und Ehegesprächen, bei Beerdigungen und Hochzeiten, geprägt wur­ den. Dieter-Eberhard Maier Wenn i furt bi Wie de Liib vibriert noch em e Dag uf em See as wäre d’Welle no do spür i di Huuch alls wiiter Unsi gspurte Gsichter nebenenander luege vorus ins gliichlig Stuck verwachsene Weg un doch mueß eins im andere si Spiegel si wie det i suscht so dini wiite Ärm vo Auge gegenüber zärtlich spüre durch un durch Kei Land het Chraft gnueg aß es alli Sinn devo det neh vo dir Johannes Kaiser

Große Gestaltungskraft und intensive Farben Der Vohrenbacher Kreuzweg des Freiburger Kunstmalers Dominik Weber Kirchen und Kapellen In der Vöhrenbacher Pfarrchronik befindet sich unter dem Jahr 1876 aus der Hand von Pfarrer Wilhelm Thum­ mel (Pfarrer dort 1872-1886) folgen­ der Eintrag: ,,Am Montag, den 12.Ju­ ni, wurden die neuen Stationsbilder, welche ich aus milden Beiträgen für 600 fl. = 1000 M durch Hr. Maler We­ ber in Freiburg malen ließ, in der Pfarrkirche aufgehängt. Am Sonntag, 25. Juni, wurden sie von mir nach ge­ haltenem Gottesdienst benediziert (geweiht).“ Es handelt sich dabei um den Kreuzweg, der bis zum Abbruch der alten Kirche im Jahre 1953 darin ver­ blieb. In der anschließend neu errich­ teten Pfarrkirche wurde er erst wieder im März 1992 angebracht, nachdem er fast 40 Jahre auf dem Pfarrhaus­ speicher verwahrt worden war. In der Chronik wird der Preis mit 600 Florentiner Gulden (fl) angege­ ben, der ehemaligen badischen W äh­ rung, die am 1.1.1875, also fast vier Jahre nach Gründung des Wilhelmi- Dominik .l’t’eber, Selbstbildnis (Augustinermuseum). nischen Kaiserreiches, durch die Mark abgelöst wurde; deshalb ist der Preis auch in Mark angegeben: 1 Gulden (fl) entsprach 1,71 Mark. Die 1000 Mark von damals wären heute ungefähr 25 000 Mark. Bei dem genannten Freiburger Maler D. Weber, des­ sen Signatur unten auf der 14. Station des Kreuzwegs zweifelsfrei zu erkennen ist, han­ delt es sich um Dominik Weber. Von ihm stammt bereits aus dem Jahr 1858 das Sie­ ben-Jungfrauen-Bild im Vöhrenbacher Bru­ derkirchle. Im Almanach 1984 (S. 131) wur­ de es zwar „wahrscheinlich dem Hüfinger Maler JosefHeinemann“ zugeschrieben. Es trägt jedoch, wenn auch schwer erkennbar, die Signatur Dominik Webers, der es für 33 Kunstmaler Dominik Weber selbst ent­ stammt einer kunstsinnigen Familie. Sein Großvater Johann, dessen Ehefrau Maria Käfer aus Aufen kam, war Bauleiter und Unternehmer in Bräunlingen. Als er 1805 in Gremmelsbach zur Zufriedenheit aller die Kirche errichtet hatte, wurde der letzte Abt von St. Peter, Ignaz Speckle, auf ihn auf­ merksam. Er berief ihn im April 1806 als f1 gemalt hatte. Weber verdankt seine Bezie­ hung zu Vöhrenbach wohl der Tatsache, daß der Vater seiner Frau Sofie Winterhalder, mit der er am Stephanstag 1850 in der Frei­ burger St-Martins-Kirche die Ehe schloß, aus Vöhrenbach stammte. 221

Klosterbaumeister nach St. Peter. Schon acht Monate später wurde das Kloster durch die Säkularisation aufgehoben; Johann Weber trat nun in badische Dienste. Der Vater Dominiks, Mat­ thias Weber, war Steinbild­ hauer, vor allem aber Bau­ meister; von 1842 bis 1848 war er zudem Bürgermeister von St. Peter. Dominik Weber wurde am 27.Juli 1819 in St. Peter als Sohn dieses Matthias Weber und dessen Gattin Magdalena geb. Braun geboren. Seine künstlerische Tätigkeit beginnt Dominik mit der Schildmalerei. In Freiburg wird er Schüler des aus Eisenbach stammenden Ma­ lers Dionysius Ganter. 1845 zieht es ihn nach München, wo er wohl durch die dorti­ ge Akademie mit den „Nazarenern“ in Berührung kommt. Die Nazarener, zu­ nächst wegen ihrer Kleidung so genannt, wurden 1810 in Rom von Johann Friedrich Overbeck (1789-1869) als Künstlergemein­ schaft gegründet. Sie hatten als Vorbilder Maler wie Fra Angelico, Dürer und Rapha­ el. Ihre Malerei war gekennzeichnet durch Innigkeit, Gemütstiefe und Nähe zum christlichen Glauben. Auch der Einfluß der Romantik ist unübersehbar: Ein idealisie­ render Naturalismus prägt den Malstil. Die­ se Einflüsse bleiben für das gesamte Werk Dominik Webers maßgebend. Als er 1847 in Freiburg seinen Wohnsitz Bildtexte zu Abbildungen links: Oben links: I. Station:Jesus wird zum Tode verur­ teilt. Oben rechts: VIII. Station:Jesus begegnet den wei­ nenden Frauen. Unten links: IX. Station: Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz. Unten links XIII. Station: Jesus wird vom Kreuz abgenommen. Webtr · Kreuzweg Das Wappen mit Weberschiffchen und Farbpalette zierte den Platz Dominik Webers in der Freibur­ ger Ponte-Molle-Künstlergesell­ schafi. mischen Künstlerviertels, nimmt, gründet dort der Ma­ ler Wilhelm Dürr (1815 – 1890), ein gebürtiger Villin­ ger, die Ponte-Molle-Gesell­ schaft. Sie hat ihren Namen von jener Tiberbrücke des rö­ in dem die deutschen Künstler zu Hau- se waren. Der Freiburger Künstlergruppe schlossen sich Maler, Bildhauer und Archi­ tekten an, die sich auch gesellschaftlich in ei­ ner Art Zunftstube trafen. Dominik Weber trat von Anfang an dieser Künstlergemein­ schaft bei; das Wappen mit dem „Weber“­ Schiffchen an seinem Stammplatz ist wohl von ihm selbst gemalt. Der Künstler schuf eine breite Palette von Bildern: die soge­ nannten Genre-Bilder, also Landschafts­ und Familien-Idyllen aus dem täglichen Le­ ben, Portraits und religiöse Motive, darun­ ter viele Altarblätter. Bilder des Malers besitzt u. a. das Freibur­ ger Augustinermuseum. Mit diesen Werken war er vertreten bei der Sonderausstellung ,,Schwarzwaldmaler des 19 . Jahrhunderts“ (1957) und bei der berühmten Stauferaus­ stellung in Stuttgart 1977. Zu den Werken Dominik Webers gehören Kreuzwegbilder. Sogenannte Kreuzwege waren entstanden, als es üblich wurde, in Jerusalem gläubig den Leidensweg Jesu nachzugehen. Dabei hielt man des öfteren inne, um ganz bestimmter Ereignisse seines Kreuzweges zu gedenken. Die meisten Wegstationen sind biblisch be­ gründet, doch einige, wie die „drei Fälle“ oder die Darreichung des Schweißtuches durch Veronika, sind legendäre Ergänzung. Vor allem die Franziskaner, die in Jerusalem hohes Ansehen genossen, wollten den vie­ len Gläubigen, die nie nach Jerusalem kom­ men konnten, auch in deren Heimat eine 223

solche „geistliche“ Wallfahrt ermöglichen. So entstanden die Kreuzwege, teils im Frei­ en, teils in Kirchen. Die Anzahl der Statio­ nen schwankte. Waren es zuerst nur derer sieben, so sind um 1590 bereits zwölf und seit 1704 fast überall vierzehn Stationen nachweisbar. Im Freien wurden diese vierzehn Kreuz­ wegstationen meist in Form von Bild­ stöcken gestaltet. Die meisten führten zu Wallfahrtsorten, so z. B. rings um unseren Landkreis zum Dreifaltigkeitsberg, zum Hömleberg, auf den Lindenberg, von St. Märgen zur Ohmenkapelle und von Löffm­ gen zum Schneekreuz. In unserem Land­ kreis Schwarzwald-Baar ist dem Verfasser nur der Mitte der 50er Jahre errichtete Kreuzweg im Gütenbacher Pfarrdobel be­ kannt; früher führte auch ein inzwischen verschwundener Kreuzweg zum Vöhrenba­ cher Bruderkirchle. Innerhalb des Gottes­ hauses gehört ein Kreuzweg heutzutage ge­ radezu zur Grundausstattung einer katholi­ schen Kirche. Dominik Weber schuf seinerseits allein für den Schwarzwald eine ganze Reihe solcher Kreuzwege: 1851 für die eben fertiggestellte Kirche im benachbarten Rohrbach, 1867 für den Lindenberg, 1871 für Rickenbach und 1873 für Göhrwihl, beide im Hotzenwald. Für Vöhrenbach schließlich malte Domi­ nik Weber im Alter von 47 Jahren die vier­ zehn großformatigen Bilder in Öl auf Lein­ wand im Format 102 x 73 cm. Die Bilder sind gefaßt von breiten, profilierten Rah­ men aus Tannenholz; die Stationszahl wird jeweils oben in der Mitte in römischen Zah­ len auf einem von Voluten gehaltenen Tä­ felchen genannt. Die teils leuchtenden, teils in Pastell gehaltenen Farben sind bis heute sehr gut erhalten. Welche Qialität hat dieser Kreuzweg? Sie liegt nicht in der Originalität. Denn im 19. Jahrhundert war durch zahlreich verbreitete Holzschnitte zur Bibel, z.B. von Julius Schnorr-von-Carolsfeld, die Vorstellung, was auf jedem StationsbiJd zu sein hat, fast Weber· Kreuzweg genormt, zumindest typisiert. So hält sich auch Dominik Webers Malerkollege und Hofmaler Wilhelm Dürr in seinem Kreuz­ weg für die Freiburger Konviktskirche (heu­ te in Günterstal) getreulich an diese Vorga­ ben. Die große künstlerische Leistung beim Vöhrenbacher Kreuzweg liegt in der Gestal­ tungskraft des Malers: Dramatisch sind die Personengruppen aufeinander bezogen, überzeugend sind die lebendigen Gesichter, die den erfahrenen Portraitisten verraten. Spätromantik leuchtet auf in den Land­ schaften, im Wechsel von Licht und Dunkel des Bildhintergrunds. Die Liebe zum Detail ist eingebunden ins Gesamtbild. Man spürt die innere Nähe des Malers zum Drama der Passion. Ein Vergleich mit dem 25 Jahre zu­ vor gemalten Kreuzweg im nahen Rohrbach zeigt die Steigerung seiner Meisterschaft. Er hat hier ein bleibendes Kunstwerk geschaf­ fen. Wie konnte es indessen dazu kommen, daß dieser Kreuzweg nach dem Neubau der Vöhrenbacher Pfarrkirche 1954 dort keinen Platz mehr fand, sondern vier Jahrzehnte lang verborgen auf dem Pfarrhausspeicher schlummerte? Es waren die Nachahmer der Nazarener um die Jahrhundertwende, die weder schöp­ ferische Kraft noch Größe besaßen. So de­ generierte dieser Kunststil zum süßlichen Kitsch und kam deshalb bei den Kunstsach­ verständigen in Verruf. Es brauchte ein hal­ bes Jahrhundert, ehe die klassische Stilepo­ che der Nazarener wieder ohne Vorein­ genommenheit und mit neuen Augen Signatur Webers im Bild der XIV. Station. 225

Weber· Kreuzweg betrachtet und beurteilt wurde. Das ist inzwischen geschehen. So war es nur folgerichtig, diesem Kunst­ werk im Jahr 1992 wieder den ihm gebührenden Platz zu geben. Seither sind die vierzehn Original­ bilder in der zwar beeng­ ten, aber intimen Kreuzka­ pelle der Vöhrenbacher Pfarrkirche St. Martin allen zugänglich. Sie werden von jung und alt beachtet und geschätzt. Dominik Weber ist am 7. September 1887 in Frei­ burg 67jährig verstorben. Er hat ein großes Werk hinterlassen, wenn auch davon im Unverständnis der Zeit manches ver­ schwunden ist. Das Bild im Bruderkirchle und der Vöhrenbacher Kreuzweg sind Zeugen seines Kön­ nens. Aus einer ganzen Reihe positiver Beurteilun­ gen seines Werkes durch anerkannte heutige Kunst­ kenner sei der für die re­ gionale Kunst besonders kompetente Professor Her­ mann Brommer zitiert: „Dominik Weber war ein für das 19. Jahrhundert typischer, sehr begabter Mann, ein anerkannter Künstler, den ich sehr schätze.“ Es ist gut, dessen Ver­ mächtnis in Ehren zu hal­ ten. 226 Bernhard Adler „Die sieben Jungfrauen auf dem Scheiterhaufen.“ Ein Gemälde Dominik Webers in Anknüpfung an die Vöhrenbacher Bruderkirchle- Sage. Es schmückt den linken Seitenaltar des Bruderkirchles.

Wegkreuze, Kleindenkmäler und Brunnen Eine schreckliche Mordtat vor 1 SO Jahren Ein Gedenkstein erinnert an den gewaltsamen Tod des Fürstenbergischen Hof- und Kabinettsrats Carl Hubert Dilger 14. Kapitel/Almanach 98 Auf der Gemarkung des Donaueschinger Ortsteils Grüningen, im Grenzbereich der Gewanne „Schwarze’s Wald“ und „Kronen­ wirts Wald“, befindet sich ein Gedenkstein, der an den gewaltsamen Tod des Fürstlich Fürstenbergischen Hof- und Kabinettsrats Carl Hubert Dilger vor etwas mehr als 150 Jahren erinnert. Weitgehend in Vergessen­ heit geraten steht der Stein im Waldesdun­ kel. Zu finden ist er, wenn man auf dem von Grüningen über das Reuthefeld nach Wol­ terdingen führenden Weg kurz nach Errei­ chen des Waldrandes einem teilweise zuge­ wachsenen Pfad in südlicher Richtung folgt. Nach etwa einhundert Metern, wenn der Wald sich lichtet, markiert der Stein die Stel­ le, an der sich „ein furchtbares und in unse­ rer Gegend bis jetzt unerhörtes Verbrechen“ (Donaueschinger Wochenblatt, Nr. 34, vom 28. April 1846) ereignet hat. Was war geschehen? Am späten Nachmit­ tag des 19. April 1846, einem Sonntag, brach der Fürstlich Fürstenbergische Hof­ und Kabinettsrat Carl Hubert Dilger mit ei­ nem Jagdgehilfen zur Inspektion eines fürst­ lichen Jagdbezirks auf. Auf getrennten We­ gen gehend, wollte man an einem verabre­ deten Ort wieder zusammentreffen. Die hereinbrechende Nacht war regnerisch und finster, lange wartete der Jagdgehilfe ver­ geblich am Treffpunkt, schließlich ging er nach Hause, um Erkundigungen einzuzie­ hen. Nirgendwo jedoch war Carl Hubert Dilger gesehen worden, die Besorgnis wuchs, schließlich wurde mit großer Mann­ schaft, sogar unter persönlicher Leitung von Fürst Karl Egon II. und der Prinzen, das be­ treffende Waldgebiet durchkämmt, keine Spur aber von dem Vermißten. Eine hohe Belohnung wurde für sein Auffinden ausge­ setzt, und tatsächlich, bereits früh am näch­ sten Morgen, konnte sich ein armer Mann namens Hinterskireh, der eine Abkürzung durch den Wald genommen hatte, diese Prä­ mie verdienen, allerdings um den Preis eines schrecklichen Anblicks. Dilger lag, den Kopf in eine Wagenspur gedrückt, tot am Boden, ein nach oben gerichteter Schuß aus näch­ ster Nähe in den Unterkiefer hatte Hals und den unteren Kopfteil zerschmettert. Speku­ lationen wurden laut, es könne sich um Selbsttötung handeln oder ein Mord aus Rache vorliegen, da Dilger als strenger, will­ kürlicher und zuweilen hochfahrender Mann, insbesondere in Angelegenheiten der Jagd und des Forstes galt, und er auch nicht beraubt worden war. Doch neben ihm wurde seine geladene Doppelflinte gefun­ den, zudem meldete sich ein Geistlicher als Zeuge, der zur fraglichen Zeit, etwa gegen 18 Uhr, nicht weit vom Ort des Geschehens vorüberging und deutlich die Worte „Leg‘ das Gewehr nieder und mach dich nicht un­ glücklich“ hörte. Ein Wilderer als Täter? Soweit läßt sich in etwa das Geschehen aus Berichten im oben zitier.ten „Donaueschin­ ger Wochenblatt“ und in einem Artikel der Mannheiner Abendzeitung, Nr. 111, vom Samstag, den 25. April, S. 443, rekonstru­ ieren, wobei in letzterem Beitrag auch Bezug auf eine ähnlich lautende Darstellung in ei­ ner nicht näher gekennzeichneten Ausgabe der „Karlsruher Zeitung“ genommen und eine längere Passage einer ebenfalls nicht weiter gekennzeichneten Ausgabe des 227

Wegkreuze, Kleindenlcmälcr und Brunnen Gedenkstein für den Fürstlich Fürstenbergischen Hof und Kabinettsrat Carl Hubert Dilger, der vor rund 150 Jahren im Donaueschinger Wald von einem Unbekannten ermordet wurde. große Strenge bei der Verfolgung von Jagd­ freveln „feindselige Stimmung“ und „gehäs­ sige Darstellungen“ zu verbreiten, während sich doch der Getötete bei allen, die ihn richtig kannten, einer „aufrichtigen Hoch­ schätzung“ erfreute und „das Vertrauen ei­ nes der edelsten Fürsten“ genoß. Die Re­ daktion weist in einer kurzen Stellungnah­ me diese Vorwürfe „aus offiziöser, beson­ ders beauftragter Hand“ zurück, für die Aufrichtigkeit ihres Korrespondenten ,,bürgt uns auch dessen bekannte Persön­ lichkeit“. In der Tat bleiben einige Fragen um Carl Hubert Dilger und seinen gewaltsamen Tod offen. Aus der sich im Fürstlich Fürstenber­ gischen Archiv befindlichen Personalakte „Di No. 18″ geht hervor, daß der aus einer Viele Fragen bleiben offen ,,Schwäbischen Merkur“ zu den Vorkomm­ nissen verwendet wird. Die Mordtat eines Wilderers, so stand zu vermuten, denn das Wildererunwesen stand in diesen harten Jahren hoch im Sehwange, strenge Handha­ bung der Jagdrechtsbeschränkungen hatte schon vielerorts zu solchen Morden aus Ver­ zweiflung geführt. So konzentrierten sich auch bald alle Nachforschungen auf die des Wildems verdächtigen Personen, einige Ver­ haftungen wurden vorgenommen, intensive Verhöre durchgeführt. Alle Bemühungen um eine Aufklärung blieben aber vergeb­ lich. Noch einmal findet sich eine Spur des Ver­ brechens in der Ausgabe Nr. 119 der „Mann­ heimer Abendzeitung“ von Sonntag, dem 3. Mai 1846. Darin wird der für den ersten Be­ richt verantwortliche Donaueschinger Kor­ respondent verdächtigt, durch die Erwägung eines Selbstmordes und Hinweise auf über- 228

seit langem im Dienste des Fürstenhauses stehenden Familie stammende Rechtsprak­ tikant Dilger nach einem philosophischen und juristischen Studium in Freiburg und Heidelberg 1828 als Aktuar beim Großher­ zoglich Badischen Bezirksamt Hüfingen an­ gestellt wurde und sich 1831 um den Eintritt in den Fürstenbergischen Dienst bemühte. Im Dezember dieses Jahres unterschreibt Karl Egon II. die Resolution, mit der Dilger widerruflich zum Gehilfen beim Kabinetts­ sekretariat ernannt wird. Er scheint tatsäch­ lich die Gunst des Fürsten in besonderer Weise genossen zu haben, denn bereits 1833 wird er zum wirklichen Kabinettssekretär be­ rufen, 1839 zum Kabinettsrat im Rang eines Domänenrats und 1843 zum Hofrat. In die­ sem Jahr beantragt er auch den Heiratskon­ sens für seine Verbindung mit Amalie Frei­ in von Verschuer, Tochter des späteren Hof­ marschalls Ernst von Verschuer, die eben­ falls von Fürst Karl Egon II. genehmigt wird. Viele Berichte, Gesuche und Aufstellungen sind in der äußerst umfangreichen Personal­ akte enthalten, nicht jedoch das Perso­ nalblatt mit den persönlichen Daten. Zu sei­ nem Tod findet sich gar nur die lapidare Notiz: „Ermordet am 19. IM (laufender Monat 1846), hinterläßt Witwe und 2 Kin­ der.“ Danach folgen zahlreiche Schrift­ stücke, die sich auf die Berechnung, Aus­ zahlung und Erhöhung der Witwenpension beziehen. Auch hier aber ist das Ende ab­ rupt: Die Akte endet mit dem Vermerk, daß im Jahre 1848, also nur zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes, auch die Witwe verstirbt. Das Schicksal der Kinder ist unbekannt. Aufgeklärt werden konnte die Tat nicht, war es ein Mord, so blieb er ungesühnt. Al­ le verdächtigen und festgenommenen Per­ sonen mußten freigelassen werden, da kein Geständnis zu erlangen war und Beweise, die für eine Verurteilung ausgereicht hätten, nicht beigebracht werden konnten. In über­ lieferten Erzählungen wurde vermutet, daß der Täter möglicherweise tatsächlich ein Wilderer aus einer umliegenden Gemeinde Schreckliche Mordtat vor ISO Jahren gewesen, nach dem Verbrechen in die Schweiz geflüchtet und dann nach Amerika ausgewandert sei. Im Jahre 1983 erfuhr der Bürgermeister Burr von Königsbronn, der im Museum sei­ ner Stadt eine Wildschützenausstellung mit Fotos von Gedenksteinen in Wildererzu­ sammenhang eingerichtet hatte, von dem Grüninger Gedenkstein und bat die Stadt Donaueschingen um nähere Auskünfte. Der fürstenbergische Archivar Georg Goerlipp, dem ich auch für die Unterstützung bei die­ sem Beitrag danken möchte, stellt bereits damals in seiner Antwort fest, daß „merk­ würdigerweise kein ausführlicher Bericht über die Ermordung in der Personalakte vor­ handen“ sei. Grüningens Ortsvorsteher Her­ mann Winterhalter konnte das fehlende Da­ tum auf dem Gedenkstein mit einem Ein­ schuß aus dem II. Weltkrieg erklären. Aus der mündlichen Überlieferung älterer Ein­ wohner war ihm bekannt, daß der zur Tat­ zeit vorübergehende Geistliche der Pfarrer von Wolterdingen gewesen sei, der die Wor­ te „Bub‘ wehr‘ dich“ gehört habe, bevor ein Schuß fiel. Er habe daraufhin sofort einige Männer in Grüningen verständigt, die Carl Hubert Dilger an der Stätte des jetzigen Ge­ denkstein erschossen aufgefunden hätten. Trotz des großen Aufsehens, das der Vorfall erregt hätte und der umfangreichen Unter­ suchungen habe der Schütze aber nicht fest­ gestellt werden können. Der Tat verdächtig sei ein junger Mann aus einer umliegenden Gemeinde gewesen, der aber trotz langer und intensiver Verhöre die Tat nicht gestan­ den hätte. Weitere �eilen, die noch Licht in die Vor­ kommnisse bringen könnten, sind nicht be­ kannt. So wird über den gewaltsamen Tod Carl Hubert Dilgers wohl für immer der Schleier eines Geheimnisses gebreitet blei­ ben. Dr. H.- G. Butler 229

Wegkreuze, Kleindenkmäler und Brunnen Ein religiöser Brunnen ohne Namen Die Schöpfung des Steinhauers Frank Schröder steht in Tuningen Normalerweise haben sie einen Namen: Marktbrunnen, Georgsbrunnen, Narro­ brunnen, Radmacherbrunnen etc. Doch in Tuningen in der Bergstraße vor dem Haus Nr. 16 steht ein Brunnen, der noch auf ei­ nen Namen wartet. Steinmetz und Bildhau­ er Frank Schröder hat ihn aus Sandstein aus dem Steinbruch in Lahr gearbeitet. Der Brunnen ist sein Meisterstück, d. h. er gehört als sogenannte praktische Übung zur Erlan­ gung des Meisters im Steinmetzhandwerk. Eine nicht alltägliche Wahl, ist doch die An­ fertigung eines Grabsteines wesentlich be­ liebter und erfordert von der Prüfungskom­ mission keine inhaltlichen Überlegungen. Der Bildhauer schuf diesen Brunnen allein aus seinen Vorstellungen heraus, da er nicht speziell – wie vielfach üblich – für einen be­ stimmten Platz gefertigt wurde, mußte er keine anderen gestalterischen Ge­ sichtspunkte beachten. Er war frei in der Wahl der Größe, des Mo­ tivs und des Materials. Brunnen gab es bis ins 19. Jahr­ hundert in den Städten und Ge­ meinden in großer Zahl, denn sie sicherten die Wasserversorgung. Mit dem Aufbau der heute bekannten Trinkwasserver­ sorgung verloren sie ihre einstige Bedeutung und nur die reichhaltig gestalteten blieben erhalten. Brunnen, ausgestat­ tet mit fließendem Wasser, um so ei­ nen handelt es sich auch bei dem Tunin­ ger Brunnen, sind seit altersher Bilder der körperlichen und geistigen Stärkung und 230 Reinigung, dies trifft auf die Antike ebenso wie auf das Christentum (Moses schlägt Wasser aus einem Felsen) und den Islam (Kaaba zu Mekka) zu. In den fernöstlichen Religionen kommt dem Wasser ebenso eine Reinigungsfunktion zu. Man denke an das Bad im Ganges, das auch für die Wiederge­ burt reinigen soll. Der Brunnen ist in allen entwickelten Stadtkulturen künstlerisch ausgestaltet wor­ den. Im Atrium frühchristlicher und mittel­ alterlicher Kirchen gab es auch einen Brun­ nen, der zu liturgischen Zwecken (in der Nähe: Kloster Maulbronn) genutzt wurde, oft floß das Wasser aus einem Lamm (Chri­ stus). Aber auch im Märchen und im Volksglau­ ben besitzt der Brunnen eine Bedeutung. Früher erzählte man den kleinen Kin- dern, daß ihre Geschwisterchen aus einem Brunnen kämen, aus denen der Storch sie ans Licht der Welt ziehen würde. Der Brunnen wird hier mit weiblich-mütterlichen Qyalitäten ausgestattet. Das im Brunnen fließende Wasser ist in gleicher Weise mit vielerlei Symbolik verbunden. Es wird meist als weibliches Ele­ ment aufgefaßt, in der in­ dischen Überlieferung trägt es das Weltenei, die Urzelle, im Alten Testament schwebte der Geist Gottes über den Wassern (1 Mos. 1,2), im Pa­ radies strömt aus der} Brunnen das Lebenswasser. Dies zeigt sich auch in der Taufe, die für Paulus so-

Tuninger Brunnen wohl ein Begrabenwerden als auch eine Auferstehung bein­ haltet. Jesus antwortet einer Sa­ mariterin: ,Jeden, der von die­ sem Wasser trinkt, wird aber­ mals dürsten; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, den wird nicht mehr dür­ sten in Ewigkeit; sondern das Wasser, das ich ihm gebe, wird zu einem Qiell von Wasser, das aufsprudelt zu ewigem Leben Ooh 4, 13-14).“ Brunnen sind auch Orte des Volksglaubens, um nicht zu sa­ gen des Aberglaubens, z. B. soll es Glück bringen, wenn man in Rom in den Fontana di Trevi Münzen wirft. An diese symbolische Tradi­ tion knüpft der Brunnen in Tu­ ningen nicht an, er soll vielmehr den Betrachter zur Auseinan­ dersetzung mit seinem religiös geprägten Programm anregen. Er besteht aus drei Teilen, der oberen zweiteiligen Kugel, dem Brunnenstock mit vier Köpfen Ein Bnmnen ohne Namen, Meisterstück des Tuninger Steinhauers Zeichnung: Helmut Groß der Evangelisten und dem zwei- Frank Schröder. stufigen Becken. Hier werden die über die Jahrhunderte entstandenen Stil­ elemente vermischt. Das runde Becken gab es schon in der Antike; seit der Gotik rück­ te der Brunnenstock in die Mitte des Brun­ nens, oft mit einer Figur gekrönt. Die All­ seitigkeit der Säule vermehrte die Zahl der Ausflüsse. Bei diesem Brunnen sind es vier entsprechend der Zahl der Evangelisten. damit das Wasser nicht über die Oberfläche fließt, sondern erkennbar aus ihrem Innern kommt, wie die Lava eines Vulkans. Viel­ leicht auch religiös zu sehen, so wie das Le­ ben auf Erden ihren Ursprung bei Gott hat. Nur warum ist die Kugel nicht dreiteilig, als Anklang an die göttliche Dreifaltigkeit? Brunnen aus dem 18. Jahrhundert sind oft von einer ungeteilten Kugel gekrönt. Bei einer Kugeldarstellung im oberen Teil denkt der Betrachter unwillkürlich an die Weltkugel, nicht so der Bildhauer, denn für ihn verkörpert sie das Göttliche, das immer da ist und keinen Anfang und kein Ende kennt. Der Bildhauer will den Betrachter herausfordern, seine Neugier wecken, seine Phantasie anregen und nachdenklich stim­ men. Die Kugel wurde horizontal geteilt, Die Kugel bildet den Endpunkt des Brun­ nenstocks, in dessen Mitte befinden sich vier kleine Auffangbecken, die modellierten Symbole der vier Evangelisten. Dort sam­ melt sich das Wasser, bevor es in das zwei­ stufige Becken hinabfließt. Die Biographien der vier Evangelisten sind zum Teil Legende, doch versuchte die Kir- 231

Tuninger Brunnen ehe, einen Anschein von Echtheit zu be­ wahren, da sie als Augenzeuge Kunde vom Leben, Wirken und Sterben Christi geben konnten und daher fiir die Verbreitung des Christentums von besonderer Bedeutung waren. Die Evangelistensymbole sind der Apokalypse (Offb. 4) des Johannes ent­ nommen, die endgültige Festlegung geht auf Hieronymus – einem Kirchenvater des 4. Jahrhunderts – zurück: Matthäus als En­ gel wie hier manchmal auch als Mensch, Markus als Löwe, Lukas als Stier und Jo­ hannes als Adler. Alle vier zusammen wur­ den so zum Symbol Christi, der in seiner Person die Einheit der vier Evangelien ver­ körpert. So ist der Engel (Mensch) Abbild der Menschwerdung Christi, der Stier be­ deutet den Opfertod, der Löwe die Aufer­ stehung Christi und der Adler seine Him­ melfahrt. Die älteste Darstellung der vier ist vermut­ lich das Fresko in der Markus-und-Marcel­ linus- Katakombe in Rom aus dem 4. Jahr­ hundert. Ihre Anordnung am Brunnen läßt den Betrachter an die vier Paradiesflüsse (Offb. 14 u. 22,1) denken, die vom Kreuz als dem Baum des Lebens ausgehen, denn der Brunnenaufbau läßt durchaus an eine Kreuzform als Lebensbaum denken. Auf mittelalterlichen Christusdarstellungen ge­ hören die Evangelisten zur nächsten Umge­ bung Christi, denn sie künden ja von seiner Herrlichkeit und Wirkungsweise. So könnte die zweigeteilte Kugel fur Gottvater und den heiligen Geist, die vier Evangelistensymbo­ le fur Gottsohn stehen. Besonders an Kan­ zeln des Barocks wurden die Symbole oft als Stellvertreter fur Gottes Wort auf Erden an­ gebracht. Der Brunnenstock mit den Evangelisten­ symbolen steigt aus dem zweistufigen Becken hervor. Das zweistufige Becken hat im oberen Teil die Form eines Qiadrats, dort vereinigen sich die Wasser wieder als symbolisierte Botschaft Gottes. Das Qia­ drat steht hier fur die meßbare, erfaßbare und rationale Welt. In dieser Welt will Gott durch sein Wort wirken, und wenn der Mensch sich darauf einläßt, dann kann er dieses erkennen und erfahren. Aber nicht al­ les Wasser wird in den Becken der Evangeli­ stensymbole zwischengesammelt, einiges fließt direkt von der Kugel am Brunnen­ stock in das Becken, es verdeutlicht das di­ rekte Einwirken Gottes auf die Welt. Das quadratische Becken hat zwei Über­ läufe, von dort fließt das Wasser in das größere runde Becken. Damit ist der Kreis­ lauf geschlossen. Der Brunnen erzählt eine alte Geschichte, die aber immer noch aktu­ ell ist, denn die Frage nach Gott hat jede Ge­ neration wieder gestellt. Ingeborg Kottmann Liebe Lieder Flirt ich will nicht verzichten auf Gespräche, Lächeln, gemeinsames Schweigen und Fingerspitzenzärtlichkeit selten wie Blüten im Schnee. 232 blinzelnd hinter geschliffenen Gläsern verraten deine Augen all das, was Stimme und Hände schon lange gesagt haben versteck dich nicht komm! Christiana Steger

Sagen der Heimat Die Wallfahrt zur ,,Maria in der Tanne“ Selten findet sich ein Buch über Sagen aus dem Schwarzwald und Baden, das die Ge­ schichte der Wallfahrt zu „Maria in der Tan­ ne“ nicht berichten würde. Eine der besten Funds teilen für die ursprüngliche Version ist die „Geschichte der Stadt Triberg“ von Wil­ helm Maier und Karl Lienhard, die der Hei­ mat-und Gewerbeverein im Jahr 1964 her­ ausgegeben hat. Darin schreiben die Chro­ nisten: ,,Die Geschichte der Wallfahrt und insbesondere ihres Ursprungs ist hauptsäch­ lich in den handschriftlichen Aufzeichnun- 15. Kapitel/Almanach 98 gen von Dr. Johann Baptist Degen, Direktor an der Triberger Wallfahrt von 1705 bis 1726, überliefert. Auf diese wichtigste �ei­ le stützen sich die folgenden Darlegungen: Wenn wir heute diese heilige Gnadenstätte betreten, so erinnert sie an längst vergange­ ne Zeiten, als Triberg noch vorderöster­ reichischer Herrschaftssitz war. Die Gegend um die heutige Wallfahrtskirche war durch rauhe Wälder vom Städtchen getrennt, der einzige Fahrweg dorthin zog sich am jensei­ tigen Faulberg entlang nach Schonach. Zur Zeit des Dreißigjähri­ gen Krieges grünte in die­ ser Wildeinsamkeit ein Tannenbaum mit weiten, herabhängenden, zottigen Ästen. Nahe dabei führte vom Städtchen her durch Gestrüpp und Felsblöcke ein Fußweg, an dessen linker Seite ein starker Brunnquell hervorbrach. Dieser Baum und die �eile luden den Vor­ übergehenden zu einer kurzen Rast ein, zumal an der Tanne ein Pergament­ bildchen, die unbefleckte Jungfrau darstellend, ange­ bracht war. Manch armer Wanderer mag davor den Hut gezogen und ein frommes Gebet verrichtet haben. Mit der Zeit weichten Re- 233 Die Wallfahrtskirche „Maria in der Tanne‘: Ölgemälde von Urban Kaltenbach, 50×60 cm, 1985.

.Maria in der Tanne gen und Wind das Bildchen auf, so daß es eines Tages herabfiel. Ein siebenjähriges Kind, Barbara Franz, fand das Bildchen am Boden liegend und hob es auf. Inständig bat sie ihre Mutter, es mit nach Hause nehmen zu dürfen. Voller Freude zeigte Barbara allen Hausgenossen, was sie gefunden hatte, und heftete das Bildchen unter dem Kreuz in der Wohnstube fest. Nach kaum drei Tagen wur­ de allerdings die Freude der kleinen Barba­ ra durch ein schmerzliches Augenleiden ge­ trübt, das sich nach kurzer Zeit so ver­ schlimmerte, daß das Mädchen in Gefahr kam, das Augenlicht völlig zu verlieren. Die Eltern machten Gelübde und opferten Al­ mosen, wenn nur der Herrgott ihrem Kinde wieder gesunde Augen schenkte. Und siehe, die Barbara wurde ruhiger und fiel in einen erquickenden Schlaf, nachdem die Schmer­ zen schon etwas nachgelassen hatten. Als sie erwachte, erzählte sie munter den Eltern von einem wundersamen Traum: ,,Es kam mir vor, als wenn jemand ganz deutlich zu mir spräche. Wirst du das Pergamentbildlein wieder zur Tanne tragen an seinen Ort, so wird die Krankheit völlig von deinen Augen weichen.“ Gleich am nächsten Tag gingen die Eltern vertrauensvoll zur Tanne und setzten das Bildchen wieder an seinen ur­ sprünglichen Ort. Sie knieten andächtig nie­ der, empfahlen sich der Gottesmutter und kehrten getröstet wieder nach Hause zurück. Nach zwei Tagen hörten die Augenschmer­ zen auf, so daß Barbara auch nicht die Spur mehr davon merkte. Dieses Ereignis erregte überall großes Aufsehen, und die Verehrung des Marienbildes nahm allgemein zu. Barbara Franz war geboren am 21. Febru­ ar 1637. Später heiratete sie den Amtsschrei­ ber Johann Ketterer und lebte mit ihm 54 Jahre lang in glücklicher Ehe. 1717 starb sie, ohne daß sie jemals wieder von einem Au­ genübel befallen worden wäre, was eidlich beurkundet wurde. Als Ursprung der Triberger Wallfahrt, die unzählige volkstümliche Darstellungen in Bild und Text hervorbrachte, wird auch 234 noch eine andere Schilderung vermerkt. Die hier wiedergegebene Fassung stammt aus dem „Deutschen Sagenschatz“ von Zaunert: „Während des österreichisch-französischen Krieges kamen drei Tiroler Soldaten hier vorbei und vernahmen einen gar lieblichen Gesang. Sie suchten nach und entdeckten die Bildtanne, von der noch etliche alte Leu­ te wußten, gleichsam wieder neu. Die Wall­ fahrt kam wieder auf und nahm zu; endlich entstand eine Kirche an der Stätte. Die Bildtanne mußte jetzt umgehauen werden, nur der untere Teil des Stammes blieb ste­ hen. Die Äste wurden verbrannt, damit sie nicht abergläubisch mißbraucht werden konnten. Anno 1713, sagt ein Dokument, mußte man das Mirakelbild vor den Franzosen in die Pfarrkirche flüchten. Dabei war es sehr verwunderlich, daß die französischen Räu­ ber, die ringsherum alles ausgeplündert, Herden fortgetrieben, Hirten abgeschossen hatten, sobald sie nur von der Höhe die Wallfahrt erblickten, gleich als von einem Blitz getroffen sich zurückzogen und die Wallfahrt wie Triberg durchaus unversehrt ließen.“ Wia zwei ghirata hen Dr Karli kunnt zua dr Liberata un sait: ,,Du, ich han welle hirata!“ ,,Hä“, sait druff d’Liberata, ,,un ich au!“ Jez goahts e paar Dag, dno hen si enand gnau. Berlin Nitz

Felsenkönigin (Sage vom Triberger Wasserfall) Sagen der Heimat n-o, Es lebte einst ein Jägersmann bei Triberg dort im Wald, ein junger Bursche, sto1z unI …_..lili‘!’illt“ von großer, kräftiger Gestalt. Und irgendwann auf einer Pi die Sonne stand schon tief, -… ��,1,�:-.1 da hörte er im dunklen Wald, daß irgendjemand nach ihm rief: Und vor ihm stand ein wunde geheimnisvoll und magisch war ihr So blaue Augen, abgrundtief up Man nennt sie Gutta, die FelsenMUl Die Schöne hatte sich verirrt, die Nacht rückt schbn ganz nah. Der Jäger nimmt sie in sein Haus, und keiner weiß was dort gesch Am nächsten Morgen führt er si aufs Felsenschloß zurück. Mit stolzem Blick entläßt sie vergebens hofft er auf sein Glü So blaue Augen ….. Der Jäger findet keine Ruh, die Gutta fesselt ihn. Die alte Mutter warpt den Soh Das Weih wird dich ins llnglü Doch er hört nicht, hält an um geheimnisvoll und magisch is So blaue Augen ….. Springe über diese verlangt die Königin. Die Liebe macht den Burse das Weib erstarrt zu Ste.;;;;in … __ _ Ein wilder Bach entspringt daraus, es müssen Guttas Tränen sein. Verse von Dietrich Danksin nach der „Felsenkönigin“ (1996) aus der CD „Wurzeln“ 7.eichnung: Helmut Groß 235

16. Kapitel /Almanach 98 Heiteres aus dem Klosterleben St. Ursula in Villingen Das „Schänzele“ – einst Teil der Stadtmauer Das „Schänzele“ im Bereich des Klosters St. Ursula war Teil der erweiterten Stadtbe­ festigung, wie sie mit Einsatz der Feuerwaf­ fen nach dem 15. Jahrhundert notwendig geworden war. Noch heute ist der „Schänzele“ genannte Bereich der inneren Stadtmauer beim Kloster St. Ursula teilweise überdacht. Da­ mit sind die zur Klosterringschule eilenden Klosterfrauen gegen die Unbilden der Wit­ terung weitgehend gefeit. Vor Zeiten bestand von der Remise im Ka­ nonengässle eine Rampe zum „Schänzele“ über den heutigen „Autohof“ und den Klostergarten. Seit die äußere Stadtmauer im Zuge des Straßenbaues vor der Jahrhun­ dertwende abgetragen wurde, genießen die gärtnerisch talentierten Klosterfrauen auf dem „Schänzele“ ein blumengeschmücktes südliches Ambiente. Bei Regen können sich die Gäste unter die Überdachung des zu ge­ selligen Zwecken arrangierten Verbindungs­ ganges zum „Hock“ zurückziehen. Das im westlichen Innenstadtbereich zu besichtigende Areal des Franziskaner­ klosters vermittelt einen Eindruck, wie es auch beim Schänzele einmal ausgesehen ha­ ben könnte. An die 1709 nach Zerstörung im Spanischen Erbfolgekrieg neu errichtete Klosterschanze wurde 1713 die heute noch zu sehende, südlich des Franziskaners be­ findliche Geschützrampe angebaut. Das Schänzele Ein Juwel historischer Art, vom Kloster liebevoll bewahrt, ist’s „Schänzele“, hoch auf der Mauer, ein Augenschmaus für den Beschauer: Efeuumrankt -der Pflanzen Blüten an Farben nicht zu überbieten – Rosen, Glyzinien, ein ganzes Heer, Clematis, Kakteen, viele mehr, entfalten des Sommers volle Pracht, als Wundermaler meisterhaft! 236

Die Mauer einst die Stadt umgab, damit kein Feind und Potentat Gelüst‘ verspürt‘, sie auszuplündern – mit Gottes Hilf konnt man’s verhindern. ,,Das Schänzele ist der schönste Platz, für den Konvent ein wahrer Schatz,“ laut Superiorin „wie geschaffen für Fülle, die groß‘ Freude machen.“ Heut dient es friedlicheren Zielen, wir nennen nur ein paar von vielen: All die bunten Blumen gießen, .Das Schänzele“ im Freien mal ein Buch genießen, sich still mal ins Gebet versenken – oder träumen – gar nichts denken. Fein bewirten liebe Gäste, feiern froh Geburtstagsfeste, Jubiläen, andre Feten, die sich dann und wann ergeben. Besonders zünftig ist ein „Hock“ beim „Viertele“ und „Doppelbock“ am Sommerabend bis zur Nacht, hei, wie das doch Stimmung macht! Der Münsterpfarrer spielt Gitarre, und auf seiner „Klampfenschnarre“ zupft der gute Pater Fuchs die Saiten routiniert und flugs zu den „Wandervogelweisen“ – E�nerungen an Jugendzeiten! Und gar manche Moritat enthüllt, was man getrieben hat, was „böse Buben“ so an Streichen spielten oft und ohnegleichen. Auf diese Weis‘ hält man in Ehren, was einst erbaut, um sich zu wehren. Ja’s „Schänzele“ bleibt ewig „jung“, drum sei mein Reim auch Huldigung an jene, die dies „Werk“ errichtet, zu ihrem Ruhm sei er gedichtet! Helmut Groß 237

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17. Kapitel/ Alruanach 98 Musik 7 5 Jahre Donaueschinger Musiktage „Neue Musik wäre undenkbar ohne Donaueschingen“ „Donaueschingen wäre auch ohne Musik zu denken, jedenfalls ohne neue, aber die neue Musik wäre undenkbar ohne Donau­ eschingen“ (Max Rieple). Der F. F. Musikdirektor Heinrich Burkard und die Gesellschaft der Musikfreunde ha­ ben am 31. Juli 1921 die ersten „Donau­ eschinger Kammermusikaufführungen zur Förderung zeitgenössischer Tonkunst“ ins Leben gerufen. Drei Jahre nach dem Ersten Weltkrieg sollte die neue Musik einen Absprung von den romantischen Vor­ stellungen der Väter, eigene Vorstellungen über Konsonanz und Dissonanz erbringen können. Ein Arbeitsausschuß, in welchem Richard Strauss den Ehrenvorsitz hatte, sichtete mit Hilfe des Komponisten Haas und des Pianisten Eduard Erdmann die Einsendungen. Darunter war das berühmte „Streichquartett Opus 16“ des 26jährigen Paul Hindemith, das in Donaueschingen zur Uraufführung kam. Beginn des späteren Weltruhms von Hindemith. In den folgen­ den Jahren entwickelten sich die Musiktage mit sensationellen Neuheiten hin zu Arnold Schönberg, der sein Werk „Serenade op. 24“ in der neuen 12-Tontechnik ebenfalls in Do­ naueschingen zur Uraufführung brachte. In den Jahren 1927 bis 1929 gab es eine Un­ terbrechung. Max Riepl.e im Gespräch mit dem tschechischen Komponisten Alois Haba (rechts), aufgenommen bei den Donaueschinger Musiktagen 1960. 239

Musik Musiktage 1961, von links: Pref. Strobel Hans Rosbaud und Oliver Messiaen. Die neuen Formen der Musik, auch des Musiktheaters, wurden in dieser Zeit in Ba­ den-Baden erprobt. 1930 gab es die „Deut­ sche Kammermusik Berlin“, das Songspiel „Mahagonny“ von Bert Brecht und Kurt Weil!. 1933 wurden die Musiktage verfehmt, stattdessen herrschte das „Kraft-durch-Freu­ de-Ideal“ mit Handharmonika, Mandoline, Gitarre, Militärkapellen, die dominierten. 1950 begannen nach verschiedenen Fehl­ versuchen nun die „Donaueschinger Musik­ tage“. In ununterbrochener Reihenfolge bis heute fanden sie alljährlich statt in Zusam­ menarbeit des Fürstenhauses zu Fürsten­ berg, der Gesellschaft der Musikfreunde, der Stadt Donaueschingen und des Südwest­ funks Baden-Baden. Als Namen sind zu nennen: Bela Bart6k, Igor Strawinsky, als Dirigent Hans Rosbaud bis 1962, in der Zeit von 1964 bis 1983 als berühmter Dirigent des Südwestfunks Ernest Bour, dann Mi­ chael Gielen. Die Beschränkung auf Kammermusik wur- 240 de aufgegeben, das Orchester des Südwest­ funks bot vielfache Besetzungsmöglichkei­ ten. Leiter der Abteilung Musik des Süd­ westfunks war Professor Heinrich Strobel, der Südwestfunk wurde zum wahren Mäzen der neuen Musik. Kompositionsaufträge ergingen in den 50er Jahren an Wolfgang Fortner, Boris Bla­ her, Luigi Dellapiccola, später Pierre Boulez mit seiner „Poliphony X“, Karlheinz Stock­ hausen („Spiel für Orchester“), Hans Werner Henze, Luigi Nono. Die Reihe der berühm­ ten Namen, die nun mit Donaueschingen in Verbindung standen, läßt sich fortsetzen. 1956 war das Jahr von John Cage und Igor Strawinsky mit der Ballettmusik „Argon“. In den 60er Jahren kam es zu einer Neube­ wertung der Klangfarbe, eine von Klang­ flächen und Klangbändern charakterisierte Musik (Penderezki, Ligeti, Beriot, Holliger, Kagel). 1970 bis 1975 war Otto Tomek als Nachfolger von Strobel im Amt des Musik­ direktors beim Südwestfunk.

