Almanach 1995

Almanach 95 Schwarzwald-Baar-Kreis Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 19. Folge Herausgeber: Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis Redaktion: Dr. Rainer Gutknecht, Landrat Dr. Joachim Sturm, Kreisarchivar Karl Volk, Realschuloberlehrer Für den Inhalt der Beiträge sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Nachdrucke sind nur mit Einwilligung der Redaktion und unter Angabe der Fundstelle gestattet. Verlag, Druck und Gestaltung: Todt-Druck GmbH, Villingen-Schwenningen

Ehrenliste der Freunde und Förderer des Almanach 1995 ANUBA-Beschläge X. Heine & Sohn GmbH, Donaueschinger traße 2-6, Vöhrenbach Auer + Weber + Partner, Freie Architekten Dipl.-Ing. BDA, Königsträßle 2, Stuttgart-Degerloch Dr. Hanno Augstein, Hüfingen Baden-Württembergische Bank AG, Filiale Villingen-chwenningen Alfred Bausch, Rosen-Apotheke, Blumberg Park-Klinik Benner, Gartenstraße 13, Bad Dürrheim Benzing Zeit + Daten GmbH Barbara und Albert Buchholz, Albany, N.Y., USA lng.-Büro für Haustechnik Budde & Oberle, Ostbahnhofstraße 19, Villingen-chwenningen Burger lndustriewerk GmbH & Co. KG, Schonach EGT Elektrotechnik GmbH, Steinkreuzweg 6/1, Villingen-Schwenningen Claus Eller, Zahnarzt, Neue Heimatstraße 2, Vöhrenbach Helmut W. Falk, Wirtschafts-und Unter­ nehmensberater, Fürstenfeldbruck Emil Frei GmbH & Co., Lackfabrik, Bräunlingen-Döggingen Lars Frykman, Zahnarzt, Vor Weiden 25, Blumberg S. D. Joachim Fürst zu Fürstenberg, Donaueschingen Walter Glatz, Blumberg Dipl.-Ing. Theo Greiner VBI, A.-Kolping-traße 12, Donaueschingen Lars Henker, Villingen-Schwenningen Dr. med. Egon Hochmann, Triberg Hock GmbH, chönwald-Triberg Institut Dr. Jäger, Friedrichstraße 9, Villingen-Schwenningen Kraftwerk Laufenburg, Laufenburg KUNDO System Technik GmbH, St. Georgen Liapor-Werk, Tuningen MAI CO Elehroapparate-Fabrik GmbH, teinbeisstraße 20, Villingen-Schwenningen 2 Vermessungsbüro Dipl.-Ing. Viktor Mandolla, Villingen-Schwenningen MEKU Metallverarbeitungs-GmbH, Dauchingen Leopold Messmer, Dipl.-Ing. FH, Freier Architekt, Bühlhofstraße 8, Furtwangen MODUS Gesellschaft f. berufliche Bildung GmbH & Co. KG, Vöhrenbach Dr. med. Paul Obergfell, Villingen-chwenningen Dr. Peter Pfaff, Frauenar..:t, Villingen-chwenningen Guido Rebholz, Architekt, Zehntstraße 1, Bad Dürrheim Ricosta-Schuhfabriken, Donaueschingen Anne Rieple-Offensperger, Friedrichstraße l, Bad Dürrheim Dipl.-Ing. Eckart Rothweiler, Freier Architekt, Donaueschingen SCHMIDT Feintechnik GmbH, St. Georgen . iedle & Söhne Telefon-und Telegrafenwerke tifrung & Co., Breg traße 1, Furtwangen Sparkasse Donaueschingen parkasse Villingen-Schwenningen mit Hauptanstalt in Villingen, Zweiganstalten in Schwenningen, St. Georgen und Triberg, Haupt­ zweig teilen in Bad Dürrheim, Königsfeld, chonach und Vöhrenbach und weiteren 43 Zweigstellen Günther tegmann, Donaueschingen Stein Automation GmbH, Carl-Haag-Straße 26, Villingen-Schwenningen Sto AG, Hauptwerk Stühlingen, Niederlassung und Werk Donaueschingen STRAUB-Verpackungen GmbH, Bräunlingen TRW Motorkomponenten GmbH & Co. KG, Präzision im Motor, Blumberg Buchhandlung F. K. WIEBELT, Bickenstraße 6-8, Villingen-Schwenningen Dr. med. Fritz Wilke, Villingen-Schwenningen Johann Wintermantel Verwaltungs-GmbH & Co. KG, Kies-und Betonwerke, Donaue chingen Udo Zier GmbH, Furtwangen 7 weitere Freunde und Förderer des Almanach wün chen nicht namentlich genannt zu werden.

Heimat und die Menschen Dem Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises 1995 zum Geleit „D‘ Hoemet sin d‘ Leut‘. „Dieser Satz in Mundart drückt kurz und bündig das Leitthema zu unserem diesjährigen Heimatjahrbuch aus. Wer sich längere Zeit beruflich oder zur Ausbildung in einer fremden Stadt aufhält, fühlt sich dort zu Hause, wenn er Menschen begegnet, mit denen er in engeren Kontakt kommt. Schön geltende Städte gefallen oft gar nicht, wenn menschliche Begegnungen ausbleiben. Umgekehrt kann man sich in einer weniger attraktiven Stadt wohlfühlen, wenn Menschen einem Geborgenheit und Wärme vermitteln. Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch umschreibt diesen Gedanken wie folgt: ,,Heimat ist der Mensch, dessen Wesen wir vernehmen und erreichen.“ Daraus wird deutlich, daß auch die Fremde zur Heimat werden kann, wenn den Neuankommenden menschliche Zuwendung entgegengebracht wird. Wo sie fehlt, kann auch die angestammte Heimat fremd werden. Um die Verbindung zur Heimat zu befestigen, beobachten wir, wie vielerorts soziale Kontakte gepflegt werden, seien es Stadtfeste oder andere Begegnungen. In einer Zeit, in der viele Menschen eine neue Heimat suchen, sind wir aufgerufen, die Türen unserer Herzen zu öffnen und unseren ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbür­ gern das Gefühl, angenommen zu werden, zu vermitteln. Sie und vor allem deren Kinder, die hier geboren und aufgewachsen sind, müssen oft doppelte Heimatlosigkeit empfinden, füh­ len sie sich doch oft weder der Heimat ihrer Vorfahren noch dem Gastland ganz zugehörig. Wir haben es durch unser persönliches Verhalten mit in der Hand, ihnen heimatliche Gefühle zu vermitteln oder ihnen unser Land aber auch zu entfremden. Hoffen wir, daß die Einsicht zunimmt, unseren Mitbürgern bei uns eine Heimat zu geben und dementsprechend auch das Zusammengehörigkeitsgefühl wächst! Leider fördert unser Wohlstand nicht immer die Bereitschaft, sich um andere zu kümmern und sie anzunehmen. Das Gebot der christlichen Nächstenliebe fordert uns aber immer wie­ der dazu auf, Verständnis füreinander aufzubringen und Menschenfreundlichkeit zu prakti­ zieren. Unser Heimatjahrbuch möchte zu diesen Gedanken einen Beitrag leisten. Echte Heimat geben nicht Orte und Landschaften, sondern letztlich die Menschen in ihrer Zuwendung zum anderen. Dank sage ich wie immer unseren treuen Freunden und Förderern, die wiederum zur preis­ werten Gestaltung eines neuen Bandes beigetragen haben. Möge auch der neue Band viele Leserinnen und Leser erfreuen! Dr. Rainer Gutknecht Landrat 3

Aus dem Kreisgeschehen Kreispolitik 1994 Die jährlichen Beiträge über die Kreispoli­ tik sind eine gute Gelegenheit, kurz innezu­ halten und zu fragen: Wo stehen wir? Wohin gehen wir? Das Jahr 1994 brachte zunächst eine wei­ tere Verschlechterung der Auftragslage der heimischen Wirt chaft und als Folge davon eine in ihrer Höhe nicht gekannte Arbeitslo­ sigkeit. Die 10-0/o-Marke wurde im Februar ’94 nahezu erreicht (9,9 0/o). Erste Anzei­ chen deuten zwar auch bei uns auf eine Besserung der wirtschaftlichen Lage hin, aber die Arbeitslosigkeit bleibt nach wie vor auf einem verhältnismäßig hohen Niveau Ouni 1994: 8,7 0/o). In diesem kritischen wirtschaftlichen Um­ feld hatte es die Kreispolitik schwer. Im Haushalt 1994 mußten wir uns auf das Notwendigste beschränken und Kürzungen mußten in vielen Bereichen in Kauf genom­ men werden. Auf der Ausgabenseite sind es besonders die Kosten der Sozial- und Ju­ gendhilfe, die weiter unaufhaltsam anstei­ gen, denen auf der Einnahmenseite keine entsprechenden Mittel gegenüberstehen. Im Investitionsbereich konnten daher nur die Vorhaben fortgeführt werden, die bereits begonnen bzw. so weit in der Vorbe­ reitung waren, daß sie nicht mehr gestoppt werden konnten: dies sind der Neubau der beruflichen Schulen in Furtwangen und die Unterbringung der Schule für Geistigbehin­ derte in Donaueschingen im Hause des frü­ heren Missionskonvikts. Die Ausbauarbeiten in den Beruflichen Schulen in Furtwangen gehen planmäßig voran. Eine unangenehme Üb.erraschung erlebten wir insofern, als in dem bisherigen Kostenanteil des Landkreises von 9,5 Mio. DM, den wir als Maximum angesehen ha­ ben, die Einrichtungskosten nicht enthalten 4 sind. Unter Berücksichtigung der finanziel­ len Engpässe sollen die Einrichtungskosten nicht höher als 2,5 Mio. DM kommen, da­ von Landesanteil 1,5 Mio. DM und Kreis­ anteil 1,0 Mio. DM. Von diesem Gesamtbe­ trag sind zur Aufnahme eines ordnungsge­ mäßen Schulbetriebs bis zum Bezug des Neubaues 1,5 Mio. DM bereitzustellen. Der Kreisanteil beläuft sich entsprechend der Vereinbarung mit dem Land auf 600.000 DM, die im Haushalt 1995 zu finanzieren sind. Die restlichen 400.000 DM sollen im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten in den Folgejahren bereitgestellt werden. Mit den Umbauarbeiten am Missions­ konvikt in Donaueschingen, in das die Schule für Geistigbehinderte untergebracht werden wird, wurde im September 1993 begonnen. Nach der Terminierung des Architekten soll der Bau im Herbst 1994 fertiggestellt sein. Ein neues Raumproblem besteht in der Schule für Körperbehinderte in Villingen­ Schwenningen. Kaum daß der Erweiterungs­ bau im Frühjahr 1993 eingeweiht werden konnte, ist die Schule wieder zu klein. Die Verwaltung ist bei Redaktionsschluß dabei, auf der Grundlage der zu erwartenden Schü­ lerzahl im Einzugsbereich der 3 beteiligten Landkreise Rottweil, Tuttlingen und Schwarz­ wald-Baar (auszugehen ist von 135 Schülern) das Raumprogramm zu überprüfen und Fol­ gerungen für neu zu schaffende Räume, evtl. als Zwischenlösung, zu ziehen. Weitere Schwerpunkte der Kreispolitik waren auch im Berichtzeitraum – wie schon in den vergangenen Jahren – die Abfallwirtschaft der soziale Bereich sowie (mehr im planeri chen Bereich) der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV).

Am 12. 9.1994 wurden im Kreishaus im Stadtbezirk Villingen die aus dem Kreistag ausgeschiedenen Kreisräte, soweit sie anwesend waren, im festlichen Rahmen verabschiedet. Unser Bild (von rechts nach links): Christian Schlenker, Hugo Rösch, Martin Schneider (verdeckt), Jürgen Siebold, Bernhard Dury, Udo Zier, Paula Straub, Lotti Späth, Elke Bettecken, Kurt Heizmann, Anita Limberger, Willi Kessler, Ursula Schenkel, Martin Wentz, Karl-Josef Ballof Abfallwirtschaft Im Jahre 1994 hat der Landkreis die Müll­ abfuhr von den Städten und Gemeinden – mit Ausnahme von Villingen-Schwennin­ gen – zurückgenommen. Das Einsammeln und Befördern von Abfällen einschließlich Wertstoffen und Grüngut – ausgenommen Sondermüll und Kühlgeräte – hatte der Land­ kreis den Städten und Gemeinden übertra­ gen. Die Rückübertragung war notwendig geworden, um den wachsenden Anforderun­ gen an die Abfallvermeidung und -verwer­ tung sowie umweltfreundliche Restmüllent­ sorgung gerecht zu werden. Die wöchentliche Abfuhr wurde auf2wö­ chige Abfuhr umgestellt. Neu organisiert wurde auch die Sperrmüllabfuhr; anstelle einer regelmäßigen Straßensammlung wird sie nur auf Abruf durchgeführt. Die Grüngutkompostanlage Villingen, die im Eigentum der Stadt Villingen-Schwen­ ningen stand, wurde im Jahre 1994 vom Landkreis übernommen. Jährlich werden hier ca. 6.500 t Grüngut zu Kompost und Blumenerde verarbeitet. Fortschritte erzielten wir auch bei der Ver­ wertung von Bauschutt. Seit 1994 ist die Ablagerung von Bauschutt und Straßenauf­ bruch auf den Kreismülldeponien Tuningen und Hüfingen untersagt. Diese Reststoffe müssen zu einer der 3 Anlagen im Gropper­ tal, Pfohren und Brigachtal transportiert wer­ den. Durch diese Maßnahme gelangen jähr­ lich ca. 60.000 t Reststoffe weniger auf die Deponien und werden einer Verwertung zugeführt. Nach Inbetriebnahme der 3 Bau­ schutt-Recyclinganlagen wird die Deponie Hirzwald, die 1993 der Landkreis von der 5

Stadt Triberg übernommen hat und wo Bau­ schutt aus dem dortigen Raum zwischenge­ lagert wurde, zur Ablagerung von Erdaushub der umliegenden Städte und Gemeinden genutzt. Um die Wertstofferfassung zu erhöhen, hat der Landkreis die Einrichtung von 21 Recyclingzentren und Wertstoffhöfen be­ schlossen, ein Teil wird noch 1994 seine Tore öffnen. Wir rechnen damit, daß nach Inbe­ triebnahme aller Anlagen ca. 6.500 t Wert­ stoffe jährlich abgeschöpft werden. In den beiden Hausmülldeponien in Tuningen und Hüfingen wird der nichtver­ wertbare Abfall gelagert. Obwohl noch auf Jahre hinaus Platz zur Verfügung steht, müs­ sen wir uns – nicht zuletzt im Hinblick auf die Technische Anleitung Siedlungsabfall – mit der thermischen Behandlung(d. h. Ther­ moselect-Verfahren oder Schwel-Brenn-Ver­ fahren) des Restmülls beschäftigen. Nach einer entsprechenden Beschlußfas­ sung im Kreistag erneuerten wir unser Ange­ bot an den Landkreis Rottweil, dort die ther- Polizei mit Kreiswappen Die Polizeidirektion Villingen-Schwenningen hat fiir ihre Beamten die Möglichkeit eröffnet, Brust­ anhänger mit dem Kreiswappen zu tragen (Bild links). Landrat Dr. Rainer Gutknecht befiele am 15. 4.1994 Herrn Polizeioberkommissar Werner Fehrenbacher das erste Abzeichen an die Brust (Bild unten). 6

Herr Landrat i. R. Dr. Robert Lienhart konnte am 26. 9.1993 seinen 85. Geburtstag begehen. Der Jubilar leitete 28 Jahre den ehemaligen Landkreis Donaueschingen. Seine Persönlichkeit wurde im Almanach 1979, Seilen 90-93, gewürdigt. 7

Neubau Ber1ifsschulzentrum Furtwangen mische Restabfallverwertung durchzufüh­ ren. Die Restedeponierung für die 3 Kreise Rottweil, Tuttlingen und Schwarzwald-Saar soll dann auf der Deponie Tuningen/Tal­ heim bzw. Hüfingen erfolgen. Sollte eine kreisübergreifende Lösung nicht durchzu­ setzen sein, werden wir einer kreisbezogenen Lösung nähertreten müssen. Sozialer Bereich Der soziale Bereich nahm auch im Berichtsjahr einen wichtigen Platz ein, ja er entwickelte sich von der Ausgabenseite her noch deutlicher zum Thema Nr.1 der Kreis­ politik. Steigerungen im Nettoaufwand des Landkreises für Sozialhilfe von annähernd 20% sowie in der Jugendhilfe von 16% zwin­ gen den Landkreis zu äußerster Sparsamkeit auch im Feld sozialer Unterstützungsleistun­ gen. Vordringlich geht es in der heutigen Zeit darum, das in den vergangenen Jahren Erreichte zu sichern. Wo andere Kostenträ- 8 ger bereit und in der Lage sind, soziale Lei­ stungen abzudecken, muß der Kreis sein bisheriges Engagement zurücknehmen. So beschloß der Kreistag im Dezember 1993, die seit 1975 in seiner Trägerschaft stehende Jugend- und Drogenberatungsstelle im Stadtbezirk Villingen an den Badischen Lan­ desverband gegen die Suchtgefahren, einen bewährten und fachlich kompetenten freien Träger in der Arbeit mit Suchtkranken und Suchtgefährdeten, abzugeben. Der Kreis kann damit jährlich rd. DM 400.000 an Per­ sonal- und Sachkosten einsparen. Ebenso wurden im Hinblick auf die stark verbesserte Finanzierung der 9 Sozialstationen durch Krankenkassenleistungen die Förderung der Fachkräfte ab dem Jahr 1994 um 50% redu­ ziert. Damit ist für den Landkreis eine Ein­ sparung von über DM 200.000 verbunden. Trotz solcher auf allen Ebenen zu beobach­ tenden notwendigen Sparmaßnahmen konnte aber die oziale Infrastruktur im Kreis auch

in den Jahren 1993/1994 „weiter verbessert werden: In der Altenhilfe konnte im November 1993 im südlichen Kreisgebiet für die Sozial­ stationen Donaueschingen und Blumberg die erste Informations-, Anlauf- und Ver· mittlungsstelle eingerichtet werden. Sie ge· währleistet ein alle Fragen hilfesuchender älterer Menschen und ihrer Angehöriger umfassendes Beratungs- und Vermittlungs­ angebot. Dieses Angebot wurde bereits nach kurzer Zeit intensiv von der Bevölkerung genutzt. Die Finanzierung erfolgt durch Land, Kreis, Kommunen, Sozialstationen und dem Träger. In der stationären Altenhilfe zeichnet sich eine Korrektur der bisherigen Bedarfszahlen für Altenpflegeplätze ab: kürzere Verweil· dauer in den Heimen, der notwendige Aus­ bau der geriatrischen Rehabilitation in spe· ziellen von den Krankenkassen finanzierten Einrichtungen, ein vermehrtes Angebot des betreuten Altenwohnen (neu etwa in Do­ naueschingen und geplant in Villingen· Schwenningen im alten Landratsamtsge­ bäude) sowie der zu beobachtende Trend zur häuslichen Pflege durch Angehörige werden den Bedarf reduzieren. Anfang 1995 wird deshalb der Kreisaltenplan erneut fortge­ schrieben werden müssen. Auffallend ist im Kreisgebiet, daß sich neben den gemeinnüt­ zigen Trägern in den letzten Jahren vermehrt privat-gewerbliche Träger in der stationären aber auch der ambulanten Altenhilfe enga­ gieren. Offensichtlich wurde hier ein „neuer Markt“ entdeckt. Neubau Berufsschulzentrum Furtwangen 9

In der Hilfe für psychisch Kranke und seelisch Behinderte ist die 1992 im Stadtbe­ zirk Schwenningen eröffnete Werkstatt voll belegt. Weitere Wohngemeinschaften sind im Stadtbezirk Villingen und in Vöhrenbach vorgesehen. Für geistig behinderte Menschen leistet ein freier Träger in Donaueschingen Modell­ haftes für das gesamte Land Baden-Würt­ temberg: Neben der Vermittlung geistig be­ hinderter Menschen in reguläre Arbeits­ plätze der Wirtschaft wird das Wohnen in einer Wohngemeinschaft und ab 1994 auch eine Betreuung in selbst von den Behinder­ ten angemieteten Wohnungen oder im elter­ lichen Haushalt angeboten. Neben der da­ durch bewirkten Verbesserung der Lebens­ qualität für diese Mitbürger werden mit die­ sen Maßnahmen auch die Haushalte der Sozialhilfeträger, die bislang teure Heimauf­ enthalte finanzierten, entlastet. Ein Modell mit Zukunft, das landesweit Beachtung fin­ det. Besondere Aufmerksamkeit – nicht zu­ letzt auch wegen der dramatisch gestiegenen Kosten – hat in den letzten Jahren die Jugendhilfe erhalten. Vor dem Hintergrund oft zerrütteter Familienverhältnisse, ver­ mehrter Probleme Alleinerziehender und Orientierungslo igkeit bei Kindern und Ju­ gendlichen gilt es, verstärkt differenzierte Angebote der öffentlichen Jugendhilfe im Kreis zu schaffen. Als Hilfemaßnahme kön­ nen nicht mehr nur die (teure) Erziehung im Heim oder in der Pflegefamilie in Betracht kommen. Ambulante und teilstationäre Maßnahmen sind notwendig. Aufgrund der Erkenntnisse der Jugendhilfeplanung im Landkreis wurde im Herbst 1993 im Zusam­ menwirken mit der Stadtjugendpflege in Donaueschingen ein Angebot an sozialer Gruppenarbeit für „auffallige“ Kinder ge­ schaffen. Diese Maßnahme hat sich be­ währt, weitere müssen folgen. Parallel wur­ den Tage gruppen als teilstationäre Maß­ nahmen in den Stadtbezirken Villingen (am ,,Stelzenhaus“) und im Stadtbezirk Schwen­ ningen (am „Franziskusheim“) aufgebaut. 10 Weitere Tagesgruppen in Hüfingen (am „Heim Mariahof“) und in St. Georgen sind geplant. Sie bieten den Vorteil, daß die Kin­ der tagsüber eine intensive pädagogische Betreuung erfahren, am Abend und am Wochenende jedoch durch die Rückkehr in die Familie den Kontakt zum Elternhaus nicht verlieren. Besondere Erwähnung bedürfen auch die Herausforderungen, denen das Landratsamt im Zusammenhang mit der Umsetzung des Asylbewerberleistungsgesetzes im Früh­ jahr 1994 ausgesetzt war. Ab März war es zunächst gelungen, für mehr als 1100 Asyl­ bewerber im Landkreis die Versorgung mit Naturalien, d. h. mit Lebensmittel- und Hy­ gienepaketen, sicherzustellen. Hierbei kam es zu zahlreichen Protestaktionen der Asyl­ bewerber – die ja bislang Geldleistungen er­ hielten – und der Helferkreise. Trotz nicht ausgebliebener Schwierigkeiten in der Orga­ nisation blieb die Verwaltung bei der vom Innenministerium verfügten grundsätzlichen Vergabe der Sachleistungen auch an die Asylbewerber, die bereits länger als ein Jahr im Asylverfahren waren. Aufgrund einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg mußten aber ab Mai 1994 für diese Asylbewerber die Leistungen wieder in Geld gewährt werden. Lediglich die Asylbewerber, die erst kurze Zeit hier sind, erhalten weiter Sachleistungen. Bei der stetig abnehmenden Zahl dieser Personen wird aber auch hier aus wirtschaftlichen Gründen eine Umstellung auf ein unbares Abrech­ nungsverfahren nicht zu vermeiden sein. Im April 1994 verabschiedete der Bundes­ tag nach langem Ringen das Gesetz über die Pflegeversicherung. Ob hier im Jahre 1995, wenn die erste Stufe der ambulanten Pflege­ versicherung in Kraft tritt, eine Entlastung bei den von der Sozialhilfe gewährten Pflege­ leistungen (bislang DM 3 Millionen jährlich) eintritt, bleibt abzuwarten. Eine weitere Ent­ lastung sollte ab 1. 7. 96, dem Inkrafttreten der stationären Pflegeversicherung, erfolgen. Fortsetzung Seite 12

Keine Standortsuche mehr für eine Sondermülldeponie in Tuningen/Talheim Seit der Veröffentlichung des Gutachtens der Deut­ schen Projekt Union (DPU) im Juni 1993, wonach fii.r eine Sonder­ mülldeponie neben ande­ ren Plätzen auch das Ge­ biet um Tuningen!Tal­ heim in Frage kommt, gab es viel Unruhe unter der Bevölkerung. Der Um­ weltminister des Landes Baden- Württemberg, Herr Harald B. Schäfer, stellte sich am 7. 10. 1993 in Tuningen einer Diskussion (unser Bild unten). Die gemeinsamen Bemühungen vieler hatten Eifolg: Minister Schäfer teilte am 23. 2. 1994 vor der Landespressekonferenz mit, daß der Standort Tuningen/Talheim aus der weiteren Standortsuche herausgenommen werde, weil es sich bei den betroffenen Grundstücken um Erholungswald handle. 11

Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) Die Zeit seit der letzten Berichter tattung haben wir genutzt, um die planerischen Vor­ arbeiten für eine Verbesserung des ÖPNV weiter voranzutreiben. Stark beschäftigt hat uns die Neuordnung des sog. Hintervillinger Raumes. Leider können aus finanziellen Gründen die geplanten Maßnahmen jetzt nicht durchgeführt werden. Zu Beginn des Jahres 1994 konnte das Startzeichen zur Anschaffung von elektro­ nischen Fahrscheindruckern gegeben wer­ den, indem die erforderlichen Kreismittel aus früheren Jahren zur Verfügung ge teilt wurden. Zusammen mit Landeszuschü sen und Eigenmitteln der in Frage kommenden Busunternehmer konnte die Finanzierung sichergestellt werden. Technisch ist es nun möglich, die Einnahme der jeweiligen unter­ nehmerischen Leistung zuzuordnen, was im übrigen Voraussetzung für die Einführung eines einheitlichen Kreistarifs ist. Die Regionalisierung des Schienenperso­ nennahverkehrs, die am 1. 1. 1996 wirksam werden oll, wirkt sich auch im Schwarz­ wald-Baar-Kreis aus. Der ÖPNV als Aufgabe der Daseinsfürsorge fällt in die Zuständigkeit der Länder. Die näheren Einzelheiten ollen in einem ÖPNV-Gesetz des Landes festge­ legt werden, dessen „Eckpunkte“ bei Redak­ tionsschluß bereits in der Diskussion sind. Für den Landkreis ist u. E. wichtig, daß wir bis zum Wirk amwerden des Regionalisie­ rung ge etzes eine auf unseren Raum bezo­ gene Verkehrskonzeption, die Straße und Schiene verbindet, vorliegen haben, um dann beim Land für die nötige Finanzierung eintreten zu können. Deshalb wurde auch das Stadtbahnprojekt Bräunlingen/Villin­ gen-Schwenningen fortgeschrieben und der technischen Entwicklung (Dieselbetrieb statt elektrifiziertem Betrieb) angepaßt. Finan­ ziell gesehen kann eine Stadtbahn nur dann das Rückgrat eines integrierten Nahverkehr – konzeptes sein, wenn finanzielle Mittel aus der Regionalisierung zur Verfügung stehen und/oder die Deutsche Bunde bahn AG zu 12 moderaten Preisen ihre Gleisanlagen mitbe­ nutzen läßt. Unter Federführung des Regio­ nalverbandes haben sich die 3 Landkreise in der Region dieser Aufgabe zugewendet. Das City-Bahn-Konzept, das Freiburg und Villingen-Schwenningen zeitlich gün­ stig und möglichst umsteigefrei verbinden soll, könnte durch den Integralen Taktfahr­ plan profitieren. Werden in einer sog. Zwi­ schenstufe Dieselpendolinos eingesetzt, führt dies zu einer zeitlich attraktiven Verbindung. Wird in einem zweiten Schritt der Zielstufe, die jedoch erst nach dem Jahr 2000 einge­ führt werden soll, die Umsteigefreiheit ge­ währleistet, wären die Forderungen des City­ Bahn-Konzeptes voll tändig erfüllt. Dr. Rainer Gutknecht, Landrat Frühling Die Vögel singen allerorten. Hörst du die Stimmen, es ist Frühling geworden. Ganz leis über Nacht hat er den Winter vertrieben und ist uns zur Freude hier geblieben. Man atmet den Duft der ersten Blüten. Es klingt die Lu� voller Frühlingslieder. Man lauscht und lauscht den tausend Tönen. Der Vögel Plausch wiJI uns verwöhnen. Freude über Freude allüberall. Es ist wieder Frühling auf dem Berg und im Tal. Margot Opp

Unsere Städte und Gemeinden, Wappen Rietheim Wie zahlreiche andere Orte in Villingens Umgebung, so bezieht sich auch Rietheims 900-Jahrfeier 1994 auf die Gründungsnotiz des Klosters Sankt Georgen, die für das Jahr 1094 einen „Waltere de Rietheim“ vermerkt. Bei dem für 1091 in einer Urkunde des Schaffhauser Klosters Allerheiligen genann­ ten „Sigiboto de Ritheim“ bleibt die Zuord­ nung zum Rietheim im Schwarzwald-Baar­ Kreis fraglich. Noch andere Rietheims, im Landkreis Tuttlingen, bei Münsingen und gar in der Schweiz kämen hierfür in Frage. Doch sind solche Überlegungen immer ein wenig „akademisch“, da außerhalb der Schriftzeugnisse durchaus Anzeichen für ein höheres Alter bestehen. Dazu zählen neben dem später nachgewiesenen Ortsadel, Mini­ sterialen der Zähringer dann Fürstenberger, vor allem die aus den Zeiten frühester Chri­ stianisierung stammenden Besitzungen der Klöster Sankt Gallen und Salem auf der heu­ tigen Gemarkung. In der Nähe der mächtigen Stadt Villin­ gen konnte Rietheim trotz Zugehörigkeit zum fürstenbergischen Herrschaftsbereich der Warenburg nicht lange seine Eigenstän­ digkeit behalten. Als 1326 Burg und Land an Österreich gingen, war es um den bisherigen 13

Gottesdienste statt. Nur an hohen Fest-und Feiertagen kamen Villinger Kapuziner in die 1487 dem heiligen Konrad geweihte Kapelle, um die Messe zu lesen. Erst 1797 gelang es, Rietheim der Villinger Pfarrkirche anzu­ schließen, obwohl die Verwalter des (städti­ schen) Kirchenbe itzes, die „Heiligenpfle­ ger“, als städtische Bedienstete schon seit mindestens dem 17. Jahrhundert aus der Habsburger Stadt kamen. Rietheim teilte mit zahllosen Gemein­ den des deutschen Südwestens das schlim­ me Schicksal des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) und vor allem des Spanischen Erbfolgekrieges (1701-1714). Gewalt, Zerstö­ rung, Hunger und Seuchen waren an der Tagesordnung. Wenn sich der Ort jedesmal erholte und auch nach fast völligem Erlö­ schen vor 1648 aufs neue entstand, so lag es an der gottvertrauenden Zähigkeit der Über­ lebenden, die die Hoffnung und damit ihre Heimat nie aufgaben. Dies wäre jedoch bei­ nahe durch jenen unglückseligen Entschluß 1901 gelungen, die Gemarkung mit in die Flä­ che für einen riesenhaften Truppenübungs­ platz zu werfen, dem auch Tannheim und Pfaffenweiler mit einem guten Stück Villin­ ger Gemarkung zum Opfer fallen sollten. Fast hätten die Rietheimer nach einer mit 24 zu 18 Stimmen für den Platz ausgefallenen Bürgerversammlung sich selbst in Erwartung einer saftigen Bargeldentschädigung aufge­ geben, nachdem Villingen sie mit dem Argu­ ment einer Erhöhung der Grundstückspreise und möglicher Belebung des Handels ange­ zogen hatte. Erst als der Schrecken einer Umsiedlung nach Posen anstatt nach Villin­ gen die Entwurzelung in greifbare Nähe rückte, besann man sich und ließ alles beim Alten. Bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts blieb die Landwirtschaft die vorherrschende Ein­ kommens-und Lebensgrundlage, in der eine von 1810 bis 1900 von 160 auf 231 Personen langsam wachsende Dorfgemeinschaft ihr Auskommen fand. Doch suchten mehr und Fortsetzung Seite 16 Schutz geschehen. Das habsburgische Vil­ lingen erwarb die Dorfherrschaft, um sie bis in das 18.Jahrhundert fest in den Händen zu halten. So wuchs der Groll des zum abhängi­ gen Lieferanten für Agrarprodukte herabge­ sunkenen Rietheim und entlud sich endlich im Bauernkrieg. Aus den Reihen der Dorfge­ nossen kam jener Oswald Meder, der Mitun­ terzeichner – und vielleicht Mitverfasser – des in die deutsche Geschichte eingegange­ nen 16-Punkte-Forderungskataloges (Artikel­ briefes) war, den die Brigachtäler an einem stürmischen Novembertag 1524 dem Villin­ ger Rat präsentierten. Doch die Hoffnung auf eine Lösung von der Herrschaft blieb ein Traum, der kaum ein halbes Jahr später im grausamen Strafgericht der Herren zerstob. Im kirchlichen Leben hingegen konnten die Rietheimer durch ihre Zugehörigkeit zur Kirchdorfer Pfarrei ein gewisses Eigenleben behalten. In der dortigen, von Sankt Gallen leben abhängigen Pfarrkirche auf fürsten­ bergischem Boden, fanden die regelmäßigen 14

Es Laiblt· isch kon hohe Berg, geg anderi grad nu en Zwerg; ’s isch au nit grad en kleine Zwuckl, halt so en schöne, lange Buckl. De Wäeg dert nuff isch zwar ko Schuur, doch bliibsch mol schtau, gucksch au retuur. Und siehsch noch jedem Schritt i d’Höh älls wiiter no und äbel meh. Wie schön die Stadt im Grüene liit, und wies vill neui Viertel giit. Vu Süde duet de Eichberg grüeße, und Riete liit Der grad zu Füeße. En Katzesprung bloß wär es au, wenn dätsch ge Pfaffewiiler gau. Westwärts ziit sich de Schwarzwald naa, so wiit es Aug au blicke maa. Wie kaasch do hobe d’Alpe säeh, wenns duet bald ander Wetter gäeh! Es Laibli kinnt iis manches sage us graue, längst vergangne Tage; vum Lebe, Sterbe, Kumme, Gau, doch kaa si Sprooch wohl koes verstau. Mer woeß, es hond do Kelte glebt und ihren Fürscht scheints schwer verhebt, so daß si ihn, wies d’Kelte dond, uf em Laibli schön bestattet hond. Wenn ihm au koes en Kranz meh flicht, si einstig Grab jetzt kahl und schlicht, so manchi Schtei verzettlet sind, – am Laibli gooht en bsundre Wind. Elisabeth Neugart • Eine Anhöhe im Stadtbezirk Villingen 15

mehr Rietheimer Arbeit in den nahen Indu­ striebetrieben in und rund um Villingen, wie ie seit Beginn des Jahrhunderts entstanden. Vor allem nach 1950 ging die Zahl der Land­ wirte schnell zurück. Heute bestehen nur noch sieben Vollerwerbsbetriebe, die über­ wiegend auf 400 ha Fläche Viehzucht betrei­ ben. Den chritt in die moderne Zeit mit einer durchgreifenden Verbesserung oder dem Neuaufbau einer Infrastruktur tat Rietheim bereits in der Zeit des Großherzogtums Baden. Gleich anderen Gemeinden auf der Baar oder im nahen Schwarzwald bediente man sich zur Finanzierung dieser kostspie­ ligen Bauten des Waldes. Bis 1833 übernutzt und dann bis heute konsequent gepflegt und verwaltet, wurde er zu einer nie versiegenden Geldquelle. Mit dem Erlös aus dem Holzver­ kauf, der au einem bis heute um rund 300 Prozent je Hektar gesteigerten Holzvorrat gezogen wurde, beglich man die Gemeinde­ schulden {1852) und finanzierte heraus­ ragende Vorhaben wie die Brunnenleitung (1904), die Kriegsanleihe (1917), die Schul­ und Rathausumbauten {1922/30) oder zu­ letzt den Wiedereinbau 1949 von Kupferlei­ tungen im 1915 errichteten elektrischen Netz. Bis in die jüngste Zeit lebte Rietheim unverkennbar in einem gewissen Gleich­ klang mit der Region. In der Phase der Schul­ hausbauten in dem Jahrzehnt 1825 bis 1835 erhielt Rietheim 1827 sein erstes Gebäude. Als eine Vergrößerung anstand, nahm man dies wie andernorts zum Anlaß, um Verwal­ tung und Schule ab 1849 in einem einzigen Gebäude zusammenzuführen. Auch der Übergang von der Weimarer Republik in die Vorkriegsjahre der NS-Zeit zeigt Parallelen mit anderen Gemeinden ähnlicher Wirtschafts- und Sozialstruktur. So blieb der 1928 gewählte Bürgermeister JosefMutschler bis 1937 im Amt. Auch seine Ge chäftsführung wandelte sich bald von der verwalterischen Begleitung des neuen Staates zu einer verschleierten Opposition. Erst als er 193 7 eine Gemeinderatssitzung am Tag einer Villinger Parteikundgebung an- 16 setzte, war der Konflikt offenkundig und man betrieb seine Entlassung. Dann kam der Krieg und man hatte andere Sorgen. Der Neuanfang nach 1945 war schwierig, da die Überwachung und Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Produkte zusam­ men mit der Abgabe landwirtschaftlicher Geräte (schon 1941 alle 39 Zentrifugen und 40 Butterfässer) die bis dahin hauptsächliche Einkommens- und Lebensart, und daher das dörfliche Selb tverständnis, tief berührt hatten. Doch hat wahrscheinlich gerade dieser tiefe Einschnitt den Weg für eine Selbst­ bestimmung gebahnt, in der Rietheim seine Stellung und vor allem seine Beziehung zu Villingen dauerhaft bessern konnte. Einige neue und für Rietheim bedeutende Begeben­ heiten: Zwei neue Glocken und Rückkehr der letzten Kriegsgefangenen aus Rußland 1949, 45 Flüchtlinge bei 338 Einwohnern 1951, Fertigstellung des Flüchtlingswohn­ hauses für vier Familien 1956 und der Neu­ bau des Schulhauses 1965 waren sichtbare Zeichen für die Erneuerung des Ortes. Dazu kam die Neugründung 1955 des 1921 als Fuß­ ballclub FC Rietheim gegründeten Sportver­ eins und das Ende der alten öffentlichen Brause- und Wannenbäder 1960 im Zei­ chen gestiegener Hygieneeinrichtungen im Wohnbau. Den starken Bevölkerungsanstieg zwi­ schen 1950 und 1994 von 271 auf 935 Ein­ wohner verdankt Rietheim der Nähe zu Vil­ lingen-Schwenningen, wie auch die Indu­ strie dieser Stadt den Rückgang der landwirt­ schaftlichen Arbeitsplätze mehr als kompen- iert hat. Und zudem hat die Lage Rietheims in Sichtweite des immer mehr wachsenden Oberzentrums Villingen-Schwenningen dies­ mal eher Vorteil gebracht. Die Bereitstellung von Bauland und in geringerem Maße Ge­ werbeland, haben den Ort zu einer geschätz­ ten Wohngemeinde werden lassen, dessen Überschaubarkeit ein Gefühl von Geborgen­ heit erzeugt. Dr.Joachim Sturm

Das Wappen von Rietheim Wappen: In Rot ein goldener Kelch. Die kleine Gemeinde, seit dem 14. Jahr­ hundert bis 1806 ein Villinger Dependenz­ ort, hat auch im 19.Jahrhundert kein Wap­ pen besessen. Im Siegel und in den Farb­ stempeln standen die Buchstaben RH, von Laubzweigen umgeben. – Im Juli 1901 schlug das großherzoglich badische Generallandes­ archiv Karlsruhe vor, ins Wappen einen Abendmahlskelch zu nehmen als Attribut des Kirchenpatrons von Rietheim, des heili­ gen Konrad. Als seine Attribute gelten Spinne und Kelch. – Nach der Le­ gende soll dem heili­ gen Bischof Konrad von Konstanz einmal bei der Eucharistie un­ bemerkt eine Spinne in den Wein gefallen sein, die er dann ver­ schluckt habe. Doch sei sie ihm später wie­ der – noch lebend – aus dem Mund gekro­ chen. – Ein „Wun­ der“? Obwohl die Spinne schon garnicht in den Wappenentwurf mit aufgenommen wurde, konnte sich der Gemeinderat damals nicht mit dem Kelchwappen anfreunden, er lehnte ihn ab. Doch wurde später ein neuer Ge- meindestempel mit dem vorgeschlagenen Wappen angeschafft. Das geschah jedenfalls noch vor dem 1. Weltkrieg von 1914/18. Im Zuge der Gemeindereform wurde Rietheim zum 1. März 1972 nach Villingen­ Schwenningen eingemeindet. Dadurch hat das Kelchwappen seine amtliche Gültigkeit verloren. Prof. Klaus Schnibbe Quellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Wappenakten Amtsbezirk Villin­ gen, Landkreis Villingen u. Schwarzwald­ Baar-Kreis. – GLA Wappenkartei Schwarz­ wald-Baar-Kreis. GLA Siegelkartei Schwarzwald-Baar-Kreis. – R. Pfleiderer, Die Attribute der Heiligen, 2. Aefl., Ulm 1920. – H. G. Zier, Wappenbuch des Landkreises Vil­ lingen, Stuttgart 1965. – 0. Wimmer, Die Attribute der Heiligen, 2. Aufl., Innsbruck 1966. – H. Maulhardt/M. Reinartz (Red.), 900 Jahre Rietheim, Geschichte u. Gegenwart 1094/1994, hrsgg. v. Stadtarchiv Villingen­ Schwenningen 1994 (Schriftenreihe d. Stadt Vill.-Schw., Bd. 6), bes. S. 6Jjf: Aspekte der Kirchengeschichte. 17

Langenschiltach Wer auf der 1989 eingeweihten Straße nahe der Kreisgrenze Langenschiltach um­ fahrt, erhält einen schönen Blick auf den markanten Turm der vom St. Georgener Ar­ chitekten Berthold Haas erbauten und 1964 eingeweihten evangelischen Kirche. Sie erin­ nert daran, daß das Kloster St. Georgen und nach 1576 das württembergische evangeli­ sche Klosteramt den aus Einzelhöfen und Häusergruppen bestehenden Ort an der obe­ ren Schiltach seit 1483 in Händen hielt. Erst etwa zweihundert Jahre nach seiner Grün­ dung begann der Benediktinerkonvent die­ sen Teil des Schwarzwaldes stärker zu durch­ dringen. Derl303 urkundlich bestätigte Hof­ und Grunderwerb ist zudem die erste gesi­ cherte schriftliche Erwähnung von Langen­ schiltach. Aufschlußreicher für die Bestimmung des Ortsalters ist jedoch eine urkundliche Nen­ nung von 1330, die den Großteil der zum Dorf gehörenden Besitztümer als fürsten ber­ gisches und damit wohl noch älteres zährin­ gerisches Lehen kennzeichnet. So ist es nicht allzu gewagt, die Entstehung des Ortes vor das Jahr 1200 zu legen. Im 14. Jahrhundert schon begannen die großen Lehenshöfe des Klosters neben der Waldwirtschaft vor allem mit der Viehzucht. Bis heute hat in etwa dieses Verhältnis ange­ halten, da die 1231 ha Gemarkungsfläche über die Hälfte aus saftigen Wiesen besteht, während sich Wald und Ackerland die übrige Fläche ungefähr im Verhältnis 2:1 teilen. Oft wechselten die aus Holz errichteten mächtigen Schwarzwaldhäuser ihren Hofna­ men, so daß es nicht immer einfach ist, ihre Geschichte zu verfolgen. Die Herren von Falkenstein als Schutzvögte des Klosters übten die Gerichtsrechte über den bedeuten­ den Langenschiltacher Hofbesitz aus. Ihr zu langes unangefochtenes Regieren endete al- 18

dem Klosterweiher verspeist hatten, zogen sie friedlich wieder heim und das Kloster war gerettet. Zehn Jahre später kam die Reformation und Herzog Ulrich gelang es, das Kloster landsässig zu machen. Die Schirmvogtei wurde zur Landeshoheit, was in etwa bedeu­ tet, daß Langenschiltach nun von einer Art ,,Landratsamt St. Georgen“ seine Anweisun­ gen bekam. Auch nach dem Dreißigjährigen Krieg blieb Langenschiltach evangelisch und württembergisch, denn als Stichjahr fur die Festlegung der Religionsverhältnisse galt 1624. Mit der Einführung der kaiserlichen Thurn-und-Taxissehen Post, die auf der alten römischen Trasse und späteren Süd-Nord (Königs-)Handelstraße eine Postlinie Schaff­ hausen-Straßburg einrichtete, wurde Lan­ genschiltach durch seine Lage am Paßüber­ gang zur Poststation. 30 bis 40 Pferde waren seit 1760 ständig im Posthof, dem späteren Gasthof Grüner Baum, fur Umspannzwecke Langenschiltach: ,,Im Tal“ 19 Langenschiltach: ,,Im Tal“/Findling an der jun­ gen Schiltach lerdings in Bereicherung, Machtmißbrauch und scheinbar auch in Gewaltanwendung. 13 79 beschloß daher der St. Georgen er Kloster­ konvent unter Androhung von Pfründever­ lust und Kerker keine Familienangehörige der Falkensteiner mehr in das Kloster auf­ zunehmen. 1430 endlich übernahmen die Grafen von Württemberg die Schutzvogtei. Bis 1519 konnte St. Georgen nahezu ganz Langenschiltach erwerben. Im Bauernkrieg 1525 bildeten die Langen­ schiltacher Bauern eine „christliche Vereini­ gung“. Ortskirche und Pfarrer ließ man in Ruhe und richtete seine Wut nur auf das Kloster als Steuer- und Gerichtsherren. Doch kaum waren die Bauern mit vielen Nachbarn in der Sommerau angelangt, hatte der schlaue Abt Nikolaus Schwander bereits einige Wa­ gen Wein bereitgestellt und mehrere Ochsen und Kühe schlachten lassen. Nachdem die Bauern schließlich auch 300 Karpfen aus

den, konnte Langenschiltach nicht alle seine Einwohner halten. Nach einer Phase des Auf­ schwunges zwischen 1946 und 1950, in der die Einwohnerzahl um 15 0/o von 578 auf 665 stieg, ging diese bis heute leicht auf 622 (30. 6.1993) zurück. Die Veränderungen in der Bevölkerung – und Altersstruktur und die Abwanderung aus der Landwirtschaft konnten durch die Schaffung eines Neubau­ gebietes mit 26 Wohnhäusern im Bereich des Fleighansenhofes nicht ganz wettge­ macht werden. Die Langenschiltacher sind aber dadurch nur um so näher zusammengerückt. Neue Vereine entstanden, alte wurden wiederbelebt: 1947 der Ortsverein de Badischen Landwirt­ schaftlichen Hauptverbandes (BLHV); 1962 Fremdenverkehrsverein und 1965 der evan­ gelische Kirchenchor. Die Eingemeindung 1973 nach t. Geor­ gen hat nicht nur die alten Bindungen erneu­ ert, sondern vor allem auch die Vorausset­ zungen geschaffen, daß die Langenschilt­ acher die Einrichtungen de Mittelzentrums in allen Bereichen der Kultur und Daseins­ fursorge besser nutzen konnten. Um Langenschiltachs heutige Stellung zu erkennen, muß man nur einmal die Verbin­ dungslinie über St. Georgen hinaus bis zum itz des Landkreises in Villingen-Schwen­ ningen weiterziehen. Am Rande des Kreisge­ bietes, aber inmitten de Schwarzwaldes gelegen, kommt Langenschiltach die Rolle des „Botschafters“ zu. Dem Wanderer oder dem Touristen, der über die alte Poststraße das Tal heraufkommt, entbietet Langenschilt­ ach mit seinen grünen Wiesen, rauschenden Bächen und hohen Tannen das Willkom­ men des Schwarzwald-Baar-Kreises. Dr. Joachim Sturm bereitgestellt. Im Winter hatten die Bauern durch Vor panndienste im hohen Schnee einigen Zusatzverdienst. So angesehen war die Po thalterei, daß deren Inhaber am Ende gar mit dem Auftrag versehen wurde, die schulpflichtigen Kinder und auch die Hütekinder im „Hirtengymna­ sium“ zu unterrichten. Bis 1836 fand die Schule in der Posthalterei statt. Erst danach wurde ein Lehrer besoldet und 1838 ein Schul- und Rathaus errichtet, das bis zur Ein­ gemeindung 1973 nach St. Georgen seine Dienste leistete. Der am Ende mißlungene Versuch des Austausches von Wohnstätten und dreißig reichen Bürgern mit Tennenbronn 1836 lei­ tete die Zeit einer verhaltenen Entwicklung im Großherzogtum Baden ein. Die Zerstreu­ ung der Wohnplätze entlang der Schiltach und ihrer kleinen Zuflüsse, die langsame, fast stagnierende Bevölkerungsentwicklung und die Verlegung der großen Straße 1839 ins Paralleltal Hornberg-Triberg waren wesentli­ che Gründe, warum Langenschiltach erst sehr spät zu einer Infra truktur kam, wie sie viele größere Orte mit dichter Bebauung noch vor 1900 erhielten. Die beiden Weltkriege mit 33 Gefallenen und Vermißten im Er ten und 43 Gefallenen im Zweiten Weltkrieg hemmten noch ein­ mal den Aufschwung. Erst 1925 beispielsweise hatte man so ein eigenes Stromnetz fertigstellen können. Noch später erhielt die Gemeinde eine groß­ flächige Wasserversorgung mit Wasserhoch­ hälter samt Pumpstation und einer rund neun Kilometer langen Rohrleitung. Auch das Vereinsleben entwickelte sich recht spät in der Weimarer Republik und kam erst nach dem Zweiten Weltkrieg zur Blüte. 1921 war das Gründungsjahr de Rad­ fahrervereins Frohsinn, der Trachtenmusik­ verein wurde 1927 aus der Taufe gehoben. 1940 erfolgte die Gründung der Freiwilligen Feuerwehr. Trotz des industriellen Aufschwunges im nahen St. Georgen in den 1950er und 1960er Jahren, wo viele Arbeitskräfte benötigt wur- 20

Das Wappen von Langenschiltach Wappen: In Silber auf grünem Schildfuß stehend ein schwarzer Räderpjlug. Als Langenschiltacb durch den Pariser Vertrag vom 21. Oktoberl810 zusammen mit dem gesamten württembergischen Oberamt Hornberg an das neue Großherzogtum Baden abgetreten werden mußte, besaß die Gemeinde wohl noch kein eigenes Siegel. – Dem Huldigungsprotokoll aller Einwohner zur Thronbesteigung des neuen Großher­ zogs Carl vom 19. August 1811 wurde ein neues Lacksiegel aufgedrückt; es war hoch­ oval und zeigte das damalige badische Staatswappen, umgeben von der Um­ schrift VOGTEY LANGENSCHILTACH. ein damals weitverbreitetes Einheitsmuster. Die badische Gemeindeordnung von 1831 änderte die Bezeichnung Vogtei in Gemein­ de. Das wohl danach beschaffte runde Siegel weist, sauber graviert, nur die Inschrift GEMEINDE ,:- LANGEN ,:- SCHILTACH au( – Bereits 1840 äußert die Gemeinde den Wunsch nach einem Siegel mit den Buch­ staben L S, doch erst der seit 1880 verwen­ dete Farbdruckstempel mit der Umschrift C/) GEMEINDE C/) LANGENSCHILTACH zeigte von zwei Lorbeerzweigen umgeben die verschlungenen Kursivbuchstaben � � Im Jahre 1900 schlug das Großherzoglich badische Generallandesarchiv als Gemein­ dewappen das Wappen der Herren von Fal­ kenstein zu Ramstein vor, die hier einst teil­ weisen Besitz hatten: In Schwarz auf goldenem Dreiberg ein stehender silberner Widder. – Doch berichtete das Bezirksamt Triberg darauf an das Innenministerium in Karlsruhe: ,,Die Gemeinde Langenschiltach wünscht als Siegelbild die Buchstaben ,L S‘, wie im alten Siegel, oder einen ,Pflug‘ oder ein ,Pferd‘, dagegen nicht den ,Widder‘.“ – Darauf schlug das GLA ein Wappen mit einem Räderpflug vor, wie es schon von der Ge­ meinde Unterentersbach (Bez. Offenburg) geführt wurde. Damit war die Gemeinde ein­ verstanden. Der Pflug war ursprünglich nicht in heral­ discher Farbgebung sondern „natürlich“ wiedergegeben: blauschwarze Eisenteile und braunes Holz. Da in den Stempeln ja nur eine Schwarz-Weiß-Darstellung stand, störte sich niemand daran. Erst 1961 wurde der Pflug als heraldisch schwarz festgelegt. Das Innenministerium Baden-Württemberg nahm die Farbänderung unterm 22. Januar 1962 zur Kenntnis. – Mit der Eingliederung in die Stadt St. Georgen im Schwarzwald zum 1. Juli 1973 ist der amtliche Gebrauch dieses Wappens erloschen. Prof. Klaus Schnibbe Quellen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Wappenakten Bezirke Triberg und Villingen, sowie Landkreis Villingen. – GLA Wappenkartei, Schwarzwald-Baar-Kreis. – GLA Siegelkartei, Schwarzwald-Baar-Kreis. – H. G. Zier, Wappenbuch des Landkreises Villingen, Stuttgart 1965. Schlechte Troscht ,,Franzsepp, jetz kunnscht du in Himmel, häscht dert Friide und all Freid; ’s hätt i dier uff iiserm Buckel nie e Hoa e Eier gleit!“ ,,’s ischt mer gliich, ech duer gern schtärbe, bi am Läbe nimme froh. ’s ergscht ischt nu, mer lob de Himmel di letzscht Ziit au nimme soo!“ Gottfried Schafbuch t 21

Hondingen Hondingen, eingebettet im Tal des Müh­ lenbaches, auf der Südseite des Fürstenber­ ges, zwischen Wallenberg und Länge, hat eine Gemarkung von 1032 Hektar, darunter 601,10 Hektar Wald. Es ist erstmals 746 urkundlich erwähnt, dürfte aber als aleman­ nische Siedlung weit früher bestanden haben, wie das die Chronik von Martin Münzer ausweist. Die St-Martins-Kirche (Schiff) stammt aus dem 8.Jahrhundert, wenn man die Untersuchungen des Verfassers der Chronik zugrunde legt. Der mächtige trutzige Turm trägt die Jahreszahl 1455, allerdings gegrün­ det auf dem Fundament eines früheren Bau­ werkes. Im Laufe der Jahrhunderte hat die Kirche viele Veränderungen erfahren. Dazu gehört auch die Eingangshalle mit Empore „Die Kapelle unserer lieben Frau“. Das „Hondinger Fäscht“ erinnert alljährlich an die seit 600 Jahren bestehende Marienver­ ehrung. Erneuerungs- und Renovierungsarbeiten waren mehrfach notwendig. Reichlichen Schmuck erhielt das Gotteshaus im 18.Jahr­ hundert. Auf der Rückseite des Hochaltares ist folgender Vermerk enthalten: ,,Zur Ehre Gottes, der seligsten Jungfrau Maria und aller Heiligen hat dieser Altar mit den zwei Seiten­ altären besorgt der gerade ehrenwerte und außerordentliche Herr Andreas Zolck, des ehrwürdigen Kapitels Wurmlingen und ver­ dienstvollen Pfarrers von Esslingen im Jahre 1711. Bildhauer war Joseph Schupp, Maler Jo. Martin Meinrad, Villingen.“ Der Hochaltar und die beiden Seitenal­ täre wurden 1966 abgebaut für die notwen­ dige Restaurierung. Erst 1985 kehrte der Hochaltar in das Gotteshaus zurück und zu Weihnachten 1988 auch die Seitenältäre mit den übrigen Figuren zur großen Freude der ganzen Gemeinde. Fremde Besucher der St-Martins-Kirche sind stets voller Bewun­ derung. 22

Hondingen war wie fast alle Gemeinden bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges ein rein bäuerliches Dorf Seither hat sich die Struktur jedoch ganz wesentlich verändert. Es gibt im Ort gerade noch vier Vollerwerbs­ landwirte. Die meisten Bürger, einschließ­ lich der Zuerwerbslandwirte, sind Auspend­ ler und arbeiten in den umliegenden Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbe­ trieben, der weitgrößte Teil in Blumberg. Gleich nach dem letzten Weltkrieg wur­ den mehrere Gemeinschaftseinrichtungen geschaffen, so eine Gemeinschaftsantennen­ anlage, Gemeinschaftsgefrieranlage und die Bildung eines Wasserversorgungsverbandes. 1971 konnte das Beschleunigte Zusammenle­ gungsverfahren und damit auch der großzü­ gige Ausbau des landwirtschaftlichen Feld­ wegenetzes zum Abschluß gebracht werden. Seit 1. April 1972 ist Hondingen ein Stadt­ teil von Blumberg. Die Infrastruktur konnte seither wesentlich verbessert werden. Ortska­ nalisation, Straßenbau, die Renovierung von städtischen und privaten Gebäuden mit Zu­ schüssen des Landes, Dorfbrunnen, Fried­ hoferweiterung, Schaffung von Anlagen und Anpflanzung von Laubbäumen sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Verwirk­ licht wurde der Bebauungsplan „Öhmdwie­ sen“. Nach Aufhebung der Grundschule gelang es, im Schulgebäude einen städti­ schen Kindergarten einzurichten. Positiv herauszuheben ist das rege Ver­ einsleben und der Gemeinschaftssinn der Bürger. Viermal hat Hondingen am Wett­ bewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ teilgenommen und stets sehr gute Resultate erzielt. Das altehrwürdige Pfarrhaus, eines der ältesten Gebäude im Ort, war viele Jahre ein Ärgernis der Einwohner und gammelte still und leise vor sich hin. Seit 1958 war es ver­ waist. Die Seelsorge hat seither Pfarrer Franz Ruby, Fürstenberg, übernommen. 1987/88 entschloß sich die Kirchenbehörde zur Renovierung des Gebäudes. Im September 1988 konnte der Ruheständler, Pfarrer Karl Johannes Heypeter, das Haus beziehen. Die ehemalige Scheune ist zu einem schmucken Pfarrheim ausgebaut worden, das für kirchli­ che und andere Veranstaltungen zur Verfü­ gung steht. Der geschmackvolle Raum mit Küche und kleinem Nebenzimmer findet einen erfreulichen Zuspruch des monatli­ chen Altentreffs „Seniorenclub St. Martin“, der von Ortsvorsteher Hubert Münzer und seiner Frau Uschi hervorragend geleitet wird. Durch eine großzügige Spende eines Hondinger Ehepaares wurde das Geläute der St-Martins-Kirche verstärkt durch zwei Glocken. Die größte trägt den Namen des Kirchenpatrons, während die kleinere der Gottesmutter geweiht ist. Erstmals an Ostern 1981 haben die Glocken die Gläubigen zum Gottesdienst gerufen. Der neue Sportplatz des am 21. Septem­ ber 1974 gegründeten Sportvereins konnte am 13.Juli 1980 in Betrieb genommen wer­ den. Wie in den übrigen Gemeinden hat die Stadt Blumberg 60 Prozent der Kosten über­ nommen. Das 40jährigeJubiläum des Musikvereins war 1991 ein kulturelles Ereignis ersten Ran­ ges. Seine verbindende Kraft in der Dorfge­ meinschaft kann nicht hoch genug einge­ schätzt werden. Initiator der Gründung war der ehemalige Bürgermeister Karl Gilly. Im Jahre 1987 wurde der „Röhrtalzug“ ins Leben gerufen, eine Schalmeien-Gruppe, die schon nach wenigen Jahren ihre Daseinsbe­ rechtigung unter Beweis gestellt hat. Relativ spät, erst am 14.Januar 1940, fand die Gründungsversammlung der Freiwilli­ gen Feuerwehr statt. Das 50jährige Jubiläum mit zahlreichen Gastwehren wurde entspre­ chend gefeiert. Besondere Beachtung im gemeindlichen Leben finden auch die Landfrauen und die Landjugend. Letztere hat 1993 das Kreisem­ tedankfest ausgerichtet und dafür viel Lob und Anerkennung erhalten. Ortsvorsteher Hubert Münzer hat schon früh erkannt, daß das gemeinschaftliche Miteinander in einem Gemeinwesen nur funktionieren kann, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu gehört eine Einrichtung, in der Gemein- 23

schaft praktiziert werden kann. Bereits 1986 hat Münzer dieses Thema im Ortschaftsrat zur Sprache gebracht. Der Wunsch nach einem Gemeinschaftshaus wurde an die Stadt herangetragen. Schließlich erhielt der örtliche Architekt Helmut Ochs den Auftrag für einen Entwurf mit Kostenberechnung. Auf zwei Millionen Mark bezifferte sich die Kostenschätzung, eine Summe, die, gemes­ sen an der finanziellen Lage der Stadt, nicht akzeptierbar war. ,,Abspecken“ war das Ge­ bot der Stunde, um überhaupt Befürworter im Gemeinderat zu finden. In Verhandlun­ gen mit den Vereinen und Bürgern war es möglich, gewisse Eigenleistungen auszuwei­ sen, so daß schließlich 1,4 Millionen Mark zur Finanzierung anstanden. Ein Landeszu­ schuß war bereits genehmigt. 1991 konnte das Bauvorhaben begonnen und ein Jahr später zur Freude der gesamten Einwohner­ schaft eingeweiht werden. Ein langgehegter Wunsch hat damit seine Erfüllung gefunden. 1991 hat Hondingen auch die 500-Seelen­ Zahl überschritten. Im gleichen Jahr hat das seit 1455 bestehende Gasthaus Adler seine Pforten geschloßen. Das einzige Lebensmit­ telgeschäft konnte sich mangels Inanspruch­ nahme nicht mehr halten und hat dicht gemacht. Ähnlich erging es der Poststelle, der Volksbank-Zweigstelle und der Raiffei­ sengenossenschaft. Positiv darf bewertet wer­ den, daß die jungen Hondinger im Dorf blei­ ben wollen. Die Forderung des Ortschaftsra­ tes auf Erschließung von Baugelände im Gewann „Kirchberg“ wurde vom Gemeinde­ rat genehmigt. 590.000 Mark sind fur die Bau­ maßnahme veranschlagt, die am 27. April 1994 begonnen wurde. Insgesamt 18 Bau­ plätze für Einfamilienhäuser mit Einlieger­ wohnung werden ab Herbst 1994 für die Bauwilligen bereitstehen. Bis zum Jahres­ ende wollen die ersten Häuslebauer ein­ ziehen. Hans Müller Das Wappen von Hondingen Wappen: Von blau-silbernem Wolkenfeh-Schild­ rand umgeben, in Rot ein wachsender goldener Abtsstab mit silbernem Sudan.um. Die alt-fürstenbergische Gemeinde (bis 1806) hat noch im 19.Jahrhundert kein Wap­ pen geführt. Um die Jahrhundertwende hatte das Großherzoglich badische General­ landesarchiv in Karlsruhe begonnen, für alle badischen Gemeinden Wappen zu entwer­ fen. Da schon im 9.Jahrhundert das Kloster St. Gallen Besitz in Hondingen hatte, schlug das GLA im Jahre 1903 vor, deshalb einen Abtsstab ins Wappen zu nehmen und ihn mit dem fürsten bergischen Wolkenfeh, einer stilisierten Pelzdarstellung, zu umgeben. Der Abtsstab wird in heraldischer Darstellung vom Bischofsstab durch das „Sudarium“ (lat. für Schweißtuch) unterschieden. Der Vor­ schlag wurde vom Gemeinderat für gut befunden und angenommen. Seither wurde 24 dieses ansprechende Wappen, vor allem in den Gemeindestempeln, geführt. Amüsant ist, daß sich im Jahre 1970 die Frage erhob, ob es sich bei dem Wappenbild um einen „Baum“ oder einen „Bischofsstab“ handle. Niemand im Rathaus konnte Aus­ kunft geben. Erst eine Anfrage beim General­ landesarchiv in Karlsruhe führte zur Klarstel­ lung. Bei dieser Gelegenheit wurde übrigens das Sudarium als golden blasoniert (angespro­ chen) und so dargestellt! Durch die Eingemeindung in die Stadt Blumberg zum 1. April 1972 ist der amtliche

Gebrauch dieses gelungenen Wappens erlo­ schen. Doch es kann weiterhin von Vereinen und einzelnen Bürgern des Ortsteils gezeigt werden. Prof. Klaus Schrubbe {}]teilen und Literatur: Generallandesarchiv Karlsruhe, Wappenakten Amtsbezirk Donau­ eschingen, Landkreis Donaueschingen und Schwarzwald-Baar-Kreis. – GLA Wappen- kartei Schwarzwald-Baar-Kreis. – GLA Sie­ gelkartei Schwarzwald-Baar-Kreis. – B. Heim, Hera/dry in the Catholic Church, Ger­ rards Cross, Bucks.lU.K.1978 (Sudarium). – M. Münzer, Geschichte des Dorfes Hondin­ gen, 1979. – K. Schnibbe, Gemeindewappen im ehem. Landkreis Donaueschingen, in: Schriften d. Vereins J Geschichte u. Natur­ gesch. d. Baar in Donaueschingen, Bd. 33 (1980). Das Wappen der Stadt Vöhrenbach Wappen: In Blau ein goldener Wellenschrägbal­ ken, belegt mit einer aefwärtsschwimmenden roten Forelle. Das ältere Wappen Vöhrenbachs, das wohl schon bald nach der Stadtgründung (1244) eingeführt wurde, zeigte bekanntlich einen stehenden Esel, von dem aber heute niemand mehr weiß, was er zu bedeuten hatte. Viele Vermutungen und Sagen rank­ ten sich um dieses Wappentier. Falsch ist auf jeden Fall, daß der Esel als Sühne für die Ermordung des fürstenbergischen Ober­ vogts im Bauernkrieg von 1525 eingeführt werden mußte. – Der Esel stand schon lange vor dieser Zeit im Stadtsiegel. Der älteste, heute noch erhaltene Siegel­ abdruck hängt an einer Urkunde vom Jahre 1498. Jedoch scheint der Siegelstempel dem Stil nach bereits in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts zurückzureichen. Der Esel steht hier in einem gotischen Dreieckschild. – Besonders schön darge­ stellt wird er im Renais­ sancewappen des 2. Sie­ gels mit der Umschrift �:-s�:- CIVITATIS : IN : VERENBACH +/ 1586. Abdrücke davon sind von 1622 bis 1760 bekannt; – daneben erscheint 1752 noch ein kleines Rokokosiegel mit dem Esel im kartuschenverzierten Rundschild. Leider sind uns Farben für dieses Wappen nicht überliefert. – Ob die „Ballen“, die im ältesten Siegel ins Schildfeld gestreut erschei­ nen, Silbermünzen darstellen, und der Esel damit auf früheren Bergbau im Bregtal hin­ weisen soll, mag dahingestellt bleiben. Da aber diese Ballen mit der Zeit aus dem Schild verschwinden, scheinen sie keinen wesent­ lichen Bestandteil des Wappens gebildet zu haben und sind wohl eher als „Damaszie­ rung“ (= Verzierung des leeren Schildfeldes) aufzufassen. Daß die Bürger Vöhrenbachs manchmal wegen dieses Wappenbildes gehänselt wor­ den sind, geht aus einer Bittschrift um Wap­ penänderung hervor, die die Stadtoberen 1802 an den regierenden Fürsten Karl Joachim von Fürstenberg richteten. Dieser gestattete sei­ ner Stadt daraufhin am 10. Juli 1802, gegen Erlegen einer Gebühr von 50 Gulden, fortan eine in einem Bach schwimmende Forelle im Wappen zu führen. – Die Forelle (forha) im Bach „redet“ für den Stadtnamen. 25

Das neue Sie­ gel, das man nun stechen ließ, ist nebenstehend abgebildet. Es gleicht in Größe Aufma­ und chung ganz dem Rokokosiegel von 1752, zeigt jedoch im kartuschenverzierten Rundschild (nach der Schraffierung gespal­ ten von Rot und Silber) einen Schrägbalken mit Wellenandeutung, belegt mit einem auf­ wärtsschwimmenden Fisch. Die genaue Farbgebung bleibt unklar, die ganze Darstel­ lung unbefriedigend. Die Umschrift lautet · SIGIL: CIVITATIS VERENBACENSIS · Das nächste Siegel aus der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts zeigt dann im blau­ schraffierten ovalen Wappenschild einen Wellenschrägbalken, belegt mit der auf­ wärtsschwimmenden Forelle. Auf weiteren Siegeln und Stempeln kommt die Forelle aber auch auf einem Schräglinksbalken ab­ wärtsschwimmend vor. – Die heutige Farb­ gebung, die aber schon 1862 auf Stiehle’s Wappentafel wiedergegeben ist, wurde erst 1905 auf Betreiben des badischen General­ landesarchivs Karlsruhe durch Gemeinde­ ratsbeschluß endgültig festgelegt. Vöhrenbach wurde nach der Zerstörung der Burg Neufürstenberg bei Hammereisen­ bach im Bauernkrieg 1525 Amtssitz des vor­ maligen Amtes Neufürstenberg. Es wurde noch 1802 in ein neues fürstlich fürsten bergi­ sches Obervogteiamt Vöhrenbach umge­ wandelt, das jedoch nach dem Übergang an das neue Großherzogtum Baden 1806 im Jahre 1808 aufgelöst und dem badischen Amtsbezirk Neustadt zugeschlagen wurde. 1850 kam die Stadt zum Amtsbezirk Villin­ gen und am 1. April 1924 zum Amtsbezirk, nachmals Landkreis, Donaueschingen. – Durch die Deutsche Gemeindeordnung von 1935 verlor Vöhrenbach das Recht auf die Bezeichnung „Stadt“. Am 6.September 1956 beschloß der Gemeinderat das Stadtrecht wiederanzunehmen. Die Bestätigungsur- 26 kunde des Innenministeriums Baden-Würt­ temberg datiert von 11. Oktober des gleichen Jahres. – Mit der Kreisreform kam Vöhren­ bach am 1. Januar 1973 zum neugebildeten Schwarzwald-Baar-Kreis. Prof. Klaus Schnibbe Quellen und Literatur: FF Archiv Donau­ eschingen. – Generallandesarchiv Karlsruhe, Wappenakten Amtsbezirke Villingen und Donaueschingen u. Lkr. Donaueschingen. – GLA Wappenkartei Schwarzwald-Baar­ Kreis. – GLA Siegelkartei Schwarzwald­ Baar-Kreis. – X. Stiehk, Wappen und Siegel sämtlicher Städte des Großherzogthums Baden, o. 0. 1862. – j. Siebmachers großes Wappenbuch, Bd. /, 4.Abth., Die Wappen der Städte und Märkte in Deutschland und den angrenzenden Ländern, Nürnberg 1885 ff. (Nachdruck Bd. 6, Neustadt a. d.Aisch 1974). – F. Frankhauser u. A. Krieger, Siegel der badischen Städte, 3. Heft, Heidelberg 1909. – 0. Hupp, Deutsche Ortswappen, hrsgg. Kaffee HAG, Bremen o.j. (um 1927), Freistaat Baden. – Gem. Amtsbl. Baden-Württ. 5 (1957) S. 210. – E. Keyser, Badisches Städte­ buch, Stuttgart 19 5 9 (= Deutsches Städtebuch, Ed.IV, 2. Teilband Baden). -K.S.Bader, Bei­ träge zur älteren Geschichte der Stadt Vöhren­ bach, Vöhrenbach 1965. – K. Stad/er, Deut­ sche Wappen, Bundesrepublik Deutschland, Band 8, Die Gemeindewappen des Bundes­ landes Baden-Württemberg, Bremen 1971. – K. Schnibbe, Gemeindewappen im ehemaligen Landkreis Donaueschingen, in: Schriften d. Vereins J Gesch. u. Naturgesch. d. Baar in Donaueschingen, Band 33 (1980). – K. Schnibbe, Vöhrenbachs Wappen, in: VHS „ Oberes Bregtal“ Furtwangen, Trimesterplan 1/1981. – H. John u. M. Heine, Kreis- u. Gemeindewappen in Baden-Württ., Bd. 3, Die Kreis- und Gemeindewappen im Reg. -Bez. Freiburg, Stuttgart 1989. – K. Schnibbe, Die Wappen des Schwarzwald-Baar-Kreises, sei­ ner Städte und Gemeinden, Faltblatt hrsgg. v. Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis, Vil­ lingen-Schwenningen 1991.