Vokalgruppen, Fernsehkameras, Monito­ re, die Anwendung des Films als Medium, Diapositive wurden notwendig – ein ganzes Kompendium von Artikulationsmöglich­ keiten der menschlichen Stimme. 1970 be­ ginnt auch die Phase der elektronischen Klangtransformation, die Life-Elektronik. Giuseppe Sinopoli, Wolfgang Rihm – junge Leute im Alter zwischen 25 und 35 Jahren starteten wieder in Donaueschingen als Ex­ ponenten der jungen Komponistengenera­ tion von heute. Donaueschingen ist damit das älteste Festi­ val für neue Musik und in Europa das ein­ zige, das stets mit vollen Sälen rechnen kann. Zum Rahmenprogramm gehört seit 1954 regelmäßig der Jazz, lange Jahre mit Joachim Ernst Behrend, und die Hörspiel­ vorführungen „Akkustische Spielformen“, die von einer Jury des Südwestfunks ausge­ zeichnet werden. Donaueschinger Mu iktage Ich kann nun verschiedene persönliche Abenteuer und Erlebnisse aus dem Jahre des Besuchs der Musiktage für zeitgenössische Tonkunst in Donaueschingen berichten, auch von der Organisation: Die Wegzugsdrohung nach Villingen­ Schwenningen, Riedels „Tropfsteinhöhle“, bei der wir Versicherungen für Wasserschä­ den prüften, die Begegnung mit Stockhau­ sen nach dem Beifall für Sinopoli, die An­ fangsschwierigkeiten mit dem neuen Inten­ danten Hilf bzw. mit seiner anfänglichen Einstellung zur Neuen Musik, und die Gründung des musikalischen, sehr ein­ flußreichen Beirats, der „Stop“ von Micha­ el Gielen nach 8 Takten, als im Zwischen­ gang geflüstert wurde, die neue Etappe mit den Problemen durch die Hörfunkge­ bühren, die fehlenden Werbeeinnahmen und der Sparvorschlag des jetzigen Inten­ danten Voß sind darzustellen, der bundes- Impression von der Uraufführung des Werkes „Epifanie“ an den Musiktagen 1961. Es singt Cathy Ber­ berian, die Frau des Komponisten Luciano Berio, von dem das Werk stammt. 241

Musik Nach der Uraufführung von „Structures pour deux pianos, deuxilme Livre‘: links Yvonne Lorioch, rechts Pierre Boulez, aufgenommen bei den Musiktagen 1961. weit Furore machende Gedanke der Bienna­ le als tödliche Gefahr. Wesentlich und günstig für Donau­ eschingen sind folgende Punkte: Die geographisch günstige Situation im Dreiländereck Deutschland, Frankreich, Schweiz. Die Kürze der Zeit: Nur ein Wochenende lang finden die Musiktage statt. Die mäzenatische Haltung des Fürsten­ hauses und des Südwestfunks. Der persönliche Kontakt in Donau­ eschingen, dem sich jeder verpflichtet fühlt. Dennoch erreichen die Donaueschinger Musiktage eine Ausstrahlung bis nach Ame­ rika und Japan, die Musiktage werden in 30 Länder der Welt übertragen! Die heutige Stilart der Musiktage läßt sich am ehesten mit einer großen Freizügigkeit darstellen. Teilweise eine Rückkehr zur Har­ monie, immer aber Neues auf dem Gebiet der Tonkunst. Donaueschingen soll ein La­ boratorium bleiben, ein Prüfstand und ein 242 Treffpunkt für Neugierige, für Kunst der Ge­ genwart. Zum Schluß ein Wort zur aktuellen Situa­ tion: Der Südwestfunk soll jährlich 60 bis 70 Millionen DM einsparen laut „KEF“ (Kom­ mission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten) wegen des zu gering aus­ gehandelten Gebührentarifs, deshalb der Kürzungsvorschlag von 300000 Mark für Donaueschingen. Als Folge gab es einen bundesweiten Aufschrei von Kritikern, Pres­ se, Komponisten von Rang, spezielle Fern­ sehsendungen und Diskussionsrunden im Rundfunk, aber auch hunderte von Protest­ briefen an den Intendanten und den Mini­ sterpräsidenten. Deshalb folgten die inten­ sive Suche nach Sponsoren und die Auffor­ derungen an Bund und Land, finanziell einzuspringen. Schließlich kam es zur glücklichen Gemeinschaftsförderung dank der Kulturstiftung der Deutschen Bank und der Hilfen von Bundesrepublik Deutsch-

land und Land Baden-Württemberg bis zum Jahr 2 000. Für die Zeit danach hat die Kul­ turstiftung der Deutschen Bank die Option erhalten. Diese „Krise“ der Donaueschinger Musik­ tage im Frühjahr 1996 hat eine Vielzahl von offenen Protestbriefen gegen den Vorschlag der „Biennale“ und heiße Befürwortungen der bisherigen Form der Musiktage gegen­ über dem Südwestfunk und gegenüber dem Land Baden-Württemberg hervorgerufen, ein neuer, großer Werbe-Impuls für „Do­ naueschingen“! Am 18. Oktober 1996 wurde mit viel Pro­ minenz, mit dem Staatsintendanten Prof. August Everding als Festredner, mit Mini­ sterpräsident Teufel, Kanzleramtsminister Bohl und mit mehr als 800 Fachleuten aus der Welt der Tonkunst gestärkt das 75jähri­ ge Jubiläum der Donaueschinger Musiktage gefeiert! Dr. Bernhard Everke, Oberbürgermeister Donauescbinger Musiktage Vertieft ins Studium der Komposition, Musiktage 1961. Das Siefonie-Orchester des Südwesifunks unter Leitung von Hans Rosbaud (1960). 243

Musik Erinnerungen an den Musiker Josef Raus Der Tradition zugewandt, aber stets aufgeschlossen für Neues Josef Raus wurde am 28. Oktober 1894 in Donaueschingen als Kind von Xaver und Anna Raus geboren. Sein Vater Xaver, Ka­ pellmeister und Briefträger zugleich, hatte sich bereits eine ansehnliche junge Blaska­ pelle herangezogen, die allabendlich im oberen Rausen-Zimmer seine selbstarran­ gierten Opern-und Klavierauszüge probte. Alle vier Xavere-Söhne kamen in Papas Blas­ kapelle, die inzwischen eine Attraktion er­ sten Ranges für den ganzen Kreis darstellte und machten schnell Fortschritte. Karl, der Älteste, versuchte sich schon bald im Komponieren, vervollkommnete sein Klarinetten-und Violinenspiel und durfte alsbald am Essener Konservatorium Violine und Komposition studieren. Als zweiter Konzertmeister und erster Soloviolinist hatte er in allen namhaften Orchestern Deutschlands, vornehmlich unter Abend­ roth {erster Dirigent) und Pfitzner (Gastdiri­ gent) gespielt. Auch der heiteren Muse war er aufgeschlossen. So sprang er im Kinoor­ chester oder beim Operettentheater ein, wenn Not am Mann war. Wegen anhalten­ der Revolutionsunruhen im Ruhrgebiet kehrte er 1919 vom Essener Theater nach Donaueschingen zurück, wo er in den Kur­ orchestern Villingen und Dürrheim mit sei­ nem Solistenspiel erfreute. Seine Dirigierkunst konnte er dann in den 20er Jahren zur Entfaltung bringen, indem er das aufgelöste Kurorchester {welches er auch mit einer neuen Klangfarbe, nämlich einem Saxophon -mit ihm selber als Soli­ sten -zu bereichern verstand) zunächst al­ lein (später mit einem Freund) wiederaufle­ ben ließ, bis die Nazi-Diktatur dem Orche­ ster den Garaus machte. Er gab aber nicht auf; führte die Idee des Kurorchesters auf kammermusikalischer Ebene fort, indem er das Klaviertrio Höfler-Raus ins Leben rief. 244 Inzwischen auch als geschätzter Lehrer be­ kannt, entstanden in seiner Musezeit klei­ nere Kompositionen (Walzer, Märsche, In­ termezzi), von seinem Bruder Josef im Kel­ ler auf seiner gewaltigen Maschine gedruckt. Diese wurden zunächst im Eigenverlag her­ ausgebracht, bis auch andere Verlage sich zur Herausgabe bereit erklärten. Allmählich fand seine Salonmusik zu mäßigen Preisen guten Absatz, was nicht zuletzt seinen Kon­ zerten mit dem Höfler-Raus-Trio zu ver­ danken war. Die beiden anderen Brüder widmeten sich neben ihrem Berufe auch der Musik. Franz beherrschte das Spiel auf diversen Flöten, Lauten und konnte auf der Gitarre sowohl solistisch als auch accompagnativ auftreten. Wilhelm beherrschte Horn und Trompete. Josef, der auch das Zeug dazu gehabt hät­ te, mußte auf einen Konservatoriumsbesuch verzichten, da er bereits in jungen Jahren gut verdiente und damit eine unentbehrliche Stütze fur die Seinen war. Also wählte er das Druckereigewerbe zu seinem Hauptberuf, erweiterte seinen Horizont durch Bekannt­ schaft mit namhaften Künstlern, deren Li­ thografien er druckte. Daneben aber hatte er sich gänzlich der Klarinette verschrieben. Zunächst spielte er beim Donaueschinger Musikverein. Da aber seinem Vater Josefs schöner Ton immer mehr auffiel und zudem 1913 die Gesellschaft der Musikfreunde mit dem Gedanken „Vergangenes neu zu bele­ ben und an die Jetztzeit anzuschließen“ ge­ gründet wurde, war Josef einer der Jüngsten, die eintraten. Als einzigem Amateurmusiker war es ihm ermöglicht, solistisch hervorzutreten. Unter Burkards Anleitung wurde er zum unum­ strittenen ersten Soloklarinettisten der Ge­ sellschaft der Musikfreunde bis zu deren Auflösung 1926.

Danach trat er weiterhin als Soloklarinet­ tist der monatlichen Orchesterkonzerte bis 1936 auf. Am liebsten spielte er Webers Kla­ rinettenkonzerte und die Solopartien aus Griegs „Peer Gynt“ oder den Mendelssohn­ Ouvertüren. Zudem war er in der Marien­ kirche regelmäßig als Solist in diversen Ora­ torien und Messen (von Händel bis Liszt) zu hören. Damals fanden auch viele Urauf­ führungen sakraler Chor- und neuer Orgel­ musik (z.B. Heiller) statt, was aber bald im­ mer mehr auf Ablehnung stieß. Nun wußte Burkard vor allem Josefs Gleichmut, Fleiß und sein Auftreten ohne große Worte zu schätzen. Burkard (seiner Zeit 2. Kapellmeister Pfitzners) wurde von Dr. Feurstein nach Donaueschingen emp­ fohlen. Burkards Orchester, anfangs be­ scheiden mit Streichern, Flöte und Chor be­ setzt, wurde durch seine sorgsam ausge­ wählte Chor- und Orchesterkost bald zu ei­ nem soliden Klangkörper. Dabei verstand er es vor allem, alte Musikschätze der Hofbi­ bliothek (Dittersdorf, Fiala, Kreutzer) neu zu beleben. Durch Orchesterzuwachs aus der Umgebung kam es zu erstem öffentli­ chen Auftreten. Sänger/-innen und Bläser­ solisten wurden von auswärts verpflichtet. Zwar konnten im Ersten Weltkrieg nur drei Kammermusikkonzerte gegeben werden, aber nach 1918 wurde das Orchester durch eine bedeutsame Militärmusik in Form des garnisionierenden Ausbildungsbataillons verstärkt. Die Konzerte gewannen dadurch immer mehr Zuspruch und Josef lernte durch die Hände der weltbesten Klarinetti­ sten immer mehr Kniffe hinzu. 1921 fand das erste Kammermusikfest, vom hiesigen Fürsten gefördert, in festlichem Rahmen statt. Das war aber eigentlich nichts Neues; das untergründig vorhandene Fluidum brauchte bloß den entscheidenden Anstoß eines Heinrich Burkards, um an den Ge­ pflogenheiten des 18. Jahrhunderts anzu­ schließen; feierten damals etwa Haydns ,,Schöpfung“ oder Mozarts „Neuste Gebur­ ten“ ihre Premieren, so gab’s jetzt Urauf- Josef Raus Josef Raus, 1984 führungen von Hindemiths „Marienleben“ und seinen Streichquartetten II-N Haas und Hindemith waren an den Auf­ führungen maßgebend beteiligt. Haasens Musik, volkstümlich und gelehrt zugleich, stimmungsschön in spätromantischem Neo­ barock, war in der Thematik nicht über­ mäßig bedeutend, gewann aber als Ganzes durch kompositorische Dichte und gepfleg­ te Instrumentation. Hindemith wurde 1922 mit seinem 2. Streichquartett weltberühmt, indem er zum ersten Male die Spätroman­ tik durch einen zupackenden Bewegungs­ strom zu überwinden vermochte. Dr. Feurstein war wie Josef ein begeisterter Kammermusikler humorvoller Art. An ei­ nem jener Abende im Kurhaus in traulicher Runde bei Wein und „Musig“ gab Feurstein Burkard einen W ink. Der schaltete gleich und raunte zu Hindemith: ,,Schau der jun­ ge Mann da, das ist der Josef, der ist zwar bloß Dilettant, aber sein Ton hat Seele, sag ich Dir.“ Und so lernte Josef Raus den großen Hindemith kennen. 245

Josef Raus Nach dem Zweiten Weltkrieg beschränkte sich Josefs Begeisterung auf Passives, aufs Zuhören. Seine Lieblingskomponisten wa­ ren Johann Nepomuk David mit seiner Frei­ tonalität, einem wesentlichen strengen In­ nenreichtum, aller Moden fern und abseits vom Musikbetrieb, unmittelbar fühlbar wohl erst späteren Geschlechtern und Wolf­ gang Fortner, welcher der Dodekaphonie durch Reihenabschnittsinterpolation auf va­ riabler Transposition neue Modi abzuge­ winnen verstand. Nach dem Zusammenbruch der Gesell­ schaft der Musikfreunde kehrte er zur Stadt­ kapelle zurück. Das war ihm aber nicht ge­ nug und so betreute er das hiesige Mandoli­ nenorchester, trat auch solistisch mit der Mandoline hervor. Die dabei zur Auffiih­ rung gelangenden Salonstücke arrangierte er teilweise neu und schrieb für die Mitglieder die einzelnen Stimmen nach der Partitur. Da er die gestochen schöne Notenschrift von seinem Vater geerbt hatte, war er im­ stande, seine handgeschriebenen Noten in seinem Keller auch zu vervielfältigen. Vor allem nach dem 2. Weltkrieg, als das meiste Notenmaterial der Vernichtung an­ heimgefallen war, arrangierte er, schrieb er um und druckte oft ganze Nächte lang wie sein Vater. Heute noch sind diese Noten bei vielen Orchestern und vor allem Kirchen­ chören in Gebrauch. Josef aber, der Tradition zugewandt, blieb zeit seines Lebens aufgeschlossen für Neues. Auch in reifem Alter verfiel er nicht einem festgefahrenen Hörschematismus, sondern suchte stets die Einzelheiten zu einem orga­ nischen Gesamtbild zusammenzufassen. Der Jugend gerade auch in ihrer überstei­ gerten Form hatte er stets das Recht aufs Probieren eingeräumt. So begann er mit der Ausbildung des Jugendblasorchesters. Da er fast alle Instrumente (außerdem noch Violi­ ne, Flöte, Gitarre, Oboe, Zither) spielen konnte und zudem ein offenes, leutseliges Herz im Leibe trug, traf er bei den Jungen auf volle Anerkennung. Wenn Not am 246 Josef Raus nach einer Zeichnung von Detlef Roth. Mann, konnte er auch dirigieren. Im hohen Alter, als der Ansatz nachließ, gab er sein In­ strument seinen Enkeln weiter; aber zwi­ schen 85 und 90 ging er immer noch gern in den Wald und pfiff auf seinen Flöten den Vögeln eins vor. Mit über 90 konnte er kaum noch spielen, hatte aber bis zuletzt seine Freude an seiner umfangreichen Plat­ tensammlung. Sein Bewahren des Alten an der Musik und zugleich seine Aufgeschlossenheit für alles Neue in der Musik hat er seinen Enkeln als Vermächtnis hinterlassen, welche sich auch wie er des Partiturspiels, Notenschrei­ bens und auch graphischer Notationsversu­ che befleißigen. Josef Raus starb am 22. März 1991 in Donaueschingen. Uwe Roth

18. Kapitel/ Almanach 98 Kunst und Künstler Inspirationsquelle Afrika Die multiästhetische Bildsprache der Schwenningerin elfi schmidt Paul Klee und August Macke reisten 1914 nach Tunis, um sich von nordafrikanischem Licht- und Formenspiel inspirieren zu las­ sen. Heutzutage fühlt sich Michael Buthe vom Schwarzen Kontinent angezogen und auch elfi schmidt (e. s.) packt seit 1991 jedes Jahr ihre Pigmentdosen, Pinsel und Binde­ mittel in ihren Rucksack und landet nach sechsstündiger Flugzeit in Gambia/West­ afrika, das mittlerweile zu ihrer zweiten Hei­ mat zu werden scheint. Der andere Heimatort, quasi der nördliche Pol in ihrem künstlerischen Arbeitsfeld, ist VS-Schwenningen. Hier wurde sie 1944 ge­ boren; hier unterhält sie seit 1985 ein Ate­ lier in einem ehemaligen „Fabrille“ für Uh­ renteile. In die Zwischenzeit fallt u. a. eine Bauzeichnerlehre beim Städt. Hochbauamt Schwenningen. Weiterhin wesentlich für ih­ re künstlerische Entwicklung waren die Stu­ dienjahre der Bildenden Kunst von 1969 bis 80 an der Fachhochschule Hannover und an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig. Dort schloß sie ihre Ausbil­ dung als Meisterschülerin bei Prof. Peter Voigt ab. Abb. 1: ,Jlügelstek, the gambia 1992 „. Pigment und Binder, Textil auf Papier/ Holz, 120 x 150 cm. 247

Kunst und Kün tler Abb. 2: GAME XVIIL thegambia 1994. Pigment, Sand und Binder, Textil, Garn auf Papier/Holz, 120x150cm. Die Mechanismen des Kunstmarktes und der Kulturpolitik lernte sie in den Jahren 1976-83 als Mitbegründerin und Ausstel­ lungsmacherin der Produzentengalerie »Li­ ster Werkstatt“ in Hannover kennen. Blei­ bende kunstgeschichtliche Impulse erhielt sie in den 80er Jahren (1982-91) in Ober­ ägypten auf der Westbank von Luxor, wohin sie mehrere längere Studienreisen führten. Dreh- und Angelpunkt im künstlerischen Schaffensprozeß von e. s. ist das Tagebuch, das sie seit ca. 20 Jahren regelmäßig führt. In ihm notiert und skizziert sie ihre Erlebnisse und klebt Fundstücke, wie z. B. Stoffetzen und Papierreste, ein. Aus ihm heraus entwickelt sie ihre Kunst­ werke. Dabei bindet sie konkrete Bildideen im freien Spiel der oft unbewußten Rück­ besinnung an Farbe, Form und Fundstücke. Für ihre Gambia-Bilder dient ihr Zement­ sackpapier als Malgrund. Es ist, als eurospa­ nischer Importartikel, überall im Land zu haben und es ist strapazierfähig, das heißt e. s. kann ihre darauf gemalten oder collagier­ ten Bilderwerke zusammengefaltet im Ruck­ sack zurücktransportieren. Von 1991 bis 94 zog sie ihre „Faltbilder“ im Atelier auf Holzplatten auf. Da die Ar­ beiten durch dieses „Aufbügeln“ etwas von ihrer spontanen Machart verloren, ging sie seit 1995 dazu über, ihre Bilder mit einer dicken Pappmacheschicht zu hinterfüttern. Der Übergang vom Tafelbild zum Bildob­ jekt war hiermit vollzogen. 248

elfi schmidt schreibt mit diesen Kunstwerken keine weitere Fußnote zu einer sich in beliebige Facetten auflösenden Postmoderne. Sie sucht vielmehr nach einer ästhe­ tischen Bildersprache, in der sich afrikanische Ursprüng­ lichkeit und Sinnlichkeit mit abendländi­ scher Mentalität zu einer multiplen Daseinsschau ver­ schmelzen. Aspektive und Per­ spektive werden von e. s. nicht mehr als Gegensätze gesehen, die grelle schlagschat­ tenhaltige Farbigkeit Afrikas wird transponiert in ein mehrwertiges Farbraumgefüge, voller Zwischentö­ ne und Valeurs. Eine weitere Brechung ihrer Normen und Werte erfährt e. s. in Afrika durch ein soziales Umfeld, in dem emotionaler und direkter agiert wird als hierzulande. e. s. setzt sich diesem Spannungsfeld bewußt aus, um für sich selbst zu neuem Bewußtsein Abb. 3: UFO 1 (rastar), thegambia 1995. Pigment und Binder, Garn auf Papier/ Pappmachi, 90x 73 cm. elfi schmidt oder /und Zuneigung zur gefahrvollen Fremdheit Afrikas. Diese Methodik schließt selbstre­ dend eine unverbindliche „1 art pour 1 art“ – Haltung aus. ,,L‘ art pour la vie“ ist e. s. ’s De­ vise, die sich in beispiel­ hafter Weise in ihren Kunstwer­ ken reflektiert fin­ det. Die „flügelste­ le, the gambia 1992″ (Abb.1) leuchtet in ei­ nem magischen Hellblau aus dem dunklen, erdigen Bildgrund hervor. Der leicht geschwungene, mit geneigtem Kopf dastehende Körper hält sei­ ne Arme (zwei collagierte Stoffteile) in beschwörender Gestik ausgebreitet. Ein riesiger Raum liegt zwischen der in ritueller Haltung verharrenden Person und dem Bildgrund. Er wirkt unüber­ brückbar, doch die Figur, möglicherwei­ se die Künstlerin selbst, steht den Einflüssen dieser archa­ ischen Welt offen gegenüber. Das Tafelbild „GAME XVIII, the gambia 1994″ (Abb. 2) trägt den gleichen dunkeler­ digen Grundton. Doch hier wird die uner­ gründliche Tiefe durchbrochen von rhyth­ misch gesetzten, weißen Wischern, die wie Kometenschweife den Bildgrund erhellen. Mittig darüber schwebt ein Dreieckskörper (ein Drachen, ein UFO?), auf dessen Ober­ fläche sich zwei segmentierte Ovalformen befinden. Diese Rundungen erinnern an Bullaugen, an fremdartige Augenformen, die eine Beobachterposition andeuten. Doch das Beobachtete erscheint für den Betrachter (e. s.) genau so fremd wie der Betrachter es für das beobachtete Objekt (Afrika) ist. Abb. 4: UFO III, thegambia 1995. Pigment und Binder, Textil Garn auf Papier/Pappmachi, 135x 130 cm. 249

Kunst und Künstler Abb. 5: UFO IV (snakefami!Y), thegambia 1995. 250 Pigment und Binder, Textil, Garn auf Papier/Pappmache, 135x120cm. elfi schmidt versetzt den Bildbetrach­ ter in eine visuelle Zwickmühle: eine Sinnbildsynthese scheint nicht möglich und dennoch versuchen wir sie zu voll­ ziehen. Europa und Afrika prallen in diesem Weltbild unversöhnlich auf­ einander. Ein Jahr später, bei den Bildobjek- ten der „UFO“-Serie (Abb. 3, 4, 5) scheint der Konflikt zwischen dem Beobachter und den Beobachteten aufgehoben zu sein. Die nun ge­ doppelte Dreiecksform hat sich ver­ selbständigt; doch der Ablösungs­ prozeß hinterließ Spuren der Ver­ letzung. Die an Schutzschilde er­ innernden Bildobjekte weisen eine Reihe von Löchern auf (Abb. 3 und 4), die wie Durch­ bohrungen von Speeren oder Feuerwaffen wirken. Aus Si­ cherheitsgründen haben die UFO’s I und IV Tarnfarben angelegt. Der europäische „Fremdkörper“ kleidet sich Die Schutzschildserie ’96 verdeutlicht die- mit den Rastarfarben Afrikas (grün-gelb- rot), ,,UFO I (rastar), the gambia 1995″ ses Thema auf’s neue: die UFO’s haben ih- re Schutzschilde vergrößert; e. s. hat ihre (Abb. 3) und benutzt einheimische Tiere wie Tarnfähigkeit weiter kultiviert. Gelegentlich bei „UFO IV (snake family), the gambia 1995″ (Abb. 5) als zusätzliche Deckung. finden noch Kämpfe statt, doch die Verlet- zungen sind nur von peripherer Natur, In den 80er Jahren fertigte e. s. Federfell- Objekte, in die sie sich nach fiktiven Flug- ,,schutzschild II (pfeile), the gambia 1996″ reisen schützend einhüllte. Doch der Be- (Abb. 6). Das „schutzschild III (sechszackig), trachter (e. s.), der heute zwei-bis drei-,.—… the gambia 1996″ (Abb. 8) strahlt fach gesichert in seinem futuristi- abschreckende Dominanz aus und sehen Flugkörper sitzt, bleibt auf weist schwache, kaum wahr- nehmbare Schlitzungen auf Distanz. Die Adaption des Mit dem Bildobjekt „schutz- Fremden scheint nur in ge- schützter Form möglich. (fanal), the schild VIII gambia 1996″ (Abb. 7) Europa nähert sich Afrika, aber es gibt sich nicht deutet sich eine andere preis und auch der Richtung in der Ausein- andersetzung der Künstle- Schwarze Kontinent be- rin mit Afrika an. Die ovale wahrt seine Geheimnisse. Es ist eine Annäherung unter Schildform trägt einen blau- gleichzeitiger Wahrung von Ab­ stand. Abb. 6: ,,schutzschild II (pfeife)‘: the gambia 19 96. Pigment und Binder, Textil, Garn auf Papier/ Pappmache, 154x139cm.

Abb. 8: ,,schutzschild III (sechszackig), thegambia 1996.“ Pigment, Sand und Binder auf Papier !Pappmachl, 212x 77 cm.

,lfi schmidt schwarzen Bildgrund, auf den e. s. weiße Zierpapierreste (Fund­ stücke, die von festlich ge­ schmückten, mit Kerzen beleuchteten Papierboo­ ten- oder Häusern stam­ men, die zum Jahresen­ de auf den Straßen von Kindern herum­ getragen werden – Fanal -), collagiert hat. Im Bildzen­ trum befindet sich ein Loch, das mehr an einen Durch­ blick denken läßt als an eine im Kampf entstandene Durchbohrung. Der dokumentarische Charakter dieser Arbeit überwiegt den Aspekt der Tarnung und verweist auf das Diptychon „africa (black culture) – europe (money), the gambia 1996″ (Abb. 9). „europe“, das ist für e. s. eine nicht enden wollende Ziffernfolge in zentripedaler Rotation oder schlicht ge- sagt „money“. In gleicher Größe daneben gesetzt, nicht davor oder dahinter, nein, deckungsgleich geformt, breitet sich auf dem Tondo ein homogenes, erdbraunes Feld aus, über dem wie Wolkenfetzen drei durchscheinende Blautonzonen schweben. Abb. 7: ,.schutzschild VIII ([anal)‘: thegambia 1996. Pigment, Sand und Binder auf Papier /Pappmachi, 158×95 cm. Dieser gerundete Farb­ klang, voll von ele­ mentarer Sinnlich­ keit, symbolisiert für e. s. ,,africa“. Das Spannungs­ feld zeigt sich wie­ der in aller Deut­ lichkeit; die beiden Pole sind differen­ ziert beschrieben, doch die Formge­ bung W“.rleiht diesem Werk einen versöhnli­ chen Aspekt. e. s. wird ihr afrikani­ sches Abenteuer fortsetzen in weiteren Bilderzyklen, die die Unterschiede beider Kul­ turen dokumentieren und die gleichzeitig einen gemeinsamen Nenner beschwören, wenngleich dieser vorerst wohl mehr auf einer magisch-meta­ physischen Ebene in den Bildobjekten von elfi schmidt zu erleben sein wird. Horst Kurschat Abb. 9: ,,africa (black culture)- europe (money), thegambia 1996. „Pigment, Sand und Binder auf Papier/ Pappmachi, 2 x 120 cm Durchmesser. 252

Kunst und Künstler Ein Maler ohne Grenzen Wiederentdeckt: Der Dix-Schüler Hermann Wiehl aus St. Georgen Sein Grab findet man auf dem St. Ge­ orgener Waldfriedhof, eines seiner Bilder schmückt das St. Georgener Kranken­ haus, aber um den Kunstmaler Hermann Wiehl, der 1978 gestorben ist, war es still geworden. Bis vor rund fünf Jahren der Galerist Roland Roeder aus Oberuhldin­ gen seine Spur aufnahm. In mühsamer Puzzlearbeit suchte und fand er mit sei­ ner Tochter Tamara im Schwarzwald die überall verstreuten Gemälde des Man­ nes, der immerhin im Lexikon der Bil­ denden Künste (Vollmer, Band 5) ver­ ewigt ist. Inzwischen gehört der verstor­ bene Maler fast zur Familie Roeder. ,Je­ desmal, wenn ich wieder ein Bild von ihm entdecke, freue ich mich wie ein Kind“, sagt Roland Roeder. Mehrere Ausstellungen, ein Kunstband, Kunstka­ lender und Postkarten hat Roeder initi­ iert, gestaltet und herausgegeben. Und warum tut er das? ,,Der Mann darf ein- Hermann Wiehl (1900-1978), Selbstportrait. fach nicht vergessen werden, immerhin Öl auf Malkqrton, 40×45 cm. war er ein Schüler von Dix.“ Daß ihr „Honig-Wiehl“ doch so ein großer Künstler gewesen sein soll, daran zweifeln immer noch einige Bergstädter. Andere kön­ nen sich noch an ihn erinnern: Er fuhr einen großen Wagen, immer die Staffelei im Kof­ ferraum, betrieb zusammen mit seiner Frau ein Honighaus, in dem sich auch sein Ate­ lier befand, und war viel auf Reisen. Daß be­ reits zu seinen Lebzeiten Ausstellungen mit Gemälden von ihm, Dix, Grieshaber, Antes, Bill und Ackermann stattfanden, hat nur ei­ nen bestimmten Kreis in seiner Heimat er­ reicht. Die letzte Ausstellung in St. Georgen, die Werke von Wiehl und dem kürzlich ver-· storbenen St. Georgener Bildhauer Willi Dorn zeigte, fand 1965 auf Initiative des Volksbildungswerk-Leiters Horst Hecker statt. Da war Wiehl 65 Jahre alt geworden. Hermann Wiehl wurde am 9. November 1900 in Nußbach geboren, besuchte die Schule aber in St. Georgen, wohin die Eltern sehr bald zogen. Die Großeltern stammten vom Waldhasenhof bei Langenschiltach, den Wiehl später malte. Er erlernte den Kaufmannsberuf und arbeitete nach dem Ersten Weltkrieg, zu dem er noch 1918 ein­ gezogen wurde, als Handelsvertreter. 1925 gründete er das Honighaus in St. Georgen, heiratete und hatte somit eine Existenz für sich und seine Frau. Die Ehe blieb kinderlos. Bald unternahm er einige Maiversuche, be­ kam Kontakt zu Professor Anselment in Nürnberg, später zu Otto Dix in Hem­ menhofen. Im Lexikon der Bildenden Kün­ ste steht sein künstlerischer Werdegang: „Schüler von 0. Dix in Dresden, von Max 253

Kun I und Künstler Roeder und seiner Tochter ge­ lang es, bei mehreren Gemäl­ den den Zeitraum der Entste­ hung einzugrenzen und auch die Motive wiederzufinden. So kann man Wiehls Werk, das rund 1600 Exponate umfaßt, nur anhand der künstlerischen Einflüsse und seiner eigenen Philosophie einordnen. Die Kunsthistorikerin Marie-The­ res Scheffczyk aus Konstanz meint: ,,Wiehls gestalterischer Erfindungsreichtum, der sich im wesentlichen auf expressio­ nistischem Terrain verwirk­ licht, scheint keine Grenzen zu kennen. Nicht nur, daß sehr Naturnahes neben extrem Na­ turfernem und gelegentlich Abstraktem steht, seine Far­ benmusik weiß gleicherweise um strahlenden Glanz wie um nahezu nächtige Dunkelheit, sein Pinsel kann sich in erupti­ ven Farbstürmen ergehen, kann die Farbe aber auch, gra­ phisch scharf umzirkelt, in sich gänzlich homogen setzen.“ Der Schwarzwald, der Boden­ see und die südlichen Land­ schaften werden von ihm im­ mer wieder malerisch neu um­ gesetzt. Wiehl begründete seine stilistische Beweglichkeit einmal so: ,,Der Maler soll sich nicht einseitig einer bestimmten Rich­ tung verschreiben und nur mit dieser alle sich ihm bietenden Aufgaben lösen wol­ len … Die Natur ist ebenso reich wie das Le­ ben und hat wie dieses verschiedene Aspek­ te.“ Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm man Notiz von ihm: Eine erste Gemälde­ ausstellung fand 1948 in Villingen statt. Von 1955 bis 1958 stellte er im Villinger Kunst­ verein aus. 1961 erlebten die St. Georgener eine Ausstellung mit Gemälden von Dix, Ackermann und Wiehl. 1977 erfüllte sich Blumenstilleben, 1950er Jahre. Öl auf Maiplatte, 60x 80 cm. Ackermann in Stuttgart-Horn und von An­ selment in Nürnberg. Studienaufenthalte in Paris (Begegnung mit Leger), in Vallauris (Begegnung mit Picasso), in Cannes, Rom, Venedig, Florenz und auf Capri. Hauptsäch­ lich Landsehafter (südbadische Motive und Bodenseelandschaft).“ Die Begegnung mit den großen bildenden Künstlern hinterließ ihre Spuren im künst­ lerischen Werk von Hermann Wiehl. Da er beim Malen keine kommerziellen Gedan­ ken hegte, eher seine Gemälde verschenkte, fehlen auf vielen Exponaten genauere Hin­ weise wie Entstehungsjahr und Titel. Roland 254

Wiehl noch einen Wunsch und stellte in der Partnerstadt an der Cote d‘ Azur, in St. Ra­ phael, aus. Ein Jahr später, am 9. August 1978, starb Wiehl und wurde auf dem Wald­ friedhof in St. Georgen beigesetzt. Nach dem Tod seiner Witwe landete der Nachlaß teils auf dem Sperrmüll, teils im Keller des Honighauses, wo er bei Hochwasser stark beschädigt wurde. Das eine oder andere Bild wurde gerettet. Roland Roeder hat sie ge­ sucht und gefunden. Einmal wiederentdeckt, soll nach Wunsch und Willen des Galeristen Hermann Wiehl nicht wieder in Vergessenheit geraten. Ein in Fachkreisen anerkannter Kunstband mit rund 250 qualitativ hochwertigen Repro­ duktionen erlebte inzwischen seine zweite Auflage. Mit einer Ausstellung im Her- Hermann Wiehl mann-Hesse-Museum in Gaienhofen, un­ weit des Wohnhauses von Otto Dix, erlebte Wiehl 1995 eine erste Renaissance. Es folg­ te eine Ausstellung in Friedrichshafen und im Mai 1996 nun endlich in St. Georgen. Auch mit Kunstpostkarten und einer Serie von Kunstkalendern will Roeder Wiehl posthum zu Ehren verhelfen. Einer freut sich darüber ganz besonders: Dr. Walter Probst aus St. Georgen, der hochbetagt als Freund Wiehls es sich nicht nehmen ließ, die Ausstellungen zu eröffnen. Renate Bökenkamp Idyll.e am Waldrand. Öl auf Maiplatte, 65 x 7 5 cm. 255

Kun t und Künstler Landschaften aus Plastik und Gouachen Rupert Schumachers Blick auf die Wirklichkeit hinter den Dingen Material und Bildinhalt ergeben in ihrem Zusammenspiel die Botschaft und lassen die Absicht des Künstlers erkennen: Ein häufig gehörtes Credo zeitgenössischer Kunst, das zu oft nur idealtypischen Charakter hat. Kunstwerke, die diesem Anspruch auch in der Realität gerecht werden, sind ohne Zwei­ fel die Plastikarbeiten des Künstlers Rupert Schumacher. Der 1950 in Riedlingen gebo­ rene und in Schwenningen aufgewachsene Künstler studierte von 1974 bis 1980 an der Staatlichen Akademie für Bildende Künste in Stuttgart. Ein Gastsemester an der Wiener Akademie folgte. Danach arbeitete Schu­ macher als freischaffender Künstler in Mün­ chen, Frankfurt und Berlin. Nach längeren Studienaufenthalten, wie beispielsweise ein einjähriger Italienaufent- halt, lebt und arbeitet er seit 1995 wieder in Villingen. Seit Abschluß seines Kunststu­ diums arbeitet Schumacher hauptsächlich mit dem Material Plastik. Nach Jahren der Versuche mit Malerei und anderen stoffli­ chen Materialien, die aber allesamt nicht sei­ nem Anspruch an zeitgemäße Auseinander­ setzung mit dem Thema genügten, erschien ihm Kunststoff als adäquates Material, seine Intention zu verdeutlichen. Schon zuvor war das Thema Landschaft für ihn treiben­ de Kraft künstlerischer Tätigkeit. Das Thema Landschaft und Natur erfordert in unserer Zeit eine völlig andere Sehanforderung. Schumacher stellt nicht die Natur selbst dar, er will den Blick des Betrachters auf die Wirklichkeit hinter den Dingen richten. Er möchte mit seinen Bildern unseren Umgang Rupert Schumacher 256