Schulen und Bildungseinrichtungen 30 Jahre Landesberufsschule für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Villingen „Ab nach Villingen“ hieß es 1963 für die bis dahin auf der Bodenseeinsel Reichenau beheimatete Fachschule für das Hotel- und Gaststättengewerbe. Weitsicht und Beharr­ lichkeit der Villinger Gastronomen Adolf Ketterer, Hans Diegner und Erwin Kaiser, des Oberbürgermeisters der Stadt Villingen Severin Kern, des Landrates Dr.Josef Astfäl­ ler sowie des Hauptgeschäftsführers der Industrie- und Handelskammer Dr. Rein­ hold Dietl machten diesen Umzug möglich. Villingen bot mit den Handelslehranstalten und einem ausgedienten Krankenhaus in unmittelbarer Nähe günstige Voraussetzun­ gen zur Einrichtung einer Fachschule mit Internat. Am 15. September 1963 konnten der Schulbetrieb aufgenommen und die ersten Köche, Kellner, Hotel- und Gaststät­ tengehilfen sowie Hotelkaufleute in den all­ gemeinen und fachspezifischen Fächern unterrichtet werden. Durch den Anstieg der Schülerzahlen wurden die Unterrichtsräume knapp, so daß selbst in der ehemaligen Kran­ kenhauskapelle und in den Holzbaracken – sie dienten vormals als Isolierstation des Krankenhauses – unterrichtet wurde. Im Jahre 1971 wurde das neu erstellte Schul­ gebäude mit 14 Klassenzimmern, einem Chemiesaal, zwei Räumen für das praktische Servieren und einer Lehrküche bezogen. Oberstudiendirektor Herbert Motz bei der Begrüßung der Ehrengäste und Gratulanten 27

Ausdauer, Fantasie, Geschicklichkeit und Sinn für Asthetik demonstrierten eindrucksvoll Koch­ A uszubi!dende 28

Neue Ernährungstrends in der traditionellen Gastronomie Gingen im Jahre 1963/64 1.000 Schüler in Villingen zur Schule, waren es 1971/72 bereits über l. 700 und vier Jahre später über 2.800. Die Schülerzahl war so groß gewor­ den, daß ein Teil der Schüler in den vorgese­ henen Unterrichtsblöcken von jeweils neun Wochen Schule nicht mehr beschult werden konnte. Ein weiterer Aus- und Anbau der Schule war unumgänglich. Mit einem Kostenaufwand von über 13 Millionen DM wurde 1981 unter der Feder­ führung von Landrat Dr. Rainer Gutknecht ein zusätzlicher Schultrakt mit 12 Unter­ richtsräumen, 2 Lehrküchen und 2 Servier­ räumen, ein Internat mit 200 Plätzen und eine Turnhalle in Betrieb genommen. Die Schülerzahl war mittlerweile auf 3.287 ange­ stiegen. Mit den nun über 600 Internatsplät­ zen konnte auch die Quartierfrage befrie­ digend gelöst werden. Die ständig wachsende Schülerzahl zog ein ständig wachsendes Lehrerkollegium nach sich. Hatten 1963 noch 12 Lehrer den Schulbetrieb bewältigt, so sind es heute rund 40. Ihr Engagement geht weit über das Nor­ malmaß hinaus. Neben dem reinen Berufs­ schulalltag wirken die Lehrer bei Meisterkur­ sen und Meisterprüfungen mit. Mit fach­ praktischen Kursen für irische Küche und für angehende Köche aus China, die die euro­ päische Kochkunst hier erlernen, hat sich die gastronomische Fachschule in Villingen auch international einen Namen gemacht. So kann man mit Recht behaupten, daß Absolventen der Villinger Landesberufs­ schule in Hotels und Restaurants der ganzen Welt anzutreffen sind. Mit Beginn des Schul­ jahres 1991/92 gab Oberstudiendirektor Franz Etspüler, der 21 Jahre .die Geschicke der Landesberufsschule geleitet hatte, die Führung an Herbert Motz ab. So sind nun 30 Jahre vergangen, seit die Landesberufsschule (tir das Hotel- und Gast­ stättengewebe, die von den Villingern 29

Aller Anfang ist schwer! Diese Weisheit trifft insbesondere für JOjunge Chinesen zu, die seit dem Jahres­ beginn 1994 an der landesberefsschule für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Villingen in die Geheimnisse der badischen Küche eingeführt werden. respektvoll Hotelfachschule, von den Schü­ lern eher respektlos „Hofa“ genannt wird, ihren Sitz vom Bodensee in den Schwarz­ wald-Baar-Kreis nach Villingen verlegt hat. Grund genug, dieses außergewöhnliche Jubi­ läum zu feiern. 30 Jahre Landesberufsschule für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Villingen war für Lehrer und Schüler Anlaß und Her­ ausforderung, eine einmalige Leistungs­ schau zu arrangieren und diese einem brei­ ten Fachpublikum zu präsentieren. Als der Hausherr, Oberstudiendirektor Herbert Motz, die illustre Gesellschaft der Gratulanten, unter ihnen der Ltd. Regie­ rungsdirektor im Landratsamt Friedemann Kühner, der Vizepräsident des Hotel- und Gaststättenverbandes Heinrich Schwär und die Vorsitzende des Landesausschusses für Berufsbildung Eva Rühle, am 21. Oktober 1993 begrüßte, hatten die angehenden gastro- nomischen Fachkräfte, die derzeit die Villin­ ger Bildungseinrichtung besuchen, eine aus­ drucksstarke Präsentation von gastgewerb­ lichen Themen in 26 Unterrichtsräumen aufgebaut. In einem Schüleraufsatz liest sich dieser Projekttag so: ,Jede Klasse hatte sich ein spezielles Thema ausgewählt, das sie in ihrem Klassenzimmer ausgestaltete. So hat­ ten einige Köche alle Sorten von Rohmilch­ käse zusammengetragen und zu jeder Sorte eine Beschreibung gefertigt. Durch kleine Kostproben konnte man die geschmackli­ chen Eigenheiten der einzelnen Sorten ver­ gleichen. In einer gemütlich eingerichteten Milchbar wurden verschiedene Milchcock­ tails und -shakes angeboten. Außer der Milchbar gab es auch eine richtige Cocktail­ bar, die viele interessante Mixgetränke be­ reithielt. Die Servierräume waren in eine badische Wirtsstube verwandelt, wo es Sekt, Bier, verschiedene badische Weine, Schwarz- 30

wälder Speck, Honig und köstliche Marme­ laden zum Probieren gab. Eine Präsentation von über 500 verschiedenen Bier- und Wein­ gläsern konnte man ebenso bewundern, wie die verschiedenartigen Anrichteweisen von Süßspeisen, schön verzierten Torten, Petits Fours und Gebäckarten. Das krasse Gegen­ teil zu den Süßspeisen waren die Meeres­ früchte. Eine derartige Artenvielfalt hatten die meisten Schüler bis dahin noch nie gese­ hen. Wer sich traute, der konnte frische Austern und Muscheln probieren. Ebenfalls außergewöhnlich war die Ausstellung von exotischen Gemüsen und Früchten. Der würzige Duft ließ erahnen, daß ein Klassen­ zimmer ganz im Zeichen der Kräuter stand. In einem anderen Raum konnte man sich die Kunst des Tranchierens näherbringen lassen. Daneben stellte eine Klasse die verschieden- artigsten Hotelprospekte aus. Eine andere hatte den größten Teil der Fachliteratur fur die Gastronomie gesammelt und anschau­ lich aufgebaut. Ein anderes Thema nahm sich der Umweltproblematik im Hotelbe­ reich an. Dabei wurden viele verwertbare Tips zur Abfallvermeidung im Hotel auf­ gezeigt. Beim Thema Hygiene wurden gute und schlechte Beispiele herausgestellt. Eine Modenschau mit verschiedenen Berufs­ bekleidungsmodellen rundete die Themen­ palette ab.“ Mit einem musikalischen Potpourri in der Sporthalle klang der Jubiläumstag aus. Einmal mehr hat die Landesberufsschule fur das Hotel- und Gaststättengewerbe auf eindrucksvolle Weise bewiesen, daß sie ein Aushängeschild der berufsbildenden Schule im Landkreis ist. Josef Vogt 25 Jahre Realschule Triberg Mit einem kleinen Festakt und anschlie­ ßendem Schulfest feierte die Realschule Triberg im Jahre 1993 ihr 25jähriges Beste­ hen. Seit 1969 werden in Triberg wieder Real­ schüler unterrichtet. Sie kommen aus der Kernstadt, aus Nußbach und Gremmels­ bach, aus Gutach, aus Homberg mit Nieder­ wasser und Reichenbach sowie aus Schon­ ach und Schönwald. Wer die Geschichte der Stadt kennt, weiß, daß Triberg bereits in vergangener Zeit Sitz einer Realschule gewesen war. Gegründet als Badisch-Großherzogliche noch vor dem 1. Weltkrieg wurde sie anfangs der 30er Jahre umgewidmet in eine „Private Oberschule“. Für diese erste Realschule in Triberg erstellte die Stadt 1908 an der Bergstraße ein Schul­ haus und ein Direktionsgebäude fur rd. 200 000,- Mark. Das Gebäude der heutigen Realschule befindet sich in der Ignaz-Schöller-Straße, in sonniger Lage, idyllisch am Waldrand und abseits vom Verkehr gelegen. Es wurde 1954 vom früheren Landkreis Villingen erbaut und beherbergte Berufsschulen der gewerb­ lichen, kaufmännischen, landwirtschaftli- 31

chen und hauswirtschaftlichen Richtung. Der älteren und mittleren Generation dürf­ ten die damaligen Schulleiter Schmidt, Stei­ ne!, Greth und Maier noch in Erinnerung se111. Im Zuge der Konzentration des Berufs­ schulwesens nach Villingen und Furtwangen stand das Gebäude Ende der 60er Jahre der neu zu gründenden Realschule zur Verfü­ gung. 1968 hatte der Stadtrat unter Bürger­ meister Dr. Heinz Villinger den Antrag auf Einrichtung einer Realschule in Triberg gestellt. Mit Schreiben vom 20. Mai 1969 des Kultusministeriums in Stuttgart wurde dem zugestimmt, wobei einzelne Klassen „vor­ übergehend“ nach Schonach auszulagern waren. Begonnen wurde als „nichtselbstän­ dige Realschule“, die Leitung Rektor Hans Zenker übertragen. Die Umwandlung er­ folgte 1973, die Schonacher Realschüler kamen nach Triberg, und 1975 konnten die l Die Realschule Triberg mit Neubau 1993 V Technik in neuen Räumen 32

ersten Schüler mit dem Realschulabschluß entlassen werden. Die Stadt hatte zwischen­ zeitlich das kreiseigene Gebäude erworben. Sie fungierte zusammen mit dem Realschul­ verband (heute Gemeindeverwaltungsver­ band) als Schulträger. Die Realschule Triberg war von Beginn an raumschaftlich-regional orientiert. Trotz to­ pographisch und demographisch wenig gün­ stiger Verhältnisse erfreut sie sich eines an­ haltend guten Zuspruchs. Es zeigt sich, daß auch in diesem Raum der landesweite Wunsch besteht nach einer praktisch-theore­ tisch ausgerichteten Schulart mit den Ziel­ richtungen Handwerk und Technik, Wirt­ schaft und Dienstleistung. Nach dem Real­ schulabschluß gehen etwa 30 0/o der Schüler direkt in den Beruf, viele besuchen noch ein Berufskolleg oder ein Gymnasium der tech­ nischen, wirtschaftlichen oder sozialpädago­ gischen Richtung. Der Erfolg der Realschule liegt vor allem darin begründet, so Ministerpräsident Erwin Teufel 1993 bei der Einweihung des neuen Fachtraktes, ,,daß sie ihren Praxisbezug nie­ mals aufgegeben hat.“ Neue Fachräume für Technik, Physik, Chemie, Biologie, Kunst und Musik sowie ein modern ausgestatteter Computerraum, zeitgemäße Lehrmethoden und Unterrichtsmaterialien bilden in Ver­ bindung mit kompetenten und engagierten Lehrerinnen und Lehrern, denen ein beson­ deres „pädagogisches feeling“ nachgesagt wird, die Grundlage für eine Schule, die in der Region Ansehen und Vertrauen genießt. Horst Herr ,, …. Hammereisenbach Aquarell: Rudo!f Heck tl.J-..,-. 33

Wirtschaft und Gewerbe Wirtschaftsfaktor Tourismus Obwohl der Schwarzwald-Baar-Kreis stark von der Industrie geprägt wird, beeinflußt der Fremdenverkehr (Incoming-Tourismus) mittel-und unmittelbar das Wirtschaftsleben dieses Landkreises in beachtlichem Ausmaß. Zu den typischen Tourismusbetrieben, de­ ren Leistungen überwiegend von Reisenden nachgefragt werden, zählen die Wirtschafts­ bereiche Gastronomie/Beherbergung, Kon­ greß-und Tagungswesen, Verkehrsämter und Kurverwaltungen, Reisemittler, Busausflugs­ verkehr und Bäderwesen. Neben den „klassi­ schen Tourismusbetrieben“ sind viele an­ dere Wirtschaftsbereiche -angefangen vom Einzelhandel über Werbeagenturen bis hin zu Ärzten und Masseuren oder der Landwirt­ schaft -zum Teil erheblich vom Tourismus abhängig. Rund 13.000 Betten in fast 300 konzessio­ nierten Beherbergungsbetrieben im Schwarz­ wald-Baar-Kreis brachten 1993 fast 2,1 Mil­ lionen Übernachtungen. Zusammen mit den ca. 7000 Betten der sogenannten Parahotel­ lerie (Anbieter unter neun Betten: Ferien­ wohnungen, Privatquartiere, Ferien auf dem Bauernhof) sind es sogar rund 2,8 Millionen Übernachtungen. Insgesamt sichern die 20.000 Betten des Beherbergungsgewerbes in diesem Landkreis heute rund 3300 Ar­ beitsplätze. Allein der Fremdenverkehrsum­ satz der Übernachtungsgäste (für Unter­ kunft, Verpflegung, Einkäufe, Sport und Freizeit, lokaler Transport etc.) im Schwarz­ wald-Baar-Kreis liegt derzeit hochgerechnet bei 329 Millionen Mark. Unberücksichtigt sind dabei die Umsätze, die aus dem soge­ nannten Tages-und Ausflugstourismus re­ sultieren. Unter uchungen des Wirtschafts­ wissenschaftlichen Instituts für Fremdenver­ kehr an der Universität München haben er­ geben, daß pro Person und Ausflug im Durchschnitt 28,20 DM ausgegeben werden. 34 Obwohl Tagesausflüge statistisch schwer er­ faßbar sind, ergab eine grobe Schätzung der Raumschaft Triberg/Schönwald/Schonach für das Jahr 1992 rund 900.000 Tagesbesucher. Allein schon diese Zahlen belegen die wirt chaftliche Bedeutung der „weißen In­ dustrie“ für den Landkreis. Für die Lebens­ qualität und den Wohlstand dieser Region wird in den kommenden Jahren der Touris­ mus immer bedeutender. Viele Gemeinden haben dies bereits früh erkannt und in den letzten Jahren erhebliche Investitionen im Bereich der sogenannten „touristischen In­ frastruktur“ getätigt. Nicht nur Gäste, son­ dern auch die Einheimischen nutzen das breite Angebot für Freizeit, Gesundheit und Sport. Nur wenige Gemeinden in diesem Kreis könnten sich ohne den Tourismu ein eige­ nes Frei-oder Hallenbad, Tennisplätze, Mini­ golfanlagen, Skilifte, Loipen, Kurhaus und Kurgarten, Wanderwege in diesem Umfang oder ein großzügiges Veranstaltungsangebot leisten. So wird auch der Wohnwert der orts­ ansässigen Bevölkerung durch den Touris­ mus verbessert. 16 der 20 Gemeinden des Landkreises unterhalten ein eigenes Verkehrsamt bzw. eine Kurverwaltung. Im Kur-und Gesund­ heitstourismus engagieren sich Orte, die nach der strengen Kurortegesetzgebung des Lan­ des prädikatisiert sind: Bad Dürrheim als ein­ ziges SoleheiJbad im Schwarzwald und gleich­ zeitig Heilklimatischer Kurort; Königsfeld, Schönwald und Triberg als Heilklimatische Kurorte; Königsfeld und Villingen-Schwen­ ningen als Kneippkurorte. Acht Gemeinden des Landkreises führen entweder das Prädi­ kat Luftkurort oder Erholungsort. Nach Jahrzehnten fast ununterbrochenen Wachstums zeichnen sich leider auch 1m Tourismus schwierigere Zeiten ab.

Der zunehmende Konkurrenzkampf der innerdeutschen Ferienziele untereinander wird durch die verschlechterte Finanzlage der Gemeinden verstärkt. Überall muß der Gürtel enger geschnallt werden. Die Unter­ haltung der örtlichen Infrastruktur ver­ schlingt einen Großteil des Kommunalhaus­ haltes. Für Werbung bleibt immer weniger Geld. Deshalb werden Kooperationen mit anderen Leistungsträgern zunehmend den Tourismus der Zukunft bestimmen. Der Landkreis hat dies bereits frühzeitig erkannt und unterhält seit nunmehr neun Jahren die „Zentrale Zimmervermittlung Mittlerer Schwarzwald“. Der Erfolg gibt dem Land­ kreis Recht. Die aus der Zimmervermittlung resultierenden Umsätze lagen 1993 bei ca. 2,5 Millionen DM. Diese Verkaufsorganisation vermarktet zen­ tral über 250 Beherbergungsbetriebe im Landkreis. Die Vorteile einer überörtlichen Kooperation und eines zentralen Buchungs­ kataloges sind offensichtlich: Das touristi­ sche Angebot eines größeren Raumes ist viel­ seitiger als das einzelner Gemeinden. Eine entsprechende Auswahl an direkt buchba­ ren Beherbergungsbetrieben erschließt neue touristische Vertriebs- und Absatzwege über Reisebüros/Reiseveranstalter und verkürzt die Buchungswege zwischen Gast und Be­ herbergungsbetrieb. Weitere erfolgreiche, ortsübergreifende Ko­ operationen sind die „Deutsche Uhrenstraße“, die gegenseitige Anerkennung der Kurkarten über die „Gästekarte Plus“ und die Auflage eines regionsweiten, kostenlosen Veranstal­ tungskalenders für Einheimische und Gäste seit Mai 1994. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist auch die verstärkte Ko­ operation der Raumschaft Triberg/Schon­ ach/Schönwald, die letztendlich in den Betrieb einer gemeinsamen Kurverwaltung münden soll. Der Tourismus im Schwarzwald-Baar­ Kreis kann noch weiter expandieren. Wachs­ tumsgrenzen sind lange nicht erreicht, wenn alle am Tourismus Beteiligten noch koopera­ tiver als bisher zusammenarbeiten. Dazu gehört eine Strategie, die noch mehr touristi­ sche Attraktivität schafft und die Region in ihrer landschaftlichen Vielfalt besser be­ kannt macht und nutzt. Die Zeit der Einzel­ kämpfer und des „Tellerranddenkens“ ist endgültig vorbei. Nur gemeinsam sind wir stark. Dr. Rudolf Kubach !HK-Hauptgeschäftsführer ,,Eine Region in Not“ Der Arbeitsmarkt im Schwarzwald-Baar-Kreis Wenn sich an einem grauen und trüben Dezembernachmittag über 4000 Menschen zu einer Kundgebung auf dem Villinger Münsterplatz zusammenfinden, mußte es dafür einen besonderen Anlaß geben: ,,Eine Region in Not“ – so lautete das Motto der Veranstaltung am 3. Dezember 1993, die von der IG Metall organisiert wurde. Namhafte Redner wie der Landrat des Schwarzwald-Baar-Kreises, Dr. Rainer Gut­ knecht, waren sichtbarer Ausdruck für den Ernst der Lage, in der sich die Region wirt­ schaftlich befindet. Bereits die Entwicklung der Arbeitslosen­ quoten von 1991 bis 1993 macht deutlich, in welchem Abwärtsstrudel die Region Schwarz­ wald-Baar-Heuberg steckt. Zur gebeutelten Region gehören neben dem Schwarzwald­ Baar-Kreis auch die Landkreise Rottweil und Tuttlingen (Arbeitsamtsbezirk Rottweil). Mischte die Region 1991 noch im „Mittel­ feld“ unter den Arbeitslosenquoten mit, so wäre sie 1993 – sportlich ausgedrückt – bereits abgestiegen. Lediglich Mannheim verhinderte bisher die „rote Laterne“ in der Betroffenheit von Erwerbslosigkeit. 35

,,Region in Not“: Rund 4.000 Menschen demonstrierten am 3.12.1993 aef dem Villinger Münster­ platz gegen den Arbeitsplatzabbau in vielen Betrieben. Bei der von der IG Metall und dem Gewerk­ schaftsbund veranstalteten Kundgebung wurde aef die kritische Wirtschaftslage im Landkreis aufmerk­ sam gemacht. Die nachfolgende Betrachtung des Ar­ beitsmarktes konzentriert sich vor allem auf den Arbeitsamtsbezirk Villingen-Schwen­ ningen, dessen Grenzen sich mit dem Schwarzwald-Baar-Kreis decken. Wie aus der Tabelle Abbildung 1 ersichtlich, hat sich die Arbeitslosenquote im Kreis in nur zwei Jah­ ren verdoppelt. Im Vergleich zu 1991, wo bereits über 3500 Menschen ohne Arbeit waren, stieg die Arbeitslosenzahl an den Q!Jellen von Neckar und Donau um mehr als 100 0/o auf weit über 7000 Arbeitslose in 1993 an. Die „Eckdaten“ Abbildung 2 machen deutlich, daß nicht nur die bloßen Arbeits­ losenzahlen Krisenstimmung im Bezirk an­ zeigen, auch die Zahl der Kurzarbeiter ist geradezu sprunghaft gewachsen. Arbeiteten im Jahre 1991 durchschnittlich weniger als 1000 Arbeitnehmer kurz, so hatten 1993 weit über 6000 Beschäftigte durch Arbeitsausfall verkürzte Arbeitszeit, denen der Arbeitsplatz so zumindest erhalten blieb. Für 1994 zeich­ net sich ein Rückgang der Kurzarbeit ab, was aber nicht gleich als Anzeichen wirtschaft­ licher Entspannung gewertet werden darf, denn viele Firmen wirtschafteten bereits 1993 am Rande ihres Überlebens. Die jüngste Rezession zeigt sich auch bei der Arbeitskräftenachfrage. Zwar werden längst nicht alle freien Stellen dem Arbeits­ amt gemeldet; es kann jedoch von der Zahl der dem Arbeitsamt in Villingen und seinen vier Nebenstellen gemeldeten offenen Stel­ len auf einen massiven Nachfragerückgang geschlossen werden. Hatte das Arbeitsamt Villingen-Schwenningen 1991 im Jahres­ durchschnitt noch 1902 offene Stellen im 36

Arbeitsamtsbezirken Baden-Württembergs Die Arbeitslosenquote in den in den Jahren 1991 und 1993 Ueweils Jahresdurchschnitte) 1991 1993 Lfd. Nr. Arbeitsamtsbezirk 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 Quote Lfd. Nr. Arbeitsamtsbezirk 2,70/o Schwäbisch Hall 2,80/o Göppingen 2,90/o Ludwigsburg 3,00/o Waiblingen 3,20/o Nagold 3,20/o Ravensburg 3,20/o Stuttgart 3,30/o Offenburg 3,40/o Rastatt 3,40/o Rottweil** 3,50/o Balingen 3,60/o Pforzheim 3,70/o Heilbronn 3,70/o Ulm 3,90/o Aalen 3,90/o Reutlingen 3,90/o Villingen-Schw. * 4,10/o Karlsruhe 4,10/o Lörrach 4,20/o Tauberbischofsheim 4,5% Freiburg 4,50/o Konstanz 4,6% Heidelberg 6,40/o Mannheim Baden-Württemberg 3,7% Nagold Ravensburg Schwäbisch Hall Waiblingen Ludwigsburg Rastatt Göppingen Karlsruhe Ulm Stuttgart Offenburg Heidelberg Konstanz Lörrach Reutlingen Freiburg Balingen Pforzheim Tauberbischofsheim Aalen Heilbronn Rottweil** Villingen-Schw.* Mannheim Baden-Württemberg 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 Quote 5,00/o 5,20/o 5,30/o 5,30/o 5,40/o 5,50/o 5,60/o 5,90/o 5,90/o 6,10/o 6,20/o 6,50/o 6,50/o 6,50/o 6,5% 6,6% 6,8% 6,8% 6,8% 6,90/o 7,20/o 7,40/o 7,80/o 8,30/o 6,30/o Arbeitslosenquote in Prozent der abhängigen zivilen Erwerbspersonen (sozialversicherungs­ pflichtig und geringfügig Beschäftigte, Beamte, Arbeitslose) * Arbeitsamtsbezirk Villingen-Schwenningen = Schwarzwald-Saar-Kreis •• Umfaßt die Landkreise Rottweil und Tuttlingen und bildet zusammen mit dem Schwarzwald­ saar-Kreis die Region Schwarzwald-Saar-Heuberg Abbildung 1 37

Eckdaten des Arbeitsmarktes im Arbeitsamtsbezirk Villingen-Schwenningen in Tausend DArbeitslose – Kurzarbeiter 6 4 …. · …. ·; … ·:· … ·:· 2 ot[J]������LJtJ �������$$$������� � � � � � � � � � � � � � � � � � Die angegebenen Werte sind Jahresdurchschnitte Abbildung 2 Vermittlungscomputer, so sank diese Zahl auf 843 im Jahre 1993. Der Schwarzwald-Baar-Kreis hat seit sei­ ner Entstehung am 1. 1. 1973 bereits zwei große ökonomische Schwächephasen hinter sich. Doch die jüngste -dritte -Wirtschafts­ flaute hinterläßt das größte „Heer“ an Ar­ beitslosen in der bisherigen Krei��eschichte. In die Gründungszeit fiel die Olkrise von 1973, die viele Leser noch wegen der Sonn­ tagsfahrverbote im Gedächtnis haben. Die Zahl der Arbeitslosen verzwölffachte sich in nur zwei Jahren von 1973 bis 1975 von 275 auf über 3300 Erwerbslose. Nach einer wirt­ schaftlichen Erholungsphase in der zweiten Hälfte der 70er Jahre erschütterte ein zweiter Ölpreisschock auch den Schwarzwald-Baar­ Kreis: 1979 waren 1453 Personen arbeitslos, 1983 im Jahresdurchschnitt 6294! Die Abbil­ dung 3 gibt aus erhebungstechnischen Grün- den lediglich die Entwicklung seit 1977 bis 1993 wieder. Die Arbeitslosenzahlen für den Arbeits­ amtsbezirk Villingen-Schwenningen wären für sich betrachtet nur wenig aussagekräftig. Vergleicht man die Arbeitslosenquoten im Bezirk mit denen des Landes Baden-Würt­ temberg, ist spätestens nach dem zweiten Ölpreisschock 1980 eine Entwicklung zum wirtschaftlichen „Sorgenkind“ im „Ländle“ festzustellen. Seit 1981 war kreisweit immer ein höherer Anteil an Erwerbspersonen im Vergleich zum Land ohne Arbeit. Besonders augenfällig ist, daß die Arbeitslosigkeit so­ wohl in der Rezession Anfang der 80er Jahre als auch in der jüngsten Rezession seit 1991 steiler als auf Landesebene ansteigt. Die Erwerbslosigkeit im „westlichen“ Bundes­ gebiet lag seit der Kreisgründung immer auf einem höheren Niveau als im Arbeitsamts- 38

Arbeitslosenquote ( Jahresdurchschnitte ) 10 6 Arbeitsamtsbezirk VS � Baden-Württemberg —-o– Bundesgebiet (West) ‚“ N M cc „‚ 0 „‚ „‚ cc cc „‚ � � � � � � 0 “ cc „‚ 0 … „‚ „‚ “ “ “ “ a) M cc cc cc cc cc � � � � � � � � � � � ai N a) Jahr Abbildung 3 bezirk Villingen-Schwenningen und dem Landesarbeitsamtsbezirk Baden-Württem­ berg. In der jüngsten Rezession kommt die Arbeitslosenquote des Kreises jedoch be­ drohlich nah an die Bundesquote heran. Wo liegen die Ursachen für die rasante Zunahme der Arbeitslosigkeit gerade im Arbeitsamtsbezirk Villingen-Schwenningen? Hervorzuheben ist hierbei die relativ ungün­ stige Beschäftigtenstruktur im Schwarzwald­ Baar-Kreis. Knapp 56 Prozent aller sozialver­ sicherungspflichtig Beschäftigten des Krei­ ses waren Mitte 1991 im Verarbeitenden Gewerbe tätig gegenüber nur noch 46 Pro­ zent landesweit. Die jüngste Rezession hat besonders bei der Zahl der Industriearbeits­ plätze ihre negativen Spuren hinterlassen (Abbildung 4), während sich der wirtschaftli­ che Niedergang im Dienstleistungsbereich nur abgeschwächt widerspiegelt. Trotz massivem Stellenabbau in der Indu­ strie war die Mehrzahl der Beschäftigten im Arbeitsamtsbezirk Villingen-Schwenningen auch Mitte 1993 noch immer im Verarbeiten- den Gewerbe tätig. Nicht ganz 52 von 100 Be­ schäftigten im Schwarzwald-Baar-Kreis hat­ ten noch einen Arbeitsplatz in der Industrie, im Land sank der Anteil auf unter 43 Pro­ zent. Bei den Dienstleistern konnten in den Jahren 1991 bis 1993 im Bezirk teilweise ge­ ringere Beschäftigungsgewinne verzeichnet werden. Nennenswerte Zuwächse gab es im Gesundheitswesen (von 5418 auf 5576 Be­ schäftigte) sowie im Hotel- und Gaststätten­ gewerbe (von 2134 auf 2210 Beschäftigte), während die Gesamtbeschäftigtenzahl im Kreis in diesen zwei Jahren insgesamt rück­ läufig war (von 83429 auf 79442 Beschäftigte =minus 3987=minus 4,7 %!). Bei Rechtsan­ wälten und Steuerberatern wuchs die Zahl der Mitarbeiter innerhalb von nur zwei Jah­ ren sogar von 1187 Beschäftigten auf 1494, was einer Steigerung um rund ein Viertel ent­ spricht. Leider haben diese Wirtschafts­ zweige nur einen verhältnismäßig kleinen Anteil am Gesamtbeschäftigungsmarkt. Au­ ßerdem sind die Dienstleistungen insgesamt im Vergleich zum Land schwächer vertreten. 39

Arbeitsplatzabbau im Verarbeitenden Gewerbe des Schwarzwald – Saar – Kreis 1991 – 1993 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte Oeweils 30.06) nach ausgewählten Wirtschaftsgruppen 11,6 20 6,4 9,6 3,6 16,2 -23,7 27,5 9,1 -8,8 ·-1,2 •1,s 23,4 Verarbeitendes Gewerbe KunststoCfverarbeitung Gießerei stahtverformung u.a. Masohlnenbau Fahrze!JllbaU EDV.Elektrotechnik Feinmechanik, Optik Uhren Eisen/Blech/Meta/.lwaren sage. und Holzwrarbeitung Texlilverarbeltung Nahrungs- und Genußmittel • • • • • • • • • • • Änderungen in Prozent Abbildung 4 Diese „Sahnestückchen“ des Arbeitsmarkt­ kuchens sind hier anteilsmäßig magerer, so daß der Wirtschaftsabschwung den Land­ kreis mit besonderer Härte getroffen hat – vor allem die vorherrschenden Industrie­ zweige mußten „Federn lassen“: – Allein in der Elektrotechnik wurden innerhalb von nur zwei Jahren kreisweit über 2300 Arbeitsplätze abgebaut. Von der früher bedeutenden Unterhaltungs­ elektronikindustrie ist nicht mehr viel übrig geblieben. die Uhrenindustrie, historische Schlüs­ selindustrie im jetzigen Schwarzwald­ Baar-Kreis, baute innerhalb von 24 Mona­ ten mehr als ein Viertel der Belegschaften ab: 1991 standen noch über 4000 Mitar­ beiter in den Gehaltslisten, 1993 nicht ein­ mal mehr 3000! – Auch im Maschinenbau, wo etwa jeder 20. Beschäftigte im Kreis sein Geld ver­ dient, fielen von 1991 bis 1993 über 400 Stellen weg. Nur noch knapp 4000 Ar- 40 beitsplätze gab es dort am 30. 6.1993. Das Verarbeitende Gewerbe hat den Löwen­ anteil an der Personalreduktion zu ver­ kraften. Deshalb gingen anteilsmäßig bei den Männern mehr Arbeitsplätze verlo­ ren als bei den Frauen, und es gab im Juni 1993 weit weniger Arbeiter im Vergleich zu 1991 (von 46710 auf 42471 = minus 4239). Im Gegensatz dazu hatten die An­ gestellten sogar einen geringen Beschäfti­ gungszuwachs (von 36719 auf 36971 = plus 252) zu verzeichnen. Die Konzentration großer Firmen in Villingen-Schwenningen und dem näheren Umland trug entscheidend dazu bei, daß im Bereich der Dienststelle Schwenningen und im Vifünger Zuständigkeitsbereich seit jeher die höchsten Arbeitslosenquoten zu vermel­ den waren. Während im Jahre 1991 die Qyote kreisweit bei 3,9 0/o lag, waren in Villingen und den betreuten Umlandgemeinden 4,3 0/o arbeitslos, in Schwenningen sogar 5,2 0/o! In Furtwangen gab es mit einer Arbeitslosen-

quote von 1,8 0/o fast paradiesische Zustände. Die verhältnismäßig günstige Betriebsstruk­ tur mit vielen kleinen und mittleren Fami­ lienbetrieben verhinderte bislang im Bregtal schlimmeres. Allerdings hat sich auch hier wie in Villingen (von 4,3 0/o auf 8,9 O/o) inner­ halb von nur zwei Jahren die Betroffenheit von Arbeitslosigkeit mehr als verdoppelt (von 1,8 0/o auf 4,5 %). St. Georgen und Donaueschingen waren mit 3,5 0/o (1991) leicht unterdurchschnittlich von Erwerbs­ losigkeit betroffen, wobei die Süd-Baar (Dienststelle Donaueschingen) die jüngste Rezession bislang etwas besser als St. Geor­ gen und Triberg überstanden hat. Die Quote lag 1993 in St. Georgen mit 7,3 O/o zwar noch unter dem Kreisschnitt (7,8 %), in Donau­ eschingen waren allerdings „nur“ 6,3 0/o der Erwerbspersonen ohne Arbeit. 1993 insgesamt Welchen Berufen zeigt der Arbeitsmarkt Villingen-Schwenningen in der jüngsten Rezession in besonderem Maße die „kalte Schulter“? Vor allem Metall- und Elektro­ berufe sind von der wirtschaftlichen Talfahrt im Kreis betroffen. Waren 1991 im Schwarz­ wald-Baar-Kreis bereits stattliche 975 Metal­ ler und Elektrobeschäftigte ohne Arbeit, so hat sich diese Zahl in nur zwei Jahren auf 2352 Arbeitslose erhöht. Fast jeder dritte Arbeitslose im Kreis ist damit dem Bereich Metall und Elektro zuzuordnen. Über 7300 Menschen waren im Schwarzwald-Baar-Kreis ohne Job. Auch Techniker und Berufe im Verkehr und Lager sind 1993 verstärkt beim Arbeitsamt Villin­ gen-Schwenningen arbeitslos registriert: technische Berufe sind in den Computern fast dreimal so häufig zu finden wie 1991! Relativ moderat gegenüber dem Anstieg in der Industrie fällt der Zuwachs an Arbeits­ losen im Bereich Gesundheit, Erziehung und Kunst aus. In diesen Berufen stieg die Zahl der Arbeitslosen von 1991 bis 1993 um weniger als ein Drittel von 253 auf 335 ge­ meldete Arbeitslose im Schwarzwald-Baar­ Kreis an. Eine Gruppe, die den Wirtschafts­ abschwung besonders zu spüren bekam, sind unsere ausländischen Mitbürger. Deren Anteil steigerte sich von 16,9 0/o in 1991 auf 20,8 0/o aller Arbeitslosen im Kreis in 1993! Insgesamt hat sich die Zahl der beim Villinger Arbeitsamt gemeldeten Arbeits­ losen in den Rezessionsjahren 1991 bis 1993 im Jahresdurchschnitt von 3500 auf über 7300 Erwerbslose mehr als verdoppelt, wäh­ rend die Zahl der offenen Stellen von etwa 1900 auf etwas mehr als 800 freie Arbeits­ plätze (das heißt weit weniger als die Hälfte) zurückging. Die zunehmende Zahl von Menschen ohne Arbeit wirkt sich selbstverständlich auch auf die öffentlichen Haushalte aus: Vor allem die Bundesanstalt für Arbeit sieht sich einem explosionsartigen Anstieg der Ausga­ ben gegenüber. Auch im Arbeitsamt Villin­ gen-Schwenningen haben sich die Ausgaben für Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe sowie anderer Leistungen teilweise verviel­ facht! Die einzelnen Zuwächse bei nur vier wichtigen Leistungen am Arbeitsmarkt macht Abbildung 5 deutlich. Die zunehmende Zahl an Firmenzusam­ menbrüchen führte dazu, daß sich die Aus­ gaben des Arbeitsamtes Villingen-Schwen­ ningen für Konkursausfallgeld innerhalb von zwei Jahren auf rund 3 Millionen DM verdoppelte. Die höhere Zahl an Arbeits­ losen zeigt sich auch bei den Lohnersatz­ leistungen. Die Ausgaben für Arbeitslosen­ geld und Arbeitslosenhilfe haben sich in zwei Jahren jeweils etwa verdreifacht. 1993 zahlte das Arbeitsamt Villingen-Schwennin­ gen 116,9 Millionen DM Arbeitslosengeld und 18,9 Millionen DM Arbeitslosenhilfe aus. Die Ausgaben für Mitarbeiter in kurz­ arbeitenden Betrieben (Kurzarbeitergeld) haben sich von 1991 bis 1993 mehr als ver­ achtfacht. 27,5 Millionen DM im Jahr 1993 trugen hier zumindest zum Teil zum Erhalt von Arbeitsplätzen bei. Gesamtausgaben von rund 283,5 Millionen DM im Jahre 1993 machen deutlich, daß das Arbeitsamt Villingen-Schwenningen zu einem wichti­ gen Wirtschaftsfaktor im Schwarzwald-Baar­ Kreis geworden ist. Ohne die Lohnersatzlei­ stungen an Arbeitslose und Kurzarbeiter 41

Die Rezession im Schwarzwald – Baar – Kreis Ausgaben des Arbeitsamtes Villingen – Schwenningen Daten der Leistungsabteilung (in Mio. DM) • 1991 • 1992 • 1993 120 100 80 60 40 20 Arbeitslosengeld Arbeitslosenhilfe Kurzarbeitergeld Konkursausfallgeld Abbildung 5 wäre die Kaufkraft der Kreisbevölkerung um einiges schwächer. In den Gesamtausgaben 1993 sind auch etwa 13,5 Millionen DM Per­ sonalausgaben enthalten, die ebenfalls für höhere Konsumnachfrage durch die Arbeits­ amtsmitarbeiter sorgen. Hinzu kommen Aus­ gaben für Büromaterial und andere Sachlei­ stungen, die wieder in den Wirtschaftskreis­ lauf fließen. Wie effizient im Arbeitsamt Vil­ lingen-Schwenningen gearbeitet wird, zeigt die Tatsache, daß der Personalkostenanteil nur 4,8 0/o ausmacht. Nicht zu vergessen sind letztendlich die Ausgaben des Landkreises für die Sozialhilfe. In den Büchern des Land­ ratsamtes ließe sich die wirtschaftliche Tal­ fahrt ebenfalls gut nachzeichnen … Auf die Frage, wie die Wirtschaft wieder aus der Krise kommt, gibt es leider kein 42 Patentrezept. Auch an dieser Stelle soll kein Allheilmittel für die angeschlagene Region genannt werden. Gefordert sind jedoch Ideen und Tüftlergeist, wie einst der von Robert Gerwig, der im 19.Jahrhundert durch die weltberühmte Kuckucksuhr der Uhren­ industrie wieder auf die Beine- half. Auch heute ist Kreativität gefragt, sei es bei der Schaffung neuer Produkte, beispielsweise im Umweltschutz oder aber im Fremdenver­ kehr. Die Politik bleibt aufgefordert, Neu­ entwicklungen aufgeschlossen gegenüberzu­ stehen. Außerdem bleibt zu hoffen, daß am Arbeitsmarkt verstärkt wieder �alifizie­ rungsmaßnahmen gefördert werden können (Fortbildung und Umschulung). Die bloße Zahlung von Arbeitslosenunterstützung hilft den Arbeitslosen nur finanziell – je länger

die Arbeitslosigkeit dauert, um so mehr Qia­ lifikationsdefizite müssen ausgeglichen wer­ den – Ende September 1993 war bereits etwa jeder fünfte Arbeitslose im Schwarzwald­ Baar-Kreis ein Jahr und länger arbeitslos! Langzeitarbeitslosigkeit ist nur eines der Pro­ bleme, zu dessen Beseitigung die Arbeitsver­ waltung dringend auf die (finanzielle) Unter­ stützung der Politiker in Bonn und Stuttgart angewiesen ist. Die Mitarbeiter des Arbeits­ amtes Villingen-Schwenningen können nur dann alles in ihrer Macht Stehende leisten, um die Arbeitslosigkeit wirkungsvoll zu be­ kämpfen. Das Arbeitsamt Villingen-Schwenningen kann mit seinen Möglichkeiten nur die Not lindern. Wir als Arbeitsgemeinschaft „Ar­ beitsamt“ sind uns unseres sozialen Auftra­ ges bewußt und wollen, wie in der Vergan­ genheit auch, unsere Ideen und Tatkraft zum Wohle der arbeitenden Menschen rund um den Arbeitsmarkt einbringen. Horst Billing Lars Henker Institut für Mikro- und Informationstechnik in Villingen-Schwenningen Neue Technologien für die Region Die Mikroelektronik ist in praktisch alle Bereiche unseres Lebens eingedrungen. Meist sind wir uns dessen aber nicht bewußt. Wer denkt beim Einschalten der Waschmaschine oder vor dem Fernseher im wohlig warmen Wohnzimmer an die elektronischen Chips, welche sowohl Waschmaschine, Fernseher als auch Heizungsanlage steuern? Periphe­ riegeräte für Personal-Computer, Fahrten- schreiber und Zeiterfassungssysteme sind Beispiele für Produkte aus unserer Region, die auf dieser Technologie aufbauen. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt entwickelten sich in den letzten Jahren neue Technologien in den Labors der Grundla­ genforschung: die Mikromechanik und die Mikrosystemtechnik. Fachleute und Markt­ forscher sind der Meinung, daß diese Tech- 43

Bild rechts: Computer-Simulation eines Drucksensors nologien in Zukunft noch viel mehr als die Mikroelektronik bereits heute unser Leben beeinflussen werden. Verfolgt man Messen und Ausstellungen der letzten Jahre, so kann man tatsächlich erkennen, daß diese neue Technologien schon dabei sind, die Grund­ lagenlabors zu verlassen und sich ihren Platz in ersten industriellen Anwendungen zu erobern. Beispiele sind Drucksensoren für verschiedenste Anwendungen und Beschleu­ nigungssensoren vor allem zur Auslösung von Air-bags im Kraftfahrzeug. Was verbirgt sich nun hinter der Mikro­ mechanik? Die grundlegende Idee ist einfach: während man in der Mikroelektronik elek­ tronische Funktionen auf einem Halbleiter­ chip realisiert, geht es hier um mechanische Funktionen. Mit Hilfe der Mikromechanik lassen sich mechanische Elemente reali­ sieren, die noch sehr viel kleiner sind als dies z.B. durch die Feinwerktechnik ermög­ licht wird: nämlich nur einige Mikrometer (µm = 1/1000 mm). Was ist das Neue und gleichzeitig Faszinierende daran? Durch Miniaturisierung gewinnen mechanische Bauteile {ähnlich wie die mikroelektroni­ schen) an Geschwindigkeit, an Präzision, an Funktionalität. Dabei sind die physikali- 44 M ikromechanischer Kraftsensor sehen Gesetze im Mikrobereich genau die gleichen wie im Makrobereich, nur nehmen deren Folgen eine neue Dimension an. Der Grund liegt u. a. in der Größenabhängigkeit physikalischer Phänomene. Wer kann sich schon beim Betrachten eines Wassertropfens vorstellen, daß winzige Tröpfchen (kleiner als der Durchmesser von Menschenhaaren) durch elektrische Felder auf hohe Geschwin­ digkeiten beschleunigt und in ihrer Flug­ bahn gesteuert werden können? Nur in die­ sem Dimensionen können kleinste Tröpf­ chen in T intenstrahldruckern zur Erzeugung ästhetischer Buchstaben benutzt werden. Die Kombination der Mikromechanik mit anderen Miniaturisierungstechnolo­ gien, wie der Mikrooptik und der Mikroelek­ tronik, sowie der Informationstechnik nennt man Mikrosystemtechnik. Diese Kombination leistet als Ganzes wesentlich mehr als die Summe ihrer Teile: Das große Potential der Mikrosystemtechnik liegt im Synergie-Effekt. Dies führt zu völlig neuen Lösungsansätzen bekannter Probleme und damit zu Produk­ ten, die qualitativ hochwertig und dabei preiswert herstellbar sind. Doch dazu später mehr. Zunächst zurück zur Mikroelektronik.

sie ein Beispiel für eine schon in naher Zukunft technisch realisierbare Anwendung der Informationstechnologie. Sie demon­ striert eindrucksvoll die Veränderungen, die sich zukünftig für unseren Alltag ergeben können. Und, vielleicht noch wichtiger, sie zeigt auf, daß selbst Produkte aus dem High­ Tech-Bereich sehr schnell von neuen abge­ löst werden mögen. Welcher Tastaturherstel­ ler denkt denn schon heute an ein mögliches Ende seiner Produktion? Deutschland als kostenintensiver und ex­ portorientierter Wirtschaftsstandort lebt da­ von, bestehende Produkte in ihrer Leistungs­ fähigkeit zu verbessern und vor allem neue Produktideen zu verwirklichen. Wenn man sich die Entwicklungen z.B. in der Uhren­ industrie oder auch der Automobilindustrie vor Augen führt, wird ganz deutlich: wir dür­ fen nicht in alten, eingefahrenen Gleisen kle­ ben bleiben, sondern müssen neue Markt­ chancen erkennen, beweglich und flexibel agieren. Das Beispiel Tastatur aus dem Bereich der Mikroelektronik kann in einen größeren Rahmen gestellt werden. Den Mikrochips fehlen heute noch die geeigneten Verbin­ dungen zu unserer realen Welt. Eine Tastatur ist eine solche Verbindung, aber Buchstabe für Buchstabe muß mehr oder weniger müh­ sam eingegeben werden. Für viele Anwen­ dungen gibt es intelligentere Lösungen. Eine Vielzahl von Verbindungen können durch mikromechanische Bauelemente realisiert wer­ den. Es gibt – derzeit meist erst als Labor­ muster – Geruchs-, Tast-, Farb- und andere Sensoren auf der Basis mikromechanischer Strukturen. Und Bauteile, die Aktionen aus­ führen – sogenannte Aktoren, wie Pumpen, Ventile und Schalter. Durch die Verknüp­ fung solcher Sensoren und Aktoren mit Elektronik, die Sensorsignale auswertet und Aktoren ansteuert, entsteht ein Mikro­ system. Einige Beispiele aus der Arbeit des Insti­ tuts für Mikro- und Informationstechnik (IMIT) der Hahn-Schickard-Gesellschaft sol­ len diese Gedanken verdeutlichen. Im Rah- 45 Dieser Artikel wurde mit Hilfe eines Com­ puters verfaßt. Buchstaben für Buchstaben wurden über eine Tastatur eingegeben. Viel­ leicht kommt in der Zukunft einmal eine Idee der Firma IBM zum Tragen: die tasten­ lose Tastatur. Auf der Tischfläche vor dem Monitor befinden sich nur die Hände des Schreibers. Sie werden von einer Kamera beobachtet. Auf dem Monitor ist eine Tasta­ turschablone und das Bild der Finger einge­ blendet. Modeme Bildverarbeitung ermög­ licht, daß die Fingerbewegungen auf dem Tisch erkannt und in die entsprechenden Buchstaben oder Befehle umgesetzt werden. Eine reale Tastatur ist überflüssig. Sie wird von einer kleinen Kamera und Software ersetzt. Aber nicht nur das. Die tastenlose Tastatur kann nachts, wenn sie nicht benutzt wird, als Teil einer Alarmeinrichtung fungie­ ren. Sie kann von Banken zur Überprüfung von Unterschriften eingesetzt werden, da nicht nur die Unterschrift selbst, sondern auch der Vorgang des Unterschreibens cha­ rakteristische Merkmale aufweist. Viele wei­ tere Aufgaben sind denkbar. Die tastenlose Tastatur ist also viel mehr als eine Tastatur. Unabhängig davon, ob diese provokative Idee Wirklichkeit werden wird oder nicht, ist

M ikromechanischer Kraftsensor men eines vom Bundesministerium für For­ schung und Technologie geförderten Ver­ bundvorhabens hat das IMIT zusammen mit den Firmen Bizerba (Balingen), Bosch (Stuttgart), Gesellschaft für Mikrotechnik und Sensorik (Villingen-Schwenningen) und MotoMeter (Leonberg) die Grundlagen sogenannter frequenzanaloger Sensoren er­ arbeitet. Diese mikromechanischen Senso­ ren, mit denen man Größen wie Kraft, Druck und Durchfluß bestimmen kann, beruhen auf einem fast jedem Menschen bekannten Prinzip. Spannt man eine Gitarrenseite, so ändert sich der Ton (physikalisch ausge­ drückt: die Resonanzfrequenz), der beim Anzupfen erzeugt wird. Die Mikromechanik ermöglicht die Herstellung kleiner Balken, einige Mikrometer dick und einige Millime­ ter lang. Regt man diese Strukturen zu Schwingungen an und ändert z.B. die Kraft, die auf sie einwirkt, so verändert sich ihre Resonanzfrequenz. Diese Veränderung wie­ derum ist ein Maß für die einwirkende Kraft. Die Vorteile dieser Kraft-Sensoren sind vor allem die gegenüber herkömmlichen Senso­ ren hohe Empfindlichkeit und die unkom­ plizierte Signalverarbeitung, die nur ein Abzählen von Schwingungen erfordert. Die 46 Verwendung dünner, schwingender Mem­ branen erlaubt die Messung von Druck oder aber auch die Messung bestimmter Stoffe in der Umwelttechnik. Im letzteren Fall über­ zieht man die Membran mit einem dünnen Film, an dem sich bestimmte Moleküle anla­ gern. Ein weiteres Verbundprojekt, gefördert vom Land Baden-Württemberg, wird derzeit am IMIT unter Mitwirkung auch von Fir­ men aus der Region bearbeitet. Ziel ist es, verschiedene Aktorstrukturen, wie Mikro­ Ventile, Mikro-Pumpen und Mikro-Schalter zu entwickeln. Bei diesem Projekt wird ein bedeutsamer Unterschied der Mikromecha­ nik zur Feinmechanik deutlich. Die erwähn­ ten – aus funktionaler Sicht sehr unter­ schiedlichen – Bauelemente können aus ganz ähnlichen mikromechanischen Struk­ turen bestehen. Ein Vorteil vor allem in be­ zug auf die Herstellungskosten. Die Mikro­ technik ermöglicht eine sogenannte Batch­ Fabrikation: im Gegensatz zur konventio­ nellen Technologie, wo man meist seriell fer­ tigt (d. h. ein Teil nach dem anderen), kön­ nen hier hunderte, tausende von Elementen gleichzeitig hergestellt werden. Kann man nun, wie bei den genannten Strukturen, ganz

unterschiedliche Funktionen aus den selben oder ähnlichen Elementen aufbauen, so wird auch bei kleineren Stückzahlen eine preisgünstige Fertigung möglich. Auf den Ergebnissen der beiden genann­ ten Projektbeispiele basierend, kann man schließlich ein Mikrosystem entwickeln, in­ dem man z.B. einen Volumenstromsensor nach dem oben ausgeführten frequenzana­ logen Prinzip mit Ventilen und Pumpen aus dem Aktor-Projekt und entsprechender Aus­ werte- und Steuerelektronik zusammenge­ fügt – eine der Projektideen, die derzeit von den Mitarbeitern des IMIT verfolgt werden. Ein solches Mikrodosiersystem hat sehr viel­ fältige Anwendungen in den verschieden­ sten Bereichen. Man denke z.B. an die Medi­ zintechnik, die Pharmaindustrie oder die Lebensmitteltechnik. Es kann überall dort eingesetzt werden, wo eine hochgenaue Do­ sierung auch kleinster Mengen gefordert ist. Für eine Firma, die Drucker für Spezial­ applikationen herstellt, entwickelt IMIT einen neuen Tintenstrahl-Druckkopf. In den im Moment eingesetzten feinwerktechnisch hergestellten Druckkopf werden schrittweise mikrotechnische Elemente integriert. Das Ziel ist ein Druckkopf, der nur noch aus mikrotechnischen Bauteilen besteht. Ob­ wohl in diesem Beispiel keine hohen Stück­ zahlen im Hintergrund stehen, ist der mikro­ technische Druckkopf dem feinwerktechni­ schen sowohl im Hinblick auf die Druckqua­ lität als auch auf den Herstellungspreis deut­ lich überlegen. Dieses Beispiel einer Auf­ tragsentwicklung zeigt, daß die Mikrome­ chanik die Feinwerktechnik in Anwendun­ gen verdrängen wird, wo sie preiswertere und/oder leistungsstärkere Produkte ermög­ licht. Die genannten Beispiele aus der Arbeit des IMIT können in wenigen Jahren zu neuen Produkten führen. Wir bearbeiten aber auch schon wichtige Probleme, deren Lösung noch einige Zeit in Anspruch neh­ men wird. In einem von der Kommission der Europäischen Gemeinschaft unterstützten Projekt forschen wir zusammen mit fünf wei- teren Partnern an der Entwicklung von „Ner­ vensteckern“. Werden, z.B. durch einen Un­ fall verursacht, Nerven durchtrennt, ist die Folge davon eine Einschränkung der Bewe­ gungsmöglichkeit (oder Schlimmeres). Wenn überhaupt, so wachsen nur einige Nervenfa­ sern wieder richtig zusammen. Zusammen mit unseren Partnern werden wir mikrosko­ pisch kleine Kanäle aus biologisch verträgli­ chen Materialien entwickeln, in die Nerven­ fasern hineinwachsen können. Die elektri­ schen Signale der Fasern können durch ent­ sprechende Kontakte in den Kanälen abge­ nommen werden. Modeme, mikroprozes­ sorgestützte Methoden der Informationsver­ arbeitung sorgen dafür, daß die richtigen Fasern künstlich wieder miteinander verbun­ den werden. Der Einsatz dieser Nervenstek­ ker in der Humanmedizin ist sicher erst in einigen Jahren zu erwarten. Es ist dennoch wichtig, schon jetzt an dieser anspruchsvol­ len Problemstellung zu arbeiten. Die genannten Beispiele geben einen �erschnitt aus der Arbeit des IMIT, das im Sommer 1993 offiziell eingeweiht wurde. Anhand der Beispiele ist unschwer zu erken­ nen, daß die Mikrosystemtechnik in vielen Branchen wichtig werden wird. Es liegt an uns, die Potentiale für uns alle nutzbringend einzusetzen: dem Unternehmer durch Inno­ vationen zur Sicherung seiner Konkurrenz­ fähigkeit und der Arbeitsplätze, jedem ein­ zelnen durch Produkte z.B. im Bereich der Medizin oder des Umweltschutzes, die hel­ fen, unseren Lebensstandard zu erhalten und unsere Lebensqualität zu verbessern. Mit dem neuen Institut für Mikro- und Informationstechnik im Zentralbereich zwi­ schen Villingen und Schwenningen verfügt die Region über ein großes Technologiereser­ voir. In einem von der Stadt Villingen-Schwen­ ningen zur Verfügung gestellten neuen Ge­ bäude mit insgesamt 3600 m2 Nutzfläche ste­ hen, derzeit von etwa 45 jungen und hochqua­ lifizierten Mitarbeitern betreut, zur Verfügung: • Ein modernes Rechnernetz für Entwurf und Simulation sowie Meßdatenerfas­ sung 47

Arbeit im Reinraum Raster-Elektronen-Mikroskop • Reinräume (ca. 600 m2, Klasse 10-1000) mit allen zur Mikrostrukturierung erfor­ derlichen Geräten • Meßtechnik zur Charakterisierung von mechanischen und elektrischen Eigen­ schaften sowie von Oberflächen e Modeme Lasersysteme für die Mikroma­ terialbearbeitung und die Aufbau- und Verbindungstechnik. Der Schwerpunkt der Arbeit des IMIT liegt in der Umsetzung von Ergebnissen der Grundlagenforschung aus dem Bereich der Mikromechanik in industrielle Produkte. Dies erscheint besonders wichtig, da der Flaschen­ hals zu einer breiten Anwendung der Mikro­ mechanik und der Mikrosystemtechnik der­ zeit nicht durch ungelöste Probleme der Grundlagenforschung oder der Technologie, sondern durch den noch unzureichenden Transfer entsprechender (Grundlagen-)Ergeb­ nisse in Produkte gebildet wird. Deshalb ist es die Aufgabe des IMIT, interessierte Unter­ nehmen zu unterstützen. Diese können sich im Rahmen der Zusammenarbeit mit IMIT auf dem Weg von einer Produktidee bis zu deren Realisierung beraten lassen: Als ,,Dienstleistungszentrum Mikromechanik“, gefördert vom Bundesforschungsministe­ rium, unterstützt IMIT die Industrie bei der Einführung der Mikrosystemtechnik u. a. durch: Information und Beratung, Beur­ teilung der technischen Machbarkeit von Produktideen, Risikoabschätzung, rezensierte 48 Literaturdienste, Patent- und Literatur-Da­ tenbankrecherchen, Seminare und Sympo­ sien, Unterstützung bei Organisation und Q!.ialifikation, Beratung bei F & E-Projekten sowie einer breiten Palette wissenschaftlich­ technologischer Dienstleistungen, von der Erarbeitung von Lösungskonzepten über Hilfestellungen bei der Lösung konkreter technischer Einzelprobleme und die Ab­ wicklung von kompletten Produktentwick­ lungen bis hin zur Einarbeitung von Partner­ Mitarbeitern am Institut und die Über­ nahme von Kleinserienproduktionen. Zwei Beispiele aus dem Bereich Fortbil­ dung dieses Dienstleistungsangebotes seien näher betrachtet. Im regelmäßig stattfinden­ den Mikrotechnischen Kolloqium des IMIT referieren Fachleute aus Forschung und In­ dustrie über verschiedene Themen aus dem Bereich Mikrotechnik. Die Veranstaltung hat das Ziel, einem breiten Kreis von Interes­ senten die Möglichkeit zu geben, neueste Entwicklungen zu verfolgen, Kontakte her­ zustellen und einen regen Gedankenaustausch zu pflegen. Fortbildungsseminare führt IMIT auch in Zusammenarbeit mit mehreren bedeutenden europäischen Instituten und Universitäten durch. Inzwischen wurden etwa ein Dutzend Fortbildungsseminare mit verschiedenen Schwerpunktthemen erarbei­ tet, so daß das europa- wenn nicht weltweit umfangreichste Seminarangebot auf dem Gebiet der Mikrosystemtechnik hier im

Schwarzwald-Baar-Kreis angeboten werden kann. Die Zusammenarbeit von Industrieunter­ nehmen und IMIT eröffnet der Region neue Chancen auf einem jungen und sehr innova­ tionsträchtigem High-Tech-Markt. Die Auf­ gabe des IMIT ist es, die Industrie in Villin­ gen-Schwenningen und Umgebung durch neue Impulse zu stärken und bei der Einfüh­ rung der neuen Technologien Mikromecha­ nik und Mikrosystemtechnik zu unterstüt­ zen. Es ist sicher wünschenswert, daß die Wirtschaft der Region die Unterstützung und das Kooperationsangebot des IMIT noch stärker annimmt als dies derzeit schon der Fall ist. Denn nur durch eine enge Zu- sammenarbeit zwischen der Industrie und Dienstleistungszentren wie dem IMIT ist es möglich, die anstehenden Herausforderun­ gen in Wirtschaft und Gesellschaft erfolg­ reich zu meistern. Man darf nicht erwarten, daß IMIT als Denkfabrik fungiert, deren Mitarbeiter die Problemlösungen und Pro­ dukte erfinden, die dann nur in die Industrie zu transferiert werden brauchen. Vielmehr bedarf es einer Zusammenarbeit, die mög­ lichst nach dem Erkennen von Problemen oder dem Aufkommen einer Idee beginnt und bis zur Markteinführung eines Produk­ tes andauert. Arbeiten wir gemeinsam an und für unsere Zukunft! Dr. Rainer Günzler Ernst Reinhardt GmbH Ein Villinger Maschinenbauunternehmen mit weltweiten Verbindungen Das den Älteren noch als „Bibbele“-Rein­ hardt bekannte Unternehmen hat sich im Laufe seiner nunmehr 57jährigen Geschich­ te zu einem namhaften Maschinenbauunter­ nehmen entwickelt. Mit den Maschinen und Anlagen, die sich unter dem Oberbegriff Warmbehandlungsanlagen zusammenfas­ sen lassen, ist die Ernst Reinhardt GmbH weltweit zu einem der führenden Hersteller dieser Anlagen geworden. Der Begriff „Bibbele“-Reinhardt geht zu­ rück auf die Anfänge des Unternehmens. Man schrieb das Jahr 1937, als der Villinger Ernst Reinhardt eine Einzelfirma gründete und in der Flaschnerwerkstatt seines verstor­ benen Vaters in der damaligen Gartenstr. 5 (heute General-Horn-Straße) damit begann, Geflügelzuchtgeräte herzustellen. Die Pro­ dukte kamen gut an und schon bald wurde es in der kleinen Werkstatt zu eng. Im Jahr 1940 erwarb Ernst Reinhardt an der Schwenninger Straße (heute Güterbahnhofstraße) die ehe­ malige Winterschule für Landwirte. Zu die­ sem Gebäude gehörte auch eine Halle, die als Produktionsstätte geeignet war, sowie ein entsprechendes Gelände, das Platz für die zukünftige Entwicklung bot. Im Jahr 1947 wurde das Unternehmen als GmbH in das Villinger Handelsregister ein­ getragen. Nachdem die Produktion aufgrund der großen Nachfrage für einige Jahre in eine Halle am Güterbahnhof ausgelagert werden mußte, entschloß sich Ernst Reinhardt zum Bau einer Produktionshalle auf dem eigent­ lichen Firmengelände. Dieses Projekt wurde im Jahr 1950 realisiert. Einschneidende Veränderungen brachte dasJahr1953 mit sich. Nach entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen mit den Nie­ derlanden wurden in Deutschland vermehrt die wesentlich preisgünstigeren Eier der hol­ ländischen Geflügelfarmer gekauft. Für viele der meist kleineren Kunden der Ernst Rein– hardt GmbH bedeutete dies das Aus, und auch Ernst Reinhardt war aufgrund der sin­ kenden Nachfrage gezwungen zu reagieren. Aus dieser Situation heraus entwickelte er einen Trockenofen, in dem das System eines Brutapparates mit langsamlaufenden Seiten- 49

lüftern integriert war. Der erste Einsatzzweck war das Trocknen von bedruckten Kugel­ schreiberminen. Der neuen Produktpalette boten sich sehr viele Anwendungsgebiete, so daß die Herstellung von Geflügelzucht­ geräten schon bald aufgegeben wurde. Damit verbunden war auch eine Änderung der Fertigungsmethoden. Während die Ge­ häuse der Brutapparate aus Holz gefertigt wurden, war es notwendig, auf Blechver­ arbeitung umzusteigen, da für die Trocken­ öfen isolierte Stahlblechgehäuse benötigt wurden. Die ersten Trockenöfen waren zwar noch aus Holz hergestellt, doch dank der Flexibili­ tät der zum damaligen Zeitpunkt 40 Mitar­ beiter und entsprechenden Investitionen in neue Blechbearbeitungsmaschinen wurde diese Hürde relativ schnell und erfolgreich genommen. Aus den Erfahrungen des Jahres 1953 und der damit verbundenen Konsequenzen machte sich Ernst Reinhardt daran, seine Trockenöfen an die unterschiedlichsten In­ dustriezweige zu liefern, um nicht von Wohl 50 und Wehe eines Zweiges abhängig zu sein. Zudem wurden Farbspritzanlagen in das Fer­ tigungsprogramm mit aufgenommen. Zu Beginn der 60er Jahre war eine Vergrö­ ßerung der Produktionsfläche notwendig geworden. Durch die Angliederung einer weiteren Fertigungshalle wurde die Produk­ tionsfläche mehr als verdoppelt. Schon von einer schweren Krankheit gezeichnet, über­ wachte Ernst Reinhardt die Bauarbeiten, und nur wenige Monate nach der Fertigstel­ lung schloß er im Jahre 1962 im Alter von 61 Jahren die Augen für immer. Sein Sohn Eugen Reinhardt übernahm nach seinem Tod im Alter von erst 22 Jahren die Geschäftsführung. Er setzte das Werk seines Vaters konsequent fort. Die Produkt­ palette wurde ständig ergänzt und erweitert. Komplette Anlagen, in denen Warmbehand­ lungsöfen integriert sind, wurden entwickelt. Ziel war und ist es, durch entsprechendes Know-how und hervorragende Q!ialität einen Wettbewerbsvorteil zu erhalten, um auf dem immer härter werdenden Weltmarkt bestehen zu können.

Das Konzept ging auf Schon anfangs der 70er Jahre folgte eine weitere Erweiterung der Produktionsfläche durch den Anbau einer Halle, die mit einer Nutzhöhe von 8 Metern und entsprechenden Krananlagen die Voraussetzungen dafür bot, auch Groß­ anlagen zu bauen. Abgerundet wurde diese Baumaßnahme durch die Einrichtung moderner Sozial- und Aufenthaltsräume für die zum damaligen Zeitpunkt ca. 80 Mitarbeiter. Durch stetige Investitionen in den Ma­ schinenpark wurde dafür gesorgt, daß die Fertigung für die ständigen Herausforderun­ gen durch die immer komplexer und kompli­ zierter werdenden Maschinen und Anlagen bestens gerüstet war. Im Jahr 1990 konnte ein weiterer Bau­ abschnitt abgeschlossen werden. Für die Mitarbeiter der Konstruktion und der kauf­ männischen Abteilung wurden großzügige, freundliche Büroräume geschaffen, die mit modernsten Bürokommunikationsanlagen und CAD-Arbeitsplätzen ausgerüstet sind. Im Rahmen dieser Investitionsmaßnah­ men wurde das äußere Erscheinungsbild des Unternehmens geändert. Das Produktions­ und Bürogebäude präsentiert sich heute in den Farben lichtgrau und taubenblau, die auf das neue Reinhardt-Firmenlogo abge­ stimmt sind. Zum Produktionsprogramm der Ernst Reinhardt GmbH gehören u. a. Hochlei­ stungstrockner, Warmbehandlungsanlagen, Vorwärmeöfen, Entisolierungsöfen, Rota­ tionsformanlagen, Beschichtungsanlagen, Naßlackiereinrichtungen, Durchlauftrock­ ner, Kerntrockner, Temperöfen, Aushärte­ öfen, Feuchtekammern sowie Glüh- und Härteöfen. Ihren guten Ruf, den die Ernst Reinhardt GmbH mit ihrer Produktpalette weltweit genießt, hat sie in erster Linie ihrer Fähigkeit zu verdanken, besondere Aufgabenstellun­ gen seitens der Kunden konsequent umzu­ setzen und technisch und wirtschaftlich her­ vorragende Lösungen anzubieten. Klaus Storz Gasbeheizter Durchlaufofen zum Vorwärmen von Kunststojfplatten vor dem Verpressen zu Pkw-Teilen. Rotationsformanlage ‚Jype „RSU 45″ zur Her­ stellung von Behältern und Hohlkörpern aus PE (auf dieser Anlage können Behälter mit einem Volumen bis zu 20 000 Liter hergestellt werden – z.B. Erdtanks zur Sammlung von Regenwasser). Diese Anlage ist die grijßte dieser Art in Europa. Entisolierungsefen mit thermischer Nachverbren­ nungsanlage zum vollautomatischen umwelt­ freundlichen Entfernen organischer Isolations­ und Beschichtungsmaterialien (z.B. aus Motoren}. 51

Firma AZ-ARMATUREN GMBH & CO KG in Mönchweiler Hersteller von Sonderarmaturen Wenn man von Villingen auf der B 33 kommend entlang des Industriegebietes Mönchweiler in Richtung Peterzell fährt, sind linker Hand augenfällig die modernen türkisfarbenen Verwaltungsgebäude und Pro­ duktionshallen der Firma AZ-ARMATUREN zu sehen. Gerhard Wisser, geboren 1932 in Schonach, besuchte in Freiburg das Gymnasium und schloß 1951 mit dem Abitur ab. Anschlie­ ßend begann er im elterlichen Betrieb eine kaufmännische Lehre, mit Abschluß 1954. Ab Wintersemester 1956 studierte Ger­ hard Wisser an der Technischen Hochschule Stuttgart Maschinenbau. Der Abschluß des Studiums erfolgte im Frühsommer 1961 mit der Diplomarbeit. Ein Jahr arbeitete Gerhard Wisser als Diplom-Ingenieur in den Vereinigten Staa­ ten von Amerika. Von 1962 bis 1965 war er dann mit dem Aufbau einer deutschen Toch­ tergesellschaft für eine US-amerikanische Firma als Betriebsleiter in Lindau tätig. 1965 gründete der damals 33jährige seine eigene Firma. Nach kleinsten Anfängen mit zunächst einem einzigen Mitarbeiter wurde in der ausgedienten Werkstatt von Mechani­ ker-Meister Meinrad Spath im Triberger ,,Roßgrund“ mit der Produktion von Küken­ hähnen mit Teflon-Buchsen begonnen. Die Gebäudekomplexe fügen sich gut in die Landschaft ein. Die mit viel Grün gestal­ teten Außenanlagen geben dem Gesamt­ komplex eine besondere Note. Die Firma AZ-ARMATUREN GMBH & CO KG ist spezialisiert auf die Herstellung von hoch-säure-festen Sonderarmaturen, hauptsächlich Kükenhähne (Durchgangs­ und Mehrweghähne) unter Verwendung von Werkstoffen wie Edelstahl, Monel, Nickel, Titan, Hastelloy und Teflon. Abnehmer im In- und Ausland sind hauptsächlich Anwender in der Chemie, Petro-Chernie, Ingenieur-Gesellschaften und Kraftwerke. Die Firmengründung erfolgte am 1.1. 1965. Der Firmengründer Dipl.-Ing. 52

Die Geschichte der weiteren Entwicklung von AZ-ARMATUREN liest sich wie ein Roman. Schon im Jahre 1967 konnte die Firma ihren ersten Fabrikbau mit einer Grundfläche von 540 qm in Schonach­ Untertal erstellen. Obwohl die Konkurrenz mit allen Mitteln versuchte, der kleinen Wettbewerbsfirma den Garaus zu machen, setzten sich die Erzeugnisse der Firma AZ aufgrund hoher Qpalität und technischer Verbesserungen nach und nach in starkem Umfang durch, so daß bereits im Jahre 1971 ein Erweiterungsbau auf etwa die doppelte Betriebsfläche erstellt werden konnte. Schon bei der Grundstücksbeschaffung für den ersten Fabrikneubau in Schonach, Talstraße 11, waren die Gebrüder Johann und Josef Spath in dankenswerter Weise behilflich. Da sich bereits nach wenigen Jahren die Notwendigkeit zu weiterer Vergrößerung abzeichnete, wurde in der näheren Umge­ bung nach Baugelände bzw. betrieblichen Erweiterungsmöglichkeiten gesucht. Zu da­ maliger Zeit konnte jedoch nichts gefunden werden. Eine Zwischenlösung zeichnete sich 1976 durch den Erwerb der Firma J. Seifert KG in Rastatt-Ottersdorf ab. Diese Firma verfügte über ausreichend Industriegelände, eine bestehende Halle mit Verwaltungsge­ bäude sowie über einen guten, von der Firma AZ-ARMATUREN so dringend benötigten Maschinenpark. Die Produktion wurde zweigeteilt. Die Firma in Rastatt arbeitete unter dem Namen Baflon GmbH & Co KG als 1000/oige Tochter von AZ-ARMATUREN zunächst als Zulieferer von Drehteilen, spä­ ter als Hersteller von Teflon-Auskleidungen, fast ausschließlich für AZ. Eine zweiteilige Produktion bei einer Ent­ fernung von über 100 Kilometern war auf die Dauer absolut unbefriedigend. Als daher im Jahre 1979 die (in Schonach benachbarten) Gebrüder Spath GMBH der Firma AZ-ARMA­ TUREN ihre Verkaufsbereitschaft signali­ sierten, wurde man bald handelseinig und Werkhallengelände von Gebr. Spath über­ nommen. Die Raumprobleme schienen vor­ läufig gelöst, die Produktion wurde wieder Seniorchef Gerhard Wzgger mit Junior Jörg Titus Wigger zusammengelegt und die Immobilien in Rastatt verkauft (an Fa. Argus/Ettlingen). Durch die stetige Weiterentwicklung der Produkt-Palette und durch den Aus- und Aufbau des heute bestehenden Vertriebsnet­ zes wuchs jedoch der Umsatz stetig und es zeichnete sich bereits im Jahre 1987 ein wei­ terer Raumengpaß ab. Es wurde also wie­ derum nach Erweiterungsmöglichkeiten ge­ sucht. Die Gemeindeverwaltung Schonach wur­ de mehrfach angesprochen und (vergeblich) um Hilfe bzw. Unterstützung bei der Grund­ stücksbeschaffung gebeten. Viele Möglich­ keiten, auch in Nachbargemeinden, wurden in Betracht gezogen. Alle Bemühungen scheiterten jedoch an der Topographie oder am kurörtlichen Charakter der angesproche­ nen Gemeinden. Die Suche nach einem geeigneten Betriebsstandort mit entspre­ chender Erweiterungsmöglichkeit wurde schließlich belohnt. Die Firma AZ fand in Mönchweiler das geeignete Grundstück mit bereits bestehenden Hallen (3.700 qm) und 53

Die Firma AZ-ARMATUREN beschäftigt heute 75 Mitarbeiter, nachdem die rückläu­ fige Konjunktur auch an der Firma nicht spurlos vorüberging. Emil Rimmele Die Produkte von AZ-ARMATUREN sind inzwischen weltweit in Fachkreisen anerkannt. Auch heute noch geht ein Teil des Exports in die ehemaligen sozialistischen Länder, die nach wie vor über erheblichen Bedarf verfügen. Die Firma AZ-ARMATUREN wird sich auch in Zukunft den wachsenden Herausfor­ derungen stellen. Die Nachfolge scheint gesichert. Der zweite Sohn des Firmengrün­ ders,Jörg Titus Wisser, hat 1992 sein Maschi­ nenbau-Studium an der Technischen Uni­ versität Karlsruhe als Dipl.-Ingenieur abge­ schlossen und arbeitet seither in der Ge­ schäftsleitung. ausreichend (weitgehend ebenem) Erweite­ rungsgelände (ca. 20.000 qm) der ehern. Firma Pfundstein/Benz. Beim Kauf des Areals in Mönchweiler waren die bestehen­ den Gebäude vermietet, so daß es nicht unbedingt notwendig war,‘ den Betrieb von Schonach nach Mönchweiler sofort zu verle­ gen. Im Jahr 1991/1992 wurde ein Verwal­ tungsgebäude erstellt und die bestehenden Produktionshallen renoviert bzw. instandge­ setzt. Die Außenanlagen wurden neu konzi­ piert. Der Umzug am l. 4. 1992 ging verhältnis­ mäßig reibungslos vonstatten. Es war ledig­ lich ein Produktionsausfall von 3 bis 4 Wochen im Jahre 1992 in Kauf zu nehmen. Anfängliche Diskussionen mit dem Mit­ arbeiterstamm wurden gemeinsam gelöst, so daß alle Arbeitnehmer den Umzug mittru­ gen und keinerlei Personalfluktuation statt­ fand. 54

StoAG Das Stühlinger Unternehmen investierte 30 Millionen in sein neues Werk in Donaueschingen Bereits seit Ende 1992 prägt der 36 Meter hohe Produktionsturm der Sto AG die „Skyline“ von Donaueschingen. A ef einem Gelände von 2 6. 000 Quadratmetern, vormals im Besitz der Firma Contraves, wurden 2.300 Quadratmeter über­ baut, entstanden so Verwaltungsgebäude, Ver­ triebszentrale, Lager und Produktionsgebäude. Am 7. Mai 1993 wurde das Werk offiziell einge- weiht. Für den aufstrebenden Industriestandort Donaueschingen bedeutete dieser Schritt eine wichtige Aufwertung. ,, Unser Unternehmen ist mit der Region .fest verbunden‘: betont Vorstands­ vorsitzender Jochen Stotmeister und schlägt damit einen Bogen vom Kreis Waldshut zum Schwarz­ wald-Baar-Kreis. ,,Immerhin wird seit 1835 in unserem Stammwerk in Weizen produziert.“ 55

Die dynamische Entwicklung der Sto AG hatte die alten Produktionskapazitäten in Stühlingen-Weizen schon lange an den Rand der Auslastung gebracht. Der Bau eines neuen Werks wurde unvermeidlich. Auf der Suche nach einem neuen Standort in der Nähe des Hauptwerks wurde man jedoch recht schnell fündig: Donaueschingen. Die günstige Verkehrslage mit Autobahn­ anschluß und Bundesbahnlinie und das Angebot eines Baugeländes, dessen Fläche aufZuwachs ausgerichtet ist, gaben den Aus­ schlag zugunsten der Stadt an der Donau­ quelle. Auch Donaueschingens Oberbürger­ meister Dr. Bernhard Everke zeigte sich natürlich erfreut, daß die Stadt einen so renommierten Betrieb für sich gewinnen konnte. Dies war für die Gemeinde sogar doppelt erfreulich: zum einen, weil dadurch neue Arbeitsplätze geschaffen werden konn­ ten, zum andern, weil diese Arbeitsplätze keine Monoindustrie festschreiben, sondern das breit gemischte Spektrum mittelstän­ discher Betriebe noch erweitert. Am Sto-Standort Donaueschingen sind drei Unternehmensbereiche untergebracht. Erstens werden hier- zentral für den ganzen deutschen Markt sowie für die Sto-Nieder­ lassungen in Europa – Flüssig- und Trocken­ produkte für Betoninstandsetzung, Boden­ beschichtungen sowie für Wärmedämm­ Verbundsysteme produziert. Zweitens ist hier die Vertriebszentrale für rund 2000 Kun­ den in Südbaden und Südwürttemberg. Und drittens steht in Donaueschingen das Regio­ nallager der Sto AG für Selbstabholer aus dem Handwerk und Baugewerbe im südöst­ lichen Schwarzwald. Dafür investierte die Sto AG etwa 30 Mil­ lionen DM und bis jetzt entstanden dadurch 40 neue Arbeitsplätze im Werk Donau­ eschingen. Positiv für Donaueschingen wirk­ ten sich dabei natürlich auch die damit ver­ bundenen Aufträge für die örtliche Wirt­ schaft aus. Denn schon beim Bau des neuen Werkes setzte die Sto AG – traditionell Part­ ner des Handwerks – konsequent auf Hand­ werksunternehmen aus der Region. Tradition und Modeme: Die Sto AG ist ein altes, im Hinblick auf das heutige Pro­ duktionsspektrum aber ein noch junges Unternehmen. Die Ursprünge liegen in dem 1835 gegründeten „Cement- und Kalkwerk Weizen“, das 1936 von Wilhelm Stotmeister erworben wurde. Seit der Gründung der Stot­ meister KG im Jahre 1955 entwickelte sich das Unternehmen von einer kleinen Putz­ und Farbenfabrik von allenfalls regionaler Bedeutung zu einem international tätigen Unternehmen mit Werken und Niederlas­ sungen in ganz Deutschland, in zahlreichen Ländern Europas und in Nordamerika. Heute ist die Sto AG einer der führenden deutschen Zulieferer des Bau- und Ausbau­ handwerks. Weltweit mehr als 1.800 Mitar­ beiter entwickeln, produzieren und vertrei­ ben Putze und Farben Wärmedämm-Verbundsysteme Akustiksysteme Systeme zum Betonschutz und zur Be­ toninstandsetzung Bodenbeschichtungen Farbgestaltungsentwürfe für Fassaden und Designkonzeptionen für die Raumgestal­ tung. 56

Menge, die aber im fertigen Produkt ent­ scheidend sein kann für den �alitätsvor­ sprung, der Sto-Produkte auf dem Markt so erfolgreich gemacht hat. Große Reichweite Dem Sto-Werk Donaueschingen ange­ schlossen ist die Sto-Niederlassung Donau­ eschingen. Sie ist die Verkaufsniederlassung für das südliche Baden-Württemberg. Kon­ kret bedeutet dies, daß allein von Donau­ eschingen aus ein Einzugsgebiet mit erheb­ lichen Ausmaßen betreut wird: von Offen­ burg bis Lörrach, von Lindau bis Albstadt­ Ebingen, von Balingen bis Schramberg. In der näheren Umgebung gehört zudem der Raum Sigmaringen, Tuttlingen, Rottweil und natürlich Donaueschingen dazu. 12 Außendienstmitarbeiter, dazu ein tech­ nischer Berater und ein Systemberater sor­ gen als Einführmeister vor Ort auf der Bau­ stelle oder als Fachberater dafür, daß Sto für die Kunden mehr ist als „nur“ das Produkt im gelben Eimer. Rund 2000 Handwerksbe­ triebe sowie etwa 1000 Architekten und Ämter werden so durch die Niederlassung Donaueschingen betreut. Unterstützt wird dieser Service durch ein Netz von Lagern, eines davon ebenfalls in Donaueschingen, die die schnelle Belieferung auch mit kleinen Warenmengen gewährleisten. Beide zusammen, Werk und Niederlas­ sung Donaueschingen, werden sich -da ist sich die Geschäftsleitung der Sto AG sicher­ in absehbarer Zeit zu einem der wichtigsten deutschen Standorte außerhalb des Stühlin­ ger Stammwerks entwickeln. Für Donau­ eschingen und das dazugehörige Umland sicher keine schlechte Zukunftsprognose. Thomas Petereit Die Kapazität der Anlage liegt derzeit bei acht bis zehn Tonnen pro Tag, ist aber jeder­ zeit erweiterbar. Dazu kommt eine vollauto­ matische Abtönanlage für wasserverdünn­ bare Systeme, die es gestattet, in immer gleichbleibenden Standardfarbtönen oder auch -je nach Kundenwunsch -in Sonder­ farbtönen abzumischen. Die Trockenproduktion Die Herstellung von Trockenprodukten, die in Säcken oder größeren Verpackungs­ einheiten abgefüllt werden, ist die Aufgabe der 14 Mitarbeiter des zweiten Produktions­ bereichs. Dabei läuft auch hier die eigentli­ che Produktion von der Dosierung der Roh­ stoffe bis zur Palettierung vollautomatisch ab. Um Mörtel für die Betoninstandsetzung, Klebe-und Armierungsmassen für Wärme­ dämm-Verbundsysteme oder mineralische Deckputze herzustellen, müssen teilweise bis zu 50 Kleinkomponenten im richtigen Mischungsverhältnis zugesetzt werden. So ist die Dosieranlage auf eine Wägegenauig­ keit bis zu zehn Gramm ausgelegt -bei einem Stundenausstoß der Anlage von 25 Tonnen, bei Abfüllung in Container sogar 36 Tonnen -eine verschwindend geringe Chronik der Ereignisse •· Im Juni 1991 erwarb die Sto AG das Gelände mit bereits bestehenden Ge­ bäuden. •> Im Dezember 1991 begann der Um­ bau des Pavillons, in den im Frühjahr darauf die Niederlassung einzog. •> Im März 1992 begannen die Neu­ arbeiten für den Produktionsturm mit angegliederten Gebäuden. •:· Am 1.Juni 1992 fiel der Startschuß für die automatische Flüssigproduktion. •· Am 1. April 1993 wurde die Trocken­ produktion aufgenommen. Am glei­ chen Tag nahm auch das Regional­ lager Donaueschingen seinen Betrieb auf 58

Siedle-Warmpreßteile, Vöhrenbach Von der Glockengießerei zum Hohlschmiede-Spezialisten Wenn ein mittelständisches Unterneh· men am Standort Schwarzwald eine über 200jährige Tradition vorzuweisen hat, dann können seine Ursprünge nur in der Uhrma· cherei zu suchen sein. Und so verhält es sich auch bei der Gebrüder Siedle Warm preß teile GmbH, die an der Donaueschinger Straße in Vöhrenbach angesiedelt ist und zu den Spe· zialisten in der Herstellung von Hohlpreß· teilen zählt. Siedle ist einer der großen Ar· beitgeber in Vöhrenbach, beschäftigt heute 160 Mitarbeiter. Für den Bau von Schlaguhren benötigten die Uhrmacher im Schwarzwald Glocken, die von etwa 1760 an in Gießhütten berge· stellt wurden. Zuvor hatte man diese aus der Schweiz und Nürnberg bezogen. Die wohl bekannteste Gießhütte wurde die von Salo· mon Siedle, des Bregeme Salomon. Er führte das Werk seines Vaters Andreas Siedle fort, der seit 1794 den Bregenbachhofin Neukirch bewirtschaftete und dort eine Gießhütte erbaut hatte. Sein Sohn Salomon erwarb 1816 den vom Bregenbachhof abgetrennten Oberbregenbachhof (siehe Gerd Bender, Uhrmacher des hohen Schwarzwaldes und ihre Werke, Bd.1) und stieg zum bedeutend· sten Glockengießer im Schwarzwald auf. Seine drei Söhne gründeten drei Firmen, Salomon II. das Unternehmen S. Siedle & Söhne in Furtwangen, Vinzenz Siedle eine Gießerei in Triberg und Josef Siedle 1854 in Schönwald gleichfalls eine Gießerei. Der Tatkraft vonJosefSiedle schließlich ist es zu verdanken, daß das heute in Vöhrenbach ansäßige Unternehmen entstehen konnte und sich hier ansiedelte: Er verlegte seine Glockengießerei im Jahr 1905 nach Vöhren· bach, da es ihm in Schönwald an Erweite· rungsmöglichkeiten fehlte und dort zudem kein Bahnanschluß gegeben war. In Vöhrenbach, in unmittelbarer Nähe 59

Gebrüder Siedle v’öhrenbach Glod!en-Giesserei und Gah1anisierungsanstall Station dff 8rt9t1tbthn : : : trl,phon no. 1a : : : @:8 (03 @:!j Preisliste eys Gegossene Glocken poliert, 11ernid!elt, kupfergeflämmt und Rohguss für elektrische !iöutewerke, Celephon, Uhren, Fahrräder u. s. w. Titelblatl eines Firmenkataloges aus den 1920er Jahren, als der Unternehmensschwerpunkt noch in der GlockengiefJerei zu suchen war. zum Bahnhof der Bregtalbahn, führte Josef Siedle die Gießerei in der ehemaligen Schrei­ nerei Bernhard fort. Zusammen mit seinem Bruder Paul übernahm dann 1912 Adolf Siedle die Gießerei, deren Standort 1925 mit viel Weitsicht ein weiteres Mal verlegt wur­ de: An der Donaueschinger Straße entstand ein vorbildliches Fabrikgebäude, das ergänzt um Erweiterungsbauten, die von einer be­ ständigen Aufwärtsentwicklung zeugen, noch heute genutzt wird. Die Firma Gebrüder Siedle, Glocken-Gie­ ßerei und Galvanisierungsanstalt, wie es in einem Produktkatalog der1920erJahre heißt, fertigte ihre gegossenen Glocken poliert, ver­ nickelt oder kupfergeflämmt. Doch schon zu dieser Zeit kamen die Siedle-Glocken längst nicht mehr nur in Uhren zum Einsatz: Mit dem Einzug der Elektrizität waren elek­ trische Läutwerke an der Haustüre schick 60 geworden, die Glocken dazu stammten von Siedle aus Vöhrenbach. Telephonglocken und Fahrradglocken goß Siedle gleichfalls, auch die Läutwerke von Straßenbahnen und Signalanlagen jeder Art, selbst auf Schiffen, waren mit Siedle-Glocken bestückt. Der Wandel von der Glockengießerei zum Metallpreßwerk vollzog sich bei Siedle schon früh: Bereits 1925 hatten Paul und Adolf Siedle die Vorzüge eines gepreßten Werkstückes erkannt und gliederten ihrer Metallgießerei ein Preßwerk an. Die Brüder Siedle nutzten ihre lange Erfahrung in der Messingverarbeitung dazu, neue Fertigungs­ verfahren zu erschließen. Der Vöhrenbacher Chronist Franz-JosefFurtwängler hat diesen technologischen Wandel in anschaulichen Worten geschildert: ,,Im Laufe des Ersten Weltkrieges und in der Folgezeit haben sich Bearbeitun_gsmaschinen, Stahlqualitä­ ten, elektrische Ofen und andere Vorausset­ zungen so entwickelt, daß es möglich wurde, zahlreiche Gegenstände, Maschinen und Be­ standteile von Apparaten statt zu formen und gießen im Verfahren der Warmpreßver­ formung ganz oder nahezu ganz gebrauchs­ fertig herzustellen. Das machte frühere Bear­ beitungsvorgänge wie Bohren, Fräsen, Ho­ beln und Drehen überflüssig.“ Und in der Tat ging das Glockengießen in der Folgezeit mehr und mehr zurück, und jetzt sicherte die neue Preßtechnik den Fort­ bestand des Unternehmens, das mittlerweile rund 25 Arbeitsplätze bot. Einer der letzten Gießaufträge wurde im übrigen für die Hei­ matgilde „Frohsinn“ getätigt. Adolf Siedle fertigte dem traditionsreichen Vöhrenba­ cher Sublodere-Hans in den 1950er Jahren die Glocken für das neue G’schell. Noch heute zeugen diese Glocken mit ihrem unverwechselbaren Klang von der hohen Qialität der einstigen Gießerei. Auch ist der Name Adolf Siedle eng mit der jüngeren Vöhrenbacher Geschichte verbunden. Der Fabrikant war auf vielfältige Art und Weise um das öffentliche Leben in Vöhrenbach bemüht, AdolfSiedJe (1889-1976) wirkte als Stadtrat und stellvertretender Bürgermeister.

Formteile mit besonderer Obe,jl.ächenbehandlung, die zur Steuerung von Gasen und Flüssigkeiten verwendet werden und in der Elektrotechnik, in der Sanitärindustrie oder Medizintechnik zum Einsatz kommen. 61

Das neue Fertigungsverfahren, das Warm­ pressen, eröffnete dem Vöhrenbacher Un­ ternehmen in der Folgezeit vielfältige Mög­ lichkeiten, die Produktpalette Zug um Zug auszubauen. Beim Warmpressen wird das Ausgangsmaterial auf Schmiedetemperatur erwärmt und dann verformt. Die frühen Erfahrungen auf diesem Gebiet machten bei Siedle in den 1960er Jahren einen erneuten technologischen Wandel möglich: Siedle wandte neben dem klassischen Schmieden als eine der ersten Firmen das Hohlschmie­ den an, bis heute zählt man in diesem Bereich zu den Spezialisten. Dank der rationellen und somit wirt­ schaftlichen Herstellung liegt eine der Stär­ ken von Siedle darin, vielfältigsten Kunden­ wünschen gerecht werden zu können. Wie derlei Hohlschmiedeteile entstehen, wie aus der Idee des Kunden binnen weniger Wochen ein Produkt heranrei� und zur Auslieferung gelangt, verdeutlicht ein Gang durch das mit modernen Pressen und CAM­ Systemen (Computer Aided Manufacturing) ausgestatteten Unternehmen. In der Konstruktionsabteilung bedient man sich zunächst modernster Computer­ technik, um zu schmiedegerechten und opti­ mal zerspanbaren Formteilen zu kommen, denn bereits in der Konstruktionsphase wer­ den die Weichen für die Qualität des End­ produktes gestellt. Bei herkömmlicher Pro­ duktionsweise entwickelt sich aus der Roh­ teilzeichnung eine Werkzeugzeichnung, die anschließend ein Werkzeugmacher umsetzt. Bei Siedle jedoch wird aus den einmal per Computer erfaßten Daten direkt die Form entwickelt, die dann am Computerbild­ schirm zu sehen und ständig modifizierbar ist. Auf dem selben Weg werden auch die für die Produktion erforderlichen Zerspa­ nungswerkzeuge konstruiert. Im Werkzeugbau des Unternehmens be­ ginnt nun die Umsetzung dessen, was bis­ lang nur eine Produktidee war. Doch es werden keine Zeichnungen weitergereicht, sondern ausschließlich Computerdaten, die vom CAM-Programm generierte, über ein 62 NC-Programm direkt auf die Fräsmaschine übertragene, komplexe dreidimensionale Form. Mit der so erstellten Elektrode wird dann die Teileform aus dem Stahlrohling erodiert. Es entsteht das Werkzeug, mit des­ sen Qualität und Präzision die Güte der spä­ teren Serienfertigung steht und fällt. Der Werkzeugbau hat die Grundlagen für die Güte der Werkstücke geschaffen, jetzt kom­ men vollautomatische Schmiedesysteme zum Einsatz, die sowohl für Mittel- als auch für Großserienproduktionen ausgelegt sind. Aus einfachen Rohlingen werden komplexe Schmiedeteile geformt, die hoch bean­ spruchbar, absolut lunkerfrei und gasdicht sind, die aber dennoch günstige Zerspanungs­ eigenschaften aufweisen und deren Ober­ fläche auf vielfältige Art und Weise bearbeit­ bar bleibt. In einem Arbeitsgang entstehen komplexe Schmiedeteile mit einem Gewicht von fünf Gramm bis zu 10 Kilogramm. Auf ausschließlich nach den Anforderun­ gen von Siedle gebauten Sondermaschinen werden die Rohlinge im weiteren Verlauf der Fertigung nachbearbeitet. Neue CNC-ge­ steuerte Rundtakt-Sondermaschinen eröff­ nen bei der Nachbearbeitung Möglichkei­ ten, denen kaum Grenzen gesetzt sind. Die Werkstücke werden gewaschen, exakt entgra­ tet und kontrolliert, bis das Produkt das Unternehmen verlassen kann. Bei diesen Produkten handelt es sich beispielsweise um Formteile, mit denen Gase und Flüssigkeiten gesteuert und geregelt werden können. Auch gibt es in Deutschland kaum einen Wasser­ zähler, dessen Gehäuse nicht bei Siedle in Vöhrenbach gefertigt wurde. Aber auch Branchen, wie die Sanitärindustrie, Elektro­ technik, die Uhrenindustrie oder die Medi­ zintechnik zählen zum Abnehmerkreis des Vöhrenbacher Unternehmens. Namhafte Ab­ nehmer in ganz Europa nutzen den seit Jahr­ zehnten gleichbleibend hohen Qualitäts­ standard bei Siedle, wo eine verantwortungs­ bewußte und zeitgemäße Qialitätssicherung die Produktion begleitet. Und auch der Umweltschutz spielt bei Siedle seit langem eine große Rolle. Die Wiederverwertung der

Kupfer- und Aluminiumknetlegierungen wird seit Jahrzehnten praktiziert. Was bei anderen Werkstoffen noch viele Fragen aufwirft, ist hier bereits Wirklichkeit geworden: lOOpro­ zentiges Recycling. Schwarzwälder Unternehmergeist und weitsichtiges Handeln haben in Vöhrenbach ein mittelständisches Unternehmen entste­ hen lassen, das heute 160 Menschen Arbeit bietet und junge Menschen an das Berufs- leben heranführt: Siedle bildet Werkzeug­ mechaniker der Fachrichtung Formenbau, Zerspanungsmechaniker der Fachrichtung Drehtechnik und Technische Zeichner aus. Das Vöhrenbacher Traditionsunternehmen wird von Herbert Kern, Technischer Leiter und Betriebsleiter, von Rainer Kern, Ver­ triebsleiter, und von Rüdiger Hirt geführt, der die kaufmännische Leitung innehat. Wilfried Dold E. WEHRLE GMBH, Präzisionstechnik, Furtwangen Ein erfolgreiches Unternehmen seit mehr als 150 Jahren Auch die E. WEHRLE GMBH, die 1992 ihr lSOjähriges Firmenjubiläum feiern konnte, hat ihren Ursprung wie viele andere Furtwan­ ger Traditionsunternehmen im Uhrmacher­ handwerk. Gegründet wurde der Betrieb 1842 durch den Musikuhrenmacher Franz Xaver Wehr­ le. Das damalige „Produktionsprogramm“: Musikuhren, Spieluhren, Trompeteruhren, Wanduhren. 1849 konnte der Firmengründer für 2610 Gulden das Haus Nr. 4 im Moos (Gemeinde Schönenbach) ersteigern und damit den Grundstein für die Aufwärtsentwicklung legen. 1858 trat dann ein gewisser Ernilian 63

Wehrle in das Unternehmen ein, ebenfalls ein gelernter Uhrmacher, und 1866 wurde die neue Firma Emilian Wehrle und Com­ pany gegründet. Der Sohn Julian Wehrle führte das Geschäft fort. Hergestellt wurden damals Flötenuhren, Hahnenschreiuhren, Musikwerke und vieles andere mehr. Die Nachfolger von Franz Xaver Wehrle kauften 1880 die Firma Zimber in Furtwan­ gen auf und übernahmen auch deren Pro­ duktionsprogramm. So kam es zur Produk­ tion von elektrischen Uhren, Laufwerken, Tableaus und als Besonderheit Beichtstuhl­ heizungen. Wachstumsschübe und Krisen wechselten sich auch bei Wehrle ab. Einen großen Einschnitt in die Entwicklung der Firma bildete der Erste Weltkrieg. Der eigentliche Aufschwung begann, als der jüngste Sohn Erwin von seinem Vater Julian Wehrle 1923 den Betrieb übernahm. Zusammen mit seiner Frau Elise kann er als der eigentliche Begründer des heutigen Un­ ternehmens genannt werden. Tüftler, Kon­ strukteur, Fertigungsmann und Verkäufer in einem, war er eine große Unternehmerper­ sönlichkeit. Schon bald erkannte er, daß er sich spezialisieren mußte, und das hieß für ihn, die Verarbeitung von schwer zu bearbei­ tenden Materialien anzugehen, wie er sie schon aus der Herstellung von Uhren kannte. Es begann die Produktion von Einzelteilen wie Zahnrädern, Achsen, Wellen usw. aus Messing, Nickel, Hartgummi, nichtrosten­ dem Stahl usw., und damit war der Weg vor- 64

programmiert als Lieferant für die Wasser­ zählerindustrie. Nach dem ersten Ausbau 1937 folgten rasch weitere Um- und Anbauten. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges zur Rüstungsproduktion gezwungen (Wehrle lieferte als einziger Hersteller komplizierte Amboßschrauben aus Messing für Granat­ zünder), folgte eine harte Zeit bis zur voll­ ständigen Demontage durch die Besatzungs­ mächte. Aus dem Nichts heraus erfolgte der Wiederaufbau. Der Jahresumsatz nach der Währungsreform lag bei etwa 150 000 DM. Zum Vergleich: im Boomjahr 1991, das durch die Öffnung der Märkte im Osten, insbeson­ dere der neuen Bundesländer, gekennzeich­ net war, lag der Umsatz bei über 45 Mio. DM. Als erster Fabrikant in der Wasserzähler­ branche erprobte und verwendete Erwin Wehrle 1949 anstelle der bisherigen Materia­ lien Kunststoff für Zahnräder. Von da ab ging der Fortschritt sehr schnell.1953 startete man schließlich mit der Montage von Zähl­ werken. Erwin Wehrle wurde zu dem angese­ henen Lieferanten der Wasserzählerbranche. Aber auch im persönlichen Bereich war er stets Vorbild und Ansprechpartner für seine Mitarbeiter. Als Gemeinderat und Bürger­ meisterstellvertreter nahm er 15 Jahre lang kommunale Belange in Schönenbach wahr. 1966 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen. Als Erwin Wehrle am 20. Mai 1971 starb, hinterließ er ein florierendes Unternehmen, 65

in dem auch nach sei­ nem Tod die systema­ tische Weiterentwick­ lung der Produktpa­ lette im Vordergrund stand. Nach dem Tode ihres Mannes über­ nahm Elise Wehrle die Position des Kom­ plementärs der zwi­ schenzeitlich gegrün­ deten KG. Im Zuge einer Be­ triebsaufspaltung wur­ de die Firma 1977 in eine GmbH und eine Besitzgesellschaft auf­ gegliedert. Seither ist Fritz Vosseler, Dipl.­ Ge­ Betriebswirt, schäftsführer. Frau Elise Wehrle starb im Jahre 1980. Die Geschäftsanteile befinden sich heute im Besitz der Tochter Renate Wehrle und der Familie der ver­ storbenen Tochter Friedhilde Herth geb. Wehrle. WEHRLE heute: Die systematische Weiterentwicklung sowohl der Produkt­ palette als auch der Unternehmensstruk­ tur führte dazu, daß Wehrle sich heute als modernes und erfolg­ reiches Unternehmen präsentiert. Das Pro­ duktionsprogramm ist vielfultig; immer aber handelt es sich um Spe­ zialartikel, die ein ho- 66

hes Maß an technischem Können voraus­ setzen. Etwa 75 Prozent des Umsatzes, der 1991- im bisher besten Geschäftsjahr des Unter­ nehmens – über45 Mio. DM betrug, entfal­ len auf Produkte zur Messung flüssiger Medien. Hierzu gehören insbesondere Haus­ wasserzähler, Wohnungswasserzähler, Wär­ mezähler, Durchflußmeßgeräte für indu­ strielle Anwendungszwecke. Sowohl hoch präzise Spritzgießformen als auch nahezu sämtliche Einzelkomponenten werden im Hause gefertigt. Bei sehr großer Fertigungstiefe sind es nur wenige Spezial­ teile wie Magnete, Lagersteine etc. und die Messinggehäuse, die zugekauft werden. Die Produktion der Spritzgießteile erfolgt überwiegend im Dreischichtbetrieb. In der modernen Halle stehen heute ca. 50 Kunst­ stoffspritzmaschinen, auf denen überwie­ gend vollautomatisch produziert wird. Ro­ boter, Handlinggeräte sowie sonstige kom­ plizierte Peripheriegeräte gehören zum All­ tag. Gerade in der Werkzeug- und Kunst­ stofftechnologie besitzt Wehrle ein weit über das Inland hinaus geschätztes Know-how. Endmontage und Funktion der Geräte un­ terliegen einer strengen �alitätssicherung, wie überhaupt die Qualität ein Hauptgrund für die positive Unternehmensentwicklung ist. Die Bauartzulassung der Produkte durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt wie Beglaubigung in den staatlich anerkann­ ten Prüfstellen für Wasser und für Wärme bei der E. WEHRLE GMBH sind wesentliche Voraussetzungen sämtlicher Produkte. Etwa 30 0/o des Umsatzes werden expor­ tiert, insbesondere in die europäischen Staa­ ten, aber auch nach Nah- und Mittelost so­ wie Übersee. Kooperations-, Know-how- und Lizenz­ vereinbarungen mit Partnern in aller Welt garantieren die Präsenz von Wehrle in vielen Ländern. So war Wehrle zum Beispiel eines der ersten Unternehmen der Branche, das bereits Anfang der achtziger Jahre eine enge vertragliche Zusammenarbeit mit Partnern in der Volksrepublik China realisierte. Etwa 25 0/o des Umsatzes erzielt Wehrle mit Werkzeugen und technischen Kunst­ stoffspritzgießteilen. Hauptabnehmer dieser Spezialartikel (Mehrfarb- und Mehrkompo­ nententeile, komplizierte Baugruppen) sind die optische Industrie, Hersteller hochwer­ tigster Schreibgeräte sowie die Automobil­ und elektrotechnische Industrie. Produziert wird auf einer Fläche von rd. 8 500 m2 • An gut ausgestatteten Arbeitsplät­ zen sind etwa 250 Mitarbeiter (zum Teil rund um die Uhr) tätig. Modeme Datenverarbei­ tung und Kommunikation, computerunter­ stützte Konstruktions- und Laborplätze schaffen die Voraussetzungen für den Erfolg. Ziel der integrierten Unternehmenspla­ nung, wie sie bei Wehrle seit vielen Jahren praktiziert wird, ist es, das Unternehmen auch für die Zukunft als mittelständisches Unternehmen erfolgreich zu machen. Hier steht die Anpassung der Produktpalette im Vordergrund. In Verbindung mit der heute möglichen Informationstechnik entstehen Geräte, die zum Beispiel für Fernablesung, Datenweiterverarbeitung und -auswertung geeignet sind. Feinmechanik wird dort, wo sinnvoll, durch Elektronik ersetzt bzw. ergänzt. Neue Konzepte in Zusammenhang mit Umweltschutzgedanken und Recycling sind in Vorbereitung. Rund um die Medien Wasser und Wärme sowie auf dem Sektor hochwertige Präzi­ sionsspritzgießtechnik will das Unterneh­ men auch in Zukunft kompetenter Partner seiner Kunden sein. Schwierige allgemeinwirtschaftliche Si­ tuationen werden Wehrle immer wieder vor neue Herausforderungen stellen. Trotzdem sieht Geschäftsführer Fritz Vosseler optimi­ stisch in die Zukunft und möchte gerne zusammen mit seinen Mitarbeitern die erzielten überdurchschnittlichen Zuwachsra­ ten fortsetzen. Nachdem Wasser eine immer kostbarere Ressource darstellt und der ge­ samte Energie- und Umweltsektor mehr und mehr an Bedeutung gewinnt, dürfte die Zu­ versicht durchaus gerechtfertigt sein. Isolde Barthillat 67

Vor SO Jahren – Erinnerungen an den Luftkrieg Bombenangriffe auf Schwenningen Am 2. Januar schon fing das Jahr 1945 für Schwenningen mit einem fürchterlichen Paukenschlag an. Mit ihrem zweiten Luftan­ griff auf das militärisch vollkommen unbe­ deutende Schwenningen setzten die Ameri­ kaner mit der 8. Luftflotte ihre Angriffe gegen die deutsche Zivilbevölkerung fort. Dieser verlustreiche Angriff forderte 101 Todesopfer. Es waren 15 Kinder, 9 Jugendli­ che, 35 Frauen und 42 Männer (davon 12 Fremdarbeiter). So viele Männer deshalb, weil die ehemalige „Zündholzfabrik“, in der die Firmen RIEBLE & MATHAUER und GUSTAV STROHM waren, nach der Mit­ tagspause gerade wieder mit der Arbeit begonnen hatte. Schwer getroffen und zer- stört wurde das Gebiet zwischen der Bis­ marck-(heute Erzbergerstraße), Gneisenau­ (heute Pestalozzi-, früher Zündholzstraße), Scharnhorst- (heute Hans-Sachs-Straße), Karlstraße, Arndtstraße und Jahnstraße. Abgelegener noch Mühlweg und Sänger­ straße. Die 250-Kilo-Bomben zerfetzten die Fachwerkhäuser und setzten sie teilweise in Brand. So hatten die in ihren Kellern Schutz suchenden Menschen kaum eine Überle­ benschance. In einigen Häusern starben die Großeltern mit Töchtern und Enkeln (Män­ ner waren Soldat), manchmal 6 Personen. Auf der Sängerstraße war gerade ein Bäcker­ lehrling und das Dienstmädchen mit einem 2.Januar 1945, Karlstraße nach Westen 68

Schwenningen am 2.1. 1945, Mühlweg 22-24 Handwagen unterwegs, um Brot auf den „Sauerwasen“ zu fahren. Sie warfen sich in den Straßenkandel an den Randstein, um Deckung zu haben. Ein Bombenvolltreffer zerriß alles in tausend Stücke, die nach Tagen erst auf Bäumen und Dächern gefunden wurden. Ein 18jähriges Mädchen verbrannte im Haus und schrumpfte bis zur Unkennt­ lichkeit. Eine 48jährige Frau wurde in den Trümmern unter dem noch heißen Herd ver­ schüttet – sie starb am 27. Januar 1945 an den Verbrennungen. Der 7 0jährige Haus­ meister bei Rieble & Mathauer wurde erst am 13. April 1945 unter den Trümmern gefun­ den. Zeitzeugen berichten über unvorstell­ bare Leiden und Schicksale. Am 9. Februar 1945 traf der 3. Angriff die Bachen- und Schwabstraße (oberhalb der Karlstraße). Im Doppelhaus Schwabstraße 61/63 starben allein 12 Personen, darunter ein Säugling mit 6 Wochen. Nur ein 16jähri­ ges Mädchen konnte spät in der Nacht noch lebend geborgen werden, noch im August lag sie im Krankenhaus. In der Bachenstraße starb ein 74 und 69 Jahre altes Ehepaar, ein 43jähriger Mann 3 Wochen später an seinen Verletzungen. Ein Pferd wurde zerrissen, 31 Kühe und 6 Schweine getötet. Dieser Angriff forderte 15 Menschenleben, davon waren 2 Kinder, 8 Frauen und 5 Männer. Die Leichen wurden auf dem Gehweg der heutigen Alleenstraße abgelegt und von einem 15jäh­ rigen Gymnasiast bewacht. Ein fehlender Frauenkopf wurde erst in der Nacht gefun­ den. Am 22. Februar 1945 erlebte die Stadt den 4. Luftangriff der US-Air Force. Es waren 25 viermotorige Bomber – sogenannte Flie­ gende Festungen – der 390. Bombergruppe mit ihrem 259. in England gestarteten Ein- 69

satz. Sie sollen 90 Tonnen Sprengbomben lärm vorbei war, rannte ich gleich auf die auf das Gebiet südlich des Bahnhofes und Straße und sah die Zerstörungen ab der Wirt- schaft „Deutsches Haus“. In der Lamm- auf den Neckarstadtteil zwischen Neckar-/ straße war das Haus Nr. 2 nurnoch ein Trüm- Reutestraße und Lamm-/Olgastraße abge- worfen haben. Luftbildaufnahmen der Stadt merhaufen, das Haus Nr. 10 war gar nicht mit angezeichneten Fabrikstandorten wur- mehr da, nur ein riesiger Bombentrichter, der wochenlang mit Trümmerschutt aufge- den schon am 23. April 1944 gemacht. De- füllt wurde. Auf dem Zimmerplatz des Zim- tajlangaben dazu kamen aus der Schweiz. Von den Zielobjekten wurde keines getrof- mergeschäfts Jäckle in der Werastraße war ein „Splitterschutzgraben“ in die Erde ge- fen, hauptsächlich aber das Arbeiterviertel baut worden, verkleidet mit Holzdielen und am „Necker“. Dieser Stadtteil hatte nur wenige Luftschutzräume. Die Bevölkerung überdeckt mit Balken, Blechtafeln und Aus- rannte hoch in den Reutewald oder saß in hubboden. Dort haben 22 Menschen Schutz den Kellern der kleinen, meist l 112stöckjgen gesucht. 6 schwere Bomben fielen auf den Fachwerkhäuschen. Deshalb gab es auch so kleinen Platz, zerquetschten oder zerrissen 21 davon; es waren 8 fünder, 11 Frauen und 2 viele Tote. Ich selbst war Zeitzeuge und zu Hause in Männer. Kaum zu glauben, daß eine Frau der Werastraße 44 im Keller. Wir hörten das schwer verletzt davon kam, doch hatte sie fürchterliche Pfeifen und Dröhnen der her- den Mann und ihre 3 Kjnder verloren-auch abstürzenden und explodjerenden Bomben, ihren Lebensmut! Im Sumpf eines Bomben- trichters fand ich zerrissene Körperteile eines spürten den Luftdruck der Explosionen. Das ganze Haus schien zu wackeln. Zu unserem Mannes. Auf einer herumliegenden T üre haben wir den Leichnam zusammengesetzt, Glück fiel die letzte Bombe etwa 100 m von damit auch alle Körperteile gefunden wur- uns entfernt. Als der Bomben- und Bomber- Bahnhojgelände nach einem Lufiangrijf, 22. 2. 1945 70

1yp eines Flugzeuges, mit dem die Bombenangriffe geflogen wurden (heute im Museum in Tucson/ Arizona) Schrifttafel mit den Namen der Einsätze und der bombardierten Städte tstH COIV MAR SYN AIRF 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 8 0 0 0 ,- – 250 251 252 253 254 255 258 257 258 259 280 281 282 283 284 285 288 287 2ea 289 ·– WESEL, GA BERLIN, GA CHEMNITZ, GA WEIMAR-EISENACH, GA CHEB,CZEC COTTBUS, GA FAANKFUAT,GA OSNABAUCK,GA NUANBEAG, GA SCHWENNI NGEN, GA TAEUCHTLI NGEN, GA WESEL, GA BEALIN,GA LEIPZIG , GA KASSEL,GR ULM,GA DRESDEN, GA BAUNSW ICK, GA DATTELN, GR LANGENDREER, GR 1 FEB ’45 3 FEB ’45 6 FEB ’45 9 FEB ’45 14 FEB ’45 15 FEB ’45 17 FEB ’45 19 FEB ’45 20 FEB’45 22 FEB ’45 23 FEB ’45 24 FEB ’45 26 FEB ’45 27 FEB ’45 28 FEB ’45 1 MAR ’45 2 MAR ’45 3 MAR ’45 7 MAR ’45 MAR MAR MAR. MAR MAR MAR BRID RAIL RAIL MAR! �RS MAR Mill SYN1 8 MAR ’45 – ,…UCI 71

Wandtafel mit den bombardierten Städten 72

den. Noch im Augustl945 fand einJunge auf dem Dach der ATEGE-Lagerhalle den Arm einer Frau aus der Neckarstraße. Im Haus neben dem Zimmerplatz waren 12 Personen im Keller. Eine Frau wurde noch vom Haus­ gang aus in den Garten geschleudert, das Gebäude war total zerbombt. Im Keller starb eine schwangere Frau mit 2 kleinen Mäd­ chen, der Hausherr mit Frau und Tochter. Nur deren damals 18jährige Tochter konnte nach vielen Stunden aus den Trümmern lebend geborgen werden – ihre tote Mutter lag auf ihr und hat ihr so wahrscheinlich das Leben gerettet. Zusammen gab es in diesem Haus 11 Tote. Im Haus Kornbindstraße 89 starben die Eltern mit 7 ihrer 9 Kinder samt dem Pflichtjahrmädchen. Die Kinder waren zwischen 14 Monaten und 12 Jahren (Zwei Buben waren als Flakhelfer im Einsatz!). Im Haus Reutestraße 86 starb mit den Eltern die Tochter und deren 2 Mädchen (2 und 5 Jahre alt), die extra aus Friedrichshafen herzogen, weil dort so schwere Angriffe waren. An die­ sem Tag verloren 22 Kinder, 1 jugendliche, 35 Frauen und 17 Männer, zusammen 75 Menschen ihr Leben. Im Reutewald zwischen dem Panorama­ weg und der Straße vom Krematorium zum Kurhaus lagen eine Menge Steine, Mauer­ brocken, Gebälk und verbogene Eisenbahn­ schienen. Vom Malergeschäft STORZ in der Werastraße wurden Farbpulverfasser bis zum Reutehang geschleudert und zerrissen. Die ganze Gegend dort war farbig bestreut. Die Opfer wurden gegen Abend geborgen und auf den Straßen oder Wegen nebenein­ ander gelegt. Fuhrwerke brachten dann rohe Holzkisten vom MAYER und MAUTHE­ Sägewerk. Die Toten wurden dann zum Kre­ matorium gefahren. Erst einige Tage später erfolgte die Bestattung auf einem abgelege­ nen Platz weit hinter dem Krematorium. In langen Gruben wurden die Kisten nebenein­ ander gestellt. Der evangelische Pfarrer Schä­ fer von der Pauluskirche und der katholische Pfarrer Singer hielten die Trauerreden. Noch monatelang waren wir mit den Aufräu­ mungsarbeiten beschäftigt – manche konn- Gedenkstein für die Bumbenopfer auf dem Schwenninger Friedhof ten erst nach einem Jahr wieder in die halb­ wegs hergerichteten Wohnungen einziehen. Reparaturen an beschädigten Häusern wur­ den mit Abbruchmaterial und noch brauch­ baren Ziegeln der ganz zerstörten Häuser durchgeführt. Der Zufall wollte es, daß eine Schwennin­ ger Familie das Museum dieser 390th Bom­ bergruppe in TUCSON/ Ariz. USA besich­ tigte. Durch eine Schrifttafel mit dem Na­ men der Einsätze und der bombardierten Städte auf den Einsatz 259 SCHWENNIN­ GEN GR 22. FEBR. ’45 MARSHALLING YARD (Verschiebebahnhof) aufmerksam geworden, brachten sie einige Fotos und den Museumsprospekt mit. Diese Bombergruppe rühmt sich zu der ,,erfolgreichen primären Mission des Bom­ bardierens“ mit 301 Einsätzen von England aus. Sie wurde auch berühmt durch den Abschuß von Feindflugzeugen. 73

fch habe darauf an das MANAGEMENT 390th MEMORIAL MUSEUM geschrieben – was sie an diesem 22. Februar an Schäden angerichtet hat und daß 75 Menschen, meist Frauen und Kinder, dabei starben. – daß sie den Tod von tausend Zivilisten auf dem Gewi sen haben und die Einsätze als große Erfolge darstellen, obwohl die e als „exakte Chronik des Grauens“ anzusehen sind. (So eine amerikanische Geschichts­ professorin.) daß das Bombardieren der Zivilbevölke­ rung das Ergebnis einer nach der Charta der Vereinten Nationen „kriegsverbreche­ rischen Strategie“ war. daß sie im Unrecht waren, als sie ihre Kräfte gegen Frauen und Kinder wandten. daß aus ethischer, moralischer und christ­ licher Ansicht ihren Tafeln hinzugefügt werden müßte, wieviel Tausende Frauen und Kindern durch ihre Bomben getötet wurden. – daß ich hoffe, daß das christliche Gewis­ sen und der Glaube an einen Herrgott auch den ehemaligen Soldaten der 390th das 5. Gebot zum Bewußtsein bringt. – daß, wenn ich einmal das Museum be­ suche, hoffentljch diese Wandlung erken­ nen werde. Die Gesamtopfer aller Fliegerangriffe auf Schwenningen vom Dezember 1944 bis 20. April 1945 beliefen sich auf 39 Kinder, 10 Jugendliche ab 15 Jahre, 78 Frauen, 66 Männer, zu ammen 193 Tote. Ehre ihrem Gedenken. Karl Benzing Luftkrieg und Bomberabstürze in Obereschach und Niedereschach längst hat in unserer Heimat der von außen kommende Tod für den einzelnen die Methode gewechselt: Da wird eine Tank­ stelle überfallen, der Pächter erstickt am Kne­ bel; ein Gastwirt stirbt, weil er keine Schutz­ gelder zahlt; am Bahnhof hat man einen Drogentoten gefunden – Zeitungsmeldun­ gen unserer Tage, druckenswerte Aktualität. Vor 50 Jahren, 1944: Der Bombenkrieg auf deutsche Städte eskaliert. Allein in den Großstädten sterben Hunderttausende, die Trümmer machen die Straßen unpas ierbar. Es sterben vor allem Frauen, Kinder, Alte. Fa t täglich greifen amerikanische und engli­ sche Bomber an. Insgesamt sind es zehntau­ sende, und sie tragen hunderttausende Ton­ nen Bombenlast. Die Zukunft Deutschlands wird ausgelöscht, so scheint es. Zahlenmäßig unterlegen, greifen bei Tag und Nacht deut­ sche Jagdflugzeuge die feindlichen Bomber­ verbände an, schlagen sich mit technisch überlegenen Geleitschutz-Jägern herum. In ständigen Abnutzungskämpfen überfordert, bleibt die Abschußquote verhältnismäßig gering, wird der Kampf immer aussichtslo­ ser. Dennoch: Auch hier wird gestorben, hüben wie drüben. 50 Jahre danach: Dem jungen Zeitungsredakteur ist die Erinnerung an die Luftkämpfe und den Absturz feind­ licher Bomber vor unserer Haustür keine Zeile mehr wert. Leid von früher scheint wie Schnee von gestern. Für das Kriegsjahr 1944 und rue restlichen Monate bis zum Kriegsende im April 1945, la sen sich auf dem Gebiet des heutigen Schwarzwald-Baar-Kreises mehrere Flug­ zeugabstürze nachweisen, sowohl deutscher Jagdmaschinen als auch feindlicher Bomber. Zwei davon sollen hier Erwähnung finden: In Obereschach ahnte niemand, daß die­ ser winterliche Tag des 15. März 1944 die größte Gefahr für das Dorf bringen würde, eit dem Dreißigjährigen Krieg, als württem­ bergische Truppen zahlreiche Häuser anzün- 74