Rupert Schumacher mit der Natur sichtbar ma­ chen. Sie handeln von der Domestizierung, Technisie­ rung und Verkünstlichung der Welt, in der wir leben. So verdeutlichen seine trag­ baren Landschaften, Plastik überzogene Kartons, an de­ nen sich Tragegriffe befin­ den, die selbstverständliche Verfügbarkeit von Natur. Die Auflösung der reinen Ästhe­ tik ist eine weitere Intention des Künstlers. Ein Bild wird aufgebaut und dann mittels Hitze durch einen Heißluft­ fön wieder partiell oder gänz­ lich zerstört. Was in seinem Resultat aber nicht zu einem häßlichen Bild führt, son­ dern den Blick frei gibt für Sonnenblumen, 19 91, Plastik. ein erweitertes Sehen der Ab- läufe in und außerhalb des Bildes. Innerhalb des Bildes kommt es zu einer gewollten Auflösung der Ästhetik, außerhalb des Bil­ des muß weiter gedacht werden, denn dort greifen ganz andere Mechanismen. Rupert Schumachers Plastik­ landschaften sind her­ gestellt aus einem ver­ femten Werkstoff, der aber täglich von uns be­ nutzt wird. Somit for­ dert dieses kritische Ma­ terial den Betrachter zur Selbstreflexion und zur Kritik heraus. Die künstlerische Aus­ einandersetzung mit dem als Synonym für Künstlichkeit schlecht- hin zu bezeichnenden Werkstoff nimmt eine zentrale Stellung in R5r:- Schumachers Kunst- schaffen ein. Daneben, und mit solchen Arbei- Tür, 1995. Gouache und Stifte. ten begann sein künstlerischer Werdegang bereits zu Gymnasialzeiten, triffi man Ru­ pert Schumacher ganz unspektakulär an der Staffelei an. Mit Gouachenfarben, Bunt­ und Bleistiften gibt er Ansichten von Ge­ bäuden oder bestimmte Details wie Fenster oder Türen wieder. Der künst­ lerische Blick richtet sich hierbei vorwiegend auf Gebäude, die bereits vom Zerfall gezeichnet sind. Ruinenhafte Struk­ turen und Auflösung von Kultur, Suche nach Geheimnissen in verlas­ senen Bauwerken, aber auch die Rückgabe an die Natur sind die Eck­ punkte seiner Faszinati­ on an diesem Sujet. Sei­ ne Motive findet er bei Ausflügen in die nähere Umgebung sowie auf sei­ nen Reisen und Studien-257

Rupert Schumacher mehr und somit sind die Bilder oft letztes Zeugnis vor der endgültigen Auflösung. Eine im Rahmen des „Brigachtaler Kultu­ rellen Herbstes“ bis Ende November 1997 im Heimatmuseum in Brigachtal-Überau­ chen zu sehende Ausstellung stellt den Künstler von beiden Seiten vor. So unter­ schiedlich diese auch vordergründig erschei­ nen mögen, die kreative Triebkraft ent­ springt einer einzigen Qielle: Ob konkur­ renzlos mit Heißluftfön und PVC-Folien oder traditionell mit Pinsel und Gou­ achefarben, Schumacher will nicht das Ge­ schaute, Vorgefundene konterfeien, es geht ihm in seinen Arbeiten um nichts weniger, als unseren Umgang mit der Natur und der Umgebungswelt transparent zu machen. Stefan Simon Ernte, 1989, Plastik. aufenthalten im Ausland. Zuweilen begibt er sich auch ganz gezielt auf die Suche nach geeigneten Objekten, die er dann recht schnell in Form der Klengener Mühle, ei­ nem Schwarzwaldhof oder einem stillgeleg­ ten Fabrikgebäude in Schwenningen findet. Drei beliebig ausgewählte Objekte künstle­ rischer Begierde, die dem Betrachter aber ei­ nes vor Augen halten -Schumachers inten­ sive Auseinandersetzung mit dem Gegen­ stand. Denn in den Bildern kommt es ihm nicht auf die rein naturalistische Abbildung des Gesehenen an. Die Sicht auf die Dinge soll etwas Fragmenthaftes, die Phantasie des Be­ trachters Anregendes haben. Ein wesentli­ ches Anliegen des Künstlers ist, die Sensibi­ lität des Betrachters zu schärfen für den Blick auf die Dinge, die im Begriff sind, ver­ loren zu gehen. Viele der von ihm gezeich­ neten Objekte gibt es mittlerweile nicht 258

Kunst und Künstler Keramik als Gestaltungselement der Architektur Die Arbeiten des Keramikers OlafHovingh in Donaueschingen „Die knet-und brennbare Erde gibt uns unerschöpfli­ che Möglichkeiten, plasti­ sche Werte von stärkster Wir­ kungskraft zu schaffen.“ Die­ ser Satz des renommierten Künstlers Paul Rudolf Hen­ ning aus dem Jahre 1917 hat auch heute nach wie vor Gül­ tigkeit und prägte nachhaltig das Schaffen des Donau­ eschinger Keramikers Olaf Hovingh. Er drückte in den letzten Jahren mit seinen Keramiken zahlreichen Ge­ bäuden in und um Donau­ eschingen seinen unverkenn- baren Stempel auf. Sein wohl umfangreichstes und bekanntestes Werk ist die komplette künstlerische Ausgestaltung des „Qiell­ höfles“ in der Donaueschinger Karlstraße, eine Passage mit zahlreichen Gastronomie­ betrieben, Geschäftsräumen, Praxen und Wohnungen, die 1986 durch die grundle­ gende Sanierung alter Bausubstanzen ent­ stand. Balkongeländer aus Keramik und Me­ tall, konzipiert nach der Chaostheorie, zie­ hen sich über alle Stockwerke und geben dem Innenhof, der im Sommer von der Ga­ stronomie genutzt wird, ein südländisches Flair. Auf den ersten Blick scheinen sich die Elemente des Balkongeländers zu gleichen, doch beim genaueren Betrachten ist zu er­ kennen, daß es sich bei jedem Teil sowohl von der Form-wie von der Farbgebung her um ein Unikat handelt, das in sorgsamer Handarbeit geschaffen wurde. In dieser Einmaligkeit der einzelnen Wer­ ke liegt für Olaf Hovingh auch die Faszina­ tion bei der Auseinandersetzung mit dem Werkstoff Ton, mit dem er sich seit seiner frühen Jugend beschäftigt. Ob in Form oder Farbe, nie­ mals ist es möglich, das Glei­ che nochmals zu schaffen, jedes Werk hat sein ganz spe­ zielles Eigenleben. So auch die unzähligen Keramikkat­ zen, die der Betrachter in al­ len Winkeln und Ecken des „Quellhöfles“ entdecken kann, und auf das Werk „Hidigaiga“ von Victor von Scheffel hinweisen, der einst in Donaueschingen lebte. Vor dem „Qiellhöfle“ befin­ det sich eine Werbesäule, ebenfalls aus Keramik und Metall, deren Elemente sich in den Türgriffen zu den ein­ zelnen Geschäften wiederfinden. Ganz besonders reizvoll ist auch die Ausgestaltung der Kinder-Leseecke in der Donaueschinger Stadtbibliothek durch den Künstler, die 1987 entstand. In einem zu­ sammenhängenden, über 11 Meter langen Bildfries, der aus fünf großformatigen Bild­ platten besteht, die untereinander durch kleinere Keramikteile verbunden sind, ver­ suchte OlafHovingh den kindlichen Tages­ ablauf festzuhalten. ,,Nacht -Vormittag – Mittag -Nachmittag -Abend, in Perspekti­ ve und Farbgebung wollte ich die kindliche Weltsicht einbringen“, und so wählte der fünffache Vater naive Darstellungsformen und klare, kräftige Farben, um das Lebens­ gefühl und die Weltsicht der jüngsten Mit­ glieder unserer Gesellschaft wiederzugeben. Die Verbindungsstücke zwischen den ein­ zelnen Fliesen stellen das Rad des Lebens dar. Interessant auch die Ausgestaltung des Eingangsbereiches der Verbandskläranlage OlafHovingh 259

Kun t und Kün tler Kunst und Architektur: Links ein r Wandfries, unten ein Detail der Ausgestaltung der Verbandsklär­ anlage in Donaueschingen und rechts ist ein Balkongeländer des ,,Quellhöß-e“ in der Donauesch­ inger Karlstraße zu sehen. Im Quellhöß-e ziehen sich Balkon­ geländer aus Keramik und Metall über sämtliche Stockwerke . . – ! -‚ ‚ ‚,;;;i.;“ . ,. – in Donaueschingen, die im Jahre 1988 voll­ endet wurde. Auf einer großen runden Scheibe mit einem Durchmesser von 1,20 Meter wird der „Wasserkreislauf“, so auch der Name des Werkes, symbolisiert. Von der linken Hälfte der Scheibe dringen kleine Würfel, stili­ sierte Häuser, auf ein spitz­ winkliges Dreieck im Zen­ trum der Scheibe vor, wäh­ rend rechts ruhig fließende Ströme die Dreieckform ver­ lassen. Am Rande verbinden sich schließlich wieder alle Elemente zu einem in sich kreisenden Bewegungskreis­ lauf, dem Wasserkreislauf. Über der Scheibe die Wap­ pen der fünf Städte, die der Verbandskläranlage angehö- ren. Drei Monate Arbeitszeit „Qjtellhöß-e“. 260 benptigte OlafHovingh zur Fertigung eines großformatigen Wandbildes von 2,10 Meter auf 1,40 Meter, das die Verbindungen der Stadt Hüfingen zu ihren Stadtteilen darstellt und seit 1990 im neu erbauten Rathaus zu Hüfingen zu betrachten ist. Die Idee zur Ausgestaltung des Themas kam dem damals in Hüfingen wohnenden Künstler beim Studium der Landkarten. Die in verschie­ denen Grautönen gehalte­ nen Kacheln des Wandbildes versinnbildlichen nach Olaf Hovingh die Strukturen der Landschaft in ihren unter­ schiedlichen Erscheinungs­ formen: freies Feld, Wald, besiedeltes Gelände. Die Kernstadt und die Hüfinger Katze am Fenster, Impression vom Stadtteile sind durch kreis- förmige Vertiefungen darge-

Olaf Hovingh Balkongeländer aus Keramik- und Metallelementen im Donaueschinger „Quellhiffie“ (oben). Die Hand­ schrift Olaf Hovinghs tragen auch die Türgriffe der Läden im Wohn- und Geschäftshaus. 261

Kunst und Künstler Besonders reizvoll ist die Ausgestaltung der Kinder-Leseecke in der Donaueschinger Stadtbibliothek. stellt, wobei die unterschiedlichen Größen für die jeweiligen Ortsgrößen stehen. Interessant ist die Herstellungsweise der Wandbilder- und friese, die nicht nur künst­ lerische Begabung, sondern vor allem auch handwerkliches Geschick erfordern. Nach eingehender Beschäftigung mit dem T hema fertigt OlafHovingh einen Entwurf „en Mi­ niature“ aus Ton. Um die Wirkung des Wer­ kes im Großformat überprüfen zu können, wird der Entwurf im Verhältnis 1:1 auf Pa­ pier übertragen sowie ein Farbentwurf ge­ fertigt. In intensiver Kleinarbeit entstehen die vielen kleinen Einzelteile, aus denen die Bildfriese bestehen. Anschließend werden diese gebrannt, glasiert und wieder gebrannt und um ihnen Stabilität zu verleihen, von hinten wieder mit Ton ausgefüllt. Letzter Arbeitsschritt ist die Anbringung des Werkes an die Wand. Olaf Hovingh verwendet meist den weiß­ bis beigefarbigen Steinzeugton, der bei Tem­ peraturen von mindestens 1220 Grad ge­ brannt werden muß. Er verglast und somit kann beim Brennen auf das Zusetzen des Kindgerecht und farbenfroh, die Arbeiten OlafHo­ vinghs in der Donaueschinger Stadtbibliothek. 262

OlafHovingh Keramik­ kachel aus der Donau­ eschinger ir:Mr1-�..-_,Z1. Stadtbi­ bliothek. bringen“, interpretiert der 43jährige sein Schaffensziel. Neben seiner Arbeit als Keramikkünstler unterhält der auch pädagogisch talentierte Künstler eine private Kunstschule in Do­ naueschingen und Bräunlingen und ist gleichzeitig als Gastdozent bei der Arbeits­ gemeinschaft Bild und Form in Nordrhein­ Westfalen sowie an der Kunstakademie in Remscheidt tätig. Petra Herdlitschka giftigen Bleis verzichtet werden. Außerdem können bei diesen Temperaturen Mattgla­ suren verwendet werden, die Hovingh be­ vorzugt selbst herstellt. Als Jugendlicher kam er mit dem Material Ton erstmals in Berührung, das ihn mit sei­ nen Eigenschaften so faszinierte, daß er den Entschluß faßte, eine Ausbildung an der Ke­ ramikfachschule Landshut zu absolvieren. Doch schon bald wurde ihm klar, daß er nicht das Handwerk eines T öpfermeisters ausüben wollte, der vorwiegend Gebrauchs­ keramik in Serie herstellt. Er selbst sieht sich heute als freischaffen­ den Künstler auf dem Gebiet der Keramik. „Kunst gehört ins öffentliche Leben, auf je­ den Platz, in jede Stadt. Sie soll die Men­ schen erfreuen, sie zum Denken anregen und sie in ihrem Handeln ein Stück weiter 263

Kunst und Künsdtt

19. Kapitel/Almanach 98 Gesundheit und Soziales Wegbegleiter für Sterbende „Hospizbewegung im Schwarzwald-Baar-Kreis e. V.“ hat sich gegründet Wenn du erlaubst, laß mich ein paar Schritte mit dir gehen: „Als er fühlte, daß sein Ende nahte, rief er seine Frau und seine Kinder zu sich, traf letzte Anordnungen, ermahnte alle, einan­ der Trost und Hilfe zu sein, segnete eines nach dem anderen, legte sich nieder, und verschied bald darauf.“ So, wird berichtet, seien Menschen früher gestorben. Sie waren so vertraut mit dem Tod, daß sie sein Her­ annahen spürten und sich auf ihn vorberei­ ten konnten. Das Sterben war öffentlich, die Familie, Verwandte und Nachbarn waren häufig anwesend. Und heute? Wieviele von uns waren wirk­ lich anwesend und konnten Abschied neh­ men, wenn Mitglieder der eigenen Familie starben, von Nachbarn und Verwandten ganz zu schweigen? Der Tod und das Ster­ ben sind weitgehend aus den Familien „aus­ gelagert“ worden. Natürlich gibt es dafür vielerlei Gründe, bessere und weniger gute. Einer der wichtigsten ist sicher der me­ dizinische Fortschritt. Er hat unsere Chan­ cen und unsere Hoffuungen auf Heilung oder Lebenserhaltung aber so sehr verstärkt, daß wir weitgehend verlernt haben, uns mit dem Tod auseinanderzusetzen und ihn nun oft als medizinischen Mißerfolg oder Be- Die gehaltene Hand oder das tröstende W0rt: Oft sind es im Hospizdienst die kleinen Gesten, die Schwerst­ kranken und deren Angehörigen helfen. 265

Gesundheit und Soziales Mit einem Blumenstrauß wurden Michele Godest (Diakonie) und Waltraud Glaser (Caritas) für ihre jah­ relange Aufbauarbeit in der Hospizbewegung im Schwarzwald-Baar-Kreis geehrt. triebsunfall ausklammern und verdrängen. Aber kehren wir zurück zu unserem Bei­ spiel von oben. Heute (oder noch bis vor kurzem) hätten die Angehörigen vermutlich den Notarzt gerufen. Sie hätten schnellst­ möglich den Sterbenden in die Intensivsta­ tion des Krankenhauses bringen lassen und alles Erdenkliche veranlaßt, um sein Leben zu retten. In der Hektik wäre dann wohl kei­ ne Zeit mehr für einen Abschied gewesen! Vielleicht wäre es auch gelungen, sein Le­ ben, bzw. sein Sterben, zu verlängern, und er hätte, angeschlossen an diverse Geräte, noch eine Weile „gelebt“. Vielleicht sind die Bilder etwas übertrie­ ben. Aber durch Übertreibung kommt ja oft das Wesentliche deutlicher zum Vorschein. Und in welcher der beschriebenen Situatio­ nen würden Sie sich selbst lieber vorfinden? Laut statistischen Umfragen wollen jeden­ falls neunzig Prozent der Menschen am lieb- 266 sten zu Hause sterben. Tatsächlich ist dies aber nur bei etwa zehn bis zwanzig Prozent der Fall, die anderen sterben in Kranken­ häusern oder in Alten- und Pflegeheimen. Ausgebend von den angelsächsischen Län­ dern hat inzwischen jedoch ein Umden­ kungsprozeß eingesetzt. Das Sterben wird nicht mehr als Tabubereich verdrängt, son­ dern wieder als ein Teil des Lebens gesehen – und zwar als ein wichtiger Teil. Zwei be­ deutende Wegbereiterinnen sind hier vor al­ lem zu nennen: Die Sterbeforscherin Elisa­ beth Kübler-Ross, die 1969 das bahnbre­ chende Buch „Interviews mit Sterbenden“ veröffentlichte, und Cicely Saunders, eine englische Krankenschwester, Sozialarbeite­ rin und Ärztin. Sie eröffnete 1967 in Lon­ don das erste Hospiz, das inzwischen berühmte „St. Christopher’s Hospice“, als einen schützenden Raum, um schwerst­ kranken Menschen durch „Terminal Care“

ein wirkliches Leben bis zuletzt und ein Sterben in Würde zu ermöglichen. Inzwi­ schen hat sich die Hospizbewegung über die ganze Welt verbreitet. Welches sind die wichtigsten Prinzipien und Ziele der Hospizbewegung? Die Hos­ pizbewegung bejaht das Leben. Sie will den Tod weder beschleunigen noch hinauszö­ gern. Der sterbende Mensch und seine An­ gehörigen stehen im Mittelpunkt. Seine Wünsche und Bedürfnisse bestimmen die Art der Unterstützung. Die Angehörigen werden aufWunsch auch in der Zeit der Trauer begleitet. Ein inter­ disziplinäres Team von Ärztinnen, Pflege­ kräften, Sozialarbeiterinnen, Seelsorgerin­ nen und freiwilligen, ehrenamtlichen Helfe­ rinnen ergänzt sich in der Fürsorge für die Betreuten und unterstützt sich auch gegen­ seitig. Eine optimale Schmerztherapie nimmt dem sterbenden Menschen weitge­ hend die physischen Schmerzen und damit auch einen großen Teil seiner Angst, ohne ihm das klare Bewußtsein zu rauben. Die antizipative (vorwegnehmende) und genau dosierte Gabe von Schmerzmitteln kann in 9 50/o der Fälle erfolgreich eingesetzt werden. Aber auch seelische, soziale und spirituelle Schmerzursachen werden wahr- und ernst­ genommen. Auch im Schwarzwald-Baar-Kreis wurden immer drängender die Fragen gestellt: ,,Wann gibt es auch in unserem Kreis eine In­ itiative, die sich gezielt um sterbende Men­ schen und ihre Angehörigen kümmert? Wie können wir möglichst vielen Menschen ein Sterben in Würde, weitgehend schmerzfrei, und umgeben von liebevoller Fürsorge er­ möglichen?“ Im September 1992 fanden erste Vorge­ spräche statt. Unter der Trägerschaft von Diakonischem Werk, Caritas, katholischem Bildungswerk und Ev. Erwachsenenbildung, ganz besonders aber getragen durch das persönliche Engagement von Waltraud Gla­ ser, Sozialarbeiterin der Caritas in Donau­ eschingen, und Michele Godest, Sozial- Hospizbewegung pädagogin der Diakonie in Villingen, ent­ stand die ökumenische Arbeitsgemeinschaft „Hospiz im Schwarzwald-Baar-Kreis“. Im November 1993 war es soweit: ein erster Vorbereitungskurs „Sterbebegleitung“ konn­ te angeboten werden – und das Interesse daran war erstaunlich groß. Seither findet in jedem Winterhalbjahr ein Kurs statt, und die Zahl der sorgfältig vorbereiteten ehren­ amtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbei­ ter ist inzwischen auf über fünfzig ange­ wachsen. Bei Bedarf können sie in die Fa­ milie, ins Krankenhaus oder ins Pflegeheim gerufen werden. Noch im Jahr 1993 wurden zwei sterbende Menschen von Hospiz-Mitarbeiterinnen begleitet (19 Stunden), 1994 waren es 24 Be­ gleitungen (299 Stunden), 1995 wurden 42 Menschen begleitet (663 Stunden), und im Jahr 1996 (bis Oktober) 61 Menschen (660 Stunden). Im Jahr 1995 erhielt die Arbeitsgemein­ schaft Hospiz im SBK für ihr soziales Enga­ gement den ersten Gesundheitspreis der Stadt Villingen-Schwenningen. Nachdem die vierjährige von den „Wer­ ken“ getragene Anlaufphase zu Ende ging, wurde am 2. Dezember 1996 die „Arbeits­ gemeinschaft Hospiz“ in einen Verein um­ gewandelt, um ein neues organisatorisches und finanzielles Fundament zu schaffen. Die 54 Gründungsmitglieder des neuen Ver­ eins „Hospizbewegung im Schwarzwald­ Baar-Kreis“ wählten Dr. Friedrich Bettecken, den langjährigen Chefarzt der Kinderklinik Villingen, zu ihrem Vorsitzenden. Unter­ stützt wird er von Klinikseelsorger Hans­ Martin Bergner als seinem Stellvertreter so­ wie der Volkswirtin Martina Furtwängler als Schatzmeisterin und der Lehrerin Heidi Wolfart-Zundel als Schriftführerin. Neben den Vertreter/innen der bisherigen Träger werden noch weitere Mitglieder in den Vorstand bzw. den Beirat des Vereins entsandt. Dies sind Monika Mönch, Micha­ el Nopper und Barbara Dargel. Der Beirat setzt sich zusammen aus: Michele Godest, 267

Die Patientenverfügung Kreisseniorenrat hat einen Vordruck für Jedermann entworfen Hospizbewegung / Patientenverfügung Waltraud Glaser, Bernhard Seitz, Marielies Schmid, Karin Nagel, Michael Nopper, Hil­ degard Höller, Monika Mönch, Barbara Darge!, Willi Haller und Renate Bergner. Die „Hospizbewegung e. V.“ ist dankbar für Spenden und nimmt gerne weitere Mit­ glieder in den Verein auf. Die Vereinsadres­ se lautet wie folgt: ,,Hospizbewegung im Schwarzwald-Baar-Kreis e. V.“, Mönchwei­ lerstr. 8, 78048 Villingen-Schwenningen (Tel. 07721/845156). Einsatzleitung: Marie- Nicht ganz unbegründet haben viele Menschen Angst vor den heutigen Möglichkeiten der „Apparatemedizin“. Bei der Gratwanderung zwischen fragwür­ diger Lebensverkürzung einerseits und sinnloser Sterbeverlängerung andererseits kann eine Willenserklärung sprich Patien­ tenverfügung sowohl für den behandeln­ den Arzt wie auch für die Angehörigen ei­ ne wertvolle Entscheidungshilfe sein. Die Patientenverfügung bietet die Mög­ lichkeit, den eigenen Willen im voraus nie­ derzulegen für den Fall, daß man nicht mehr in der Lage ist, ihn selbst zu vertre­ ten (z.B. bei Bewußtlosigkeit). Sie muß mit Datum und Unterschrift versehen sein, sollte leicht auffindbar sein (zu Leb­ zeiten also nicht mit dem Testament ver­ wahren!) und sollte in regelmäßigen Ab­ ständen erneuert, bzw. bestätigt werden. Der Kreisseniorenrat Schwarzwald-Baar hat einen Vordruck für eine Patientenver­ fügung entwickelt, den man sich vom Landratsamt (Am Hoptbühl 2, 78 048 Vil­ lingen-Schwenningen) zusenden lassen kann (bitte Rückporto beilegen). Die Ver­ fügung trägt man im Kleinformat am be­ sten in der Brieftasche ständig bei sich. Die große Ausfertigung verbleibt im Haus und 268 lies Schmid (Tel. 07725/7421). Spenden sind auf folgende Konten möglich: Volksbank eG Villingen (BLZ 694 900 00) Konto-Nr. 48 80 803, Sparkasse Villingen-Schwenningen (BLZ 694 500 65), Konto-Nr. 67167 Deutsche Bank (BLZ 694 700 39) Konto-Nr. 0240333. Heidi Wo[fart-Zundel enthält weitere wichtige Angaben, so meh­ rere Personen, die im Ernstfall zu verstän­ digen sind. Eine dieser Personen ist auch in der Patientenverfügung genannt. Kern­ satz der Patientenverfügung ist folgende Willenserklärung: ,,Falls ich in einen Zu­ stand gerate, in welchem ich meine Ur­ teils-und Entscheidungsfähigkeit unwi­ derruflich verloren habe, will ich, daß man auf Maßnahmen verzichtet, die nur noch eine Sterbens-oder Leidensverlängerung bedeuten würde. Mein Leben soll sich in Stille und Würde vollenden.“ Weiter heißt es darin: ,,Für jeweilige Pro­ bleme, die Entscheidungen über das wei­ tere Vorgehen erfordern, verlange ich, daß die verantwortlichen Ärzte/Betreuer mit folgenden Personen und/ oder folgendem Arzt meines Vertrauens Rücksprache neh­ men … “ Es folgt ein Name oder die Na­ men. Wichtig ist auch der letzte Abschnitt, der ausführt: ,,Mit ihrer oben genannten Un­ terschrift bestätigen diese Personen, daß sie von meiner Patientenverfügung Kennt­ nis genommen haben und daß ich diesen Willen im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte unabhängig von Einflüssen Dritter unterschrieben habe.“

125 Jahre Pflege- und Altenheim Geisingen Das „Wartenberg“ kann sich mit 420 Betten zu den großen Häusern zählen Gesundheit und Soziales nommen“, erklärt Häßler. Für einen Teil der Bewohner bietet die Arbeit eine sinnvolle Tageseinteilung, die sie an das zurückliegen­ de Arbeitsleben erinnert. Der andere Teil kann sich kreativ betätigen und sich die Zeit vertreiben. Das Ziel ist, die körperliche und geistige Mobilität zu festigen und das „psy­ chische Krankheitsbild“ zu verbessern. Je nach den Erfordernissen sind die Be­ wohner in Schwerstpflegestationen, be­ schützenden oder offenen Betreuungssta­ tionen und einem Pflegeheim für Senioren untergebracht. Überwiegend niedergelasse- Ein großes, modernes Haus, das es auf ei­ ne lange Tradition in der Pflege bringt und stolz darauf ist: Das Pflegeheim Haus War­ tenberg in Geisingen wurde am 1. Februar 1997 exakt 125 Jahre alt. Mit derzeit 420 Betten, die sich auf verschiedene Häuser ver­ teilen, mit einem neuen Gemeinschaftshaus samt Schwimmbad, Praxis- und Therapie­ räumen und einer Cafeteria kann sich das „Wartenberg“ zu den großen Häusern zählen. Es ist fast so etwas wie eine „Stadt in der Stadt“, mit zur Zeit 280 festangestellten Mitarbeitern, die sich in Geisingen herausgebildet hat. In einer ange­ gliederten Altenpflegeschule berei­ ten sich rund 65 Altenpflege­ schülerinnen und -schüler in drei Kursen auf ihren Beruf vor. Die Fachschule sorgt seit über zehn Jahren für den Nachwuchs an qua­ lifizierten Pflegefachkräften. Ein eigener Gutshof mit rund 120 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche, 120 Großvieheinhei­ ten und 200 Schweinen, eine Gärt­ nerei mit insgesamt 14 Ar Glas­ fläche zum Anbau von Gemüse, Pflanzenkulturen und Blumen, mehrere Werkstätten und ein haus­ eigener Verkaufsraum sind im Heimbetrieb mit integriert: Bernd Häßler, seit 1988 Verwaltungs- und Heimleiter, und sein Team haben ein breites Betätigungsfeld. Rund 140 Heimbewohner sind zur Zeit in der Beschäftigungsthe­ rapie tätig. Sie setzen Kugelschrei­ ber oder Rohrsehellen zusammen oder sie basteln, malen, häkeln oder stricken: „Das freiwillige An- gebot wird gerne und rege ange- Im Dienste kranker und alter Menschen: das Pflegeheim „War­ tenberg“ in Geisingen besteht seit 125 Jahren. 269

ten die Ritter aus christlicher Überzeugung für das Abendland gekämpft, sich aber auch mit ansteckenden Krankheiten wie Lues, Tu­ berkulose, Pocken und dergleichen infiziert. Die Kranken wurden in einem Leprosen­ und Aussätzigenhaus vor den Toren Geisin­ gens untergebracht. Karl Straub, der das Heim von 1950 bis 1970 leitete, erinnert in seinem Rückblick zum lOOjährigen Bestehen des Kreispflege­ heims Geisingen an eine wechselvolle Ge­ schichte. So wurde im 18. Jahrhundert aus dem „Siechenhaus“ ein „Gutleutehaus“, in dem die Armen aufgenommen wurden. Fürst Joseph Wilhelm Ernst zu Fürstenberg hatte mit einer Geldanweisung den Grund­ stock für ein Landesspital gelegt. Die „jüngere“ Geschichte der Geisinger Pflegeeinrichtung begann 1870, als das bis­ herige F. F. Landesspital nach Hüfingen übersiedelte. Die in Geisingen freiwerden­ den Gebäude wurden vom damaligen Kreis Villingen-Donaueschingen für 10 000 Gul­ den aufgekauft und zu einer Kreispflegean­ stalt umgebaut. Im ersten Jahr wurden bereits 60 Pfleglin­ ge aus dem ganzen Kreisgebiet aufgenom­ men: ,,Sieche, arme Geisteskranke, Alters­ schwache und Bresthafte“, wie es eine alte Verordnung ausdrückt. Schon 1899 verzeichnet die Pflegeanstalt 213 „In­ sassen“, im Revisionsbe­ richt des Jahres 1900 wird die Kreispflegeanstalt als „eine der bestgeleiteten Badens“ bezeichnet, weiß die Geisinger Stadtchro­ nik zu berichten. Pflege· und Altenheim Gei ingen ne Ärzte aus Geisingen übernehmen die Be­ treuung der Bewohner und seelsorgerischer Beistand kommt ebenfalls aus Geisingen. Träger der großen Einrichtung mit der langjährigen Geschichte ist seit 1972 der ,,Zweckverband Pflegeheim Haus Warten­ berg“, dem die Landkreise Schwarzwald­ Baar und Tuttlingen und die Städte Gei­ singen, Donaueschingen und Villingen­ Schwenningen angehören. Verbandsvorsit­ zender ist seit Juli 1996 der Landrat des Schwarzwald-Baar-Kreises, Karl Heim. Ursprung liegt im Mittelalter Die Geburtsstunde für diese vorbildliche und damals einzigartige Einrichtung im Großherzogtum Baden schlug am l. Febru­ ar 1872. Die Fürsorge für alte, schwache und bedürftige Menschen lag der großherzogli­ chen Regierung am Herzen. So bekam der Großkreis Villingen bereits 1863 den Auf­ trag, Versorgungseinrichtungen für die Not­ leidenden zu schaffen, die „Kreispflegean­ stalt Geisingen“ wurde ins Leben gerufen. In Wahrheit aber können die Geisinger stolz sein auf eine viel ältere Einrichtung: Alles begann nämlich im frühen Mittelalter. Bei den Kreuzzügen im fernen Orient hat- Der Pflegesatz betrug 1872, im Gründungsjahr also, 44 Pfennige am Tag bei insgesamt 13 858 Pfle­ getagen. 100 Jahre später liegt der Pflegesatz bei täg­ lieh 15 Mark, die Zahl der ist auf gut Pflegetage Mit viel Engagement und Fürsorge im Einsatz, die Mitarbeiter des Geisinger Heimes „Wartenberg“. 270

Gesundheit und Soziales Teile der Anstalt wurden in den beiden Kriegen als Lazarett genutzt, im Ersten Weltkrieg wurden „ner­ venkranke Soldaten“ in Geisingen gepflegt. Der ,,Reichsnährstand“ förder­ te im Dritten Reich die Landwirtschaft besonders. So erreichte der Grund­ stücksbesitz rasch 43 Hek­ tar und 1937 wurde ein neues Gutsgebäude er­ stellt. Ansonsten schwei­ gen die Qiellen über die Großzügige Räume und moderne Einrichtung: In Geisingen ist man Zeit des Zweiten Weltkrie­ ges, sieht man einmal da- ständig um das Wohl der Bewohner bemüht. von ab, daß in einem Be­ richt davon die Rede ist, daß „für das Ge­ sinde schöne, helle und luftige Wohnräume erstellt wurden.“ Das Jahr 1945/46 ist von schlimmen Ernährungs- und Versorgungsverhältnissen geprägt. Es bringt 191 Todesfälle, was 3 6 Prozent der gesamten Belegung ausmacht. Der neue Zeitabschnitt beginnt 1949 mit einem schweren Brand: Innerhalb weniger Stunden brennen in der Nacht vom 25. auf den 26. August die beiden Ökonomiege­ bäude nieder. Die gesamten Futtervorräte und das bereits eingebrachte Getreide wer­ den ein Raub der Flammen. Ein Bewohner des Heimes, der an Verfolgungswahn litt, hatte das Feuer gelegt. 187 000 angewachsen. Heute, zum 125jähri­ gen, liegt die Zahl mit 150 000 Pflegetagen jedoch wieder niedriger, weil die Zahl der Betten um 130 reduziert wurde. Mittelfristi­ ges Ziel ist ein weiterer Abbau der Pflege­ betten auf insgesamt nur noch 320. Die barmherzigen Schwestern vom Orden des Heiligen Vinzenz von Paul hatten seit der Gründung des Heims Pflege und Haus­ haltsführung übernommen. Teilweise waren bis zu 13 Ordensschwestern gleichzeitig im Haus tätig. Die Schwestern machten ihre Ar­ beit zurückgezogen und kaum von der Öf­ fentlichkeit beachtet. Aber sie gaben den Be­ wohnern ein Stück Menschlichkeit und Hil­ fe, trotz aller bescheidener Mittel. Schon 1881 wurde ein eigener Anstalts­ friedhof angelegt und 1886 wurde der erste Gutshof erstellt, 1900 eine eigene Bäckerei angebaut, 1903 ein moderner Schweinestall. Das alte Spitalgebäude wurde abgerissen, da es den Anforderungen nicht mehr ent­ sprach. 1912 wurde ein neues Frauenhaus errichtet. Die Zahl der Heimbewohner stieg weiter an, der Lebensmittelbedarf konnte aus der eigenen Landwirtschaft nicht mehr gedeckt werden. Daher wurde 1931 in Kir­ chen-Hausen ein Hofgut samt 18,95 Hektar Wiesen- und Weideland angekauft. Es folgt ein rascher Wiederaufbau der Ge­ bäude. Gleichzeitig wird die Gelegenheit ge­ nutzt, die gesamte Anstalt von Grund auf zu erneuern. Ein erster Schritt dahin ist die Umbenennung. Die Kreisversammlung ent­ scheidet am 26. Januar 1953, die bisherige ,,Kreispflegeanstalt“ in „Kreispflegeheim“ umzutaufen. Karl Straub schildert, daß die neue Zeit nicht nur im Abkratzen der alten Fassaden­ aufschrift deutlich wurde, sondern auch dem Sinne nach: ,,Die Umbenennung wur­ de zu einer Verpflichtung, alten kranken 271

Pflege-und Altenheim Geisingen Ständige Fortbildung und Gespräche zum Wohl der Bewohner gehören im Haus“ Wartenberg“ zum selbst­ verständlichen Alltag der Mitarbeiter. Die eigene Fachschule sorgt seit über 10 Jahren für den Nad,wuchs an engagierten !Jlegekräften. Menschen wirklich ein Heim mit zeit­ gemäßem Komfort und eine Heimat zu bie­ ten. So beschließt der Kreistag im Januar 1955 den ersten Bauabschnitt für ein Altersheim: Das Haus Wartenberg, das der Geisinger Einrichtung ihren heutigen „modernen“ Namen gibt, wird 1956 in Betrieb genom­ men. Weitere wichtige Stationen waren: ei­ ne neue Gärtnerei 1963, ein neues Verwal­ tungsgebäude 1966, ein Jahr später dann ein neues Männerhaus mit einem Schwestern­ wohnheim und der Bau eines neuen Guts­ hofes (1968). 1976 kommt wieder ein Frau­ enhaus hinzu, das alte wird grundlegend re­ noviert. Ein zweiter Bau, mit 100 Betten und 20 Personalunterkünften, wird am 13. Juli 19 81 eingeweiht. 198 9 wird das Haus Wartenberg saniert, 1992 ein Sechsfamilien­ haus für Mitarbeiter gebaut und schließlich 272 entsteht 1993 und 1994 das neue Gemein­ schaftshaus mit Cafeteria, Schwimmbad, Friseur, ärztlichen Funktionsräumen und Räumen für die Beschäftigungs- und physi­ kalische Therapie. Im Jubiläumsjahr 1997 feiert das Pflege­ und Altersheim Geisingen nicht nur das 125jährige, sondern nimmt ein weiteres Großprojekt in Angriff: Die Bettenhäuser müssen saniert und auf den neuesten Stand gebracht werden. Die geschätzten Sanie­ rungskosten liegen für den 1. Sanierungsab­ schnitt bei rund 18 Millionen Mark. Die Verantwortlichen des Zweckverbandes hof­ fen, mit dem 1. Sanierungsabschnitt im Jah­ re 1997 beginnen zu können. Manfred Beathalter

„Essen auf Rädern“ und Zeit für Gespräche Die Blumbergerin Friede! Gerber – eine sozial engagierte Frau Gesundhcituod Soziales Untrennbar mit der Persön­ lichkeit von Friede! Gerber, der Witwe des verstorbenen Blum­ berger Bürgermeisters Werner Gerber, verbunden ist die sozia­ le Einrichtung „Essen auf Rä­ dern“ in der Eichbergstadt, die zum vielfältigen Angebot des Roten Kreuzes gehört. Friede! Gerber geborene Brunner kam in Mußbach in der Pfalz zur Welt. Eine Drogi­ stenlehre konnte sie kriegsbe­ dingt nicht beenden. 1940 ar- Friede! Gerber beitete sie in der Verwaltung ei- nes Krankenhauses und 1946 heiratete sie Werner Gerber. Mit ihm ging sie nach Kehl, von dort 1961 nach Villingen und im De­ zember, nach der Wahl zum Bürgermeister, erfolgte der Umzug nach Blumberg. Zu den drei Kindern der Familie nahm Friede! Ger­ ber 1964 noch eine Nichte mit in den Haus­ halt auf „1978, da waren die Kinder aus dem Haus“, erinnert sich Friede! Gerber, ,,da wollte ich etwas machen.“ Es war ihr einfach zu still geworden. So gründete sie zusam­ men mit sechs Gleichgesinnten den „Mobi­ len Mittagstisch“. ,,Am Anfang haben wir noch selber gekocht“, erzählt Friede! Gerber aus dieser Gründungsphase. Das allerdings erwies sich auf die Dauer als nicht machbar und so übernahm im September 1978 die TRW-Werksküche das Kochen und das ist bis heute so geblieben. W ährend der Be­ triebsferien der Firma hat sich bislang im­ mer eine Vertretung gefunden. So wurden die Gaststätten „Kranz“, ,,Krone“ und „Fär­ berstüble“, aber auch „Sonne“ und „Kranz“ in Riedböhringen aktiv, sie wurden 1991 abgelöst durch die Metzgerei Kiefer und nachfolgend dann die Metzgerei Lebek. ,,So haben all die alten Leute, die am Mittagstisch teilneh­ men, immer täglich ihre fiisch gekochte, warme Mahlzeit be­ kommen und sie können wählen zwischen Normal- und Schonkost,“ so die Initiatorin. Ganz wesentlich sind für Frie­ de! Gerber all die Helfer im Team, die dafür sorgen, daß die Mahlzeiten pünktlich ausgelie­ fert werden. ,,Wir sind im Besitz eines Fahrzeuges und alle eh- renamtlichen Helfer nehmen sich die Zeit für ein persönliches Wort, wenn sie die Mahlzeit zu den meist al­ ten Leuten bringen. Das ist nicht nur mir, sondern allen Beteiligten gleichermaßen wichtig. Oftmals ist hier für etliche Senioren die einzige Möglichkeit am Tag, einmal mit jemandem zu sprechen.“ Friede! Gerber weiß viel über die Einsamkeit mancher alten Mitbürger. Derzeit werden in Blumberg und seinen Ortsteilen 25 Essen pro Tag verteilt und bis Ende 1996 war Friede! Gerber Anlaufstation für alle Probleme und zudem zuständig für alle organisatorischen Arbeiten und den Re­ chenschaftsbericht für das DRK-Blumberg. Mit Ablauf des Jahres 1996 hat Friede! Gerber die Leitung des „Kommunalen Mit­ tagstisches“, wie die Einrichtung mittlerwei­ le heißt, in jüngere Hände gelegt. ,,Es war ei­ ne schöne und wichtige Zeit, die ich nicht missen möchte“, stellt die liebenswerte, agi­ le Siebzigerin im Rückblick fest. In den nun frei gewordenen Stunden wird sie sich mehr als bisher ihrer großen Familie widmen, der Gymnastik und dem Lesehobby frönen und noch manche schöne Reise unternehmen. Christiana Steger 273

20. Kapitel/ Almanach 98 Umwelt und Natur Gliederung und Namensgeschichte der Baar Die Schüsselform eine Folge der Entstehung des Oberrheingrabens Die Baar – eine Hochmulde im Über­ gangsbereich zwischen Schwarzwald im We­ sten und der Schwäbischen Alb im Osten – hebt sich durch eine Vielzahl charakteri­ stischer Landschaftsmerkmale von ihren Nachbarräumen ab. Dabei kommt nicht nur der Topographie eine wichtige Bedeutung zu. Die typische „Schüssel- form“ ist eine Folge komplexer geologischer und geomorpho­ logischer Prozesse, die durch die Entstehung des Ober­ rheingrabens ausgelöst wur­ den und zur Bildung der Süd­ westdeutschen Schichtstufen­ landschaft führten. Daneben unterscheidet sich die Baar auch durch ihre besonderen hydrographischen und boden­ kundlichen Merkmale, die Vegetationsbedeckung und Landnutzung sowie nicht zuletzt durch ein charakteristisches Klima von den anderen Naturräumen in ihrer Umgebung. So stellt die Region am Ursprung von Donau und Neckar einen eigenständigen Natur- und Kulturraum dar, dessen Spuren sich bis weit in die Vergangenheit zurückverfolgen las- sen. Die Namensgeschichte der „Baar“ Die ursprüngliche Bedeutung und die Her­ kunft des Begriffs „Baar“ werden bis heute wissenschaftlich kontrovers diskutiert. Nach wie vor ist noch nicht eindeutig geklärt, ob es sich dabei anfangs um eine landschaftli­ che oder verfassungsrechtliche Bezeichnung für ein bestimmtes Hoheitsgebiet handelte. Unumstritten ist indes das hohe Alter des 274 In einem engen Zusammenhang zur heutigen Bedeutung findet der Begriff „Baar“ erstmals zwi· sehen 741 und 747 als „Bertoldsbaar“ eine ur· kundliche Erwähnung. Namens. So reicht die Bezeichnung „Baar“ bis weit in die vorhistorische Zeit zurück. Bereits die Kelten und Germanen benutzten diesen Ausdruck, wenn auch zum Teil in ei­ ner etwas anderen Schreibweise wie etwa „Bar“ oder „Par“, als Landschaftsnamen. Die mögliche ursprüngliche Bedeutung des Be- griffs läßt sich über den Wort­ stamm „Bar“ bzw. ,,Bher“ so­ gar bis in die indogermanische Zeit zurückverfolgen. Er wur­ de stets in einem engen Zu­ sammenhang mit Wasser ver­ wendet, wie etwa bei der Be­ zeichnung von Flüssen und feuchten, sumpfigen, moori­ gen oder quellenreichen Ge­ bieten. Auch heute findet sich der Begriff „Bara“ noch in vie­ len slawischen Sprachen als Ausdruck für kleine Flüsse oder Sumpflandschaften – ein Tatbestand, der sich durchaus auf den quellen- und sum pfreichen Charakter der Landschaft zwi­ schen Schwarzwald und Schwäbischer Alb übertragen läßt. In einem engeren Zusammenhang zur heutigen Bedeutung findet der Begriff „Baar“ erstmals zwischen 741 und 747 als „Bertoldsbaar“ (,,Perahtoltespara“) eine urkundliche Erwähnung. Im weiteren Ver­ lauf des 8. und 9. Jh. tauchen immer wieder ähnliche Bezeichnungen in den Urkunden auf, die sich jeweils aus einem Personenna­ men und dem Wort „para“ oder „bara“ zu­ sammensetzen. So finden sich u. a. die „Ber­ toltisbara“ (760), ,,Adelhartespara“ (769), ,,Perihtilinspara“ (785), ,,Folcholtespara“ (805) sowie die westliche und östliche „Al­ buinspara“ (851 bzw. 788-838). Diese Baa-

n Mittlerer- – O b e r e G ä u e Süd- ‚- östlicher­ � Zur Ge chichte der Baar Hohe Schwabe n- Nördliches Bodensee­ und Hegau – Becken Abbildung 1: Karte der naturräumlichen Gliederung der Baar und ihrer Nachbarregionen (Quelle: eige­ ner Entwurf nach Benzing 1964 und Huttenlocher 1959). ren stellten Teilstaaten des alten Alemanni­ ens dar und bezeichneten daher politische Herrschaftsbezirke, deren Entstehung wahr­ scheinlich bis zum Fall des Limes (260) zurückreicht. Die einzelnen Baaren gehen dabei auf alemannische Herzogsgeschlech­ ter zurück, deren Allodialbesitz die jewei­ ligen Regionen darstellten und in denen sie ihren rechtlichen und politischen Einfluß ausübten. Ihre räumliche Ausdehnung reichte weit über den heutigen Naturraum der Baar hinaus. Die Baaren erstreckten sich im wesentlichen über den gesamten Bereich der Orte mit „ingen“-Endung, der den ale­ mannischen Siedlungsraum zur Zeit der Landnahme kennzeichnet. Sie umfaßten da­ mit Teile des Schwarzwaldes, des Neckar­ landes, der Schwäbischen Alb und des Al­ penvorlandes fast bis hin zur Iller im Osten. Durch den Sturz des alemannischen Stam­ mesherzogs im Jahre 746 existierten die Baa­ ren als historisch-politische Landschaften 275

Umwelt und aiur Dreidimensionales, digitales Geländemodell der Baar Höhenstufen von 500 bis 950 Meter Entwurf: A. Siegmund Datengrundlage: Landesvermessungsamt Baden-Württemberg zum Zeitpunkt ihrer urkundlichen Etwähnung bereits zumeist nicht mehr. Sie wurden vielmehr in rein geographi­ schem Sinne zur Bezeichnung der entspre­ chenden Räume vetwendet. Nach einer letz­ ten urkundlichen Etwähnung der „Perahtoltespara“ im Jahr 890 findet sich in den schriftli­ chen Überlieferungen bis heu­ te nur noch die Bezeichnung ,,Baar“ bzw. ,,Para“. Nach der Unteiwerfung der Alemannen wurden auf deren Territorien durch die Franken Grafschaften eingerichtet. Im Südwesten der ehemaligen (,,Perahtolte­ ,,Bertoldsbaar“ spara“) entstand auf diese Wei- se eine Grafschaft der „Baar“. Während die Bezeichnung „Baar“ in den an­ deren ehemals alemannischen Regionen nach und nach verschwand, lebte sie auf die­ se Weise im Ursprungsgebiet von Donau und Neckar als offizielle Bezeichnung eines politischen Hoheitsbereichs fort. Im Jahr 276 1283 erfuhr der Baar-Begriff durch die Belehnung des Grafen Hein­ rich von Fürstenberg mit der „Landgraf­ schaft Baar“, deren Existenz durch ein Sie­ gel des Landgrafen Konrad von Wartenberg erstmals 1264 nachgewiesen ist, erneut eine rechtlich-poli­ tische Bedeutung. Über die Jahrhunderte hinweg blieb die Baar jedoch auch als Land­ schaftsbezeichnung in geogra­ phischem Sinne erhalten. Seit der Mediatisierung des Für­ stentums Fürstenberg im Jahre 1806 fand das Wort nur noch unter natur-und kulturräum­ lichen Aspekten Vetwendung. Erst die Bezeichnung ,,Schwarzwald-Baar-Kreis“ ver­ lieh ihr eine erneute, zusätzliche verfas­ sungsrechtliche Bedeutung. Im Laufe der Geschichte veränderten sich die Grenzen der Baar in rechtlich-politi­ schem Sinne als Bezeichnung eines Ho­ heitsgebiets mehrfach. Daneben entwickelte Wahrend die Bezeich- nung „Baar“ in den an­ deren ehemals aleman- nischen Regionen nach und nach verschwand, lebte sie im Ursprungs- gebiet von Donau und Neckar weiter.

sich jedoch auch ein Landschaftsbegriff, der sich mehr und mehr von seiner offiziellen politischen Bedeutung löste. Auf diese Wei­ se wurden mit dem Begriff „Baar“ zuneh­ mend bestimmte landschaftliche Vorstel­ lungen verbunden, die bis heute bestehen. Naturräumliche Grenzen der Region Welche Region umfaßt aber nun genau der Naturraum der Baar? Wo liegen seine Gren­ zen ? Fragen, die in der länderkundlichen Li­ teratur zum Teil kontrovers diskutiert wer­ den. Dabei werden die Grenzen der Baar von Fall zu Fall enger oder weiter gefaßt und schieben sich zum Teil bis in die Nach­ barregionen vor. Kulturgeographische An­ sätze stellen das „Gaubewußtsein“ der Be­ völkerung in den Mittelpunkt zur Abgren­ zung der Region – ,,Wo das Bewußtsein, Baaremer zu sein, ausklingt, da ist die Baar zu Ende“ (FISCHER 1936, S. 8). Neben den methodischen Problemen, die eine sol­ che Definition mit sich bringt, kann das Zu­ gehörigkeitsgefühl der Bevölkerung zu einer Region in Abhängigkeit von verwaltungs­ politischen oder sozio-ökonomischen Ge­ gebenheiten durchaus tem- porären Schwankungen unter­ liegen, so daß sich die Gren­ zen ständig verändern. Letztlich läßt sich die Baar nur naturräumlich sinnvoll abgrenzen. In einer ersten Annäherung beschreibt E. FISCHER die Lage der Regi­ on: „Nahe am Fächergriff, wo die Landstufen (der Südwest­ deutschen Schichtstufenland­ schaft) eng zusammenrücken und man in wenigen Stunden vom Granit des Schwarzwaldes ins Tertiär des Randengebietes wandern kann, breitet sich zwischen der Waldlandschaft im We­ sten – dem Schwarzwald – und der Wald­ mauer im Osten – der Steilstufe der Badi­ schen Alb – in einer Höhenlage von 700 bis Zur Geschichte der Baar 800 m ein weithin offenes Land aus: die Baar“ (FISCHER 1936, S. 4) (vgl. Abb. 1). Im Norden und Süden wird die Baar im wesentlichen durch das Einzuggebiet des Rheins und seiner Nebenflüsse begrenzt. Durch die tiefere lokale Erosionsbasis weist das rheinische Flußsystem ein deutlich stär­ keres Gefälle auf als das danubische. Aus diesem Grund haben sich die Nebenflüsse des Rheins, wie die Wutach im Süden und der Neckar im Norden der Baar, durch rück­ schreitende Erosion sehr stark in den Un­ tergrund eingeschnitten. Die dadurch ent­ standenen Tallandschaften mit ihren mar­ kanten Reliefgegensätzen heben sich deut­ lich von der wesentlich weniger reliefierten Hochebene der Baar ab (vgl. Geländemo­ dell). Das �ellgebiet des Neckars zählt dabei zur Baar, da sich die starken Erosionser­ scheinungen noch nicht bis zum Ursprung des Flusses vorgearbeitet haben. So bilden die Oberen (Neckar)-Gäue und das Mittlere Wutachland die Nord- bzw- Südgrenze der Baar (vgl. Abb. 1). Auf diese Weise läßt sich der Kernraum der Baar abgrenzen. Er umfaßt in etwa ein Fünf- eck, das durch die Städte Löff­ ingen, St. Georgen, Rottweil, Tuttlingen und Blumberg auf­ gespannt wird und in dessen Zentrum die Städte Villingen­ Schwenningen und Donau­ eschingen liegen. Eine genaue Abgrenzung der Region zu ihren Nachbarräumen stellt sich jedoch im einzelnen sehr schwierig dar. Die Ränder des Naturraumes lassen sich im Landschaftsbild zumeist nicht als klare Grenzlinien nach- zeichnen, sondern stellen vielmehr Über­ gangsbereiche dar, die mehr oder weniger breit sein können. Aus diesem Grund erge­ ben sich aus den verschiedenen Entwürfen zur naturräumlichen Gliederung der Region zum Teil gewisse Differenzen in der Grenz- 277 Im Norden und Süden wird die Baar im wesent· liehen durch das Ein· zugsgebiet des Rheins und seiner Nebenflüsse begrenzt, wie der Wutach im Süden, dem Neckar im Norden.

Umwelt und Natur Winter bei Pfohren, die Baarhochmulde mit dem Wartenberg im Hintergrund. führung aber auch in der Nomenklatur. Die West- und Ostgrenze der Baar läßt sich aufgrund der geologischen Verhältnisse am eindeutigsten festlegen. So bildet der Über­ gang vom oberen Buntsandstein zum unte­ ren Muschelkalk die Abgrenzung zwischen der Baar und des sich westlich an­ schließenden Mittleren Schwarzwaldes. Er entspricht in etwa einer Linie Döggingen – Tannheim – Pfaffenweiler – Villingen. Im Landschaftsbild hebt sich dieser Wechsel recht deutlich hervor. Während auf den Buntsandsteinflächen des Schwarzwaldes dichte Wälder stocken, geht der Waldanteil im Bereich des Muschelkalks erheblich zurück. Der Ackerbau nimmt dort bei der landwirtschaftlichen Nutzung eine wichtige Bedeutung ein, während im Schwarzwald die Grünlandwirtschaft dominiert. Verein­ zelt wird die Grenze zwischen Schwarzwald und Baar auch an den Fuß des Oberen Mu­ schelkalks und damit weiter nach Osten ver­ schoben. Dieser bildet die eigentliche mar­ kante Muschelkalkstufe der Südwestdeut­ schen Schichtstufenlandschaft aus und hebt sich daher geomorphologisch deutlicher hervor als der Übergang vom Oberen Bunt­ sandstein zum Unteren Muschelkalk. Noch deutlicher als die westliche Begren­ zung der Baar ist deren Ost- und Südost­ grenze im Landschaftsbild zu erkennen. Der Fuß der teilweise über 100 m mächtigen Schichtstufe des Malms bildet hier den Übergang von der Baar zur Baaralb. Durch 278

Zur Gcschicbte der Baar grenze der Baar. Mitunter wird der Natur­ raum der Baar im Südwesten weiter gefaßt. Er bezieht dann auch Teile des Oberen Wut­ achlandes mit ein und reicht bis über Löf­ fingen hinaus. Am problematischsten erweist sich die Ab­ grenzung der Baar im Norden. Hier zeigen sich kaum markante landschaftliche Verän­ derungen zwischen der Baar und den sich nördlich anschließenden Oberen-(Neckar)­ Gäuen – die Übergänge sind fließend. Letzt­ lich gibt auch hier der Einflußbereich des rheinischen Entwässerungssystems, das durch tief eingeschnittene Flußtäler geprägt ist, in etwa den Grenzverlauf vor. Dabei spielt neben dem Neckar, dessen �eile und Oberlauf noch zur Baar zählen, die Eschach eine wichtige Bedeutung. Die südliche Grenze ihres Einzugsgebietes fällt in der na­ turräumlichen Gliederung in etwa mit der Nordgrenze der Baar zusammen. Im Nord­ osten bildet die Prim, die wie die Eschach bei Rottweil in den Neckar mündet, den Übergang von der Baarhochmulde zum westlichen Albvorland. Auf diese Weise fächert die Baar in ihren nördlichen Berei­ chen entsprechend des Streichens der Schichtstufe des Malms relativ weit nach Osten aus und reicht fast bis nach Spaichin­ gen. Somit bildet eine Linie von Spaichin­ gen über Deißlingen und Kappel bis nach Villingen in etwa die nördliche Abgrenzung der Baar. Innere Gliederung der Baarhochmulde Aufgrund ihrer morphologischen und landschaftlichen Vielfalt läßt sich die Baar­ hochmulde in insgesamt fünfTeilräume un­ tergliedern. Zunächst wird dabei das Villin­ gen-Bräunlinger Schwarzwaldvorland, auch als Baar-Gäuplatten bezeichnet und das Baaralbvorland voneinander unterschieden. Die Grenze zwischen beiden Einheiten bil­ det der Übergang vom Keuper zum Lias, dessen Schichtstufe sich im Landschaftsbild deutlich hervorhebt. Teilweise wird jedoch 279 die Bestockung des Stufenhanges und der sich anschließenden Hochfläche mit Laub­ und Mischwäldern tritt der Unterschied zur offenen, flachen Baarhochmulde noch mar­ kanter in Erscheinung. Die Ostgrenze der Baar entspricht dabei in etwa einer Linie zwischen den Ortschaften Fürstenberg, Gei­ singen, Talheim, Seitingen und Spaichingen (vgl. Abb. 1). Das Einzugsgebiet von Wutach, Gauchach und Krottenbach bilden die südliche Be­ grenzung der Baar. Durch ihre starke Relie­ fierung heben sie sich topographisch deut­ lich von dem wesentlich flacheren Gelände­ charakter der Hochmulde ab. So bildet eine Linie, die von Fürstenberg über Hausen vor Wald bis nach Döggingen reicht, die Süd-

Umwelt und Natur bereits der Keuper zum Baaralbvorland ge­ rechnet. Im Bereich der Donauniederungen im Süden der Baar ist die Abgrenzung zwi­ schen dem Villingen-Bräunlinger Schwarz­ waldvorland und dem Baaralbvorland an den Westrand der dort ausgebildeten Ried­ baarsenke verschoben. Damit entspricht der Grenzverlauf in etwa einer Linie Hüfingen – Hochemmingen -Deißlingen. Das Baaralbvorland wird in vier weitere naturräumliche Teileinheiten untergliedert, die sogenannten Liasplatten der nördlichen Baarhochmulde, die Riedbaar, das südliche Baaralbvorland und den nördlichen Baar­ albsockel /Lupfenbergland, der auch als Baaralbvorberge bezeichnet wird. Die Lias­ platten der nördlichen Baarhochmulde um­ fassen den Bereich der Liasschichten, die zwischen Pfohren und Trossingen eine etwa 4 bis 6 km breite, flachwellige Schichtstufe bilden. Ihre östliche Begrenzung bildet der Stufenrand des Doggers. An die Liasplatten der nördlichen Baarhochmulde schließt sich im Süden die Riedbaar an, die als flache Senke durch quartäre Schotter gekennzeich­ net ist. Sie liegt gänzlich im Einflußbereich der Donau und wird in etwa durch die Ge­ meinden Hüfingen, Neudingen, Geisingen, Pfohren und Donaueschingen abgegrenzt. Der Anstieg des Geländes südlich der Ried­ baar kennzeichnet den Übergang zum süd­ lichen Baaralbvorland. Es erstreckt sich von Hausen vor Wald bis nach Gutrnadingen. Der Nordosten der Baar umfaßt den nördli­ chen Baaralbsockel und das Lupfenberg­ land. Es ist im wesentlichen durch die Dog­ gerstufe, die sich im Landschaftsbild deut­ lich hervorhebt und einige Auslieger der Schichtstufe des Malms, wie etwa den 977 m hohen Lupfen, gekennzeichnet. So stellt sich die Baar als Mosaik ver­ schiedener Landschaftseinheiten dar, die je­ weils charakteristische naturräumliche Ei­ genschaften aufweisen und sich ihrerseits in vielfacher Hinsicht deutlich von den be­ nachbarten Regionen abheben. Das typi­ sche Relief, die Hydrologie sowie die spezi- 280 fische Landnutzung und charakteristische Vegetationsformen sind nur einige der Fak­ toren, die der Baarhochmulde und ihren Teilräumen dabei einen unverwechselbaren Charakter verleihen. Literatur BADER, K. (1972): Zur Geschichte. ln: REICHELT, G. (Hrsg.): Die Baar, Wanderungen durch Landschaft und Kultur, Villingen, S. 101 – 114. Alexander Siegmund BADER, K. (1985): Zu Herkunft, Bedeutung und Ge­ schichte der Baar. In: LANDRATSAMT SCHWARZ­ WALD-BAAR-KREJS (Hrsg.): Almanach 1985, Hei­ matjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises, 9. Folge, Villingen-Schwenningen, S. 103 – 113. BAN SE, H. (1984): Die Baar – Eine neue Deutung des Landschaftsnamens. In: Verein fur Geschichte und Na­ turgesd1ichte der Baar (Hrsg.): Schriften des Vereins fur Geschichte und Naturgesd1ichte der Baar, Bd. 35, Do­ nauesdlingen, S. 17 – 25. BENZING, A. (1964): Die naturräumlichen Einhei­ ten auf Blatt 186, Konstanz. ln: BUNDESANSTALT FÜR LANDESKUNDE (Hrsg.): Geographisd1e Lan­ desaufnahme 1 : 200.000, Naturräumlid1e Gliederung Deutschlands, Bad Godesberg. BENZING, A. (1966): Gesichtspunkte zur natur­ räumlichen Gliederung der Baar. ln: VEREIN FÜR GE­ SCHICHTE UND NATURGESCHICHTE DER BAAR (Hrsg.): Schriften des Vereins fur Geschichte und Naturgeschichte der Baar, Bd. 26, Donaueschingen, S. 123 – 137. FISCHER, E. (1936): Beiträge zur Kulturgeographie der Baar, Freiburg. HUTH, V. (1988): Zur Entstehungsgeschichte der Landgrafsd1aft Baar. In: Almanach 1988, Heimatjahr­ bud1 des Schwarzwald-Baar-Kreises, 12. Folge, Villin­ gen-Sd1wenningen, S. 125 – 131. HUTTENLOCHER, F. (1959): Die naturräumlichen Einheiten auf Blatt 178, Sigmaringen. In: INSTITUT FÜR LANDESKUNDE (Hrsg.): Geographische Lan­ desaufnahme, Naturräumliche Gliederung Deutsch­ lands, Remagen. OBIDITSCH, F. (1961): Die ländliche Kulturland­ sdiaft der Baar und ihr Wandel seit dem 18. Jahrhun­ dert, Tübinger Geographische Studien, Tübingen, H. 5. REICHELT, G. (1972): Die natürlichen Landschaften. In: REICHELT, G. (Hrsg.): Die Baar, Wanderungen durch Landschaft und Kultur, Villingen, S. 9 – 24.

Der Hüfinger Heilkräuterlehrpfad Bereits die Römer wußten um die Kraft der Kräuter auf der Baar Umwelt und Natur Im Frühjahr 1996 wurde das Areal um das Hüfinger Römerbad um eine Facette berei­ chert: Von dort aus kann man einen Heil­ kräuterlehrpfad begehen, der zwei Rundwe­ ge zu 3, 5 und sieben Kilometer anbietet. Die Idee hierzu hatte der Kneippverein der Baar, die von Bürgermeister Anton Knapp sofort aufgegriffen wurde. So konnte mit wesentlicher Unterstützung der Stadt Hü­ fingen der Lehrpfad erstellt werden. Er wur­ de im Mai 1996 bei großem Interesse der Be­ völkerung eröffnet. Den Kräuterlehrpfad hat man bewußt in der Nähe des Römerbades angelegt, um so eine Verbindung zu jenen Heilkräutern zu schaffen, die auf den Hüfinger Fluren wach­ sen und die bereits in der Antike bekannt waren. Es ist anzunehmen, daß sie bereits von den Römern und Griechen genutzt wurden. Aber auch die in der Nähe des Rö­ merbades gelegene Wassertretstelle war für den Kneippverein Anlaß, den Heilkräuter­ lehrpfad hier beginnen zu lassen, so daß drei Elemente der Kneipp’schen Lehre genutzt werden können: Die Phytotherapie (Pflan­ zenheilkunde), die Hydrotherapie (Wasser­ anwendung) und die Bewegungstherapie. Die Wegstrecke, die über das freie Feld und durch den Wald fuhrt, ist ausgeschildert. Insgesamt 34 Heilpflanzen werden durch farbig gestaltete Hinweistafeln näher erläu­ tert. So erfährt man stichwortartig das Wich­ tigste über Vorkommen, Aussehen, Stand­ ort, Sammelgut, Wirkstoffe und Anwen- Im Mai 1996 eröffnete die Stadt Hüfingen unter großer Resonanz der Bevölkerung ihren Heilkräuterlehr­ pfad, die Idee dazu hatte der Kneippverein der Baar. 281

Hü6nger Htilkräut rpfad 11.!:!UFINGEN · KRÄUTER-LEHRPFAD a=GHchlchte ���;�•’• ‚bChöllkraul „‚ a,,1,,1,nN H,t11111,1i1tu· ltro,chw,,n 11nO 1m 11111- h•v•, llltm,1b1CI 9dt1 tt,,,,. liltMjppHfllft H.Wi,hll M In Hlilmt,n „,i.ttuich Über insgesamt 34 Heilkräuter informiert der Hüfinger Lehrpfad, der bei der römischen Badruine beginnt. Taftln stellen die einzelnen Pflanzen vor, oben links beispielsweise das Schöllkraut. dung. Durch ein Tempelsymbol sind jene Pflanzen, die bereits im Altertum als heil­ kräftig bekannt waren, besonders gekenn­ zeichnet. Eine farbliche Darstellung der je­ weiligen Heilpflanze rundet die Informati­ on ab. Wer es ganz genau wissen will, kann sich der mit großem Sachverstand und mit Lie­ be durch die Vorsitzende des Kneippvereins, Apothekerin Birgit Soffel, verfaßten Bro­ schüre »Der Hüfinger Kräuterlehrpfad“ be­ dienen. Für Kenner und Interessierte glei­ chermaßen informativ sind beispielsweise die Ausführungen über die Geschichte der einzelnen Heilpflanzen, die mitunter bis ei­ nige Jahrhunderte v. Chr. zurückreicht. Man erfährt, wie große Ärzte des Altertums und 282 des Mittelalters sich der Heilkräuter bedien­ ten. Auch der Wissensstand der modernen Medizin wird dargestellt. Die Pflege der Heilkräuterstandorte wird von Mitgliedern des Kneippvereins über­ nommen, was vor allen Dingen in den Anfangsmonaten großen Zeitaufwand er­ forderte. Von der Bevölkerung wird der Heilkräuterlehrpfad gerne angenommen, besonders auch deshalb, weil er durch eine reizvolle Landschaft mit herrlichem Blick auf die Ostbaar und den Sehellenberg führt. Ktmo Fritschi

Schüler praktizieren wertvollen Naturschutz Umwelt und Natur Arbeitsgemeinschaft Vogelkunde der GHS-Obereschach besteht seit 15 Jahren Seit über 15 Jahren gibt es die landesweit bekannte Arbeitsgemeinschaft für Vogel­ kunde der Grund-und Hauptschule Ober­ eschach, zu der auch Schülerinnen und Schüler aus Weilersbach gehören. Die Ziele und Beweggründe der AG sind klar abge­ steckt: praktizierter Natur, Arten-und Um­ weltschutz durch Jugendliebe. Durch ver­ schiedenste Aktivitäten sollen die Schüler, aber auch Erwachsene, praxisbezogen an die Themenbereiche Natur und Umwelt heran­ geführt werden. Mit oft einfachen Mitteln, kann auf diesem Gebiet jeder sehr viel er­ reichen. Nicht umsonst hat die AG in den zurückliegenden Jahren viele wertvolle Um­ weltpreise errungen. Kaum eine andere im Umweltbereich aktive Gruppe, hat in den zurückliegenden Jahren eine solche Konti­ nuität und Zuverlässigkeit in der Arbeit ent­ wickelt. Die „Vogel-AG“ wurde 1981 im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft des erweiterten Bildungsangebotes an der Grund- und Hauptschule Obereschach von Konrektor Klaus Blöhe aus Fischbach ins Leben geru­ fen. Inzwischen gehören dieser AG im Durchschnitt immer rund 18 Schülerinnen und Schüler an, hinzu kommen noch wei­ tere ehemalige Schülerinnen und Schüler, die sich nach wie vor mit der AG und ihrer Arbeit verbunden fühlen und nun als Er­ wachsene mithelfen. Die Unterstützung für die AG ist jedoch noch breiter: zahlreiche Firmen und auch viele Naturfreunde haben erkannt, daß es sich bei der AG aus Ober­ eschach um etwas Einmaliges, ja Wertvolles handelt und unterstützen deren Arbeit durch Rat und Tat oder Sachspenden. So baut die AG in jedem Jahr für alle hei­ mischen Vogelarten, Insekten und Fleder­ mäuse über 1 000 Nisthöhlen aus Holz. Hinzu kommt der Bau von Futterstellen für Auch 1997 haben die Mitglieder der Ober­ eschacher AG, hier im Fischbacher Steinwald, weitere Nistkästen aufgehängt, wobei alles genau dokumentiert wird, damit die Kästen auch be­ treut und jährlich gereinigt werden können. 283

Umwelt und Natur In Schulen und Kindergärten (hier der Kindergarten in Kappel) zeigen Mitglieder der Obereschacher AG schon den Kleinsten, wie man einen Nistkasten baut, worauf man beim Aufoängen achten muß und wie viel Freude es dann bereitet, wenn die Nistkästen von den Vögeln auch angenommen werden. Und mitten­ drin: Klaus Blähe. die heimischen Vogelarten, ebenfalls aus Holz und in einem bewährten Silomodell. Doch nicht nur das: selbständiges Auf­ hängen, Kontrollieren, Unterhalten und Reinigen von über 700 Nisthöhlen in den heimischen Wäldern und Fluren in einem Umkreis von rund 15 Kilometern rund um Obereschach sind für die AG längst zur lieb­ gewonnenen Routine geworden. Die Tätig­ keit geschieht in enger Zusammenarbeit und Absprache mit den Forstbehörden, bei de­ nen man das Wirken der Schülerinnen und Schüler mit Freude und wohlwollender Un­ terstützung begleitet. Routine hat die AG zwischenzeitlich auch bei der Betreuung und teilweise der Unter­ haltung von vogelkundlichen Lehrpfaden entwickelt, einschließlich dem Bau der Nisthöhlen, in der Nähe der aufgestellten und selbstgefertigten Lehrtafeln. Unter an­ derem sind Lehrpfade der AG in Nie­ dereschach (1990), Gaienhofen/Bodensee (1991), Bad Dürrheim (1993), Horn/Bo­ densee (1993 mit Schmetterlingspfad), Oberwolfach (1995), Waldbronn (1996) und Langensteinbach (1996) zu bewundern. Im Rahmen der Landesgartenschau in Bad Dürrheim waren es die Schülerinnen und Schüler der AG, die Schulklassen, Jugend­ gruppen und Kindergärten beim Bau von Nisthöhlen angeleitet haben. Eine Ausstel­ lung des BUND über Nisthilfen wurde von der AG maßgeblich mitgestaltet. Wie selbst­ verständlich hilft die AG in praktischer Wei­ se auch bei Projektwochen an anderen Schu­ len oder bei Jugendgruppen und gibt ihr enormes Wissen speziell beim Bau von Brut- und Niststätten an andere weiter. 284

Vogelschutz und eines Vogelschutzgehölzes im Gewann „Unteres Weiherle“ in Obereschach. Die Ortsverwaltung stellte der AG ein geeignetes städtisches Grundstück (rund 0,5 ha) zur Verfügung. Das Garten-und Friedhofsamt der Stadt Villingen-Schwenningen hat dabei die Planung mit der damit verbundenen An­ lage einer Wasserfläche und Bepflanzung ge­ fertigt, und die AG hat das gesamte Biotop mit überwiegend freiwilligen Helferinnen und Helfern und mit eigenen finanziellen Mitteln und Spenden gestaltet. Die Betreu­ ung und Unterhaltung des Biotops liegt ebenfalls in den Händen der AG. Der Bau einer Trockenmauer, die Pflanzung von Wasserpflanzen und einige Maßnahmen mehr, sorgten 1996 für eine weitere Berei­ cherung des Biotops, das rund einen Kilo­ meter von der Grund-und Hauptschule Obereschach entfernt liegt. Vieles ließe sich über die Arbeit der agilen Obereschacher AG noch schreiben und sa- In vielen Kindergärten der Region hat die AG zusammen mit den Kindern und Erzie­ herinnen Nistkästen zusammengebaut und aufgehängt, so daß die Kinder das ganze Jahr über die Ergebnisse ihrer Arbeit verfol­ gen und sich an der nistenden, brütenden und ihre Jungen versorgenden Vogelwelt er­ freuen können. Wie könnte man Kindern die Vogelkunde und die Natur besser näher bringen? Jährlich führt die AG natur-und vogel­ kundliche Exkursionen durch, beteiligt sich an Jugend-Umwelttagen und anderen Ver­ anstaltungen rund um die Natur. Alle 2 Jah­ re organisiert die AG rund um Obereschach eine Aktion „Saubere Landschaft“. Immer mehr Helfer und Helferinnen unterstützen hierbei die Schülerinnen und Schüler rund um Klaus Blöhe. 10 Schleiereulen-Schläge in der Region wurden von den AG-Mitgliedern ebenfalls gebaut, wobei der Erfolg beeindruckend ist: die meisten Schläge sind belegt. Im Winter werden Futterstel­ len für die Vögel unterhalten, 1995 hat die AG auf der Höri ein Vogelstimmrad gebaut, das großen Anklang fand und fin­ det. Für Schulungszwecke bastel­ ten die AG-Mitglieder einen mobilen Vogelstimmenapparat (1995), von 1992 bis 1995 wur­ den über 30 Obstbäume ge­ pflanzt, rund um das Ober­ eschacher Schulhaus wurden 1995 etwa 30 Beerensträucher für Vögel gepflanzt. 1994 hat man einen Beergarten am Schulhaus angelegt. Das jährli­ che Schneiden der Obstbäume, eine eigene Pflanzenzucht für den Weiher und die Vögel, läuft quasi nebenher. Eine der besonderen Glanzlei­ stungen der AG war 1995/1996 Klaus Blähe greift auch selbst zum Hammer, wenn es für die die Anlage eines Feuchtbiotopes Schülerinnen und Schüler der AG zu hoch hinaus geht. 285

Vogelschutz gen. Doch eines muß besonders erwähnt werden: die Arbeit der AG seit 1981 läßt sich in Worten oder gar in Mark und Pfennig gar nicht fassen. Im „Schneeballsystem“ hat die AG in dieser Zeit auch viele andere da­ zu animiert, sich im Umweltbereich zu en­ gagieren, vielen Schülerinnen und Schüler, Kinder und Jugendliche, die heute bereits im Erwachsenenalter sind, haben durch die AG ein ganz besonderes Verhältnis zur Na­ tur erhalten und handeln auch danach. Tau­ sende von Nist- und Brutstätten der AG hängen in privaten Gärten und helfen der Vogelwelt, bedingt auch durch eine ständig ausgefeiltere Technik, raubtiersicher zu über­ leben. Und die vielen Preise, die meist mit einer Geldsumme dotiert waren, wurden al­ lesamt wieder für die Umwelt- und Natur­ schutzzwecke verwendet. lange suchen müssen, um eine AG, beste­ hend aus Schülerinnen und Schülern zu fin­ den, die über einen derart langen Zeitraum und mit so großem Erfolg und überaus ak­ tiv tätig war und ist. Und ein Ende der viel­ fältigen Aktivitäten läßt sich noch nicht ab­ sehen, bei der AG hegt man weitere, große Zukunftspläne, versäumt aber nicht, auch das bereits Geschaffene zu erhalten, zu un­ terhalten, zu verbessern und zu betreuen. Daß dies alles so ist, hängt ganz eng mit Klaus Blöhe zusammen, der es hervorra­ gend versteht, die Jungen und Mädchen sei­ ner AG zu motivieren und der im Hinter­ grund die Fäden zieht, organisiert und leitet, der aber auch weiß, daß er die ganze Arbeit ohne die Schülerinnen und Schüler nie lei­ sten könnte. Man wird in ganz Baden-W ürttemberg Albert Bantle Schwenninger Moos, Aquarell 1996, LudwigSchopp 286

Historische Wasserkraftanlage in Neudingen Es klappert die Mühle – Doch nur sacht rauscht der Bach Umwelt und Natur Träge fließen die t:riib-braunen Fluten dahin. Nur ab und zu kräuselt sich die Oberfläche, um ein leises Glucksen frei­ zusetzen. Fettes, grünes Gras säumt das Ufer, Weiden hängen ihr Geäst fast bis in die Mitte der Strömung. Ein Enten­ paar entschließt sich zum Landgang, als ein Kahn mit leisen Ruderschlägen naht. Das Idyll, das sich hinter der Eisen­ bahnbrücke auftut, die in Neudingen über den alten Gewerbekanal führt, ist eines, wie es viele nur von historischen Gemälden kennen. Wäre die Zufahrt zur alten Mühle des heutigen Donau­ eschinger Ortsteils nicht asphaltiert – die Zeit könnte stehengeblieben sein. In Höhe des Bahnhofs zweigt ein Wehr das Bett des künstlichen Kanals auf einem halben Kilometer Länge von der hier noch jungen Donau ab, deren Wasserkraft den Müller einst zum Besit­ zer eines stolzen Monopols in weitem Umkreis machte. Mehr noch: Das Mahl­ werk, nach 1200 Jahren zum Stillstand gekommen, und heute durch die Schau­ feln einer Wasserturbine zur umwelt­ freundlichen Stromgewinnung ersetzt, ist nicht nur eines der ältesten, sondern schlichtweg das erste am mehr als 2300 Kilometer langen Lauf dieses Stromes, der an seinen Gestaden so viele Länder von der �eile bis hin zu seiner Mün­ dung ins Schwarze Meer miteinander vereint. Wie so oft, wenn die Geschichte weit in die Jahrhunderte zurückreicht, ist auch hier die erste urkundliche Erwäh­ nung nicht mit dem Jahr der Erbauung identisch. Immerhin vermeldet die Neudin­ ger Chronik, daß die Mühle schon am 13. Januar 1299 von Graf Konrad Mariahof ver­ kauft wurde. Der Übergabevertrag regelte sogar, daß auf Neudinger Gemarkung keine andere Mühle gebaut werden durfte. Nur schlaglichtartig tauchen anno 1312 eine ,,Wildenmühle“, die jedoch außerhalb geie- 287

Umwelt und Natur Malerisch gelegen, die Neudinger Mühle. Der heutige Mühlekanal stammt aus dem Jahr 1779 und wur­ de von Johann Riedmüller gebaut. gen haben muß, und eine weitere am Rein­ lesbach auf, um dann wieder im Gewirr der Zeitläufe unterzugehen. Die Nonnen von Mariahof jedenfalls durf­ ten sich mit der willkommenen Nebenein­ nahme ihr „Taschengeld“ aufbessern. Viel­ leicht, weil sie mit der Technik nicht so ganz klarkamen, verpachteten die Damen bald an einen „Lehens-Müller“. 1439 findet na­ mentlich ein „Hanns Säßler“ Erwähnung. Doch die Mühle ist weder heute noch zu vergangenen Zeiten je geeignet gewesen, die Gemüter derer, deren Schicksal sich mit dem ihren verband, zu einen. Ganz im Ge­ genteil schieden sich hier im Laufe der Jahr­ hunderte nicht nur einmal die Geister. We­ nig später begannen somit auch die Streite­ reien zwischen den Nonnen und jenem ,,Hanns Säßler“. Zahllose Auseinanderset­ zungen zwischen der Geistlichkeit und ihrem eigensinnigen Müller, die mehr als einmal vor dem Landgericht Fürstenberg en­ deten, sind in den Annalen vermerkt. Trotz „Gottes Segen“ gingen die Verfahren nicht immer zugunsten des streitbaren „Boden­ personals“ aus, nahmen die Differenzen bis­ weilen derart Formen an, daß in den Fürst­ lich Fürstenbergischen Archiven sogar eine eigene Akte unter dem Titel „Müllerprozes­ se“ Aufnahme fand. Der heutige Mühlenkanal in seinem der­ zeitigen Verlauf wurde 1779 von Johann Riedmüller gebaut, der mit seinem Projekt nicht auf viel Gegenliebe stieß. Nicht wegen drohender Hochwassergefahren, sondern weil im Gewann Espe! mehrere Weiden von 288

eudinger Mühle Über 20 Jahre hinweg versorgte die Mühle ganz Neudingen mit Strom, im Keller findet sich eine Francis-Schachtturbine. dem Fließgewässer durchgeschnitten wur­ den, soll es in der Gemeinde einen regel­ rechten Aufruhr gegeben haben. Im Februar 1804 kommt die Mühle in fürstliche Hände, wird umgebaut, erweitert und modernisiert, aber 1845 -mangels Ge­ winnaussichten -schon wieder veräußert. 1885 erwirbt sie Mathias Bühler aus Geisin­ gen, Großvater des heutigen Betreibers Ott­ mar Bühler. Bemerkenswert, daß bereits 1891 in dem historischen Gebäude moder­ ne Zeiten anbrachen: eine damals zusätzlich eingebaute Turbine versorgte über zwanzig Jahre hinweg fast ganz Neudingen mit Strom. Ende der 30er Jahre folgte eine etwas stärkere Francis-Schachtturbine, die auch heute noch durch ein sattes Schnurren im Keller auf sich aufmerksam macht. Senior Ottmar Bühler hat hier bis vor zwanzigJah­ ren sogar noch für Kundschaft gemahlen. 1976 waren es noch 45 Doppelzentner, da­ nach wurde bis 1979 nur noch für den Ei­ genbedarf produziert. Einen nicht nur aus Sicht der alteingeses­ senen Müllerleute unglücklicher Verlauf nahmen die Dinge, als die Neudinger im Sommer 1973 eine 525 Meter oberhalb der Mühle baufällig gewordene Feldwegbrücke ersetzten. Das Getreide wurde inzwischen zunehmend bei den großen Genossenschaf­ ten gemahlen, und so schien das Interesse an der gewerblichen Nutzung ohnehin nur noch gering. Flugs war der Q!ierschnitt des Durchlasses herabgesetzt, und auch einige Beiwerte wie Gefälle und Durchfließge­ schwindigkeit verloren rasch an Bedeutung. 289

Umwelt und alllr Der heutige Betreiber der Neudinger Mühle Ottmar Biihler beim Mahlen von Getreide. Freilich nicht für Ottmar Bühler, der kurz darauf seine Turbine nur noch mit einem Drittel der vorher üblichen Leistung „fah­ ren“ konnte. Ließ er sie, wie in früheren Jah­ ren, mit bis zu vier Kubikmetern Wasser pro Sekunde laufen, fiel der Kanal innerhalb kürzester Zeit trocken. Auch vorher schon hatte es immer mal Niedrigwasserstände in der Donau gegeben, konnte das Aggregat nicht zu jeder Zeit mit der maximalen Kapazität von viertausend Litern pro Sekunde ausgelastet werden. Doch forthin sollte die Turbine auf Dauer nur noch mit einem Drittel der Auslastung vor sich hinschnorcheln: Das Loch für den Durchlaß war einfach zu klein. Das Wasserwirtschaftsamt mahnte noch 1973 an, daß hier nicht korrekt gearbeitet worden sei. Wenig später wurde die bis da­ hin selbständige Gemeinde Neudingen Do- naueschingen zugeschlagen, die Mühle der Rubrik ,,Altlast“ zugeordnet. Der Müller zog vor das Verwaltungsgericht, bekam dort je­ doch in der Sache nicht recht. Zwar sei ihm erlaubt, so hieß es, bis zu vier Kubikmeter Wasser pro Sekunde über den Gewerbekanal auf die Schaufeln seiner Turbine rauschen zu lassen. Es könne jedoch auch jederzeit we­ niger sein – die Wassermenge an sich sei nicht einklagbar und auch in alten Unterla­ gen aus dem Wasserkataster nicht belegbar. Der amtliche Wasserpegel wurde fürderhin einfach ein Stück niedriger angesetzt. Wei­ tere Unterlagen, außer einer behördlich nicht beglaubigten Kopie in alter Akten­ schrift, die dem Müller ein bißchen mehr als „nasse Füße“ und als Oberkante nicht viel mehr als Kniehöhe in seinem Kanal garan­ tiert hätte, waren nicht verfügbar. ,,Alte Akten über Ihr Wasserrecht ( … )“, so das 290

Schreiben der zuständigen Behörde, seien nicht mehr vorhanden. Vermutlich sei­ en sie „beim Bombenangriff auf das Landratsamt in Do­ naueschingen im Jahre 1944 zerstört worden.“ Das allein wäre noch nicht das komplette Unglück ge­ wesen, wäre die Pegelmarke im Kanal bei Temperaturen unter Null nicht immer wie­ der mal durch Schnee und Eisgeschiebe verlorengegan­ gen. Und die Konsequenz: die „Nichtaufklärbarkeit“ des tatsächlichen Pegels, so wurde verfügt, gehe klar zu seinen Lasten. Vermutlich wird die un­ endliche Geschichte um des Müllers Wasserrechte auch in künftigen Jahren noch ih­ re Fortsetzung finden. Denn inzwischen geht es im Espe! im Rahmen des integrierten Hochwasserschutzes um den schnellen Abfluß bei starken Niederschlägen vom Für­ stenberg herabrauschender Fluten. Läuft dann der Mühlekanal zu schnell voll, würde sich just an derselben Feldwegbrücke, die seit zwei Jahrzehnten wie ein Pfrop­ fen den Lauf der Dinge be­ hindert, schnell wieder das Wasser stauen – diesmal stromaufwärts … Klaus Koch Neudinger Mühle 291