Obereschach, 15. März 1944: Am späten Abend stürzte eine Maschine dieses viermotorigen Typs, eine britische Lancaster, ab. An Bord hatte sie, neben zahlreichen Brandbomben, eine riesige 8000-lb­ Minenbombe (rd. 3,6 Tonnen), die glücklichenoeise nicht explodierte. (Die Bombe aiif dem Tieflader in der Fotografie ist „nur“ halb so schwer.) Niedereschach, 18. März 1944: Am Nachmittag stürzte ein viermotoriger Bomber Boeing B-17 Flying Fortress (Fliegende Festung) im Gewann Bubenholz ab, nachdem sie kurz zuvor im Luftkampf abge­ schossen worden war. 75

deten. An diesem Tag waren 863 Bomber der Royal Air Force (Großbritannien) zu einem Nachtangriff auf Stuttgart gestartet. Teile des deutschen Nachtjagd-Geschwaders 6 (7. Nachtjagddivision) flogen ihnen mit zwei­ motorigen Jägern, Messerschmitt Bf 110 und Junkers Ju 88, entgegen. Dabei kam es nicht nur über Stuttgart, sondern auch im süd­ badisch-elsäßischen Raum zu Luftkämpfen. Insgesamt wurden 40 feindliche Maschi­ nen abgeschossen. Einer dieser Luftkämpfe ereignete sich in den späten Abendstunden des 15. März unweit Obereschachs und dürfte aus der Erfahrung nur ein paar Minu­ ten gedauert haben, dann stürzte das briti­ sche Flugzeug ab. Es kam von Südosten, aus Richtung Weilersbach, angeflogen und drohte auf das Dorf zu stürzen. Zum Glück für die Bewohner Obereschachs schlug es aber einige hundert Meter vor den ersten Häusern auf dem Gewann „Vordere Halde“, nördlich der Stumpenstraße, auf und zer­ schellte. Die Stelle liegt heute zwischen der Hauskapelle und dem Haldenhof der Fami­ lie Wilhelm Zimmermann. In einer engli­ schen Liste wird der Absturztag mit dem 15. März 1944 angegeben, d. h., die Maschine ist vor Mitternacht, möglicherweise 23.21 Uhr, abgestürzt. In den deutschen Abschuß­ listen erfolgt keine Zuweisung an einen bestimmten Piloten, er bleibt offen, jedoch gibt es signifikante Hinweise auf einen be­ stimmten Namen. Die abgeschossene Ma­ schine der RAF war eine viermotorige Lanca­ ster. Sie verfügte über eine Besatzung von sie­ ben Mann und hatte eine Bewaffnung von zehn Maschinengewehren (7,6 mm). Das Flugzeug gehörte zur 1. Group der 625 Squa­ dron (Staffel) mit Heimatflugplatz Kelstern (Lancaster) in England. Der Pilot war Flight Sergeant (Oberfeldwebel) Frank Grafton Hodgk.ins aus Worcester in England. Beim Aufschlag der Maschine starb er ebenso wie seine Mannschaftskameraden, deren Namen ebenfalls bekannt sind. Der Aufprall im Gelände war so heftig, daß der Schütze im Maschinengewehrturm an der Rumpfober­ seite samt seiner Kanzel herausgeschleudert 76 wurde. Man fand ihn etwa 150 m nördlich der Maschine tot in einem eisernen MG­ Kranz liegen, ein junger Mann mit dunkel gelockten Haaren. Ob allerdings alle sieben Besatzungsmitglieder zu Tode kamen, ist deshalb nicht sicher, weil sich am Tage ein paar hundert Meter südöstlich der Absturz­ stelle ein Fallschirm fand und von wo sich im restlichen Schnee Fußspuren im nahen Wald verloren. Ebenfalls aus der Maschine herausgeschleudert wurden zahlreiche der sechseckigen Stabbrandbomben und klei­ nere Phosphorbomben mit Aufschlagzün­ der. Die ganze Halde brannte, berichtet noch im Jahre 1994 ein Augenzeuge. Der­ selbe berichtet, man sei, als man die Trüm­ mer beseitigte und die verstümmelten Toten barg, auf die riesige Bombe gestoßen, die teil­ weise aus dem Boden schaute. Man habe sie ausgegraben, zur Straße gerollt und dann ab­ transportiert. Sie sei so groß gewesen wie ein kleines Jauchefaß und habe sowohl dessen Durchmesser als auch die runde Form beses­ sen. Dieser Schilderung entsprechend, han­ delte es sich um eine der größten Bomben des britischen Arsenals, nämlich eine 8000-lb­ Minenbombe, das sind umgerechnet rund 3,6 Tonnen. Wäre sie explodiert, würde, trotz der relativ weiten Entfernung vom Dorf, in Folge der Druckwelle, wohl kaum ein Haus ganz heil geblieben sein. – Die Toten beerdigte man zunächst auf dem Dorf­ friedhof Obereschach. Von dort wurden sie am 30. Juli 1948 im Rahmen einer Umbet­ tungsaktion von den Engländern nach Dürnbach (heute Gemeinde Gmund) in Bayern auf deren Kriegsgräberfriedhof über­ führt und in einem Sammelgrab bestattet. Drei Tage später, an einem Samstag, kam es in der Nachbarschaft, nämlich in Nieder­ eschach, erneut zu einem Flugzeugabsturz. Diesmal war es eine viermotorige amerikani­ sche Maschine. Zur Vorgeschichte: Seit 1943 flogen amerikanische Maschinen des Typs Fortress und Liberator fortgesetzte Tagesan­ griffe gegen europäische Ziele. Sie gehörten zur 8. Luftflotte der US-Air-Force. Unter der Bezeichnung 8AF 264 wurden am 18. März

1944 zwei Einheiten für einen Tagangriff nach Bayern in Marsch gesetzt. Beim ersten Verband, lBD, wurden 290 Maschinen abge­ fertigt, davon erschienen über den Zielgebie­ ten 284 Flugzeuge. Sie warfen ihre Bomben auf Oberpfaffenhofen, Lechfeld, Landsberg und Memmingen. Bei der zweiten Abtei­ lung, 3BD, wurden 221 Maschinen abgefer­ tigt, davon erschienen über dem Ziel 196 Bomber. Hier galt der Hauptschlag der Stadt München, weitere Ziele waren Oberpfaf­ fenhofen und Lechfeld. Von diesem Einsatz melden die Amerikaner 8 + 7 = 15 Flugzeuge als vermißt. Bei den Maschinen handelte es sich um den modernsten Bautyp der Boeing Aircraft Company, B-17G Flying Fortress. Man nannte sie also „Fliegende Festung“. Die Besatzung betrug zehn Mann, größte Reichweite knapp 3 000 km, Bewaffnung: 13 Maschinengewehre Kaliber 12,7 mm, Bom­ benzuladung bis zu 7850 kg. Die Verbände flogen geschlossen zurück auf Heimatkurs nach Westen und erreichten gegen 15 Uhr die Gegend um Rottweil. Hier entspann sich ein Luftkampf, der von Rottweil, von Ober­ eschach, von Fischbach und von Nieder­ eschach aus beobachtet wurde. Die rund 465 amerikanischen Bomber flogen in großer Höhe, hintereinander gegliedert in Staffeln oder Gruppen. Zwischen ihnen kurvten die metallicglänzenden angreifenden deutschen Jagdflugzeuge wie Winzlinge; knatternde Schüsse waren zu hören. Plötzlich seien, so berichten die Augenzeugen, am wolkenlos blauen Himmel vier, fünf weiße Punkte auf­ getaucht, die, größer werdend, sich sehr schnell als die Fallschirme abgesprungener Besatzungsmitglieder herausstellten. Die Soldaten seien in Gefangenschaft gekom­ men. Dem Berichterstatter selbst stellt sich der Vorgang wie folgt dar: Er befand sich gegen 15 Uhr in Villingen auf freiem Wiesen­ gelände beim heutigen Ifangle. Dröhnend zogen von Nordost nach Südwest vor dem hellen Firmament die Bomber vorüber. Plötzlich scherte, scheinbar unmotiviert, eines der viermotorigen Flugzeuge aus seiner Gruppe aus. In einer steilen Spirale ging die Maschine im Sturzflug nieder. Kurz darauf stieg am nördlichen Horizont eine schwarze Rauchsäule senkrecht in die Luft. Wie unbe­ rührt von dem Ereignis zogen indessen die übrigen Bombenflugzeuge ihre Bahn. An der südlichen Seite der Landstraße, im Tal des Fischbachs zwischen Niedereschach und dem Dorf Fischbach, steht der Hof Vogelsang. Dort stand an jenem klaren Nachmittag des 18. März 1944 die dreizehn­ jährige Eisa Dörflinger vor ihrem Elternhaus. Plötzlich donnerte aus Richtung Fischbach ein gewaltiges Flugzeug heran, so nieder, daß das Mädchen vor Schreck glaubte, dieses stürze gegenüber in die Obstbäume. Sie erzählte, sie habe auch das helle Knattern von Schüssen gehört, die aus dem Flugzeug abgegeben wurden. Noch einmal habe das Flugzeug einen Hupfer getan, da sei es auch schon heruntergefallen. Es gab einen riesi­ gen Feuerball, und danach habe einige hun­ dert Meter schräg gegenüber am Fuße des Gewanns Bubenholz im Wald alles ge­ brannt. Die Erinnerung an den Schrecken jagt ihr noch heute eine Gänsehaut über die Glieder. Die Maschine plumpste förmlich, wie Untersuchungen vor Ort bestätigten, in den Wald gegenüber dem Bubenholzhof. Die sich noch im Flugzeug befindlichen Besatzungsmitglieder wurden teilweise her­ ausgeschleudert und starben. Eine lokale Qielle berichtet, die zerfetzten Leichen seien von französischen Kriegsgefangenen eingesammelt und in Kisten gegeben wor­ den. Aus neun an der Absturzstelle gefunde­ nen Füßen schloß man, daß noch fünfBesat­ zungsmitglieder (von zehn) an Bord gewesen seien. ,,Totengräber Andreas Mauch bestat­ tete die zwei Kisten auf dem Friedhof, wo sie bald nach Kriegsende von einem amerikani­ schen Suchkommando abgeholt wurden.“ Einern makabren Detail ist zu entnehmen, daß ein sowjetischer Kriegsgefangener aus der Ukraine, der im Arbeitseinsatz auf dem Bubenholzhof bei Familie Schuler tätig war, sich als Leichenfledderer betätigte. Er sei als einer der ersten an der Absturzstelle gewesen und habe dort Toten Geld in schweizerWäh- 77

rung und ein paar Handschuhe abgenom­ men; auch von einem verschwundenen Ring ist hier die Rede. Dazu bemerkt Eisa Dörflin­ ger, heute verheiratete Müller, sie sei später in der Nähe der Absturzstelle gewesen. Dort sei noch ein toter Mann aus dem Flugzeug gelegen. Sie erinnert sich an seinen Unter­ arm und die Hand, wo an einem Finger ein goldener Ring mit einem blauen Stein steckte. Am andern Tag habe der Finger samt Ring gefehlt. Er sei von einem, möglicher­ weise polnischen, Zwangsarbeiter auf dem Bubenholzhof abgeschnitten worden. Die Polizei habe ihn dann in einer Futterkrippe gefunden. Der Arbeiter sei hingerichtet wor­ den, vermutlich gehängt. Erst unmittelbar vor der Drucklegung die­ ses Artikels erhielten wir von Chr. G. Sturm aus Portland, USA, einen schwierig zu be­ schaffenden und von ihm ausgewerteten Bericht der sogenannten MACRs (Missing Aircrew Reports = Vermißtenmeldungen), hier Nr. 3419, aus den National Archives in Washington. Nach dieser Verlustliste der Amerikaner können wir folgendes rekonstru­ ieren: Es handelte sich bei dem abgestürzten Flugzeug um den modernsten Bautyp einer Boeing Fortress, B-17G. Die Maschine gehörte zur 94th Bomb Group (94. Bomber-Gruppe), 333rd Squa­ dron (333. Staffel) und trug die laufende Nummer 42-31159. Sie gehörte zu denen, die die Stadt München angegriffen hatten. Die amerikanischen Zeugen berichten, sie seien 60 Meilen (rd. 100 km) westlich von Mün­ chen von sechs bis sieben feindlichen Flug­ zeugen angegriffen worden. Die betreffende Maschine ist zuletzt gesehen worden mit Kurs 180 Grad, das heißt demnach senkrech­ ter Absturz. Zuvor müssen sich in der Maschine dramatische Minuten ereignet haben. Feldwebel FrankJurach, der Maschi­ nengewehrschütze im Heck, meldete über die Bordsprechanlage die anfliegenden Jagd­ maschinen. Diese griffen von hinten an, und die Geschosse schlugen hauptsächlich im Heckteil der Fortress ein. Einer meinte, Jurach sei sofort getroffen worden. Zum Zeit- 78 punkt des ersten Angriffs rief der Kanzel­ schütze links, Feldwebel Joseph Link, ver­ zweifelt über die Sprechanlage: ,,Mein Gott! Ausgerechnet jetzt klemmen die Heckge­ wehre!“ Er war direkt dem Angriff ausgesetzt. Feldwebel Charles Hagermann, Schütze Mitte rechts, war von einem Geschoß in den Magen getroffen worden, und man glaubte, er sei wohl tot gewesen, als das Flugzeug aufgege­ ben wurde. Mit ihm starben spätestens beim Absturz auch Jurach und Link. Ein Überle­ bender berichtet: ,,Das Heckteil der Maschi­ ne war ganz zerschossen. Es sah aus wie in zwei Hälften geschnitten.“ In den letzten fünf Minuten fiel die Bordsprechanlage aus. Alle Kontakte waren damit abgebrochen. Es galt nur noch abzuspringen oder zu sterben. Chr.G.Sturm warnt: Die meisten MACRs sind sehr lückenhaft. Auch in unserem Bericht lassen sich Unklarheiten oder ver­ meintliche Widersprüche nicht ganz vermei­ den. Wenn möglich, verwenden die Ameri­ kaner auch deutsche Mitteilungen, vor allem über den Absturzort und die Zeit. Deshalb steht auch hier: 1535 Niedereschach. Und weiter lautet eine Textpassage der MACRs: Bericht KU (aus Deutschland) 1500, Nieder­ eschach, 10 km NW Villingen, DS4, Boeing Fortress, Beschädigung 100 %, explodierte in der Luft, 5 Tote, 5 Gefangene, Kennzeichen: nicht erkennbar, Werknummer: 5328 R, abgeschossen von Jäger. Weitere Einzelhei­ ten aus MACR 3419 erfahren wir über die Besatzung, soweit sie nach dem Absprung mit Sicherheit in deutsche Gefangenschaft kam: Pilot Copilot Navigator Radio Op. (Funker) Left Waist Gunner 2/Lt. Ronald W. Croft 2/Lt. Lester D. Krapf 2/Lt. Glenn E. Likewise S/Sgt. Russe! W. Maizahn (Schußverletzung Beine) Sgt. John R. Harris (leicht verwundet) Anscheinend gehörte auch Leutnant James A. Parker, der Bombenschütze, zu de­ nen, die sich mit dem Fallschirm retten konnten und der bei Mönchweiler gefangen wurde.

(Ein 2/Lt. ist ein Second Lieutenant, bei unserer Luftwaffe ein Leutnant, ein Lieuten­ ant wäre ein Oberleutnant. Sgt. =Sergeant= Feldwebel, der Left Waist Gunner ist der aus dem Mittelteil der Maschine, zwischen Trag­ fläche und Höhenruder, auf der linken Seite [ siehe Foto] mit dem Maschinengewehr her­ ausschoß.) Die abgesprungenen und gefangengenom­ menen Flieger wurden in Stalag Vb, dem · Kriegsgefangenenlager in Villingen, eingelie­ fert. Die Verwundeten, Maizahn und Harris, wurden in den Krankenhäusern in Villingen bzw. in Freiburg behandelt. Der Navigator Likewise bezeichnete die Absturzstelle nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft ziemlich genau mit „3 Mei­ len von Fischbach“ und glaubte allerdings, das gehöre zu Bayern. Es bliebe noch der Hinweis auf den deut­ schen Jagdflieger, dem der Abschuß dieser ,,Fliegenden Festung“ zugesprochen wurde. Hans Ring teilt für den 18. März 1944 mit: 15.35 Uhr, Leutnant Koch, 8./JG 3, B-17, 10 km westlich Rottweil. Somit kann es sich bei dem Abschuß nur um diese Maschine handeln. Hans Ring ergänzt, bei dem obigen Lt. Koch handle es sich um den später zum Hauptmann beförderten Raimund Koch, der, ausgezeichnet mit dem Deutschen Kreuz in Gold, im selben Jahr am 2. 11. 1944 nach 26 Abschüssen gefallen sei. Mit dieser Bemerkung endet der Bericht aus einer Zeit, in der immer wieder der Tod am Ende eines Ereignisses steht, das die Zeit­ genossen bewegte. Den Nachgekommenen zur Besinnung. Werner Huger Qu e l l e n : Obereschach: Bomberzahl: Alfred Price, Bildbuch d. dt. Luftwaffe 1933-1945, 1969 Ian Allan, S. 63; Angriffstag: Price a. a. 0. sowie Commonwealth War Graves Com­ mission, GB Maidenhead, Berkshire SL6 7DX; deutscher Jagdeinsatz u. Zahl d. Abschüsse: schriftl. Mittig.· Hans Ring, Übersee (Bayern), lt. Militärgeschichtl. Forschungsamt Freiburg der beste Kenner in Deutschland, Hinweise auch bei Price a. a. O.; Flugzeugart und Bombe: H. Ring a. a. 0., Manfred Hettich, VS-Villingen, Herdstr. u. a.; Augenschein der abgestürz­ ten Maschine: Verfasser sowie Haldenhof­ bauer, s. unten, Wilhelm Zimmermann, letzterer beschreibt als Augenzeuge die 3,6-t-Bombe und Flächenbrand; toter Flugzeugführer: Brief v. 4. 3. 1994 C. W. G. Commission, s. oben, sowie M. Het­ tich a. a. 0., letzterer besitzt die übrigen Daten über die anderen Toten; Literatur: Kenneth Munson, Die Weltkrieg-II-Flug­ zeuge, Motorbuch Verlag Stuttart, 18. Aufl., 1993, S. 45 u. 47, sowieA. Price a. a. 0. Niedereschach: Angriffsdaten u. Verluste: Roger A. Freeman „Mighty Eighth War Diary“, Jane’s, London, New York, Syd­ ney, 18 March 1944, mitgeteilt v. Chr. G. Sturm, USA, Portland; auch: Department of the Air Force, AF Historical Research Agency, USA, Maxwell, Alabama; Luft­ kampf und, teilweise, Fallschirmab­ sprünge: Augenzeugen, Rottweil: Landrat Dr. R. Gutknecht, Fischbach: Walter Müller, Fischbach, Römerweg 2, Eisa Dörflinger, Vogelsanghof, Ehefrau des W. Müller a. a. 0., Wilhelm Zimmermann, Haldenhofbauer, VS-Obereschach, Be­ fragung 1994; Absturzzeugen: Verfasser sowie Eisa Dörflinger-Müller a. a. 0., Lokalquelle: Beiträge zur Geschichte d. Gde. Niedereschach, Bd. 1, 1986, Dieter Mink, S. 313; Abschuß durch Lt. Koch: briefl. Mitteilung Hans Ring a. a. 0., 27. 12. 93; Literatur K. Munson, Weltkrieg-II­ Flugzeuge, a. a. 0., S. 25 ff u. S. 52 ff., sowie Price a. a. 0., S. 57 ff. 79

Persönlichkeiten der Heimat Der Finanzwissenschaftler Prof. Dr. Heinz Haller 80 Jahre alt Ein bedeutender Sohn Schwenningens .Am 19. Nlärz 1914 ist Heinz Haller in Schwenningen auf die Welt gekommen. In seinen liebenswürdi­ gen Lebenserinnerun­ gen „Selten vom Glück verlassen“ (1992, Carl­ Winter-U niversitäts­ verlag, Heidelberg) be­ schreibt er seine „träu­ merische Kindheit“ in Schwenningen. Köst­ lich zu lesen, wie er etwa auf dem nachbar­ lichen Bauernhof mit­ arbeitete, vor allem auch beim Vespern, wie er, zum ersten Nlal als Kind in der Großstadt Stuttgart, mit seinem Alemannisch auffiel, und wie er das Glück hatte, in einer Klasse mit 71 (!) chülern einen besonders stren­ gen, aber gerechten Lehrer zu bekommen, der ihn mit Tatzen und Hosenspannern zum Klassenprimus brachte. Wieder einmal ein Be­ weis, daß es nicht gesagt ist, daß aus einem guten Schüler nichts Rechtes werden könne. Aus dem Schwenninger Büble Heinz Hal­ ler wurde einer der bedeutendsten Finanz­ wissenschaftler Deutschlands. Der Tübinger Student der Volkswirtschaft geriet, nachdem er den Krieg von 1939 bis 1945 als Soldat voll hatte miterleiden müssen und einige Praxis­ erfahrungen als Wirtschaftsprüfer hinter sich gebracht hatte, zum Wissenschaftler mit 80 Lehraufträgen in Tübingen, Freiburg und Hamburg. 1954 wurde er an der Universität Kiel zum Ordinarius ernannt. Später wirkte er in Heidelberg, und 1967 erhielt er den besonders ehrenvollen Ruf an die Univer­ sität Zürich. Unzählige Veröffentlichungen über volkswirtschaftliche und finanzwissen­ schaftliche Fragen stammen aus seiner Feder. Zahlreich sind auch die Ehrungen und Wür­ digungen, die er erfahren hat. Ohne daß ich ihn persönlich kannte, wurde Prof. Haller zu einem meiner Lehrer.

Als Bonner Volksvertreter merkte ich nach 1965 bald, daß in den Gremien allzu viel ge­ redet wurde und es dabei häufig an Ge­ nauem, Realem, Rationalem fehlte. Dies war mit ein Grund, weshalb ich mich verstärkt der Finanzpolitik zuwandte. Zwei klassische Standardlehrbücher, beide von Prof. Haller, das eine „Die Steuern“, das andere „Finanz­ politik“, studierte ich systematisch wie in einem zweiten Studium. Ich verdanke es mit Prof. Haller, daß in meiner politischen Praxis der Hunger nach dem Präzisen und der Klar­ heit ebenso stark war wie die Abscheu vor dem Wolkigen und den großen Weltverbes­ serungsplänen. Das hohe Ansehen von Prof. Haller im Sinne eines rationalen Steuersystems und einer vernunftgeleiteten Finanzpolitik ver­ anlaßte den damaligen Bundesfinanzmini­ ster Alex Möller, ihn 1970 zum Staatssekretär für die Vorbereitung der geplanten „Großen Steuerreform“ zu berufen. Dabei lernte ich, damals als Abgeordneter der Opposition, Prof. Haller zum ersten Mal persönlich ken­ nen. Ich erinnere mich an ein Gespräch, das wir auf dem gemeinsamen Freitagsheimflug von Bonn nach Zürich führten. Nicht nur pflichtgemäß als Oppositionsabgeordneter, äußerte ich meine Zweifel über das Gelingen der „Großen Steuerreform“. Es war für mich eine Genugtuung, daß der seriöse Professor, bei aller Loyalität zu seiner Regierung, nicht gerade eine alle Einwände entwaffnende Zuversicht über das Vorhaben ausstrahlte. Entsprechend lief dann auch die Geschichte. 1972 gab Prof. Haller nach dem Rücktritt von Minister Möller den Bonner Auftrag zurück, um sich wieder voll seiner wissenschaft­ lichen Arbeit in Zürich zu widmen. Am 19. März 1994 konnte Prof. Haller an seinem Wohnsitz in Zürich seinen 80. Geburtstag feiern, in bester Verfassung und voller Dankbarkeit für sein Leben, aber ebenso willens, auch künftig seinen Rat in wissenschaftlichen Gremien einzubringen, etwa im Wissenschaftlichen Beirat des Bun­ desfinanzministeriums und in dem des Bun­ deswirtschaftsministeriums. Prof. Haller kann auch heute noch mit Stolz nach Bonn blicken, denn sein Sohn ist inzwischen auf der Beamtenleiter bis zum Staatssekretär beim Bundesfinanzministe­ rium aufgestiegen. Wie nicht selten bei innerlich reichen Per­ sönlichkeiten fällt bei Prof. Haller auf, daß er keineswegs nur der nüchterne, gar kalte Den­ ker und Wissenschaftler ist. Schon vom Erscheinungsbild her ist erkennbar, daß er eine künstlerische Ader mit zartem Empfin­ den hat, musikalisch und malerisch. Offen­ bar hat er diese Begabung von seinem Vater geerbt, der Opernsänger war. Die große wis­ senschaftliche Leistung kann man als Kon­ trapunkt zu der künstlerischen Seite der eige­ nen Persönlichkeit sehen, als Frucht des Sich-selbst-Einfügens in die Disziplin der Ratio. Wer ihn kennt, wünscht Prof. Heinz Haller auch für die Zeit nach seinem 80. Lebensjahr, daß er mit seiner Familie ,,Selten vom Glück verlassen“ sein möge. Staatssekretär a. D. Dr. Hansjörg Häfele Der Kirchturm Der Kirchturm in den Himmel ragt, die Kirche ist nicht zu sehn. Ein Wald von Birken, der ihr ganz nah, umhüllt sie grün und schön. Doch die Spitze, die in die Lüfte steigt, blinkt traumhaft im Sonnenlicht. Ein einfacher Turm, den Weg er weist, wo der Ort zum Beten ist. Halt an, oh Wandrer im Erdenrund, zur Einkehr in meinem Haus. Hier wird bestimmt deine Seele gesund, tritt ein und ruhe dich aus. Margot Opp 81

Generalleutnant Helmut Willmann Noch heute mit Bräunlingen verbunden Als Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl und der französische Staats­ Frani;:ois präsident Mitterrand am 14. Oktober 1991 die Idee des Eurokorps der Öf­ fentlichkeit vorstellten, konnte noch niemand ahnen, daß nur knapp drei Jahre später ein Alemanne und gebür­ tiger Konstanzer an der Spitze dieses Euro­ korps am 14. Juli 1994 in Pari paradieren würde: Generalleut­ nant Helmut Will­ mann. Am 10. 3. 1940 in Konstanz geboren, schloß Helmut Will­ mann seinen ersten Lebensabschnitt mit dem Abitur 1959 am humanistischen Gym­ nasium in Donau­ eschingen ab. Fest ver­ wurzelt in seiner ale­ mannischen Heimat, wohnhaft in Bräun­ lingen, wo noch heute seine Eltern leben, trat der 19jährige ins Pan­ zergrenadierbataillon 292 im heimatlichen Immendingen in den Dienst der Bundeswehr als Offiziersanwärter em. Nach der Offiziersausbildung in Ham­ burg und Munsterlager führte die erste mili­ tärische Verantwortung den jungen Leut­ nant nach Wetzlar. Dort blieb er zehn Jahre in verschiedenen Verwendungen und fiel als Kompaniechef durch sein taktisches Kön- 82 nen und seinen Weitblick für operative Zusammenhänge auf. Folgerichtig war die Auswahl für die Generalstabsausbildung in Hamburg, die Anerkennung der Führerqua­ litäten des Hauptmann Willmann. Nach brillantem Abschluß an der Füh­ rungsakademie in Hamburg wurde der Ma­ jor im Generalstabsdienst als Referent in den Führungsstab des deutschen Heeres nach

152 Nach einer zweijäh­ rigen Kommandeur­ zeit beim Panzergrena­ dierbataillon in Westerburg und da­ nach als Referatsleiter für Operationsführung und Planw1g beim Führungsstab des Hee­ res wurde der Oberst Willmann Komman­ deur der Panzergrena­ dierbrigade 5 in Hom­ berg. Dies war ein erster großer Höhepunkt als Truppenführer. Will­ mann stand für konse­ quente, der damaligen Bedrohung angepaß­ ten Härte und for­ dernde Ausbildung sei­ ner Soldaten und für ideenreiche Operati­ onsführung in den viel­ fältigen Manövern mit Alliierten. 1988-1990 führte Helmut Will­ mann dann als Brigade­ general die Stabsabtei­ lung Organisation beim Führungsstab des Heeres. Von 1990 bis 1993 Kommandeur der 7. westfälischen Panzergrenadierdivision Unna, oblag dem zum Generalmajor beförderten die Umgliederung seiner Division und die Vorbereitung auf die neuen Bedingungen operativer Führung. In dieser Zeit gründete Generalmajor Willmann zwei bedeutsame Patenschaften: Mit der Industriegewerk­ schaft Bergbau Erden, die zu einem engen Verhältnis zwischen den Soldaten der 7. Panzerdivision und der Bevölkerung im Ruhrgebiet führte, und – von internationa­ ler Bedeutung – seine Patenschaft zur berühmten 2. Panzerdivision „Leclerc“ in Versailles. 83 Bei der Parade am 14.Juli 1994 in Paris Bonn berufen. An verantwortlicher Stelle war er für die langfristige Planung des Heeres zuständig, eine Fähigkeit, die ebenso wie seine nächste Verwendung, seine Karriere beeinflussen sollte: Von 1976 bis 1979 war der Oberstleutnant i. G. nämlich für die Ver­ teidigungsplanung beim Nato-Korps „Land­ jut“ in Rendsburg zuständig. Sein Planungs- und Organisationsvermö­ gen sowie sein operatives Geschick wurden nicht nur von der Führungsspitze der Bun­ deswehr erkannt und anerkannt, sondern auch die Alliierten schätzten seine Fähigkei­ ten und seinen Durchsetzungswillen.

1993 zum Chef des Stabes der Heeres­ gruppe Nord in Mönchengladbach ernannt, löste Generalmajor Willmann diesen Stab auf und wurde zum ersten Kommandeur des Eurokorps in Strasbourg bestimmt, um die­ ses Korps aufzubauen. Am 1. Oktober 1993 wurde Helmut Willmann zum Generalleut­ nant befördert. Seine reichhaltige Erfahrung in Planung und Organisation von Streitkräften, seine Menschenkenntnis und sein Gespür für die Anliegen seiner Soldaten, seine französi­ schen Sprachkenntnisse sowie die enge Ver­ bundenheit zu den französischen und belgi­ schen Streitkräften erleichtern Generalleut­ nant Willmann diese einmalige Aufgabe. Das Eurokorps wird unter seiner Führung zum außen- und sicherheit politischen In­ strument der Europäischen Union reifen und gleichzeitig für die Nato eine wichtige Komponente im Krisenmanagement und der Verteidigung sein. Das Korps mit seinen 50.000 Soldaten aus Frankreich, Belgien, Spanien, Luxemburg und Deutschland wird am 1. 10. 1995 seine Aufgaben voll überneh­ men können. Generalleutnant Willmann wird mit sei­ ner Aufbauarbeit einen bedeutsamen Platz in der neuen europäischen Militärgeschichte haben. Hartmut Bühl Oberst i. G. (im Generalstab) Dr. med. Peter Graf zu Dohna Der langjährige Chefarzt der Medizinischen Klinik Schwenningen ist in den Ruhestand getreten Am 30. 11. 1992 ist Dr. Peter Graf zu Dohna, Chefarzt der Medizinischen Kli­ nik Schwenningen des Klinikums der Stadt Villingen-Schwenningen in den Ruhestand getreten. Damit ist eine der, wenn nicht gar die prägende Persönlichkeit aus dem Kli­ nikum ausgeschieden. Die anläßlich des Ausscheidens von verdienten Mitarbeitern gern gebrauchte Floskel von der hinterlasse­ nen, schwer zu schließenden Lücke ist, auch nach den seither vergangenen eineinhalb Jahren, ebenso unbezweifelbar zutreffend wie schon „am Tage danach“: Er wird hier vermißt, im folgenden soll der Versuch einer Erklärung hierfür unternommen werden. 1927 in Ostpreußen, nahe Königsberg ge­ boren, ist er Sproß einer weitverzweigten Fa­ milie, die im 13. Jahrhundert mit dem Deut­ schen Orden nach Osten gekommen war und durch die Jahrhunderte hindurch in ganz außerordentlichem Maße die Ge­ schicke O tpreußens und damit auch Preu­ ßens mitgestaltet hat. Nicht grundlos, so läßt sich vermuten, trägt eine der beiden auch 84 heute noch (als letzte Reste überhaupt) erhal­ tenen Bastionen des Königsberger Schlosses den Namen der „Dohna“. Nach Schuljahren in Königsberg und Templin (Uckermark) wird Graf zu Dohna zum 1. 1. 1945, gerade 17 Jahre alt geworden, zum Militärdienst eingezogen, am 29. 4. 1945 gerät er – verwundet – in russische Kriegsgefangenschaft, aus der er glücklicher­ weise bereits Ende 1945 entlassen wird. 1948 legt er das Abitur in Bremen ab, stu­ diert von 1949 bis 1954 in Heidelberg Medi­ zin und tritt, inzwischen verheiratet, am 1. 5. 1955 als Medizinalassistent in das Städt. Kli­ nikum Mannheim ein. Nach Ableistung der vorgeschriebenen Pflichtzeiten in verschie­ denen Fächern wird er Assistenzarzt der dor­ tigen 2. Med. Klinik und bereits 1962 zum Oberarzt ernannt. Im Sommer 1966 erfolgt die öffentliche Ausschreibung der Stelle des Chefarztes der Inneren Abteilung des Städt. Krankenhauses chwenningen a. N. (Nachfolge Dr. Wilhelm), unter 39 Bewerbern wählt der Gemeinderat

Gallendiagnostik) oder die vom rosafarbe­ nen Privatbad (nicht des Chefarztes) auf einer Krankenstation muß man von ihm selbst gehört haben, um Zugang zu den Ver­ hältnissen hinter der Geschichte zu gewin­ nen. Die Innere Medizin jener Jahre befand sich im Umbruch. Eine explosionsartige Ver­ mehrung des Fachwissens, zahllose, auch durch die wirtschaftliche Prosperität begün­ stigte technische Innovationen und pharma­ zeutische Neuentwicklungen führten zu völ­ lig neuen diagnostischen und therapeuti­ schen Möglichkeiten, die Spezialisierung innerhalb der Inneren Medizin nahm ihren Anfang. Die allermeisten der neuen Verfah­ ren mußten in Schwenningen etabliert wer­ den: alle endoskopischen Verfahren (,,Spie­ gelung“), die invasive Herz- und Kreislauf­ diagnostik, Ultraschall, internistische lnten­ sivmedizin, um nur einige Gebiete beispiel­ haft herauszugreifen und immer war es Dr. Graf zu Dohna, der die Entwicklung voran­ trieb. Dabei verlor er für nicht einen Moment die Einheit seines Fachgebietes und die dar­ aus abgeleitete zentrale Stellung innerhalb der gesamten Medizin aus dem Auge: Er be­ handelte erkrankte Menschen und nicht er­ krankte Organe und verlangte folgerichtig von sich und seinen Mitarbeitern ebenso breite wie tiefe Kenntnisse der gesamten In­ neren Medizin weit über das schließlich be­ vorzugte, aber eben nicht ausschließlich ge­ pflegte Spezialgebiet der Gastro-Enterologie hinaus. Bis zu seinem letzten klinischen Arbeits­ tag war die tägliche Visite, der Besuch am Krankenbett mit der direkten Patienten­ Arzt-Begegnung der Kern seines ärztlichen Tuns; unzählige Male wiederholte er einen Krankenbesuch nach der großen Visite, da ihm die Beklemmung auf seiten des Patien­ ten angesichts gleich mehrerer Ärzte nur zu vertraut war und er spürte, daß der Patient wesentliche Dinge nicht über die Lippen gebracht hatte. Alle Technik, so sehr er sie begrüßte und zu nutzen verstand, war nie- 85 Dr. Graf zu Dohna mit überwältigender Mehrheit. Das zur Bewerbung vorgelegte Zeugnis seines damaligen Chefs hebt zwei Dinge her­ vor: ein aus heutiger Sicht ungewöhnlich breites fachliches Spektrum mit speziellen Kenntnissen sowohl der Herz-Kreislaufer­ krankungen als auch der Organe des Magen­ Darm-Traktes (er zählt zu den Pionieren der invasiv-internistischen Diagnostik von Le­ ber und Nieren) und zum zweiten die „natür­ liche Autorität, die Könnerschaft und Inte­ grität zusammen zu verleihen pflegt.“ Dieser Aussage muß man aus heutiger Sicht, 28 Jahre später, nun beipflichten. Über seinen Dienstantritt in Schwennin­ gen hat er oft und in großer Heiterkeit erzählt, fanden sich doch reichlich Relikte längst vergangen geglaubter Zeiten und das nicht etwa in einem altehrwürdigen Kran­ kenhaus aus den 20er Jahren, wie es seiner­ zeit vielerorts noch Standard war, sondern in einem modernen Neubau. Die Geschichte vom Kühlschrank mit dem Eier-Hort (für die

mals Selbstzweck sondern Mittel zum Zweck: Erkennung von Krankheit, Behand­ lung erkrankter Menschen. Kaum in Schwenningen etabliert und sich heimisch fühlend kam im Rahmen der baden-württembergischen Gebietsreform die Städtefusion und damit die funktionelle Ver­ einigung der beiden Städtischen Kranken­ häuser Schwenningen und Villingen in Sicht, die zum 1. 1. 1972 auch vollzogen wur­ den. Daß diese vieldiskutierte Städteehe auf dem Sektor Krankenhaus ein doch wohl durchschlagender Erfolg wurde, hat etliche Gründe, einer davon heißt Dr. Graf zu Dohna. Die Voraussetzungen, unter denen die Zusammenführung und gleichzeitig Neustruk­ turierung der Krankenhäuser erfolgen mußte, waren höchst diffizil: Beide Krankenhäuser waren bis dahin direkte Konkurrenten, hat­ ten ein fast identisches Fachspektrum (Vil­ lingen zusätzlich die Kinderklinik, Schwen­ ningen ein Institut für Pathologie), die Ver­ bindung untereinander bestand allenfalls in einem gegenseitig akzeptierten Nicht-Ver­ hältnis, was durchaus der Grundeinstellung vieler, vor allem alteingesessener Einwohner entsprach. In dieser Situation schien es zumindest einfacher zu sein, sich auf sein Haus, seine Abteilung zu beschränken, andere tätig wer­ den zu lassen, und die Auswirkungen der Fusion eher passiv hinzunehmen. Es ver­ wundert nicht, daß Dr. Graf zu Dohna sol­ che Verhaltensweisen völlig fern lagen, er­ kannte er doch sehr frühzeitig die großen Chancen, die in der Krankenhausfusion la­ gen, beispielsweise die dann auch erfolgte Zuerkennung einer höheren Leistungsstufe (,,Zentralversorgung“) durch das Land oder die ebenfalls erfolgte Einrichtung leistungs­ fähiger neuer Abteilungen. Wo immer er konnte, trieb er das Zusammenwachsen der Krankenhäuser voran, vertrat diese Idee auch in schwierigen Situationen und warb immer aufs neue für dieses als richtig er­ kannte Ziel, seit 1974 als ständig wiederge­ wählter Ärztlicher Direktor. In einem Klinikum mit über 1200 Mitar- 86 beitern verteilt auf je eine Betriebsstätte in den immer noch unvollkommen zusam­ mengewachsenen Kernstädten, das inner­ halb von rund zehn Jahren von 9 auf14 selb­ ständige Fachabteilungen (dazu 4 Belegab­ teilungen) erweitert wurde und zudem von jeher wirtschaftlich straff geführt wurde, also nie über seine Verhältnisse leben durfte, blei­ ben Konflikte unter den Beteiligten, nicht zuletzt um die Verteilung der vorhandenen, stetig knapper werdenden Mittel nicht aus. Hier bedurfte es immer aufs neue der schon oben angesprochenen „natürlichen Autori­ tät, die aus der persönlichen Integrität er­ wächst“: Mit großer Überzeugungskraft, je­ doch nie überredend geschweige denn über­ fahrend, sondern zuhörend und Argumente abwägend vertrat Dr. Graf zu Dohna seinen schließlich gefundenen Standpunkt, bis ein mehrheitsfähiger Beschluß gefunden war. Diese Art der Konfliktlösung, der ständige Versuch, nach allen Seiten hin offen und gerecht zu sein, führte auch dazu, daß sein Rat in oft sehr persönlichen Dingen gesucht wurde: Es dürfte kaum je einmal vorgekom­ men sein, daß ein Ratsuchender abgewiesen worden wäre, auch wenn es ihm zeitlich oder auch inhaltlich überhaupt nicht paßte. Sein Arbeitstag in der Klinik begann in aller Regel vor 7 Uhr und endete selten vor dem Abend, Wochenenden eingerechnet, seine Familie wird damit nicht immer zufrie­ den gewesen sein. Den zehn Jahre jüngeren Schreiber dieser Zeilen erfüllte diese auch physische Leistungsfähigkeit mit Neid und Bewunderung, zumal diesem Arbeitstag häu­ fig noch einige Stunden im Wald – teils auf der Jagd, teils einfach nur, um dort zu sein – vorausgmgen. Die Engländer kennen den Begriff des Eider Statesman, den nicht nur nach Jahren älteren Staatsmann, sondern, vor allem, den durch Persönlichkeit, Erfahrung und Klug­ heit überlegenen. Das KJjnikum hat mit Dr. Peter Graf zu Dohna einen Eider Statesman verloren. Dr. Christian Gülke Chefarzt der Zentralen Anästhesie-Abteilung

Martin Wentz Vielseitig aktiv als Land- und Forstwirt sowie Kommunalpolitiker hatten es seinem Vater nicht mehr erlaubt, die schwere landwirtschaftliche Tätigkeit weiterzuführen. Sohn Martin besuchte in Königsfeld bis zum Abitur die Zinzendorf­ Schulen. Sein Interesse an praktischer Tätigkeit führte ihn zunächst in eine zweijährige land­ wirtschaftliche Lehre, u. a. am Fürstenbergi­ schen Gutsbetrieb Werenwag im Donautal. 1951 begann er ein naturwissenschaftli­ ches Studium in Freiburg. Schon ein Jahr später beendete er seine akademische Lauf­ bahn, durch den wohl einschneidensten Entschluß seines Lebens. Er heiratete Ingrid Müller und stieg in Brigach in den Hof des Schwiegervaters ein, den die beiden 1954 übernahmen. „Die ersten Jahre waren harte Knochenarbeit. Der Wald war ;img, es mußte auf dem ganzen Hof Aufbauarbeit geleistet werden‘: erinnert sich Martin Wentz an die 50er Jahre zurück.1959 wurde die erste Forsteinrichtung auf seinem Hof vorgenommen. Seither hat sich der Holzvorrat ständig vermehrt. Mit berechtig­ tem Stolz weist er darauf hin, daß in ein bis zwei Generationen seine Nachkommen über stattliche Holzvorräte verfügen werden, über deren Ertrag er aber keine Prognose wagen möchte. Zu sehr sind die Preise im primären Wirtschaftssektor, der Land- und Forstwirt­ schaft, in den letzten Jahren verfallen, so daß sich daraus für die Zukunft eher Hoffnung denn Gewißheit auf eine prosperierende Entwicklung ableiten ließe. Dennoch: ,,Ich glaube, daß sich unsere Gesell­ schaft viel zu wenig der Bedeutung der Forstwirt­ schaft fo.r das Landschaftsbild,für das Klima und für das Wohlbefinden der Menschen bewußt ist. Solange weder die naturschädigenden noch die naturpflegenden Auswirkungen unserer Lebens­ und Arbeitsweise in deren Kosten integriert wer­ den, wird es an verantwortungsvollem Umgang mit der Natur und damit Verantwortung für 87 Ein Gespräch mit Martin Wentz ist jedes­ mal ein Gewinn für mich. Darin begegnet mir ein besonnener, gescheiter, lebenserfah­ rener Mann, der überlegt seine Worte wählt und seine Überzeugung und profunde Sach­ kenntnis unaufdringlich, verständlich, ja charmant vermittelt. Martin Wentz entstammt einer Familie, in der humanistische Bildung und Bewäh­ rung im praktischen Berufsleben eine glück­ liche Synthese bildeten. Er kam 1930 in Bielefeld zur Welt, wo seine Eltern am Rande des Teutoburger Waldes ein Obst­ und Gemüsegut bewirtschafteten. Da auch die Forstwirtschaft zur Familientradition gehörte, hat er die Liebe zur Landarbeit geerbt und ihm letztlich bei seiner Berufs­ wahl die entscheidende Richtung gewiesen. Als er acht Jahre alt war, zog die Familie nach Königsfeld. Gesundheitliche Gründe

unsere kommenden Generationen mangeln. Gerade dafür ist die Forstwirtschaft beispielge­ bend: Wer Wald pflegt, weiß, daß der Nutzen die­ ser Pflege erst künfligen Generationen zugute kommen wird. Wer in den Genuß dieses Nutzens kommt, weiß, daß er dies seinen Voifahren zu ver­ danken hat. Das kann man einen wahren Gene­ rationenvertrag nennen. Es wäre gut, wenn dieses weitsichtige Denken in alle gesellschaflliche und wirtschaflliche Bereiche Eingangfinden könnte. “ Dieser Erkenntnis möchte Martin Wentz mehr Geltung verschaffen und dazu sein Amt als Präsident der baden-württembergi­ schen Forstkammer nutzen. Dieser Verband der nicht-staatlichen Waldbesitzer (Kommunal- und Privatwald, darunter auch der Bauernwald) hat sich 1974 organisiert, zumal darin über 75 O/o des Wald­ bestandes in Baden-Württemberg repräsen­ tiert sind. 1991 wurde Martin Wentz zum Verbandspräsidenten gewählt – mit ihm wurde erstmals ein Vertreter des Bauernwal­ des Präsident dieses Verbandes. Seine Wahl ist Ausdruck der Anerken­ nung für einen Mann, der sich sein ganzes Leben lang politischen und berufsständi­ schen Aufgaben gestellt und sich dabei durch seinen Sachverstand, seine Standfe­ stigkeit, seine sachliche Argumentations­ weise und seine Menschlichkeit Respekt und Vertrauen erworben hat. Eingeschlagen hat Martin Wentz diesen Weg schon bald, nachdem er sich in Brigach niederließ. Schon 1956 wurde er in den Gemeinderat und 1969 zum Bürgermeister in Brigach gewählt. In seiner Amtszeit als Bürgermeister wurde das Wohngebiet ,,Nest“ erschlossen. Nachdem der baden-württembergische Landtag die Gemeindereform verabschie­ dete, war für Brigach die Eingliederung nach St. Georgen nicht mehr abwendbar. ,,Ich mußte aus dem Unabänderlichen das Beste für Brigach machen‘: erkennt er den damals ein­ geschlagenen Weg auch im Nachhinein als den richtigen an. Und die Einrichtungen, die er im Eingemeindungsvertrag festschreiben konnte und in den Jahren nach der Einge- 88 meindung am 1.1. 1972 geschaffen wurden, geben ihm recht: Landwirtschaftliche Erschließungsmaß­ nahmen, Kindergarten, zwei Grundschul­ klassen und nicht zuletzt das Brigachhaus. Der Bau dieses für Brigach so wichtigen und architektonisch gelungenen Gemeindezen­ trums ist ganz entscheidend auf seine Initia­ tive zum richtigen Zeitpunkt zurückzufüh­ ren. Als Ortsvorsteher von 1972 bis zu seinem selbstgewählten Ausscheiden 1990 hat er sich intensiv um diese Belange „seiner Ge­ meinde“ gekümmert. In seinem unermüdlichen kommunal­ politischen Engagement, im Gemeinderat St. Georgen von 1972 bis 1990 und im Kreis­ tag seit 1971 bis heute, wurde er zu einer der tragenden Persönlichkeiten in diesen Gre­ mien. Nachdem Martin und Ingrid Wentz 1957 die Meisterprüfung abgelegt hatten, begann für ihn 1959 mit der Mitgliedschaft in der Meisterprüfungskommission des Regie­ rungspräsidiums Freiburg ein weitreichen­ des Engagement im berufsständischen Be­ reich. Es führte ihn in die Spitze des Badi­ schen Landwirtschaftlichen Hauptverban­ des (BLHV); außerdem war er Vorstandsvor­ sitzender im Milchwerk Radolfzell. In diesen Funktionen ist er vehement mit den Struk­ turproblemen der Landwirtschaft im allge­ meinen und speziell den Problemen der Milchwirtschaft in unseren benachteiligten Höhenregionen konfrontiert worden. Bei allen schweren und nerven belastenden Ent­ scheidungen, die von ihm abverlangt wur­ den, z.B. bei der Schließung des Milchwer­ kes Radolfzell, hat er stets den Erhalt einer gesunden bäuerlichen Betriebsstruktur, in der dem Familienbetrieb eine faire Chance zusteht, fest im Blick gehabt. Auch aus diesem Grund lag ihm die Grün­ dung der Arbeitsgemeinschaft für Höhen­ landwirtschaft, deren Vorsitzender er seit 1988 ist, besonders am Herzen. ,, Wir müssen in unseren sensiblen Regionen eine jlächendek­ kende, extensive Landwirtschafl betreiben, diejiir

die Erhaltung dieser herrlichen Kulturlandschaft Schwarzwald angemessen entlohnt wird‘: um­ reißt Martin Wentz den Schwerpunkt seiner Arbeit als Berufsstandsvertreter. Gerne hätte er seine Ziele an noch ein­ flußreicherer Stelle weiterverfolgt. Aber sowohl 1976 als F.D.P.-Kandidat für den Landtag von Baden-Württemberg, als auch 1983 bei der Wahl zum Präsidenten des BLHV ist er unglücklich und denkbar knapp unterlegen. Diese Niederlagen haben seinen Kampfeswillen nicht dämpfen können und seine persönliche Ausstrahlung eher ge­ stärkt. Heute hat er die Verantwortung für den ,Jäckleshof‘ dem jüngsten seiner vier Kin­ der, seinem Sohn Georg und dessen Frau, übertragen. Er und seine Frau haben das „Libding“ bezogen, aber sich bei weitem nicht aus der Arbeit und der familiären Für­ sorge auf dem Hof zurückgezogen. ,,Die Arbeit im Wald bleibt das Faszinierendste an meinem Beruf Sie ist filr mich wie ein Kirch­ gang‘: sagt er über seine Lieblingstätigkeit. Dort, in der äußeren Ruhe der Natur schöpft Martha Held Schwester aus Leidenschaft Die Welt wäre um vieles ärmer, gebe es nicht solche Menschen wie Schwester i. R. Martha Held aus Bad Dürrheim. Die gebürtige Oberbaldingerin, als viertes Kind des Kaufmanns Karl Held und seiner Frau Maria geb. Mauthe, am 5. Mai 1913 geboren, ist offiziell bereits seit 1976 im Ruhestand. Doch nur offiziell! Ihr beruflicher Lebensweg begann 1928, als sie die Haushaltschule der evangelischen Diakonieanstalt in Karlsruhe besuchte, wo ihr gleichzeitig die ersten Kenntnisse in der Säuglingspflege vermittelt wurden. Das blieb bis zum heutigen Tage Bestand­ teil ihres Lebens: den Menschen zu helfen und ihnen in allen Lebenslagen beizustehen. er seine innere Ruhe. Dort sammelt er seine geistigen Kräfte, dort reifen Entscheidungen. Auch seine Fähigkeit zur Muße hat er sich bis heute bewahrt. Nicht selten kann man ihn aus]. S. Bachs „ Wohltemperiertem Kla­ vier“ spielen hören. So ist wohl das Geheimnis seiner Persön­ lichkeit eine beeindruckende Universalität, die er sich in seiner Familie, im Aufbau eines landwirtschaftlichen Betriebes und in den politischen wie den berufsständischen Her­ ausforderungen selbst erworben hat. Seine Situation umschreibt er so: ,,Ich konnte nie aus der Position des Stärkeren agieren. Ich war immer auf der Seite des Schwächeren: sei es bei der Einge­ meindung Brigachs nach St. Georgen; sei es als kleine Fraktion in Gemeinderat oder Kreistag; sei es als Vertreter der Landwirtschaft in einer Indu­ strie- und Dienstleistungsgesellschaft; sei es als Bauer in einer benachteiligten Region. “ Martin Wentz hat diese Rolle angenom­ men und seit Jahrzehnten unter Einbrin­ gung seiner ganzen Persönlichkeit zum Wohle der Schwächeren beispielgebend ge­ Gerhard Mengesdorf wirkt. Zu Beginn ihrer pflegerischen Aufgaben waren es die kranken Kinder, denen sie im privaten Kinderkrankenhaus Junghans in Schramberg und im Kinderheim in Königs­ feld beistand. Nach der Ausbildung zur Krankenschwe­ ster an der evangelischen Diakonissenanstalt in Stuttgart, nahm sie 1941 eine Stellung am Staatlichen Klinikum an. Ihre Tätigkeit in Stuttgart im Katharinen­ hospital fiel in eine Zeit von Not und Zerstö­ rung. Bis zur vollständigen Vernichtung durch Bombenangriffe arbeitete sie unter schwersten Bedingungen. Diese Zeit in Stuttgart während des 2. Weltkrieges hat Schwester Martha Held 89

wärtstreibender Wille, wenn es um die Gene­ sung eines Patienten ging, waren schon bald sprichwörtEch unter den Patienten. Daher ist es kein Wunder, daß sie noch heute Post von ehemaligen Hirschhaldepatienten er­ hält. Doch es sind nicht nur briefliche Kon­ takte, die Schwester Martha mit ehemaligen Patienten pflegt. Als bestes Beispiel für ihre Fürsorge um die Patienten gilt wohl die Tat­ sache, daß sie viele Jahre hindurch, bis Ende 1993 eine schwerkranke Patientin, die ohne Hilfe von „draußen“ in ein Heim hätte ein­ gewiesen werden müssen, von ihr intensiv betreut wurde. Diese Betreuung ging so weit, daß sie die Sehwerk.ranke in den letzten Monaten vor deren Ableben zu sich in die Wohnung nahm, um sich rund um die Uhr dieser zu widmen. V iel Kraft kostete Martha Held der Brand auf der Hirschhalde und der Tod einer Mit­ schwester. Daß sie seit ihrer Pensionierung ohne materielle Vergütung weiterhin da einspringt, wo Hilfe Not tut, entspricht ihrer Einstel­ lung zum Glauben an Jesus und dem Leben. Obwohl sie nun elbst das 80. Lebensjahr längst überschritten hat, tritt sie nicht kürzer. Noch immer macht sie Besorgungen für kranke, ältere Menschen, wozu auch lange Jahre die einst älteste Bürgerin Bad Dürr­ heims, Paula Schmidt, mit ihren 102 Jahren zählte. Ihre Krankenbesuche in den Senio­ renstiften oder in den Krankenhäusern, an­ gefangen in Schwenningen und Donau­ eschingen, sind für die Patienten nicht nur eine Abwechslung, sondern eine Begegnung mit einer ungewöhnlichen Frau. Sie findet immer wieder für alle ein freundliches Wort und wendet sich dabei auch besonders den einsamen Menschen zu, sei dies in Briefform oder im praktischen Dienst. Da ist es kein Wunder, daß sie wenig Zeit hat, sich ihren Hobbys zuzuwenden. Trotz­ dem greift sie manchmal zur Gitarre und stimmt religiöse Lieder an. Sie ist dem Heimat- und Geschichtsverein sowie dem Trachtenverein in Bad Dürrheim verbun- nicht vergessen können. War damals ihr Leben, wie das von tausend anderen Men­ schen, doch zu oft in Gefahr. Sie wäre aber nicht die Schwester Martha, wenn sie sich nicht zuerst um die ihr anvertrauten Patien­ ten gesorgt hätte. Dieses aufopfernde Wir­ ken den Mitmenschen gegenüber zeichnete Martha Held schon damals aus. 1945 nach dem Umsturz kam sie an das Kreiskrankenhaus Tuttlingen, das schon bald von französischen Soldaten belegt wurde. Zwei Jahre blieb sie in Tuttlingen, um dann 1947 in Calw zu wirken. Schicksalhaft wurde ihr ein Heimatur­ laub. Dr. Leichtwies, Chefarzt an der LVA­ Kur-Klinik Hirschhalde, holte Schwester Martha Held als „Retterin in der Not“ zu sich. Eigentlich sollte sie nur kurz dje prekäre Situation beim Pflegenotstand mildern. Aus dem kurzen Einspringen wurde eine Lebens­ stellung und der Beginn einer besonderen Verbundenheit mit Bad Dürrheim und des­ sen Bürgern. 27 Jahre war sie, so ein Zitat, ,,die Seele der Hirschhalde“. Ihre ansteckende Fröhlichkeit, ihre stete Hilfsbereitschaft und ihr immer wieder vor- 90

den. Ihre besondere Sympathie gehört aller­ dings dem Musik- und Gesangverein in ihrem Geburtsort Oberbaldingen. Daß sie in den sozial wirkenden Verbänden der AWO und dem Roten Kreuz ist, betrachtet sie dabei ebenso, wie ihre Zugehörigkeit zu den christlichen Verbänden, als selbstverständ­ lich. Annemarie Fischer Pia Brenner Ein Leben im Dienst für den Nächsten ,,Es braucht der Mensch den Menschen“ ist nicht nur ein oft zitierter und das „Aufein­ ander-angewiesen-sein“ treffend umschrei­ bender Ausspruch von Ludwig Börne, son­ dern könnte auch als Herausforderung ver­ standen werden, seine Kräfte in den Dienst des Nächsten zu stellen. Diese Herausforde­ rung angenommen und sich 25 Jahre lang uneigennützig für den Mitmenschen einge­ setzt zu haben, ist der Verdienst der Caritas­ rektorin Pia Brenner, die im Juni vorigen Jah­ res in den Ruhestand trat. Aus der Industrie kommend, brachte sie Erfahrungen aus dem modernen Management mit, die ihr bei der Leitung eines kirchlichen Wohlfahrtsver­ bandes von der Größe und Bedeutung des Caritasverbandes (CV)-Schwarzwald-Baar sehr zugute kamen. In Todtnau, am Fuße des Feldberges be­ heimatet, war ihre Kindheit überschattet von den Ängsten und Nöten des Krieges. Man mußte sparen und lernte sich einzuschrän­ ken und das Vorhandene überlegt und sinn­ voll einzusetzen, lauter Erfahrungen, auf die sie in ihrem Zweitberuf dankbar zurückgrei­ fen konnte. In der Nachkriegszeit holten Pia Brenner und ihr Bruder Hermann vieles nach, was im Dritten Reich verboten war: Gruppenarbeit, Treffen und Fahrten mit den Pfadfindern und der katholischen Jugend (KJG). Diese beglückenden Erlebnisse und nicht zuletzt auch das christliche Elternhaus, prägten den späteren Lebens- und Berufsweg der jungen Pia Brenner. Nach Schulentlassung und Ausbildung zum Industriekaufmann wurde sie Jugend- leiterin in Todtnau/St:]ohann. Doch auch schulisch und beruflich ging es weiter, so daß sie bald nach erfolgreichem Abschluß der Handelsschule in die verantwortliche T ätig­ keit einer Chefsekretärin in der damals größ­ ten Bürstenfabrik Deutschlands aufsteigen konnte. Martha Beistier – langjährige Leiterin des Referates Gesundheits- und Altenhilfe und ,,Mutter der Sozialstationen“ beim Diöze­ sancaritasverband – leistete Schützenhilfe beim Wechsel zum Schulungsbereich des CV-Freiburg. Es folgte von 1966 bis 1969 ein Studium an der Fachhochschule für Sozial­ arbeit und anschließend die erste Anstel­ lung, am 1. November 1969, beim CV­ Donaueschingen als Geschäftsführerin. Vor- 91

sitzender dieser Einrichtung war damals Dekan Hermann Fautz, mit dem eine opti­ male Zusammenarbeit und Möglichkeiten selbständiger beruflicher Entfaltung gewähr­ leistet waren. Die engagierte Todtnauerin nahm auch weiterhin alle sich bietenden Chancen zur Fort- und Weiterbildung wahr und entwik­ kelte sich zu einer tüchtigen und qualifizier­ ten Mitarbeiterin des Caritasverbandes. So übertrug man ihr in der Folge auch eine Anzahl ehrenamtlicher Aufgaben. In den vielen Berufsjahren machte sie die Erfahrung und gewann die Erkenntnis, daß es unmög­ lich sei, ohne eine treue Schar ehrenamtli­ cher Helferinnen und Helfer den Anforde­ rungen, mit denen man in diesem breitgefä­ cherten Aufgabenbereich fast täglich kon­ frontiert wird, auch nur annähernd gerecht zu werden. Auf diese Hilfe und Unterstüt­ zung durch diese Mitarbeiter hat sie bei allen sich bietenden Gelegenheiten in der ihr eige­ nen, bescheidenen Art dankbar hingewie­ sen. Waren es in den Donaueschinger Jahren anfangs die Heimatvertriebenen, die fach­ lich-kompetente Hilfe brauchten, gewann nach und nach die Flüchtlings- und Asylan­ tenproblematik eindeutige Priorität. Nicht zu vergessen die große Herausforderung, die die Drogenwelle mit sich brachte und – oft damit eng verbunden – auch die Betreuung der mit dem Gesetz in Konflikt geratenen Hilfesuchenden, die an die Türen des Cari­ tasverbandes im „Sternen“ (Gemeindezen­ trum St.Johann), später „Elisabethenhaus“ Schulstraße, klopften. Zu diesen vielfachen Aufgaben kamen immer neue hinzu, die in einem schriftlichen Zweijahresbericht aus­ führlich dargestellt wurden, einschließlich der Rechenschaftslegung über die verausgab­ ten Mittel, was der Caritasrektorin schon aus Gründen der Tran parenz stets ein besonde­ res Anliegen war. Die Palette der angebotenen Dienste, die z. T. auf Eigeninitiative von Frau Brenner zurückgingen, reichten von Altenhilfe (Nach­ barschaftsarbeit, Kontakt zu pflegenden An- 92 gehörigen, ambulanter Hospizdienst) über ,,Essen-auf-Rädem“-Aktion, Hausnotrufdienst, Sozial psychiatrischer Dienst (einschließlich betreuter Wohngruppen für psychisch Kran­ ke), Familienhilfe (Schwangerschaftskon­ fliktberatung), Alleinerziehende, Familien­ kuren, Mutter-Kind-Kuren, Altenerholung, Familien- und Altenfreizeiten, Familien­ pflege Dorfhelferinnenvermittlung, Behin­ dertenpflege), Aussiedlerbetreuung, Betreu­ ung der Flüchtlinge, Auslandshilfen (Kon­ takte nach Ex-Jugoslawien und Polen) bis hin zu jahrelanger Hilfe beim Aufbau der fünf Sozialstationen (Ambulante Hauskranken­ pflege) des Landkreises. Diese gewaltige Ausweitung der Aufgaben bedingte auch eine ständige Weiterentwick­ lung der Organisationstechnologien. Ob auf diesem Gebiet oder bei Hilfsgütertranspor­ ten, ob auf Wallfahrten nach Lourdes oder als Stimmungsmacherin mit Gitarre bei Seniorenfreizeiten in Südtirol – Pia Brenner war immer mitten drin – eingedenk viel­ leicht die Worte ihres Vorgesetzten, des Di­ özesancaritasdirektors Heinz Axtmann: ,,Der erste Ort des Caritas ist die Gemeinde; dort wo Menschen sich versammeln, auf das Wort Gottes hören, und an Jesus Christus Maß nehmen müssen, müssen sie auch den Bruder und die Schwester in den Blickwinkel nehmen, ihre Nöte sehen und dafür hellhö­ Gusta Keintzel rig werden!“ ,,._ ,� Der Blumenstrauß Ein roter und ein blauer Strumpf- verrut cht, die Hosen noch voll Sand vom gestrigen Spiel verkehrtherum der Pullover – eine vor Eifer feuchte kleine Hand hält den Blumenstrauß Gänseblümchen – morgen um fünf Muttertag Christiana Steger

Otto Maier Ein sachkundiger und unermüdlicher Anwalt der Landwirtschaft Am 21. Januar 1993 wurde in einer beein­ druckenden Feierstunde der Leiter des Amtes für Landwirtschaft, Landschafts- und Bodenkultur, Donaueschingen, Landwirt­ schaftsdirektor Otto Maier, in den Ruhe­ stand verabschiedet. Wer an dieser Feier­ stunde teilnahm, spürte bald, daß es unmög­ lich ist, den Jubilar zu würdigen, ohne gleich­ zeitig seinen bisherigen Wirkungsbereich nochmals vor unserem geistigen Auge vor­ überziehen zu lassen. Dieses Unterfangen ist im vorliegenden Fall zwar nicht einfach, jedoch um so auf­ schlußreicher, handelt es sich doch bei der Behörde, der Otto Maier 17 Jahre lang vor­ stand, um ein äußerst vielschichtiges Ge­ bilde. Eine Besonderheit liegt sicher schon al­ lein darin, daß hier ein Amtsleiter und ein Schulleiter in den Ruhestand ging. Gegenstand beider Tätigkeitsbereiche – Schule und Amt – waren im Grund die Schicksale vieler Landwirtsfamilien im Schwarzwald-Baar-Kreis. Gerade die bäuer­ liche Mentalität brachte es mit sich, daß zahlreiche existentielle Fragen direkt in das Amtszimmer von Otto Maier getragen wur­ den. Es waren Fragen der Hofübergabe, der Berufsausbildung, man erwartete Hilfestel­ lung bei außergewöhnlichen Situationen im Betrieb, meist jedoch war der sachkundige Rat auf dem ureigensten Fachgebiet von Otto Maier, dem Pflanzenbau, gefragt. Wer Otto Maier in Aktion erlebt hat, könnte darüber sinnieren, welche Rolle ihn mehr befriedigt hat, die des Schulleiters oder die des Amtsleiters, wenngleich diese Unter­ scheidung zu machen ihm selbst ja gar nicht erlaubt war. Eines steht fest, Otto Maier war ein Schul-Profi. Nicht umsonst nannten ihn die Schüler wegen seines fundierten, praxis­ bezogenen Fachwissens liebevoll den „Pflan­ zen-Otto“. Doch nicht nur im Schulsaal wirkte er mit Begeisterung. Bei Lehrlingstreffen oder im fachpraktischen Sommersemester konnte man ihn schon in aller Frühe, lange vor Dienstbeginn, im „blauen Anton“ inmitten seiner Schüler bei Pflanzenbestimmungs­ übungen antreffen. Im gleichen Aufzug führte er auch die Saatenanerkennung in den weitläufigen Gemarkungen des Dienstbezir­ kes durch. Auch die Erwachsenenfortbil­ dung lag Otto Maier gleichermaßen am Her­ zen. Schüler und Mitarbeiter konnten ihren Chef aber auch ganz anders erleben, sei es als bibelfesten Nikolaus oder in der „Bütt“ bei der traditionellen Schülerfastnacht. Bei der eigentlichen Amtstätigkeit waren die Anforderungen nicht weniger anspruchs­ voll. Das Aufgabenfeld der Behörde, der Otto Maier vorstand, wuchs ständig, was nicht zuletzt mit der Sensibilisierung der Öffentlichkeit im Umwelt-Bereich zusam­ menhing. Die Besonderheit des Dienstbezir­ kes mit einer Größe von 102.000 ha Fläche, in dem 2.400 Landwirte 41.220 ha landwirt- 93

schaftlich nutzen, lag zudem darin, daß zwei völlig verschiedene Naturräume, Schwarz­ wald und Baar, mit teilwiese völlig unter­ schiedlichen Problemstellungen zum Amt gehörten. Zu den klassischen Disziplinen Pflanzenbau, Tierhaltung und Betriebswirt­ schaft kamen Bereiche wie Agrarplanung, Umweltschutz, Landschaftspflege und Dorf­ entwicklung hinzu. Die steigende Zahlung von indirekten Einkommensübertragungen an die Land­ wirte hatte zur Folge, daß seine Dienststelle zuletzt 1900 äußerst komplizierte Förderan­ träge mit einem Finanzvolumen von ca. 10 Millionen DM zu bearbeiten hatte. Sorge bereitete hier Otto Maier vor allem, daß die wachsende Abhängigkeit von diesen Förder­ mitteln nicht selten zu einer Identitätskrise in der Landwirtschaft beiträgt. Bei Erfüllung dieser Aufgabenflut litt der Dienststellenleiter ebenso wie seine Mitar­ beiter häufig unter wenig hilfreichen Vor­ schriften und Richtlinien von EG, Bund und Land. Letztere konnten ihn bisweilen gehö­ rig in Rage bringen. So ist auch sein Aus­ spruch bei seiner Verabschiedung, daß derje­ nige ein guter Beamter sei, der kein guter Beamter ist, nicht als billige Koketterie mit dem Zeitgeist zu werten. Er zeigt vielmehr, daß bei Otto Maier Praxisbezug und Bürger­ nähe im Vordergrund standen und er sich einen gesunden Widerspruchsgeist bewahrt hatte. Daß er sich von der geschilderten Aufga­ benfülle immer wieder herausfordern ließ, verdankte er sicher seiner Herkunft aus einem landwirtschaftlichen Betrieb, seiner humanistischen Schulbildung sowie der star­ ken Praxisbetonung während seiner weiteren Ausbildung mit Fremdlehre, Gehilfenprü­ fung, Hochschulstudium und Referendariat. Obwohl von Otto Maier also ein beachtli­ ches Feld zu beackern war, verlor er nie den Kontakt zu seinen Mitarbeitern, für deren Anliegen er immer ein offenes Ohr hatte. So verwundert e nicht, daß er, für den Chef­ allüren ein Fremdwort war, bei seiner Ver­ abschiedung als einziger Redner das Lob und 94 die Anerkennung, die ihm entgegengebracht wurden, an seine Mitarbeiter weitergab. Ausgleich vom Berufsalltag suchte Otto Maier bei der Leichtathletik. Auch hier be­ gnügt er sich nicht mit einer Mitläuferrolle. Er selbst leitet vielmehr diese Abteilung der Sportvereinigung Donaueschingen, für die er auch Statistiker, Chronist und Wettkampf.. richter ist. Daß er nicht nur das Sportabzei­ chen abnimmt, sondern es auch selbst trägt, versteht sich von selbst. So ist zumindest über die Sportleidenschaft ein nahtloser Übergang in den wohlverdienten Ruhestand gegeben. Auch bei einem weiteren Hobby ist die Kontinuität gesichert, nämlich bei der sach­ kundigen und begeisterten Pflege seines Gar­ tens, der für ihn bereits bisher ein „Neben­ kriegsschauplatz“ des Pflanzenbaues war. Auch wenn er hier seinen „Dienstbezirk“ flä­ chenmäßig erheblich abspecken muß, so braucht man kein Prophet zu sein, wenn man Otto Maier auf diesem Gebiet auch wei­ terhin als Berater für Nachbarn und andere interessierte Personenkreise sieht. Schon allein die beiden Hobbys erfordern eine gute Konstitution und Kondition. Bei­ des ist dem scheidenden Dienststellenleiter Otto Maier von Herzen zu wünschen. Klaus Schwab Das Gras Wer je den Duft geschnittnen Grases erlebt, wenn vor ihm Schnitter gehn. Der kennt den Zauber, dieses Tages, an dem die Wiesen abgemäht. Man soll nicht trauern um die Blumen, die grad noch tanden bunt und schön. Die Samen fallen und sie suchen den Platz, an dem sie auferstehn. Margot Opp

Emil Schafbuch Er hat sich mit seinen Fähigkeiten in das Gemeindeleben eingebracht Emil Schafbuch, der im November 1993 aus der Hand von Landrat Dr. Rainer Gut­ knecht das vom Bundespräsidenten verlie­ hene Bundesverdienstkreuz am Bande er­ hielt, hat sich um seine Vaterstadt Hüfingen verdient gemacht. In den Annalen der Stadt aus jüngerer Zeit sucht man vergeblich ein so ausgeprägtes ehrenamtliches Engagement für die Allgemeinheit, wie dies Emil Schaf­ buch in mehr als drei Jahrzehnten erbracht hat. Dies kam auch in den Laudationes an­ läßlich der Feierstunde im Hüfinger Rathaus bei der Überreichung der hohen Auszeich­ nung immer wieder zum Ausdruck. Die Stadt Hüfingen und ihre Bürger seien Emil Schafbuch zu großem Dank verpflichtet, versicherte Bürgermeister Anton Knapp. „Wir sind stolz darauf, einem so verdienten Mitbürger zu dieser hohen Auszeichnung gratulieren zu dürfen“, meinte das Stadt­ oberhaupt. Landrat Dr. Rainer Gutknecht würdigte Schafbuch als einen „fachlich kompetenten und in seiner toleranten und ausgleichenden Art bemerkenswerten Menschen“, dessen Wort trotz großer Bescheidenheit auch im Kreistag Gewicht habe. Der gebürtige Hüfinger hatte sich 1956 als junger Architekt mit soeben abgeschlossener Ausbildung um ein Gemeinderatsmandat beworben, damals noch unter Bürgermeister Rudolf Müller. Bei diesem Urnengang einer freien Wählergruppe, die sich später zur FDP hin orientierte, errang Emil Schafbuch die Am 12.11.1993 erhielt Emil Schafbuch (links) von Landrat Dr. Gzaknecht das Bundesverdienstkreuz am Bande ausgehändigt. 95

höchste Stimmenzahl. Auch bei den folgen­ den Kommunalwahlen erreichte er jeweils respektable Ergebnisse. Zu Beginn seiner kommunalpoliti chen Arbeit war Emil Schafbuch mit Abstand der jüngste Mann im HüfingerGemeinderat, der zusammen mit Edwin Morath die Freien Wähler vertrat. Auch die übrigen Ratsmit­ glieder waren durchweg eine ganze Genera­ tion älter. Schafbuchs Wissen und seine fachliche Kompetenz verschafften ihm je­ doch schon bald Respekt und Anerkennung. Auch im Technischen Ausschuß war sein Rat stets gefragt. Was Emil Schafbuch jedoch besonders auszeichnete, waren seine Besonnenheit und die Fähigkeit, ausgleichend zu wirken, nicht durch „Fensterreden“, sondern durch fun­ diertes Wissen. Wohl keiner seiner Rats­ kollegen hat Emil Schafbuch jemals „laut“ werden hören, im Gegenteil, er war stets ein Mann der „leisen Töne“, der jedoch beharr­ lich und unbeirrbar seinen Standpunkt ver­ trat und zum Wohle der Stadt und ihrer Bür­ ger wirkte. Was er in mehr als drei Jahrzehn­ ten im Gemeinderat einbrachte, war stets grundsolide und ausgewogen. Noch unter Bürgermeister Rudolf Müller hatten in Hüfingen wichtige Vorhaben ange­ standen, die Realisierung einer zentralen Wasserversorgung mit Tiefbrunnen und Hochbehälter als vordringlichste Aufgabe, dazu der Neubau der Schule und die Er­ schließung weiterer Baugebiete wie „am Kennerbach“ und „auf Hohen“. Als 1963 Max Gilly zum Bürgermeister gewählt wurde, war Emil Schafbuch bereit, die mit dessen Amtszeit beginnenden viel­ fältigen Aufgaben mitzutragen. Ende der sechziger Jahre zeichnete sich die Gemeinde­ reform ab, die 1973 verwirklicht wurde. Emil Schafbuch und seine Gemeinderatskollegen kämpften vehement für ein weiterhin selb­ ständiges Hüfingen und hatten damit die gesamte Bevölkerung hinter ich. Noch heute sieht Emil Schafbuch mit Genugtu­ ung auf die letztlich erfolgreichen Bemü­ hungen zurück, die Hüfingen seine Selbstän- 96 digkeit sicherten, was dazu führte, daß außer Sumpfohren, das sich chon früher zu einem Anschluß an Hüfingen entschlossen hatte, sich noch weitere vier benachbarte Dörfer der Stadt Hüfingen anschlossen. In den siebziger Jahren, so erinnert sich der heute 64jährige, begann sich die Altstadt­ sanierung abzuzeichnen. Die erste Turnhalle wurde gebaut, der 1980 eine zweite, größere folgte sowie Hallenbad und Einsegnungs­ halle. Obwohl sein eigenes Architekturbüro stets den ganzen Mann forderte, Emil Schaf­ buch brachte es fertig, sich auch kommunal­ politisch voll einzubringen. Die Frage nach seinem Motiv für diese umfangreiche, stets auf das Ziel gerichtete Arbeit beantwortet Schafbuch mit seinem Bestreben, an der Ent­ wicklung und zum Wohle seiner Heimat­ stadt aktiv beizutragen. Als er zum Jahres­ beginn von 1993 aus dem Gemeinderat aus­ schied – auf eigenen Wunsch-, war dies für das Stadtparlament ein großer Verlust. 36 Jahre lang hatte er am Ratstisch gesessen und ein Stück Hüfinger Geschichte mitgeschrieben. Hinzu kamen 17 Jahre Tätigkeit im Kreisrat. Auch die Hüfinger Vereine profitierten von Emil Schafbuchs Engagement: Von 1958 bis 1965 war er Vorsitzender des Turn­ und Sportvereins, der ich unter seiner Füh­ rung stark entwickelte. Er selbst hat stets aktiv Sport betrieben, früher als Handballer, später mit Volleyball und auch als Sport­ schütze. Während der Fasnet schlüpfte er ins „Häs“ der „Bercheappeli“. Heute allerdings hat er sich aus dem Vereinsleben weitgehend zurückgezogen. BeruAich jedoch hat er noch nicht zu­ rückgesteckt, sondern steht noch immer „voll drin“. Zusammen mit seinem Sohn betreibt er weiterhin ein Architekturbüro, und viele Objekte, nicht nur in Hüfingen, tragen seine Handschrift. Seine Frau Doris unterstützt ihn dabei nach Kräften. Sie hat das ungewöhnliche Engagement ihres Man­ nes über Jahrzehnte mitgetragen. Am Schluß der Feierstunde, die Emil Schafbuch anläßlich der Überreichung des Bundesverdienstkreuzes erlebte, dankte er

allen seinen Wegbegleitern über mehr als drei Jahrzehnte. Er zog eine kurze Bilanz über sein Wirken und versicherte, daß ihm diese Arbeit auch viel Positives gebracht habe. Das Wort einer alten Hüfinger Bürge­ rin hatte sich ihm eingeprägt, mit dem sie ihn nach seiner ersten Wahl in den Gemeinderat angesprochen hatte: ,,Mir hond dech g’wählt – jetzt, Bue, machs reächt!“ An dieser Auf­ forderung hat Emil Schafbuch seine Arbeit ausgerichtet. Käthe Fritschi Karl Wiehl Im Dorf verwurzelt – dem Umland verbunden „Er ist ein engagierter Kommunalpolitiker und herausragender Vertreter seiner Heimat. Er hat nachhaltig Interessen seines Heimat­ ortes Mühlhausen in vielfältiger Weise geför­ dert.“ Mit dieser Würdigung bedachte Mini­ sterpräsident Eiwin Teufel Karl Wiehl anläß­ lich der Überreichung des Bundesverdienst­ kreuzes am 16. Oktober 1993. Oberbürgermeister Dr. Gebauer lobte Wiehls verantwortungsvollen Einsatz im Gemeinderat der Stadt Villingen-Schwen­ ningen. Karl Wiehl sei einer, so führte der Oberbürgermeister aus, der sich durch ein ausgeprägtes gesamtstädtisches Denken aus­ zeichne. Der Festakt zur Überreichung des Bun­ desverdienstkreuzes fand in der Mühlhauser Heimatstube statt, so hatte es der Geehrte gewünscht. Hier besuchte der am 10. Mai 1928 geborene Karl die einklassige Volks­ schule. Der Ausbau des einstigen Schulzim­ mers zur Heimatstube war das erste Werk dorfeigener Bürgerinitiative im Jahr 1971, im zweiten Jahr der Eingemeindung Mühlhau­ sens nach Schwenningen; Karl Wiehl hat dabei wesentlich mitgewirkt. In dieser Hei­ matstube fanden seit ihrer Fertigstellung ge­ wichtige Sitzungen des Bezirksbeirats Mühl­ hausen statt, dem er seit 1970 ununterbro­ chen angehört. Aufgewachsen ist Karl Wiehl mit sechs Schwestern auf einem der größten Mühlhau­ ser Bauernhöfe. Als „Roßbauer“ verdiente der Vater mit Lohnfuhren zusätzlich noch sein Geld. Früh und vielfältig war Karls Arbeitskraft im elterlichen Betrieb gefordert. Mit dreizehn Jahren übernahm er die erste selbständige Langholzfuhr vom Neuhäusle nach Schwenningen ins Sägewerk Maier. Die letzten Kriegsmonate brachten Karl Wiehl 1945 zum Arbeitsdienst nach Gersfeld in der Rhön, von dem er glücklicheiweise heil nach Mühlhausen zurückfand. – In der Absicht, eventuell den väterlichen Bauern­ hof zu übernehmen, besuchte er 1946/47 die Landwirtschaftsschule in Rottweil. Zum 1. Februar 1954 machte er sich jedoch mit einem Lastwagen – Marke Magirus – zum selbständigen Fuhrunternehmer. Er trans- 97

Gestaltung des eigenen Ortes. So gelang es mit bürgerschaftlichem Engagement 1968 einen dorfeigenen Kinderspielplatz anzule­ gen. Auch hierbei stellte sich Karl Wiehl mit in die erste Reihe. Ohne seine kostenlosen Fuhren und Materialbeschaffungen wären viele aus dieser Bürgerinitiative hervorgegan­ genen Projekte nicht möglich gewesen. So war es kein Zufall, daß die Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz auf denselben Tag fiel, an dem die Bürgerinitiative Mühl­ hausen ihren 25. Geburtstag feierte. Seit 1972 ist Karl Wiehl Mitglied der CDU und wirkt seit 1975 im Gemeinderat der Stadt Villingen-Schwenningen. Er gehört sowohl dem Technischen Ausschuß an als auch dem Verkehrs- und Landwirtschaftsbeirat. Außer­ dem arbeitet er im Aufsichtsrat der Stadt­ werke mit. In allen diesen Ämtern zeichnet sich Karl Wiehl durch sein unternehmeri­ sches Fachwissen aus. Aber auch sein Den­ ken in größeren Zusammenhängen, das über enge Kirchturmpolitik hinausweist, ist ge­ schätzt. Gutnachbarschaftliche Beziehun­ gen zum Umland standen bei ihm schon immer oben an. Möge es ihm, zusammen mit seiner Frau Hildegard, vergönnt sein, künftig zwar ruhi­ gere, dafür aber gesunde und friedliche Jahre im Kreise seiner Kinder und Enkel am Ort seines erfolgreichen Wirkens zu erleben. portierte Milch und Baumaterialien und betrieb einen Holzhandel. Mit einem Sam­ meltankwagen wird heute im Unternehmen Wiehl immer noch Milch transportiert. Der Schwerpunkt liegt jedoch in der Beförderung von Lebensmitteln und Baustoffen. Zudem ist dem Geschäft, das heute über 20 Personen Arbeit gibt, ein Baustoffgroßhandel ange­ schlossen. Junior Karlheinz soll demnächst den Betrieb übernehmen. In den örtlichen Vereinen hat sich Karl Wiehl recht früh engagiert. Schon 1945 gelang es mit seiner Initiative, den Sportver­ ein Mühlhausen wieder neu zu gründen. Dabei bildeten gesellige Veranstaltungen im Dorf einen besonderen Schwerpunkt. Das dörfliche Theaterspiel erlebte unvergessene Höhepunkte und gastierte sogar im Saal der Schwenninger „Neckarquelle“. Sportlich be­ teiligte sich Karl Wiehl aktiv im Fuß- und Handball. Er gehörte 1974 zu den Grün­ dungsmitgliedern des Tennisclubs Weig­ heim-Mühlhausen und wirkte in diesem Ver­ ein seit Gründung bis 1981 als 2. Vorsitzen­ der. Herausragende Verdienste erwarb sich Karl Wiehl darüber hinaus im „Freundes­ kreis Dorf Mühlhausen“. Seit dessen Grün­ dung im Jahr 1982 wirkt er als stellvertreten­ der Vorsitzender. Schon lange vor der Grün­ dung des „Freundeskreises“, schon ab 1968, waren Mühlhauser Bürger initiativ bei der Wilfried Leibold In memoriarn Mohrenwirt Albert Weisser Er gestaltete das Gemeindeleben über vier Jahrzehnte mit Nicht nur als Gastwirt mit Ausstrahlung gewesen, die Früchte des Umbaues der Gast- und Lebenserfahrung prägte Albert Weisser wirtschaft zu ernten. Er hatte aber die Freude, noch kurz vor seinem Tod am das Gemeindeleben in Fischbach, sondern auch als Mandatsträger und Förderer des 1. Oktober 1990 den Abschluß der Arbeiten Vereinslebens. und die Anpassung des Betriebes an die ver- änderten Lebensbedingungen des ausgehen- den Jahrhunderts erleben zu können. Bis auf den Ausbau weniger Fremdenzimmer war der Umbau des Traditionsgasthofes an der Fischbach, dort, wo sich Glasbach und Hin- Vier Jahrzehnte der über 150jährigen Geschichte des Gasthauses Mohren in Fisch- bach wurden von Albert Weisser geprägt. Er hätte am 8. Oktober 1994 seinen 75. Geburts- tag feiern können, wäre es ihm vergönnt 98

wurden. Nur wenige Gäste konnten sich damals ein Auto leisten. Zu denen, die öfters mal mit dem Auto kamen, um am Stamm­ tisch ein „Viertele zu schlotzen“, gehörte Bernhard Maier, der, in Sinkingen geboren, auch nach der Geschäftsgründung in Villin­ gen seine Heimatgemeinde nie vergaß. Die Zeit der Wirtschaftskrise war auf dem Land nicht so hart spürbar, als man ja noch Selbst­ versorger in fast allen Belangen war.. Für Albert Weisser ging der Selbstversorgungs­ grad natürlich weiter als für andere Dorfbe­ wohner. Denn früh erkannte er die Möglich­ keit, frische Bachforellen in das Angebot der Gaststätte aufzunehmen, selbstverständlich von ihm selbst aus den klaren Bächen gean­ gelt, die es dank der Kläranlage und den neu gebauten Kanalisationsleitungen bis zum heutigen Tag gibt. Es war auch nur logisch für ihn, sich dem Waidwerk zu verschreiben. Ein selbsterlegtes Reh, ein Hase, gelegentlich ein Wildschwein und zu früheren Zeiten manch Rebhuhn boten die Möglichkeit, das Angebot des Gasthauses auszuweiten. Bevor der junge Mohrenwirt sich aber voll der Gastwirtschaft unter Nutzung seiner Liebhabereien widmen konnte, wurde er als Rekrut benötigt. Ein halbes Jahr war er Sol­ dat, da brach der Krieg aus, der ihn an viele Fronten verschlug. In Frankreich, auf dem Balkan, drei Jahre in Rußland, bei der Abwehr der Invasion, dem letzten offensi­ ven Versuch der Wehrmacht in den Arden­ nen, den vergeblichen Entsatzversuchen von Budapest und dem folgenden Rückzug bis zur Kapitulation war er dabei, glückli­ cherweise nur leicht verwundet. Und als es ihm in der Steiermark in den letzten Kriegs­ wochen einmal nicht gelang, rechtzeitig aus dem Fahrzeug in den Graben zu kommen, trafen die Bomben der „Sturmowik“ der roten Luftwaffe ausgerechnet den Graben, und er blieb unverletzt. Von den Amerika­ nern dann gefangen genommen und an die Franzosen übergeben, hatte er das Gefühl, eine schwere Zeit vor sich zu haben. In Kehl flüchtete er vor dem Rheinübergang und kehrte aufUmwegen nach Hause zurück, wo 99 terbach eben zu diesem Fischbach vereini­ gen, abgeschlossen, sein Lebenswerk sozusa­ gen vollendet, das nun seine Frau Hedwig mit ihren Kindern und der Unterstützung von Berta Weisser ganz in seinem Sinne fort­ führt. Am 8. Oktober des Nachkriegsjahres 1919 geboren, war er von Kindesbeinen an mit der Gaststätte – wozu bis 1964 auch eine kleine Landwirtschaft gehörte, die man bis dahin noch als Vollbetrieb mit Viehhaltung führte, danach jedoch auf Ackerbau reduzierte – verwachsen. Doch bis auf den heutigen Tag kann man sich im „Mohren“ beim Schlacht­ plattenessen auf Eigenprodukte verlassen, denn noch heute werden Schweine so gefüt­ tert, daß sie den Ansprüchen derer gerecht werden, welche Wert auf gute Q!ialität legen. Während sich auf diesem Gebiet im Ver­ laufe des Lebens von Albert Weisser wenig geändert hatte, war es in allen anderen Berei­ chen umso stürmischer. Als Kind verdiente er sich ein Gutzele oder auch mal ein Trink­ geld, indem er sich nützlich machte und die Pferde betreute, welche damals noch über­ wiegend von den Gästen als Zugtiere für die „Chaise“ und die „Bennäwägele“ benutzt

er sich allerdings nicht lange aufhalten konnte, da er sich dann noch einmal stellen mußte. Die Gefangenschaft überstand er problemlos. Sein Tatendrang war unge­ schmälert. Kaum zuhause, worüber sich Mutter und Schwester natürlich freuten, gehörte er zu denen, die den Fußballclub Fischbach wiederbelebten und zu einem Markenzeichen machten. Selbstverständ­ lich war der „Mohren“ Dreh- und Angel­ punkt auch für die Fußballer. Im Saal wurde teilweise die Technik verbessert, wie sich Willi Echle noch gut erinnern kann. Umklei­ deräume und Waschgelegenheiten gab es selbstverständlich nur im Gasthaus.Und der Mohrenwirt war auch der Mann, der talen­ tierte junge Männer dem Verein zuführte. Den „Wuttko“ mit seiner unnachahmlichen Technik und dem satten Schuß holte er ebenso wie den Torhüter Kurt Großmann und machte aus dem Fußballclub Fischbach, in welchem er selbst bis zum Alter von 42 Jahren aktiv spielte, zu der Erfolgsmann­ schaft der Fünfziger und Sechzigerjahre. Wenn man heute von Belastung und Überlastung spricht, dann kann man nicht mehr ermessen, welchen Arbeitseinsatz ein Mann wie Albert Weisser leistete, denn neben dem Fußball widmete er einen weite­ ren Teil seiner „Freizeit“ der Feuerwehr. Seine Fähigkeiten und Kenntnisse kamen der Wehr zugute, deren Mitglieder ihn zum Kommandanten wählten. Für 20 Jahre übte er dieses Amt als Nachfolger des zum Bürger­ meister gewählten Karl Seemann erfolgreich aus. Durch die Ernennung zum Ehrenkom­ mandanten würdigte man auch die völker­ verbindenden Aktivitäten, die mit den Kon­ takten zur elsässischen Feuerwehr von Kertz­ feld und deren damaligem Kommandanten Legrand getätigt wurden. Zum Ehrenmitglied des Musikvereins wurde er ebenfalls ernannt, hatte er doch 1938 als Aktiver mitgewirkt. Eine Tätigkeit, die er nach dem Krieg aber nicht mehr fort­ setzen konnte. Dafür reichte die Zeit nicht mehr. Denn schon 1947 begann man wieder, den Saal für Tanzveranstaltungen zu nutzen. 100 Tanzkapellen, wie die damals entstandene „Edelweiß“, sorgten trotz der mangelnden Motorisierung bald für eine Belebung derart, daß man oft von Überfüllung sprechen konnte. Zusammen mit der Mutter Karoline, einer Schwester des legendären Bürgermei­ sters Martin Müller, und der Schwester Berta führte Albert Weisser das Lokal, wo man sich heute noch am Stammtisch an den Anekdo­ ten freut, die sich um die knorrigen, selbstbe­ wußten Originale ranken. Für eine sorgte der ,,Marti“ in seiner Zeit als Bürgermeister, denn während einer Visite des Landrates in Fischbach hatte dieser Fahrensleute im Ort entdeckt. Kurze Zeit später wurde vom Land­ ratsamt angefragt, ob diese noch im Ort wären. Daraufhin des „Martis“ Antwort: „Seit Herr Landrat weggingen, sind keine Zigeuner mehr hier.“ Als im Juli 1954 seine Mutter starb, die Poststelle ja auch noch von der Schwester Berta versorgt werden mußte, wurde es Zeit für den Albert, an die Gründung einer Fami­ lie zu denken. In Hüfingen traf er erstmals seine Frau Hedwig, die aus einem stattlichen landwirtschaftlichen Anwesen in Münchin­ gen stammt. Alte und noch nicht ganz so alte Fischba­ cher erinnern sich noch heute an die Hoch­ zeit am 30. April des Jahres 1956, da man sich nicht auf einen Festtag beschränkte, sondern gleich tagelang feierte. Das Feiern lohnte sich für den Ort und dessen herausragendes Gasthaus. Denn rasch wuchs die Familie um den Peter, die Carola, den Albert und den Berthold sowie die Manuela. Eine Selbstver­ ständlichkeit war es für die Kinder, die Eltern zu unterstützen, die natürlich mehr als aus­ gelastet waren, denn damals wurden im Saal auch noch Theaterstücke aufgeführt, Kon­ zerte fanden statt und natürlich wurden in den Fünfziger Jahren noch Dorfhochzeiten in großem Stil gefeiert. Doch die Zeiten änderten sich. Ein Mann wie Albert Weisser, der, dessen Ohr die Stimme des Volkes auf­ merksam vernahm, Wirt und Marketingchef in einem war, erkannte den gesellschaftli­ chen Wandel und zog die Konsequenzen.

Statt des allmählich überflüssig gewordenen Saales entstanden Fremdenzimmer. Und in seinen letzten Lebensjahren, als er erleben konnte, wie alle Kinder, bis auf den Ältesten, der nach der Ausbildung bei der Bundespost und dem langen Dienst als Fernspäher bei der Bundeswehr sich für die Laufbahn des Betriebswirtes entschied, der Gastronomie treu blieben, entstand das Konzept des modernen, familiären Gasthofes, als den sich der traditionsbeladene Mohren heute präsentiert. Gestützt auf die Erfahrung von Hedwig und Berta Weisser, die in vielen Jah­ ren für gute Hausmannskost sorgten, aber auch hohen Ansprüchen gerecht wurden und mit den Forellen in vieler Form ein Mar­ kenzeichen schufen, können heute Berthold und Carola die Mutter bei der Führung des Gasthofes unterstützen. Berthold als Koch, der sein Handwerk im Hotel Ketterer in Vil­ lingen erlernte und seine Erfahrung im Hänslehof und in Grindelwald gesammelt hat und Carola im Servicebereich, welche zu den im Hause gesammelten Erfahrungen das notwendige Rüstzeug während einer Lehre im Hause Limberger in Bad Dürrheim erwarb. Der Sohn Albert begann seine Lehre als Kellner im Hotel Ketterer, ging danach zum heute in die Schlagzeilen geratenen Meisterkoch Witzigmann nach München, arbeitete in Frankfurt und London, sam­ melte Erfahrung auf hoher See und ist der­ zeit in Orlando in Florida tätig. Die Manuela wurde zunächst ebenfalls Fachgehilfin im Hotel- und Gaststättenge­ werbe, erweiterte die Kenntnisse durch ein Praktikum als Konditorin, schnupperte die hohe Kunst der familiären Gastronomie in der Traube in Tonbach, dem Haus mit den drei Michelinsternen, arbeitete im „Le Gour­ met“ in München und war zuletzt in Davos, um Auslandserfahrung zu sammeln. Albert Weisser, der für 15 Jahre auch als Gemeinde­ rat wirkte und so auch direkte politische Erfahrungen sammelte, hat mit seiner Frau Hedwig das Haus so bestellt, daß die Voraus­ setzungen für eine weitere lange Zukunft als Familienbetrieb mit besonderem Charakter geschaffen sind. Die nachgewachsene Gene­ ration ist durchaus auch in der Lage, Gäste wie den Botschafter der Volksrepublik China, der aufEinladung des MdB und spä­ teren Staatssekretärs Dr. Hansjörg Häfele, und Ministerpräsident Erwin Teufel, der schon als kleiner Junge nach Fischbach zum Taubenmarkt kam, zu bewirten. Trotzdem ist nicht zu leugnen: Mit dem Tode von Albert Weisser verlor nicht nur die Familie den Mittelpunkt, sondern auch die Gäste das Markenzeichen, eben den Mann, der es außergewöhnlich gut verstand, mit Groß und Klein, mit Eminenzen und Magnifizen­ zen umzugehen in einer so unnachahmli­ chen Art von bleibender Erinnerung bei all denen, die seine Gäste waren. Und das waren erfreulicherweise sehr viele. Dieter Mink Oskar Steiger Seine Liebe gilt der Musik und der Mathematik Gleich zwei Dingen, die erst bei genau­ erem Betrachten wesensverwandt sind, gilt seit vielen Jahren die Liebe Oskar Steigers – der Musik und der Mathematik. Beides hat er in einem langen, pädagogischen Leben im Schuldienst wie auch im persönlichen Be­ reich hervorragend zu verbinden gewußt. Oskar Steiger,Jahrgang 1933, stammt aus einem pädagogischen Haus, schon sein Vater war Lehrer. Er sorgte auch dafür, daß der musikalisch begabte Sohn schon mit fünf Jahren Klavierunterricht erhielt. „Spä­ ter dann war mir das Klavierspielen immer lieber und wichtiger als jede Art von schulischen Hausaufgaben“, erinnert sich Oskar Steiger an seine Kinderjahre. Jahre danach, der Vater war nach Pfohren versetzt worden, vertrat ihn der Sohn oftmals an der 101

und Musik von Oskar Steiger stammen. Am 30. November 1963 kam der Chorsatz erstmals zur Aufführung. Nach autodidaktischem Studium der Fächer Musik und Mathematik, die Lehrer­ ausbildung in diesen Jahren verlief noch anders, wechselte Oskar Steiger 1961 als Real­ schullehrer an die neuerbaute Blumberger Realschule. In langen Jahren hat er seither jungen Menschen geduldig mathematische Begriffe erläutert und sie zugleich die Liebe zur Musik gelehrt. Viele der jungen Leute, die im Realschulchor mitgesungen haben, wechsel­ ten in Kirchenchor oder Männergesangver­ ein über und brachten beiden Chören die so notwendige, stimmliche Verjüngung. Seit 1960 arbeitet Oskar Steiger aktiv im Schwarz­ waldgau-Sängerbund mit und hat seit vielen Jahren die Leitung von dessen Gruppe 8 mit insgesamt zwölf Männergesangvereinen zu betreuen. Anfang des Jahres 1993 wurde Oskar Stei­ ger nach über 40jährigem Schuldienst in den wohlverdienten Ruhestand entlassen. ,,Mitt­ lerweile haben schon Kinder von ehemali­ gen Schülern bei mir im Klassenzimmer gesessen“, erinnert er sich lächelnd. Einige seiner vielen Verpflichtungen hat er mittlerweile abgegeben und die Verant­ wortung für den MGV 1860 in jüngere Hände gelegt. Musikalischer Chef des Kir­ chenchores ist er allerdings bislang geblie­ ben. So bleibt Oskar Steiger jetzt erstmals rich­ tig ausgiebig Zeit für die persönliche Ausein­ andersetzung mit der Vielfalt der Musik und privates Klavierspiel. ,,Musik ist etwas ungemein Lebendiges. Über viele Jahre eines Lebens bekommt man zu geliebten, gut bekannten Werken großer Meister eine immer neue Einstellung“, zieht Oskar Steiger sein Resümee und erklärt, daß er jetzt Zeit und Muße findet, sich mit dem Musikschaffen der Modeme auseinanderzu­ setzen. Christiana Steger Kirchenorgel beim sonntägEchen Gottes­ dienst. Nach dem Abitur und Studium an der Pädagogischen Akademie in Freiburg kam Oskar Steiger 1954 als Volksschullehrer an die Blumberger Viktor-von-Scheffel-Schule. „Im damaligen Klassenlehrersystem war ich für alle Fächer zuständig“, erinnert sich Oskar Steiger, aber auch, daß der damalige Kirchenchor einen neuen Leiter suchte und dies den Ausschlag für die Entscheidung Blumberg gab. Seither arbeiten Chor und Chorleiter kontinuierlich zusammen, was Kirchenkonzerte und Gottesdienstgestal­ tungen an den kirchlichen Hochfesten immer wieder auf hohem Niveau bewiesen. 1957 übernahm Oskar Steiger zudem die Leitung des „Männergesangvereines 1860 Blumberg“ und auch hier erreichte er über­ zeugende chorsängerische Q!ialität, weit ab vom neuromantischen „Schmalz“. So brachte er moderne Gesangsliteratur ein, zudem Gehör- und Stimmbildung. Aus­ ländisches Liedgut gehört somit fest zum Repertoire des Männerchores, wie auch der „Blumberger Sängerspruch“, dessen Text 102

Erwin Mayer Ein Schulmann mit Idealismus Erwin Mayer, er starb im Sommer 1988, war Pädagoge und Idealist. Als ihn der Tod ereilte, unerwartet und daher für seine Ange­ hörigen besonders schmerzlich, hatte er noch viele Pläne. Zwar hatte ihm sein kran­ kes Herz die Ausübung seines Schulleiter­ postens an der Hüfinger Lucian-Reich­ Schule verboten – er ging vorzeitig in den Ruhestand-, doch für ihn, den Unermüd­ lichen, hätte auch ein viel längeres Leben kaum ausgereicht, um all das zu verwirk­ lichen, was er sich vorgenommen hatte. Knapp 66 Jahre alt war Erwin Mayer, als ihn bei der Ausübung seines geliebten Segel­ sports der Herztod traf. Als er 1981 feierlich aus seinem Dienst verabschiedet wurde, hatte er sich keinen sonnigen Lebensherbst, sondern einen „windigen Altweibersom­ mer“ für seinen Ruhestand gewünscht, der fortan ausgefüllt war mit einem unermüd­ lichen Engagement für die Allgemeinheit. 1922 war er in Donaueschingen geboren worden, wo er auch aufwuchs und zur Schu­ le ging. Unmittelbar nach seinem Abitur mußte er die feldgraue Uniform anziehen. Bei seinem letzten Besuch in der Heimat starb auf tragische Weise sein Vater. Er durfte bleiben, bis dieser beerdigt war, doch dann sollte er die Heimat fünf lange Jahre nicht wiedersehen. Er kam 1944 in Bukarest ver­ wundet in Gefangenschaft. Als Kriegsgefan­ gener ertrug er in Sibirien schlimmste Strapa­ zen, ehe er 1949 endlich heimkehren durfte. Als 27jähriger begann er sein Pädagogikstu­ dium in Lörrach, das er 1951 mit dem Exa­ men abschloß. Seine erste Dienststelle als junger Lehrer war Hüfingen, wo er bis 1953 tätig war. Da­ mals hätte er sich nicht träumen lassen, daß er einmal Leiter dieser Schule werden könnte. Es folgte nun eine Anstellung als Lehrer in Leipferdingen, und von 1955 bis 1964 leitete er die dortige Schule eigenverant­ wortlich. Inzwischen hatte Erwin Mayer sich mit Lydia geborene Schweizer verheiratet und war Vater von zwei Kindern. Die Arbeit in Leipferdingen machte ihm Freude, und auch die junge Familie fühlte sich in der dörf­ lichen Umgebung sehr wohl. Auch außerhalb des schulischen Berei­ ches engagierte Erwin Mayer sich in Leipfer­ dingen. Er war Mitbegründer der dortigen Narrenzunft und war maßgeblich an der Kreierung der Fasnetfigur des „Strohhan­ sels“ beteiligt. Außerdem leitete er den ört­ lichen Gesangverein. Selbst im privaten Bereich schätzten die Dorfbewohner die Hilfe des Schulleiters, der ihre Sorgen und Nöte mittrug. Dazu zählte etwa auch die Formulierung einer Heiratsan­ zeige oder das Chauffieren einer werdenden Mutter zur Entbindung ins Krankenhaus. Als 1964 die Berufung Mayers als Schul­ leiter nach Hüfingen kam, bedeutete dies erneut eine Umstellung der familiären Lebensgewohnheiten. An der Gierhalde wurde ein Haus gebaut, und Erwin Mayer wurde Zeuge, als auf einem benachbarten 103

Grundstück wertvolle Funde aus alemanni­ scher Zeit zutage traten. Die Beschäftigung mit diesem frühgeschichtlichen T hema hat Erwin Mayer lebenslang fasziniert. Neben seiner Schulleiterstelle übernahm Erwin Mayer auch die Leitung des Männer­ chors beim Gesangverein „Liederkranz“. Bei entsprechenden Gelegenheiten ftihrte er auch den Gesamtchor. Als ihn 1974 nach einem Konzert der erste Herzinfarkt traf, mußte er den Taktstock niederlegen. Die Auswirkungen der Bildungsreform mit Einführung des neunten Schuljahres und die Bestimmung der Schule als Mittel­ punktschule, auch für die Schüler der Stadt­ teile, brachten große Raumprobleme. Den Idealzustand – genügend Lehrkräfte sowie Schulräume – optimale Voraussetzungen für den Sportunterricht, hat Erwin Mayer zu seinem großen Bedauern während seiner Dienstzeit nicht mehr erlebt. Große Verdienste hat er sich zweifellos auch als Mitbegründer der Städtepartner­ schaft mit dem französischen Ornans erwor­ ben. Er organisierte schon früh einen Aus­ tausch von Schülern zwischen den Schulen beider Städte. Als 1986 in Hüfingen der Förderkreis Stadtmuseum ins Leben gerufen wurde, war Erwin Mayer wieder ein Mann der ersten Stunde. Als Schriftführer half er beim Ent­ wurf der Satzung und scheute keine Arbeit, wenn es galt, für den Förderkreis auch über diese Tätigkeit hinaus zur Verfügung zu ste­ hen. Es war ihm nicht vergönnt, die Eröff­ nung des Museums im März 1992zu erleben. Das Hüfinger Römerbad, das zuvor von Erwin Mayers Vorgänger im Amt, Rektor Otto Heizmann, betreut worden war, nahm, nachdem dieser wegen seines hohen Alters dieser Tätigkeit nicht mehr nachgehen konnte, Erwin Mayer bildlich gesprochen unter seine Fittiche. Er sorgte für Ordnung in der Badruine und leitete unzählige Führun­ gen mit lebendigen Schilderungen über das Leben der römischen Soldaten. Seine Liebe galt auch der Hüfinger Tradi­ tion der Blumenteppiche. Schon als Kind 104 war er Jahr für Jahr mit seinen Eltern an Fron­ leichnam nach Hüfingen gekommen, um die Blumenteppiche zu bestaunen. In seinen reifen Jahren war er selbst aktiv, wenn es darum ging, die Organisation für jenen Teil des Teppichs zu übernehmen, den die Schule anfertigte. Er hielt auch vielbeachtete Vorträge zu diesem T hema, unter anderem in der Donaueschinger Lehrerakademie. Hier referierte er auch vor Lehramtskandida­ ten zu heimatkundlichen Sachbereichen. Dem Segelsport war er immer schon sehr zugetan, und als begeisterter Segler gehörte er der Segelkameradschaft Riedsee an, der er auch als Schriftführer diente. Es waren wohl auch jene schweren Erleb­ nisse in Krieg und Gefangenschaft, die ihn zum getreuen Sachwalter beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge machten. Er übernahm die Organisation der jährlichen Feierstunde am Volkstrauertag auf dem Friedhof, warb neue Mitglieder für die Orga­ nisation und betätigte sich als Sammler, wohl im Gedenken an jene Kameraden, denen der Krieg keine Heimkehr gewährt hatte. Als Hüfingen sich 1984 anschickte, seine 900-Jahrfeier zu begehen, stellte sich Erwin Mayer unverzüglich als tatkräftiger Mitorga­ nisator zur Verfügung. Unter anderem leitete er szenische Darstellungen aus Hüfingens Geschichte und schrieb die Texte zu einem Bildband über die Stadt. Darüber hinaus war er Mitbegründer des Hüfinger Stadtlaufes. Trotz seines vielfältigen Engagements behielt seine Familie Priorität in Erwin Mayers Leben. Zahllose Mitbürger versam­ melten sich an jenem heißen Julitag auf dem Hüfinger Friedhof, um den Angehörigen ihre Anteilnahme zu bekunden beim Ab­ schied von einem Menschen, der stets ein Gebender blieb. Er ließ an vielen Stellen Lücken zurück, die kaum zu schließen waren und die das Andenken an einen Menschen wachhalten, der trotz schwerer Erlebnisse zeitlebens eine positive Lebenseinstellung behielt. Käthe Fritschi

Erinnerungen an Fritz Schultheiß Fritz Schultheiß kam am 2.Juni 1875 in Tübingen zur Welt. Bereits in jungen Jahren zählte er zu den führenden Tüftlern bei der Weiterent­ wicklung im Bereich der Fo­ tografie, die damals noch in den Kinderschuhen steckte. Schnell hatte sich sein Kön­ nen weithin herumgesprochen und so avancierte er bald zum Hoffotografen und bannte Kaiser und Fürsten auf Zellu­ loid. Zu seinen weiteren Statio­ nen zählten ein Volontariat in Frankreich und die Mitar­ beit bei Pathe, wo er als Pio­ nier der Stummfilmzeit die Entstehung der ersten laufen­ den Bilder miterlebte. Der gebürtige Schwabe sammelte in Weltstädten wie Paris, Brüssel und London Berufs­ erfahrung, und um die Jahr­ hundertwende war er sogar als Fotograf für die damalige Regierung in der Reichshaupt­ stadt Berlin tätig. Am 22.Juli 1967 wurde auf dem alten Friedhof im Schatten der Lorenzkirche mit Fritz Schultheiß ein beliebter und verdienst­ voller St. Georgener Bürger zu Grabe getra­ gen. Er gehörte zu den Pionieren der Foto­ grafie und der Kinematografie. Auf unzähli­ gen Gebieten erarbeitete, entwickelte und erfand er bahnbrechende Neuerungen in der damals noch jungen „Wissenschaft“. Noch heute ist er vielen älteren Bergstädtern durch seinen trockenen Humor und seine großen Verdienste in Erinnerung. Sein Name lebt in dem von ihm gegründeten und noch heute bestehenden Fotogeschäft fort. Auf seine Initiative hin wurde in jenen Jahren in Stuttgart das erste Kino eröffnet. Später arbeitete er in Dresden für die Firma „Zeiss­ Ikon“ an der Konstruktion für „Photo­ Cameras“ und „Photo-Automaten“. Besonders gern erinnerte er sich an die Weltausstellung 1897 in Brüssel, an deren Auf­ bau er beteiligt war. Bei einem Gala-Abend, zu dem König Leopold eingeladen hatte, unter­ hielt er die illustre Gesellschaft mit einigen Zauberkunststücken. Der „Brieftrick“ hatte den König so beeindruckt, daß er Fritz Schultheiß von einer Droschke ins Schloß bringen ließ und ihn dort zu einer Privat­ audienz empfing. Als der junge Fotograf 105

dem Monarchen den Trick erklärte, mußte dieser wegen der Einfachheit des Täu­ schungsmanövers herzlich lachen. Bei dieser Gelegenheit bekam er vom König eine Erin­ nerungsmedaille für seine beruflichen Ver­ dienste überreicht. Besondere Aufmerksamkeit erregte da­ mals der von ihm konstruierte Photoauto­ mat „Bosco“, der auf Münzeinwurf inner­ halb von drei Minuten ein Bild lieferte. Diesen unruhigen Geschäften entschlüpfte er 1902. In jenem Jahr ließ ich Fritz Schult­ heiß in St. Georgen nieder, wo er in der Roß­ bergstraße sein erstes Atelier einrichtete. Aus dieser Zeit haben sich noch zahlreiche Auf­ nahmen von Alt-St. Georgen, von Trachten­ festen und von der Schwarzwaldbahn erhal­ ten, auch wenn vieles in den Weltkriegen unwiederbringlich verlorenging. In den Dreißigerjahren wurde das Geschäft in die Gerwigstraße verlegt, und 194 7 übertrug er den Laden seinem Sohn Karl. Nach dessen frühem Tod, 1961, ging er an seinen Enkel Bernd über, der das Geschäft heute in der dritten Generation führt. Aus der ersten Ehe von Fritz Schultheiß gingen die beiden Söh­ ne Karl und Siegfried sowie Tochter Kriem­ hilde hervor. Nach dem Tod seiner Frau hei­ ratete er Anna Weidemai er. Sie schenkte ihm die Söhne Gunter und Helmut, die beide im Zweiten Weltkrieg ihr Leben lassen mußten. Seine Frau Anna verstarb 1974 in der Berg­ stadt. Bald nach seiner Niederlassung in St. Geor­ gen richtete Fritz Schultheiß im „Deutschen Haus“ das erste Kino in der Bergstadt ein. Er gründete den Schwarzwälder Fotografen­ Verein, war Mitbegründer der Handwerker­ Krankenkasse und später Vorsitzender der Meisterprüfungskommission der Hand­ werkskammer Konstanz. Zudem rief er den badisch-württembergisch-pfälzischen Licht­ spieltheaterverband ins Leben und war des­ sen vereidigter Sachverständiger. Mehrfach wurde er zum Obermeister der Fotografenin­ nung gewählt. Neben seinem Beruf widmete er sich auch seiner Wahlheimat mit viel Idealismus und Einsatz. Er war Gründungsmitglied des Trachtenvereins St. Georgen im Jahre 1907, und bei der Wiederbegründung des Ge­ werbevereins nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er zu dessen Vorsitzenden gewählt. V iele Jahrzehnte war er Mitglied im Turn­ verein, Kraftsportverein und beim Sänger­ bund. Noch bis ins hohe Alter erfreute er sich bester Gesundheit. Zu seinem 90. Geburts­ tag konnte er die Glückwünsche vom dama­ ligen Bürgermeister, Dr. Helmut Dahringer, ein Glückwun chtelegramm des Minister­ präsidenten und von Staatssekretär Dr. Sei­ fritz entgegennehmen. Beim Gautrachten­ treffen in St. Georgen wurde ihm am 15.Juli 1967 die goldene Ehrennadel des Trachten­ gaus Schwarzwald verliehen. Beim großen Trachtenfestzug am 16.Juli fuhr er als Ehren­ mitglied des Vereins im offenen Wagen durch die Straßen der Stadt. Nur drei Tage später, am 19.Juli 1967 , verstarb er im Alter von 92 Jahren nach einem erfüllten Leben. Jochen Schultheiß Die Geschwister Barth aus Riedöschingen spielt bestenfalls eine kontrapunktisch klin­ gende Internationale mit, die anderen Bestand als die politi eh komponierte hat. Doch benötigen wir beim hier vorgestellten Quartett kein so großes Szenarium, um das Verbindende von gleichgestimmter Musik oder: die Kompromißbach-Musikanten In der Musik- das beweist die begeisterte Anerkennung ihrer Interpreten bei vielfarbi­ gen Freiluft-Festivals – gibt es keine mit eigentlich überholten Nationalismen pla­ katierte Feindseligkeiten. Da gilt der Brük­ kenschlag des Für- und Miteinander, da 106

und Resonanz zu erleben, in dem jede eng­ stirnige Ablehnung des Andersfarbigen und deshalb exotisch Erscheinenden keinerlei Chance hat. Im Schwarzwald-Baar-Kreis – und dort genauer von Blumbergs Stadtteil Riedöschingen ausgehend – begegnen wir so sympathischer Übereinstimmung bei vier jungen, vielseitigen Instrumentalisten und ihrem immer wechselnden Publikum. Sie haben sich schon lange in die Herzen ihrer Zuhörer gespielt: die Geschwister Barth aus Riedöschingen, die sich den Namen „Kompromißbach-Musikanten“ gaben. Ein Quartett, das sich nicht dem hämmernden Disco-Sound verschrieben hat, sondern einer vorrangig streichinstrumentalen Volks­ musik, in der Traditionsbewußtsein mit­ klingt. Daß diese volkstänzerisch beschwing­ te Musik in ihrer fast kammerkonzertanten Unaufdringlichkeit, Stimmigkeit und Quali­ tät stets mit Beifall von jung und alt aufge­ nommen wird, ist die eine Überraschung. Die andere wird von ihrer äußeren Gestalt ausgelöst, denn das Erscheinungsbild über die Baaremer Tracht hinaus besitzt hier einen liebenswürdig fremdländischen Ak­ zent. Dieser läßt eher an südasiatische Sai­ teninstrumente als an Geige, Bratsche, Kon­ trabaß und Ziehharmonika denken. Von den Vornamen Paul, Maria, Paula und Atul der freundlichen Geschwister weist nur noch letzterer auf das bis in die 60er Jahre zurück­ reichende Herkommen hin. Schon im Jahre 1969 adoptierten Her­ mann Barth, der heutige Ortsvorsteher von Riedöschingen, und seine Frau Lieselotte den damals vierjährigen Paul sowie die fast dreijährige Maria.1971 kamen die 1968 gebo­ renen Paula und Atul dazu. Alle vier Kinder stammten aus christlich geleiteten indischen Kinderheimen. Lange Zeit hatte das kinder­ los gebliebene Ehepaar Barth den vom frü­ heren Pfarrer Harterd ins Leben gerufenen „Förderverein Andheri/Bombay“ finanziell unterstützt und sich dank dieser Verbindung mit der Möglichkeit einer Adoption befaßt. Die damit verbundenen Schwierigkeiten immer vor Augen, sahen die Barths eine praktizierte Nächstenliebe als in christli­ chem Selbstverständnis übernommene Auf- 107

gabe. Diese wurde ihnen mit Vertrauen und wachsender Wärme gedankt. Heute sind die so vorbildlich in die Familie eingegliederten früheren Einzelkinder schon zwischen 26 und 29 Jahre alt und nicht nur vom Gesetz legitimierte, echte Geschwister geworden. Früh erkannten ihre Eltern die musischen Begabungen der Kinder. Nach der musikali­ schen Früherziehung in Donaueschingens Jugendmusikschule schlugen sie über das Fach Flöte den Ausbildungsweg zu den ihnen mehr zusagenden Instrumenten ein. „Ich wollte schon immer Geige spielen“, sagt der jetzt 29jährige Paul. Zwei Jahre später lernten Maria und Paula bei Paissi in Donaueschingen; Atul begann mit dem Cello-Unterricht. Ihren ersten ge­ meinsamen Auftritt hatten sie vor elf Jahren bei einem Wettbewerb in Pforzheim. Nach klassisch fundierter Basis wandten sie sich der ihnen mehr liegenden Volksmu­ sik zu, der sie ihre eigenen Akzente gaben. Allmählich empfahl ihre erreichte Qualität sie für Auftritte sogar in Norwegen und Ungarn. Als überall gern gehörte „Kompro­ mißbach-Musikanten“ spielen Paul wie Maria Geige und Bratsche. Paula beherrscht zur Geige noch den Kontrabaß, Atul spielt außer Kontrabaß und Bratsche die Steirische Harmonika. Daß bei allen musikalischen Hobbys die berufliche Ausbildung nicht zu kurz kam, war bei so aufgeschlossenen Eltern nahezu selbstverständlich. Paul lernte als Feinme­ chaniker in Schwenningen und studiert auf diesem Gebiet jetzt in Furtwangen. Maria ist geprüfte Fremdsprachensekretärin für Eng­ lisch und Französisch; jetzt hängt sie in Tri­ berg noch Italienisch und Spanisch an. Paula ist als Zahnarzthelferin ausgebildet, und Atul will, nach seinem absolvierten Wehr­ dienst, auf dem Gebiet der Wasserbautech­ nik weiterstudieren. In Riedöschingen am Kompromißbach, der seinen Namen einem Vergleich zwischen adligen Herren in Sachen mittelalterlich strittigen Grundbesitzes verdankt, gab und gibt es keine Kontaktschwierigkeiten zwi­ schen Barths Kindern und den Altbürgern. Hier kann „Kompromiß“ in die zutreffende Bedeutung einer gelungenen Verständigung übersetzt werden, die sich deshalb als haltbar erwies, weil Menschlichkeit und Liebe nicht überall nur Vokabeln einer fremden Sprache sind. Das sollte heutzutage Schule machen. „Gibt es manchmal Erinnerungen an den Lebensbereich der ersten Kindheit?“ frage ich Paul. ,,Natürlich“, antwortet er, ,,aber sie bedeuten nicht mehr viel. Mit unserem alten Kinderheim in Bombay stehen wir noch in sporadischem Briefkontakt.“ Auch die frü­ here Sprache haben sie fast vergessen. „Damals sprachen wir so einen Mischmasch aus Hindi-Dialekt und Englisch.“ Jetzt spre­ chen er und seine Geschwister schon lange Zeit den alemannischen Dialekt Riedöschin­ gens, in den sie so gut betreut hineingewach­ sen sind. Sie sind mehr als adoptiert, sie gehören ganz einfach dazu. Eine bessere Ein­ gliederung ist kaum denkbar: Familie und Umfeld als harmonischer Akkord. Jürgen Henckell bergers. Feuerwehrmann aus Leidenschaft und Chronist mit der Kamera mag man ihn nennen. Beides beschäftigt ihn täglich, wenn es seine Gesundheit zuläßt. Und das Mate­ rial, das ihm seine Hobbys einbringen, füllen eine ganze Sammlerstube – ein Sammler ist er auch. Horst Klink Ein Feuerwehrmann mit Geschichtsinteresse Horst Klink aus Triberg – ihn kennen viele, auch wenn sie seinen Namen nicht wis­ sen. Horst Klink hielt seit dem Bau des Kur­ hauses in Triberg im Jahre 1960 dort die Brandwache. Er hat viele Persönlichkeiten kennengelernt: Politiker, Künstler, Juristen. Aber das ist nur eine Seite des gebürtigen Tri- 108

Über 200 Miniatur-Feuerwehrautos hat Horst Klink aus Triberg gesammelt – ein Bruchteil dessen, was der Triberger zum Thema „Feuerwehr“ seit 45 Jahren zusammentrug Mit den Ansichtskarten fing alles an. Nach dem Krieg – da war Horst Klink 15 Jahre alt, fand er einige Postkarten mit Ansichten von Triberg aus früheren Zeiten. Das weckte sein Interesse daran zu wissen, wie Triberg früher aussah. Er begann Ansichtskarten aus drei verschiedenen Zeit­ abschnitten zusammenzutragen mit Ansich­ ten aus der Jahrhundertwende, ab 1940 und ab 1945. Letzteres kam erst später dazu, als er neugieriger wurde. Da war er längst mit der Kamera unterwegs und hielt Veränderungen in der Stadt fest, Ereignisse, die Triberg präg­ ten. Früher die Kuridylle, heute Parkplätze – hier stand einst das Krankenhaus, heute ist es eine Brachfläche. Der Marktplatz, einst beschaulich mit Brunnen, heute ein großer Parkplatz … Der Chronist in dem jungen Mann erwachte. Der Großvater von Horst Klink gehörte der Feuerwehr Triberg an. Der Fünfzehn­ jährige erlernte das Schreinerhandwerk. Eines Tages brannte es in der Nähe seiner Lehrwerkstatt, der Bub half beim Löschen und hatte seine nächste Leidenschaft gefun­ den: er wurde Feuerwehrmann, avancierte bald zum Fahnenträger der Triberger Wehr und gehört dieser inzwischen fast 45 Jahre an. Er erlebte drei Feuerwehrkommandan­ ten und hielt seit 32Jahren im Triberger Kur­ haus die Brandwache. Als junger Feuerwehr­ mann verband Horst Klink das eine Hobby mit dem anderen: zu den Postkarten von und über Triberg gesellten sich Postkarten von und über die Feuerwehren. Die Geschichte der Feuerwehren in Deutschland interessierte ihn nun auch. Mit Feuerwehr­ autos en miniature hatte er als Bub gespielt, jetzt sammelte er sie. Inzwischen kann er nicht nur die Chronik der Freiwilligen Feuer­ wehr, lückenlos mit eigenem Bildmaterial, vorweisen, sondern auch allerlei Feuerwehr­ insignien wie Uniformteile aus verschiede­ nen Ländern. 700 Ärmelwappen, 40 Helme 109

1 Ersttagsbriefe vom 18. Deutschen Reichs-Feuer­ wehrtag in Leipzig 1913 sind nur einige der Rari­ täten, die Horst Klink sein Eigen nennt erfüllen ihn mit Stolz. Ja, die Helme – sie kommen aus Frankreich, Bulgarien, Chile, Polen, der Tschechoslowakei, Jugoslawien, Österreich, der Schweiz, Liechtenstein. Ein Helm bereitet ihm noch Kopfzerbrechen, dessen Herkunftsland muß er noch heraus­ finden … Feuerwehr und kein Ende: Ersttagsbriefe von großen Feuerwehrtreffen seit Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts sind sein gan­ zer Stolz und einige dicke Ordner bergen Briefmarken aus aller Herren Länder, natür­ lich mit Feuerwehrmotiven. Und dann sind da noch die vielen Medaillen, die anläßlich von Feuerwehrfesten ausgegeben wurden. Auch davon hat Horst Klink eine stattliche Anzahl. Inzwischen ist der Sechzigjährige weit überTribergs Grenzen als Sammler bekannt. Er steht mit anderen Sammlern in Verbin­ dung. Man besucht sich, trifft sich auf Aus­ stellungen, sucht günstige Gelegenheiten. 110 doch Horst Klink ist kein Sammler „um jeden Preis“. ,,Mein Hobby muß mir Spaß machen. Ich warte lieber auf eine günstige Gelegenheit als für teures Geld etwas zu erwerben,“ umreißt er seinen Einsatz. Freunde kennen seine Leidenschaften und schauen sich für ihn um. Statt Blumen brin­ gen seine Gäste vielleicht ein Miniatur-Feu­ erwehrauto mit. Und wenn er dann wieder ein „Schnäppchen“ gemacht hat, eine Feuer­ wehrpostkarte erstand, eine Briefmarke tauschte, dann beginnt für ihn der zweite Teil seines Hobbys, das Katalogisieren, die Beschäftigung mit dem Objekt. ,,So man­ chen Schlechtwetter-Sonntag habe ich hier am Schreibtisch verbracht,“ berichtet er stolz. Jahrelang gehörte er dem Narrenrat der Triberger Narrenzunft an und spielte früher im Gesellenverein Theater. Horst Klink wird oft auch um Ausstellungen in Triberg oder Furtwangen gebeten. So hat er sein Sammel­ gut unter verschiedenen thematischen Aspekten seinen Mitmenschen zugänglich gemacht. Bleibt da noch seine zweite und eigentlich erste Leidenschaft als Triberg-Chronist mit der Kamera. Die Triberger Feuerwehr-Chro­ nik birgt alle Feuerwehr-Einsätze bei Brän­ den, Katastrophen, Festen. Sie ist unbezahl­ bar. Und dann die Triberger Chronik auf Postkarten mit den Fotos von heute – eine ebenso unschätzbare Leistung. Zur Zeit weiß man zwar von Klinks Sammelleidenschaft im Rathaus, aber so recht Notiz genommen hat man vom wahren Wert der Exponate noch nicht. Dabei hat der Triberger schon an internationalen Sammler-Ausstellungen teil­ genommen. Urkunden und Medaillen bele­ gen, daß er einer der hervorragendsten Sammler ist, was den Wert, den Inhalt und die Form seiner Sammlungen angeht. Er erhielt eine bronzene Medaille in Berlin und eine Silbermedaille in der Schweiz; 200 Sammler hatten mit ihm ausgestellt. Für Horst Klink, verheiratet und Familienvater, ist das alles einfach sein Lebensinhalt. Renate Bökenkamp