Umwelt und Natur Mit Hakenschlagen auf der Flucht Der Feldhase – ein volkstümlicher Vertreter der heimischen Tierwelt Die Geschichte dieses allgemein bekann­ ten Wildtieres geht bis in graue Vorzeit zurück: Hasenknochen wurden in Mahl­ zeitresten der Menschen aus der frühen Bronzezeit – 3. Jahrtausend v. Chr. – gefun­ den. Der Hase hat demnach schon sehr früh zum Überleben der Menschen beigetragen. Jagdmotive mit diesen Tieren sind uns in fast allen Formen der damaligen Malerei und von vielen Kulturen überliefert. Bereits in antiken Schriften steht er nach Hund und Hauspferd an dritter Stelle bei der Anzahl der Etwähnungen. Somit war der Hase das meistgenannte Wildtier in diesem Kultur­ kreis. In unserer abendländischen Kultur steht der Hase als ein Sinnbild für gute, aber auch Der Hase kann im eigentlichen Sinne nicht stehen, sondern sitzt atef seinen verlängerten Hinterläufen (Beinen). 292 schlechtere Eigenschaften der Menschen und der Natur. Kinder, aber auch Erwachse­ ne lieben den Osterhasen. Hier wird seine Fruchtbarkeit zum positiven Zeichen für die etwachende Natur im Frühjahr. Negativ ge­ sehen wird seine stete Fluchtbereitschaft. Ausdrücke wie „Hasenfuß“ oder „Angstha­ se“ stehen für Menschen mit entsprechen­ dem Charakter. Verhalten, Vorkommen, Körperbau und Lebensweise Zur Ehre des Hasen muß erwähnt werden, daß bei ihm zuerst das Verbergen und erst an zweiter Stelle die Flucht steht. Für ein Wildtier, das zu seiner Verteidigung nur vier schnelle Läufe (Beine) und so viele Feinde hat, verhält er sich nicht wie ein Angsthase. Selbst wenn ihm sein vorzügliches Tarnkleid nichts mehr nützt und er entdeckt zur Flucht gezwungen wird, rennt er nicht kopf­ los davon, sondern versucht, seinem Ver­ folger, z. B. einem Hund, durch sein be­ rühmtes Hakenschlagen zu entkommen. Wird er von seinem Lager (Ruheplatz) auf­ gescheucht, so läuft er in der Regel in einem Kreisbogen wieder dahin zurück. Jeder Jäger und Naturbeobachter kennt dieses Verhal­ ten. Mir als Naturfotografen hat dies schon zu manch gutem Bild verholfen, indem ich gut getarnt auf seine Rückkehr gewartet ha­ be. Der Feldhase soll nach einschlägiger Lite­ ratur bis zu 12 Jahre alt werden können, doch in freier Wildbahn ist ein Höchstalter von 5 bis 6 Jahre anzunehmen, wenn er nicht vorher einem seiner zahlreichen Fein­ de zum Opfer fallt. Jäger sind hier sicher nicht die bösen Buben, denn in den letzten Jahren werden immer weniger Hasen ge­ schossen, trotzdem hat sich der Bestand

Der Feldhase Putzen ist für das Wohlbefinden des Hasen von großer Wichtigkeit. kaum erholt. Über die Ursachen des Rück­ ganges der Hasenpopulation ist in kompe­ tenten Kreisen schon viel diskutiert und ge­ schrieben worden, ohne daß sich jedoch die Situation für den Hasen wirklich verbessert hätte. Hasen sind zwar anpassungsfähig -sie werden deshalb auch als sog. Kulturfolger bezeichnet -ihr Lebensraum wurde aber in den letzten Jahren durch Freizeitaktivitäten, Besiedelung und viele anderen Faktoren teilweise vernichtet bzw. eingeengt. Die Feldflur bietet ihm durch die modernen Bearbeitungsmethoden der Landwirtschaft weniger Deckungsmöglichkeiten und somit keinen ausreichenden Sichtschutz mehr vor seinen vielen Freßfeinden. Die von uns Menschen als „Unkräuter“ be­ zeichneten Futterpflanzen, auf die er drin­ gend angewiesen ist, verschwinden mehr und mehr. Die vielen Hunde, die im sprich­ wörtlichen Sinn des Hasen Tod bedeuten, sind heute hauptsächlich alle Arten von Autos oder Motorrädern und in seiner Ju­ gendzeit die landwirtschaftlichen Maschi­ nen. Wildernde Hunde bedeuten zwar eine große Gefahr für ihn, prozentual spielen sie jedoch bei den Todesursachen eher eine un­ tergeordnete Rolle. Vielleicht sind dies Gründe dafür, daß sich der Hase in unseren Regionen zunehmend zum Waldhasen entwickelt, der sich dort si­ cherer fühlt und ein mehr oder minder ver­ borgenes Dasein führt. Das gilt nach mei­ nen Beobachtungen in den letzten Jahren je­ denfalls für seinen Lebensbereich in den mittleren bis höheren Schwarzwaldlagen. An Waldwegen und Lichtungen findet er noch eher die Nahrung, die ihm bekommt, als auf der offenen Feldflur, wo sie größten­ teils verschwunden ist. Sein täglicher Nah­ rungsbedarf sollte im übrigen -neben den Kulturpflanzen -zur Hälfte aus den schon genannten Unkräutern bestehen, damit er gesund und widerstandsfähig gegen zahlrei-293

Umwelt und atur Dieser Hase im Wollgras macht einen sogenannten Kegel. Die Löffel (Ohren) sind dabei wie Schalltrichter aufgestellt. ehe Krankheiten bleibt, die ihn heimsuchen können. Ein weiterer Aspekt ist, daß sich dadurch der Hase bei uns den Blicken der Menschen immer mehr entzieht. Vielfach werde ich von Mitbürgern, die meine Fotos betrach­ ten, gefragt, wo ich denn diese aufgenom­ men hätte, man sehe ja kaum noch Hasen auf den Feldern und Fluren. Die Antwort ist: es gibt sie noch, wenn auch weniger wie früher, sie leben einfach verborgener, d. h. mehr im Wald. Mit Ausnahme von Irland und den nörd­ lichen Teilen von Skandinavien und Ruß­ land, bewohnt der Feldhase ganz Europa. Im Hochgebirge wird er durch den Schnee­ hasen, auf der Iberischen Halbinsel durch den Kaphasen vertreten. Seine Gesamtlänge beträgt 50 bis 70 cm, das Gewicht schwankt zwischen 3 bis 6 kg, die Löffel (Ohren) wer­ den ca. 12 bis 15 cm lang und wirken wie Schalltrichter, die ihm das leiseste Geräusch zutragen. Außerdem dienen sie auch zur Wärmeregulierung seines Körpers. An zwei- Verbergen steht vor der Flucht. Deshalb heißt es hier in Deckung gehen und die Löffel anlegen. 294

ter Stelle seiner Sinnesorgane steht der Ge­ ruchsinn, der es ihm in seinem Revier er­ möglicht, seinen eigenen, oder den von sei­ nen Artgenossen gelegten Duftspuren zu folgen, und sie richtig zu deuten. Diese Duftsekrete stammen aus verschiedenen Drüsen, besonders aber aus dem sogenann­ ten Backenorgan und er verteilt sie bei sei­ ner ausgiebigen Fellpflege auf seinem Kör­ per einschließlich der Pfoten. Dem Putzen seines Haarkleides widmet er viel Zeit und Aufmerksamkeit, denn ein gut gepflegtes Fell ist für ihn überlebenswichtig. Die Hinterläufe setzt der Hase stets vor seine Vorderläufe Seine großen hellbraunen Augen sitzen ziemlich seitlich am Kopf und gewähren ihm eine fast perfekte Rundumsicht. Hasen schlafen aber nicht mit offenen Augen, wie oftmals behauptet wird. Mit einem Fernglas konnte ich einmal einen Hasen beobach­ ten, der sich ganz in der Nähe eines Hoch­ sitzes niedergetan hatte, auf dem ich saß. Dieser Hase schloß seine Augen und legte sich dabei sogar auf die Seite. Diese Phase Der Feldhase seines „Schlafens“ oder Ausruhens dauerte allerdings nur etwa eine Minute lang, da­ nach richtete er sich wieder auf und öffnete die Augen. Der Hase scheidet zwei verschiedene Kot­ arten aus: eine weiche mit Vitamin BI-Spu­ renelementen und bakterienreich sowie eine größere, harte und strohige. Die erstge­ nannte Kotart stammt aus dem Blinddarm. Sie wird einmal am Tage, meistens morgens, ausgeschieden und teilweise vom Hasen wieder aufgenommen. Wir Menschen mö­ gen dieses Verhalten als wenig fein empfin­ den, doch die Natur hat ihre eigenen Geset­ ze. Noch verwertbare Nährstoffe werden in diesem Fall nicht vergeudet. Eine weitere Eigenart des Feldhasen ist seine Fortbewegung, die seine Spuren – be­ sonders im Schnee – von allen anderen Revierbewohnern deutlich unterscheidet. Seine langen Hinterläufe setzt er beim schnellen Lauf – wie auch beim langsamen Hoppeln – stets vor die viel kürzeren Vor­ derläufe. Dabei werden die Hinterläufe ne­ beneinander und die Vorderläufe hinterein­ ander gesetzt. Seine kurzfristige Höchstge­ schwindigkeit auf der Flucht liegt bei rund Bild oben: Die Hinterläufe überholen dabei gleichzeitig die vorderen und ergeben die typische Hasenspur im Schnee. Auf diesem Bild war die Lauf richtung des Hasen von rechts nach links. Bild links: Deutlich ist zu sehen, daß die Vorderläufe hintereinander und die Hinterläufe nebeneinander aefgesetzt werden. 295

Umwelt und Natur Ein »Dreiläufer“ ljunghase), ca. 3 bis 4 Monate alt. 70 bis 80 km/h. Und er kann, streng ge­ nommen, auch nicht stehen, sondern sitzt auf seinen verlängerten, behaarten Hinter­ läufen. Wenn er besser hören oder sehen will, richtet er sich auf, so daß die Vorder­ läufe in der Luft hängen, er macht einen so­ genannten Kegel. Die langen, borstenartigen Haare an Stirn und Lippen dienen zur Verlängerung des Tastsinns. In der Not, oder bei schweren Ver­ letzungen, hört man den Hasen klagen, es erinnert an das Schreien eines kleinen Kin­ des. Die Häsin hat eine Tragzeit von vier bis sechs Wochen Die Fortpflanzungszeit beginnt schon zei­ tig im Jahr, in den Niederungen im Januar, auf den Höhen etwas später. Die Hauptzeit liegt im März, man spricht dann vom „Mär­ zenkoller“ der Hasen. Dieses Schauspiel der 296 Rammlergesellschaften mit den rituali­ sierenden Kämpfen – bei denen aber selten ein Rammler ernsthaft verletzt wird – und den Verfolgungsjagden zwischen Hase und Häsin, sind amüsant und ein Erlebnis für den Naturfreund. In den siebziger Jahren konnte ich es selbst einmal in den frühen Morgenstunden beobachten. Beteiligt wa­ ren dabei sechs Hasen beiderlei Geschlechts. In den letzten Jahren sieht man dagegen auf den Waldwegen meistens nur noch einzelne Rammler „verträumt“ der Spur einer Häsin folgen, oft den Gefahren, die da unterwegs lauern können, keine Beachtung schenkend. Die Häsin, die sich nur am Verhalten, je­ doch nicht äußerlich vom männlichen Ha­ sen unterscheiden läßt, kann nach einer Tragzeit von zirka 6 Wochen dreimal – sel­ tener viermal – im Jahr zwei bis vier Jung­ hasen setzen, bzw. zur Welt bringen. Sie kommen behaart und sehend zur Welt und sind Nestflüchter, d. h. sie können bereits

wenige Stunden nach ihrer Geburt die Nest­ mulde verlassen. Die Jungen werden von der Mutter getrennt abgelegt und zwei bis dreimal am Tage zum Säugen aufgesucht. Durch das seltene Aufsuchen der Häsin, das gute Tarnkleid der Kleinen und der geringen Eigenwitterung, die sie abgeben, sind sie re­ lativ sicher vor Bodenfeinden. Aus der Luft droht ihnen Gefahr von Greif- und Raben­ vögeln, wenn sie von diesen erspäht werden. Auch nasskalte Witterung kann ein Großteil des Wurfes vernichten. Dazu kommen noch die schon erwähnten Gefahren und Fak­ toren wie landwirtschaftliche Maschinen, Krankheiten und Schmarotzer, die den Junghasen noch mehr zusetzen als den aus­ gewachsenen Tieren. Tatsache ist, daß der Feldhase weiträumig seltener geworden ist. Er bedarf in den näch­ sten Jahren noch mehr unseres Schutzes, sonst ist er vielleicht schon in naher Zukunft Der Fcldba c auf der Roten Liste der bedrohten Arten zu finden. Denn auch durch seine relativ ho­ hen Fruchtbarkeitsraten kann der Feldhase auf Dauer seine Verluste nicht ausgleichen. Sicher ist es für die Landwirtschaft nicht möglich, zurück zu den Bearbeitungsme­ thoden der kleinbäuerlichen Betriebe von früher zu gehen, um damit dem Hasen wie­ der Deckungsmöglichkeiten und auch reich­ lich Hasennahrung in Form von Unkräu­ tern zu geben. Doch bei einiger Überlegung läßt sich der Lebensraum des Hasen wieder verbessern. Ansätze in Form von Renaturie­ rungen, Flächenstillegungen, weniger Ein­ satz von Düngemitteln oder Unkrautver­ nichtungsmitteln lassen hoffen, daß für den liebenswerten »Meister Lampe“ wieder bes­ sere Zeiten anbrechen werden. Erwin Kienzler Die sehr seitlich an seinem Kopf sitzenden Augen gewähren ihm eine fast peifekte Rundumsicht in seinem Lager (Ruheplatz). 297

Umwelt und amr Baumgefüge wird Naturdenkmal Entlang der Kreisstraße Nr. 5749 sind typische alte Mostobstsorten zu finden Dieser Beitrag wurde durch den Autor für die Internetrecherche nicht freigegeben. 298

Entlang der Kreisstraße Nr. 5749 sind typische alte Mostobstsorten zu finden Dieser Beitrag wurde durch den Autor für die Internetrecherche nicht freigegeben. 299

Umwelt und Natur Lebensraum für bedrohte Pflanzen und Tiere „Birken-Mittelmeß“ ein neues Natur- und Landschaftsschutzgebiet im Schwarzwald-Baar-Kreis Nachdem auf dem Gebiet der großen Kreisstadt Donaueschingen 1994 die Weiherwiesen bei Wolter­ dingen und 1995 das Grüninger Ried als Naturschutzgebiete ausge­ wiesen wurden, unterzeichnete Re­ gierungspräsident Dr. Schroeder im Dezember 1996 auch die Verord­ nung über das Natur-und Land­ schaftsschutzgebiet „Birken-Mittel­ meß“. Damit erhielt eines der be­ deutendsten Feuchtgebiete in der Region endlich den ihm gebühren­ den gesetzlichen Schutz. Das Flurneuordnungsverfahren 1988 hat die Unterschutzstellung begünstigt, indem fast alle öko­ logisch besonders bedeutenden Flächen dort in öffentlichen Besitz überführt wurden. Lage und Größe Das neue Schutzgebiet befindet sich östlich von Donaueschingen­ Pfohren und umfaßt Flächen auf dem Gebiet Donaueschingens, den Gemar­ kungen Pfohren und Neudingen sowie der Stadt Bad Dürrheim, Gemarkung Unterbal­ dingen. Die beiden Gewanne „Die Birken“ und „Das Mittelmeß“ gaben dem Schutzge­ biet seinen Namen. Die ökologisch wertvollsten Bereiche fin­ den sich auf drei Teilflächen mit Natur­ schutzstatus (zusammen 170 ha). Diese sind zum Schutz vor Beeinträchtigungen von außen in ein Landschaftsschutzgebiet (138 ha) eingebettet. Durch die direkte Angliede­ rung des neu ausgewiesenen Schutzgebietes an das bereits vorhandene Naturschutzge­ biet „Unterhölzer Wald“ entstand an der Kreisgrenze zum Kreis Tuttlingen über die 300 „NSG/LSG“ Birken-Mittelmeß 500m …._ Grenze hinweg ein „Großschutzgebiet“ von über 1 000 ha Fläche. Gebietsbeschreibung Auf den ersten Blick beeindruckt der wei­ te, offene Charakter der Landschaft. Ausge­ dehnte, scheinbar monotone Grünland­ und Riedflächen sind nur gelegentlich durch einzelne Bäume und Gebüschgruppen un­ terbrochen. Nur im Südosten findet man dichteren Bewuchs mit Weiden und Birken. Die Entwicklung einer Waldgesellschaft hat eingesetzt. An einigen Stellen verraten heute noch Torfstichkanten, daß sich das Feuchtgebiet

„Birken-Mittelmeß“ aus einem ehemaligen Torfabbaugebiet entwickelt hat. Wo die Dorfgemeinschaften Pfohrens und Unter­ baldingens noch bis in die Mitte unseres Jahrhunderts Torf für die Gewinnung von Brennmaterial gestochen haben, findet sich heute ein vielseitiges Mosaik aus Naßwie­ sen, Röhrichten, Niedermoorflächen, Torf­ stichtümpeln und Verwaldungskomplexen. Weite Bereiche des Schutzgebietes werden auch heute noch zum Teil extensiv als Heu­ und Streuwiesen landwirtschaftlich genutzt. Landschaftsbild und vorkommende Le­ bensgemeinschaften stehen also für eine na­ turnahe Kulturlandschaft. Bedeutung 1976 veröffentlichten F. Zinke und G. Rei­ chelt eine Arbeit über die Riedbaar, ihre Bio­ tope und ihren Bestand bedrohter Vögel. Sie machten darin auch die Bedeutung des Gebietes „Birken-Mittelmeß“ als unersetz­ liches Natur- und Kulturdenkmal deutlich und forderten schon damals die Schaffung des jetzt ausgewiesenen Naturschutzge­ bietes. Der hohe Wert des Gebietes für die T ier- und Pflanzenwelt wurde später wieder­ holt bestätigt, auch durch Untersuchungen der Bezirksstelle für Naturschutz und Land­ schaftspflege in Freiburg. Das Vorkommen vieler bedrohter T ier- und Pflanzenarten führte letzlich zur Unterschutzstellung, wo­ bei z. T. auch die Größe der noch vorhan­ denen Bestände von Bedeutung war. Kleinseggenrieder mit u. a. Schmalblättri­ gem Wollgras, Fleischfarbenem und Breit­ blättrigem Knabenkraut kommen noch in ausgedehnten Beständen vor. Die für die Baar so typischen Bachkratzdistelwiesen zei­ gen Ende Juni hier ebenfalls noch ihre tief violette Farbe. Auf der übrigen Baar ist die­ ser Wiesentyp weitgehend verschwunden. Dicht drängen sich stellenweise die Troll­ blumen auf blühenden Feuchtwiesen, wo auch noch die Sibirische Schwertlilie und der Moortarant zu finden sind. Selbst ein Birken·Mittelmeß Relikt aus der letzten Eiszeit, nämlich die Strauchbirke, wächst im Gebiet noch in ei­ nigen Exemplaren. Natürlich profitieren von der bunten Viel­ falt der Wiesenpflanzen auch viele Insek­ tenarten. Hier seien stellvertretend für die nahezu unüberschaubare Fülle nur die sehr auffalligen Arten wie Schwalbenschwanz, Distelfalter, Nachtpfauenauge und Wanst­ schrecke genannt. Auch finden hier zahlreiche Wiesenbrüter noch Lebensraum so z. B. Braunkehlchen, Wiesenpieper, Grauammer und Kiebitz. Diese Arten sind anderen Orts sehr selten geworden. Mit 70 bis 100 Brutpaaren des Braunkehlchens befindet sich hier die größ­ te Brutpopulation Baden-Württembergs die­ ser Art. Bis zu 7 verschiedene Greifvogelar­ ten können mitunter im Sommer nach der Heuernte gleichzeitig beobachtet werden, darunter so seltene Arten wie Wanderfalke und Baumfalke. Im Herbst und Winter be­ sitzt das Gebiet ebenfalls überregionale Be­ deutung für dann rastende nordische Greif­ vögel. Kornweihen (max. 50 Exemplare), Merlinfalken und gelegentlich die sehr sel­ tene Sumpfohreule können beim abendli­ chen Schlafplatzeinflug in die ungestörten Hochstaudenrieder beobachtet werden. Ausblick Mit der Ausweisung von Naturschutz­ flächen im Gebiet „Birken-Mittelmeß“ ist si­ cher ein erster Schritt zur Erhaltung dieses einzigartigen Lebensraums gemacht wor­ den. Aber ebenso wichtig ist die Beibehal­ tung der extensiven Bewirtschaftung der Wiesen in dem angrenzenden Landschafts­ schutzgebiet. Diese ist jedoch nur mit den betroffenen Landwirten möglich, die für ihren Beitrag zu Bewahrung einer natur­ kundlichen Besonderheit mit ihrer biologi­ schen Vielfalt leistungsgerecht honoriert werden müssen. Dr. Helmut Gehring 301

Eine extensiv bewirtschaftete Feuchtwiese in „Birken-Mitt Zu ihren Bewohnern gehören die Wanstschrecke (unten links, auf einer Bachkratzdistel si und die Trollblume (unten rechts). Eine weitere Besonderheit ist das Vorkommen der Si�· •tmeM Schwertlilie (großes Bild, unten Mitte).

Der Turmfalke im Flug und der Roifußfalke auf einem Baumstumpf sitzend. Der Turm­ falke ist in „Birken-Mittelmeß“ ein NahrtJngsgast während seiner Brutzeit, der Rot­ fußfalke hingegen gilt als seltener Gast.

Im Spiegel der Jahreszeiten: Das große Bild zeigt eine Somme iese, doch das Natur- und Landschaftsschutzgebiet „Birken-Mittelmefs“ hat auch im Wit1ter seinen Reiz. Links oben winterliches Schilf, rechts oben die Kornweihe, die Zf‘ den regelmiißigen Wintergäswejört und hier ihren traditionellen Schlafplatz hat. , 1 ! , ( I I

Artenliste der Vogel des Gebietes „Birken-Mittelmeß“ (H. Gehring, F. Zinke) n •• .1 Stockente Schleiereule Wachtel Wachtelkönig Kiebitz Bekassine Großer Brachvogel Kuckuck Feldlerche Baumpieper W iesenpieper Bachstelze Neuntöter Feldschwirl Sump&ohrsänger Braunkehlchen Grauammer Goldammer Rohrammer Bluthänfling Elster Rabenkrähe vereinzelt 1 Paar in Nachbarschaft verbreitet wiederholt Brutverdacht vereinzelt bis 1987 regelmäßig um 5 Reviere Brutversuche 1989 und 1990 vereinzelt weit verbreitet vereinzelt verbreitet vereinzelt vereinzelt verbreitet weit verbreitet weit verbreitet (um 100 Paare!) vereinzelt verbreitet weit verbreitet verbreitet vereinzelt vereinzelt Vereinzelt: 1-10 Reviere, verbreitet: 10-30 Reviere Weit verbreitet: über 30 Reviere l’t..T …. L-.. – •• ··t . .l > D-. •• 1 nnA�“ Graureiher Mäusebussard Rotmilan Schwarzmilan Turmfalke Baumfalke Star Grünfink Stieglitz n Kornweihe (traditioneller Schlafplatz!) Rohrweihe Wiesenweihe Wanderfalke Merlin Sumpfohreule Bekassine Raubwürger Wiesenpieper Grauammer regelmäßig regelmäßig regelmäßig unregelmäßig regelmäßig unregelmäßig regelmäßig regelmäßig regelmäßig regelmäßig regelmäßig unregelmäßig regelmäßig unregelmäßig unregelmäßig regelmäßig regelmäßig regelmäßig regelmäßig 309

21. Kapitel/ Almanach 98 Landwirtschaft und bäuerliches Leben Die Kobisenmühle vor dem Verfall gerettet In St. Georgen ein wertvolles Stück bäuerliche Geschichte bewahrt jahrhundertelang war die Hausmühle eines der wichtigen Nebengebäude des Schwarzwaldhofes. Kaum ein Fünftel des einstigen Bestandes ist heu­ te noch in mehr oder weniger gutem Zustand vor­ handen. Die Restaurierung und Unterhaltung solcher Mühlen ist daher ein wichtiger Beitrag zur Denkmalpflege und zur Dokumentation des bäu­ erlichen Wirtschaftens in vergangener Zeit. Abgelegen in einem Seitental, genannt „Hippengehr“, zwischen Oberkimach und Unterkimach liegt der Kobisenhof. Er ist zu­ sammen mit seinen Nebengebäuden denk­ malgeschützt. Allerdings haben die Jahre an der Bausubstanz aller Gebäude kräftige Spu­ ren hinterlassen. Da die Hausmühle akut vom Einsturz bedroht war, hat der Verein für Heimatgeschichte St. Georgen sich zu­ erst um ihre Rettung und Renovierung bemüht. Es war mit vielen Schwierigkeiten finanzieller und anderer Art zu kämpfen, bis die Mühle wieder in Betrieb genommen werden konnte. Vom alten Mühlengebäude waren nur noch einzelne Balken zu verwenden, so daß von außen gesehen eine neue Mühle ent­ stand. Aber es waren vor allem die techni­ schen Einbauten, welche eine Renovierung sinnvoll machten: zwei Mahlwerke sind die Besonderheit der Hausmühle des Kobisen­ hofes. Das Mühlrad treibt über ein Getriebe, wel­ ches in vielen Einzelheiten überholt werden mußte, entweder den Mehlgang (Weizen- Akut vom Einsturz bedroht: Der Ze,fall der Kobisenmiihle schien im August 1989 besiegelt, als sich ihr der verein für Heimatgeschichte St. Georgen annahm und sie mustergültig restaurierte und sanierte. 310

Die Kobismühle Der Kobisenhofzwischen Oberkirnach und St. Georgen, im Seitental“Hippengehr“gelegen. gang) oder aber den sogenannten Gerbgang an. An dem scheinbar neuesten Teil der Mahlgänge, dem Sechskantsichter, fand sich verdeckt zwischen zwei Brettern die In­ schrift: ,,Verfertigt von Johann Maier Mühlenbauer in Oberkirnach im 77. Le­ bensjahr am 15. Juli 1815.“ Ein schöner An­ haltspunkt für das Alter dieses Mühlenteils und eine Erklärung für die teilweise erhebli­ chen Abnutzungsspuren an verschiedenen Getriebeteilen. Beim Mehlgang gelangen die vom Boden und Läuferstein zerriebenen Körner in den Sechskantsichter, wo die groben und feinen Bestandteile voneinander getrennt werden. Genauer dargestellt geschieht dabei fol­ gendes: Der Bodenstein, das ist der untere feststehende Mühlstein, und der Läufer­ stein, der obere sich drehende Mühlstein, zerkleinern mit ihren Furchen und entspre­ chend dem zwischen den Steinen einge­ stellten Abstand die durch den Eingabe- trichter, dem sogenannten „Tremel“, zuge­ führten Getreidekörner. Es ist äußerst inter­ essant, wie durch die Aufhelfvorrichtung, bestehend aus einer Gewindespindel und zwei einseitig gelagerten Balken, der sich auf einer senkrechten Welle befestigte und sich drehende Mühlstein während des Laufes sehr genau in der Höhe verstellt werden kann. Je feiner das Mehl sein soll, um so kleiner muß der Abstand zwischen den Mühlsteinen sein, ohne daß diese aufeinan­ der streifen. Es ist eine schwierige Arbeit des Mühlen­ bauers, den Läuferstein auf seiner Achse, dem Mühleisen, so zu lagern, daß er voll­ kommen plan läuft und der Abstand zum feststehenden, ebenfalls ausgerichteten Bo­ denstein ringsum gleich groß ist. Hier wird viel Können verlangt, um die unhandlichen und viele Zentner schweren Steine mit ver­ hältnismäßig einfachen Mitteln genauestens auf der Achse zu befestigen. 311

Die Kobi müble Die Kobisenmühle nach ihrer Sanierung. kennen mußten, um sie bei der Wiederherstellung richtig montieren und einstellen zu können. Selbst einfache Bauern­ mühlen zeigen in vielen Ein­ zelheiten den Einfallsreich­ tum früherer Generationen. Dazu zählt auch die ausge­ klügelte Nutzung der Eigen­ schaften von verschiedenen Holzarten. So wurden für die Lagerung der Wellen Apfel­ oder Birnbaumholz, für die Zähne der großen Antriebs­ räder Weißbuche, für die ver­ schiedenen Holzfedern Bir­ kenholz, für die Mühlrad­ speichen Eichenholz und für Wie erwähnt, fällt das zerkleinerte Korn den Wasserzulauf Kiefernholz oder Ahorn- von den Mühlsteinen in den Sechskantsich- holz verwendet. Zusätzlich hat man die ter. Sichter werden die Vorrichtungen ge- Zähne des Kammrades geräuchert, um sie nannt, welche die feinen und groben Be- haltbarer zu machen. Wie geschildert, hat die Kobismühle einen standteile des Mahlgutes voneinander tren- nen (sichten). Der Sechskantsichter hat sei- zweiten Mahlgang, der auch als Gerbgang nen Namen von der in seinem Innern genutzt werden kann. Bei diesem Mahlgang befindlichen sechskantigen Walze. Diese fällt das von den Mühlsteinen zerkleinerte Walze ist mit feiner Gaze bespannt und Korn in den Bitte!, das ist ein mit Gaze be- dreht sich um ihre leicht geneigte Achse. spannter Schlauch. Dieser Schlauch wird Durch die Flächen des Sechs- ••••••‘! kantes wird das Mahlgut seit- lich angehoben und fällt dann nach unten. Dabei fal­ len die feinen Bestandteile, das Mehl, durch die Gaze. Die gröberen Teile wandern nach vorne und landen im Kleietrog. Um das Korn gut auszunützen, muß das Mahl­ gut fünf bis sieben mal ge­ mahlen werden, bis im Kleie­ trog wirklich nur noch Kleie zu finden ist. Der Antrieb der Walze, des Rüttelsiebes und des Klopfhammers erfordern sinnreiche Vorrichtungen, welche die Helfer des Vereins Beim Schärfen des Mühlsteins. 312

durch eine Vorrichtung über einen Stab seitlich geschlagen oder gerüt­ telt. Auch hier fallen die feinsten Bestandteile durch die Gaze in den Mehlkasten, während die gröberen Teile durch den Kleiekotzer in den Kleietrog gelangen. Zur guten Aus­ nützung des Kornes sind auch hier mehrere Mahlgänge nacheinander notwendig. Bei dieser älteren Art der Mahlgutsichtung ist ein ganz anderer Mechanismus für den Beu­ telschlag und den Rüttelsiebantrieb notwendig. Hauptsächlich wurde der zweite Mahlgang zur Herstellung von Schrot oder zur Trennung von Korn und Spelzen verwendet. Das Schroten ist der gleiche Vorgang wie bei der Mehlherstellung, nur wird in ein oder zwei Durchläufen das Korn nur grob zerkleinert. Ein Sichter (Bitte!) ist hierzu nicht not­ wendig. Das Trennen (Rollen) von Korn und Spelzen ist jedoch ein beson­ derer Vorgang. Der Abstand zwi­ schen den Mahlsteinen muß so groß sein, daß die Hafer-oder Ger­ stenkörner nicht zerquetscht, son­ dern nur die Hüllen aufgesprengt werden. Körner und Spelzen fallen von den Mahlsteinen durch einen querfließenden Luftstrom in den Sichter. Der durch die Mühlstein­ welle angetriebene Ventilator er­ zeugt einen kräftigen Luftstrom, welcher die leichteren Körnerscha­ len, die Spelzen, mit sich fortreißt und in einen besonderen Behälter befördert. Die schwereren Körner werden vom Luftstrom nicht mit­ gerissen und fallen wie beschrieben direkt in den Kasten. Die beiden Mahlgänge mit ihren Sichtern fiillen das Mühlengebäude fast aus. Trotzdem haben die frühe- Landwirt chaft und bäuerliches Leben Das Kammrad mit !Jannsteg. Die Zähne des Kammrades wurden früher geräuchert, um sie haltbarer zu machen. Das Triebwerk der typischen Schwarzwaldmühle ist simpel kon­ struiert: Wasserrad und Kammrad situn auf der gleichen WH­ le, dem Wellbaum. Die Drehung des Wasserrades löst also zu­ gleich die des Kammrades aus. Diese Bewegung wird über den Spinde/wagen auf das Mühleisen mit dem Läuferstein über­ tragen (siehe „Das Schwarzwaldhaus‘: Hermann Schilli). 313

Die Kobismüble Der Sechskantsichter der Kobisenmühle ist gleichfalls detailgetreu rekonstruiert worden. ren Bauern mit der Mühle noch andere Ar­ beiten erledigt. Über ein Vorgelege und ein langes endloses Drahtseil, welches von der Mühle bis in den etwa 60 Meter entfernten Hof reichte, wurden dort Dreschmaschine, Häckselmaschine, Kreissäge, Putzmühle und andere Geräte angetrieben. Auch zur Stromerzeugung wurde die Mühle verwen­ det, sie war das Kraftwerk des Hofes. Aber Mahlen, Geräte antreiben oder Strom erzeugen konnte man nur, wenn man genügend Wasser zum Antrieb der Mühle hatte. Der jetzt wiederhergerichtete Weiher oberhalb der Mühle reichte dazu nicht im­ mer. Deshalb hatte man zirka 1,5 Kilometer weiter talaufwärts einen zweiten Mühlwei­ her angelegt, der bei Bedarf genutzt werden konnte. Im Zuge der Renovierung wurde aber nur der nahe Weiher wieder instandge­ setzt. Das Mühlengebäude, die Mahlwerke, 314 das Mühlrad, der Wasserzulauf und eben der Weiher erforderten viele, viele Stunden unbezahlte Eigenarbeit. Diese wurde aber von den Mitgliedern des Vereins für Hei­ matgeschichte St. Georgen gerne geleistet, um eine sogenannte Sachgesamtheit, das heißt einen Hof mit seinen Nebengebäu­ den wie Mühle, Speicher und Backhaus, für spätere Zeiten und Generationen zu erhal­ ten, denn gerade solche stattlichen Höfe prägen das Bild unserer Heimat. Öffnungszeiten: Regelmäßig werden in der Mühle Vorfiihrungen geboten. Gruppen können eigene Termine vereinbaren. Auskünfte sind beim Verkehrsamt St. Georgen oder beim Verein für Heimatgeschichte, Goethestraße 3 in 78112 St. Georgen, Telefon 07724/6125, zu erhalten. Willi Meder

22. Kapitel I Almanach 98 Architektur, Bauen und Wohnen Die Ökosiedlung ,,Auf der Staig“ Ein Versuch der Stadt Donaueschingen, Niedrigenergiebauweisen zu fördern Am Anfang stand das Klimakonzept der Stadt Donaueschingen: Gefertigt wurde es auf Initiative von Oberbürgermeister Dr. Everke vom Umweltberater des Gemeinde­ verwaltungsverbandes, Dr. Bronner. Der Gemeinderat hat das Konzept am 16. Juni 1992 als Eigenverpflichtung und als Hand­ lungsanweisung an die Stadtverwaltung be­ schlossen. In seinem kommunalen Teil ent­ hält das Klimakonzept Aussagen zu Bebau­ ungsplänen, zur Reduzierung des städti­ schen Energieverbrauchs, zur Nutzung regenerativer Energiequellen, zum Straßen­ verkehr, zur Verwendung von FCKW und zum Beschaffungswesen. Kohlendioxid (C02) ist einer der wesent­ lichen Verursacher der Klimaveränderun­ gen. Kohlendioxid wird bei jedem Verbren- nungsprozeß frei. Vermeidung von Kohlen­ dioxid heißt zuallererst Energieumwand­ lungsanlagen mit einem besseren W ir­ kungsgrad zu installieren, effektivere Ener­ gienutzung, aber auch Einsparungen im Straßenverkehr. Die meiste Energie wird in Donaueschingen für die Raumbeheizung verbraucht. Insgesamt sind dies in der Kern­ stadt 176 Millionen Kwh pro Jahr. Pro Ein­ wohner macht das 11 000 Kwh aus, also den Gegenwert von 1000 Litern Heizöl. Bebauungsplan ,,Auf der Staig“ Parallel zu den Diskussionen des Klima­ konzeptes liefen Überlegungen zur Bebau­ ung des neuen Wohngebietes „Auf der Staig“. Im April 1991 hat auf Initiative des Baugebiet „Atif der Staig“ von Norden. 315

Die Erdhiigelhäuser mit Ansicht von Süden. Stadtbauamtes der Geschäftsführer der Gruppe ARCHI NOVA, Erhardt Wächter, im Technischen Ausschuß Aspekte des öko­ logischen Bauens erläutert. Der Ausschuß war angetan von der Idee, im Rahmen des neuen Wohngebietes einen verdichteten Be­ reich für experimentelle Niedrigenergiehäu­ ser zu reservieren. Noch 1991 wurde die Novellierung der Wärmeschutzverordnung auf Bundesebene sehr strittig diskutiert. Eine Verabschiedung der Novelle war nicht in Sicht. Verschiede­ ne Baubranchen nutzten ihre Einflußmög- 316 lichkeiten, um die geplante Verschärfung in Frage zu stellen. In dieser Situation wollte der Technische Ausschuß für den Bereich der Stadt Donaueschingen ein Zeichen set­ zen. Mit der Ökösiedlung „Auf der Staig“ sollten erste Erfahrungen mit der Niedrig­ energiebauweise gesammelt werden. Von Anfang an stand fest, daß die Erfah­ rungen der Ökosiedlung den Handwerkern, den Architekten und Bauleitern und den zukünftigen Bauherren weitervermittelt werden sollten. So sollte ein Gegengewicht geschaffen werden zu den Angeboten der

Der kurze Weg zur Ökosiedlung Fertighausindustrie, die Niedrigenergiehäu­ ser bereits seit langer Zeit im Angebot hatte. Die Idee zur Ökosiedlung war schnell ge­ boren. Der Technische Ausschuß war mit Begeisterung bei der Sache. Wie jedoch soll­ te die Idee nun umgesetzt werden? Zwei We­ ge boten sich an: Der Weg nach oben, das bedeutet, die zukünftigen Bauherren über detaillierte Festsetzungen im Bebauungs­ plan, über privatrechtliche Regelungen und kommunale Satzungen auf den Weg zu bringen. Der Weg von unten, das heißt: ei­ ne Bürgerinitiative fordert Baugelände für eine Ökosiedlung, sie kämpft für ihr Projekt und dieses wird gegen verschiedene Hinder­ nisse durchgesetzt und realisiert. Der Weg von oben erschien nicht möglich. Das Planungsrecht bietet nur begrenzt Mög­ lichkeit zur Durchsetzung der ökologischen Bauweisen. Die Verwaltung besitzt keine Möglichkeiten, ausgedehnte vertragliche Re­ gelungen auf ihre Einhaltung zu überprü­ fen. Und was ist, wenn man die Bauherren bei der Nichteinhaltung einer Regelung er­ wischt? Welche Sanktionsmöglichkeiten be­ sitzt die Gemeinde? Für den zweiten Weg, den Weg von unten, war weit und breit keine Bürgerinitiative in Sicht. Also galt es, interessierte Bauherren zu finden und diese für die Idee der Öko­ siedlung zu begeistern. Der erste Schritt auf diesem Weg von unten war eine Informati­ onsveranstaltung am 5. Juni 1991 in der Ju­ gendmusikschule. Erhardt Wächter von der Gruppe ARCHI NOVA zeigte mit beein­ druckenden Dias Möglichkeiten und Gren­ zen der ökologischen Bauweisen auf. Der Autor erläuterte mit Beispielen aus anderen Städten, daß eine Siedlung mehr sein kann als eine Ansammlung von Häusern. Ge­ meint waren die sozialen Aspekte des ge­ meinsamen Bauens und Wohnens. Nach dieser Veranstaltung fanden sich be­ reits zirka 20 Familien, die Interesse an der Zielkonzept der Ökosiedlung Ökosiedlung zeigten. Mit diesen Familien organisierte das Stadtbauamt im Juli 1991 eine Exkursion, bei der verschiedene Öko­ siedlungsprojekte besichtigt wurden. Diese Familien formulierten dann auch, unter­ stützt vom Umweltberater Dr. Bronner, das Zielkonzept für die Ökosiedlung „Auf der Staig“. Es waren also nicht gesetzliche Verord­ nungen und Erlasse, die die zukünftigen Bauherren auf den steinigen Weg des öko­ logischen Bauens zwangen. Es waren die Bauherren selber, die ihre Zielsetzungen for­ mulierten. Stichpunktartig umfaßte das Zielkonzept folgende Punkte: •Kleine Grundstücke, begrünte Dächer. •Umweltverträgliche Baustoffe, keine tro­ pischen Hölzer, keine FCKW-geschäumten Baustoffe, Minimierung des Einsatzes von PVC und Aluminium, kein chemischer Holzschutz. •Geringer Energiebedarf (6 Ltr. Öl pro Jahr/qm), schadstoffarme Wärmeerzeu­ gung, passive und aktive Sonnenenergie­ nutzung. •Sparsamer Umgang mit Wasser, Zister­ nen, Versickerung von Regenwasser. •Begrünte Außenwände, Verwendung von einheimischen Gehölzen, Trockenmau­ ern, minimale Verkehrsflächen. •Gemeinschaftliche Nutzung von Spiel­ flächen, Sportflächen, Kommunikations­ flächen, kooperative Lebensformen. Dem Gemeinderat wurde dieses Zielkon­ zept am 8. Oktober 1991 vorgestellt. Nach kurzer Diskussion stimmte er zu. In der 317

Folge wurden die 20 Bauplätze, die der Ge­ meinderat für das Siedlungsprojekt reser­ viert hatte, nur dann verkauft, wenn die Er­ werber vorher schriftlich ihre Zustimmung zum Zielkonzept erklärten. Daraus wird klar, daß eine wichtige Vor­ aussetzung für die Realisierung der Öko­ siedlung das städt. Eigentum an Grund und Boden im Siedlungsbereich war. Nur so sind privatrechtliche Vereinbarungen mit den Käufern bzw. den zukünftigen Bauherren möglich. Jeder Erwerber im Bereich der Ökosied­ lung mußte gleichzeitig zu seiner Parzelle ei­ nen Teil des Gemeinschaftsgrundstückes miterwerben. Die Nutzung auf dem Ge­ meinschaftsgrundstück war den zukünftigen Bewohnern freigestellt: Der gemeinsame Grundbesitz sicherte jedoch Gesprächsstoff und Diskussionsprozesse für ei- nige Abende. So war die Situation Ende Erdhügelhaus im Rohbau. 318 1991: Das Zielkonzept für die Ökosiedlung war formuliert und vom Gemeinderat ver­ abschiedet. Zirka fünf Familien bildeten den harten Kern der „Ökosiedler“. Das städte­ bauliche Konzept für die Siedlung stand fest. Das Jahr 1992 verging mit der Suche nach weiteren bauinteressierten Familien. Zuerst war die Reihe der Erdhügelhausbau­ er komplett. Im Sommer 1992 konnte mit großer Pressebeteiligung der Spatenstich für die neun Erdhügelhäuser getätigt werden. In der Zwischenzeit hatte das Kraftwerk Laufenburg sein Interesse an der Realisie­ rung des zweiten Projektes bekundet. Das Kraftwerk Laufenburg wollte Erfahrungen mit der Niedrigenergiebauweise sammeln. Gemeinsam mit dem Architekturbüro Luds­ zuweit, Donaueschingen, und dem Fraun­ hofer Institut .aus Freiburg wurden auch die Solarhäuser als Architektenhäuser ohne Bauträger realisiert. Beim dritten Projekt, den Holzblockhäu­ sern, fand sich ein Bauträger aus Vorarl­ berg, die Firma Ökoplan, die ge­ meinsam mit dem Architekten Ul­ rich Weber, Tuttlingen, ein Holz­ haus entwickelten und als Bauträger auf den Markt brachten. 1993 wurden die Erd­ hügelhäuser fertiggestellt und die anderen Projekte begonnen. Auch das Wirtschaftsministerium, das in Baden-Württem­ berg für die Bau- und für die Wärmesch u tzver­ ordnung verantwort­ lich ist, zeigte Interesse an den Erfahrungen in der Ökosiedlung. Schon in der Planungsphase wurde eine Arbeitsgrup­ pe gegründet, an der die beteiligten Architekten, die Bauherren, das Wirt- schaftsministerium und

im Auftrag des Wirtschaftsministeriums der Bauphysiker Prof. Dr. Stohrer von der FH Stuttgart vertreten waren. Hier wurden die Projekte und verschiedene Plandetails dis­ kutiert und festgelegt. Das Wirtschaftsmini­ sterium veröffentlichte später die richtungs­ weisenden Plankonzepte in einer Broschüre, die im ganzen Bundesgebiet großes Interes­ se fand. Während der Bauzeit organisierte das Stadtbauamt im Juli 1992, vor dem ersten Spatenstich, eine Ausstellung der Pläne und Modelle im Foyer des Rathauses. Im Winter 1992/93 fand dann in den Rohbauten der Erdhügel- und der Holzblockhäuser ein „Tag der offenen Tür“ statt, der Besucher aus der gesamten Region anzog. All dies ge­ schah mit dem Ziel, die Erfahrungen der Ökosiedler anderen Handwerkern, Planern und Bauherren zu vermitteln. Spektakulärstes Objekt ist und bleibt die Reihe der neun Erdhügelhäuser. Die Erd­ hügelhäuser stellen ein neues Hauskonzept Die Ökosiedlung heute Behagliche Wohnräume, Blick in eines der Erdhügelhäuser. dar, bei dem sowohl Energie-als auch Bau­ kosten gesenkt werden sollen. Der Natur wird durch die Erdüberdeckung verbautes Land zurückgegeben. Die Gewölbekon­ struktion gibt maximale Freiheit bei der Raumaufteilung bei einem optimalen Ver­ hältnis zum Volumen. Durch die gewählte Bauweise wurde ein gesundes Raumklima geschaffen. Die sechs Solarhäuser stellen das technisch am weitesten entwickelte Konzept dar: Ein hochwärmegedämmter Massivbau mit ho­ her Wärmespeicherkapazität und hohem Solargewinn soll Energie einsparen: Der An­ teil der Solarenergie für Heizung und Warm­ wasserbereitung beträgt ca. 50 0/o. Entspre­ chend dem Dämmstandard und dem Solar­ energiekonzept kann die Heizung von April bis Oktober ausgeschaltet bleiben. Inte­ grierter Wintergarten, transparente Wärme­ dämmung und Sonnenkollektoren auf dem Dach prägen das Aussehen der Häuser. Den Publikumsgeschmack am ehesten tref­ fen die fünf Holzblockhäuser. Hier sollte der Gesamtenergieverbrauch durch äußerst strenge ökologische Bauanforderungen auf 319

Solarhaus, Südansicht. Die Solarenergie deckt in den sechs gebauten Anwesen 50 Prozent der Energie, die ßir Wanmuasserbereitung und Heizung benötigt wird. ein wirtschaftlich sinnvolles Minimum optimiert werden. Dazu dienen unter an­ derem Wandflächen-Heizsysteme als Infra­ rot-Strahlungsheizung (Kachelofenprinzip). Das Haus soll wie eine dritte Haut sein: At­ mungsfähig und wie auch die zweite Haut, die Kleider, sollte es keine künstlichen Stof­ fe enthalten. Alle drei Typen versuchen, auf unter­ schiedlichem Weg das Ziel zu erreichen, die Energie für die Gebäudeheizung zu mini­ mieren. Entsprechend unterschiedlich sind auch die drei Projekte von ihrer äußeren Er­ scheinung ausgefallen. Zusammengehalten werden sie durd1 eine strenge städtebauliche Grundfigur, das U: Der Mittelpunkt des U‘ s wird vom Heinrich-Burkard-Platz gebildet. Im Ansd1luß an diesen Platz befindet sid1 das Gemeinschaftsgrundstück, das von den Anwohnern als naturnahe Frei- und Spiel­ fläche gestaltet wurde. Zum Erscheinungsbild der Ökosiedlung gehören auch die vielen Besuchergruppen. Fast wöchentlich reisen Gemeinderatsgrup­ pen aus nah und fern, aber auch Architek­ ten- und Studentengruppen an, um die Siedlung zu besichtigen. Zeitungsartikel über die Siedlung erschienen auch in Japan, in Kanada und auf den Philippinen. Wie soll es weitergehen? Da die Ökosiedlung „Auf der Staig“ ge­ zeigt hat, daß Niedrigenergiebauweise mit einem Mehrkostenaufwand von rund 5 0/o möglid1 ist, hat der Donaueschinger Ge­ meinderat festgelegt, Grundstücke zum Zwecke der Bebauung zukünftig nur nod1 mit der Auflage zu verkaufen, einen gerin­ geren Wärmeverbraud1 anzustreben, als in der Wärmeschutzverordnung festgelegt wird. Vor dem Kaufvertrag müssen die Käu­ fer die Planung für ihr Gebäude erstellen und den Wärmeschutznachweis über den Frankfurter Energiepaß vorlegen. Und für das neue Wohngebiet der Stadt Donau- 320

eschingen, die Erweiterung des Baugebietes „Holzsteig“, hat der Technische Ausschuß wieder eine Fläche von sechs Grundstücken für ein Siedlungsprojekt reserviert. Das Stadtbauamt hat über Informationsveran­ staltungen eine Gruppe von interessierten Familien zusammengebracht, die diese Grundstücke gemeinsam überplanen und bebauen wollen. Ziel ist es, kostengünstig mit viel Eigenarbeit Niedrigenergiehäuser zu realisieren. Der Baubeginn für diese Sied­ lung steht jedoch noch nicht fest. Über die Ökosiedlung „Auf der Staig“ wurde ein wichtiger Teil des Donaueschinger Klimakonzeptes mit Leben gefüllt. Das Land Baden-Württemberg hat der Stadt u. a. für die Ökosiedlung 1995 den Umweltpreis verliehen. Donaueschingen ist seinem Ziel, die Emissionen bis zum Jahre 2010 zu hal­ bieren, einen Schritt näher gekommen. Kontaktadresse: Michael Blaurock Heinrich-Burkard-Platz 15 78166 Donaueschingen Heinzßunse Die Holzblockhäuser (oben) und die Erdhügel­ häuser (unten) zur Erschließungsstraße hin. 321

Architektur Repräsentatives Wahrzeichen des Ortsbildes Das Dauchinger Rathaus von 1909 gilt als frühes Beispiel kommunalen Selbstverständnisses Wären da nicht seit 1904 die ständigen Mahnungen des Landgerichtes Konstanz wegen schlechter Unterbringung des Grund­ bucharchives gewesen, hätte Dauchingen vielleicht niemals zu jenem beeindrucken­ den neuen Rathaus gefunden, welches noch heute wie ein Wahrzeichen das Ortsbild prägt1• Der endlich auf Drängen der Kon­ stanzer Behörde am 28. November 1905 gefaßte Beschluß des Gemeinderates, Pläne für ein Grundbucharchiv im bestehenden Schul-und Rathaus ausarbeiten zu lassen, wurde dabei zum Ausgangspunkt für das größte Bauprojekt Dauchingens zu Zeiten des Großherzogtums Baden. Die Abfolge der Beschlüsse vom Umbau eines bestehen­ den Gebäudes bis hin zum völligen Neubau sind in mehr als einem Sinne lehrreich. Der ständige Sinneswandel des Ratsgremiums spiegelt eine der wirtschaftlichen Vernunft unzugängliche Eigendynamik prestigebela­ dener kommunaler Bauprojekte wider, wie sie auch der heutigen Zeit nicht fremd sind. Positiv formuliert ließe sich auch sagen, der Gemeinderat jener Jahre hat einen außer­ ordentlichen Weitblick bewiesen. Bis zum heutigen Tag genügt das in seiner Baukultur nach wie vor beeindruckende Gebäude den Raumansprüchen der Verwaltung. Als die Planungen für das Grundbuchar­ chiv begannen, kam es bald zu Spannungen mit der Schulbehörde, die anscheinend eine Verkleinerung des der Schule und dem Leh­ rer zustehenden Raumes zugunsten der Ge­ meindeverwaltung befürchtete. Am Ende sah auch der Gemeinderat ein, daß in der bevölkerungsmäßig anwachsenden Gemein­ de eine sachgerechte Raumaufteilung des Schul- und Rathauses bei Einbau eines Grundbucharchivs nicht mehr möglich war, da die Frage nach neuen Räumen für die Schule und der Einbau einer Lehrerwoh- 322 nung ebenfalls dringend geworden waren. Ein weiterer Anstoß zur Abkehr vom ur­ sprünglichen bescheidenen Umbauplan war der Tod des beauftragten Villinger Architek­ ten Karl Kaiser2 und die Verhinderung des Zimmermannes Bertsche , der die Pläne we­ gen Arbeitsüberlastung nicht zu Ende brin­ gen konnte. So fiel nach zwei Jahren Vorbereitung in der letzten Sitzung des Jahres, am 30. De­ zember 1906, endlich der Grundsatzent­ scheid, ein neues Rathaus zu bauen. Damit war die Abkehr vom ersten Gedanken eines notwendigen Umbaues alter Räumlich­ keiten vollzogen. Kennzeichnend für den Fortgang der Entwicklung in Richtung auf einen herausgehobenen Repräsentativbau ist, daß nach zweimaligem Architekten­ wechsel die Wahl schließlich auf den Villin­ ger Architekten Karl (Carl) Nägele3 fiel, der außer in Villingen auch in Offenburg zu­ sammen mit seinem Schwager das Architek­ turbüro Nägele & Weiß betrieb. Er hatte sich gegen seinen Mitbewerber Karl Drissner4 durchgesetzt, den man am 7. Februar 1907 wie Nägele um einen ersten Plan mit Ko­ stenaufstellung gebeten hatte. Repräsentatives Gewicht Ein Vergleich der zahllosen öffentlichen Bauten Nägeles5 mit denen seines Konkur­ renten Karl Drissner zeigt ersteren als den großzügigeren Planer mit stilistisch wie räumlich aufwendigeren Bauten. Nägeles vor 1909 gebaute Rathäuser wie die in Mar­ bach (1905/06) oder jenes von Weilersbach (Umbau in den Jahren 1905/1906) sind im Vergleich zu Drissners Rathäusern in Nie­ dereschach (1905) dabei keineswegs immer teurer geworden. Überschreitungen des Ko­ stenvoranschlages sind bei beiden festzu-

Dauchinger Rathaus Prunkvoll und Zierde des Ortsbildes, das Rathaus von Dauchingen nach der Renovierung J 99Z stellen. So kostete zwar der (Um)bau des Weilersbacher Rathauses kaum über 15 000 Reichsmark6, der Marbacher Bau überstieg jedoch wie der Dauchinger am Ende um runde 20 0/o die Kosten für den Voran­ schlag 7. Dies gilt auch für Niedereschach, wo aus den geplanten 32 800 RM am Ende rund 38248 RM wurden8• Die 1907 abgegebene Erklärung des Bür­ germeisters, Nägele habe in Konkurrenz zu dem Villinger Architekten Karl Drissner nach Ansicht des Gemeinderates die besse­ re Raumaufteilung geboten, ist nur bedingt richtig. Bei näherer Betrachtung vermittelt Nägeles Entwurf bei den auf den ersten Blick ähnlichen Außenansichten mehr re­ präsentatives Gewicht. So wird der Ent­ scheid des Gemeinderates verständlich, den Nägele-Plan zu verwirklichen, weil dieser kostengünstig den größtmöglichen Ein­ druck versprach. In der Ausführung des Rathauses mit Schwesternwohnung schwingt so die Mate­ rialisierung des Ausdruckes eines gesteiger­ ten Willens zur Repräsentation. Planung und Beschluß des Rathausneubaues werden in einer Zeitspanne gefaßt, als zahlreiche Gemeinden des Amtsbezirkes ebenfalls pla­ nen und bauen. Damit entsteht trotz Über­ nahme eines allgemeinen Grundrasters – Verwaltung und Schwesternwohnung unter einem Dach -eine Art Konkurrenzsituati­ on, die den Wunsch nach einem unver­ wechselbaren, eindrücklichen und eigen­ ständigen Bau begünstigt. Konkurrenz und Geltungsanspruch beste­ hen dabei nicht nur im Rahmen eines Wett­ streites der Verwaltungen, sondern auch auf der kirchlichen und staatlichen Ebene. Als Bauplatz war ursprünglich von dem über Losentscheid neugewählten Bürgermeister Vinzenz Bertsche und seinem Gemeinderat 323

Architektur ,.,/ Plan des Rathauses Niedereschach von Karl Drissner, 1905 (Gemeindearchiv Sig.: IV, J Nr. 11). ein Gelände nahe den zahlreichen Neubau­ ten am Ortsrand in Richtung Schwenningen vorgesehen gewesen. Dann entschied man sich aber für den heutigen Standort. Im Nachklang zum Kirchenkampf jedoch soll­ te das Rathaus sich zumindest architekto­ nisch gegenüber Kirche und Pfarrhaus erhe­ ben, sahen letztere doch gewissermaßen auf diesen unterhalb errichteten Amtsbau her­ ab. Und auch die mit der Gemarkungsgren­ ze teilweise identische Staatsgrenze zum Königreich Württemberg ist zu berücksich­ tigen. Rund einhundert Jahre nach der Ent­ lassung aus dem Herrschaftsverband Rott­ weils konnte das einst arme Brudersd1afts­ dorf Dauchingen seinen einst gleichfalls reichsstädtischen und nun württembergi­ schen Nachbarorten architektonisch vor­ spielen, daß man es im Großherzogtum Ba­ den zu Wohlstand gebracht habe. So kam es, daß die endgültigen Baukosten von anfangs 18 000 bis 20 000 RM für ein er­ stes Projekt schnell auf 30 000 RM bei dem angenommenen Entwurf stiegen, die bei der Endabrechnung dann noch einmal um mehr als 20 0/o überschritten wurden. Dabei war noch nicht einmal jene aufwendige Aus­ führung umgesetzt worden, die nach dem Willen des Gemeinderates dem Ort mehr ein imposantes Renaissanceschloß mit ba­ rockisierenden Elementen beschert hätte denn ein angemessenes Rathaus. „Der Erker ließe sich entbehren“ Der Verwirklichung dieses Planes, auf dem eine unbekannte Hand das Epitheton „Ma­ jestätvoll ! !“ vermerkt hat, gebot das Be­ zirksbauamt Donaueschingen als Aufsichts­ behörde Einhalt. ,,Für die Lokale der an­ scheinend kleinen Gemeinde scheint uns et­ was zuviel Raumaufwand vorzuliegen“, schrieb man am 16. Juni 1907 nach Dau­ chingen. Auch die prunkvolle Außengestal­ tung wurde moniert: ,,Die Gestaltung des Aeusseren trägt den städtischen Charakter und sollte sich mehr der lokalen Bauweise anschliessen, … bei Rücksichtnahme auf Ein- 324

sparung liesse sich der Erker, wenn schon … er ein dekorativ wirksames Element der Aus­ senarchitektur bildet, entbehren.“ Trotzdem hielt man auch im letztendlich am 24. De­ zember 1907, sozusagen als Weihnachtsge­ schenk, genehmigten Plan an dem Erker fest. Nur wurde er stärker in das Gebäude zurückgenommen wie auch der Staffelgiebel nicht ganz so auffällig barock gestaltet wur­ de. Die Fenster gerieten etwas kleingliedriger und nicht in ganz so herrschaftlicher Höhe wie zuvor. Alles in allem ließ sich die hochverschul­ dete Gemeinde keine Zügel anlegen, nach­ dem der Bürgerausschuß bereits im Oktober für Nägele gestimmt hatte, rund 60 0/o der Kosten wurden über eine weitere Anleihe fi­ nanziert, der Rest nahezu ausschließlich über einen außerordentlichen Holzhieb von 700 fm im Gemeindewald. Im zweiten An­ lauf 1911 gelang es sogar, vom Innenmini­ sterium eine Beihilfe zur Schuldentilgung unter Hinweis auf die finanziell belastende Maul- und Klauenseuche zu erhalten. Nur zaghaft wurden Sparmaßnahmen umgesetzt und dann auch nur dort, wo sie die Außen­ wirkung nicht schmälerten. An sichtbaren Stellen bleibt das verwandte Material stets qualitätsvoll9 • Die vom Publikum begehba­ ren Innentreppen sind daher beispielsweise aus Eiche, die zu Speicher und Keller füh­ renden Treppen hingegen nur aus Tannen­ oder Forlenholz. Was schließlich den zur Ausführung ge­ langten Bau selbst anlangt, so spiegeln Bau­ körper und Stilelemente ein Stück Architek­ turgeschichte. Ungewöhnlich war die als Ausformung des Neohistorismus vorge­ schlagene Architektur im Stile der Neore­ naissance im badischen Großherzogtum zunächst nicht. Nahe Bezirksamtsbauten wie das 1891 von dem Architekten und her­ ausragenden Oberbaudirektor Josef Wil­ helm Durm (1837-1919) errichtete Bezirks­ amt V illingen hatten bereits Renaissance­ Elemente nach dem Vorbild des Nürnberger Peller-Hauses nachgebildet. In Ausführung Dauchinger Rathaus Der mit einer Wappenkartusche prächtig gestaltete Eingang des Dauchinger Rathauses. Unten: Rat­ haus Marbach, von Karl Nägele, 1906. 325

Architektur und Proportion waren dies je­ doch übersteigerte Bürgerhäu­ ser, wohingegen Dauchingen sich bewußt als Gebäude des Adels präsentierte. Wenn der in den Baukörper zurückgesetzte linke Erker ein verbreitetes Element bürgerli­ cher Wohnarchitektur darstellt, so war der darunterliegende Eingang zur Schwesternwoh­ nung gleich einem Lauben­ gang für Rechtsprechung oder Markt geschaffen worden, wie man ihn zum Beispiel vom Vi1- linger Alten Rathaus her kennt. Der rechts das gesamte Gebäu­ de übersteigende Staffelgiebel bildet den hervorstehenden Rathaus Weilersbach, von Karl Nägele, 1906. Bauteil und beherbergt zudem in seiner Mitte den gleichfalls in Art eines Schloß­ portales mit Wappenkartusche gestalteten Eingang, der in seiner ursprünglichen Form mit Treppenaufgang und Geländer den Be­ sucher gleichsam zur Obrigkeit hinaufstei­ gen ließ. Was beim Dauchinger Rathaus am Ende zu bemerken bleibt, ist die doppelte An­ knüpfung an alte Bauformen einer spätneu­ zeitlichen Stadtbürgerzeit wie an die eher ländliche Adelskultur. In dieser Vermen­ gung liegt vielleicht auch das unbewußte Programm des standesübergreifenden Bau­ ens, das die fortgeschrittene Demokratisie­ rung der badischen Gesellschaft gegen Ende des Großherzogtums kennzeichnet. Ob den vorgesetzten Behörden und den Politikern am Ende ob so viel dörflicher Repräsentati­ on nicht bange wurde? Zur festlich mit Böl­ lerschießen und Fahnenschmuck begange­ nen Einweihungsfeier am 15. August 1909 erschienen von den Eingeladenen weder der Villinger Oberamtmann Adolf Bauer noch der zuständige Landtagsabgeordnete Görla­ cher oder der Villinger Bürgermeister Emil Braunagel. Noch heute bildet das mit stolzer Fassade Joachim Sturm 326 zur Kirche hinaufblickende ortszugewandte Rathaus ein bauliches Kleinod, das bis 1995 unter Beachtung denkn1alschützerischer Be­ lange umfassend renoviert wurde. I Gemeindearchiv Dauchingen, Best.l, Nr. 138, 192 (Bau­ akten), 1228-1232 (Rechnungen), 1550, 1569 (Pläne) 2 28. 1. 1851 • 1906. Bürgerrecht in Villingen seit 1877. StA Villingen Best. 2.2, Sign. IV 5.416, Nr. 13 und Best. 1.42.3, Nr.37 (Nachlaß Honold). 3 geb. 19.8.1873 Villingen, gest. 22.2.1952 ebd. Noch immer fehlt för diesen bedeutenden Architekten, Mitglied des Bür­ gerausschusses (Zentrumsfraktion), mit zahlreichen öffentli­ chen und privaten Bauten in Baden, die würdigende, um­ fassende Biographie. S.a. Nachruf (mit Foto) im Südkurier 26.2.1952. 4 Geb. 9.10. 1875 Villingen, gest. 7. 8.1945 Villingen, Sohn des Kaminfegermeisters Max Drissner (Drißner). 5 Darunter das Forsthaus (1899) in der Waldstr., den Schlachthof (1906), das Theater am Ring, den Saal bau der Tonhalle, die Turnhalle Villingen u. v. a., StA Villingen, Nachlaß Honold (1.42.3, Nr. 40) 6 StA Villingen, Best. 108, Nr. 6/200 7 StA Villingen, Ortsteilarchiv Marbach, Rechnungen 1905/06 8 Gemeindearchiv Niedereschach 1/11 Akte IV/3 Fasz.10: Abhör der Gemeinderechnung 1906, § 42 9 Steinhauerarbeit: weiße, scharrierte Sandstei.ne; Eingangs­ treppe Granit; Riegelmauerwerk: rheinischer Schwemm· stein; Ziegel: Bieberschwanz l. Q,alität; Erkerdach, Dach­ gaube und Dachreiter: verkupfertes Zink; Fenster: astreines Forlenholz; Stangenverschlüsse: Weißmetall.

Stätten der Gastlichkeit 23. Kapitel/ Almanach 98 Wo Schwarzwald-Urlaub ein Erlebnis ist Der Landgasthof „Bergbor‘ der Familie Schwer in Gremmelsbach ist weithin bekannt Beinahe wäre der „Berghof“ nicht der „Berghof“ geworden. Als nämlich 1961 das Anwesen, früher „Waldhas“ genannt, zum Verkauf anstand, war es schon an einen vorübergehenden Besitzer verkauft, der eine Pferdezucht oder einen Reithof daraus ma­ chen wollte. Doch da zog die Behörde nicht mit. So ergab sich 1962 für das junge Paar Ursula und Johann Schwer die Möglichkeit es zu kaufen. Sie bauten das Haus neu auf, machten das verhuschte Gelände darum­ herum wieder urbar und vermieteten, wie es damals viele taten, ein Zimmer an Gäste, während das Haus noch gar nicht vollstän­ dig ausgebaut war. Sie lebten aber bis 1970 nur von der Landwirtschaft,Johann arbeite­ te im nahegelegenen Steinbruch. Das schö- ne Plätzchen lockte neue Gäste an, die von der Möglichkeit der Küchenbenutzung gern Gebrauch machten. Bald kam ein zweites und drittes Gästezimmer (in Eigenarbeit ausgebaut) hinzu. Der anfängliche Pensions­ betrieb reichte nicht mehr aus, der Heubo­ den mußte 1978 als Gastraum ausgebaut werden. Es war die Idee von Architekt Paul Kienzler, Triberg. 1986 kam das Gästehaus nebenan hinzu, das aber zunächst nur als Leibgedinghaus mit Stallung von der Behörde, die sich sehr restriktiv verhielt, genehmigt wurde. Es gab auch keine Zuschüsse und keine verbilligten Darlehen; daß alles so gut klappte, das be­ tont das Ehepaar Schwer mit besonderer Freude, ist dem Zusammenhalt der ganzen Der „Berghof“ in Gremmelsbach und das danebenliegende Gästehaus. 327

Der .Berghof“ Geschmackvoll und origi.nell ausgestattet ist die Gaststube des „Berghof‘. Die zahlreichen Schnitzwerke stammen von Sohn Edgar Schwer. Zeiten, als er jahrelang mit seinen kraftvol­ len Pferden (er besaß fünf) beim „Hornber­ ger Schießen“ mitwirkte -als „herzoglicher Kutscher“ hatte er die Ehre, den Landes­ herrn nach Hornberg zu bringen -er mach­ te mit seinen Gästen auch Kutschfahrten, am Vormittag zum Stöcklewaldturm, am Nachmittag auf den Föhrenbühl, wer sich gern auf den Rücken eines Pferdes schwang: bitte sehr! Und wem der Sinn nach einer zünftigen Fußwanderung stand, der fand in ihm einen Führer nach Wolfach. Markierte Höhenwege ohne Ende, in nächster Nähe zu erreichen, zeigen auch dem Ortsunkun­ digen immer die richtige Richtung. In einer Zeit, da der Schwarzwald in den Windschatten des Tourismus geraten ist, muß einem Wirt und seiner Familie etwas Besonderes einfallen, um Gäste zu werben und ihr Wiederkommen zu sichern. Familie Schwer ist nicht leicht in Verlegenheit zu bringen. Der Seniorchef macht mit seinen Gästen, wenn sie es wünschen, noch heute zünftige Fußwanderungen, mit dem Klein- Familie zu verdanken, den beiden Söhnen, dem Schreiner und Holzbildhauermeister Edgar, der heute als Selbständiger in Ober­ ammergau tätig und wohnhaft ist, und Sohn Norbert, Gastronom, der die Gäste kulina­ risch verwöhnt. Sein Können hat er sich in bekannten Hotels angeeignet. Geschmackvoll und originell ist denn auch die Ausstattung des großen Gästeraumes: die vielen Schnitzwerke, von der Madonna bis zu Krippenfiguren, Uhrenträgern und Nachtwächtern, Füchsen und eingeschnitz­ ten Sprüchen. Oft blicken Gäste erst einmal lange um sich und lassen die Kunstwerke auf sich wirken, bevor sie ihr Bier bestellen. Es ist ein Familienbetrieb im besten Sinn des Wortes. Ein Beispiel auch, wie aus kleinen Anfängen ein ansehnlicher gastronomischer Betrieb werden kann. Sogar ein Beispiel dafür, wie eine Tradition begründet wird, denn Sohn Norbert wird, was die Eltern auch mit seiner Hilfe aufgebaut haben, wei­ terführen. Gern erinnert sich Seniorchef Johann der 328

bus Kaffeefahrten, Fahrten ins Blaue, wobei er bei der Abfahrt selbst noch nicht weiß, welche blauen Femen angesteuert werden. Es kann einmal der Glaswaldsee, ein ander­ mal die Wutachschlucht sein. Aber zufrie­ den mit dem Ziel waren seine Gäste immer. Mit besonderer Genüßlichkeit erzählt er die Story, als er auf einem eigens hergerichteten Planwagen mit seinen Gästen im Alter von 3 bis 60 Jahren eine zweitägige „Zigeuner­ fahrt“ machte. Der Spaß dabei: Eltern hiel­ ten sie für echte Zigeuner und versteckten in Panik ihre Kinder. Wie sich Vorurteile doch lange halten! Diese Gäste hielten dem Berg­ hof bis heute die Treue. Urlaub mit Familienanschluß Was die Gäste besonders schätzen, ist der Familienanschluß. Der ist bei der Wirtsfa­ milie Schwer groß geschrieben. Was Groß­ stadtkinder nicht haben, der Berghof bietet es: ,,mehrere Bächlein mit Matsch, einen Teich mit Zuber, Wiesen, Berge, Wälder, Tiere. Das alles in gesunder Luft bei freund­ lichen Bauersleuten und deren Kindern.“ So äußerte sich eine Gastfamilie. Ein anderes Vergnügen war das Zusammensuchen von Reisig im Wald mit einer ganzen Treckerwa­ genladung voller Kinder und das abendliche Lagerfeuer. Wenn das keine Romantik ist! Am frühen Morgen durften dann einzelne Kinder mit „Onkel Schwer“ Milch von den umliegenden Bauernhöfen ins Tal fahren. Dafür hatte er dann für sie auf dem Rückweg ein Brötchen. Und da schon auf dem Land, halfen die Kinder auch einmal mit, wenn dringend Kartoffeln gelesen werden muß­ ten. Auch bietet der Berghof das ideale Am­ biente für Hochzeiten, selbst schon Silber­ hochzeiten, Gäste aus der großen weiten Welt kommen, auch aus Übersee. Manche schon in der zweiten Generation! Da wer­ den dann auch mit Dias Erinnerungen aus früheren Jahren aufgefrischt. Freizeitmög­ lichkeiten für Alt und Jung! Senioren finden Stätten der Gastlichkeit um das Haus Ruhebänkchen, Kinder einen Spielplatz mit Schaukeln, Tennisspielen ist möglich, Fußball, Federball, und wer gern schwimmt, kann dies in einem beheizten Naturschwimmbecken, Kinder im Kinder­ becken. Und will sich jemand von der Son­ ne bräunen lassen, Familie Schwer kann dafür eine große Terrasse anbieten, wo im Sommer Grillwochen, Sommernachtspartys und andere Feste abgehalten werden kön­ nen. Ein besonderer Genuß auf der Terrasse ist das „Leutschenbacher Brotpfännlepolder“ sowie das „Brunnholzkuckucksbrot“, wel­ ches beides JuniorchefNorbert im Holzofen bäckt. Ebenso geschätzt ist das reichliche, originelle Schwarzwälder Vesper, auch eine gute Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen wer­ den gerne angenommen. Vom Frühjahr bis zum Herbst bevölkern bei schönem Wetter Wanderer und Mountainbike-Fahrer diese Terrasse mit ihrer schönen Aussicht. Individueller ist der Urlaub im Schwarz­ wald kaum noch zu haben. Eine Seltenheit dürfte es auch sein, daß ein Gasthaus eine Glocke auf dem Dach hat. Da haben die Gä­ ste mit Spenden mitgewirkt, daß das mög­ lich wurde. Die Zeitschaltuhr wurde von der Firma Grässlin St. Georgen gestiftet. Es war ein eindrucksvolles Bild, wie ein Geselle die Glocke auf den Schultern zu ihrem luftigen Platz trug. Die Einweihung vollzog der da­ malige Triberger Vikar Siegfried Karow. „Das war ein großes Fest, zu dem alle Stammgäste aus nah und fern anreisten und ein Wochenende lang feierten“, erinnert sich Ursula Schwer. Immer wieder sagen Gastfa­ milien: ,,Für uns ist der Berghof im Schwarz­ wald mit der Herzlichkeit seiner Wirtsleute zur zweiten Heimat geworden, die wir we­ nigstens einmal im Jahr sehen müssen.“ Sie sal1en ihr Urlaubsgeld „in Erweiterungen, Neuerungen, Verschönerungen, Moderni­ sierungen verwandelt“ und konnten es in den nächsten Urlauben genießen. Karl Volk 329

Stätten der Gastlichkeit Der ,,Felsen“ ein Gasthaus mit Tradition Von der Kaiserlichen Post zum Treffpunkt für Feinschmecker aus der ganzen Region Wo früher die Kaiserliche Post verkehrte, können sich heute Gaumenfreunde ver­ wöhnen lassen. Die Rede ist vom Gasthaus „Felsen“ in Hammereisenbach, das von den Bächen Eisenbach (innerhalb des Ortes Hammerbach genannt) und Breg umgeben ist. Längst hat jedoch die Kaiserliche Post ihren Dienst aufgegeben und Hammerei­ senbach hat nur noch eine Postagentur. Die­ se wurde am 3. Juni 1996 am anderen Ende des Ortes eröffnet. Die letzte Kutsche der kaiserlichen Post fuhr am 19. Mai 1893 von der Restauration „Felsen“ ab. Die idyllische Postkutschenzeit wurde darauf von der Bregtalbahn abgelöst. Das Wirtshaus „Felsen“ war zu dieser Zeit noch offizielle Station der Kaiserlichen Post. Insgesamt 48 Jahre existierte die Poststelle im „Felsen“. Am 20. Oktober 1892 wurde die Teilstrecke der Bregtalbahn Donau­ eschingen – Hammereisenbach in Betrieb ge­ nommen, was sich dann wie erwähnt auf den Betrieb der Postkutsche auswirkte. Doch nun wieder zur Geschichte der Gast­ wirtschaft, früher Restauration „Felsen“. Der „Felsen“ zählt zu den ältesten Häusern in Hammereisenbach, wurde jedoch etliche Male umgebaut. Im Jahre 1869 erhielt Josef Winterhalder die Genehmigung für den Gastwirtebetrieb und seither werden auch im „Felsen“ Biere der Marke „Fürstenberg“, natürlich auch vom Faß, unterhalb der Burgruine Neufürstenberg, ausgeschenkt. Der „Felsen“ hatte sogar, wie viele Häuser in Hammereisenbach, eine eigene Wasserver­ sorgung. Die Wasserversorgung teilten sich die Gaststätte und der gegenüberstehende Elsäßerhof. 1925 übernahm Ernst Kühn die Restaura­ tion „Felsen“. Die „Post Marie“, Maria Win­ terhalder, half ihm bei der Betreuung der Gaststätte. 1939 heiratete Ernst Kühn Karo- 330 line Hoch aus Beuron und fortan führten sie den „Felsen“ gemeinsam. Fast SO Jahre lag der Betrieb des Gasthauses „Felsen“ in den Händen der Familie Kühn. Einen erneuten Wechsel in der Führung der Wirtschaft gab es im Jahre 1971, als Tochter Rosa mit ihrem Mann Helmut Kerschbaum den Gastwirt­ schaftsbetrieb übernahmen. Etliche bauliche Veränderungen wurden in der Folge vorgenommen, welche dem „Fel­ sen“ sein heutiges äußerliche Aussehen ver­ liehen haben. Mittlerweile hat der „Felsen“ 25 Plätze für die Freunde guten Essens und weitere 100 Plätze gibt es im Saal, so daß man für Familien- und Be­ triebsfeste oder Hoch­ zeiten und andere Feier­ lichkeiten bestens gerü­ stet ist. Übernachtungs­ möglichkeiten gibt es in modern eingerichteten Zimmern ebenfalls. Weitere Baumaßnah­ men vollzogen sich zu Anfang des Jahres 1996, als sich abermals ein Generationswechsel im „Felsen“ anbahnte. Die Küche erhielt den neue­ sten Schliff und dem mittleren Raum wurde ein noblerer Tapeten­ wechsel verpaßt. Offizi­ ell ging der „Felsen“ am 8. März 1996 auf Sohn Jürgen Kerschbaum und seine Freundin Bärbel Hanselmann, die heuti­ gen Betreiber, über. Der Musikverein Hammer­ eisenbach mit Dirigent

.Der Felsen‘ Wolfgai:i Spiegelhalder untermalte die jüngste Ubergabe, zu welcher alle Hammer­ eisenbacher Vereine geladen waren. Mit ei­ nem Händedruck und herzlichen Gratulati­ onswünschen besiegelten darauf Konrad Winterhalder (Sportverein), Ullrich Wins­ kowski (Burgzunft), Ruprecht Knöpfle (An­ gelsportverein), Christoph Schreiber (KCB), Rolf Haase (Feuerwehr), Robert Preisinger (Vereinsgemeinschaft), Thomas Demattio (Musikverein) und Karl Elsäßer (Pfarrge­ meinderat) die Gasthausübergabe. Ortsvor­ steher Albrecht Fitz umriß bei diesem Fest­ akt mit Daten die über 200jährige Ge­ schichte des „Felsen“ und überreichte einen Wandschmuck. Mit dem Brauchtum des Wirtebaums machte am 25. Mai 1996 die Burgzunft Hammereisenbach auf sich aufmerksam. Die Burgzunft beauftragte Hammereisenba­ cher und Uracher Zimmermänner, vor ihrem Stammlokal „Felsen“ einen 25 Meter hohen Wirtebaum aufzustellen. Regenwet­ ter und kräftige Windböen machte den Zim­ mermännern diese Arbeit nicht gerade leicht und etwa 50 Zuschauer feuerten die Baum­ aufsteller immer wieder an. Am 1. Juni 1996 läuteten für die jungen Wirtsleute die Hoch­ zeitsglocken. Mit der Übergabe des Gasthauses an Jür­ gen Kerschbaum erhielten jedoch nicht nur einige Gasträume ein anderes Aussehen, auch die bisherige Speisekarte erfuhr eine grundlegende Änderung: Die feine gehobe­ ne Küche mit Fisch- und Fleischspezialitä­ ten zog in den „Felsen“ ein. Alles kommt Einst war der „Felsen“ in Hammereisenbach Kaiserliche Post- und Kutschenslation. 331

,Der Ftl en“ 1 frisch auf den Tisch, so lautet die De­ vise des jungen Wirtepaares. Die Vorraussetzungen, daß die Fein­ schmecker auf ihre Kosten kommen, hat sich Jürgen Kerschbaum in einer intensiven Ausbildung mit vielen Stationen geschaffen. So erlernte Kerschbaum das Handwerk der Kochkunst im Hotel „Rebstock“ in Schonach in den Jahren 1984 bis 1987. Weitere Qyalifikationen zur Verbesserung der feinen Küche wa- ren die Beschäftigungen im „Hotel am Schinderbuckel“ in Filderstadt, ,,Hotel Alemannenhof“, Titisee, ,,Renaissance Hotel Zürich“, ,,Re­ naissance Hotel Köln“ und „Inter­ continental Hotel Luxemburg“. Bei letzterem, wie auch im „Park Hotel“ in München, war Jürgen Kersch­ baum „Gardemanger“ und zeichnete somit als Chef für die kalte Küche verantwortlich. Und es folgte zudem eine Saisonbeschäftigung auf Kreta in Elounda. Auf Anfrage kehrte Kerschbaum schließlich wieder in das Renaissance Hotel in Zürich zurück, wo er ein Jahr lang als stell­ vertretender Küchenchef arbeitete. Auch die Ausbildereignungsprü­ fung, die zum Ausbilden von Lehr­ lingen berechtigt, besitzt Jürgen Küchenchef Jürgen Kerschbaum hat seine Ausbildung in Kerschbaum. renommierten Häusern erhalten. Großer Erfahrungsschatz Bereits auf Kreta und in Zürich hatte Ker­ schbaum seine spätere Frau Bärbel Hansel­ mann zur Seite, die als Service-Ausgebilde­ te für das Wohl der Gäste sorgte. Auf die Meere der Welt gingen die beiden mit dem berühmten Traumschiff „MS Berlin“. Während dieser zweimonatigen Tour über Colombo, die Malediven, Arabien, Afrika und Europa verwöhnte Jürgen Kerschbaum die Gäste mit kulinarischen Spezialitäten. Diesen großen Erfahrungsschatz setzt nun der 28jährige Wirt in der heimischen Küche in die Tat um und bereitet seinen Gästen im traditionsreichen „Felsen“ leckere Gaumen­ freuden. Qyalität und Frische stehen dabei an erster Stelle. Bereits beim Einkauf steht dieser Grundsatz ganz oben. Gekocht wird mit Kräutern und beim Garnieren spielen diese ebenfalls eine große Rolle. Auf saiso­ nale Gerichte aus heimischen Landen, aber auch Köstlichkeiten der internationalen Küche, können sich die Gäste im „Felsen“ freuen. Feinschmecker haben also im „Fel­ sen“ einen neuen – noch -Geheimtip. Eine 332

handbeschriebene Speisekarte stimmt er­ wartungsfroh. Sie preist unter anderem ei­ nen fangfrischen Papageienfisch an vanil­ lierter Papayasauce an, welcher mit einem Ragout von Süßkartoffeln und Mango ser­ viert wird. Passend dazu gibt es einen italie­ nischen Wein] ahrgang 1991 „Molino delle Balze“ Chardonnay aus der Toscana. Eben­ falls nicht ganz alltäglich kann eine geeiste Himbeersuppe als Zwischengang sein. Kom­ binationen aus frischen Marktgemüsen, ho­ nigtrunken und liebevoll mit auserlesenen Kräutern dekoriert, wecken neue lukullische Genüsse. Der eingeschlagene Weg ist nicht einfach. Denn das Ziel, das Dorfgasthaus zu einer guten Adresse zu machen, braucht Zeit. Hartmut Ketterer Stätten der Gastlichkeit Der „Felsen“ in Hammereisenbach, ezne neue Adresse für Feinschmecker. Gastlichkeit unter dem Schindeldach Das „Haus des Gastes“ in Achdorf verfügt über 80 Plätze und eine Gartenterrasse In der Ortsmitte von Achdorf, der Blum­ berger Ortsteilgemeinde, liegt wenig neben der Straße, die nach Aselfingen führt, gut ausgeschildert das „Haus des Gastes“. Architektonisch zeitgemäß konzipiert schmiegt sich der mit Holzschindeln be­ plankte und mehrfach aufgefächerte Bau für das Auge harmonisch in die sanfte, bewal­ dete Hügellandschaft des Achdorfer Tales ein. Umgrenzt von Wiesenflächen und ei­ nem eiligen, kleinen Bachlauf führt eine Brücke zum Eingang des Cafe/Restaurants. Beim Blumberger Architekten Franz Lesch­ nik lag Planung und Ausführung des städti­ schen Bauwerkes. 1982 war das „Haus des Gastes“ fertiggestellt und wurde der Öffent­ lichkeit übergeben. Die Bewirtschaftung der Räumlichkeiten, dazu Konsens und Absprache mit den akti­ ven Vereinen, gestaltete sich nicht einfach und so stand das Haus wiederholt leer. Mitt­ lerweile im zweiten Jahr führen nun Ilona Engelhardt und Doris Rösli aus Blumberg das Lokal, das im Untergeschoß über fünf­ zig Plätze verfügt, dazu noch einmal dreißig auf der Galerie. Bei Sonnenschein sind natürlich auch alle Plätze im Eingangsbe­ reich oder entlang des Bachlaufes gefragt und werden als Gartenterrasse genutzt. Schwerpunkt im gastronomischen Ange­ bot der beiden jungen Frauen ist eine reich­ haltige Auswahl selbstgebackener Kuchen zur Kaffeezeit. Da gibt es dann, obligato­ risch hier im Schwarzwald-Baar-Kreis, die ,,Schwarzwälder Kirschtorte“, ,,Linzertorte“ und viele leichte Obstkuchen mit Früchten der jeweiligen Saison. Christstollen und Weihnachtsbrödle sind gleichfalls Eigenher­ stellung, ,,aber jedes zu seiner Zeit“, wie die beiden Pächterinnen unisono erklären. Mittlerweile gibt es auch eine Eiskarte mit eigenen Kreationen. ,,Wir wollen uns da ein bißchen abgrenzen und mal anderes bie­ ten“, und so findet sich hier, üppig garniert 333