Heiteres aus dem Klosterleben St. Ursula in Villingen Frau M. Lidwina Wang 1901 – 1988 Diesmal gilt unser Bericht ihr, die höflich und liebenswürdig von ihren Mitschwestern, Kolleginnen und Schülern das „zarte Lid­ winchen“ genannt wurde; Grund: ihre be­ scheidene gewinnende Art und ihre zierliche Gestalt. In diese war jedoch ein quickleben­ diges und gescheites Persönchen verpackt, mit einem Wort: ein echtes Breisgauer Kind. Sie wurde am 10. August 1901 geboren in dem schmucken Dorf Merdingen, unweit von Freiburg und dem Kaiserstuhl als einzige Tochter des daselbst hochgeachteten Haupt­ lehrers Wilhelm Wang und dessen Ehefrau Anna geborene Komminger. Hier, am Fuße des aufragenden Tuni­ bergs, wo auf fruchtbarem Lößgrund neben dem köstlichen Müller-Thurgau, Ruländer, Gewürztraminer auch der berühmte Mer­ dinger Rotwein gedeihen, verbrachte sie zu­ sammen mit ihrem Bruder eine glückliche Kindheit. Nach dem Besuch höherer Schulen in Freiburg legte sie anschließend am dortigen Lehrerinnenseminar das Volksschullehrer­ examen ab. Danach trat sie am 23. Septem­ ber 1923 in das Villinger Kloster St. Ursula ein, wo sie durch das heilige Gelübde ihr Leben für immer in den Dienst der Kirche stellte und in klösterlichem Auftrag über vier Jahrzehnte lang als beliebte und erfolgreiche Lehrfrau vorwiegend an der Grundschule wirkte. Im Juli 1966 wurde sie pensioniert und widmete sich fortan der Krankenpflege im Kloster. Ihr war vergönnt, im Juli 1986 das seltene und hohe Fest der „Diamanten Pro­ feß“ zu feiern. Bald danach erkrankte sie, und der HERR rief sie zwei Jahre später nach schwerem in Geduld ertragenem Leiden zu sich in die Ewigkeit. Frau Lidwina ist bei ihren ehemaligen Schülern in guter Erinnerung, und noch heute schmunzeln diese wie auch die einsti- gen Mitschwestern über eine amüsante Bege­ benheit, die sich während ihrer Lehrtätigkeit zugetragen hat: Eines Tages gibt’s überraschend und un­ angemeldet Unterrichtsbesuch durch den zuständigen Schulinspektor, zur damaligen Zeit „Kreisschulrat“ genannt. Dieser ist von den Lehrern meist mehr gefürchtet worden als von den Pennälern. – Ja, und so sehr das gestrenge Auge der Dienstaufsicht auch äugt und späht – und dies minutenlang- es kann zwar eine gutdis­ ziplinierte Klasse feststellen, aber nirgendwo eine verantwortliche Lehrperson. Schließ­ lich, nachdem der hohe Herr mehrmals tief Luft geholt hat und auch geschnaubt haben soll, wettert er mit Donnerstimme los: ,Jetzt sagt mal, Kinder, wo zum Kuckuck ist denn bloß eure Klassenlehrerin, hat die etwa ver­ schlafen?“ – Ein paar Augenblicke zurückhaltendes Schweigen, dann Räuspern und jetzt ein­ stimmig im Chor: ,,So etwas kommt bei unserer Frau Lehrerin nicht vor, Herr Kreis­ schulrat, schauen Sie doch mal in die hintere rechte Zimmerecke!“ Dort befand sich näm­ lich das „zarte Lidwinchen“ beim „Eschinger Kathrinle“ und kontrollierte gerade dessen Hausaufgaben. Sogleich erhellte sich die schon finster gewordene Miene des obrig­ keitlichen Kontrollorgans. Der Kreisschulrat hatte Lidwina ihrer winzigen Gestalt wegen übersehen und für eine Schülerin gehalten. Als der hohe Herr nach geraumer Zeit auch noch einen mustergültigen Unterricht testiert hatte, verabschiedete sich dieser alsbald höchst zufrieden und mit vielen Komplimenten. – Eine andere Lebensseite Lidwinas war eine außergewöhnlich übertriebene Tier­ liebe. Diese wandte sich den auf Samtpfoten gehenden und je nach Laune schwanzwe­ delnden Vierbeinern zu. Sie hatten’s der 111

Klosterfrau besonders angetan, war sie doch eine große Verehrerin der heiligen Not­ burga, des St. Leonhard und St. Wendelin, alle drei Schutzpatrone unserer Mitge­ schöpfe aus dem Reich der Tierwelt. Für Lid­ wina war es eine Selbstverständlichkeit, die­ sen frommen Vorbildern nachzueifern und so versorgte, fütterte und verwöhnte sie nicht nur ein Dutzend, sondern ein ganzes Regi­ ment solcher Lebewesen. Sie, liebe Leser, haben sicher schon längst gemerkt, um welche Gattung an Kreaturen es sich handelt. Kein Zweifel: Es sind Hauskat­ zen! – Nur die allerfeinsten Happen und Leckerbissen waren gerade gut genug für Lidwinchens „Kinder“. Resultat: Die so ver­ köstigten und verhätschelten Leckermäuler wurden sichtbar runder und molliger – aber auch bequemer. Von wegen noch Mäuse oder gar Ratzen fangen, die es ja im und um das Kloster zur Genüge gab! Nur in einem Punkt waren die „Samtbälge“ gar nicht faul. Sie vermehrten sich in beängstigendem Tem­ po, und es gab immer mehr Schleichfüße, denn vermutlich hatte sich im Villinger ,,Städtle“ unter den Viechern herumgespro­ chen, wie gut es ihnen im Kloster erging, so daß auch noch zahlreiche verwandte und 112 bekannte Schnurrbart- und Schwanzträger aus allen Teilen der Stadt hinzukamen. Der Zustrom nahm kein Ende. Solche Massen an Zehengängern verur­ sachten logischerweise nicht geringe Pro­ bleme. Man stelle sich nur die nächtlichen Jaul- und Fauchkonzerte bei „Hochzeitsfei­ ern“ und die unerträgliche Geruchsbelästi­ gung vor durch Verdauungsrückstände bei solch üppiger Verpflegung! – Frau Lidwina wollte ihren Lieblingen aber auch ein schüt­ zendes Obdach gewähren, und da die eigene Kemenate nicht mehr ausreichte, stellte sie diesen großzügigerweise auch noch Klassen­ zimmer und andere zweckgebundene Räu­ me zur Verfügung. Klar: Jetzt war das Maß voll und für die betroffenen Mitmenschen allerhöchste Zeit, den zur unerträglichen Plage gewordenen „Katzensegen“ einzudämmen und Abhilfe zu schaffen. Aber wie? – Ein Sonderaus­ schuß des Konvents beriet, während Lidwina abwesend war, in dieser dringlichen Sache. Eine der Konferenzteilnehmerinnen – es soll die gegenwärtige allseits geschätzte Superiorin Eva-Maria gewesen sein – trug eine brillante Idee vor: ,,Schicken wir die gute Lidwina doch einfach für zwei Wochen

Vorfahren abstammenden Hauskatzen ver­ ändern. Ein wahrlich schwieriges Unterfan­ gen; denn wie jedermann weiß, verhält es sich doch so, daß ausgesetzte Zehengänger dieser Gattung aus kilometerweiten Entfer­ nungen wieder heimfinden. ,,Hier kann nur der Himmel helfen“, sagten sich die be­ drängten Klosterfrauen. Eine NOVENE wurde angesetzt: Neun volle Tage bestürmte die Nonnenschaft den Heiligen Geist in die­ sem besonderen Anliegen – und das soll Wirkung gezeigt haben. Als die fromme Lidwina aus den Exerzi­ tien zurückkehrte, war der Katzenbestand deutlich verringert. Sie war davon überzeugt: Ohne mich hat’s „meinen Kindern“ im Klo­ ster halt nicht mehr gefallen, und sie haben sich deshalb davongeschlichen. Das „zarte Lidwinchen“ gab sich zufrieden, daß „Chef­ Rolli Heiner“ noch die Treue hielt, dazu noch einige andere Schmusekatzen und deren Kinder. Sie alle erfreuten sich auch weiterhin bester Betreuung durch die „Mater felinarum“ (Katzenmutter). Und wenn Kleinmieze oder sonst ein „Schnurrpinsel“ einmal krank wurde, dann durfte sich der Patient in Lidwinas Bett am Fußende ge­ sundschlafen. Vorteil für beide: Lidwina 113 in Exerzitien nach Sitten in die Schweiz.“ Dieser Vorschlag wurde einstimmig ange­ nommen und kurzerhand in die Tat umge­ setzt. – Und während die so auf Zeit Verbannte bei den Eidgenossen sich frommer Übungen und der Askese hingab, ereigneten sich hin­ ter und außerhalb der Klostermauern St. Ur­ sulas mysteriöse und seltsame Dinge: Eine einmalige Aktion in der Klostergeschichte wurde gestartet, und es entwickelten sich nie dagewesene Aktivitäten: Klosterfrauen in Arbeitstracht schwärmten in alle Himmels­ richtungen aus und schleppten Körbe voll zappelnden Inhalts. Zwar waren die Behält­ nisse mit blau- und rotkarierten Leinendeck­ chen getarnt, doch unschwer waren heraus­ hängende Katzenpfoten und -schwänze zu erkennen. Wohin die Frachtgebracht wurde?­ Zu tierliebenden Bürgern im „Städtle“, zu mitfühlenden, katzenfreundlichen Schüler­ eltern, zu vom Kloster verpachteten und anderen Bauernhöfen, aber auch zu städti­ schen Veterinären zur fachärztlichen Bera­ tung für Geburtenregelung bzw. -planung! – Eine besonders harte Knacknuß bei derlei Maßnahmen war: Wie kann man das Ur­ wesen der von ägyptisch-mesopotamischen

Lyrik von Christiana Steger Fine vorbei das Gespräch Stimme verklungen und Lachen verweht – verlieren durch Tod erträglicher als Verrat Ende einer Freundschaft Liebe verkleinert und seitenverkehrt sehe ich mich im Spiegel deiner Augen – hineingenommen und verändert verlorenes, wiedergefundenes Ich Winterwende Befreit von der Eisklammer fließt das Wiesenrinnsal vor sich hin – Vögel besuchen die Trinkquelle und im frühen Grün des Uferrandes zeigen sich zaghaft erste Frühlingsblüher Biotop künstlich angelegt unscheinbar Teich im Garten Seerose, Froschlöffel und Unkenruf Libellenflug in eine neue Welt 115

Kirchei Geliebt und unvergessen Klemens Maria Hofbauer Der große Heilige wirkte in Triberg Im Jahre 1805 hat der heilige Klemens Maria Hofbauer als Redemptoristenpater an der Wallfahrtskirche „Maria in der Tanne“ in Triberg segensreich gewirkt. Nicht lange, nur von Mai bis August. Diese kurze Zeitspanne genügte, um die Menschen jener Tage von ihm ehrfurchtsvoll sagen zu lassen: ,,Unser heiliger Pater.“ Klemens Maria Hofbauer war ein leuch­ tendes Beispiel an Glaubenstreue, unbeugsa­ mem Willen und unwandelbarem Bekenner­ mut, ein Mann von bestechender Ehrlich­ keit und Grundsatztreue. Der Lebensweg des heiligen Klemens Maria Hofbauer gleicht über weite Strecken einem fortgesetzten Zickzack-Kurs. In seinem Leben lag viel Tra­ gik. Immer wieder mußte er von vorne begin­ nen, scheinbar umsonst. Es gehört zum Schicksal dieses Heiligen, daß er während eines halben Menschenlebens um die Ver­ wirklichung seiner früh erkannten Berufung ringen mußte. Als Bauernsohn arbeitet er auf dem Feld, als Lehrling knetet er am Backtrog den Teig. Er ist Kammerdiener, Werkstu­ dent, Einsiedler, Pilger, Universitätsstudent, schließlich Redemptorist und Priester. Die verschlungenen Wege, die wir als Umwege bezeichnen mögen, waren für Gott die gera­ den Wege zum Ziel. Was Klemens später einmal in einem Brief schreiben wird, ist wie eine Zusammenfassung seiner ersten 34 Lebensjahre: ,,Nur Mut, Gott lenkt alles.“ Auf den ersten Blick vermutet man in ihm einen Mann von Energie, zum zähen Durch­ halten bestimmt; einen gütigen Menschen voll Liebe und Zartgefühl, fähig zu großen Freundschaften. Alles, was zusammenhängt mit Trug, Verschlagenheit, Verstellung, ist ihm abgrundtief fremd gewesen. Er konnte 116 scharf kritisieren, war manchesmal auch aufbrausend und konnte ungeduldig sein. Im Umgang mit anderen Menschen war Klemens Maria Hofbauer einladend, un­ kompliziert, einfach. Um seine Schwächen wußte er, er hat unter seinem manchesmal aufbrausenden Charakter gelitten, und er mußte lernen, mit Konflikten zu leben. Aber er ist unter der Last seiner eigenen Unvoll­ kommenheit nie zusammengebrochen. Mit einem Schuß von Selbstironie hat er sich sel­ ber Mut zugesprochen: ,,Alle Tage danke ich dem lieben Gott dafür, daß er mir diese Leb­ haftigkeit und Reizbarkeit gelassen hat, denn dies erhält mich in der Demut und bewahrt mich vor Hoffart.“ Er war durchaus ein feh­ lerhafter Heiliger, der genug Humor besaß, sich selbst wohlwollend „alter Esel“ und ,,armer Pudel“ zu schimpfen. Mit einem sol­ chen Heiligen fühlen sich heute viele Men­ schen verwandt. Klemens Maria Hofbauer war praktisch veranlagt. Er war ein geisterfüllter Seelsorger, ein Eremit und Wanderapostel, ein Freund der Armen und Tischgenosse von Adeligen. Eigen war ihm zeitlebens die Sehnsucht nach dem Jenseits. Klemens Maria war ein Mann voll tiefen Glaubens. Sein ganzes Leben war ein Leben aus dem Glauben, und er begriff es nie, wie Menschen ohne Glauben leben zu können vermeinten. Er sagte einmal: ,,Ein Mensch ohne Glauben ist wie ein Fisch ohne Was­ ser.“ Sein Leben verlief dramatisch. Anfein­ dungen, Verfolgungen, Verdächtigungen, Konfrontationen mit dem unseligen Geist des Josephinismus, jener aufklärerischen Epoche in Österreich, selbst Vertreibung und Abschiebung mußte er erdulden. Als er

Dieses große Bildnis des hei­ ligen Klemens Maria Hof bauer aef der linken Seite des Altarraumes der Wallfahrts­ kirche „Maria in der Tanne“ in Triberg ist betrachtendes Ziel vieler Gläubigen und Besucher. Es erinnert an die segensreiche Wirkungszeit des Heiligen im Jahre 1805 an eben dieser Kirche. endlich seine Primiz feiern konnte, war er bereits 34 Jahre alt. Seine über alles geliebte Mutter hat seinen Ehrentag noch erleben dürfen, wenige Tage danach ist sie verstor­ ben. Klemens Maria selber wurde achtund­ sechzig Jahre alt. Kind einer kinderreichen Familie Klemens Maria Hofbauer wurde am 26. Dezember 1751 als neuntes von zwölf Kindern im südmährischen Tasswitz, hun­ dert Kilometer nördlich von Wien, geboren. Bei seiner Taufe erhielt er den Namen J ohan- nes, doch als Klemens Maria ist er in die Ge­ schichte eingegangen. Hier sind einige Sta­ tionen seines Lebens: Schulbesuch in Tasswitz, Bäckerlehrling, von 1772 bis 1776 Studium im Prämonstra­ tenserstift Znaim, Einsiedler. Er geriet in die unselige Zeit der Aufklärung und des über­ spitzten Staatskirchentums. In Wien regierte Kaiser Joseph II., Maria T heresias ältester Sohn. Der Zeitgeist vertrieb Klemens Maria aus Wien. In Tivoli in Italien wollte er Ein­ siedlerwerden, dort stand er vor dem Bischof Bamaba Chiaramonte, dem späteren Papst 117

Pius VII. Der gab seinem Drängen nach, gab ihm den Namen Klemens. Diesen Namen wird er bis zu seinem Lebensende behalten. Der Spätsommer 1784 brachte die Wen­ de; Klemens kam nach Rom. Bei der Kirche San Giuliano geriet er an Redemptoristen­ patres. Ihr Ordensgründer war der berühmte Alfons von Liguori. Dort wurde Klemens Redemptorist – ,,Erlösermissionar“. Deren Grundideale waren: Christusnachfolge, das Evangelium verkünden, die Armen haben immer Vorrang. Am 19. März 1785 legte Klemens Maria als erster nichtitalienischer Redemptorist die Ordensgelübde ab, und am 29. März wurde er in Alatri nahe Rom zum Priester geweiht. Die Hälfte seines Le­ bens war verflossen. Zeitgenossen bezeich­ nen diese Zeit als „Dornengestrüpp und Wunder“. Klemens sagte es viel einfacher: ,,Nur Mut! Gott lenkt alles.“ Die zweite Lebenshälfte In den folgenden fünfunddreißig Jahren arbeitet Klemens rastlos, die Kongregation der „Redemptoristen – Erlösermissionare“ – bisher auf Neapel und den Kirchenstaat begrenzt-nach dem Norden zu tragen. Eine unendliche Arbeit voller Mühen, Enttäu­ schungen, Rückschlägen folgte. Klemens ging weite und beschwerliche Wege. Im win­ terlichen Februar 1787 kam er in Warschau an. Sein Schicksal in Warschau wurde die Bruderschaftskirche „St. Benno“, die Natio­ nalkirche der Deutschen in Warschau. Kle­ mens ist später als „Apostel von Warschau“ in die Geschichte eingegangen. Aber er mußte Warschau wieder verlas­ sen. ,,Die gottlosen Beamten tuen alles, um die Klöster auszuhungern und die Ordens­ leute zu vertreiben.“ Konstanz, Wollerau am Zürichsee, wieder Warschau, Heiligelinde bei Rastenburg in Ostpreußen, abermals Warschau – dann Jestetten bei Schaffhausen. Hier trifft er auf jenen Mann, der sein weiteres Schicksal be­ stimmen wird: Ignaz, Freiherr von Wessen­ berg, Generalvikar der Diözese Konstanz. In Jestetten erreicht Klemens Maria Hof- 118 bauer der Besuch einer Delegation der Bür­ gerschaft aus Triberg. Sie drängen ihn instän­ dig, die Seelsorge an der Wallfahrtskirche ,,Maria in der Tanne“ zu übernehmen. Tri­ berg war damals ein kleines Dorf, zählte 151 Familien mit achthundert Einwohnern. An­ fänglich war lgnaz Freiherr von Wessenberg Klemens Maria sehr zugetan. Doch Wessen­ berg wurde „ein anderer“ – plötzlich wehrte er sich aufs äußerste gegen die Wallfahrten. Mai 1805: Als die Einwohner von Triberg hörten, daß die Patres unterwegs nach Tri­ berg seien, brach ein wahrer Freudentaumel aus. Ende Mai 1805 empfing die Bevölke­ rung die Redemptoristen im Triumph und geleiteten sie bis zur Wallfahrtskirche. Zum erstenmal bestieg Klemens Maria Hofbauer die Kanzel in der altehrwürdigen Wallfahrts­ kirche „Maria in der Tanne“. Klemens Maria Hofbauer blieb nur etwa zehn Wochen in Triberg- von Ende Mai bis Mitte August 1805. Die Menschen nannten ihn nur „den Heiligen“. Das Unheil bricht herein Das Unheil kündigte sich bald an: Im Juli 1805 hatte Hofbauer drei seiner Theologie­ studenten vom Päpstlichen Nuntius in Lu­ zern zu Priestern weihen lassen. Als Ignaz Freiherr von Wessenberg als Vertreter des Bischofs dies erfuhr, war er maßlos verärgert. Seine bisherige Gewogenheit und U nterstüt­ zung schlug in unerbittliche Gegnerschaft um. Es kam zum völligen Bruch mit den Redemptoristen. Jetzt nannte von Wessen­ berg Hofbauer und die Seinen „berüchtigte Idioten, Bigotten und Schwärmer“. Hofbauer versuchte, von Wessenberg um­ zustimmen. In einem rührenden Schreiben bat der Heilige, ihm doch zu erklären, was eigentlich vorgefallen sei, ob er sich einer Ungebührlichkeit schuldig gemacht habe, und warum er die Geneigtheit von Wessen­ bergs plötzlich so schmerzlich entbehren müsse. Sollte er irgendwie gefehlt haben, so bitte er um gütige Verzeihung. Umsonst. Von Wessenberg – von den Aufklärern in­ fiziert – ließ sich nicht mehr umstimmen.

Als bekannt wurde, daß die Ausweisung der Redemptoristen mit Klemens Maria Hofbauer aus Triberg beschlossene Sache sei, wuchs der Unmut in der Bevölkerung Tribergs so mächtig an, daß man mit einem Volksaufstand rechnen mußte. Mitte August 1805: Klemens Maria geht Mitte August 1805 verließ Klemens Maria Hofbauer seine geliebte Wirkungsstätte an der Wallfahrtskirche in Triberg. Der Erzjose­ finer Ignaz Freiherr von Wessenberg, Gene­ ralvikar des Bistums Konstanz, hatte gesiegt. Im offiziellen Bericht des Obervogtei-Amtes Triberg heißt es dazu: ,,Diese Abreise war zwar ruhig, aber mit dem tiefsten Schmerz des größten Teiles vom Volke verbunden.“ Im Sommer 1805 befand sich Klemens Maria Hofbauer in einer ganz aussichtslosen Lage. Mit tiefer Enttäuschung mußte er ein­ sehen, daß seine Kongregation in der Di­ özese Konstanz nicht mehr wirken konnte. Die gänzliche Auflösung der beiden Nieder­ lassungen Jestetten und Triberg war nur noch eine Frage der Zeit. Gegen jede Hoffnung hoffend, versuchte der Heilige nun eine Gründung in Baben­ hausen. Der Anfang war vielversprechend. Aber da war der allgewaltige Minister Maxi­ milian Joseph Montgelas – ein eingefleisch­ ter Aufklärer – und im Januar 1807 wird den Redemptoristen jede Seelsorge in Baben­ hausen untersagt. Es ging zurück nach Warschau – jedoch nicht für lange, dann heißt es in einem Brief des französischen Marschalls Devoust an Napoleon: ,,Majestät, diese Redemptoristen sind Ihre persönlichen Feinde.“ Napoleon im Gegenzug: ,,Vertreibt diese Mönche aus Warschau, das ist ein Wiederaufleben der Jesuiten.“ Damit ist das Todesurteil über „St. Benno“ in Warschau gesprochen. Die Redemptoristen werden auseinandergerissen. Klemens Maria kommt nach Küstrin. Nach Wochen dann kam es zur endgültigen Tren­ nung von seinen Brüdern. ,,Da ist mir das Herz gebrochen“, wird er später oft wiederholen. Er hat seine Brüder nie wiedergesehen. Ende 1808 kam der Generalvikar Klemens Maria Hofbauer in Wien an, der letzten Sta­ tion seines Lebens. Versuch einer Deutung Die Spanne der Jahre 1795 bis 1808 war für Klemens die Zeit seiner großen Reisen und seiner vielen Versuche, Ordensniederlassun­ gen zu gründen. Er zog von einem Land zum anderen: von Polen in die Schweiz und ins ostpreußische Ermland (Heiligelinde, noch heute ein unvergleichliches Barockjuwel), nach Österreich und Deutschland, nach Frankreich und Italien. Seine Reisen machte er fast immer zu Fuß, und die meisten von ihnen waren schmerzlich mühsam und vol­ ler Entbehrungen. An vielen Orten ver­ suchte er, Niederlassungen seines Ordens zu gründen. Nur wenige glückten: in Mitau, Wollerau, Jestetten, Triberg, Babenhausen. Sie hatten alle nur kurzen Bestand. Nach einer langen Treibjagd von dreizehn Jahren erreichte der Heilige müdegehetzt Wien. Und nun wird er in den letzten zwölfJahren seines Lebens die Kaiserstadt und ihre näch­ ste Umgebung nicht mehr verlassen. Er wird zum „Apostel von Wien“, so, wie er lange zuvor schon der „Apostel von Warschau“ geworden war. Am 23. Mai 1819 verordnet Kaiser Franz II., daß Hofbauer, nachdem ihm in Wien schlimmes Unrecht widerfahren war, in Wien zu bleiben habe und die Statuten sei­ ner Ordensgemeinschaft vorlegen solle. Das ist die große Wende. Im August 1819 wird Klemens Maria Hofbauer von Kaiser Franz II. in Audienz empfangen und dabei bittet er den Monarchen um die Zulassung seines Ordens in Österreich. Nach Tagen bangen Wartens und Hoffens stürmt Baron Penkler ins Hofbauer-Haus. Vor innerer Erregung kann er kaum sprechen. Er umarmt seinen Freund Klemens und stammelt nur: ,,Lassen Sie uns ein TE DEUM singen, Pater Hof­ bauer, wir haben gesiegt.“ Hofbauer jubelt. Endlich, endlich sieht er seinen Lebens­ traum verwirklicht. Am 20. März 1819 ist das Kaiserliche Dekret über die Zulassung der 119

reste durch die Straßen jener Stadt getragen, in der er zuvor so viele Demütigungen hatte erdulden müssen. Am 4. November 1862 wurden die sterb­ lichen Überreste Hofbauers in einem neu­ erlichen Triumphzug durch Wien in die Redemptoristenkirche „Maria am Gestade“ überführt. Im Jahre 1888 (Dreikaiserjahr) hat Papst Leo XIII. Klemens Maria seliggesprochen. Unter dem – später selbst heiliggesproche­ nen – großen Papst Pius X. wurde er am 20. Mai 1909 heiliggesprochen und 1914 zum Stadtpatron von Wien erklärt. Triberg und seine Bevölkerung ihrerseits haben ihren großen Heiligen nie vergessen. Die neue Stadtpfarrkirche in der Stadtmitte -1956 bis 1958 erbaut-trägt seinen Namen, die Stadt hat einen Straßenzug nach ihm be­ nannt, in der Wallfahrtskirche prangt groß sein Bildnis, er bleibt gegenwärtig im Be­ wußtsein der dankbaren Triberger Bevölke­ rung. ,,Unser heiliger Pater“ hat bis heute nichts an Wertschätzung und ehrfurchts­ voller Dankbarkeit verloren. Sein großer „Erfolg“ – Klemens Marias Triumph – begann erst nach seinem Tod. Seine Lebensgeschichte liest sich wie eine Leidensgeschichte. Aber die unübersehbare Fülle seiner Enttäuschungen konnte seine kindlich-demütige Gottesliebe, seinen uner­ schütterlichen Glauben, seinen Bekenner­ mut und sein abgrundtiefes Gottvertrauen nie erschüttern und wankend machen. Und das machte ihn auch anders -nämlich zum Heiligen. Alexander Jäckle Kongregation der Redemptoristen – der Erlösermissionare -unterschriftsbereit. Der Tod klopft an Das Jahr 1820 begann. Im Februar er­ krankte Pater Martin Stark, der im oberen Stockwerk des gleichen Hauses wie Hof­ bauer wohnte. Pater Hofbauer pflegte seinen kranken Mitbruder. Einmal sagte er zu Mar­ tin: ,,Martin, ich weiß nicht, wer von uns bei­ den kränker ist.“ Klemens war tatsächlich sehr krank. Von seiner Wohnung bis zum gegenüberliegenden Kloster der Ursulinerin­ nen konnte man mehrmals im Schnee Blut­ spuren sehen, die Klemens hinterlassen hatte. Am 5. März 1820 hielt Pater Hofbauer in „St. Ursula“ in Wien seine letzte Predigt. Am darauffolgenden Tag hörte er zum letzten­ mal die Beichten der Schwestern -stehend. Vor Schmerzen konnte er nicht mehr sitzen. Zu einer Schwester sagte er: ,,Beten Sie für mich, ich bin sehr krank.“ Von Zeit zu Zeit flüsterte Hofbauer sein Lieblingsgebet: ,,Was Gott will, wie Gott will, wann Gott will.“ In seinen letzten Stunden wird er wie ein versie­ geltes Buch. Alles meinem Gott zu Ehren Der Mittwoch, 15. März 1820, wird der Sterbetag von Klemens Maria Hofbauer. Um sechs Uhr morgens öffnet er die Augen. Er lächelt freundlich wie ein Kind. Mit gebrochener Stimme betet er den Anfang sei­ nes Lieblingsgebetes: ,,Alles meinem Gott zu Ehren.“ Es wird Mittag, die Glocke läutet. Hofbauer rafft seine letzten Kräfte zusam­ men und spricht leise: ,,Betet, man läutet den Angelus.“ Das sind seine letzten Worte im Leben. Alle knien nieder und beten. Als sie sich wieder erheben, ist Klemens tot. -Ähn­ lich wie sein geliebter Ordensvater Alfons von Liguori ist Pater Klemens Maria Hof­ bauer beim Angelusläuten still vor Gottes Angesicht getreten. Am 16. März 1820 findet im Stephans­ dom die feierliche Begräbnisfeier statt. Im Triumphzug werden seine sterblichen Über- 120

P.Florin (Alfons) Volk In einem jener idyllischen Bahnwarts­ häuschen, dem letzten vor dem Gremmels­ bacher Tunnel, kam Alfons Volk am 9. Juli 1916 zur Welt, auf der „alten (abgebroche­ nen) Blockstelle“, der jüngste Sohn der Weichenwärterfamilie Josef Volk. Seine Kindheit war mit der Schwarzwaldbahn, dem Seelenwald und sehr früh mit der Kir­ che verbunden. In der Familienerinnerung setzte sich fest, daß der Schulbub die Gei­ ßen, das Milchvieh der meisten Bahnwärter­ familien, in den Dobein beim Haus hütete und sich dabei die Zeit mit dem Stricken von Socken und Fingerhandschuhen vertrieb, eine für einen Jungen gewiß ungewöhnliche Tätigkeit. Der Schuljunge war auch einer der eifrig­ sten Ministranten, der Weg zur Kirche war kurz. Religiöse Atmosphäre in der Familie und Dienst am Altar ließen in diesem Schul­ buben allmählich den Wunsch Gestalt annehmen, selbst Priester zu werden. Nach der Volksschulzeit instruierte ihn Pfarrer Alois Schäfer über den Stoff der ersten Gym­ nasialjahre, in eineinhalb Jahren eignete er sich das Wissen von dreiJahrgangsstufen an, war am Gymnasium im südhessischen Bens­ heim gleich einer der besten Schüler und blieb es. Nach der zwölften Klasse wurde Abitur gemacht, eine schriftliche Prüfung gab es nicht, und von der mündlichen wur­ den die besten Schüler befreit, Alfons Volk gehörte dazu. Unmittelbar darauf folgte die Ableistung des Arbeitsdienstes in Daun in der Eifel in der Landwirtschaft vom Frühjahr bis zum Herbst 193 7. Im November dieses Jahres trat er ins Noviziat des Kapuzinerordens in Stüh­ lingen ein. Er erhielt den Ordensnamen ,,Florin“. Es „wurde viel gebetet, maßvoll ge­ arbeitet und manchmal maßloser Schaber­ nack getrieben“ (ein Mitbruder). Nach den sogenannten „einfachen Gelübden“ (drei Jahre Treue gegenüber dem Orden) studierte er Philosophie an der Jesuitenhochschule in Frankfurt. Nach kurzem Aufenthalt in Krefeld wurde er zur Wehrmacht eingezogen (1. Dezember 1939). Als Funker war er in Holland, Belgien, Frankreich, drei Jahre in Rußland, zum Ende des Krieges an der West­ front. Er geriet in englische Gefangenschaft. Die Deutschen wurden bei Colchester in Nissenhütten bei maßvoller Verpflegung untergebracht, die Theologiestudenten wa­ ren von den anderen Gefangenen abgeson­ dert, sie konnten katholische Familien besu­ chen, konnten Gottesdienste halten und ihr Studium den Verhältnissen entsprechend leidlich fortsetzen. Voll Ungeduld erwarte­ ten die Gefangenen die Heimkehr. 1946 war es soweit. Florin hatte seine Berufung zum Priesteramt über Krieg und Gefangenschaft hinweg gerettet. Nach wenigen Tagen Hei­ maturlaub studierte er an der Ordenshoch­ schule in Münster/W. weiter, erhielt mit sechs Weihekandidaten am 31. August 1948 die Priesterweihe und feierte in Gremmels­ bach seine Primiz. Ein weiteres Jahr Studium in Münster, währenddessen die Neupriester 121

sorgepater und Schwesternseelsorger in Koblenz-Ehrenbreitstein wurde er Guardian in Waghäusel, dann endlich durfte er sich in die „Stille Seelsorge“ zurückziehen. Aber der Mann der heiligen Ordnung übernahm mit Freuden die Verwaltung der Klosterbi­ bliothek, die er neu ordnete, sein Chef über­ gab ihm auch die Buchhaltung des Hauses. Beide Tätigkeiten machte er zu seinen Hobbys. Er wußte um seine gebrechliche Gesund­ heit, machte aber nie viel Wesens darum, er ertrug sein Herzleiden, zu dem in den letzten Jahren noch ein Augenleiden kam, in Gott­ ergebenheit und verlor den Humor nie. Ruhiger im Ton wurden seine Predigten, tiefer ihr Gehalt. ,,Am Ende kommt es nur darauf an, wie sehr man Gott geliebt hat“ (Ansprache an seine Klassenkameraden). Seinen geistlichen Mitbrüdern legte er auf dem Dekanatstag in Koblenz 1967 nahe, der Predigt und der Katechese einen hohen Rang einzuräumen, ,,wo unser Wirken die Men­ schen in größerer Zahl erreicht“. P. Florin erfreute sich der Beliebtheit in der klöster­ lichen Gemeinschaft, in der weiteren Umge­ bung Waghäusels und in seiner Schwarz­ waldheimat. In die Heimat zog es ihn je län­ ger je mehr. 1987 konnte er in Gremmels­ bach das Goldene Ordensjubiläum begehen, das Goldene Priesterjubiläum zu feiern, war ihm nicht mehr vergönnt. Von einem Schlag­ anfall bei einer Autosegnung vor der Kloster­ kirche erholte er sich nicht mehr. Er starb am 12. Oktober 1992 im Diakonissenkranken­ haus in Speyer in unmittelbarer Nähe des Kaiserdoms. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Kapuzinerfriedhof neben dem Kloster in Waghäusel. Karl Volk nur die Messe zelebrieren, nicht aber predi­ gen und die Beichte abnehmen durften, folgte. Der junge Kapuziner stürzte sich mit seiner ganzen Energie in die Seelsorgearbeit, als er 1949 Kaplan in Karlsruhe-Dammer­ stock wurde. Leidenschaftlich waren seine Predigten, intensiv war die Arbeit mit Jugendgruppen seiner Pfarrei. 1952-55 war er Guardian im Kloster Zell a. H., mit diesem Amt verbunden war die „Leitung“ der Wall­ fahrt zu „Maria zu den Ketten“. Für seine Mitbrüder schuf er vom Klostergebäude zur Sakristei einen Übergangsbogen, so daß sie einen überdachten Weg zur Kirche hatten. Danach war er drei Jahre Superior in Maria Linden (Ottersweier), wo Restaurations­ arbeiten an der Wallfahrtskirche auf ihn war­ teten. Aber zu den Menschen gehen, blieb dennoch sein sehnlichster Wunsch, die Christianisierung der Gesellschaft, der Welt, sein innigstes Anliegen. Seine Oberen betrauten ihn mit der Aufgabe des Haus­ missionars in Frankfurt. Weitere Stationen waren Waghäusel, noch einmal Frankfurt, Dieburg, dort war er das letzte Jahr Superior. Von 1965 bis 1975 leitete er die Pfarrei in Koblenz-Ehrenbreitstein. Die konzilbeding­ ten Umstellungen in der Liturgie während dieser Jahre waren für ihn kein Problem, ebensowenig die Einführung eines Pfarrge­ meinderats und die Zusammenarbeit mit ihm. Er hatte Religionsunterricht zu erteilen, zur Seelsorge dieser Pfarrei gehörten auch Schiffswallfahrten auf dem Rhein nach Kamp-Bornhofen. Eine beständige Einrich­ tung wurden durch seine Initiative die Alten­ nachmittage. Als besonderes Glück empfand er es, die Erstkommunikanten auf den Wei­ ßen Sonntag vorbereiten zu dürfen. Er war auch nie ein Feind profaner Freuden; vom Pastor wurde erwartet, daß er in Umzügen von Vereinen mitmarschierte. Für ihn war es keine lästige Pflicht. Doch auf die Vielseitig­ keit seiner Begabungen kamen neue Anfor­ derungen zu. Er wurde von 1975 an Exer­ zitienmeister von so verschiedenen Berufs­ gruppen wie Ordensschwestern und Bundes­ wehrsoldaten. Nach weiteren Jahren als Seel- 122

Die Fürstliche Gruft:kirche von Theodor Dibold in Neudingen Dieser Beitrag sei Lina Bury, der Hüterin dieser Anlage, gewidmet. Im Almanach 1983, Seite 122-124, wurde die Grufikirche in Neudingen besonders unter geschichtlichen Gesichtspunkten vorgestellt. Das Schwergewicht des diesjährigen Beitrages liegt in der Vorstellung des Architekten und der Beschrei­ bung des Kirchenraumes. Ein Ort, der durch seinen ursprünglichen Zustand aus der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts unversehrt erhalten ist, ist die Gruftkirche in Neudingen mit Parkanlage. Weithin sichtbar als bewaldete Kuppe, er­ scheint der Hügel neben dem Dorf wie eine geschichtliche Insel. Das monumentale ei­ serne Eingangstor mit dem Mohnkapsel­ ornament und dem Hinweisschild für die Parkbenutzung läßt Erinnerungen an die vergangene große Zeit von Baden-Baden aufkommen, als der russische Großadel die Bäderstadt bereiste. Vielleicht sollte man mit der Lektüre von Dostojewskij oder Turgen­ jew ausgestattet, diese Atmosphäre auf sich wirken lassen. Wenn der Begriff des „Genius loci“ (Geist des Ortes) in unserer Gegend auf einen Be­ zirk angewandt werden darf, dann auf diesen kleinen Hügel oberhalb der Donau, stand doch hier schon zur Zeit Karls des Großen eine Pfalz. (Dessen Enkel Karl der Dicke ver­ starb ebenda 888.) Später blühte an der Stelle ein Frauenkloster. Bewußt wählten im 14. Jahrhundert die Fürstenberger diesen tradi­ tionsreichen Ort zu ihrer Grablege. Im Zuge der Säkularisation wurde das Kloster 1802 aufgelöst. 1852 zerstörte ein verheerender Brand Kloster und Klosterkirche. Unbeschä­ digt blieb die Gruft unter der Kirche, die ein Jahr vorher (1851) neu angelegt worden war. Fürst Karl Egon II. faßte nach dem Brand den Entschluß, über der Gruft eine neue Grabkapelle errichten zu lassen. Mit dieser Aufgabe wurde der fürstliche Baurat Theo­ dor Dibold betraut. Der Architekt bezeich- net in seiner Autobiographie diesen Bau als seine interessanteste und schwierigste Auf­ gabe. Dabei hatte ihm das Fürstenhaus eine stattliche Anzahl anderer bedeutungsvoller Bauverpflichtungen übertragen. Unter sei­ ner Leitung entstanden in Donaueschingen das Sammlungsgebäude und Jagdmuseum am Karlsplatz, die Domänenkanzlei an der Josephstraße sowie die Orangerie im Park. Die Ausbildung zum Architekten begann der in Durlach geborene Theodor Dibold (1817-1872) an der Karlsruher Bauschule, die damals von dem renommierten Lehrer Heinrich Hübsch geleitet wurde. Seine Stu­ dien beendete er in München. Dibolds Wiß­ begier galt nicht nur der Architektur, son­ dern auch der Malerei, vornehmlich der Ornamentgestaltung. Schon mit 27 Jahren wirkte er für das Fürstenhaus. Dies wurde für ihn, ähnlich wie für den Kapellmeister Kalli­ woda, eine Lebensstellung, die er nicht mehr aufgab. Am Ende seiner Laufbahn besaß er die Stellung eines Hofbaurats. Dibold wirkte in einer Zeit, die sich durch eine bis dahin nie gekannte Wahlmöglich­ keit innerhalb der Kunststile auszeichnete. (Die verschiedenen Richtungen und ihre Mixturen führten sogar zu der Wortschöp­ fung „Stilkarneval“!) Für den Kirchenbau, vornehmlich in Preußen, bevorzugte man Stilelemente der Gotik, was heute als Neugo­ tik bezeichnet wird. Aber diese für seine Bau­ ten zu wählen kam für Dibold nicht in Frage; bezeichnete doch sein Lehrer Hübsch eine gotische Kathedrale als „ein stachlichtes und confuses Aggregat“. Für Dibold als Badener war vielmehr der Baustil der italienischen Renaissance rich­ tungsweisend. Sein Brotgeber Fürst Karl Egon II. finanzierte ihm zum Studium eben dieser Architektur wiederholt Reisen nach Italien. Für den Bau der Gruftkirche ließ er sich vor allem von den überkuppelten Zen­ tralbauten Italiens inspirieren, wobei Sankt 123

Bräunlich kolorierte Frontansicht der Fürst­ lichen Grufikirche von Theodor Dibold in Neudingen (geweiht 1856). Die hier wieder­ gegebenen Fotos ent­ stammen einem Groß­ fo!ioband, den der Architekt kurz vor seinem Tod (1872) für die Weltausstellung in Wien (1873) anfertigte. Peter in Rom sicherlich einen wichtigen Ein­ fluß ausübte; was der Kirche übrigens im Volksmund den Namen „Klein Sankt Peter“ eintrug. Die als Zentralbau angelegte Gruftkirche wird im Osten durch eine halbrunde Apsis und im Westen durch einen rechteckigen Eingangsbereich ergänzt. Im Innern schließt diese vorgelagerte Eingangszone halbrund 124 an den quadratischen Hauptraum an. ,,Op­ tisch wird der Vorraum vom Zentralraum der Kirche durch zwei Säulen getrennt, die die ebenfalls segmentförmig gebogene Orgel­ empore abstützen“. In den Ecken des Haupt­ raumes befinden sich im Westen jeweils eine Treppe zur Orgelempore und eine ebensol­ che zu dem Glockenturm, im Osten dagegen fuhrt eine Wendeltreppe auf der einen

Seite hinab zur Gruft, während auf der ande­ ren Seite eine runde Kapelle, das sogenannte ,,Stahlkämmerle“ plaziert ist. Zwischen Ap­ sis und Hauptraum liegt ein Vorchor, in dem eine massive Bronzeplatte in den Boden ein­ gefügt ist. Hier wurden während der Begräb­ nisfeierlichkeiten die Särge in die Gruft hin­ abgelassen. Über eine Stufe erreicht man den Hauptaltar. Seitlich davon gelangt man in den Umgang, der als Sakristei genutzt wurde. Die Gruft selbst schließlich erstreckt sich über die volle Länge der Kirche und schließt ebenfalls mit einer Apsis ab. Der Außenbau ist gekennzeichnet durch den Wechsel von verputzten Mauerflächen und Backsteinlisenen (schwach vortretende, vertikale Mauerverstärkungen). Sämtliche Ecken sind damit hervorgehoben, wobei diese noch zusätzlich horizontal durch Bän- Längsschnitt durch Kirche und Gruft. Links: Seitlicher Blick in die Apsis, rechts: Der Ein­ gangsbereich. Querschnitt durch den Hauptraum in Nord-Süd­ Richtung. Man schaut in die freskengeschmückte Apsis und die östliche Hälfte der blau ausgemal­ ten Kuppel. der gegliedert sind. Dieses Schmuckelement belebt zudem die Mauerflächen im Norden, im Süden sowie an der Apsis. Auf diese Weise wird der Eingangsbereich betont, des­ sen wuchtige Kassettentüre zusätzlich durch eine Rundbogennische mit einer Lünette aus gebrannten Ziegeln gerahmt ist. Die seitliche Begrenzung bilden zwei schmale Backstein­ lisene, über denen je eine Sandsteinskulptur plaziert ist. Dargestellt sind zwei Nonnen, die an das ehemalige Kloster erinnern sollen. Als Verzierung finden sich hier, wie auch bei der Einfassung des Hauptaltares, von Dibold entworfene Efeublätter aus Terracotta. Die Gebälkzone des vorspringenden Eingangs­ bereichs ist mit antikisierendem Zahnschnitt­ ornament verziert. Die Giebelspitze krönt Maria mit dem Jesuskind. Seitlich von ihr 125

teilung des Tambours, die kreuzverzierte Laterne und die Kuppel selbst erinnern tat­ sächlich an die von Michelangelo (1475 bis 1564) entworfene Überwölbung von Sankt Peter in Rom, so daß die Gruftk:irche ihren Spitznamen zu Recht trägt. Die Innenausstattung ist original erhalten geblieben. Dabei nimmt beim Bildpro­ gramm die Marientypologie einen breiten Raum ein. Ihr sind der Haupt- und die bei­ den Seitenaltäre geweiht. Das Thema des ersteren ist die Verkündigung an Maria. In Anlehnung an das Werk des Renaissance­ bildhauers Donatello (1386 bis 1466) in Santa Croce in Florenz schuf Dibold selbst den Entwurf, den der Hüfinger Reich als Mar­ morrelief ausführte. Ergänzt wird das maria­ nische Konzept im Apsisbereich durch vier Szenen aus ihrem Leben in brauner Tonma­ lerei. Die Entwürfe zu der Ausmalung im Chor sowie für die vier Evangelistendarstel­ lungen in der Kuppel stammen von dem Hüfinger Heinemann. Die Seitenaltäre an den Wänden des Hauptraumes wurden zu Ehren der „Freudenreichen und Schmer­ zensreichen Maria“ geschaffen. Die Mar­ morfiguren sind voll plastisch ebenso wie die jede Altarwand figürlich abschließenden vier Seligpreisungen. Dies sind nach Matthäus: die Armen, die Trauernden, die Sanftmüti­ gen, die Gerechtigkeitssuchenden, die Barm­ herzigen, diejenigen, die reinen Herzens sind, die Friedensstifter und die Verfolgten. Wie an der Außenfassade so wurde auch die Kirche im Innern mit Hausheiligen geschmückt. In der Apsis zeigen ganzfigurige farbige Bilder die Heilige Elisabeth, die Hei­ lige Agnes, den Heiligen Heinrich II. und Konrad von Urach. Obwohl es sich um eine Gruftkirche handelt, finden sich außer zwei Posaune blasenden Engeln, die auf das jüng­ ste Gericht hinweisen, von Adolph Heer keine Todessymbole. Heute wird die Kirche noch an Festtagen genutzt, die Gruft jedoch hat ihre Funktion verloren. Stattdessen wurde im Jahr 1954 außerhalb eine neue Grabkammer angelegt. Seit etwa 30 Jahren wird der historistische Der von Dibo/d entworfene Hauptaltar mit der Verkündigungsszene. Von dem Hiifinger Bild­ hauer Franz Xaver Reich wurde er in Marmor ausgeführt. Hier, wie auch am Hauptportal zeigt sich Dibolds Vorliebe für das E.feublatt als Schmuckform. stehen der Heilige Aloysius und der Heilige Carolus Borromäus, die Namenspatronen von Karl Egon II. und dessen Vater Alois. Sämtliche Skulpturen am Außenbau schuf der Hüfinger Franz Xaver Reich. Auf den Metalldächern ruht der zwölfteilige zylindri­ sche Unterbau (Tambour) der Kuppel, beste­ hend aus einem Wechsel von Ziegelsteinlise­ nen und glatt verputzten Flächen. In den Mauerputz sind Engelköpfe aus Terracotta eingelassen. Die Zwölfteilung findet bei der Kuppel in breiten Rippen ihre Fortsetzung. Die bekrö­ nende, ebenfalls kupfergedeckte Laterne (lichteinlassender Aufsatz einer Kuppel) trägt ein Kreuz auf einer Kugel. Die Flächen- 126

Stil der Gruftkirche neu bewertet und erfreut sich zunehmender Wertschätzung, doch wird eine umfassende Anerkennung viel­ leicht erst in Zukunft stattfinden können. Dennoch ist das Ensemble, bestehend aus Gruftkirche, Kaplaneigebäude, Umfassungs­ mauer und wuchtigem schmiedeeisernem Parktor inmitten des romantischen Gartens mit seinen gewundenen Pfaden ein Kleinod und harrt noch mancher Entdeckung seitens des interessierten Besuchers: seien es nun die in die Außenmauern eingelassenen Grab­ platten von Fürst Alois und Äbtissin Hilde­ gard oder aber die Grabmäler der forstlichen Hofbeamten. Antonia Reichmann M. A. L i t e r a t u r 1) T heodor Dibold, die Gruft-Kirche des Fürstlichen Hauses Fürstenberg zu Maria­ hof entworfen und ausgeführt von Theo­ dor Dibold, Fürstlich Fürstenbergischer Baurath in Donaueschingen, Stuttgart, o.J. 2) Gisela Schauzu, Der Fürstlich Für­ stenbergische Hofbaumeister Theodor Dibold in Donaueschingen, Magister­ arbeit, Freiburg 1981, S. 42. 3) Franz Gottwalt, Die Fürstengruft zu Neudingen, in: Almanach 1983, S. 122 ff. 4) Martin Münzer, Die Geschichte des Dorfes Neudingen, Villingen 1973, S. 84 ff. Wie Langenschiltach zu seiner Kirche kam Wer den Ortsnamen Langenschiltach hört, dem fällt die neue Kreisstraße K 5725 zwischen der Bundesstraße 33 bei Peterzell und der Benzebene bei Hornberg ein. Viele Verkehrsteilnehmer – Autofahrer und auch Radfahrer – nutzen diese Abkürzung und umgehen somit die Fahrt auf der Bundes­ straße 33 über Triberg. Diese Umgehung hat eine lange Tradition. Bereits vor über 200 Jahren wurde die Langenschiltacher Strecke als Poststraße zwischen Villingen und Straß­ burg genutzt. Durch die heutige Trassierung der K 5725 tritt der Ortskern von Langenschiltach mit seiner Kirche besonders in den Blickpunkt. Die Freude über das Kirchengebäude mit sei­ nem eigenen unverwechselbaren Gepräge besteht jedoch erst nahezu drei Jahrzehnte. Wie sah es vorher aus? Das Dorf besaß noch keine eigene Kirche. Zum Gottesdienst, zur Hochzeit und zur Beerdigung zogen die Ein­ wohner auf einem der vielen Kirchwege durch den Hochwald oder Bruckenwald nach St. Georgen. Zwar hatte das Dorf 1836 seine Selbstän­ digkeit und einen Bürgermeister erhalten. Es vergingen jedoch über 100 Jahre bis zum Bau der Kirche. Anregungen, den Kirchenbau in die Wege zu leiten, trafen hin und wieder im Rathaus von Langenschiltach ein. So teilte Simon Hildbrand vom Sägerhof am 2.1.1934 folgendes mit: Ich, Unterzeichne- 127

ter, wäre bereit, zum Wohle der Gemeinde und der Allgemeinheit zum Bau einer Kirche und Friedhof die beiden Bauplätze auf mei­ nem Grundstück in der Nähe des Schul- und Rathauses kostenlos zur Verfügung zu stellen … Architekt Karl Kohler aus St. Georgen entwarf den Plan einer Dorfkirche mit einem Kostenvoranschlag von 18.330 Mark. Im fol­ genden wurden diese Bauplatzschenkung und die gezeichneten Baupläne nicht weiter bearbeitet. So ruhte die Idee einer eigenen Kirche bis nach dem 2. Weltkrieg. Im Jahre 1958, also 1 3 Jahre nach dem schrecklichen Krieg, arbeitete Kirchen­ gemeinderat Friedrich Bühler aus Langen­ schiltach als Dachdecker in Hornberg. Dort erfuhr er, daß sich die evangelische Kirchen­ gemeinde entschlossen hat, zwei Weiß­ bronzeglocken der Firma Grüninger in Villingen durch neue Glocken zu ersetzen. Dekan Sütterlin, vom damaligen Dekanat Hornberg, bot die bisherigen Glocken zum Metallwert an. Dieses Angebot teilte Fried­ rich Bühler dem Kirchengemeinderat von Langenschiltach mit. Nach eingehender Aussprache wurde der Beschluß gefaßt, die beiden Glocken zu übernehmen. Der Glok­ kenpreis wurde durch eine Spende gedeckt. Durch einen Traktor mit Anhänger transpor­ tierte 1958 der Neubauer Karl Fleig, ebenfalls Kirchengemeinderat, die Glocken durch das ReichenbacherTal über die Benzebene nach Langenschiltach. Hier stand seit 1956 neben dem Schul­ und Rathaus das Gemeindehaus mit drei angebauten Garagen. Dort wurden die zwei Glocken abgeladen und untergebracht, ohne eine Funktion zu erfüllen. Ortspfarrer Martin Hauß drängte darauf einen Glockenträger zu erstellen, denn nun sollten die Einwohner von Langenschiltach durch die vorhandenen Glocken zum Got­ tesdienst gerufen werden. Das Landratsamt Villingen erhielt kon­ krete Baupläne zur Überprüfung und Genehmigung. Am 12. 9.1958 teilte es dem Staatlichen Hochbauamt in Donaueschin­ gen folgendes mit: ,,Die Gemeinde Langen- 128

schiltach plant einen Glockenträger zu erstellen. Er soll auch als Schlauchturm für die örtliche Feuerwehr benutzt werden. Zunächst ist die Frage zu klären, an welcher Stelle er aufgestellt werden kann. Ein Turm hinter der Pausenhalle der Schule versackt zwischen Gemeindehaus und Rathaus. Um dies zu vermeiden, müßte der Turm die First­ linie der beiden öffentlichen Gebäude etwa ein bis zwei Meter überragen. Für eine solche Bauausführung ist der finanzielle Aufwand zu hoch … “ Auch die Aufstellung eines Glockentur­ mes in der vorderen Bauflucht des Gemein­ dehauses an der Dorfstraße befriedigte nicht, denn das anschlieHende Wohnhaus des Dachdeckermeisters Fritz Breithaupt würde dadurch überdeckt. Die Glocken tönten immer noch nicht durch das Tal, da reifte im Kirchengemeinde­ rat der Plan, oberhalb der Dorfstraße zur Staude einen Kirchenplatz zu kaufen. Ein Glockenträger sollte den ersten Bauab­ schnitt des künftigen Kirchturmes darstel- Jen. Zwischenzeitlich erklärte sich der Fleig­ hansenbauer Gottlieb Friedrich Stockburger bereit, ein Grundstück für den Kirchenbau in der gewünschten Lage abzugeben. Nun traf vom Oberkirchenrat in Karls­ ruhe am 10. 4. 1961 die entscheidende Nach­ richt ein: Baut in Langenschiltach nicht nur einen Glockenturm, sondern auch eine Kir­ che! Pfarrer Martin Hauß nahm mit dem Architekt Berthold Haas aus St. Georgen Kontakt auf. Dieser entwarf nach mehreren Wanderungen rund um das Kirchengrund­ stück die Pläne für eine Kirche mit Turm. Der Kirchengemeinderat und der Oberkirchen­ rat entschieden sich für den Entwurf, bei dem die Kirche mit dem Giebel zum Tal erstellt werden sollte. Der Turm sollte hierbei auf einem Stahlbetonblock erbaut werden, mit einem aufgebauten hölzernen Turm­ helm, der wie „ein Finger Gottes“, in der Form einer Schwarzwaldtanne in den Him­ mel ragt. Am 6. 5.1963 erfolgte der erste Spaten- 129

stich für den Bau der Langenschiltacher Kir­ che. Nacheinander griffen Pfarrer Martin Hauß, Architekt Berthold Haas und Baumei­ ster Gottlob Weißer zum Spaten. Kirchen­ ältester Hildebrand hatte die Gäste begrüßt und Bürgermeister David Weißer richtete zuletzt denkwürdige Worte an die Versam­ melten, unter denen sich auch die Schul­ jugend von Langenschiltach und eine Reli­ gionsklasse aus St. Georgen unter der Füh­ rung von Religionslehrer Arnold Wolff befand. Kaum hatten die versammelten Gäste den Bauplatz geräumt und kaum war der Choral „Lobe den Herrn, den mächtigen König der Ehren … „verklungen, setzte auch schon das Rattern des Baggermotors ein und die Aus­ hebung der Baugrube begann. Fleißig arbeiteten die Handwerker am Kir­ chenschiff und Turm. Die Berechnung des umbauten Raumes einschließlich Chor, überdachtem Verbindungsgang, Turm und ,,Unterkirche“ ergab 3.674,764 Kubikmeter. Als reine Herstellungskosten für die Kirche samt Außenanlagen waren vom Architektur­ büro 350.951,- DM veranschlagt. Der Termin für die Grundsteinlegung, das Richtfest und die Glockenweihe wurde vom Ältestenkreis von Langenschiltach unter der Federführung von Pfarrer Martin Hauß auf das Erntedankfest am 6.10.1963 festgelegt. In der Urkunde zur Grundsteinlegung heißt es unter anderem, daß Dr.Josef Astfäller zu dieser Zeit Landrat des Landkreises Villingen ist. Unterschrieben wurde die Urkunde vom Ortspfarrer Martin Hauß, vom Architekten Berthold Haas und von den Kirchenältesten Matthias Heinzmann, Johann Georg Kie­ ninger, Willi Hildebrand, Friedrich Bühler und Karl Fleig. Im Jahre 1964 folgte der weitere Ausbau der Kirche mit Glockenturm, so daß am 30. 8. 1964 die Einweihung stattfinden konnte. Der damalige Landrat Dr. Astfäller schrieb dazu: ,,Die Einweihung der neuen Kirche in Langenschiltach war nicht nur für die Gemeindebürger ein Fest- und Freuden­ tag, sondern hat auch überall im Landkreis Villingen teilnehmenden Widerhall gefun­ den. So übermittle ich denn auf diesem Wege Euch, liebe Bürger von Langenschil­ tach, die herzlichsten Grüße und Glückwün­ sche der Bevölkerung des Landkreises. Wir freuen uns mit Euch über das neue Gottes­ haus, das ihr Euer eigen nennen dürft und das erst eigentlich den Dorfmittelpunkt aus­ macht. Die e schöne Kirche ist zugleich ein Schmuckstück Eures lieblichen Tales und eine Bereicherung des Dorf- und Land­ schaftsbildes . .. “ So gaben einst die Glocken aus Hornberg den Anstoß zum Bau der Langenschiltacher Kirche, die heute ein markantes Wahrzei­ chen im Tal darstellt. Lothar Wagner Die St. Konradskirche von Rietheim wurde erweitert und renoviert Drei Kilometer südlich von Villingen, zwischen Schwarzwald und Brigachtal, liegt der Ort Rietheim, der seit 1972 mit nunmehr 900 Einwohnern zu Villingen-Schwennin­ gen gehört. Vom südlichen Laible – Magda­ lenenberg aus präsentiert sich das Dorf von einer recht malerischen Seite. In einer leich­ ten Talmulde, umgeben von den Dächern alter Gehöfte und Neubauten, fällt die 130 St. Konradskirche mit ihrem barocken Zwie­ belturm in den Blickpunkt. Die Anfänge dieser Kirche reichen bis in das 14. Jahrhundert zurück. Es war damals wohl eine kleine Kirche mit einem kleinen Chor. Rietheim besaß nie ein Pfarrhaus und hatte auch nie einen eigenen Pfarrer: Drei Jahrhunderte lang gehörte es zur Pfarrei

St. Martin, Brigachtal. 1797 übernahm die Münsterpfarrei Villingen die Seelsorge von Rietheim, nachdem die Bewohner wieder­ holt Anstrengungen gemacht hatten, zur Stadtpfarrei zu kommen. �s dann 1927 die Fidelispfarrei gegründet wurde, wurde Rietheim Filialgemeinde von St. Fidelis – und noch heute wird es von den Geistlichen dieser Pfarrei betreut. Die erste nachweisbar bauliche Verände­ rung erfuhr die Rietheimer Kirche im Jahr 1719, als der jetzige barocke Chor angebaut wurde. 1906-1909 erweiterte man die Kirche um eine Achse von sechs Metern nach Westen und erbaute den heutigen Turm. Die nächste größere Renovation fand 1938 unter dem St.-Fidelis-Kurat und späte­ ren Münster-Dekan, Herrn Max Weinmann, statt. Dabei wurde der Hochaltar um zwei Engel ergänzt, eine Warmluftheizung einge­ baut und ein Deckengemälde vom Künstler Valentin, aus Offenburg, angebracht. In jener Zeit ließ Herr Kurat Weinmann auch 131

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das Kriegerdenkmal am Chor, an der Ost­ seite anbringen. In den siebziger Jahren wuchs die politi­ sche Gemeinde Rietheim stark an, so daß die 120 Sitzplätze der St. Konradskirche nicht mehr ausreichten, und der Wunsch nach einer erneuten Erweiterung entstand. 1981 wurde dann auch nach Plänen des Erz­ bischöflichen Bauamtes eine „größere Lö­ sung“ genehmigt, die dann aber wegen Feh­ len finanzieller Mittel nicht zustande kam. So entschloß man sich schließlich 1989 fur eine „kleinere Lösung“, den Anbau eines Seitenschiffes mit etwa 40 Sitzplätzen und einer gleichzeitigen Renovierung. Da man das Erscheinungsbild der Kirche entlang der Pfaffenweilerstraße nicht verän­ dern wollte, baute man nach Norden an. Dazu wurde die Nordwand der Kirche durchbrochen und mit Rundbogen verse­ hen. Das Kirchenschiff erhielt noch Ober­ licht-Fenster, so daß sich die ganze Erweite­ rung nun harmonisch anfugt. Außerdem wurde die Sakristei durch den Anbau eines Gesprächsraumes erweitert; durch eine Schie­ bewand kann nun ein größerer Raum von rund 40 qm geschaffen werden, der für Pfarr­ gemeinderatssitzungen oder ähnliche Veran­ staltungen genutzt werden kann. Im Innern des Gotteshauses wurden die alten Böden der früheren Bauphasen erhal­ ten. Man verlegte den neuen Sandsteinbelag über dem vorhandenen -und erneuerte auch das Gestühl aus dem Jahre 1870, da ihm der Holzwurm stark zugesetzt hatte. Sehr viel Arbeit bereiteten die Wände. Die vorhandenen Dispersionsanstriche mußten mühsam entfernt werden, um die so wieder atmungsfähigen Wände mit einem neuen Kalkanstrich versehen zu können. Diese Arbeiten wurden von den Riethei­ mer Bürgern in vielen Stunden selbst ausge­ führt. Die Restaurierungsarbeiten übernahm der Restaurator, Herr Lorch aus Sigmaringen. Den Hochaltar, die Figuren und den Kreuzweg versetzte er wieder in neuen Glanz; die Ge­ genstände erhielten eine Fassung, die dem barocken Charakter der Kirche angepaßt wurde. Außerdem reinigte er die Deckenge­ mälde im Chor-und Altarraum und frischte die Farben auf. Der Bildhauer, Herr Kleiser, richtete den Chorraum mit dem Ambo, dem Altar und den Setilien neu ein. Neben der lnnenrenovation wurde auch eine Außenrenovation durchgeführt. Große Sorgen bereitete dabei der Turm. Als man mit der Restaurierung beginnen wollte, mußte man feststellen, daß durch schlechte Verfalzungen des Kupferblechs mit den Jah­ ren Wasser eingedrungen war und die Holz­ balken unter dem Blech teilweise verfault waren. So mußte der ganze Kirchturm abge­ tragen und von Grund auf erneuert werden, da man auf den schönen Kirchturm nicht verzichten wollte. -Nun ist der neue Turm im neuen Gewand aus Kupferblech und mit einem kunstvoll geschmiedeten Kreuz wie­ der ein nicht wegzudenkender Bestandteil der St. Konradskirche. Die renovierte St. Konradskirche kann nach nur achtzehnmonatiger Umbauzeit als sehr gelungen betrachtet werden, und die „Rietheimer“ dürfen, nachdem nun auch noch die Orgel renoviert und somit in ihren ursprünglichen Zustand versetzt wurde, mit Recht stolz auf „ihre Kirche“ sein. Hermann Hupfer 133

Vor 25 Jahren gestorben: Augustin Kardinal Bea Aus Anlaß des 25. Todestages von Augustin Kardinal Bea am 16.11.1993 gedachten die Erzdiözese Freiburg, die Stadt Bl11mberg, zu der Riedböhringen heute gehört, und die Kirchengemeinde Riedböh­ ringen mit einem Festgoflesdienst 11nd einem Festakt am Sonntag, dem 7.11.1993, des großen Sohnes Riedböhringens und der Baar, der unermüdlich ßir die Einheit der Christen tätig war. Zugleich wurde das neue Kardinal-Bea-Museum, das in dessen Geburtshaus eingerichtet wurde, durch den Erzbischof von Freiburg, Dr. Oskar Saier, eingeweiht. Die Feierlichkeiten wurden durch die Anwesenheit 11nd Mitwirkung von Johannes Kardinal Wille­ brands, Rom, ausgezeichnet, der den Festgottesdienst zelebrierte und beim Festakt den Festvortrag hielt. Die nachfolgenden Beiträge halten dieses auch für den Schwarzwald-Baar-Kreis bedeutende Ereignis fest und bilden eine Fortsetzung der im Almanach 1979, S. 87 ff., und im Almanach 1982, S.14.ff., ver­ öffentlichten Beiträge. Die Feierlichkeiten aus Anlaß des 25. Todestages von Augustin Kardinal Bea in Riedböhringen Festgottesdienst in der Pfarrkirche Die Pfarrkirche von Riedböhringen konn­ te an jenem trüben 7. November 1993 die zahlreichen Besucher kaum fassen, die ge­ kommen waren, um anläßlich des 25. Todes­ tages von Augustin Kardinal Bea, dieses gro­ ßen Sohnes einer kleinen Gemeinde auf der Baar, zu gedenken. Zelebriert wurde das Fest­ amt von Johannes Kardinal Willebrands aus Rom, Erzbischof Dr. Oskar Saier, Freiburg, und Generalvikar Dr.Bechtold aus Freiburg. Gekommen waren auch Vertreter des Jesui­ tenordens, dem Kardinal Bea angehört hat­ te. Musikalisch ge taltet wurde die Feier vom Riedböhringer Kirchenchor owie dem a-capella-Chor aus Villingen. Gäste aus kirchlichen Kreisen, aus Politik und Wirt­ schaft, wohnten der Eucharistiefeier am Gra­ be von Kardinal Bea bei, der hier seine Kind­ heit und Jugend verbracht hatte und dessen Wunsch es war, in der Heimatkirche bestat­ tet zu werden. Erzbischof Dr. Oskar Saier drückte in sei­ ner Ansprache die Anhänglichkeit Beas an seine Heimat aus: Er habe sich mehr als nur ehrfurchtsvolle Erinnerung in den Herzen der Baaremer Bevölkerung bewahrt. 134 Wenn auch vieles, so der Oberhirte, sich seit dem Tode Kardinal Beas verändert habe, seine Anliegen und Ziele seien bis heute nicht veraltet. Saier nannte den Zusammen­ bruch des kommunistisch-marxistischen Staatenbundes, aber auch die Wiedervereini­ gung Deutschlands. Die Kraft des christli­ chen Glaubens und das Streben nach Frei­ heit hätten sich mächtiger erwiesen als Haß und Gewalt. Die durch menschliches Ver- agen zerbrochene Einheit der Christen wieder herzustellen – dieses Anliegen Beas gelte es weiter zu verfolgen. Saier nannte Bea einen „unübersehbaren Fingerzeig Gottes“. Nicht umsonst trage seine Grabplatte die Inschrift: ,,Auf daß alle eins seien … „, womit sein ganzes Streben bereits umrissen sei, die getrennte Christenheit wieder zusammen­ zuführen. Mit Zähigkeit habe er dieses Ziel verfolgt. Möglichkeiten dazu gebe es auch heute noch: Die Rückbesinnung auf den allen Christen eigenen Schatz des Wortes Gottes als gemeinsames Fundament, aber au h den Dialog der Christen miteinander. Der Weg sei zwar mühsam und weit, aber unverzichtbar.