Haus des Gastes Achdorf Das „Haus des Gastes“ in Achdorf, Blick auf die Sonnenterrasse. der ,�utachbecher“ oder auch die Varian­ ten, die die Namen der Hausherrinnen tra­ gen. Wer es nun aber nicht unbedingt süß mag, kommt im Angebot nicht zu kurz. So gibt es im „Haus des Gastes“ eine kleine feine Speisekarte mit wechselnden, pfiffigen Ge­ richten. Dazu kommt in der warmen Jah­ reszeit Fleisch vom Holzkohlengrill und Fleisch-oder Käsefondue im Herbst und Winter. Speziell für all die Wanderer, die hier eine Rast zur Vesperpause einlegen, bieten En­ gelhardt und Rösli neben den ausgiebig belegten guten „Seelen“ auch variantenrei­ che Wurstsalate an. Aber nicht ausschließ­ lich nur Kulinarisches gibt es in diesem Haus. Mittlerweile fanden zwei Live-Kon­ zerte hochangesehener Jazz-Formationen statt und geplant sind noch weitere. Dazu soll es auch Ausstellungen geben. ,,Hier wol­ len wir Künstlern aus der Region ein Forum bieten, seien es nun Malereien, Grafiken oder Fotos, aber auch Plastiken oder kera- 334 mische Arbeiten können es sein.“ Natürlich soll auch das Wort seinen Platz finden, sprich die Kleinkunst ihre Bühne. Und Büh­ ne und viel Beifall gab es schon für die Thea­ terspielgruppen von Achdorf, die zwischen Weihnachten und Dreikönig das Rauman­ gebot im „Haus des Gastes“ nutzen. Dann ist natürlich volles Haus angesagt. Aber nicht nur Vereine finden den Weg ins Tal, sondern auch viele private Festlichkeiten wie Hochzeiten, Taufen, Kommunion und Konfümation, dazu Geburtstage und man­ ches Jubiläum. ,,Wir erstellen dann mit den Gästen zu­ sammen die Menuefolge und planen den gesamten Ablauf individuell abgestimmt auf die jeweiligen Wünsche und Vorstellun­ gen“, so Doris Rösli und Ilona Engelhardt, ,,dazu bieten wir dann Service und Dekora­ tion.“ Und: der weibliche Einfluß ist im Ambiente des Achdorfer „Haus des Gastes“ nicht mehr zu übersehen. Christiana Steger

Freizeit und Erholung 24. Kapitel I Almanach 98 ,,Jeder Mensch hat ein Talent“ Mit Nadel, Faden und Palette – Der Schonacher Urban Kaltenbach Urban Kaltenbach aus Schonach feierte im vergangenen Jahr seinen 85. Geburtstag. Er ist sehr rüstig und suchte noch im letzten Winter seine Motive mit der Kamera auf Langlaufskiern. Seine Lebensmaxime heißt: ,,Tue recht und scheue niemand.“ Bereits in der siebten Klasse der Volks­ schule Schonach erkannte Lehrer Hammer sein Zeichentalent. Diese Begabung wurde nach der Schule vorrangig für den Schnei­ derberuf genutzt. Er lernte bei seinem Vater Cölestin Kaltenbach. Als Geselle führte ihn sein Weg nach Säckingen. Der nahe Rhein gab ihm Motive für seine große Leiden­ schaft, die Malerei. Selbst während seiner Soldatenzeit malte er in seinen dienstfreien Stunden. Die Kuhberg-Kaserne in Ulm zier­ te eine drei Meter große Ansicht von Ulm, die ihm besonders gelungen war. Während seine Pferdekompanie in Ostpreußen lag, malte er Bilder der masurischen Seen, bevor es nach Rußland an die Front ging. Urban Kaltenbach heiratete 1944 die Schonacherin Hedwig Hettich. Im Jahre 1947 machte er seine Meisterprüfung im Schneiderhandwerk. Schon bald stellten sich Erfolge auf Modelehrtagungen ein. Die erste Gold-Medaille gab es 19 51 beim Badi­ schen Schneidertag in Karlsruhe. Für die Fachwelt war es fast eine Sensation, daß ein Urban Kaltenbach beim Malen in der Natur. 335

Frtizeit und Erholung BlickaufdasSkido,fSchonach, Öl 60x90cm, 1980 Frühling im Hexenloch, Öl 55×85 cm, 1988 336

unbekannter Schneider vom Land den Eh­ renpreis der Stadt Karlsruhe 1951 mit nach Hause nehmen konnte. Seine Frau Hedwig führte den von ihm entworfenen Damen­ mantel auf dem Laufsteg vor. Am höchsten ist der zweite Preis beim Deutschen Schnei­ dertag in München einzustufen. Und mit dem „Haus der Mode“ hat Kaltenbach im Jahr 1957 im übrigen auch ein eigenes Mo­ dehaus gegründet. Doch nicht allein dem geschäftlichen Fort­ kommen galt sein Interesse, er setzte sich in­ nerhalb der Herrenschneider-Innung auch für die Belange seines Berufsstandes ein. Bei einer Modetagung wählte man ihn zum In­ nungsmodewart des damaligen Kreises Vil­ lingen. Diese ehrenamtliche Aufgabe erfüll­ te er über den Zeitraum von 20 Jahren. In seiner Freizeit engagierte er sich auch sportlich: Dem Turnverein stc.nd er 22 Jahre vor. Seine Tätigkeit im Turnrat umfaßt über 60 Jahre. Dieses Engagement für die Allge- meinheit wurde mit der Verleihung der Eh- Waldweg am Kroneckberg, Öl, 70×80 cm, 1994 renmedaille des Landes Baden-Württem­ berg am 15. Juli 1983 gewürdigt. Und obwohl es an freier Zeit stets mangelte, gehörte Urban Kaltenbach auch dem Bür­ gerausschuß an und war zum Schöffen be­ stellt. ,Jeder Mensch hat Talent, er verfolgt es aber meist nicht weiter. Sein Pedant ist der Fleiß. Ich male zu meiner Freude, ich will nicht um jeden Preis verkaufen, ich bin Au­ todidakt. Unterstützung habe ich durch den Malerfreund Ernst Ganter erfahren. Von ihm habe ich gelernt, einfach und beschei­ den meinen Lebensweg zu gehen“, so Ur­ ban Kaltenbach. Und was den Furtwanger Ernst Ganter anbelangt, berichtet er weiter: „Diesen Charakterzug, der auch in seinen Bildern zum Ausdruck kommt, habe ich vom Anfang unserer Begegnung an bewun­ dert. Ich liebe ungebrochene Farben. Mai­ reisen nach Italien, insbesondere nach Süd­ tirol in die Dolomiten, an die Mosel und ins Elsaß haben meine Kenntnisse erweitert. Anfangs sind wir noch mit dem Bus gefah- Selbstportrait, Öl, 50×80 cm, 1995 Urban Kaltenbach 337

Schemmenbildner aus Passion Freizeit und Erholung ren und haben recht beschwerlich Freilicht­ malereien geschaffen. Einmal standen wir mit Gummistiefeln direkt in einem Bach­ bett, um eine Brücke und die herrlichen Ber­ ge verbinden zu können.“ Die Bilder von Urban Kaltenbach wurden in Schonach, Triberg und Bad Dürrheim ausgestellt. Bei schönem Wetter ari:?.eitet er draußen in Sonne und Licht, meist aber im Atelier, das er sich im Dachgeschoß seines Wohnhauses eingerichtet hat. Das Licht fällt durch zwei Dachfenster direkt auf das Mai­ pult. In zwei Zimmern sind unzählige Bil­ der zum Trocknen aufgestellt, die noch auf ihre endgültige Fassung warten. Seine Her­ kunft als Modezeichner kann und will er nicht verleugnen. Seine Bilder sind dekora- Karl Kohnle entdeckte im Pensionsalter die Schnitzerei für sich Schwenningens Fasnet hat ei­ nen guten Ruf, Schwenninger Schemmenschnitzer kaum. Das mag auch an deren Bescheiden­ heit liegen, derjenigen des akademischen Bildhauers wie des Autodidakten. Eine wahre Schatztruhe für Maskenliebha­ ber findet sich im Hause des bald 90jährigen Könners Karl Kohn­ le, der erst im Pensionsalter seine ,,höhere Berufung“ fand. Am 23. Februar 1908 erblickte er in Schwenningen am Neckar das Licht der Welt -was in sei- Karl Kohnle nem langen Leben längst nicht der einzige Lichtblick war. Der spätberufene Künstler von hohen Graden weiß das. Die vielen Arbeitsjahre als Meister bei Mauthe, der „Uhrenfirma von Weltruf“, gehören zu einem erfüllten, sich zum guten Bilde run­ denden Leben. Die glückliche Ehe mit der zu früh verstorbenen Frau Erna Kohnle, die den Schwenningern als kommissarische Lei- 338 tiv und in den Farben kräftig, sie heben her­ vor, was die Natur dem Auge bietet: Farbe und Licht. Er verzichtet auf gekünstelte Stimmungen. Wenn das Licht rote Herbst­ blätter zum Glühen bringt, dann ist es bei ihm eben ein Meer von Rot. „Gott sei Dank bin ich noch so gesund und kann jeden Tag an Pult oder Staffelei ar­ beiten“, so Kaltenbach. Die Motive erarbei­ tet er sich oft durch fotografieren. Die enge­ re Heimat, vor allem der Rohrhardsberg, das Hexenloch und das Paradies, sind seine be­ vorzugten Motive. Dort ist er auch sicher diesen Winter wieder zu finden, wenn es die Gesundheit erlaubt, was man ihm wünscht. Jochen Bender terin des Kultur-und Sportamts in Nachfolge Werner Gräbers noch in bester Erinnerung sein dürfte, als gute Seele in der „Be­ schützenden Werkstatt“, als täti­ ge Mitarbeiterin der Rumänien­ hilfe. Die Söhne Eberhard und Dieter, dem Vater gleich Tüftler, Denker, Künstler, die Enkel. Aufgewachsen in guter, fürsorg­ licher Familie, schaute der Sohn eines Drechslers seinem Vater manches ab; der Umgang mit dem Werkstoff Holz war ihm von Kindesbeinen an vertraut. Nur ließen alle anderen Aufga­ ben des Lebens die Zeit nicht, sich der Kunst zu widmen. Erst vor einem Vierteljahrhun­ dert begann Karl Kohnle mit der Masken­ schnitzerei und ging gleichsam noch einmal in die Lehre: bei sich selbst. Heute kann der Kunstfreund bei Karl Kohnle ein beachtliches Werk bestaunen, das einige hundert Skulpturen und Masken

Karl Kohnle umfaßt: ausdrucksstarke. Das Werkzeug, das ein Holzbildhauer eigentlich benötigt, wird sich in dem kleinen Musentempel in der Kantstraße allerdings nicht finden lassen. Was aus der Werkstatt des Vaters überdauer­ te, mußte seinen Dienst tun. Um so erstaun­ licher, was dem Könner gelang. Unverwechselbar sind Kohnles Charakter­ larven: Harte, grimmige, zutiefst melancho­ lische Gesichter ziehen ihn an; Gesichter, die, vom Leben gezeichnet, etwas zu sagen haben. Aber auch verschmitzte, schalkhafte, schelmische haben es ihm angetan; ,,wohl­ monnige“, wahrhaft durchtriebene; selten abgeklärt-heitere, die in frohem Herzen alle Maskenvielfalt: Oben ein rätselheftes Lächeln, links ein Männergesicht mit Hauern, der mittelalterli­ chen Teufelsdarstellung nachempfunden, und unten eine Holzschemme mit melancholischen Gesichts­ zügen. Weisheit des Lebens eingefangen haben, le­ benssatt, nie lebensüberdrüssig: Karl Kohn­ le gleichend. Die „glatta Gsiatle“ gelingen dem Begab­ ten, die so heilig-scheinheilig dreinblicken wie die heimischen Hansile der Baar, wohl auch. Nur finden sich die puppen- oder put­ tenhaften weit seltener im Werk des Man­ nes. Den „wiaschta“ gehört nun einmal sei­ ne Vorliebe, den „gruusiga“ mit gewaltigen 339

Karl Kohnlc Hexenmaske Höcker-und Sattelnasen, Gesichtserkern, Zinken: geraden, gekrümmten, verbeulten und verbogenen, gleichförmigen und geradezu unförmigen. Kunst, die Wirklichkeit allenfalls in ihren We­ senszügen übersteigert, gelegentlich bis ins Grotesk-Karikatur­ hafte. So selten ste­ hen wir im Alltag dem nicht gegenüber: dem Glotzer wie dem Geizigen, dem Ban­ ker und dem Bettler, dem Ruhenden wie dem Rasenden, dem saugroben Zornigel und dem zürnenden ,,Suupfude“. Der belese­ ne und in der darstel- !enden Kunst außerordentlich bewanderte Bildhauer aus Passion läßt sich von manch großem Schaffenden begeistern -von da Vinci bis Prechtl. In seinen Schemmen aber wird sich auch mancher Zeitgenosse wieder­ finden -vorausgesetzt, daß er es will. Die Freude an dem Facettenreichtum, an der Vielgestaltigkeit derer, die des Herren Paradiesgärtlein bevölkerten, hätten sie es nur sich nicht verdorben, ist jeder Arbeit an­ zumerken. Nur stehen die aus Holz heraus­ gearbeiteten Werke nicht mehr im Mittel­ punkt des Schaffens. Zu beschwerlich wird der Umgang mit diesem Werkstoff. Karl Kohnle hat sich zum Tonkünstler gewan­ delt, der neben bemerkenswerten Masken auch Plastiken von beachtlicher Qialität formt, wie die Bittflehende in großer Not zum Beispiel oder die Schützende, die sich Notleidenden mütterlich annimmt; auch hier sich anregen lassend von den wahrhaft Großen -von Dürer bis Barlach. Der Ton nämlich ist, seiner Auffassung zu­ folge, ,,guatmiatig wia d’Khii’d und dia alta Manna.“ Gutmütig wie er selbst, der gebil­ dete Bildner, der lebenslang dazulernt. Ein Warmherziger, dem gleichwohl der Schalk im Nacken sitzt -der einen an der Haustür in Gestalt des „jungen Kasper“ schelmisch schon begrüßt. Karl Kohnle, der in sich versunken lebensglücklich lächeln kann wie kaum ein zweiter, ist zufrieden mit seinem Leben. Über seinem Lebenswerk stehen die Wor­ ten seines Sohnes Eberhard: ,,Er schuf, was Lust ihm ver­ band, formte aus Lehm und aus Sand, schnitzte, was Holz ihm erweckt, verwirklichte, was in ihm gesteckt.“ Michael}. H. Zimmermann 340 Ein „Schalk“ aus Ton

Sport Toller Empfang für „Schwarzwald-Adler“ Furtwangen feierte die Bronze-Medaillengewinner von Trondheim 25. Kapitel I Almanach 98 Drinnen trommelte die Guggenmusik mit schwungvollem Getöse zum Finale des fu­ riosen Empfangs für die „Schwarzwald-Ad­ ler“, die bei der nordischen Ski-Weltmei­ sterschaft in Trondheim zur Bronze-Me­ daille gesprungen waren. Draußen vor der Tür der Furtwanger Festhalle stand an je­ nem Dienstagabend im März 1997 um kurz nach zehn fast unbemerkt jener Mann, der den kollektiven Jubel zusammen mit Lokal­ matador Martin Schmitt, dem Schonacher Hansjörg Jäkle und Christof Duffner vom SC Schönwald ausgelöst hatte: Dieter Tho­ ma. Den rechten Arm um die Schultern sei­ ner Frau Manuela gelegt, mit der Linken den Kinderwagen samt dem vom Schlaf übermannten Söhnchen Nicolas Maximili­ an wiegend, betrachtete der Überflieger aus Hinterzarten, der in Trondheim drei Tage zuvor auf der Großschanze Silber gewon­ nen hatte, den Jubel mit Abstand und stiller Freude. Galt doch der Jubel der 2000 Skifans hier in Furtwangen vor allem Martin Schmitt, dessen Name kaum ein halbes Jahr zuvor nur wenigen Kennern ein Begriff war. Im Intercontinental-Cup hatte der 18jähri­ ge kurz vor Weihnachten mit guten Lei­ stungen auf sich au&nerksam gemacht und bei der Internationalen Vierschanzen· Tournee erstmals für Furore gesorgt. Ein Jahr ‚“““ Nach dem Eintrag ins „ Goldene Buch“ der Stadt Furtwangen wurden die Bronze-Medaillengewinner der Skiweltmeisterschajien in Trondheim von rund 2 000 Fans mit Beifall vor dem Rathaus begrüßt. 341

port 342 Warten im Fackelschein auf die eifolgreiche Skispringermannschafl des DSV, der Furtwanger Empfangftir die Bronze-Medaillengewinner konnte sich sehen lassen. zuvor nur Ersatzmann bei der Junioren­ WM, schoß Schmitt, der Schweigsame, ei­ nem Kometen gleich, in Trondheim mitten hinein in die Phalanx der weltbesten Wei­ tenjäger. Bronze mit der Mannschaft, Rang zwölf auf der Großschanze. Ein Erfolg, den sich Schmitt kaum zugetraut hatte. Seine Fans schon. Die feierten „ihren“ Martin wie einen Olympiasieger. Keiner, der ihm nicht die Hand drücken, anerkennend auf die Schulter klopfen, ein Autogramm abluchsen oder ihn wenigstens an der Jacke zupfen wollte. Stolz sein durften zudem gleich vier Institutionen: Allen voran der Skiclub Furtwangen, für den Schmitt Ski­ sprunggeschichte geschrieben hat, dann die zum Oberzentrum Villingen-Schwenningen zählende Gemeinde Tannheim, wo die Fa­ milie Schmitt zuhause ist und last not least das Skiinternat Furtwangen, wo Martin Schmitt vom Talent zum Spitzensportler herangereift war und dessen Aushängeschild

.Schwarzwald-Adler“ Hans-Reinhard Scheu vom Südwesifunk interviewt Martin Schmitt beim Empfang in der Furtwanger Fest­ halle. Unter den vielen Fans auch die Mitschüler vom Otto-Hahn-Gymnasium (rechts). er nun ist. Klar auch, daß sich seine Klas­ senkameraden vom Otto-Hahn-Gymnasi­ um freuten, wo Schmitt im Juni das Abitur absolvierte, die ihn besonders umjubelten. Auf bunten Plakaten wurde die Freude mit Sprüchen wie: ,,Nepi, wir lieben dich“ deut­ lich zum Ausdruck gebracht. Mehr Jubel war selten in Furtwangen. Ein Feiersturm, der sich wohl zum Orkan ge­ steigert hätte, wenn Schmitt mit einer Ein­ zelmedaille in die Uhrenstadt zurückgekehrt wäre. Die war für ihn beim Springen von der Großschanze zum Greifen nahe. 127,5 Me­ ter, so weit wie zuvor kein anderer aus der am Lysgards-Backen versammelten Welteli­ te, war der Oberschüler (Leistungskurse Ma­ thematik und Sport) im ersten Durchgang geflogen. Ein perfekter Sprung. Ein Sprung, den die Jury einem etablierten Weltklasse­ athleten wohl zugetraut hätte, nicht aber ei­ nem vermeintlichen Namenlosen. Der erste Durchgang wurde abgebrochen, der Anlauf um lächerliche 60 Zentimeter verkürzt. Auch drei Tage nach dieser Entscheidung, als der Furtwanger Jung-Adler, mit Sprech­ chören gefeiert, seinen auf eine Großbild­ leinwand projizierten Riesensatz beim Fest­ akt in der Furtwanger Festhalle noch einmal kommentieren sollte, war die Enttäuschung noch nicht verdaut. ,,Das war eine Frech­ heit“, beschied Schmitt dem Südwestfunk­ Reporter Hans-Reinhard Scheu knapp, der die Flüge der „Schwarzwald-Connection“ humorvoll analysierte. Immerhin: ,,Es über­ wiegt die Freude, so langsam merke ich, was ich geleistet habe“, befand Schmitt. Tugen­ den will der junge Mann an sich nicht fest­ gestellt haben. ,,Naja, ich glaube, daß ich ganz normal bin.“ Bundestrainer Reinhard Heß war in Trondheim deutlicher gewor­ den: ,,Der Martin kann ein ganz Großer werden.“ 343

.Schwarzwald-Adler“ ZUM GROSSARl“t EN Blumen und Geschenke, die vier Bronze-Medaillengewinner im Skispringen, die „Adler aus dem Schwarz­ wald‘: erwartete in Furtwangen ein geradezu sensationelles Skifest. Ganz groß, das waren der Schonacher Hansjörg Jäkle und Christof Duffner vom Skiclub Schönwald bei den olympischen Spielen 1994 in Lillehammer. Damals hat­ ten sie zusammen mit Jens Weißflog Mann­ schafts-Gold gewonnen. Das Lob für Team­ Bronze und die Huldigungen seines Fan­ Clubs wollte „Duffi“, der Coole, beim fröh­ lichen Festakt in Furtwangen nur zögernd entgegennehmen: ,,Ich war doch der Schwächste im Team.“ Selbstironie ist Duff­ ner nicht fremd: ,,Bei 108,5 Metern bin ich wohl zweimal auf einen Magneten gesprun­ gen.“ Glücklich über die Team-Medaille (,Jetzt hab‘ ich alle drei Farben: Gold, Sil­ ber, Bronze“), aber nicht ganz zufrieden mit seiner Einzelleistung, zeigte sich Hansjörg ,Jackson“ Jäkle: ,,Ich hatte mehr gewollt.“ Dieter Thoma kennt dieses Gefühl des Wollens und Nicht-Könnens aus eigener, leidvoller Erfahrung. So kamen seine auf- 344 munternden Worte an die Teamkollegen, die er nach dem Gewinn der Silbermedaille gefunden hatte, von Herzen: ,,Ihr kommt wieder, es gibt nicht nur mich im deutschen Skispringen.“ Der Festakt in Furtwangen jedenfalls war mehr als gelungen. Über 2 000 Skifans bil­ deten unter Regie der Stadt einen Fackelzug vom Rathaus zur Festhalle. Im Rathaus hat­ ten sich die erfolgreichen Sportler am Be­ ginn des Furtwanger Empfanges in das „Gol­ dene Buch“ der Stadt eingetragen. Bürger­ meister Richard Krieg würdigte an diesem Abend eine hervorragende sportliche Lei­ stung, freute sich vor allem über den ersten Medaillen-Gewinner einer Skiweltrneister­ schaft in Furtwangen, über Martin Schmitt. Johannes Bachmann

Sport „Jahrhundert-Spiel“ des FV Donaueschingen Im DFB-Pokal gelang dem 1. FC Köln nur ein mühsamer 3:1 Erfolg Ein ,Jahrhundert“-Spiel erlebten die Ver­ bandsliga-Fußballer des FV Donaueschin­ gen am 10. August 1996. Zwar mußte sich das Team von Erfolgstrainer Dieter Rinke in der ersten DFB-Pokalrunde dem Bundesli­ gisten 1. FC Köln mit 1 :3 Toren geschlagen geben, dennoch durften sich die Donau­ eschinger, von 5 000 Zuschauern begeistert gefeiert, als moralische Sieger fühlen. Allen voran FVD-Torjäger Günter Limberger, der an jenem denkwürdigen Samstag im son­ nendurchfluteten Anton-Mall-Stadion eine fußballerische Sternstunde erlebte. Ehefrauen kennen die Schwächen ihrer Männer. Und vor allem deren Stärken. ,,Der Günter macht sein Tor. Bestimmt!“, sagte Sonja Limberger, während Ex-Turnweltmei­ ster Eberhard Gienger das Objekt spieleri­ scher Begierde zwischen die Knie geklemmt, per Fallschirm ins Stadion schwebte. Se­ kunden später wird der Flug-zum Spielball, 41 Minuten später die Vorahnung Wirklich­ keit. Samstag, 16.11 Uhr: FVD-StürmerJörg Klausmann lockt die vermeintlichen Kölner „Goliaths“ mit verzögertem Freistoß auf die falsche Fährte, die Abseitsfalle schnappt ins Leere -Günter Limberger hat, die Kugel am Fuß, an der linken Strafraumecke freie Bahn: drei, vier raumgreifende Schritte, ein Tritt mit links wie ein Donnerschlag. Der Ball wird fürs bloße Auge zum Strich, stellt Sekundenbruchteile später das Netz hinter National-Torhüter Bodo Ilgner vor die Zer­ reißprobe -der Ausgleich zum 1:1. Eine Kölner Boulevard-Postille hatte per vier­ spaltigem Aufmacher umsonst gewarnt: ,,Bodo paß‘ auf den gelben Bomber auf“ Ein Treffer, reif für die ARD-Kür zum Tor des Monats. Ein unverwechselbarer Treffer Marke Limberger. Ein Treffer, der jeden vom Sitz reißt. 5 000 Zuschauer, selbst jene im rot-weißen Dress der Geisböcke, stamp­ fen, klatschen, johlen wie Zehntausend. „Lirnbo“ wird von seinen Mitspielern fast erdrückt, Donaueschingens Trainer Dieter Rinke hüpft mitten in der Brandung der Spielszene aus Donaueschingen gegen den 1. FC Köln. Von Donaueschingen zu sehen (von links, blau­ schwarzes Trikot) Stefan Kälble, Markus Knackmuß und Christoph Nezefeld. 348

FV Donaueschingen Donaueschingens Torhüter Bernhard „Bernie“ Wolf vor großer Kulisse. ,,standing ovations“ wie ein Gummiball. Mehr Jubel war nie in Donaueschingen. Wie hatte der selten um Superlative verlegene FVD-Coach doch noch vor dem Anpfiff geunkt? ,,Wir stehen vor einem Jahrhun­ dertspiel.“ In diesen Sekunden kollektiven Glücks zweifelt an diesem Samstag um kurz nach vier niemand daran. Und der Sport­ journalist bringt, während sich Sonja Lim­ berger unter der Sonnenbrille verstohlen über die Augen wischt, schon mal seine Lieblingsüberschrift zu Papier: ,,Günter Limberger Architekt der Donaueschinger Pokalsensation.“ Doch das Schicksal ist zu selten mit den Tüchtigen und die Sensation nur ein Traum. Mit 3: 1 gewinnt der Bundesligist 1. FC Köln das ungleiche Duell – und blamiert sich den­ noch nach Kräften. Gäb‘ s für Überheblich­ keit Minuspunkte und für Fußball mit Herz und Verstand Torgutschriften – der Sieger hätte nur FV Donaueschingen heißen dür­ fen. Vollmundig hatte Kölns Trainer Peter Neururer vor dem Anpfiff noch seine Profis in die Pflicht genommen: ,,Wir müssen nach Donaueschingen fahren, die weghauen und wieder zurückfahren.“ Ein Ruf, der ungehört verhallte. Nur in den ersten fünf Minuten jeder Halbzeit zeig­ ten die hochdotierten Kicker vom Rhein, die just am letzten Spieltag der Saison 1995/96 den Klassenerhalt geschafft hatten, daß sie nicht in die zweite Liga gehören. Neururer schimpfte denn auch, trotz Dauerlächeln und blauäugigem Blick bei Halbzeit wie ein Rohrspatz: ,,Eine Zu­ mutung. Soviel Überheblichkeit, das ist ei­ ne Frechheit.“ Angesprochen fühlen durfte sich da vor allem Toni Polster. Der hätte je­ nen, seinem österreichischen Landsmann Prohaska Weiland verliehenen Ehrentitel „Schneckerl“, in Donaueschingen wahrlich 349

FV Donaueschingen Johannes Bachmann Knackmuß und Uwe Baumann: Sie alle zei­ gen im bürgerlichen Beruf jenes Stehver­ mögen, das sie auf dem Rasen zu kämpferi­ scher Klasse befähigt. Daß den Donau­ eschingern nach dem Seitenwechsel die Kräfte schwanden und der unnötige Platz­ verweis für Stefan Kälble, der nach 75 Mi­ nuten Kölns Geißmaier am Trikot gezupft hatte, der Spielfluß verebbte -wer wollte es den FVD-Fußballern verdenken. Donau­ eschingens Trainer Dieter Rinke, Lenker und Motivationskünstler beim FVD, war nach dem Schlußpfiff denn auch sichtlich ge­ rührt: ,,Die Mannschaft ist über sich hin­ ausgewachsen. Das hätt‘ ich meinen Jungs nicht zugetraut. Wir haben in Relation ge­ setzt besser gespielt als die Kölner.“ Ins Aus manövrierte sich zwei Stunden nach dem Schlußpfiff in Donaueschingen die ARD. Ein Dutzend Ton-und Bildtech­ niker und Moderator Thomas Wehrle hat­ ten in einer mehrminütigen „MAZ“ ver­ sucht, die Leistung des FV Donaueschingen TV-gerecht ins Bild zu setzen. Der Jubel der 800 Zuschauer, die vor vier Mattscheiben im neben dem Rasen aufgestellten Festzeit noch einmal das Tor von Günter Limberger miterlebten, war kaum verklungen, da ver­ dunkelten sich die Fernsehschirme. verdient gehabt. Selbst die Eckfahnen im Anton-Mall-Stadion boten da mehr Bewe­ gung. Und Martin Braun, einziger Schwarzwäl­ der in Diensten des 1. FC Köln? Der hatte sich „riesig“ auf den Auftritt an alter Wir­ kungsstätte gefreut. Doch beim Abschluß­ training am Samstagmorgen verspürte der gebürtige Löffinger, auf Schritt und Tritt von Autogrammjägern (,,Gängele, schreib mal“) umlagert, ein Zwicken an der Patella-Sehne des rechten Beines und verzichtete auf sein „Heimspiel“. Nicht bestätigen wollte Braun Gerüchte, daß er sich bei einem Einsatz eh‘ im falschen Team gefühlt hätte. Nicht ohne Wehmut fiel Braun, der unverkrampft Bo­ denständige, nach dem Schlußpfiff dem Mann des Tages, den er „meinen Freund“ nennt, um den Hals: ,,Der Günter Limber­ ger ist eine Rakete. Ich hab‘ ihm früher 20 Tore aufgelegt, er hat 36 geschossen.“ Do­ naueschingens Torjäger hatte vor dem Spiel „natürlich“ von seinem Tor geträumt, sich allerdings nicht um den Schlaf bringen las­ sen. ,,Der Günter hat vor dem Spiel ge­ schlafen wie ein Stein“, erinnert sich Ehe­ frau Sonja. Schließlich sei Fußball für ihren Mann, der als Architekt die 60-Stunden-Wo­ che kennt, nur ein Nebenjob. Ein Arbeitsleben, das für manchen Kölner Profi den Kollaps bedeuten würde. Doch für die Kicker des FV Do­ naueschingen, von den bezahlten Balltretern nicht ohne Arroganz ,,Amateure“ genannt, ist das der Alltag. Von Torhüter Wolf, der 34jährig gegen Köln mit reaktionsschnellen Paraden, klugem Stel­ lungsspiel und lautstar­ ker Stimme seine Klas­ se bewies, bis zu Racke­ rer Ronny Herder, dem umsichtigen Libero Jörg Kienast, Markus Ronny Herde, und Patrick Fossi verteidigen gegen Kölns Muteann. 350

Rock ’n‘ Roll in höchster Perfektion 15. Platz bei Weltmeisterschaften für Sylvia Pfisterer und Thomas Bantle Sport Zur internationalen Rock ’n‘ Roll-Elite zählt das Fischbacher Tanzpaar Thomas Bantle G ahrgang 1967) und Sylvia Pfisterer Gahrgang 1966). Nunmehr hat das erfolg­ reiche Paar auf dem Höhepunkt der Karrie­ re mit einem 15. Platz bei der Weltmeister­ schaft in der Europahalle in Karlsruhe seine internationale Karriere beendet. Allein schon die Qialifikation für Karls­ ruhe war eine meisterliche Leistung, schließ­ lich wären gut und gerne einige hundert Paa­ re aus ganz Deutschland gerne bei dieser WM dabeigewesen. Das Paar aus Fischbach hat sich schließlich für die WM qualifizieren können und im erlesenen Starterfeld aus al­ ler Welt mit Rang 15 das Halbfinale nur hauchdünn verpaßt. Beide sind sich einig: bei der WM in Karlsruhe haben wir unsere bislang beste Leistung geboten. Und das nicht ohne Grund: unter den 3 500 begei­ sterten Zuschauern in der Europahalle wa­ ren über 300 Freunde und Bekannte des Paares, um Thomas Bantle und Sylvia Pfi­ sterer anzufeuern. Und mit dabei war auch der größte Fan: die 12jährige Tochter von Thomas, Carina. Und im Bewußtsein, diese Fangemeinde nicht zu enttäuschen, und auch vor Augen, daß viele, die selbst gern in Karlsruhe ge­ startet wären, kritisch zuschauen, steigerten sich Bantle / Pfisterer zur Höchstform. Die frenetische Anfeuerung der Fans in der Eu­ ropahalle wird den beiden unvergessen bleiben, ging unter die Haut, den nicht mehr enden wollenden Applaus genoß das Paar in vollen Zügen, die wochenlange Ner­ venanspannung löste sich, die La-Ola-Wel­ le für das Paar bezeichneten sie nachher als unbeschreibliches Gefühl. Ein Dreivierteljahr hat das Paar für diesen Moment trainiert, jegliche Freizeit geopfert und wohl wissend, daß letztlich Minuten Sylvia ]Jisterer und Thomas Bantle entscheiden, ob all die Mühen, alles Trai­ ning vielleicht vergeblich waren. Die Vor­ runde ‚überstand das Paar als 13. ohne Pro­ bleme, viele andere mußten in die Hoff­ nungsrunde. Und dann das Viertelfinale: eine erneute Steigerung ist vorhanden, es keimt Hoffnung auf, daß vielleicht sogar Rang 14 und damit das kaum für möglich gehaltene Halbfinale erreicht werden kann. Da würden die Karten noch einmal neu ge­ mischt, mit dem Doppelsalto, der erst im Halbfinale gezeigt werden darf und der eine Premiere für das Paar gewesen wäre. Am En­ de schrammte das Paar mit Rang 15 nur hauchdünn am Halbfinale vorbei. Doch von Enttäuschung keine Spur: Karls­ ruhe war der absolute Höhepunkt für das Paar, eine Steigerung auf Grund beruflicher Erfordernisse würde es wohl nicht mehr ge­ ben, deshalb auch der Rücktritt von der in­ ternationalen Bühne, auf der Sylvia Pfisterer und Thomas Bantle seit 1992 sehr erfolg­ reich aktiv waren. Seit 1984 betreiben sie 351

Seit 1984 beteiligt sich Thomas Bantle an Turnieren. Als er im Schwarzwald keine sportlichen Perspektiven mehr sah, wechsel­ te er ins Leistungszentrum nach Stuttgart, eine Hochburg des Rock’n Roll. Dort begegnete er 1990 Sylvia Pfisterer bei ei­ nem Turnier in Heil­ bronn. Und da beide aus beruflichen Gründen gerade ihre bisherigen Rock ’n‘ Roll-Partner verlo- ren hatten, überredete Thomas Bantle Sylvia Pfisterer zu einem Probetraining und daraus wurde nicht nur auf der Tanzfläche, sondern auch privat ernst. Zwischenzeitlich ist das Paar 7 Jahre zusammen und verlobt. Ganz können beide natürlich nicht auf den Rock ’n‘ Roll verzichten und so wird man sie auch künftig bei Schauturnieren immer wie­ der bewundern können. Albert Bantle Ob Propeller, Be­ tarini, Schulterku­ gel Schrauben­ salto oder Todes­ sturz (Bild), Sylvia ]Jisterer und Thomas Bantle geben im­ mer eine gute Fi­ gur ab. Sylvia Pfisterer und Thomas Bande Rock’n Roll als Wettkampfsport, seit 1991 tanzen die beiden, die auch privat ein Paar sind, zusammen. 1994 wurde das von Mar­ kus und Uschi Hoffmann trainierte Tanz­ paar in den Nationalmannschaftskader be­ rufen, 1996 standen die beiden bereits auf Rang 17 der Weltrangliste. Die Rock ’n‘ Roll Begeisterung des Paares geht bis in die Schulzeit zurück. Syl- via Pfisterer, eine gebürtige Mosbacherin, erfaßte bei einer Schulver­ anstaltung das Rock ’n‘ Roll-Fieber, machte als 14jährige in einer Rock ’n‘ Roll AG mit, diese AG wurde später in einen Rock ’n‘ Roll Club umgewandelt, und der seitherige Trainer wurde der Tanzpartner von Sylvia Pfisterer. Thomas Bant­ le bewunderte bereits als 13jähriger seine tanz- sportbegeisterten Eltern, meldete sich zu einem Tanzkurs an, und späte­ stens, seit er 1980 in der Vil- linger Tanzschule den amtie­ renden Rock ’n‘ Roll-Weltmei­ ster Jörg Heumann live erlebte, konnte er sich vom Rock ’n‘ Roll nicht mehr lösen. Auch Tho­ mas machte mit und er be- legte 1987 Rang 4 in der deutschen Rangliste der B­ Klasse. Zusammen mit seinem Vater Gerhard gründete er 1987 den zweiten Rock ’n‘ Roll Verein in Villingen, den Rock ’n‘ Roll­ Club 2.