Festgottesdienst Einweihung des Kardinal-Bea-Museums Die Weihe des neuen Kardinal-Bea-Mu­ seums, das im Elternhaus des Kardinals ent­ standen war, schloß sich an. Gebete und Für­ bitten begleiteten die Weihehandlung. Einer der kirchlichen Würdenträger, der als Gast der Zeremonie beiwohnte, meinte ehr­ furchtsvoll: ,,In diesen Räumen wurde Kir­ chengeschichte geschrieben.“ Festakt in der Festhalle Beim dritten Teil der Feiern, dem Festakt in der gemeindeeigenen Mehrzweckhalle, freute sich Blumbergs Bürgermeister Stahl über das gelungene Werk, das Kardinal-Bea­ Museum. Es gehe auf eine Initiative von Riedböhringens Altbürgermeister Martin Buri zurück, der nach der Beisetzung Augu­ stin Beas die Idee zu diesem Museum für den großen Sohn der Gemeinde gehabt und arti­ kuliert habe. Das Haus habe jetzt, nachdem es fertiggestellt sei, regionale Bedeutung. Es gelte dem Andenken einer herausragenden Persönlichkeit. Ein Förderkreis sei notwen­ dig, welcher sich der Betreuung des Muse­ ums annehme und ihm bestmögliche Be­ deutung verschaffe. Derzeit liege diese Auf­ gabe noch beim Pfarrgemeinderat. Stahl dankte allen, welche „mit Kreativität und Schaffenskraft“ das Zustandekommen dieser Gedenkstätte ermöglicht hatten. Prominentester Redner des Festaktes war Johannes Kardinal Willebrands, der eigens aus Rom angereist war. Er war der unmittel­ bare Nachfolger Beas als Vorsitzender des Sekretariates für die Einheit der Christen in Rom gewesen und lebt nun bereits schon selbst im Ruhestand. Er schilderte Bea als eine der prägendsten Gestalten des Zweiten vatikanischen Konzils und einen der größ­ ten Förderer der Ökumene. Obwohl er als Jesuit höchste kirchliche Würden erreicht habe, seien diese für Bea von sekundärer Bedeutung gewesen, für ihn habe an erster Stelle die Berufung durch Gott gestanden. Sie sei immer der Leitfaden seines Lebens 135

Einweihung des Kardinal-Bea-Museums durch Erzbischof Dr. Oskar Saier, Freiburg geblieben. Die Weisheit und Güte, welche Bea ausgestrahlt habe, sei in der Liebe zu Gott und seiner Kirche begründet gewesen. ,,Hochgelehrt und tief bescheiden“ sei Augu­ stin Bea seinen Lebensweg gegangen, fest und unerschütterlich habe er an die Einheit der Christen geglaubt und für sie gearbeitet. Auch hohe Würdenträger anderer christli­ cher Konfessionen hätten Beas Charismata geschätzt und verehrt, die gepaart gewesen sei mit schlichter Frömmigkeit. Grundtenor in Beas Leben seien tiefe Gottes- und Men­ schenliebe gewesen. Dies komme besonders in der Biografie von Pater Stjepan Schmidt zum Ausdruck, welcher den Feierlichkeiten in Riedböhringen beiwohnte. Bea sei stets bestrebt gewesen, den Menschen die Frohe Botschaft „schmackhaft“ zu machen, nicht als „codex iuris“, sondern konkret. Papst Jo­ hannes XXIII. habe mit Bea ein besonderes persönliches Verhältnis verbunden. Feslansprache von Kardinal Willebrands beim Feslakt 136

An die Adresse Riedböhringens gewandt meinte der hohe Gast: ,,Was Sie hierherge­ stellt haben, ist nicht nur die Erinnerung an Vergangenes, sondern lebendiges Zeugnis fur die Zukunft.“ Prälat Gerd Schmoll, Vorsitzender der Ar­ beitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Baden-Württemberg, gab als Vertreter der evangelischen Kirche dem Festakt einen be­ sonderen Akzent. In dankbarer Erinnerung an das ökumenische Wirken von Kardinal Bea sprach er sich fur weitere Schritte auf dem gemeinsamen Weg der Christen für ihre Einheit aus. Hierbei sei besonders „wahre Menschlichkeit“ im Umgang mit Menschen anderer Konfessionen wichtig. Mit ihr reif­ ten „ökumenische Tugenden und Verhal­ tensweisen, die zuletzt alle Früchte der Liebe sind“, meinte Prälat Schmoll. Viele Möglich­ keiten des Mit- und Füreinanders würden gar nicht genutzt, oft fehlten hier Wissen und Willen. Er mahnte zu einem „Realismus der Hoff­ nung“, der sich nicht mit einem unbefriedi­ genden Status quo abfinde. Beharrlichkeit und Geduld, wie Kardinal Bea sie praktiziert habe, könnten weiterfuhren. ,,Es ist gut, daß es solche Wegbereiter gibt, an die wir uns erinnern können“, schloß Schmoll. In seinem Schlußwort mahnte Erzbischof Saier, auch weiterhin aus den theologisch­ spirituellen Quellen eines Augustin Bea zu schöpfen. Musikalisch wurde der Festakt, dem wie­ derum Gäste aus nah und fern beiwohnten, von der Musikkapelle Riedböhringen um­ rahmt. Der Erzbischof bedankte sich persön­ lich beim Dirigenten Siegfried Müller für die würdige Mitgestaltung der Feierstunde. Käthe Fritschi Das Kardinal-Bea-Museum in Riedböhringen Es war ein trüber und regnerischer Tag, jener 7. November 1993, als sich ein langer Zug von Festgästen, welche am Gottesdienst zum 25. Todestag von Kardinal Augustin Bea in der Riedböhringer St. Genesiuskirche teilgenommen hatten, zum Geburtshaus des Kardinals bewegte. Hier weihte Erzbischof Dr. Oskar Saier in Anwesenheit zahlreicher Ehrengäste aus Kirche, Politik und Gesell­ schaft das neue Kardinal-Bea-Museum ein. Das schlichte Haus, an der Eschacher Straße am Ortsrand gelegen, ist ein sogenanntes Baaremer Bauernhaus der kleinen Regel­ form. Es zeigt die ehemaligen Wohnräume der Familie Bea, welche die bescheidenen Verhältnisse dokumentieren, in denen der Kardinal aufgewachsen war. Es beherbergt nun aber auch seinen persönlichen Nachlaß und hält so das Andenken an einen Men­ schen wach, der sich seiner Heimat auch in der Feme verbunden fuhlte. Bei der Renovation war versucht worden, die Originalsubstanz, soweit dies technisch möglich war, zu erhalten. Durch den ge­ schickten Ausbau des Ökonomieteiles wurde mehr Ausstellungsfläche geschaffen, als es das Haus von außen vermuten läßt. Ein Vor­ tragsraum, der in der ehemaligen Scheune entstand, ist eine Bereicherung fur das Ge­ bäude. Das erste Museum mit Zeugnissen aus dem Leben Augustin Beas war ursprüng­ lich in der nach dem Kardinal benannten Schule beheimatet und konnte nunmehr in das ehemalige Elternhaus Beas integriert werden. Dies alles war nur möglich, weil die Stadt Blumberg als Rechtsnachfolgerin der ehe­ mals selbständigen Gemeinde Riedböhrin­ gen das Elternhaus Beas, welches sich in Privathand befand, käuflich erwarb. Beharr­ liche Verfechter des Projektes waren außer dem Riedböhringer Altbürgermeister Mar­ tin Buri auch Blumbergs Bürgermeister Werner Gerber und sein Amtsnachfolger Clemens Stahl. An den Kosten der Sanierung, die zum 137

Bei der Besichtigung des Museums (von links nach rechts):Johannes Kardinal Willebrands, Erzbischof Dr. Oskar Saier, Stadtarchivar i. R. Dr. Josef Fuchs, Villingen-Schwenningen, der das Museums­ konzept ausgearbeitet hat; im Hintergrund: Bundestagsabgeordneter Meinrad Belle. 138

Purpur – das Zeichen der Kardinalwürde Ausschnitt aus Arbeitszimmer mit Bildern von Persönlichkeiten, mit denen Bea zusammentraf Teil von der Stadt Blumberg, zum Teil auch von der Kirchengemeinde Riedböhringen getragen wurden, beteiligte sich die Erz­ diözese Freiburg durch Übernahme der hälf­ tigen, nicht durch andere Zuschüsse gedeck­ ten Aufwendungen. Die Bauplanung lag in der Hand des Erzbischöflichen Bauamtes Freiburg, während die örtliche Bauleitung vom Blumberger Stadtbauamt übernom­ men wurde. Die Sanierung zur späteren Nutzung des Gebäudes, das sich in einem denkbar schlech­ ten baulichen Zustand befand, war nicht ein­ fach. Es bedurfte großen Fingerspitzenge­ fühls, um sowohl das Museumskonzept zu realisieren als auch die Originalität des Gebäudes zu bewahren, soweit dies tech­ nisch möglich war. Schon in der Ausbau­ phase wirkte der Villinger Stadtarchivar i. R. Dr.JosefFuchs mit. Er und seine Mitarbeiter lieferten das Konzept für die Einrichtung des Museums. Seine Sachkenntnis und sein Engagement trugen wesentlich dazu bei, daß als Endergebnis eine Museumsgedenkstätte entstand, die wohl auch Kardinal Bea selbst hätte akzeptieren können. Ein Förderverein, welcher noch Mitglieder sucht, soll den Unterhalt des Museums für den großen Sohn der Baar sichern helfen. Im Erdgeschoß sind zahlreiche Zeugnisse aus Beas Laufbahn zu finden, wobei das Haus selbst eine Vielzahl von Merkmalen bäuerlichen Lebens aufweist. Außer dem bereits genannten Vortragsraum befinden sich hier Libdingküche und -wohnzimmer, ferner der ehemalige Stall. Über eine Treppe, die von vielen Hinweisen auf Beas Leben und Wirken flankiert wird, werden die wich­ tigsten Ausstellungsräume erreicht. Beas Büste, eine schöne Bronzearbeit, zeigt die 139

Blick ins Arbeitszimmer von Rom (nachempfunden) Den Treppenaufgang flankieren zahlreiche Dokumente, die das Wirken des Kardinals zum Thema haben eindrucksvollen Züge eines zutiefst verinner­ lichten Menschen, ausgestattet mit großer Güte und Menschenfreundlichkeit. Hinter Glas liturgische Gewänder und der Purpur des Kardinals, verbrämt mit schim­ mernd weißem Hermelin. Mitra und Stab verweisen auf Beas Hirtenamt, Kardinalshut und Bischofsring auf sein hohes Amt in der Kirche. Dem Besucher drängt sich der Ein­ druck auf, daß Bea in seiner tiefen Beschei­ denheit schwer an diesen prachtvollen Roben und Insignien seines Amtes getragen hat, sich jedoch den Vorschriften beugte – 140 denn nicht dem Träger, sondern dem Amt soll nach kirchlichem Verständnis die Ehre zukommen. In Vitrinen sorgsam verwahrt finden sich hohe Orden und Ehrenzeichen in großer Zahl, Originalurkunden, verliehen von welt­ lichen und kirchlichen Institutionen, dazu Fotos von Begegnungen Beas mit großen Persönlichkeiten aus Politik und Kirche. Eine kostbare hebräische Bibel und weitere wertvolle Geschenke, die Bea während seiner Wirkungszeit erhielt, fanden Platz im Mu­ seum. Einer der Räume zeigt die Einrichtung

Beas Kardinalswappen schmückt das Geländer zum Obergeschoß Beas Bronzebüste, im Hintergrund Purpur und Hermelin Liturgische Gewänder aus Beas Besitz 141

Orden und Ehrenzeichen in großer Zahl sind sorgsam in Vitrinen verwahrt Eine der besonderen Vitrinen mit Fuß- und Beinbekleidung des Kardi­ nals, eine besonders feine Handarbeit, die Hand­ schuhe Blick in die Schlafitube der Eltern 142

Blick in die Küche von Beas Elternhaus Die Wohnstube seines bescheidenen römischen Arbeitszim­ mers mit Schreibmaschine, Telefon, Feder­ halter und Tintenfaß. An anderer Stelle fin­ den sich sparsame Hinweise auf Beas Haus­ kapelle: Kelch und Patene, ein Kruzifix, sein rotes Birett. An zentraler Stelle ein Bild von Papst Johannes XXIII. Und Bea selbst scheint gegenwärtig zu sein in diesen ehrwür­ digen Räumlichkeiten, die mit subtiler Hand zum Museum umgestaltet wurden. Ein Rundgang führt auch in die Küche, in Wohn- und Schlafstube der Familie Bea, ori­ ginalgetreu erhalten und eine schlichte Würde ausstrahlend. Hier also wuchs ein Mensch heran, der in seiner Kirche höchste Ehren errang, der sich jedoch zeitlebens zu seinen Wurzeln bekannte. Mit der Schaffung des Museums, das seit seiner Eröffnung im November 1993 schon viele prominente Besucher zählte, geht auch ein Wunsch des Kardinals von der Baar in Erfüllung, der verfügt hatte, daß ein wesent­ licher Teil seiner persönlichen Habe in sei­ nem Elternhaus der Öffentlichkeit zugäng­ lich gemacht werden sollte. Käthe Fritschi 143

Museen Fürstlich-Fürstenbergische Sammlungen in Donaueschingen Mariä Verkündigung (Annuntiatio, Luk. l, 26-38) Treten wir in den ersten großen Saal der Fürstlich-Fürstenbergischen Gemäldesamm­ lung, so tauchen wir ein in eine ganze Flut festlicher Farben. Wir stehen im Saal des sogenannten Mei­ sters von Sigmaringen. Da die Herkunft vie­ ler hier ausgestellter Bilder unbekannt ist, ist diese Benennung nur eine Verlegenheitslö­ sung. Auf jeden Fall läßt sich sagen, daß diese Gemälde aus dem Raum zwischen Donau und Bodensee stammen und aus der Zeit um 1500. Damit wird ein besonderer Vorzug der fürstenbergischen mittelalterlichen Bilder­ sammlung deutlich. Fast das gesamte Mate­ rial stammt aus einem geschlossenen Her­ kunftsraum, was bei vielen anderen Kunst­ sammlungen so nicht der Fall ist. Wir haben in dieser Sammlung also ein besonderes Kulturdenkmal für die spätmittelalterliche Kunst des südwestdeutschen Raumes vor uns. So ist es nicht erstaunlich, daß die neun Tafeln an der Südwand des Saales durch den neuen Sammlungskatalog von Grimm und Konrad der Veringer Werkstatt von Hans und Jakob Strüb zugeschrieben werden. Die Reste eines Flügelaltares, der einst im Kloster Inzigkofen gestanden hatte, grüßen von der Wand herab. Wenn wir uns als Besucher die neun Bil­ der ansehen, so stellen wir fest, daß 6 Bilder paarweise zusammengestellte Heilige prä­ sentieren, die uns in fast statuarischer Ruhe gegenüberstehen. Drei Bilder zeigen kleine Szenen. Eine dieser Szenen fällt dem Besu­ cher besonders ins Auge. Es ist eine Verkündigungsszene. Die uns heute sprachlich schwerer ver­ ständlich gewordene Bezeichnung „Mariä Verkündigung“, Annuntiatio, meint die 144 „Verheißung der Geburt Jesu“. Nur im Lukasevangelium (1, 26-38) wird dieses hochreligiöse Ereignis erzählt. Die Kern­ sätze heißen: ,,Der Engel Gabriel wurde von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Naza­ reth zu einer Jungfrau gesandt. ( … ) Der Name der Jungfrau war Maria. Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begna­ dete, der Herr ist mit dir. ( … ) Sie erschrak über die Anrede. ( … )Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären, dem sollst du den Namen Jesus (=der Retter) geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden.“( … ) Von hier aus gesehen läßt sich verstehen, daß Verkündigungsbilder eigentlich zu den schwierigsten Aufgaben gehören, die einem Künstler gestellt werden können. Sie sollen den Einbruch des Göttlichen in die Welt der Menschen darstellen. Verkündigungsdar­ stellungen reichen von Dialogszenen bis zu hochdramatischen Szenen. Klaus Ringwald, als moderner Künstler, hat an den Villinger Münsterportalen den Engel eindrucksvoll als Brücke zwischen Gott und den Men­ schen dargestellt. Die Lösung dieser Aufgabe kann so schwierig werden, daß es Kunstkritiker gab, die die Darstellung komplexer theologischer Gedankenzusammenhänge rundweg verbo­ ten haben. Ohne die Kenntnis dieses Textes bliebe dem Betrachter das Bild völlig unverständ­ lich. Auch bei diesem Bild ist es so wie mit allen anderen hier ausgestellten Bildern, sie sind nur mit Hilfe von Heiligenlegenden oder mit Hilfe von Bibeltexten verstehbar.

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Ohne diese Schlüsseltexte bleibt religiöse Kunst dem Betrachter völlig verschlossen. Für den Kenner sind religiöse Bilder Hilfs­ medien, die dem Betrachter helfen, ganz bestimmte Zusammenhänge und religiöse Aussagen im Gedächtnis festzuhalten. Bei jeder Betrachtung sollen diese Ideen wieder lebendig werden und lebensgestaltend auf den wirken, der sich ihnen nähert; deshalb der große künstlerische Aufwand in der reli­ giösen Kunst. Warum kann gerade dieses Verkündi­ gungsbild aus den Fürstlich-Fürstenbergi­ schen Sammlungen unsere Aufmerksamkeit so sehr fesseln? Im Vergleich zu den anderen Bildern des Inzigkofener Altars ist es die Bewegung in diesem Bild, die den Betrach­ ter aufmerksam werden läßt. Auf der rech­ ten Seite, erhöht über dem Bildboden, be­ herrscht die ganze rechte Bildmitte ein blon­ der junger Mann. Sein leuchtend weißes Gewand strahlt so hell aus dem Bild hervor, daß dieses Strahlen schon den ersten Blick des Betrachters auf sich zieht. Erst daraufhin nimmt der Betrachter zwei hoch aufgereckte Flügel wahr und erkennt, daß er die Darstel­ lung eines Engels vor sich hat. Dann fallt der Blick wieder zu der schwungvollen Rundung des weißen Gewandes zurück. Fast im Halb­ kreis führen diese Linien nach oben und gehen in den Ärmelbereich des linken Ober­ armes über. An der Schulter erst wird dieser Schwung nach oben von der Gegenbewe­ gung des tiefdunkelgrünen Mantels abgefan­ gen. Diese Rechtsbewegung wird wieder durch die Linksbewegung einer dunkelroten Fläche aufgefangen, und jetzt erkennen wir erst, daß dies die Außenseite des Engelsman­ tels ist. Die rechte Hand des Engels hebt sich als hoch emporgereckte Schwurhand vom Gold des Hintergrundes ab. Die linke Hand wird nach links abwärts vorgestreckt. Sie hält einen Stab, der selbst wieder nach links oben weist. Beide Bewegungen weisen auf das junge Mädchen hin, das die linke Bildseite beherrscht und kniend viel tiefer im Bild erscheint als der Engel. Sie kniet mit ihrer Flut von Gewändern auf dem angedeuteten 146 Plattenboden. Von einem Gebets- und Lese­ pult, auf dem ein Buch mit rotem Einband liegt, wendet sie sich zum Bildbetrachter hin. Sie schaut nicht zu dem Engel hin, sondern wird eher wie intensiv lauschend dargestellt. So werden die Marien auch auf den beiden anderen Verkündigungsbildern in den F. F. Sammlungen dargestellt. Aufschlußreich ist immer der Vergleich mit anderen Künstlern. Konrad Witz stellt seine Maria auf seiner Verkündigung ebenso dar. Fra Angelico dagegen stellt auf seinen Verkündigungsbil­ dern die Maria sitzend dar und dem Engel zugewandt. Unsere Donaueschinger Bilder sollen mit der hörenden Haltung der Ma­ donna den Kernsatz der Bibel sichtbar machen: ,,Das WORT ist Fleisch gewor­ den.“ Aus einem ganzen Meer von Gewändern, fast einem Rausch von Gewangfalten, steigt die Gestalt der Maria auf. Die unaufdringli­ che weiche Goldfarbe ihres Gewandes wird nur durch das strahlende Gold des Nimbus­ ses noch überhöht und bildet das farbliche Gegengewicht zu dem Engel der Verkündi­ gung. Dadurch, daß die Maria sich nicht dem Engel zuwendet, sondern dem Bildbe­ trachter, bleibt dieser nicht einfach Zu­ schauer, sondern er wird zum persönlich in die Szene einbezogenen Teilnehmer. Ist das nicht auch „Medienpädagogik“? Um ihrem Bild eine hohe Wirkung zu ver­ leihen, gehen die Strübs aus Veringenstadt ebenso vor, wie Bartholomäus Zeitblom auf seinem Heimsuchungsbild, das wir im Alma­ nach 93, Seite 293-296, besprochen haben. Während die niederländischen Künstler die Mädchenkammer Marias mit den vielfältig­ sten Details ausstatten, reduzieren die Strübs die Darstellung des Raumes auf wenige hier unerläßliche Elemente: auf den perspektivi­ schen Fliesenfußboden, auf ein Betpult, auf einen roten Vorhang, der allein eine Andeu­ tung von Wohnlichkeit gibt, und auf eine steinerne Fensterleibung. Das Fenster, das nach der Mode der Zeit den Blick auf eine Landschaft freigeben könnte (vgl. Dürer), ist nur mit Goldfarbe gefüllt. Aber mit dem

höchsten symbolischen Farbwert für den Himmel. Die Raumtiefe wird nur durch die Darstellung einer geschnitzten Girlande in den beiden oberen Bildecken dem Betrach­ ter suggeriert. Im übrigen lebt das Bild von einem ganzen Spektrum symbolischer Far­ ben. Der Mantel der Madonna ist eigentlich blau. (Die abgelaufenen Jahrhunderte haben auf unserem Bild das Blau etwas verändert.) Blau ist die Farbe des Himmels, also wird die ,,Himmelskönigin“ mit dem Blau des Him­ mels gekleidet. Sehr selten ist es, daß Maria ein goldfarbenes Gewand trägt. Hier soll diese Farbe die höchsten Werte der Religion andeuten und, wie das Gold der mittelalter­ lichen Goldhintergründe, die Verbindung zum Himmel aufzeigen. Als dritte Farbe leuchtet im Futter und an den Ärmelsäumen des Mariengewandes die Farbe Rot auf. Rot kann die Farbe der Liebe oder des Martyri­ ums sein. Man erinnere sich an die Madon­ nen Grünewalds oder Martin Schongauers. Die Farben des Engels sind Weiß für die Reinheit, Feierlichkeit und Würde. Rot ist hier die Farbe der göttlichen Liebe. Das Dun­ kelgrün der Innenseite des Engelsmantels weist auf das Zukünftige hin, das von diesem Augenblick ausgehen soll. Es ist die Farbe der Hoffnung auf Erlösung und die des Neuen Testamentes. Als Boten einer höheren Macht weisen ihn nicht seine Flügel aus, sondern sein Heroldsstab als ein in der Antike wie im Mit­ telalter übliches amtliches Kennzeichen von Boten und „ Verkündem“ im Dienste von Königen. Seine Botschaft umwindet in Form eines Spruchbandes seinen Stab und kenn­ zeichnet das Zentrum des Bildes: ,,Ave Maria gratia plena dominus tecum.“ ,,Gegrüßet seist du Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir.“ Diese Botschaft ist auch das Zentrum der Bildaussage. Martin Hermanns Das Hüfinger Stadtmuseum für Kunst und Geschichte Mit der Eröffnung des Stadtmuseums für Kunst und Geschichte am 20. März 1992 ging für viele Hüfinger ein langgehegter Wunsch in Erfüllung. Nun endlich wurde es möglich, die zahlreichen Zeugnisse künstle­ rischen Schaffens, die durch die sogenannte Künstlerkolonie um Lucian Reich in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts entstan­ den waren, zentral und geordnet zu präsen­ tieren. Es war eine ebenso anspruchsvolle wie reizvolle Aufgabe mit einer mehrjähri­ gen Vorbereitung, doch bei der Eröffnung wurde deutlich, die eingetretenen Verzöge­ rungen waren dem Projekt nicht zum Nach­ teil gereicht, im Gegenteil. Das Haus an der oberen Hauptstraße, welches das Museum beherbergt, war geradezu prädestiniert, die markantesten Zeugnisse aus Hüfingens Kul­ tur und Geschichte aufzunehmen, ein Haus von diskretvornehmem Zuschnitt, über- schaubar in seinen Dimensionen, das den Bedürfnissen seines Zweckes in subtiler, ja liebevoller Weise angepaßt wurde. Hermann Sumser erhielt für die bauliche Gestaltung des Hauses einen von der Architektenkam­ mer Baden-Württemberg vergebenen Preis für beispielhaftes Bauen. Auf Vorschlag des damaligen Bürgermei­ sters Max Gilly hatte die Stadt das Gebäude 1986 erworben und im Februar 1987 dem Hüfinger Diplom-Ingenieur Hermann Sum­ ser den Planungsauftrag erteilt. Es zeigte sich bald, daß man mit dem Kauf dieses Hauses einen guten Griff getan hatte. Im Herbst wurde mit dem Bau begonnen, wobei das Gebäude entgegen dem anfänglichen Wi­ derstand des Landesdenkmalamtes ein Dach aus roten Biberschwanzziegeln erhielt. Bei der Planung hatte der Architekt die Nutzung des Gebäudes als Museum zu berücksichti- 147

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Eingangsbereich, Ur- und Frühgeschichte 149

gen, wobei seinem bisherigen baulichen Charakter weitgehend Rechnung zu tragen war. Dies ist Hermann Sumser in überzeu­ gender Weise gelungen. Für die Stadt und auch den Förderkreis Stadtmuseum stand von Beginn an fest, daß das Hüfinger Museum kein Heimatmuseum im üblichen Sinne werden solle, sondern in seinem Schwerpunkt sich auf die Darstel­ lung der Werke aus dem Hüfinger Künstler­ kreis beschränken werde. Hinzu kam der Nachlaß des Kunstmalers Hans Schroedter, der, aus Karlsruhe kommend, sich zu Beginn der zwanziger Jahre in Hausen vor Wald nie­ dergelassen hatte, wo er eine überaus frucht­ bare Schaffensperiode durchlief und wo er sein Leben auch beschloß (vgl. Almanach 1991, Seiten 214-220). Des weiteren verfügte die Stadt über wertvolle Gegenstände aus dem Vermächtnis der Familie Brugger, die ebenfalls im Museum einen Platz finden sollten. Diese Überlegungen erforderten zwingend ein Museumskonzept, das sowohl dem didaktischen wie auch dem museografi­ schen Aspekt Rechnung trug. Als Ziel war ein modernes, lebendiges Museum angestrebt, das durch einen steten Wechsel an Sonder­ ausstellungen zu bestimmten Themen im­ mer wieder Interessenten anzieht. Vorträge sollten als begleitende Veranstaltungen das Gezeigte vertiefen helfen. Dieses Konzept wurde von Hermann Sumser, Roland Straub und Tina-Maria Bul­ linger in engem Kontakt mit der Vorsitzen­ den des Förderkreises, Eva von Lintig, ent­ wickelt. Der Beleuchtung wurde großer Stel­ lenwert beigemessen, einmal, um die Expo­ nate ins „rechte Licht“ zu rücken, zum ande­ ren aber durften sie durch die Lichtquellen keinen Schaden nehmen. Schließlich erfor­ derte das Museum auch eine entsprechende Sicherung gegen Diebstahl. Hilfestellung bei allen Überlegungen kam für die Beteiligten auch von der Museumsberatungsstelle in Tübingen und ihrem Leiter Dr. Burghart. Schon der Eintritt ins Museumsgebäude vom Nikolausgäßle her vermittelt sein be­ sonderes Flair. Außer einem Infostand befin- 150 det sich im Erdgeschoß, auch als Vortrags­ raum geeignet, eine Ausstellung mit Funden aus Hüfingens Ur- und Frühgeschichte, mit Resten aus Urnengräbern sowie Relikten aus römischer und alemannischer Zeit. Der Raum besitzt alle technischen Einrichtun­ gen für Diavorträge, Übersichtstafeln kön­ nen durch Lichtsignale das Dargestellte noch besser verdeutlichen. 40 Plätze hat die­ ser Raum, der auch für Kleinkunstauffüh­ rungen nutzbar ist. Hier wurden beim Umbau Reste einer frü­ heren Bebauung angetroffen, die wahr­ scheinlich aus der mittelalterlichen Dorfan­ lage stammen. Dieses Fundament wurde in eine Bodenvitrine integriert und sichtbar gemacht. Die Bausubstanz im Erdgeschoß stammt aus der originalen städtischen Be­ bauung entlang der Hauptstraße, die im Zuge der Stadterweiterung im 15. Jahrhun­ dert planmäßig angelegt wurde. Die Räume dienten ürsprünglich als Keller und Lager, der nordwestliche Teil als Groß- und Klein­ viehstall. Der Architekt bewahrte den ur­ sprünglichen Charakter dieser Räumlichkei­ ten beim Ausbau, Wände und Decken wur­ den roh belassen. Das Erdgeschoß bildet so die erkennbare zweite Zeitschicht im Ge­ bäude aus der spätmittelalterlichen Bebau­ ung. Im ersten Obergeschoß befindet sich der Schwerpunkt des Museums: Ölbilder, Zeichnungen, Lithografien aus dem frühen 19. Jahrhundert von Künstlern, die in Hüfin­ gen geboren und aufgewachsen sind oder hier lebten und überregionale Bedeutung erlangten. In erster Linie sind dies Lucian Reich, Franz Xaver Reich,Johann Nepomuk Heinemann, Josef Heinemann, Rudolf Gleichauf und Karl von Schneider. Es finden sich jedoch auch Werke von Vorläufern die­ ser Künstler, Luzian Reich dem Älteren, Johann Baptist von Seele,Johann Nepomuk Schelble, um nur einige zu nennen. Hin­ weise über verwandtschaftliche Verknüpfun­ gen dieser Hüfinger Künstler untereinander werden ebenfalls deutlich gemacht. Im 18. Jahrhundert waren frühere Wohn-

1. Stockwerk: Dauerausstellung Künstler des vorigen Jahrhunderts 151

,R __ Obergeschoß: Hans-Schroedter-Ausstellung teile des städtischen Ackerbürgerhauses zu einer fürstlichen Kanzlei umgebaut worden. Aus dieser Zeit stammen die Barocktreppe, Täferungen, Türen und Stuckdecken. Das ganze Geschoß wurde entsprechend dieser Stilepoche restauriert und ergänzt. Als moderne Applikation an Barock und Klassi­ zismus wurden die Säulen in der Diele konzi­ piert. In diesem Geschoß wird die dritte Zeitebene in der Gebäudesubstanz sichtbar. Eine Sitzgruppe unter dem Fenster lädt zum Verweilen ein. Sie harmoniert in ihrem leuchtenden Sonnengelb sehr gut mit dem umlaufenden weißen Geländer und gibt so der Diele etwas Großzügiges. Noch eine Besonderheit befindet sich in diesem ersten Obergeschoß des Museums, ein computergesteuertes Bild- und Textar­ chiv mit Farbmonitor, das von den Besu­ chern selbst bedient werden kann. Es infor­ miert nicht nur über die ausgestellten Werke und Biografien der Künstler, sondern auch über jene Zeugnisse ihres künstlerischen Schaffens, die dem Hüfinger Museum nicht verfügbar sind. Das zweite Obergeschoß ist im wesent­ lichen Sonderausstellungen vorbehalten, jedoch sind zwei der Räume den Werken von Hans Schroedter gewidmet. Dieses Geschoß stammt aus einem Umbau sowie einer Erwei­ terung des Gebäudes nach dem Brand von 1905. Stilelemente aus dieser Zeit spiegeln sich wieder in den Türen und Türbeschlä­ gen. Sie wurden restauriert, die neuen Aus­ bauelemente in moderner Form in Anleh­ nung an den vorhandenen Charakter konzi­ piert. In diesem Geschoß wird die vierte Zeit­ ebene des Hauses sichtbar. Ein sachgemäß eingerichtetes Depot erlaubt eine dem Museumsgut angemessene Aufbewahrung. Im „Höfle“, einem kleinen intimen Gartenbereich, befinden sich, in Wände eingelassen, unempfindliche Plasti­ ken und Terrakotten. 152

Beim Erkennungszeichen, dem „Logo“ des Museums, handelt es sich um einen Aus­ schnitt aus einem Dekorfries in einem Haus in der Hüfinger Hauptstraße, ein abstraktes Merkmal mit signifikanter grafischer Wir­ kung. Es steht als Symbol für die Verbindung von Alltag und Kunst. Die Stadt hat sich ihr Museum etwas kosten lassen. Die reinen Bau- und Neben­ kosten beliefen sich auf rund 750 000 Mark. Hinzu kam die Einrichtung mit Vitrinen, Stelen, Infotafeln, Projektionsanlage sowie die Sicherung gegen Diebstahl mit insgesamt 318 000 Mark. 1992 wurde zwischen dem Förderkreis und der Stadt Hüfingen ein Betreibervertrag geschlossen. Die Stadt stellt das Gebäude zur Verfügung und trägt auch die Heizkosten. Ein jährlicher Zuschuß, dessen Höhe nach einer Probezeit festgesetzt wird, kommt hinzu. Für alles andere hat der Förderkreis selbst zu sorgen, der inzwischen auf rund 400 Mitglieder angewachsen ist. Die anfallenden Arbeiten, etwa Aufsicht und Reinigung, sind auf einen Arbeitskreis verteilt. Mit Eintritts­ geldern und Spenden wirtschaftet der För­ derkreis. Bürgermeister Knapp hatte von Beginn seiner Amtszeit an eine positive Einstellung zum Museum bekundet und unterstützte den Förderkreis mit Rat und Tat. Eva von Lintig, welche die Entstehung des Museums in Hüfingen mit nie erlahmender Energie betrieben hatte, hat während vieler Jahre bis zur Verwirklichung ihrer Idee trotz mancher Widerstände das Ziel nie aus den Augen ver­ loren. So war auch ihre Freude bei der Eröff­ nung nur allzu verständlich: ,,Wir sind am Ziel – welch ein Tag!“ hatte sie beim Festakt ausgerufen. Das Hüfinger Stadtmuseum für Kunst und Geschichte – es soll nach dem Willen seiner Initiatoren nie langweilig werden, son­ dern mit etwa drei Sonderausstellungen im Jahr stets das Interesse seiner Besucher wach­ halten. Dies zu verwirklichen ist Aufgabe des ständigen Arbeitskreises, er kann jeweils zu aktuellen Sonderausstellungen weitere sach­ kundige Mitarbeiter hinzuziehen. „Das kulturelle Herz einer liebenswerten Stadt“ – so nannte der Vorsitzende der Kunststiftung Hohenkarpfen, Professor Dr. Friedemann Maurer, das Hüfinger Stadt­ museum für Kunst und Geschichte. Aussa­ gen wie diese, und es gab sie mehrfach, mögen den Initiatoren Bestätigung und Ansporn gleichermaßen sein. Käthe Fritschi Das Blumberger Eisenbahnmuseum ,,Klein, aber fein“ -so lauten oft die Kom­ mentare der Besucher des in der ehemaligen Güterhalle im Bahnhof Zollhaus zum 1. Mai 1992 eröffneten Museums. Aber bis es so weit kam, war ein sehr langer Weg zurückzu­ legen. Genaugenommen fing alles mit dem Krieg 1870/71 an. Elsaß-Lothringen wurde dem neuen Reich einverleibt. In Straßburg wurde ein Militäreisenbahn-Planungsbüro beauftragt, Pläne für eine strategische Eisen­ bahn auszuarbeiten, damit die beiden Festungen Ulm (Donau) und Beifort (Elsaß) im erwarteten neuen Kriegsfall schnell mit Truppen zu verbinden waren. Die damals schon bestehende Linie über Schaffhausen konnte im Ernstfall durch die Schweiz ge­ sperrt werden. Nach mehreren vorgeschlage­ nen Varianten kam die Strecke Ulm­ Immendingen -Zollhaus-Weizen -Basel­ Belfort zur Ausführung, wobei der technisch interessanteste Teil die Strecke Zollhaus­ Weizen ist. Sie wurde in Rekordbauzeit von knapp drei Jahren bei einer Länge von etwa 25 km (Luftlinie etwa 9 km; Höhendifferenz über 250 m) mit dem einzigen Kreiskehr- 153

tunnel im Verlauf einer Mittelgebirgsbahn sowie weiteren Tunnels und gewaltigen Via­ dukten mit Hilfen von über 4000 italieni­ schen Gastarbeitern erbaut. Errichtet wurde dieser Abschnitt in den Jahren 1887 bis 1890, wobei wir heute immer noch die primitiven Arbeitsgeräte der damaligen Zeit bestaunen, in der die Elektrizität noch fremd war. Ent­ gegen den gewaltigen Bauanstrengungen erhielt die Strecke zu keiner Zeit eine nen­ nenswerte Bedeutung. Unter militärischen Gesichtspunkten wurde sie in den sechziger Jahren von der NATO technisch saniert, von der Deutschen Bundesbahn Mitte 1976 als unrentabel stillgelegt und erweist sich seit 1977 als Museumsbahn mit steigenden Fahr­ gastzahlen als Publikumsmagnet (vgl. Alma­ nach 78, S. 86 ff.; Almanach 88, S. 238 ff. und Almanach 91, S. 256 ff.). Weil die zahlreichen Fahrgäste, zwar mit einer Fahrkarte in der Tasche, aber mit viel Geduld auf dem Bahnsteig in Zollhaus auf die Abfahrt des Museumszuges warten muß- ten und dabei überall auch gerne hinter die Kulissen des Bahnbetriebes schauten, wurde die Idee eines Museums geboren. Bahnhofs­ gebäude und Güterhalle liegen als Gesamt­ gebäude direkt am Bahnsteig in Zollhaus. Die Güterhalle diente nur noch als Rum­ pelkammer. Auflnitiative der beiden Blum­ berger Pädagogen Prillwitz und Reimer sanierte der Bauhof den noch gut erhaltenen Hallenraum (Fachwerkkonstruktion) zu einem wahren Schmuckstück. Pläne für einen weiteren Museumsausbau wurden konzipiert, ausgeführt wurde zu­ nächst der erste Abschnitt, d. h. in der eben restaurierten Halle sollten drei Vorstellun­ gen realisiert werden: l. Dokumentation des historischen Bildma­ terials aus der Bauphase. 2. Darstellung „Blick hinter die Kulissen“, Dinge aus historischer Zeit. 3. Technischer Bereich, u. a. als Krönung mit einem detailgetreuen Modell der Museumsbahnstrecke im Vorführbetrieb. 155

Gleich beim Betreten des Museums über die frühere Zufahrtsrampe von der Ostseite her wird die gewollte exemplarische Dreitei­ lung deutlich. Eine aufgelockerte Fotodoku­ mentation führt entlang der linken Hallen­ wand durch die Bauzeit. Auftraggeber unse­ rer Strecke war damals das Reich, verantwort­ lich für die Aufsicht war aber der Großher­ zog von Baden (daher hieß diese Bahn bis zum Ende des Ersten Weltkrieges „Großher­ zoglich Badische Staatseisenbahn“). Weil er über die einzelnen Bauabschnitte eine Do­ kumentation anfertigen und diese zur Eröff­ nung der Strecke 1890 den leitenden Inge­ nieuren überreichen ließ, konnte die jetzige Ausstellung dank zweier erhalten gebliebe­ ner Exemplare fotografisch aufbereitet wer­ den. Aufgrund dieser Bilder können wir uns heute eine recht genaue Vorstellung von den Mühen der Arbeiter machen, aber auch von technischen Vorgehensweisen, etwa beim stückweisen Bau des Epfenhofener Viaduk­ tes mittels Hilfsgerüstbau. 156

Zum Reiz der Eisenbahn, und besonders der alte Dampfeisenbahn, gehört auch ein Blick hinter die Kulissen. Es liegt in der Natur dieser Dinge, daß sie wie alle techni­ schen Hilfsmittel früherer Zeiten durch Menschen benutzt oder bedient wurden. Und daher wird man sicher Verständnis dafur haben, daß Dinge, wie etwa die alten Laternen, Uhren oder Uniformen, größten­ teils nur hinter Glasvitrinen ausgestellt wer­ den können. Auch die original gezeichneten Pläne aus der Zeit 1887 bis 1890, oder ein Brief Robert Gerwigs, sowie zahlreiche Ori­ ginale, meist von privaten Leihgebern zur Dauerleihgabe, lassen beinahe vergessen, ,,nur“ in einem Museum zu sein. Daneben gibt es auch Technik zum Anfas­ sen: Ein Streckentelefon läßt seine Signal­ töne im Streckenwärterhäuschen ertönen, ein Fahrkartenstempler druckt auf nostalgi­ schen Fahrkarten das aktuelle Datum aus, Holzsitzbänke der ehemals 3. Klasse lassen von der alten Eisenbahnromantik in rattern- 157

der zahlreichen Vorführungen am Modell (Maßstab N) an der Stirnseite der Halle und für später geplanten Durchgang zum Muse­ umserweiterungstrakt. Dieses Modell ist die Hauptattraktion für jung und alt. Es zeigt detailgetreu den interessantesten Verlauf der Strecke vom Buchbergsüdportal bis zum Übergang über die Wutach beim Eintritt in den Kehrtunnel im Weiler. Wie groß ist jedesmal das Erstaunen, wenn das Modell­ bähnle im Kreiskehrtunnel verschwindet (Rätselraten und verblüfftes Suchen) und plötzlich an fast gleicher Stelle, aber höhen­ versetzt, wieder erscheint. Und wenn dann noch ein unüberhörbar lauter und langgezogener Pfiff ertönt, dann ist die Faszination Dampfeisenbahnroman­ tik fast vollkommen, denn in dem Moment rollt draußen mit einem nicht zu verkennen­ den Geräuschpegel der Museumsbahnzug ein. Und nun heißt’s Abschied nehmen, man ist eingestimmt auf eine Fahrt mit der wohl schönsten Museumsbahn der Welt. Eingestimmt durch ein kleines Museum, das nicht ein allgemeines Eisenbahnmuseum sein will, sondern ein Museum, das den lie­ bevollen Bezug zu „unserer“ Blumberger Bahn mit ihrer besonderen Geschichte her­ stellen möchte, nicht zuletzt auch endlich einer friedlichen Geschichte, denn Blum­ bergs Partnerstadt Valdoie ist ein Vorort der ehemaligen Festungsstadt Beifort. Dietrich Reimer den und rußgeschwärzten Abteilen träumen. Gleich daneben ein Stück „Stuhlschienen­ bau“, ein Originalschienenstück aus 1890 mit Holzschwellen, Gußbefestigung und Holznägeln zur Befestigung! Und wem das immer noch zu wenig ist, der bekommt einen Vorgeschmack auf den sonst während der Fahrt nicht nachzuvoll­ ziehenden Verlauf unserer Bahn während Max-Rieple-Archiv In Donaueschingen: Leben und Werk des Donaueschinger Schriftstellers werden wachgehalten Mit neun Jahren schrieb er seine ersten Gedichte. Eine Zeitung druckte sie. Die Muse in ihm war erweckt. Wie sollte dies auch anders sein bei einem, der in einem Haus aufwuchs, in dem ein Dichter gelebt hatte: Joseph Viktor von Scheffel, und das den Namen Scheffel-Haus bewahrt hat. Bis an sein Lebensende ist er der Muse treu geblieben. Das Letzte, was er schrieb, waren kurze Aphorismen. Auf dem Krankenlager notierte er sie. Gedanken über Leben und Tod. Im Alter von nahezu 79 Jahren nahm der Tod ihm die Feder für immer aus der Hand. Er hinterließ ein reiches schriftstelle­ risches Werk, das seinen Namen für die Nachwelt bewahren wird: Max Rieple. 158

,,Das gesprochene Wort ist ein davonflie­ gender Vogel, das geschriebene eingemeißelt in Stein“, so steht es auf einer Tafel aus Buntsandstein an seinem stattlichen Eltern­ und Sterbehaus an der Max-Egon-Straße in Donaueschingen, in dem die Erinnerung an Leben und Werk des Schriftstellers wach­ gehalten wird. Dank der Initiative seiner Tochter Angela Rieple-Egender und seiner Frau Anne Rieple­ Offensperger konnte dort im August 1992 in Gegenwart städtischer Repräsentanz ein Max-Rieple-Archiv eingerichtet und der Öf­ fentlichkeit übergeben werden, das allen in­ teressierten Bürgern, aber vor allem auch wis­ senschaftlichen Zwecken zur Verfügung steh“t. Literar- und Musikhistoriker finden hier eine Fülle an Material, insbesondere auch zu den Donaueschinger Musiktagen, deren Anfänge Max Rieple miterlebt und die er nach dem Kriege neu belebt und jahrelang als Vorsitzender der Gesellschaft der Musik­ freunde Donaueschingen begleitet hat. Er gehört zu den Naturen, ohne deren Werk und Wirken der badisch-alemannische Kul­ turraum um vieles ärmer wäre. In den Vitrinen des Archivs sind die liebe­ voll bewahrten Zeugnisse seines reichen, erfüllten Lebens, das 1902 in Donaueschin­ gen begann und dort 1981 beschlossen wurde, ausgestellt. Seine besonnte Jugend in dem rechtschaffenen Elternhaus, die er an­ schaulich geschildert hat, spiegelt sich nicht nur in den Fotos mit Eltern und Schwester, sie wird greifbar auch in konkreten Gegen­ ständen wie Griffelkasten, Zwille und Mund­ harmonika des Jungen und dem Kaleido­ skop, das sein liebstes Spielzeug war. ,,Solch ein Kaleidoskop mit seiner Vielfalt an unwie­ derholbaren Bildern schien mir mein Leben zu sein. Alles, was ich anpackte, packte auch mich an“, hat er einmal gleichnishaft formu­ liert. Schülerzeit und die Studentenjahre in Heidelberg, München und Freiburg werden in den Exponaten angesprochen. Die poeti- 159

MAX-RIB�LE-ARCHIV sehen Anfänge, eine erste Gedichtauswahl des 2ljährigen, werden ebenso dokumentiert wie seine Texte zu Theaterstücken und Sze­ nen für festliche Anlässe im Hause Fürsten­ berg. Musik wurde von Kind an Bestandteil seines Lebens, möglicherwei e lag sie ihm von Vorfahren wie Franz Schucker her im Blut. Schucker war Hofmusikus in Karls­ ruhe, seine ihm vom Patenonkel Franz Liszt verehrte Piccoloflöte vererbte sich auf Max Rieple. Sein Instrument wurde die Violine. Was die Pflege der Musen betrifft, so ver­ dankt er viel seinem väterlichen Freund und Mentor Heinrich Burkhard. Die weltweit bekannt gewordenen Donaueschinger Mu­ siktage nahmen einen hohen Rang in seinem Leben ein, dies alles wird in der Ausstellung lebendig. Seine lebenslange freundschaftli­ che Verbundenheit mit dem Hause Fürsten­ berg bekundet sich in Briefen, Medaillen, aber auch in Geschenken wie einem kostba­ ren Bowle-Service mit den eingravierten Symbolen: Geige, Zwirn und Federkiel. 160 Chronik und Werk tle! l>onaucM:hmgcr SchrtfL,tcllcr!i und Lyn�er, im MAX·RIEl’LE·IIAUS, Max·Egon-S1rußc 2, Parterre. Zugänglich; miuwoch� von 15.00 Uhr bis 17.00 Uhr oder nach Vcrcmh:1rung (Telefon: 0771-2375) I….W1l …. -• …. lUVl,p,tlrtnrnftW.�lot*lloo1 f“ll Im Zentrum der Ausstellung im Archiv stehen freilich das umfangreiche literarische Werk und sein Nachlaß. Statt Pflege der Schönen Künste war Max Rieple zunächst von der elterlichen Tradition her der Brot­ beruf des Kaufmanns beschieden, den er viele Jahre treulich ausgeübt hat. Er mußte sich also sein Werk, vor allem auch in den jungen Jahren schwerer Erkrankung, abrin­ gen, ehe er sich ausschließlich seinem poeti­ schen und literarischen Schaffen widmen konnte. Da hatte er sich schon längst einen Namen gemacht, der über Donaueschingen und die Region hinaus einen guten Klang im alemannischen Land und in ganz Deutsch­ land besaß. Fast hundert Bücher tragen seinen Na­ men auf dem Titel. Zahllos sind seine Ver­ öffentlichungen in Zeitschriften, Almana­ chen -darunter auch im Heimatjahrbuch des Schwarzwald-Baar-Kreises, Lesebüchern und Anthologien. Es sind vor allem klang­ schöne Verse: Max Rieple war eine lyrisch

gestimmte Natur. Viele Verse erlebten eine Vertonung. Er schrieb Erzählungen, Über­ tragungen von Gedichten insbesondere aus dem französischen Kulturraum. Für die Sprache des Nachbarlandes besaß er ein besonders feines Organ. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hat er damit neue, tragfähige Brücken zwischen den so lange zerstrittenen Völkern geschlagen. Dafür ge­ bührte ihm die „Palme“, Frankreich ehrte ihn mit der Ernennung zum Offizier des Ordens Palmes academiques. Viele Landschafts- und Reisebücher, in denen er den Menschen Heimat und Welt auf faszinierende Weise nahebrachte, ent­ stammen seiner fleißigen Feder. ,,Reisen mit Rieple“, das wurde zum geflügelten Wort. „Als mir die Schwarzwaldheimat zu eng wurde, ,entdeckte‘ ich fremde Länder. Lö­ sten nicht die Bilder, die ich auf meinen Rei­ sen erschaute, wie jene im Kaleidoskop ein­ ander ab? Sie beflügelten mich so, daß ich in mehr als zwanzig Reisebüchern das Ge­ schaute wiedergab.“ So hat er es in einer klei­ nen Lebensbilanz einmal angemerkt. Im dichterischen Wort und in gehobener Prosa fand er Zugang zu den Lesern in vielen Lan­ den. Er war nicht nur ein Meister der Spra­ che, auch mit der Kamera verstand er mei­ sterlich umzugehen. Er reiste oft zu seinen Lesern, ihnen das Geschaute und Erlebte in Lichtbildervorträgen noch unmittelbarer zu vermitteln, solange es seine Gesundheit ihm erlaubte. Der Dichter und Schriftsteller emp­ fand, wie er es selbst ausgedrückt hat, sein ganzes Leben als eine Reise, die an jeder Wegbiegung etwas Neues bereithält. Das Archiv birgt als einen bedeutsamen Schatz auch 120 Leitz-Ordner mit Materia­ lien zu Rieples Leben und zu dem umfang­ reichen literarischen Schaffen: Dokumente, Briefwechsel mit bedeutenden Persönlich­ keiten, mit Schriftsteilerkollegen, berühm­ ten Komponisten und Musikern, Zeitungs­ berichte und Veröffentlichungen über Max Rieple. Das Vermächtnis ist von Anne Rieple-Offensperger treulich gepflegt und geordnet worden, damit es wissenschaft- liehen Zwecken leicht zugänglich gemacht werden kann. Als wesentliche Frucht einer ersten Sichtung und Bearbeitung ist eine mit wissenschaftlicher Akribie verfaßte Lebens­ dokumentation Max Rieples von Dr. Werner Heyd vorgelegt worden, die als Grundlage für weitere Aufschließung des Werkes die­ nen kann. Die gute Stunde und die Betreuerin des Archivs, Anne Rieple-Offensperger, öffnen dem interessierten Archivgast wohl auch ein Einblick in Max Rieples Gästebücher. Sie enthalten Eintragungen von Dichtern wie Rudolf Hagelstange, Werner Bergengruen, Karl-Heinrich Waggerl, Edzard Schaper, Friedrich Bischoff und Ludwig Emanuel Reindl. Komponisten, die die Musik des 20. Jahrhunderts entscheidend geprägt ha­ ben, waren, besonders an den alljährlich stattfindenden Donaueschinger Musiktagen für zeitgenössische Tonkunst, Gäste des langjährigen Präsidenten der Gesellschaft der Musikfreunde im Hause Rieple. Im Gästebuch sind die Namen verzeichnet u. a. von Alois Haba, Paul Hindemith, Igor Stra­ winsky, von Fortner, Stockhausen, Hart­ mann, Blocher, von Cage, Boulez, Nono, lsang Yun, von Sutermeister, Ligeti, Pende­ recki bis zu Kagel und Holliger. Ihre Eintra­ gungen, zum Teil mit Notenautographen versehen, sind ausdrucksvolle Zeugnisse aus­ gesprochen freundschaftlicher Verbunden­ heit mit Max Rieple. Paul und Gertrud Hin­ demith, als sie 1952 aus den USA wieder nach Donaueschingen kamen, schrieben: ,,Den alten Max wiedergesehen zu haben … “ Sol­ che Bücher sind große Kostbarkeiten. Persönlichkeiten wie Max Rieple, die im besten Sinne Kultur des Landes verkörper­ ten, sind rar geworden. Die Heimatstadt Donaueschingen, der zeitlebens seine große Liebe gegolten hat, und deren Fasnet er in Versen ein ganz persönliches Denkmal ge­ setzt hat, wußte seinen Rang und seine Ver­ dienste ebenso zu schätzen wie der Staat. Hinter Glas sind im Archiv denn auch hohe Auszeichnungen nebst Urkunden zu sehen, die dem berühmten Donaueschinger Bürger 161

zuteil geworden sind, die Goldene Medaille der Stadt Donaueschingen und das Bundes­ verdienstkreuz Erster Klasse, das ihm der Bundespräsident verliehen hat sowie die Goldene Medaille des Landes Baden-Würt­ temberg und der oberrheinische Kulturpreis. Ganz schlicht und einfach, aber zutref­ fend nimmt sich da am Ende das Plakat aus, das Susanne Seidel-Buri für das Archiv geschaffen hat: Auf ihm verschlingen sich der Zwirns- und Lebensfaden des Kauf- manns mit der Geige als dem Instrument des Musensohnes und der Feder des Poeten Max Rieple zu einem Symbol für ein reiches und erfülltes Leben. Auf den zahlreichen Foto­ grafien und in zwei Bildwerken von Rose Baumann und Alice Roskothen-Scherzinger ist der so Geehrte selbst gegenwärtig in einer Atmosphäre, die Geist und Luft der Kultur, von Poesie und Musik atmet. Arthur Lamka Das Brauerei-Museum der FÜRSTENBERG-Brauerei Die Geschichte des deutschen National­ getränkes BIER, eines der ältesten Nahr- und Genußmittel der Menschheit, ist spannend. Ein Ausschnitt dieser Geschichte wird doku­ mentiert im Brauerei-Museum der FÜRST­ LICH FÜRSTENBERGISCHEN BRAUE­ REI KG in Donaueschingen. Untergebracht ist dieses 1980 errichtete, 1987 /88 veränderte Museum, im alten Sud­ haus der Brauerei und in den angrenzenden Räumen, den sogenannten Tennen, der bis ins Jahr 1967 früher dort betriebenen Mälze­ re1. Jede Brauereiführung beginnt in diesem komplett mit Kupfergefäßen eingerichteten Sudhaus aus dem letzten Jahrhundert. Bis zum Jahr 1959 war dieses Sudhaus voll im Betrieb, wurde dann für Spezialsude bis 1977 noch weiterbetrieben und dann stillgelegt (Abb. 1). Die Besucher erhalten mit einer Dia­ Schau eine Einführung in die Geschichte des FÜRSTENBERG-Bieres und dessen heuti­ gen Herstellprozeß. Die Geschichte des Hauses FÜRSTENBERG wird dabei geschil­ dert, denn das Haus FÜRSTENBERG hat seit 1283 das offiziell von König Rudolf von Habsburg verliehene Braurecht. Daß die Geschichte des Bieres so alt ist wie die Geschichte der Menschheit, wird auf dem Besucherweg demonstriert. Im heuti­ gen modernen Sudhaus findet man einen Spruch aus dem Gilgamesch-Epos, dem älte- 162 sten Epos der Weltgeschichte, stammend von den Sumerern um ca. 3000 v. Chr. im Lande des Euphrat und Tigris, dem heutigen Irak: ,,Jß Brot, das gehört zum Leben, trink Bier, wie es Brauch ist im Lande‘: so lautet dieser Spruch aus dem Gilgamesch-Epos. Das Bier hat die Menschheitsgeschichte auf ihrem gesamten Weg begleitet. In diesem alten Sudhaus, dem heutigen Empfangsraum, fin­ det man auch Original-Grundrisse der frühe­ ren sogenannten „Schloß-Brauerei“, die im heutigen Schloßpark seit Ende des 16.Jahr­ hunderts stand. Weiter findet man Entwurfs­ pläne der 1739 an der Stelle errichteten Brau­ stätte, wo die heutige Brauerei steht. Beginnt man aus diesem Sudhaus den Rundgang durch das Museum, so findet man in der ersten Tenne das Original-Brauerwap­ pen der im Mittelalter hochangesehenen Handwerkszunft der Brauer. Dieses besteht aus einem Holzbottich, darin stehend das Gerät der Mälzer, die Malzschaufel, ein Rührscheit für das Sudhaus mit einer Holzschapfe. Das Ganze wird umrankt von Hopfendolden. In einem Bleiglasfenster fin­ det man dieses Original-Wappen und auch das Wappen des Geschlechts der FÜRSTEN­ BERGER. Im selben Raum, in einer Vitrine unterge­ bracht, findet man historische Trinkgefäße, zum Teil stammend aus dem Ende des letz­ ten Jahrhunderts mit der Aufschrift „Tafelge-

Abb. 1: Altes Sudhaus tränk Seiner Majestät, des Kaisers“. Spezielle Gläser sind darin untergebracht mit speziel­ len Namen: Paul Becher Grazer Tulpe Christian Tulpe Harzer Pokal. Glaskrüge befinden sich dort: Radeberger Eckenseidelstern Bodenseidel Hannakugel Tübinger Kugel. Dort befinden sich auch Tonkrüge der in den letzten 20 Jahren in der FÜRSTEN­ BERG-Brauerei aufgegangenen Brauereien: Bilger-Brauerei, Gottrnadingen Bären-Brauerei, Schwenningen Warthauser Brauerei, Warthausen Hanna-Brauerei, Albstadt. Hier befinden sich auch alte Bierflaschen, alte Bierteller, alte Etiketten und sonstige historische Werbeartikel. Aus diesem Raum führt ein Gang in eine weitere frühere Malz-Tenne, in den letzten Jahren umgestaltet zu einem repräsentativen Tagungs- und Schulungsraum, genannt die ,,TENNE“. Interessant in einer dieser Vitrinen sind auch Bierabholbücher aus den Jahren 1841, 1855, 1867 und 1869. Sie stammen aus dem früheren Gasthaus Gebert in Löffingen, ein bis 1980 von der Familie Gebert, seit 150 Jah­ ren mit FÜRSTENBERG betriebenen Lo­ kals, das nach Umbau als der heutige ,,Hexenschopf“ in Löffingen zu finden ist. Im Durchgang zur nächsten Tenne und Ausstellungsraum befinden sich Nachbil­ dungen historischer Ofenplatten aus dem Jahre 1746 aus der alten Brauknechtsstube, dem ersten 1739 errichteten Brauhaus. In die­ sem Raum befindet sich heute das Büro des Braumeisters. In dem angrenzenden Raum findet man Einzelstücke aus der historischen Technik 163

tige Malz und einige historische Geräte zur Bearbeitung des Grünmalzes, beginnend bei dem Haupthandwerkszeug des Mälzers, der Malzschaufel, eine bereits technische Ver­ besserung in Form eines Propellermalzpflu­ ges, Rechen- und Schüttelgabel für die Bear­ beitung des fortgeschritten keimenden Grünmalzes. Alte Wagen stehen dort, mit denen vor der pneumatischen und mecha­ nischen Förderung von Gerste, Malz und Grünmalz der Transport vorgenommen wurde. Besonderes Interesse findet immer ein Relikt für den weiteren wichtigen Rohstoff der Bierherstellung, das Wasser. Bereits im 16.Jahrhundert hatte man erkannt, welche Bedeutung das Wasser für die Qualität des Bieres hat und hat aus einer Q!.ielle in Aufen, heute einem Stadtteil von Donaueschingen, das Brauwasser in einer kilometerlangen Holzdeichelleitung zur damaligen Brauerei geführt. Eine historische Karte über den Ver­ lauf dieser Wasserleitung hängt dabei sowie eine historische Skizze über einen Brunnen. Auf derselben Seite des Raumes befin­ den sich umfangreiche Werkzeuge und Ge­ rätschaften aus der früher für die Brauerei so wichtigen Küfer-Werkstatt. Man findet Werkzeuge zur Bearbeitung der Dauben, eine Schnitzbank, die verschiedensten Ho­ bel, Zirkel, Brenneisen und viele Kleinwerk­ zeuge. Daran anschließend befinden sich einige Gerätschaften und Gefäße aus Kupfer, dem früher so wichtigen Metall in der Brauerei. Eine Handbierpumpe aus Messing und Kupfer ist dort noch ausgestellt (Abb. 3), dazu gehört ein sogenannter Verschneid­ bock aus Messing, einem wichtigen Gerät zum problemlosen Abwickeln der Bierförde­ rung. Im Hintergrund ist die Abbildung eines früheren Eiskellers einer Brauerei zu sehen. Vor der Erfindung der Kältemaschine wurden die Brauerei-Keller mit den natürlichen Kellern und zusätzlich mit Natureis gekühlt. Dazu gehört auch eine Original-Eiszange zum Fördern des Natureises aus einem Eisweiher. Abb. 2: Holzlagerfaß Abb. 3: Handbierpumpe der Brauerei; größere Gerätschaften, die aus Platzgründen dort nicht einzubringen waren, findet man auf dem weiteren Besu­ cherweg durch die Brauerei, dies sind histori­ sche Holzgärbottiche, Holzlagerfässer mit einem kompletten Faßabfüllorgan (Abb. 2). Links nach dem Eingang in diesen Raum befinden sich zunächst Gerätschaften aus der früheren Malzherstellung, eine kom­ plette Malzreinigungsmaschine für das fer- 164

Original-Schuhe eines Bierbrauers sind ebenfalls dort in der Ecke zu finden. Rechts von der Ausgangstür findet man einen alten sogenannten Haustrunk-Automaten, aus dem früher die Brauerei-Arbeiter ihren tägli­ chen Haustrunk im Krug gegen eine Bier­ marke herauslassen konnten. Auf der gleichen Seite schließt sich eine Abteilung an mit historischen Geräten aus dem auch schon damals wichtigen Brauerei­ Labor. Man findet ein Maisehbad, Kupferge­ räte zur Wasserbestimmung in Gerste und Malz, verschiedene Waagen, weitere alte Gerätschaften zur Untersuchung des Bieres. Seitlich davon ist die Entwicklung der Generationen von Biertransport-Fässern, vom alten traditionellen Holzfaß über das Aluminium-Faß bis zum heutigen moder­ nen „Keg“, dargestellt. Des weiteren sieht man die Entwicklung der Bierflaschen und der dazugehörigen „Bier-Kisten“, vom letzten Jahrhundert bis zur heutigen schlanken Flasche im Kunst­ stoff-Kasten. Damit schließt sich der Kreis des Rund­ ganges durch das kleine Museum der FÜR­ STENBERG-Brauerei mit einem Streifzug durch die Technik des Brauens und einer kleinen vergnüglichen Lektion über das Volksgetränk Bier. Werner Hohloch Öl: Nordstellen 1991 Klaus Burk 165

Baudenkmäler, Ortssanierung Die Grusen-Villa in Schwenningen Der Bau dokumentiert wirtschaftliche Prosperität Schwenningens bäuerlicher Kern, jüngst in den noch erhaltenen Teilen erfolgreich saniert, dokumentiert den geschichtlichen Ursprung des Ortes. Genau hier, Ob dem Brückle, steht heute noch das Stammhaus der Firma Schlenker-Grusen. Die ersten Anfänge industrieller Ferti­ gung von Zeitmeßgeräten wurden in diesem Fachwerkhaus vollzogen. 1888 beginnend, lag 17 Jahre lang die Produktion in ländlicher Idylle. 1905 läßt Jakob Schlenker-Grusen (1855 bis 1913) in unmittelbarer Nähe des Stamm­ hauses eine Fabrikanten-Villa großbürgerli­ chen Stils für die repräsentativen Wohnbe­ dürfuisse seiner Familie bauen. Auf dem Areal stadtauswärts hinter den Gebäuden entsteht eine weitläufige Fabrikationsanlage: der wirtschaftliche Aufschwung Schwennin­ gens dokumentiert sich in bürgerlicher Architektur. Das Büro für Architektur und Kunstgewerbe Blasius Geiger erkannte die Zeichen der Zeit. Neben Gaststätten und Wohnhäusern für leitende Angestellte war Blasius Geiger der Architekt für gehobene Ansprüche in Schwenningen. Von dem großbürgerlichen Prachtstück von 1905 war der Bauzustand in den achtzi­ ger Jahren des 20. Jahrhunderts weit entfernt. Fast 25 Jahre lang wurde das Gebäude so gut wie nicht genutzt, das Schieferdach war schadhaft, die hochwertige Ausstattung stark in Mitleidenschaft gezogen, die Ansicht schäbig. Direkt neben dem sanierten bäuerlichen Kern Schwenningens gab die Grusen-Villa 166

ein trauriges Bild am Rande des Ensembles ab. Erste Kontakte zwischen der Stadt Villin­ gen-Schwenningen, dem Eigentümer und dem Landesdenkmalamt reichen bis in das Jahr 1982 zurück. Die Vorgespräche gipfeln 1988 in einer Rüge des Oberbürgermeisters, der auf die Erhaltungspflicht nach§ 6 Denk­ malschutzgesetz hinweist. Dennoch war der Dialog in Gang gekommen, Rahmenbedin­ gungen wurden abgesteckt: Das Gebäude sollte den Eigentümer nicht wechseln. Der Sanierungs-Architekt wurde benannt, die Sanierung sollte stattfinden. Die Vorstellungen der Denkmalpflege zum Erhalt sowohl der Außenhaut als auch der inneren Einrichtung wurden heftig disku­ tiert. Starke Schäden durch undichte Dach­ haut sowohl an den Deckenmalereien, den historischen Tapeten, den Holzeinbauten und am Täfer ließen den Eigentümer die denkmalpflegerischen Sanierungsmaßnah­ men zunächst als unrealistische Forderun­ gen ansehen. Das Objekt sollte sich nach der Sanierung wieder rechnen lassen und der Kapitaleinsatz mit den Erlösen in einem ver­ nünftigen Verhältnis stehen. Ein Restaurie­ rungskonzept wurde entwickelt. Gleichzei­ tig wurde das Dach als Sofort-Maßnahme in Angriff genommen und die Schieferdeckung erneuert. Schritt für Schritt kamen einzelne Gewerke zur Entscheidungsreife. Auf der Seite des Investors sollte die Sanierung „et­ was Rechtes“ bringen, die Denkmalpflege wollte soviel historische Substanz erhalten wie möglich. Da waren z.B. die alten Fen­ ster, die wahrlich nicht den Eindruck mach­ ten, als würde man mit ihnen Wärme- und Schallschutz verbinden und gleichzeitig eine lange Lebensdauer gewährleisten können. Einer der Holzrestauratoren verdeutlichte mit einer kleinen Vorführung die �alität der historischen Fenster anschaulich, indem er sich während einer Diskussion über die Stabilität der historischen Fenster schlicht an einen schwingenden Flügel hängte – und das Fenster hielt. Verlauf der Oberdoifttraße in Schwenningen. Firmengebäude, rechts Villa. Das Fachwerkhaus, heute noch vorhanden,fehlt hier in der Darstellung. 167

Jakob Schlenker-Grusen (1855-1913) Wärme- und Schallschutz wurden durch die Aufdoppelung einer weiteren Scheibe erreicht. So gelang es, mit den Nutzungs­ wünschen der Langlebigkeit, des Wärme­ und Schallschutzes, durch die Reparatur der historischen Fenster einerseits Geld zu spa­ ren, andererseits durch die Erhaltung der Proportionen der Sprossen und der Fenster­ teilung das Gesicht de Hauses von außen zu wahren. Die Partner aus Handwerk und Restaurierungszunft haben erheblich zum Gelingen der Maßnahme beigetragen und brachten auch durch Gewährleistungen überzeugende Argumente in die Diskussion. 168 Zahlreiche Gespräche, bei denen das Ver­ ständnis für die Argumente des jeweils ande­ ren wuchs, wie die Unterstützung des Landes und der Denkmalstiftung haben zu einer ver­ trauensvollen Zusammenarbeit aller beige­ tragen, bei denen der Architekt sicherlich eine zentrale Rolle spielte. So kam es im Jahr 1990 zur Vorbereitung der Eintragung des Objekts in das Denkmalbuch(§ 12 Denkmal­ schutzgesetz). Der Landesdenkmaltag 1990 in Villingen­ Schwenningen hat nachhaltig das Selbstver­ antwortungsgefühl für historische Bausub­ stanz in der Doppelstadt unterstützt.