Lyrik der Heimat Vom Charme des kleinen Fehlers 26. Kapitel I Almanach 98 Der Mensch -ein fehlbares Wesen. Nein, was hat nicht die Menschheit, jeder einzel­ ne unter dieser Tatsache gelitten! Und welch tiefsinnige Gedanken machte man sich schon darüber! Der Mythos ist undenkbar, jedenfalls ein großer Teil von ihm, die Theo­ logie, die Philosophie, das „Lob der Torheit“ von Erasmus. Und wozu soll die Pädagogik sonst dienen, als junge Menschen von Feh­ lern abzuhalten? Gäbe es Geschichte, wenn es anders wäre, Kriege, Spannungen, den ganzen Hexensabbat hektischer diplomati­ scher Aktivitäten, Erpressungen und was noch? Vergeblich die Hoffnung auf den menschlichen Fortschritt, den Aufschwung des Guten, das Glück eines Endzustandes, aus dem alles Böse eliminiert ist. Be­ drückend das Los derer, die das Unheil kom­ men sehen und es nicht wenden können. Viele „wußten“ schon die Heilmittel (alle die Anhänger der „Ismenj, aber keines half, eher machte jedes das Unheil ärger. Was wirklich nützt, wird als solches nicht erkannt oder gar verworfen. Dächten wir einmal in dieser Richtung weiter, immer weiter, bis ans Ende, wir stünden vor dem Zweifel, ob die Weltgeschichte nicht überhaupt scheitern könnte, am Ende alles umsonst gewesen wä­ re, die Barbarei in ihrer wüstesten Form ihr Haupt erhöbe. 0 weh! Doch diese eher zur Schwermut stimmen­ den Gedanken sind hier unsere Sache nicht. Unser Thema befaßt sich nicht mit den schlimmen Verfehlungen, den grausigen Ab­ gründen, den Sünden der Weltgeschichte, sondern mit den Fehlern, die leicht daher­ kommen, dem falschen Reagieren auf unge­ wohnte Situationen, den Dummheiten, den kleinen Irrtümern, die zum Schmunzeln, wenn nicht zu herzlichem Lachen anregen, wobei, das ist die Voraussetzung, niemand, auch nicht der Verursacher des Fehlers, ei­ nen Schaden davonträgt. Die Stars für Fehler dieser Art sind die Kin­ der, für die es im Keller nicht „finster“, son­ dern „schwarz“ ist, und die deswegen, weil sie es so ausdrücken, die Erwachsenen auf­ fordern, doch nicht so „kinderig“ darüber zu lachen. Oder die meinen, wenn sie die Blu­ mentopferde auf dem Wohnzimmerteppich schön gleichmäßig verteilt haben, sie hätten ,,gearbeitet“ und dafür gelobt werden wol­ len. Wer wollte eine fehlerfreie Aufführung bei einer Schulfeier -oder wo sonst Kinder in der Öffentlichkeit mitwirken -erwarten oh­ ne kleinen Ausrutscher, das Steckenbleiben beim Gedichtvortrag, einen nicht getroffe­ ner Ton beim Liedchen? Mit welcher Nach­ sicht und Freundlichkeit begegnet man dem allem, wie gern verzeiht man das alles. Wenn nur der kleine Mann da vorn da oben nicht ganz drauskommt! Und nun wirkt selbst noch die Art, wie er sich wieder fängt und mit der Peinlichkeit fertig wird, char­ mant. Manchmal bleibt fürwahr nur noch der Fehler in Erinnerung. Vergessen sind Anlaß und Inhalt einer Feierstunde, behalten habe ich nur die Situation, daß ein Vortragender mitten im Gedicht stecken blieb, sogar zwei­ mal und ihm einer aus der Zuhörerschaft mit der Hilfsbereitschaft, die in diesem Au­ genblick möglich war, zurief: „Lies doch vom Blatt ab!“ Bis Kinder Leute werden, müssen sie hier­ zulande viele Schulen durchlaufen und die Lehrer dürfen manche sprachliche Unge­ reimtheiten nicht durchgehen lassen. Das geht nicht: ,,Nach dem Feuermachen brum­ melt der Ofen wie ein Bär.“ Das muß man anders ausdrücken! Würde ein Lehrer kon-353

Charme des kleinen Fehler sequent die Stilblüten sammeln, er könnte in Jahrzehnten wohl eine Broschüre füllen. „Die Entwicklung des Verbrennungsmotors erreichte ihren Höhepunkt bei Wanke!, bei dem sich alles im Kreise dreht.“ Doch Schüler sollen durch das Vortragen auch Hemmungen abbauen, Selbstsicher­ heit gewinnen, sozusagen forensisch ge­ schult werden, wozu der Gedichtvortrag benützt wird. Wetten, daß eine Klasse schal­ lend lacht, wenn der Aufgerufene sich ver­ haspelt: ,,Was wolltest du auf dem Dache (statt mit dem Dolche), sprich!“ Ja wirklich, manchmal bleibt nur noch der Fehler in Er­ innerung. Es scheint, daß Menschen jeden Lebensal­ ters ihre speziellen Fehler machen, in der Ju­ gend nicht weniger als auf der Höhe des Le­ bens und im Alter: ,,Sepp, hast Du einen guten Most“, lobte der Hausmetzger mei­ nen Großvater zum Abschluß des Schlacht­ festes -und trank schwarzen Kaffee. Und ei- ne Generation lang lachte man über jene feuchtfröhliche Korona, die nach ausge­ dehntem Umtrunk das Bachbett als den Nachhauseweg benutzte und an Ort und Stelle beschloß, sich beim Bürgermeister über den schlechten Zustand desselben be­ schweren zu wollen. Selten, aber das gibt es, schafft es „ein Irr­ tum“ als solcher berühmt zu werden, wie der eines „Kenners“, der meinte, vor dem Lessingdenkmal Goethe für „Das Lied von der Glocke“ loben zu sollen. Zugegeben: Nicht immer schwingt die rei­ ne Liebe mit, wenn gelacht wird, doch sag mir, mein Lieber, was schrieben die Redak­ teure auf die Seite „Humor“, vom Narren­ blättle ganz zu schweigen, woher kämen die Ideen für so viele Essays, für „Pleiten, Pech und Pannen“ ohne die liebenswerten klei­ nen Fehler! Karl Volk Wandkeramik von Nevzat Sahin (St. Georgen) an der Michael-Balint-Klinik in Königsfeld. 354

1,yrirdcr Heimat Europa beginnt in St. Georgen Oder: eine ganz persönliche Beziehung zu einem Fluß Das Schiff hieß „Sofia“ und fuhr gerade an Krems vorbei, der gemütlichen Stadt in der Wachau, lieblich am Ufer der Donau hinge­ bettet. „Wissen Sie, wo die Donau ent­ springt?“, fragte ich meinen Nachbarn zur Linken. Der lag im Liegestuhl und blätterte in der gestrigen Zeitung. Er guckte irritiert und murmelte was von „Süddeutschland“. Mein Nachbar zur Rechten ging, bevor ich ihn fragen konnte. Mein Interesse aber war geweckt: Wer wußte wirklich, wo die Donau entspringt, wie ihre Qyellflüsse heißen? Beim Spaziergang übers Deck stellte ich fest, daß die Donau zwar gern befahren, ihre Herkunft aber zwischen „Schwarzwald, Süd­ deutschland und Weiß-ich-nicht“ vermutet wird. Mein Satz: „Ich wohne an einem der Qyellbäche“, wurde mit einem „So?“ kom­ mentiert. Mit »Donaueschingen“ beglückte mich dann eine Mitreisende. Sie kam aus Stuttgart. Ich ging zur Rezeption zwei Decks tiefer. Dort tat gerade lrina Dienst. Sie wußte, wo die Donau ihren Lauf beginnt: in Donau­ eschingen. Begeistert erzählte ich ihr, daß ich an einem der Qyellbäche wohne -,,Brigach oder Breg?“, fragte die junge Bulgarin und machte mich glücklich. Dafür erzählte ich ihr ausführlich von St. Georgen. Yielleicht komme ich mal dorthin“, sagte sie. Doch ihr Wunsch wird sich so schnell nicht erfüllen. Sie gehört zur Besatzung des in Russe/Bul­ garien registrierten Flußkreuzfahrtschiffes, das im Wochen-Rhythmus von Passau nach Budapest fährt und zurück. Sechs Wochen ohne Pause ist sie unterwegs, dann gibt es zwei Wochen Urlaub -zu Hause. Für Reisen in den Schwarzwald fehlen Zeit und Geld. 2858 Kilometer windet sich die Donau, nachdem Brigach und Breg sie zuweg ge­ bracht haben, durch Europa bis ans Schwarze Meer. Die Brigach-Qyelle am Hirzbauernhof in St. Georgen läßt die Größe dieses Flußes kaum ahnen, so sanft fließt das Wasser in den Teich, so leicht kräu­ selt sich die Brigach dann zum Klosterwei­ her hin; sucht die »Breg“, die sie in Do­ naueschingen trifft. Und was der Bach im kleinen erlebt, das muß der Fluß über hun­ derte von Kilometern hinweg im großen aushalten: Verschmutzungen, Schleusen, Begradigungen. Dabei wechselt er den Na­ men: Donau -Dunai -Danube. Als 1970 !gor aus der Ukraine beim An­ blick der Brigach-Qyelle mit leuchtenden Augen sagte: „Unser Fluß“ und dazu mit ei­ nem Schlag auf die Schulter seiner deut­ schen Arbeitskollegen diese Gemeinsamkeit bekräftigte, stand für uns fest: Die Wasser­ straße „Donau“ werden wir befahren. Und so begann eine langjährige Beziehung, die bis heute besteht. Seit wir im Schloßpark in Donaueschingen Kinderwagen schoben, in der Brigach-Mühle Silvester feierten, ’s Hoch-Mariele an der Breg besuchten, ist die Donau unser Familien-Fluß. Die junge Do­ nau wurde mit der Jugend erwandert, Beu­ ron, Sigmaringen, Herbertingen, alle die -in­ gens erlebt. In Ulm erstiegen wir den Mün­ sterturm, ins Bayrische führte dann die Do­ nau-Straße, hinüber nach Österreich mit der traumhaft schönen Wachau, dem k.u.k. Wien, Preßburg, Budapest, Belgrad, Buka­ rest … Die Donau fließt entlang und durch die Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien, Rumänien, Bulgarien, Moldavien und die Ukraine. Zwar haben die Ukrainer mit 134,1 Kilometer den kleinsten Anteil am euro­ päischen Fluß (den größten hat die Bundes­ republik Deutschland mit 626,85 Flußkilo­ metern), aber sie freuen sich am meisten über diese Fluß-Teilhaberschaft -das erleb­ ten wir immer wieder. Von der Brigach-Qyelle zum Schwarzen 355

ehe Sonnenblumenfelder sahen wir in Rumänien und kamen zur Erkenntnis: das Schwarze Meer ist leider auch deshalb schwarz, weil die Donau viele, viele Schad­ stoffe mit sich führt. Sie zu beseitigen und diesem großen Strom nicht mehr Schaden zuzufügen ist eine europäische Aufgabe – die schon in St. Georgen in Angriff genom­ men werden kann. Renate Bökenkamp sollen hier erwähnet sein. Unser Rinnsal ist so satt. Es erzeugt die ersten Kilowatt. Und bei Launen der Natur, sieht man im Tal dann Wasser nur. Auch bringen sie manchen frischen Fisch auf der Leute Mittagstisch. ’s Badmühlebächle fließt von rechts hinein, von links wird es der Wolfsbach sein. Der Brändbach gibt ihr weit‘ re Kraft, daß sie den Weg nach Osten schafft. Genannt wird sie von altersher „die Breg“, mit der Brigach zusammen bringt sie die Donau z’weg. EugenMurr Europa btginntin St Georgen Meer -wechselnde Landschaften und stei­ nerne Zeugen der Vergangenheit und Ge­ genwart begleiteten uns. So mancher Ka­ pitän erfreute die nächtlichen Deck-Besu­ cher aus St. Georgen mit einem Schein­ werfer-Schwenk zum Beispiel auf die Kathedrale von Esztergom, dem Sitz der ungarischen Erzbischöfe. Eindrucksvoll war die Fahrt durch das Eiserne Tor zwischen den Karpaten und dem Balkan, dieser wun­ derschönen Strecke zwischen Felsen und Riffen. Dort muß die Donau Schwerarbeit leisten, um ans Ziel zu kommen. Bibbernd bestaunten wir am frühen Morgen die Durchschleusung durch das größte Kraft­ werk am Ende des Eisernen Tores. Unendli- Die Breg Ein Rinnsal ist’s, das sich ergießt, bescheiden vom Stollenwald herunter­ fließt. In ihrem steten Abwärtslauf nimmt’s viele kleine Bächlein auf. Der Rohrbach es dann kräftig stärkt, man dies bereits am Rauschen merkt. In ihrem Fluß zeigt sie schon Stärke, Sie treibt bereits die ersten Werke. Vom Langenbach dann unterstützt bewirkt, daß Fabrikkraft sie schon besitzt. Mit der Linach dann vom andern Berge, treibt sie ganze Sägewerke. Die Urach und der Eisenbach, folgen ihr gemeinsam nach. Das Gumpen-und das Mörderbächle, noch so klein 356

Verschiedenes Personen und Fakten Prof. Willi Paul, Geologe, Geschichtsfor­ scher und langjähriger Kenner der Heimat, starb am 2. Oktober 1996 in Vöhrenbach im Alter von 89 Jahren (siehe auch Seite 139). Alexander Jäckle, langjähriger Mitarbei­ ter am Kreisjahrbuch „Almanach“, starb im Alter von 75 Jahren am 2. November 1996 in Triberg (siehe auch Seite 146). Dr. Lorenz Honold, Mitglied der Redak­ tion des Kreisjahrbuches „Almanach“ von 1976 bis 1987, Redakteur der Badischen Zei­ tung 1946 bis 1971 und hervorragender Kenner der Kunst und Kultur der Region, starb am 23. November 1996 im Alter von 91 Jahren (siehe auch Seite 143). Hans- Georg Schmidt, Bürgermeister von Schönwald, wurde am l. Dezember 1996 mit 52,48 0/o der Stimmen bei einer Wahlbe­ teiligung von 74 0/o und drei Mitbewerbern in die dritte Amtsperiode gewählt. Im Zuge des Ausbaues der B 31 nach Frei­ burg erfolgte am 4. Dezember (St. Barba­ ratag) durch Edith- Maria Schroeder, der Frau des Regierungspräsidenten von Frei­ burg, der Durchstich durch die Nordröhre des Tunnels von Döggingen durch Freiräu­ mung der letzten Meter. Die Südröhre wur­ de am 19. Mai 1997 vollständig freigeräumt und begehbar gemacht. Paul Haaga, 1984 -1989 Mitglied des Kreistages (CDU), 1959-1994 Gemeinde­ rat in Schwenningen und Villingen ­ Schwenningen, starb am 4. Dezember 1996 im 77. Lebensjahr. Anton Knapp, Bürgermeister in Hüfin­ gen, wurde am 8. Dezember 1996 bei einer Wahlbeteiligung von 69,4 0/o mit 54,5 0/o der abgegebenen Stimmen gegen zwei Mitbe­ werber in die zweite Amtsperiode gewählt. Joachim Gwinner, Sozialdezernent am Landratsamt des Schwarzwald- Baar- Krei­ ses, wurde mit Wirkung zum l. Februar in Nachfolge von Friedemann Kühner, der am l. 11. 1996 pensioniert wurde, zum Er­ sten Landesbeamten ernannt. Johann Hiebl, Oberstudienrat und langjähriger Mitarbeiter am „Almanach“, verstarb am 15. März 1997 in Furtwangen im Alter von 60 Jahren. Andre Noel, französischer Militärgou­ verneur für den Landkreis Donaueschingen 1945 bis 1948, verstarb im Alter von 86 Jah­ ren am 22. März 1997 in Paris. Erwin Teufel, Ministerpräsident und Wahlkreisabgeordneter (CDU), konnte am 23. April 1997 auf 25 Jahre T ätigkeit als Landtagsabgeordneter zurückblicken. Die Berufsakademie konnte am 18. Juli 1997 ihren Neubau in VS-Schwenningen einweihen. An der Spitze der Festgesell­ schaft befanden sich Ministerpräsident Er­ win Teufel und Landrat Karl Heim. Robert Schellhammer (63), gebürtiger Villinger, wurde Präsident des Landgerichtes Konstanz (25. 7.1997). Uta Baumann, Gartenarchitektin, Stadt­ rätin (CDU) in VS-Villingen, langjährige Schriftführerin im Geschichts- und Heimat­ verein Vtllingen und Trägerin des Bundes­ verdienstkreuzes, starb am 7. April 1997 im Alter von 82 Jahren. 357

Dr. Bernhard Everke, wurde am 28. Sep­ tember mit einem Votum von 95 0/o der Stimmen als Oberbürgermeister der Stadt Donaueschingen im Amt bestätigt. Dr. Bernhard Everke ist damit dienstältester Bürgermeister von Donaueschingen und tritt seine vierte Amtszeit an. Robert Strumberger, Personalratsvorsit­ zender am Landratsamt, wurde am 28. Sep­ tember mit 66,3 0/o der Stimmen zum neuen Bürgermeister der Stadt Vöhrenbach ge­ wählt. Amtsinhaber Karl-Heinz Schneider erreichte 33,7 0/o. Dr. Josef Astfaller, zweieinhalb Jahr­ zehnte Landrat des Kreises Villingen, feier­ te am 29. September seinen 90. Geburtstag. Sein Wirken legte den Grundstein für den heutigen Schwarzwald-Baar-Kreis, wie seine Nachfolger Altlandrat Dr. Rainer Gutknecht und Landrat Karl Heim beim Besuch des Ju­ bilars hervorhoben. Der gebürtige Südtiro­ ler beendete 1930 in Padua sein Jura-Studi­ um und praktizierte danach einige Jahre als Rechtsanwalt. In unsere Region kam Dr. Astfäller 1942, als er im Landratsamt Regie­ rungsrat wurde. Ab 1949 war er Landrat. Orden, Medaillen Nachstehende Personen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis wurden im Zeitraum vom 1. 9. 1996 bis 31. 7. 1997 öffentlich ausgezeichnet: Mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland (Abkürz.: BVK I. Kl. = Bun­ desverdienstkreuz I. Klasse, BVK a. B. = Bundesverdienstkreuz am Bande, BVM = Bun­ desverdienstmedaille): Bugge, Paul Prof. Mann, Rudolf Günter, Otto Dr. Walz, Hannsheinrich 23. 01.1997 Febr. 1997 25.03.1997 22.07. 1997 BVK.a.B. BVK.a.B. BVK.a.B. BVK.a.B. Villingen-Schwenningen Unterkirnach Unterkirnach Villingen-Schwenningen Mit der Zelter-Plakette: Gesangverein „Frohsinn 1897 Öfingen e.V.“ 26. 04. 1997 Arbeitslosigkeit in Prozentzahlen Stichtag Schwarzwald-Baar-Kreis Land Bundesgebiet West Bundesgebiet Ost 30.6.1995 30.6.1996 30. 6.1997 7,7 0/o 7,90/o 8,60/o 7,0 0/o 7,6 0/o 4,8 0/o 8,90/o 9,7 0/o 10,6 0/o 16,00/o 18,60/o Arbeitslosigkeit im gesamten Bundesgebiet zum 30. 6.1997: 12,2 0/o 358

Bevölkerungsentwicklung im Schwarzwald-Baar-Kreis Gemeinde Veränderungen in Zahlen +165 + 47 + 17 + 47 + 36 + 94 – 27 – 14 +194 + 10 + 12 +165 – 20 – 59 – 46 – 82 – 12 -250 – 55 – 19 in 0/o + 1,43 0/o + 0,44 0/o + 0,29 0/o + 0,90 0/o + 1,07 0/o + 0,45 0/o – 0,27 0/o -0,96 0/o + 2,69 0/o + 0,170/o + 0,37 O/o + 3,04 0/o -0,140/o -2,180/o -1,06 0/o – 1,41 0/o – 0,44 0/o – 7,70 0/o -0,07 0/o – 0,45 0/o Bad Dürrheim Blumberg Bräunlingen Brigachtal Dauchingen Donaueschingen Furtwangen Gütenbach Hüfingen Königsfeld Mönchweiler Niedereschach St. Georgen Schönwald Schonach Triberg Tuningen Unterkirnach Villingen-Schwenningen Vöhrenbach Stand der Wohnbevölkerung 31.12.1996 31.12.1995 11 714 10 742 5 974 5 241 3 413 20 810 10 028 1 451 7 415 5 966 3 222 5 586 14 159 2 647 4294 5 749 2 723 2996 80 679 4 222 11 549 10 695 5 957 5 194 3 377 20716 10 055 1 465 7 221 5 956 3 210 5 421 14179 2 706 4 340 5 831 2 735 3 246 80 734 4 241 Kreisbevölkerung insgesamt 208 828 209031 +203 + 0,10 0/o Ausländische Mitbürger in Zahlen Gemeinde Ausländer insges. Stichtag 31.12.1996 davon Türken ehemaliges Jugoslawien Italiener Sonstige Ausländeranteil in Prozent Bad Dürrheim Blumberg Bräunlingen Brigachtal Dauchingen Donaueschingen Furtwangen Gütenbach Hüfingen Königsfeld Mönchweiler Niedereschach St. Georgen Schönwald Schonach Triberg Tuningen Unterkirnach Villingen-Schwenningen Vöhrenbach Gesamt 699 1 872 685 263 169 2 193 1 166 68 773 300 277 298 1 781 92 336 641 250 266 11 922 613 24664 68 798 404 78 13 613 256 11 300 27 35 38 271 3 42 230 62 64 2 402 229 5 944 245 382 71 27 55 298 337 5 150 83 128 134 615 37 163 151 15 33 4 357 195 7 481 122 40 23 43 46 374 328 41 156 22 36 20 584 14 83 92 112 45 2 172 134 264 652 187 115 55 908 245 11 167 168 78 106 311 38 48 168 61 124 2 991 55 4487 6 752 6,3 16,2 11,5 5,1 4,7 10,5 11,1 4,7 10,7 5,1 8,6 5,3 12,6 3,3 7,8 11,0 9,3 8,5 14,8 14,2 11,7 359

scher, Donaueschingen 126 -A. Stiller, Ar­ chiv Schwarzwälder Bote, Blumberg 127 – Gerhard Schlageter, Furtwangen 142 -Foto­ Carle, Triberg 146 -Stadtmuseum Hüfin­ gen 173 bis 176 -Deutsches Uhrenmuseum Furtwangen 195 bis 199 -Archiv Katzen­ musik VS-Villingen, 200 bis 204 -Augusti­ nermuseum Freiburg 221, 223 -Hans Kal­ tenbach, Schonach 222, 224, 225, 226 -Wil­ ly Pragher, Freiburg 239, 241, 242, 243 – Heinz Finke, Konstanz 240 -Roland Sig­ wart, Hüfingen 259 bis 263 -C. Kurz, VS­ Villingen 265 -Willi Hummel, St. Georgen 310 bis 314 -Eberhard Kern, Albert Bohner, Harry Ludszuweit, alle Donaueschingen 315 bis 320 -Dieter Reinhardt, VS-Villingen 348, 349, 350 -Alex Neumann, Wien 351 und 352. Bildnachweis Die Aufnahme auf der Titelseite stammt von Wilfried Dold, Vöhrenbach. Motiv Titelseite: Donauquelle im Park des Fürsten zu Fürstenberg, Donaueschingen. Die Fotografie auf der Rückseite stammt von German Hasenfratz, Hüfingen. Motiv Rückseite: Kuhreihen in Villingen­ Schwenningen Bildnachweis: Soweit die Bildautoren hier nicht namentlich angeführt werden, stam­ men die Fotos jeweils vom Verfasser des be­ treffenden Beitrages. Mit Fotos sind ferner im Almanach vertre­ ten (die Zahlen nach der Autorenangabe be­ ziehen sich auf die jeweilige Textseite): Stadtarchiv Villingen-Schwenningen 6/7, 187 bis 189 -Fürstlich Fürstenbergisches Archiv, Donaueschingen 8 -Wilfried Dold (Dold-Verlag), Vöhrenbach: Seiten 9, 11 o., 13, 18, 21, 26, 36, 37 u., 38 bis 46/47, 55, 61, 67, 69 bis 79, 80 o., 95 u., 96 bis 99 (außer 96 o.), 140, 147, 148 o., 149 u., 150, 167, 186, 193,208,209,210r.o. undr. u.,211 bis 218, 282 1. o., 321, 334, 341 bis 344 -Werner Oppelt, Triberg 10 -Stadt Donaueschingen, 11 u. -Alexandra Primuth, Vöhrenbach 19 -Stadt Donaueschingen 23 – Georg Mül­ ler, St Georgen 27, 28, 29 -Erwin Kienzler, Schonach 31 bis 33, 34 u., 37 o., 165, 177 bis 181, 327, 328, 335 bis 337 -Monika Ecker­ le, Schönwald 340. und 35 -Nikolaus Re­ der, Niedereschach 48, 50, 51, 52, 54, 56 – Wilfried Mayer, VS-Villingen 49 -German Hasenfratz, Hüfingen 53, 238, 278, Südku­ rier VS-Villingen 62 -Südkurier Donau­ eschingen 66, 143 -Joachim Sturm 80 u., 81 o., 114, 116, 354 -Roland Sigwart, Hüfin­ gen 107 bis 110 -Erich Schwer 122 -Archiv Gebauer VS-Villingen 124, 125 -Foto-Fi- 360

Die Autoren unserer Beiträge Adler, Bernhard, Pfr., Kälbergässle 9, 78147 Vöhrenbach Auer, Dr. Anita, Kalkofenstraße 9/1, 78050 Villingen-Schwenningen Bachmann,Johannes, Albert-Schweitzer Straße 27/1, 78087 Mönchweiler Bantle, Albert, Sinkinger Straße 40a, 78078 Niedereschach Beathalter, Manfred, Wiesenstraße 29, 78166 Donaueschingen Bender,Jochen, Friedenstraße 18, 78136 Schonach Braunschweiger, Ernst, Wohnpark Kreuz 1, 78073 Bad Dürrheim Brommer, Bernhard, Volkartstraße 31, 80634 München Buller, Dr. H.-G., Kirchberg 3, 78166 Donaueschingen-Grüningen Bunse, Heinz, Lehenstraße 15, 78166 Donaueschingen Bökenkamp, Renate, Schwarzwaldstraße 4, 78112 St. Georgen Danksin, Dietrich, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Dold, Walter, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Dold, Wilfried, Waldstraße 13, 78147 Vöhrenbach Dufner, Elfriede, Rathaus, 78089 Unterkirnach Everke, Bernhard, Oberbürgermeister, Rathaus, 78166 Donaueschingen Fehrenbacher, Ansgar, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Fritschi, Kuno, Karl-Bromberger-Straße 5, 78183 Hüfingen Gehring, Dr. Helmut, Königsberger-Straße 30, 78052 Villingen-Schwenningen Groß, Helmut, Am Schwalbenhaag 1, 78048 Villingen-Schwenningen Gutknecht, Dr. Rainer, Alt-Landrat, Bahnhofstraße 1, 78073 Bad Dürrheim Gwinner, Joachim, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Günzler, Dr. Rainer, Wilhelm-Schickard-Straße 10, 78052 Villingen-Schwenningen Henckell,Jürgen, Buchbergstraße 3, 78176 Blumberg Herdlitschka, Petra, lnKofen 8, 78183 Hüfingen Hütt, Dr. Michael, Rietgasse 2, 78050 Villingen-Schwenningen Jörres, Werner, Hochstraße 48, 78048 Villingen-Schwenningen Kaiser,Johannes, Weiherstraße 13, 78050 Villingen-Schwenningen Ketterer, Hartmut, Bregenbach 4, 78147 Vöhrenbach-Hammereisenbach Kiefer, Gerhard, Rathausweg lb, 79312 Emmendingen Kienzler, Erwin, Grubweg 15, 78136 Schonach Kleiser, Bernhard, Am Mättenbühl 6, 78147 Vöhrenbach Koch, Klaus, Danzinger Straße 12a, 78151 Donaueschingen Kossow, Martin, Hans-Thoma-Straße 6, 78120 Furtwangen Kottmann, Ingeborg, Bruggerstraße 96, 78628 Rottweil Kurschat, Horst, Römerstraße Sa, 78054 Villingen-Schwenningen Letule, Hans, Rathausstraße 14, 78086 Brigachtal-Überauchen Maier, Dieter-Eberhard, Rektor, Schillerstraße 3, 78087 Mönchweiler Meder, Willi, Goethestraße 3, 78122 St. Georgen Mescheder, Prof. Dr. Ulrich, Gerwigstraße 11, 78120 Furtwangen Messerli,Jakob, Deutsches Uhrenmuseum, Gerwigstraße 11, 78120 Furtwangen Meßner, Herwig, Kirschstraße 6, 78073 Bad Dürrheim 361

Murr, Eugen, Angerweg 5, 78166 Donaueschingen Müller, Wolfgang, Ringmauerweg 15, 78098 Triberg Opp, Margot, Weierweg 10, 79111 Freiburg Preuß, Stefan, Hoher Rain 22, 78052 VS-Weilersbach Reich, Martin, Eschachstraße 19, 78078 Niedereschach-Kappel Roth, Uwe, Sankt-Lorenz-Straße 7, 78166 Donaueschingen Rothermel, Dr. Helmut, Weidenmattenstraße 2, 79312 Emmendingen Sandmaier, Prof. Hermann, Wilhelm-Schickard-Straße 10, 78052 Villingen-Schwennin­ gen Scherer, Robert, Am Bodenwald 24, 78120 Furtwangen Scherzer, Beatrice,Jacobstraße 18a, 78183 Hüfingen Schmalenberg, Brigitte, Auf der Zinnet 9, 78126 Königsfeld Schnerring, Dietrich, Baumannstraße 15, 78120 Furtwangen Schnibbe, Prof. Klaus, Ilbenstraße 50, 78120 Furtwangen Schultheiß,Jochen, Blauenweg 25, 78112 St. Georgen Schulz, Friedhelm, Sebastian-Kneipp-Straße 30, 78048 Villingen-Schwenningen Siegmund, Alexander, Zähringer Straße 31, 78183 Hüfingen-Fürstenberg Simon, Stefan, Haselweg 17, 78052 Marbach Sprich, Roland, Bühlstraße 57, 78112 St. Georgen Stahl, Clemens, Bürgermeister, Eichbergstraße 3, 78176 Blumberg Steger, Christiana, Birkenweg 8, 78176 Blumberg Stieber, Myrta, Kühlbrunnenweg 16, 78122 St. Georgen Stiller, Achim, Kellen 4, 78176 Blumberg Sturm, Dr. Joachim, Steigstraße 32, 78078 Niedereschach Tilgner, Birgit, Haldenstraße 9, 78166 Donaueschingen Tribukait, Wolfgang, Hochkopfweg 21, 78050 Villingen-Schwenningen Ungethüm, Prof. Dr. Dr. Michael, Romäusring 4, 78050 Villingen-Schwenningen Volk, Karl, Untertal 19, 78098 Triberg-Gremmelsbach Werner, Dr. Johannes, Steinstraße 21, 76477 Elchesheim Willmann, Erich, Hagenreuthestraße 47, 78147 Vöhrenbach Wolfart-Zundel, Heidi, Moltkestraße 19a, 78166 Donaueschingen Zimmermann, Michael, Karlstraße 119, 78054 Villingen-Schwenningen 362

Inhaltsverzeichnis Impressum Ehrenliste der Freunde und Förderer Heimat und Tradition / Landrat Karl Heim 1. Kapitel / 25 Jahre Schwarzwald-Haar-Kreis Vom Bezirksamt zum Landratsamt – Der lange Weg hin zur Gründung des Schwarzwald-Baar-Kreises / Joachim Sturm Die Entstehung des Schwarzwald-Baar-Kreises – Die große Zielsetzung: Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung / Dr. Helmut Rothermel Hat der Landkreis die Erwartungen erfüllt? – Eine Betrachtung durch Alt-Landrat Dr. Rainer Gutknecht Reflektionen auf25 Jahre Kreispolitik – Im Gespräch mit Dr. Gerhard Gebauer und Dr. Bernhard Everke / Wilfried Dold 2. Kapitel / Schwarzwald und Baar – Portrait eines Landkreises (1) Rund um die Wasserscheide Rhein/Donau – Unterwegs in der Region Triberg, Schonach und St. Georgen / Renate Bökenkamp Oberes Bregtal – Im Herzen des Uhrenlandes – Furtwangen, Vöhrenbach und Gütenbach, eine geschichtsträchtige Region / Robert Scherer Wanderungen im Hintervillinger-Raum – Unterwegs in Mönchweiler, Niedereschach und Königsfeld / Wolfgang Tribukait 3. Kapitel / Aus dem Kreisgeschehen Erstmals leichter Rückgang bei Sozialkosten – Soziales im Landkreis – Entwicklungen und Tendenzen / Joachim Gwinner Neuordnung der Beruflichen Schulen – Der Kreistag hält an den vier Gewerbeschulstandorten auch künftig fest / Walter Dold Nahverkehr ganz im Zeichen der Finanznot – Kürzung der Landeszuschüsse für die Schülerbeförderung führt zu massiven Protesten / Ansgar Fehrenbacher Neues von der Partnerschaft mit Bacs-Kiskun – Landesberufsschule für Hotel- und Gaststättengewerbe in Ungarn zu Gast / Dr. Helmut Rothermel 4. Kapitel / Städte und Gemeinden Gelungenes Beispiel moderner Architektur – Die Stadt Blumberg – „Drehscheibe“ zwischen Deutschland und der Schweiz / Clemens Stahl, Bürgermeister Oberbaldingen – Ein lebendiges Gemeinwesen – Die beiden Baldingen haben eine lange gemeinsame Geschichte / Herwig Meßner Das Wappen von Oberbaldingen / Prof. Klaus Schnibbe Kappel – grüner Ort im mittleren Eschachtal – Wallfahrtsort „Elsenau“ weithin bekannt – Stolz auf die Rückkehr der Grundschule / Martin Reich Das Wappen von Kappel / Prof. Klaus Schnibbe 5. Kapitel / Behörden, Organisationen und Institutionen Ein Partner für Firmen der Region – Das Institut für Mikro- und Informationstechnik unterstützt die Industrie bei der Realisierung von High-Tech-Entwicklungen / Dr.Rainer Günzler/Prof. Hermann Sandmaier 2 3 5 6 13 19 21 27 36 48 57 61 63 64 67 72 77 78 82 83 363

Spitzenwerte beim Umsatz mit Neuprodukten – Die Region Schwarzwald-Baar-Heuberg gehört zu den innovativsten im Südwesten / Prof. Dr. Dr. Michael Ungethüm Vor allem für Anwendungen rund ums Auto – Mikromechanischer Neigungssensor erschließt neue Anwendungen / Prof. Dr. Mescheder 87 88 6. Kapitel / Industrie, Handwe.rk und Gewerbe Kiffe-Kaddies erobern den Golfmarkt – Wie aus einer Idee Arbeitsplätze entstehen – Höchste Designpreise erhalten Die Faszination der Welt des Druckens – Die Villinger Todt-Druck GmbH besteht seit 90 Jahren / Wilfried Dold Wo Klein- und Kleinstserien entstehen – Alfred Schlösser produziert in Gremmelsbach mit modernsten CNC-Drehmaschinen / Karl Volk 100 Wir verbinden Mensch und Technik- Die Stein Automation GmbH in VS-Schwenningen 102 Bundespreis für innovatorische Leistungen – Wieländer+Schill mit „Airpuller AP 95″ weiter auf Erfolgskurs/ Dr. Helmut Rothermel MBK: Vier erfolgreiche Firmenzweige – Rolf Bonnert und Otto Kaiser haben sich dem Dienstleistungssektor verschrieben Ein Sägewerk mit modernster Technik – Waldemar Finkbeiner und seine Steinbissäge – Eine außergewöhnliche Unternehmerpersönlichkeit/ Karl Volk Hirth-Fahrzeugbau eine führende Adresse – Das Niedereschacher Unternehmen produziert Anhänger aller Art/ Albert Bantle 105 107 91 94 111 114 7. Kapitel / Persönlichkeiten Trotz Karriere ein bescheidener Mensch – Bürgermeister und Kreisrat Siegfried Baumann und sein Unterkirnach / Elfriede Dufner Stets ein Anwalt der Bürger geblieben – Kreisrat Lukas Duffner von Kindesbeinen an mit der Landwirtschaft verbunden / Martin Kossow Einst der jüngste Bürgermeister im Land / Auch im Kreistag ist Albert Haas zu allererst ein Vertreter der Interessen seiner Heimatregion/ Renate Bökenkamp Kommunalpolitiker mit Leib und Seele – Dr. Gerhard Gebauer 35 Jahre Oberbürgermeister und Kreispolitiker/ Dr. Helmut Rothermel Ein Liberaler mit hohem sozialen Anspruch – Der Blumberger Harald Mattegit ist seit 1971 viel geachteter Sprecher seiner Kreistagsfraktion / Achim Stiller Die Politik zweier Landkreise mitgestaltet – Rüdiger Schell ist seit 1966 in der Kreis- und Kommunalpolitik engagiert/ Klaus Koch Otto Sieber ist ein Mann der Tat – Am 1. Mai 1970 mit viel Engagement das Bürgermeisteramt in Niedereschach übernommen / Brigitte Schmalenberg Walter Eichner – Ein Leben für die Kultur – Als Kulturamtsleiter von Villingen-Schwenningen eine Vielzahl von Akzenten gesetzt/ Friedhelm Schulz Außergewöhlicher Einsatz für die Baar – Prof. Dr. Günther Reichelt und seine Liebe zur Geologie, Natur, Geschichte und zur Kunst/ Hans-Joachim Tilgner Ein Leben für die Geologie – Zum Tode von Professor Willi Paul / Wilfried Dold Hilfe für den Mitmenschen als Herzenssache – Christei Esterle wurde im Alter von nur 43 Jahren plötzlich dem Leben entrissen/ Wilfried Dold Die Kunst des Wortes verpflichtet- Dr. Lorenz Honold hat den „Almanach“ über ein Jahrzehnt lang entscheidend mitgeprägt/ Gerhard Kiefer Der Heimat und den Menschen verbunden – Der Triberger Alexander Jäckle zählte auch zu den Mitarbeitern des „Almanachs“/ Renate Bökenkamp 117 119 121 124 126 129 132 135 137 139 141 143 146 364

8. Kapitel / Archäologie Die Römerbadruine in Hüfingen – Modeme Präsentation einer archäologischen Kostbarkeit aus der Zeit um 70 v. Chr./ Beatrice Scherzer ‚ 9. Kapitel/ Geschichte Vom „Eisen“, Nagelschmied und Feilenhauer – Untergegangene Berufe und Tätigkeiten am Beispiel der Raumschaft Triberg/ Wolfgang Müller Der letzte „Dreher“ Tuningens – Christian Hauser verstand auch die Kunst des Tabak- Pfeifenmachens / Ernst Braunschweiger „Zügküaffers“ Zuber und Fässer begehrt – Das Küferhandwerk war in Tuningen durch die Familie Erchinger ehemals gut vertreten/ Ernst Braunschweiger Einst Orgelbaumechaniker bei Bruder Söhne – Der Grüninger Siegfried Fromm erlebte noch die Zeit des Orgel- und Orchestrionbaues / Dr, H.-G. Buller Geschichte der Auswanderer vom „Hof“ – Die Schicksale der Familie Klausmann aus Gremmelsbach in der „Neuen Welt“/ Karl Volk Adolf Heer, ein fast vergessener Bildhauer – Ein Beitrag aus Anlaß des 100, Todestages des gebürtigen Vöhrenbachers / Erich Willmann, Bernhard Kleiser Lucian Reich und seine kleine Hüfinger Welt – Über die Wechselwirkungen zwischen Heimat und Schaffen im Werk des Malers und Dichters / Dr, Johannes Werner 10. Kapitel/ Museen im Schwarzwald-Baar-Kreis Das „Schwarze Tor“ in St, Georgen – Ein sorgfältig restauriertes Bauernhaus erzählt vom Leben in alter Zeit/ Myrta Stieber Fassadenmalereien am Alten Rathaus – Im Villinger Franziskanermuseum werden zwei wertvolle Entwürfe bewahrt/ Dr. Michael Hütt 11. Kapitel/ Uhren und Uhrengeschichte „Guck mal, da kommt (k)ein Vögelchen raus“ – Über den Erfolg und die Herkunft der Schwarzwälder Kuckucksuhr/ Dr. Anita Auer Ein innovativer Schulterschluß in schwerer Zeit – Vor 150 Jahren wurde der „Gewerbsverein für den uhrenmachenden Schwarzwald“ gegründet/ Wilfried Dold Prunk und Pracht im Deutschen Uhrenmuseum – Sammlung wertvoller französischer Pendeluhren als Stiftung in Aussicht gestellt/ Jakob Messerli 12. Kapitel / Brauchtum 125 Jahre Villinger Katzenmusik – Aus schlichten Anfängen heraus zu einem großen Fastnachtsverein entwickelt/ Werner Jörres Fohrebobbele verkörpert den Schwarzwald – Die Fasnacht wird in St. Georgen erst seit dreißig Jahren gefeiert/ Roland Sprich Der Schwarzwald-Baar-Kreis im Farbbild 13. Kapitel / Kirchen und Kapellen Ein Bilderbuch des Glaubens – Die Pfarrkirche „Maria vom Berge Karmel“ in Bräunlingen ein monumentales Bauwerk/ Jochen Schultheiß „Eine der schönsten im Schwarzwald“ – Schönenbacher St.-Nikolaus-Kirche geht auf das Jahr 1221 zurück/ Robert Scherer Viele Verdienste um evangelische Gemeinde – Heinrich Karl Wilhelm Lotz von 1908 bis 1946 Pfarrer in Mönchweiler I Dieter-Eberhard Maier 147 151 157 158 161 165 169 173 177 182 187 191 195 200 205 208 209 214 219 365

Große Gestaltungskraft und intensive Farben – Der Vöhrenbacher Kreuzweg des Freiburger Kunstmalers Dominik Weber / Bernhard Adler 14. Kapitel/ Wegkreuze, Kleindenkmäler und Brunnen Eine schreckliche Mordtat vor 150 Jahren – Ein Gedenkstein erinnert an den gewaltsamen Tod des Fürstenbergischen Hof- und Kabinettsrats Carl Hubert Dilger / Dr. H.-G. Buller Ein religiöser Brunnen ohne Namen – Die Schöpfung des Steinhauers Frank Schröder steht in Tuningen / Ingeborg Kottmann 15. Kapitel / Sagen der Heimat Die Wallfahrt zur „Maria in der Tanne“ Felsenkönigin – Sage vom Triberger Wasserfall / Dietrich Danksin 16. Kapitel/ Heiteres aus dem Klosterleben St. Ursula in Vtllingen Das „Schänzele“ – einst Teil der Stadtmauer/ Helmut Groß 17. Kapitel / Musik 75 Jahre Donaueschinger Musiktage – „Neue Musik wäre undenkbar ohne Donaueschingen“ I Bernhard Everke, Oberbürgermeister Erinnerungen an den Musiker Josef Raus – Der Tradition zugewandt, aber stets aufgeschlossen für Neues/ Uwe Roth 18. Kapitel / Kunst und Künstler lnspirationsquelle Afrika – Die multiästhetische Bildsprache der Schwenningerin elfi schmidt/ Horst Kurschat Ein Maler ohne Grenzen – Wiederentdeckt: Der Duc-Schüler Hermann Wiehl aus St. Georgen / Renate Bökenkarnp Landschaften aus Plastik und Gouachen – Rupert Schumachers Blick auf die Wirklichkeit hinter den Dingen / Stefan Simon Keramik als Gestaltungselement der Architektur – Die Arbeiten des Keramikers Olaf Hovingh in Donaueschingen/ Petra Herdlitschka 19. Kapitel/ Gesundheit und Soziales Wegbegleiter für Sterbende – „Hospizbewegung im Schwarzwald-Baar-Kreis e. V.“ hat sich gegründet / Heidi Wolfart-Zundel 125 Jahre Pflege- und Altenheim Geisingen – Das „Wartenberg“ kann sich mit 420 Betten zu den großen Häusern zählen / Manfred Beathalter „Essen auf Rädern“ und Zeit für Gespräche – Die Blumbergerin Friede! Gerber – eine sozial engagierte Frau / Christiana Steger 20. Kapitel / Umwelt und Natur Gliederung und Namensgeschichte der Baar – Die Schüsselform eine Folge der Entstehung des Oberrheingrabens / Alexander Siegmund Der Hüfinger Heilkräuterlehrpfad – Bereits die Römer wußten um die Kraft der Kräuter auf der Baar / Kuno Fritschi Schüler praktizieren wertvollen Naturschutz – Arbeitsgemeinschaft Vogelkunde der GHS-Obereschach besteht seit 15 Jahren/ Albert Bantle Historische Wasserkraftanlage in Neudingen – Es klappert die Mühle – Doch nur sacht rauscht der Bach / Klaus Koch 221 227 230 233 235 236 239 244 247 253 256 259 265 269 273 274 281 283 287 366

Mit Hakenschlagen auf der Flucht – Der Feldhase – ein volkstümlicher Vertreter der heimischen Tierwelt/ Erwin Kienzler Baumgefüge wird Naturdenkmal – Entlang der Kreisstraße Nr. 5749 sind typische alte Mostobstsorten zu finden/ Hans Letule Lebensraum für bedrohte Pflanzen und Tiere – ,,Birken-Mittelmeß“ ein neues Natur- und Landschaftsschutzgebiet im Schwarzwald-Baar-Kreis /Dr.Helmut Gehring 21. Kapitel/ Landwirtschaft und bäuerliches Leben Die Kobisenmühle vor dem Verfall gerettet – In St. Georgen ein wertvolles Stück bäuerliche Geschichte bewahrt/ Willi Meder 22. Kapitel / Architektur, Bauen und Wohnen Die Ökosiedlung „Auf der Staig“ – Ein Versuch der Stadt Donaueschingen, Niedrigenergiebauweisen zu fördern/ Heinz Bunse Repräsentatives Wahrzeichen des Ortsbildes – Das Dauchinger Rathaus von 1909 gilt als frühes Beispiel kommunalen Selbstverständnisses /Dr.Joachim Sturm 23. Kapitel / Stätten der Gastlichkeit Wo Schwarzwald-Urlaub ein Erlebnis ist – Der Landgasthof „Berghof“ der Familie Schwer in Gremmelsbach ist weithin bekannt/ Karl Volk Der „Felsen“ ein Gasthaus mit Tradition – Von der Kaiserlichen Post zum Treffpunkt für Feinschmecker aus der ganzen Region / Hartmut Ketterer Gastlichkeit unter dem Schindeldach – Das „Haus des Gastes“ in Achdorf verfügt über 80 Plätze und eine Gartenterrasse / Christiana Steger 24. Kapitel / Freizeit und Erholung Jeder Mensch hat ein Talent“ – Mit Nadel, Faden und Palette – Der Schonacher Urban Kaltenbach/ Jochen Bender Schemmenbildner aus Passion – Karl Kohnle entdeckte im Pensionsalter die Schnitzerei für sich/ Michael]. H. Zimmermann 25. Kapitel / Sport Toller Empfang für „Schwarzwald-Adler“ – Furtwangen feierte die Bronze-Medaillengewinner von Trondheim / Johannes Bachmann Michael Maier gehört zur Weltspitze – Weilersbacher Ultraläufer gewinnt bei Europameisterschaften Gold und Silber/ Stefan Preuß Traude Hanßmann Europameisterin – Die Triathletin erreicht auch einen 5. Platz bei den Duathlon-Weltmeisterschaften / Stefan Preuß Jahrhundert-Spiel“ des FV Donaueschingen – Im DFB-Pokal gelang dem 1. FC Köln nur ein mühsamer 3:1 Erfolg/ Johannes Bachmann Rock’n‘ Roll in höchster Perfektion – 15. Platz bei Weltmeisterschaften für Sylvia Pfisterer und Thomas Bande/ Albert Bande 26. Kapitel / Lyrik der Heimat Vom Charme des kleinen Fehlers/ Karl Volk Europa beginnt in St. Georgen/ Renate Bökenkamp Gedichte Fascht verrote oder: Isch Karlsruah d‘ Hauptstadt vom Badische? / Bertin Nitz 292 298 300 310 315 322 327 330 333 335 338 341 345 346 348 351 353 355 90 367

Die warme Stube I Margot Opp Winter-Abend I Bernhard Brommer Sekundenleben I Jürgen Henckell Auf der Antikuhren-Messe I Dietrich Schnerring Wenn i furt bi I Johannes Kaiser Liebe Lieder I Christiana Steger FI irt I Christiana S teger Wia zwei ghirata hen I Bertin Nitz Die Breg I Eugen Murr Verschiedenes Personen und Fakten Orden, Medaillen Arbeitslosigkeit in Prozentzahlen Bevölkerungsentwicklung im Schwarzwald-Baar-Kreis Ausländische Mitbürger in Zahlen Bildnachweis Die Autoren unserer Beiträge Inhaltsverzeichnis 116 145 156 190 220 232 232 234 356 357 358 358 359 359 360 361 363 368