Schon bei der Materialwahl des neuen Daches kam natürlich die Frage der Kosten zur Diskussion. Der vorgegebene Baustoff Schiefer, der dem Charakter des Baus Rech­ nung trägt, konkurrierte mit einer Betondek­ kung. Bei dieser Entscheidung trug zum ersten Mal das Vertrauen zwischen Eigentü­ mer und Denkmalpflege. Schiefer wurde gewählt. Im Herbst 1991 wurde das Nut­ zungskonzept fixiert. Dort, wo früher die beiden Familien Schlenker-Grusen junior und senior residierten, sollte gewerbliche Nutzung bei Beibehaltung der Raumauf­ teilung und der Abgeschlossenheit der Woh­ nungen einziehen. Die Zimmer der Bedien­ steten im Dachgeschoß wurden zur Woh­ nung umgebaut. Die Restaurierung begann. Bei der Ab­ nahme zur Restaurierung des Täfers im Flur gab es einen bedenklichen Befund: Haus­ schwamm. Plötzlich stand die gesamte Sa­ nierungsmaßnahme in Frage. Erst die gut­ achterliche Stellungnahme des Schädlings­ sachverständigen zeigte einen Weg zur er­ folgreichen Befallsbeseitigung auf. Diese Maßnahme rettete einen Großteil der histo­ rischen Ausstattung. Unter Abwägung aller Aspekte, des Befalls, der Sanierungsmöglich­ keit, der bereits getätigten Investitionen, wurde der gemeinsame Entschluß getroffen: ,,wir wollen weitersanieren“. Bei der Ent­ scheidungsfindung halfen Erfahrungen bei bereits erfolgreich durchgeführten Haus- ,…. J Putzornamente 169

schwammsanierungen. Der künstlerische Wert des Hauses und die wirtschaftsge­ schichtliche Aussagekraft des Objektes für Schwenningen standen bei der Entschei­ dungsfindung nicht im Mittelpunkt der Beratung. Eine relativ nüchterne Nutzen­ Erfolgs-Kosten-Analyse hat zu diesem Er­ gebnis geführt. Die lange Phase der Nichtnutzung des Gebäudes sowie die Nichtbeachtung von Schäden im Dachbereich hatten zu gravie­ renden Feuchtigkeitsschäden bei der Aus­ stattung geführt. Einbauschränke, Stukkatu­ ren, Täfer und historische Tapeten hatten gelitten und bedurften restauratorischer Maßnahmen zum Erhalt und zum Teil zur teilweisen Wiederherstellung. Negativ hatte sich das Fehlen einer funktionierenden Hei­ zung über mehrere Jahre und die erwähnte Feuchtigkeit ausgewirkt. Dies war der Nähr­ boden für den Hausschwamm. Aus Kosten­ gründen wurde auf die Offenlegung und somit die Restaurierung der Malerei im Trep­ penhaus verzichtet. Lediglich konservie­ rende Maßnahmen wurden ergriffen, bevor die Malerei zugedeckt wurde. An der Außenhaut sind Natursteinarbei­ ten nur im akuten Gefährdungsbereich durchgeführt worden. Altersspuren sind bewußt belassen. Durch das Verständnis der Bauherrschaft und die Sensibilität des Archi­ tektenbüros konnten Handwerker und Restauratoren mit großem Gespür für die handwerklichen und kunsthandwerklichen Leistungen um die Jahrhundertwende beauf­ tragt werden. Von der gußeisernen Garten­ einfriedung und Fenstergittern, Sandstein­ dekor an der Fassade, über Holzarbeiten (Täfer, Einbaudekor und anderes) vegetabile Deckenmalerei, florale und geometrische Stuckarbeiten bis zum Prunkkachelofen und zur Prägetapete reicht die Palette der Mate­ rialgruppe, die am Haus vorzufinden waren. Bei all diesen Arbeiten wie bei der Bleivergla­ sung im Treppenhaus galt der Arbeitsansatz ,,Reparatur vor Ergänzung oder Erneue­ rung“. Gemeinsames Ziel der Durchführung der Sanierung war ein zügiges Fortschreiten des Planungsablaufes. Die Entscheidungsfin­ dung war jedoch geprägt von dem Gedan­ ken, daß dem Objekt wohltut, die richtigen Maßnahmen zu treffen vor schnellen Ent­ scheidungen. So wurde behutsam, aber zügig gearbeitet. Die Durchführung wurde im Frühjahr 1993 beendet. Das Objekt wurde in diesemJahr mit dem Denkmalschutzpreis des Schwäbischen Hei­ matbundes ausgezeichnet. Dr. Friedrich Jacobs Die Villa Dolly in Donaueschingen In der Donaueschinger Josefstraße, der Verbindungsstraße zwischen Bahnhof und Schützenbrücke, steht direkt neben dem Parkeingang an der Brigach ein Haus mit der Hausnummer 1, das ganz aus dem Rahmen der übrigen Häuser und Gebäude in dieser Straße fällt. Am ehesten paßt es vom Stil her, dem spätbarocken bis klassizistischen Aus­ sehen, zum schräg gegenüber gelegenen „Hotel zum Schützen“ , ist aber viel kleiner und wird privat genutzt. Es ist, zusammen mit dem sich dahinter befindlichen großen Gartengelände, eine Villa, die auch einen eigenen Namen hat, es ist die „Villa Dolly“, die dem Hause Fürstenberg gehört. Durch die Tatsache, daß dieses Haus erst im Jahre 1842 vom Fürsten Karl Egon II. (1796-1854) gekauft wurde, rund 60 Jahre vorher aber von einer Bürgersfamilie erbaut worden war, sind keinerlei Bauakten oder Pläne aus der Erbauungszeit im Fürstenberg­ Archiv vorhanden. Man weiß auch nicht, wer der Baumeister war, der im Jahre 1785/86 den Auftrag erhielt, für diese Villa, die als rei­ nes Wohnhaus Verwendung finden sollte, die Pläne zu entwerfen. 174

Man ist geneigt, in dem landauf, landab berühmten und sehr tätigen fürstenbergi­ schen Baudirektor Franz Joseph Salzmann (1740-1786) den Planverfertiger zu suchen (vgl. Almanach 1989, Seite 122-128). Vom Stil her, mit den Lisenen an den Fassaden – den pfeilerartigen, wenig vortretenden senk­ rechten Mauerstreifen zwischen den Fen­ stern zur Auflockerung der Flächen – und der für Salzmann so typischen Dachform, könnte er es sein. Gesichert ist dies allerdings nicht. Mit dem zentralen, etwas wuchtigen Haupteingang, den Verzierungen an den Fensterbänken und den kapitelartigen obe­ ren Lisenenabschlüssen ist die ,,Villa Dolly“ schon ein besonderes und auffallendes Haus, dessen Planer auch ein besonderer Baumeister gewesen sein muß. Vielleicht war es Salzmanns letztes Bauwerk. Eine erste Nachricht über dieses Haus erfahren wir aus einem ausführlichen vier­ händigen Werk, dem feinsäuberlich handge­ schriebenen „Lagerbuch“ (Urbarium) des einstigen Marktfleckens Donaueschingen, das zusammen mit der großen Donau­ eschinger Bannkarte im Jahre 1793 entstan­ den ist. Die fürstenbergische Regierung ließ es für ihre Zwecke von dem bei ihr angestellten Vermessungsingenieur (Renovator) Phillipp Jacob Krauß erstellen. Aus Band 4, Seite 1551, geht hervor, daß eine „Frau von Hirrlinger, verwittibte Ge­ heime Räthin“ im Jahre 1793 Besitzerin die­ ses Hauses war. Ihr Mann,Joseph Anton von Die“ Villa Dolly“ in der Josefstraße in Donaueschingen war im Jahre 1930 das Motiv einer gedruckten Postkarte. Der damalige Bewohner des Hauses, Max Egon II. Fürst zu Fürstenberg, ließ sich, am Eingang stehend, mit aufnehmen. • Villa Dolly, 175

Hirrlinger, seit 1749 in mehreren fürstenber­ gischen Amtsstädten in den Außenstellen der Verwaltung beschäftigt, kam im Jahre 1783 als „Geheimerrath“ nach Donaueschin­ gen, ist aber noch im gleichen Jahr verstor­ ben. Seine Witwe ließ diesen Bau errichten und wohnte dort mit ihren Kindern. Für den Bauplatz erwarb sie sowohl von der Gemein­ de Donaueschingen Gelände neben der heu­ tigen Schützenbrücke an der Brigach, als auch einen Teil der sogenannten „Oberen Hofwies“ vom Hause Fürstenberg. Diese Hofwiese, nur ein Teil der viel grö­ ßeren früheren „Ochsenweide“, war schon im Jahre 1793 zu sogenannten „Besoldungs­ gärten“ für die beim Hause Fürstenberg Beschäftigten angelegt worden. Es war das Gelände vom Platz des heutigen „Altenhei­ mes St. Michael“ bis hin zur Brigach, früher hier allgemein bekannt unter dem Namen ,,Kentrich-Gärten“. Zu dem „von Hirrlinger’schen Haus“ ge­ hörte sowohl hinter, als auch neben dem Haus, noch eine „Hofstatt“ – südlich bis hin zu dem Anwesen des ehemaligen fürstenber­ gischen Hofuhrenmachers Johann Finck -, auf der ein Wasch- und Backhaus und ein eigener „Gumpbrunnen“ (Pumpbrunnen), kein gemeindeeigener Tiefbrunnen, stand. Ein „Haus- und Kuchelgarten“ war ebenfalls vorhanden. Im Jahre 1805 verheiratete sich der 1790 in fürsten bergische Dienste getretene und 1805 zum „Fürstlichen Hofrat“ ernannte Anton Rautter mit der Tochter, dem Fräulein Nan­ nette von Hirrlinger und zog in das „von Hirrlinger’sche Haus“ in der Josefstraße ein. Nach dem Tod (Datum ist nicht zu ermit­ teln) der verwittibten Geheimen Räthin Frau von Hirrlinger ward das stattliche Haus neben der Schützenbrücke umgetauft und hieß von nun an das „Hofrath Rautter’sche Haus“. Anton Rautter lebte darin mit seiner Fa­ milie. Es war damals eines der wenigen Häu­ ser in der Josefstraße südlich der Brigach. Im Jahre 1837 ließ sich Rautter aus gesundheit­ lichen Gründen pensionieren, er verstarb im 176 Jahre 1842. Seine Witwe Nannette, geborene ,,von Hirrlinger“, zog mit den Kindern zu­ rück nach Meßkirch, von dort war ihr Vater gekommen. Das „Rautter’sche Haus“ stand nun zum Verkauf und schon hatte der für­ sten bergische Hoffactor Rothschild seine Hände im Spiel. Er hatte sich durch Kredite an die Witwe ein Vorkaufsrecht gesichert. Das Haus Fürstenberg, d. h. Karl Egon II. Fürst zu Fürstenberg (1796-1854), hatte aber großes Interesse an dieser Villa und über­ nahm von Herrn Hirsch Samuel Rothschild, seinem Hoffactor, das Haus samt zugehö­ rendem Gelände durch Kauf. Die Witwe Rautter in Meßkirch bekam noch 10 110 fl. (Gulden) ausbezahlt. Das Haus an der Schützenbrücke, nach dem Großherzog Leopold von Baden da­ mals „Leopoldsbrücke“ genannt, wurde nun von innen und außen total renoviert, diente sodann dem fürstenbergischen Hofkavalier und Hofintendanten Franz Simon von Pfaf­ fenhoffen und seiner Familie als Wohnung und nach seinem Tode im Jahre 1872 seiner Witwe als „Q!iartier“. Nach ihrem Ableben übernahm das Haus Fürstenberg das immer noch benannte „ehemalige Rautter’sche Haus“ in eigene Regie, d. h. es war als Wohn­ sitz für den Erbprinzen Karl Egon IV. und seine seit dem Jahre 1881 mit ihm verheira­ tete Gemahlin Dorothea von Talleyrand­ Perigord aus dem Hause der Herzöge von Sagan vorgesehen. Im Jahre 1890 verfügte Karl Egon III. Fürst zu Fürstenberg (1820- 1892), daß das Haus fortan ,,Villa Dolly“ (nach der Erbprinzessin Dorothea = Dolly) genannt werden solle. Fürst Karl Egon III. verstarb am 15. März 1892 und noch im selben Jahr begann sein Sohn, Karl Egon IV. (1852-1896) mit seiner Gemahlin, der Fürstin Dorothea, das hiesige Schloß total umzubauen. Das heutige Ausse­ hen erhielt das Schloß durch den Um- und Ausbau zwischen 1893 und 1896. Eine Kup­ pel wurde aufgesetzt, die Fassade reicher ver­ ziert, die Einfahrt mit Terrasse darüber vor­ gebaut und die rückwärtigen Flügel ange­ baut. Während dieser 4jährigen Umbau-

Der Donaueschinger Maler Erwin Heinrich wählte 1936 die „Villa Dolly“ als Motiv fiir ein zartes Aquarell. Das neben der Schützenbrücke an der Brigach gelegene Haus bietet auch im Winter einen schönen Anblick. Die Schwarzweiß-Wiedergabe des farbenfrohen Aquarells vermittelt nur annähernd den Reiz des Originals. phase wohnte das junge Fürstenpaar noch in der ,,Villa Dolly“. Im Jahre 1896, nur wenige Wochen nach der Fertigstellung des Schlos­ ses und nach der Übersiedlung in sein neues Schloß, verstarb Fürst Karl Egon IV. an einer heimtückischen Krankheit am 27. Novem­ ber in Nizza. Seine Witwe, die Fürstin Do­ rothea (Dolly) zog es wieder in ihre Heimat, nach Paris, und, da diese Ehe kinderlos geblieben, war somit die hiesige, d. h. die sogenannte „Schwäbische Linie“ des Hauses ausgestorben. Von der Sekundogenitur-Linie in Böh­ men, dort war das Haus Fürstenberg seit dem frühen 18. Jahrhundert ebenfalls begütert, kam schon im Jahre 1897 Max Egon II. Fürst zu Fürstenberg (1863-1941) nun als Chef des Gesamthauses nach Donaueschingen. Er zog nicht in das neue geräumige Schloß, son­ dern wählte die ,,Villa Dolly“ für sich und seine Familie als Wohnsitz. Seit dem Jahre 1890 war auch durch Kauf das nach Sü­ den anschließende sogenannte „Finck’sche Haus“ in den Besitz des Hauses Fürstenberg übergegangen, so daß genügend Platz vor­ handen war, um auch das Sekretariat des Für­ sten Max Egon II. darin unterzubringen. Fürst Max Egon II. verstarb im Jahre 1941. Im Zweiten Weltkrieg blieb die „Villa Dolly“ zwar von Bomben verschont, die Auswirkungen von der Sprengung der Schüt­ zenbrücke im April 1945 hatten ihr aber stark zugesetzt, sie war vorübergehend nicht mehr bewohnbar. Von 1947 bis 1949 hatte der 177

Deutsche Caritasverband darin ein Heim­ kehrerheim für entlassene deutsche Kriegs­ gefangene eingerichtet und unterhalten. Von 1951 bis 1957 war die ,,Villa Dolly“ nach einer gründlichen baulichen Überho­ lung Wohnsitz de damaligen Erbprinzen Joachim und seiner jungen Familie. Seither stand das Haus fürstenbergischen Beamten als Dienstwohnung zur Verfügung. Die ,,Villa Dolly“ aber behielt ihren Na­ men bis zum heutigen Tag und ist zu einem feststehenden und bekannten Begriff gewor­ den. Gerade die jüngste Generation der Do­ naueschinger verbindet mit diesem besonde­ ren Bauwerk an der Schützenbrücke schöne Erinnerungen, denn dort erhalten sie nach einer langen Tradition alljährlich an der Fast­ nacht vordem Haus am „Schmutzigen Don­ nerstag“ vom Fürsten selbst oder von Mit­ gliedern des Hauses Süßigkeiten als Lohn für die Teilnahme am Donaueschinger Kinder- umzug. Wer hat sich dort nicht schon gedul­ dig in Reih und Glied aufgestellt und sich zusammen mit den Eltern über die fürstli­ chen Bonbons gefreut? Seit einigen Jahren bewohnt Prinz Karl Friedrich, der zweitälteste Sohn des Fürsten­ paares, die Villa Dolly und hat sie und den angrenzenden Garten ganz im Stil seiner Generation eingerichtet und gestaltet. Noch in diesem Jahr wird sie wiederum einen neuen Anstrich in dezenter Farbgestaltung nach dem Stil der Erbauungszeit erhalten und somit weiterhin ein Schmuckstück der Josefstraße und somit der Stadt Donau­ eschingen bleiben. Den Fremden und Durchreisenden fallt sie jedenfalls schneller ins Auge als den Einheimischen. Durch die an der Fassade angebrachte Beschriftung gibt sie allen Interessenten Auskunft darüber, daß sie im Jahre 1786/88 erbaut wurde. Georg Goerlipp Die ,,Alte Färbe“ in Furtwangen wurde saniert Landauf, landab bestand oder besteht bei vielen Narrenzünften der Gedanke bzw. der Wunsch nach einer Zunftstube oder einem Zunfthaus. Auch bei uns war dieser Wunsch seit Jahren in den Hinterköpfen der Verant­ wortlichen. Nachdem wir 1984 unseren Nar­ renbrunnen seiner Bestimmung übergeben konnten, trat die Idee Zunftstube immer mehr in den Vordergrund. Und doch dauerte es noch bis 1987, bis wir dem Projekt einen Schritt näher kamen. Damals hatten wir in einem Pressegespräch laut über die Möglich­ keit nachgedacht, ein ziemlich herunterge­ kommenes Gebäude in der Innenstadt zu übernehmen, um es zu sanieren. Dieses Haus war damals im Besitz des Landes und war zum Abriß bestimmt. Die Stadt nutzte es als „Übergangswohnheim“ für sozial Schwache und Asylanten. Für uns war dieses Haus jedoch geradezu ideal, einmal wegen der Lage und zum anderen war es nicht in Privatbesitz, was vermuten ließ, daß bei einem Verkauf die Kosten nicht zu hoch sein würden. Diese Überlegungen waren richtig, denn wir bekamen unerwartete Schützenhilfe vom damaligen Fraktionsvorsitzenden der CDU und heutigen Ministerpräsidenten Erwin Teufel. Er fand unsere Idee hervorra­ gend, zumal wir damit auch ein Reststück Alt-Furtwangens erhalten wollten, und räumte uns verschiedene Behördenhinder­ nisse aus dem Weg. Doch damit nicht genug. Auch die Kontakte zum Landesdenkmalamt und zur Denkmalstiftung hatte er herge­ stellt. Seinem Engagement ist es letztlich zu verdanken, daß wir von der Denkmalstiftung Baden-Württemberg einen Zuschuß in Höhe von 25.000,- DM erhalten haben. Im April 1989 war es dann soweit. Zum Preis von 10.000,- DM ging das Haus in den Besitz der Stadt, die es dann umgehend an uns zum gleichen Preis weitergab. Durch einen Nach­ laß der Gemeinde und eine großzügige 178

Spende der örtlichen Sparkasse konnten wir das Haus zum Nulltarif übernehmen. Noch heute höre ich die Stimmen von Gemeinderäten bei der offiziellen Schlüssel­ übergabe, die uns gelinde gesagt für verrückt hielten, so eine „alte Gräze“ sanieren zu wol­ len. ,,Abreißen und neu aufbauen“ wurde uns immer wieder gesagt. Wir wollten aber soviel als möglich Altsubstanz erhalten, denn das Haus ist aller Wahrscheinlichkeit nach das älteste in Furtwangen. Aus alten Unterlagen konnten wir die Jahreszahl ent­ nehmen, wobei nach Aussage des Landes­ denkmalamtes der Ursprung noch weiter zurückliegt. Selbstverständlich lösten unsere Pläne innerhalb der Zunft große Diskussionen aus. Doch die Mitgliederversammlung im Januar 1989 sprach sich mit überwältigender Mehr­ heit für das Projekt aus. Auf was wir uns da bei eingelassen haben, merkten wir erst im Ver­ lauf der Umbauarbeiten. Was vorher nicht zu sehen, höchstens zu ahnen war, stellte sich als Wirklichkeit heraus. Nach den ersten Abbrucharbeiten konnten wir das ganze Ausmaß der schlechten bis miserablen Bau­ substanz erkennen. Nichtsdestotrotz haben wir die Herauforderung angenommen und im Oktober 1989 mit der Sanierung begon­ nen. Nach dem Bauzeiten plan sollten wir im Oktober 1990 fertig sein. Doch neben den erwähnten Baumängeln hinderten uns auch einige nachbarschaftliche Einsprüche an der Einhaltung des Termins. So wurde es Sep­ tember 1991, bis wir die Sanierungsarbeiten abschließen konnten. Ein großes Lob gilt an dieser Stelle allen Zunftmitgliedern, die in den 2 Jahren rund 6.000 Stunden geleistet haben, wobei sie von den weiblichen Zunft­ rnitgliedern bestens verpflegt wurden. Wie es wahrscheinlich bei solchen Projekten üblich ist, waren es zum Schluß nur noch zwei Hände Aufrechter, die das Werk vollendet haben. Bei der optischen Ausgestaltung haben uns ortsansässige Künstler, die in unserer Zunft Mitglied sind, großzügig mit Schnitze­ reien und Bildern unterstützt. Überhaupt 179

konnten wir einen reichhaltigen Spendense­ gen im Verlauf der Umbauarbeiten in Emp­ fang nehmen, sowohl von Firmen und Insti­ tutionen als auch von Privatpersonen. Ihnen allen gilt unser herzlichster Dank. Allerdings waren und sind wir auch darauf angewiesen, haben sich doch die Baukosten erheblich erhöht. Von der Stadt Furtwangen haben wir aus dem Sanierungsprogramm einen Zuschuß von 130.000,-DM erhalten. Dazu die schon erwähnten 25.000,-DM der Denkmalstif­ tung und ca. 60.000,-DM an Spenden. Den Rest müssen wir durch eine Baufinanzierung erbringen. Dies sind immerhin noch rund 150.000,-DM. Keine leichte Aufgabe für unseren Verein, wir sind jedoch zuversicht­ lich, daß wir sie mit unserem Konzept „Alte Färbe“ meistern werden, wenn uns Verwal­ tung und Behörden auch weiterhin unter­ stützen. Neben reinen Zunftveranstaltungen wird unser Haus, bis sich unsere finanzielle Lage verbessert hat, an drei Tagen in der Woche für die Bevölkerung geöffnet sein. 180 Die Bewirtung erfolgt über ein Zunftmit­ glied, das als Pächter gewonnen werden konnte. Außerdem vermieten wir unser Zunfthaus für geschlossene Gesellschaften und veranstalten mit Partnern (z.B. Kultur­ kreis) Kleinkunstabende. Selbstverständlich wird unser Zunfthaus über die hohen Fest­ tage als Besenwirtschaft bewirtet. Abschließend möchte ich allen Bauher­ ren, die sich mit dem Gedanken der Sanie­ rung eines alten Objektes befassen, Mut zusprechen, dies zu tun. Es ist zwar mit viel nervenaufreibender Arbeit, viel Hektik und manchen Auseinandersetzungen verbun­ den. Letztlich lohnt es sich aber, weil man bei einer solchen Sache auch viele positive Momente erlebt. So konnten wir beim Wett­ bewerb des Landkreises „Beispielhaftes Bauen“ einen ersten Preis entgegennehmen. Diese Auszeichnung war zwar nicht mit einem Geldpreis versehen, war jedoch für uns eine Bestätigung für unsere geleistete Arbeit. Daß die Öffentlichkeit positiv für unser Projekt reagierte, konnten wir im Rah-

men der offiziellen Eröffnung am Freitag, dem 13. September 1991, erfahren. Die Aus­ sagen über unsere Zunftstube steigerten sich von „Beispielhafter Aktion“ über „Schmuck­ stück der Stadt“ zu „Note 1 mit Stern für die Alte Färbe“. Auch die Bevölkerung hat regen Anteil an unserem Projekt genommen. Dies zeigte sich bei den Tagen der offenen Tür. Unzählige Besucher nahmen die Gele­ genheit wahr, unsere Zunftstube zu besichti­ gen. Jetzt, nachdem 3 Jahre vergangen sind, möchte ich ein weiteres Resümee ziehen. Unsere Konzeption, die Zunftstube an 3 Tagen zu bewirtschaften und als Gemein­ bedarfseinrichtung für kulturelle Veranstal­ tungen zur Verfügung zu stellen, wird von der Bevölkerung äußerst positiv angenom­ men. Dies macht uns Mut, auf diesem Weg weiterzugehen, und Hoffnung, daß unsere große Schuldenlast mittelfristig abgebaut Jacques Barthillat werden kann. Altes Haus mit neuem Sinn Das ,,Werk- und Vereinshaus“ in Klengen, Gemeinde Brigachtal Am 18. Mai 1990 wurde in einer Feier­ stunde und mit einem anschließenden „Tag der offenen Tür“ das neue „Werk- und Ver­ einshaus“ seiner Bestimmung übergeben und von den Bürgern der Gemeinde Brig­ achtal mit großem Interesse angenommen. Seit diesem Tag hat dieses Gebäude, das den Ortskern seit seinem Bau 1893/94 prägt, eine neue und wichtige Funktion im gesell­ schaftlichen Leben der Gemeinde Brigach­ tal. Wichtige Funktionen hat dieses Gebäude in seiner fast lOOjährigen Geschichte immer gehabt: Bürgermeister, Gemeindeverwal­ tung und Schule waren unter einem Dach vereint. Dazu kam es durch die verheerende 181

Feuersbrunst vom 26. April 1893, als 2 vier­ jährige Kinder in einem Heustall zündelten und ein Großfeuer auslösten. Nach 2 Stun­ den waren Kapelle, Schule, Rathaus und der gesamte innere Ort, insgesamt 62 Gebäude, in Schutt und Asche gelegt. Nach dem ersten Schock begannen die Klengener mit großer finanzieller Hilfe von außen mit dem Neuaufbau ihres Dorfes. So entstand 1893/94 das Schul- und Rathaus, die nebenstehende Kirche wurde als letztes Gebäude 3 Jahre nach dem Brand neu aufge­ baut. Wenn man das Gebäude heute betritt, befindet man sich im ehemaligen Schul­ hausteil, der zwei Schulsäle umfaßte, wobei einer für 70 Kinder und der zweite für60 Kin­ der ausgebaut war. Für heutige Verhältnisse undenkbar, in damaliger Zeit nichts Beson­ deres! Über den Schulsälen befand sich eine Lehrerwohnung und ein Zimmer für einen Hilfslehrer. Das Dachgeschoß war nicht aus­ gebaut und diente als Lagerraum für das Holz zum Heizen der Schulräume, als Archiv für alte Bücher der Schule und des Rathauses und zur „Erziehungsmaßnahme 182

widerspenstiger Schüler“, der Karzer war sta­ bil und nahm großen Raum ein. Der seitli­ che Eingang führte ins Rathaus, wo sich im Erdgeschoß zwei Amtsstuben befanden. Im Obergeschoß waren es drei Räume, die zum Rathausteil gehörten. Es bestanden zwei Treppenaufgänge, so daß die Gebäudeteile völlig getrennt voneinander waren. Nach dem Neubau des Behördenzen­ trums 1986 und dem Einzug der Verwaltung stand das alte Schul- und Rathaus zunächst leer und wartete auf eine weitere Verwen­ dung. Verschiedene Möglichkeiten wurden erwogen, den Durchbruch schaffte die Idee vom „Werk- und Vereinshaus“. Initiator war Schulleiter Kurt Ohmann, der im März 1987 die neue Verwendung dem damaligen Bür­ germeister Meinrad Belle näherbrachte. Nach vielen Gesprächen, Diskussionen und Beratungen wurde das Projekt dem Gemein­ derat vorgelegt, der sich einstimmig dafür aussprach. Die Frage der finanziellen Förderung des Projektes und der Umbauplanung bean­ spruchten die nächsten Monate. Intensive Gespräche mit dem Architekten, der Schule und den Vereinsvorständen brachten die Wünsche aller Benutzer in die Planung mit em. Das eigentliche Startsignal war die Zusage der Fördermittel durch die Robert-Bosch­ Stiftung im April 1988. Im September 1988 begannen Schüler der Hauptschule mit dem Ausräumen des Hauses. Es machte ihnen großen Spaß, neben dem Unterricht in ihrer Freizeit ihren Anteil zum Gelingen des Pro­ jektes beizutragen. Aber auch die Vereine lei­ steten wichtige Beiträge. Nur so war es mög­ lich, dieses Haus mit all seinen Möglichkei­ ten innerhalb des gesteckten Rahmens umzubauen. Welche Möglichkeiten bietet das Haus heute? Im Erdgeschoß sind Fachräume einge­ richtet, die nicht nur der Schule, sondern auch interessierten Gruppen und Vereinen zur Verfügung stehen. Hier bietet sich ein breites Angebot an sinnvoller Jugendarbeit an: Die Metall- und Elektronikwerkstatt ist mit 16 Arbeitsplätzen voll ausgerüstet, der anschließende Maschinenraum ist ausgestat­ tet mit Maschinen zur Metallbearbeitung. Die Druckerei ist mit einer kompletten Letterndruckerei und Rollenpressen bis DIN A 3 ausgerüstet, nicht nur zur Schriftsetzung, sondern auch kreatives Gestalten im Bereich Druckgrafik ist möglich. Ein weiteres Angebot sind die Ton-Kera­ mik-Fachräume mit einer Töpferscheibe und Brennofen. Nicht zu vergessen sind das Fotolabor mit Heilraum und Dunkelkam­ mer, in denen das gesamte Spektrum der Schwarzweiß-Fotografie erarbeitet werden kann. Mehrere Vereine aus der Gemeinde haben im Werk-und Vereinshaus eine neue Heimat gefunden. Einmal ist es der Akkordeonver­ ei n Brigachtal, der sich im Obergeschoß einen hellen und freundlichen Probenraum eingerichtet hat. Seine Mitglieder spielen im 183

Haupt- und Jugendorchester, der Nach­ wuchs wird in einer Spielgruppe an die Musik herangeführt. Im Dachgeschoß hat sich der „Gesang­ verein Harmonie“ ein neues Domizil geschaffen. Der Einsatz vieler Sängerinnen und Sänger machte es möglich, daß heute die Probestunden in einem schönen Raum mit guter Akustik durchgeführt werden. Die Landjugend Brigachtal war zweifellos der Verein mit dem größten Arbeitsaufwand für den Gruppenraum. In ungezählten Arbeits­ stunden wurde mit Hilfe vieler Mitglieder im Kellergeschoß ein Raum geschaffen, der durch seine Gemütlichkeit zu Gruppen­ abenden und anderen geselligen Aktivitäten einlädt. Im Gegensatz dazu wirkt der Grup­ penraum des Landfrauenvereins Brigachtal geradezu bescheiden. Aber auch er ist mit viel Liebe und Geschick eingerichtet und beherbergt viele nützliche Dinge, die zum Basteln benötigt werden. Gebastelt wird in den Werkstätten im Erdgeschoß, o daß der Landfrauenraum hauptsächlich der Aufbe­ wahrung dient. Auf der gleichen Etage hat der Ortssenio­ renrat seine Bleibe, ein Raum für kleinere Gruppen von Senioren, die sich zu Spielrun­ den, Singen und Musizieren, Handarbeiten und zu Tauschbörsen von Sammlern (Mün­ zen, Steine, Briefmarken) zusammenfinden. Zu erwähnen ist noch der Raum vom „Mal­ teser Hilfsdienst“ für Gruppentreffen und 1.-Hilfe-Kurse. Besonders auffällig sind die Wappen der Teilorte Kirchdorf, Überauchen und Klengen, die als Wandschmuck dem Raum eine be ondere Note geben. Für zwei Räume im Haus ist der Förder­ verein der Schule verantwortlich. In diesen Räumen findet täglich eine Hausaufgaben­ betreuung statt, die von einer Sozialpädago­ gin geleitet wird. Ziel ist eine umfassende Nachmittagsbetreuung chulkinder. Nicht nur schulische Aufgaben, sondern auch die Beaufsichtigung und Beschäftigung der Kinder gehören zum Angebot. So be­ kommen Kinder die Möglichkeit, sich in einer außerschuli eben Gruppe zu treffen, 184 für um zusätzliche, soziale Erfahrungen sam­ meln zu können. Zum Schluß sollen noch einige Ziele, Wünsche und Erwartungen genannt wer­ den, die mit der Einrichtung des Werk- und Vereinshauses verfolgt werden: – Verbesserung der Startchancen der Schü­ ler im beruflichen Leben Im Werkhaus findet die Schule Möglich­ keiten, praktisches Lernen im und außer­ halb des Unterrichts im Rahmen von Pro­ jekten und erweitertem Bildungsangebot anzubieten. Das Prinzip der offenen Schule Die Schule soll interessierten Schülern und Jugendlichen zur Freizeitbeschäfti­ gung offenstehen. Dafür bieten sich die Fachräume im Werkhaus an.Jugendliche haben dort die Möglichkeit, in Projekten und Gruppen mit anderen Schülern, die Schulen außerhalb besuchen, sich zu tref­ fen und die Freizeit sinnvoll zu gestalten. Kooperation mit Vereinen Die Schule strebt mit verschiedenen Ver­ einen eine intensive Zusammenarbeit an. Sie hat die Fachräume, die Vereine die interessierten Gruppen, beide können miteinander den Jugendlichen in das soziale Umfeld der Gesellschaft integrie­ ren. – Zusammenführung der verschiedenen Ge­ nerationen Die Fachräume stehen auch den Senioren und dem Seniorenbildungswerk zur Ver­ fügung. Dies führt zu einer zwanglosen und konfliktfreien Begegnung zwischen den Generationen. Es soll miteinander gearbeitet und voneinander gelernt wer­ den. Das Schlagwort von der generations­ übergreifenden Zusammenarbeit soll mit Leben erfüllt werden. Die Zeit nach der Einweihung hat deut­ lich gemacht, daß viele in Bewegung gera­ ten ist. Dies ist ein hoffnungsvolles Zeichen für die Zukunft! Bruno Braun

Ein Kleinod in der Baar: ,,’s groß Hus“ in Biesingen Der Altvogtshof stammt aus dem Jahre 1738 Fast in jedem Dorf auf der Baar befindet sich ein Gebäude, welches aufgrund seiner stattlichen Größe sich sichtbar von den anderen Häusern abhebt. So auch in Biesin­ gen der Altvogtshof, der sich seit eh und je im Besitz der Schnekenburger befindet. Der Altvogtshof, oder wie er im Volksmund heißt ,,’s groß Hus“, stammt aus dem Jahre 1738, wie es deutlich heute noch über dem Scheunentor ersichtlich ist. Dieser Altvogts­ hof war, wie schon aus seinem Namen her­ vorgeht, ehemaliger Sitz des Ortsvogtes der Grafen von Tübingen und hat im Laufe der Jahre in bezug auf seinen früheren Verwen­ dungszweck als reines Bauernhaus mit Vieh­ haltung, Heustock und Fruchtkammern eine große Wandlung durchgemacht. Wo vor Jah­ ren noch ergiebige Milchkühe sowie statt- liehe Zuchtbullen und Kälber standen, wo einst schwerbeladene Heu- und Fruchtwa­ gen eingefahren wurden, reihen sich heute riesige Tanks nebeneinander voll köstlicher Fruchtsäfte und dem wieder aufs neue be­ liebten Volkstrunk unserer Altvorderen, dem „Most“. Das weithin sichtbare dreistök­ kige, stattliche Wohnhaus mit breiten Dop­ pelfenstern wurde erst vor einiger Zeit durch eine Wohnung im dritten Stock erweitert, wobei sich die hinzugefügten Dachgauben harmonisch in das Gesamtbild einfügen. Die guterhaltene hölzerne Haustür mit kunstvol­ lem Beschlag und einem der damaligen Zeit entsprechenden Türklopfer ist von einer ba­ rocken Steinumrahmung eingefaßt. Den Be­ sucher empfängt die angenehme Kühle des Hausgangs mit Kreuzgewölbe, das sich auch 185

beidseitig links des Hausganges in den Kel­ lergewölben wiederfindet. Ein wirkliches Kleinod handwerklicher Kunst und Fertig­ keit offenbart sich dem Betrachter der Wohn­ und Schlafstuben im ersten und zweiten Obergeschoß. Getäferte Decken, schwere, mit herrlichen Beschlägen versehene Türen sowie kunstvoll geschnitzte, eingebaute Bü­ fetts künden von einem gediegenen Wohl­ stand der früheren Besitzer. Rechtzeitig zum 250.Jahrestag im Jahre 1988 wurde die kost­ bare Wohnstube im 1. Stock im bäuerlichen Stil der damaligen begüterten Bewohner mit sehr viel handwerklichem Geschick und Liebe restauriert. Ein Haus voller Tradition und Erinnerungen, voll emsigen Treibens und Schaffens sowie frohen Kinderlachens. Aber auch reichlich Sorgen machten sich bis auf den heutigen Tag in den dicken Mauern breit. ,,’s groß Hus“ oder ,,’s Engländers“ sind für die Einheimischen und Eingeweihten feste Begriffe und mit derGeschjchte der Ge­ meinde Biesingen unwiderruflich verbunden. 186 Das Gebäude wurde am 9. Dezember 1976 vom Regierungspräsidium Freiburg unter Denkmalschutz gestellt. Rudolf Siebold Jahreszeiten Lodernd wie einzelne Flammen stehen Lärchen in Wäldern kennzeichnen Herbst im Nadeldunkel überdauern Nacht und Frost um lichtgrün Fanal für Frühling zu sein Christiana Steger

Die Schloßmühle im Glasbachtal An der Landstraße zwischen Königsfeld und Schramberg liegt im oberen Glasbach­ tal, unterhalb der Ruine Waldau, die Schloß­ mühle. Längst wird auch dort, wo einst das Wasser des Glasbaches jahrhundertelang als natürliche Kraft nutzbar angewendet wur­ de, kein Mehl mehr gemahlen. Die frühere Schloßmühle, die quer zum Glasbachtal stand, besteht seit bald 80 Jahren nicht mehr: Sie brannte am 18. April 1916 ab. Ein Säge­ werk, das auch früher neben der Mühle betrieben wurde, steht an deren Stelle. Was heute unter der Schloßmühle verstanden wird, sind einige Häuser, ein Sägewerk, ein Ortsteil von Buchenberg. Wann die Schloß­ mühle gebaut oder in Betrieb genommen wurde, kann nicht mit Sicherheit ermittelt werden. Keine Aufzeichnungen geben dar­ über Auskunft. Es ist jedoch anzunehmen, daß die Schloßmühle schon vor dem Bau der Burg Waldau vorhanden war. Schon bei der Benediktinerkloster-Gründung von St. Ge­ orgen im Jahre 1084 wird berichtet, daß ein Folkmar von Fridingen im selben Jahr sein Eigentum in „Morceneswilere“ dem Kloster geschenkt hat. Bei dieser Schenkung handelt es sich um die in Martinsweiler liegenden Höfe. Da nachweislich die ältesten Siedlun­ gen am Glasbach entstanden, liegt die Ver­ mutung nahe, daß die Schloßmühle zu die­ sem Zeitpunkt schon – wenn auch nicht als Mühle – so doch als Siedlung bestand. Die erste schriftliche Erwähnung der Schloß­ mühle finden wir beim Verkauf der Waldau im Jahre 1445 von der Familie Haugk in Rott­ weil an den Herzog von Württemberg wie auch im Lagerbuch aufgenommen in der „Woche vor Simonis und Judä Anno Domini 1491″. In diesem Lagerbuch sind sieben im oberen Glasbachtal zum Stabe Die alte, im April 1916 abgebrannte Schloßmühle im Gl.asbachtal 187

angegeben. Das sind bei einem württember­ gischen Morgen 145,57 Hektar. Es ist wohl anzunehmen, daß in dieser Fläche die da­ mals noch gemeinsam genutzte Weide sowie Wildfeld und Wald des Schloßhofes enthal­ ten sind. Noch bis zum Ersten Weltkrieg ver­ sorgte die Schloßmühle die Bevölkerung der umliegenden Orte bis nach Schwenningen mit Mehl. Nach dem Brand im April 1916 wurde der Hof und das Sägewerk getrennt neu aufgebaut und der Grundbesitz nach dem Ersten Weltkrieg aufgeteilt. 23 Hektar blieben bei dem Hof, der nach dem Tode seines Vaters von Ernst Haller bewirtschaftet wurde. Wenn heute in geselliger Runde von der guten alten Zeit gesprochen wird und dabei der alte Schloßmüller erwähnt wird, so ist von Joseph Stockburger die Rede. Er starb 1925 im Alter von 85 Jahren, stammte aus Oberkirnach und war als unternehmungslu­ stig und schlagfertig bekannt. Er erwarb und bewirtschaftete im Wechsel den Jungbauern­ hof, die Schloßmühle und den im Jahre 1896 abgebrannten Hänslishof in Obermartins­ weiler. Noch heute sind viele Anekdoten von ihm in seiner Eigenschaft als Bauer und Gemeinderat – und besonders von seinem Vieh- und Pferdehandel auf Märkten – im Johann Haller Umlauf. Buchenberg gehörende Mühlen genannt. Unter diesen sieben Mühlen, die jeweils am Martinstag nach Hornberg zinspflichtig waren, ist die Schloßmühle wie folgt er­ wähnt: ,,Maria EtwanJacob Raps Witwe und jetzt Hans Kolins Frau zu Waldau zinste aus ihrer Mahlmühle mit zwei Gängen samt Säge-, Stampf- und Pulvermühle, alles bei­ sammen, auf ihrem Hof zu Waldau bar zwei Gulden und vier Simri Roggen.“ Schon damals wurde also neben der Mühle ein Sägewerk und eine Pulvermühle betrieben. Im Lagerbuch von 1591 finden wir bei der Beschreibung der zinspflichtigen Buchen­ berger Höfe dieselbe Eintragung. Ergänzend ist erwähnt, daß der Schloßhof, auf dessen Grund und Boden die Schloßmühle stand, vormals im Besitz von Mathis Wernlin war. Die Buchenberger Kirchenbücher weisen ab 1697 folgende Besitzer der Schloßmühle aus: Michael Rapp, Matthias Rapp, Stabsrich­ ter (Sohn des Vorigen), Matthias Rapp, Matthias Steidinger, von Erdmannsweiler (Schwiegersohn des Vorigen), Martin Haas, Andreas Haas, von Peterzell,Josef Stockbur­ ger. 1888 übernahm der Sägemüller Andreas Haller (1868-1912) aus Burgberg von seinem Schwiegervater Joseph Stockburger die Schloßmühle. Sein Sohn Andreas (1889 bis 1950) führte den Betrieb weiter, den er 1917 und 1934, nach zwei Schadenfeuer, ohne Mühle wieder aufbaute. In dritter Genera­ tion übernahm Friedrich Haller, nach dem Tode seines Vaters, das Sägewerk, das er 1962, nach einem erneuten Brand, wieder aufbau­ te und in den folgenden Jahren ausbaute. Heute wird das Sägewerk vom Holzwerk Roth GmbH betrieben. Das &ühere, in der Zwischenzeit mehrfach aus- und umge­ baute, talabwärts stehende Leibgedinghaus der Schloßmühle wird im Steuer- und Güther-Buch von 1699 erstmals genannt. Es dürfte daher eines der ältesten Häuser von Buchenberg sein, das die Stürme der Zeit überlebt hat. Im Mössnerey-Lägerbuch, auf­ gestellt von Ernst Treutwein und publiziert am 23. August 1717, wird der Grund und Boden der Schloßmühle mit 462 Morgen 188

Kreuze im Schwarzwald-Baar-Kreis Das Bärenkreuz zwischen Hubertshofen und Bubenbach Die Zeiten sind längst vorüber, als Wan­ derer oder Radler ziemlich achtlos an alten Wegkreuzen vorbeigezogen sind. Man geht wieder bewußter mit dem um, was unsere Vorfahren vor Jahrzehnten – ja Jahrhunder­ ten – in die Landschaft von Schwarzwald und Baar gestellt haben. Ein fest verankerter Glaube an die Kraft des Kreuzes fand damals in Holz oder Stein ein äußeres Zeichen. Wenn heute in und um Bräunlingen die Pflege und Restaurierung von Feld- und Wegkreuzen so ernst genommen wird, dann ist das ohne Vorbehalt dem mitgliederstar­ ken Kulturförderverein Bräunlingen zu ver­ danken. Seit einem Jahrzehnt nimmt man sich dort stark verwitterter Kreuze an, scheut Mühen und Kosten nicht, um sie in den Urzustand zu versetzen. Auch nach der Geschichte wird geforscht. Kein einfaches Unterfangen, wenn es um Monumente wie das Bärenkreuz geht, das direkt an der Straße zwischen dem Donaueschinger Stadtteil Hubertshofen und Bubenbach steht, jenem Verbindungsweg zwischen dem Schwarz­ wald-Baar-Kreis und dem Landkreis Breis­ gau-Hochschwarzwald. Schließlich hat das Steinkreuz mehr als ein halbes Jahrtausend Witterungseinflüssen standhalten müssen. Es ist wohl das älteste in unserem Raum; die gleich zweimal aufgeführte Jahreszahl 1474 sagt das schon aus. 1991 wurde die Initiative ergriffen und manche Handwerker und Hobbybastler ha­ ben oft den kilometerlangen Weg mitten in jenen Forst nehmen müssen, wo sich ein frü­ her so umstrittener Wald der Stadt Bräunlin­ gen und jener des Fürstenhauses aus Donau­ eschingen begegnen. Gleich hinter den Kohlwaldhäusern ist der Standort des Bären­ kreuzes. Schon die in Kreuzform gestellte Inschrift IN R I ist etwas Besonderes. Wie jedes Kreuz hat es eine Geschichte. Da wer- den sich nach so langer Zeit eventuell festge­ schriebene Daten sowie mündliche Überlie­ ferung ergänzen. Bären gab es in unserer Gegend lange Zeit, was sich vermutlich auch in verschiedenen Wirtshausnamen erhalten hat.1904, so wird geschrieben, wurde bei un­ seren Schweizer Nachbarn der letzte Bär er­ legt. Nun, mit unserem Kreuz im Hochwald ist das Raubtier folgendermaßen in Verbindung zu bringen: Ein Holzhauer verrichtete seine 189

Arbeit in diesem Distrikt und wurde durch ein Zotteltier gestört. Der Bär ging auf ihn los, der Mann rannte um sein Leben. Es wurde ihm durch ein kleines Wunder ge­ schenkt, so ist überliefert. Nahe der Kohl­ waldhöfe soll damals ein Weiher gewesen sein, zugefroren, wie es in heutigen Wintern durchaus nicht mehr selbstverständlich ist. Der Flüchtende überquerte die Eisfläche unbeschadet, der ihn verfolgende Bär brach ein und verschwand unter dem Eis. Die Bräunlinger Bürger ließen nach die­ sem Vorfall das Kreuz in Sandstein erstellen. Die Inschrift ist in Latein abgefaßt und lau­ tet: Ad Cruci Spie A lapi ita est Hiec, Crux a Civitate Brunling Anno 1474. Ein Bräunlin­ ger Lateiner hat das frei so übersetzt: ,,Zum Kreuz blicke am Stein, so ist hier das Kreuz von der Bürgerschaft von Bräunlingen im Jahre des Herrn 1474″. Anno Domini 14 74 – In der alten Zährin­ gerstadt lebte damals ein Conradus Bücklin, seines Zeichens Lehrer, Stadtschreiber und Kaiserlicher Notar. Ob er etwas über das Bärenkreuz schriftlich fixiert hat? Wir wissen es nicht. Die Restaurierung hat ebenfalls keine neuen Erkenntnisse der Geschichte erbracht. An der Spitze des Kulturförderver­ eins bleibt man trotzdem „auf Kurs“. Die Renovierungen werden chronologisch in Wort und Bild festgehalten und wer sich informieren will, findet aufschlußreiche Bände beim Vorsitzenden, Herrn Bernhard Dury, im Bräunlinger „Lindenhof“. Engelbert Kropfreiter Das Gickelekreuz von Flitzen Westlich von Pützen, knapp hinter dem Dorfausgang, steht an der alten Landstraße nach Grimmelshofen ein hölzernes Doppel­ hochkreuz, das durch seine reichhaltige Aus­ stattung besonders auffällt. Den ornamental verzierten Kreuzbalken zieren Leidenswerk­ zeuge wie Lanze und Hellebarde, Hammer und Zange, Kelch und Schwamm, Leiter und Würfel. Das Auffallendste ist jedoch der Hahn, der die Spitze des Kreuzes verschönt. Nach ihm bekam das Hochkreuz auch sei­ nen Namen: ,,Gickelekreuz“. In vielen Fäl­ len ist es sehr schwer, das Alter oder die Geschichte eines solchen Kreuzes herauszu­ bekommen. Meist bleibt es bei Schätzungen und Vermutungen. Bei unserem Kreuz haben wir jedoch Glück. Erhalten ist eine Foto­ grafie aus der Zeit um 1920, die uns den Ver­ gleich zu heute erlaubt: Der obere Kreuz­ querbalken war früher ohne Leidenswerk­ zeuge, den unteren, der heute leer ist, schmückte damals Kanne und Kelch. Die Lanzen waren im unteren Drittel ange­ bracht. Darunter war in einer kleinen Aus­ höhlung eine Figur eingelassen. Vielleicht eine Mariendarstellung. Der Gockel schaute 190 damals nach Osten, heute in die Gegenrich­ tung. Trotz aller Veränderungen blieb der Gesamtcharakter des Kreuzes bis heute erhalten. Um 1920 wird das Kreuz schon als eines der älteren der Baar beschrieben und der Zeit um 1850 zugeordnet. Damals gab es aufFützener Gemarkung 8 Kreuze aus Stein und 5 aus Holz. Um 1920 noch in recht gutem Zustand, war 30 Jahre später der Verwitterungszustand weit fortgeschritten, und man zweifelte an einer Renovierung.Jedoch wurde das Kreuz von Zimmermann Josef Happle vollkom­ men restauriert. Aus der alten Notkirche stif­ tete die Pfarrei einen neuen Corpus. Kranz­ wirt JosefRötenbacher bezahlte Materialien und Arbeitslohn. Malermeister Benedikt Hatz trug die Gesamtverantwortung für die Erneuerung. Im September 1952 wurde es von Dekan Armbruster geweiht. Nach einem weiteren Vierteljahrhundert war die nächste Renovierung fällig. Der alte Corpu war verschwunden und die Leidens­ werkzeuge fehlten fast vollständig. Dem Pfarrgemeinderat und Zimmermeister Kring gelang die erneute Wiederherstellung.

Wie lange ein Gickelekreuz an der Straße nach Grimmelshofen steht und warum es vielleicht ausgerechnet dort steht, läßt uns eine Mundartsage ahnen. Wenn wir auch den Ausdruck „Vor vielen Jahrhunder­ ten … “ nicht ganz so wörtlich nehmen dür­ fen, liegt doch die Vermutung nahe, daß sich unser Kreuz schon weit über 200 Jahre an sei­ nem jetzigen Platz befindet. Der Sage nach war unser „Gigelechriz“ also letzte geistliche Station vor der Hin­ richtung. „Vor vielä Johrhundertä hot z’Füatzä ’s Vehmgricht sin Sitz gha in Hus Nummerä viär. Hot oner ä Verbrechä sich z’schulde cho lo, no het men vors Vehmgricht gstelld. Isch oner verurtold worä, no hät men uf e zweiräddrgä Charre glade, hot e Roß vor de Charre gspanne und isch mit em d’Stroß gege Grimetzoffe gfahre. Bim Gigelechriz isch me mit em de Seeweg ufgfahre. Bim Brünneli het me no emol mit em ikehrt und het en trinke lo. So isch me mit em de Fuaß­ weg ufgfahre uf de Hoorbuck, au Galgebuck het men ghoße. Da obä sind emol die Ver­ brecher ghenkt wore.“ Bernhard Prillwitz L i t e r a t u r: Kirchengeschichte der Baar, Hermann Lauer, 1928. Fützen im Laufe der Zeit, Paul Willimski, 1981. Deutscher Sagenschatz, Sammlung. 191 Das „ Gickelekreuz bei Fützen“ ist das einzige Doppelbalkenkreuz der Gemarkung. Alter und Grund der Aufstellung sind nicht bekannt, aber 1928 wird es bereits als eines der älteren Hoch­ kreuze der Region genannt (H. Lauer). 1952 und 1978 wurde es aefwendig restauriert und leider auch z. T. verändert.

Erinnerungen an den Bregtäler Der Schwarzwald-Baar­ Kreis in Farben Im Tal der Breg fuhr einst ’ne Bahn, die hielt an jedem Dörflein an. Die Menschen stiegen ein, sie stiegen aus, das Bähnlein bracht sie fort, und auch nach es war für sie der Weg zur Welt, [Haus; er ging durch meines Vaters Feld. Fuhr dann ein Zug durch unser Tal, das gab es jeden Tag sechs mal, da haben wir uns hingestellt, und alle Wagen abgezählt. Die Fahrgäst‘ winkten uns dann zu, und wir zurück, was glaubst denn du, der Hund sprang bellend hinterher, so weit, man sah ihn fast nicht mehr. Mit dem „Bregtäler“ fahren war so schön, man konnt‘ die Landschaft sich besehn. Oschen- und auch Pferdgespann, begegneten uns dann und wann. Burgruinen, Schwarzwaldhütten, im Winter mal ein Pferdeschlitten, auch Bregtal-Trachtenfrauen, konnt‘ man auf der Fahrt beschauen. Man saß im Zug sich gegenüber, unterhielt sich, egal worüber. ’s war schön, in unsrer Bregtalbahn. Geschüttelt kam man dann mal an, an seiner Heimat-Bahn-Station, wo grüßend stand der Schaffner schon. Sehr romantisch wars, doch jetzt ist Schluß, heut‘ fährt nur noch ein Omnibus. Eugen Murr Probleme streiten über unsinnige Themen rechten über Schnee von gestern warum brauchts du Krücken um mir deine Liebe zu erklären Christiana Steger 192 1. Schnee wird im Wittenbachtal für den Weltcup 1993 in Schonach „produziert“ (Erwin Kienzler, Schonach) 2. Blick vom Rohrhardsberg zum „Schänzlehof“ (Erwin Kienzler, Schonach) 3. ,,Wunderle“, Schönwald (Monika Eckerle, Schönwald) 4. Durchziehender Schäfer (German Hasenfratz, Hüfingen) 5. Frühling bei Oberkirnach (German Hasenfratz, Hüfingen) 6. Im Achdorfer Tal, eine Oase der Erholung (German Hasenfratz, Hüfingen) 7. Hausen vor Wald im Frühling (German Hasenfratz, Hüfingen) 8. Dachgesicht (Hans Jungnickel, St. Georgen)

De Bärneder (= Barometer) Fixi, Sterne und Granate, will’s mit rängle noo nitt lau? ’s Wasser schtoht i Forche, Gräbe, ab de Wiis hätt’s d’Schöchli gnau. De Bärneder samt em Nagel riißt de Baschi vu de Wand; treit de uff de Abtritt hintri, werft de abi, – – – so e Schand. De Bärneder duert all schtiige. Guck nu, we der Siech schnell juckt, und doch duert es allfort rängle. Wiib, do word mer schier verruckt. Aber wart nu, Kaib, verrückte, du lügscht mech jetz nimme a. Diini Posse, die verdammte, ha ech hufegnueg jetz g’ha. So, du Simpel, jetz kascht schtiige, rieft der i de volle Wuet; druckt de Deckel khäb ufPs Hüsli. ’s Wätter word vu dert ab guet. 30. Juli 1947 Gottfried Schafbuch t De Bämeder: ,,So, du Simpeljetz kascht schtiige!“

Alte Schwarzwaldhöfe Der Obere Gschwendhof in Gütenbach In Fortsetzung der früheren Beiträge im Alma­ nach „Der Kienzler-Hansen-Hof (Gemeinde­ hof)“ in Schönwald-Oberort (Almanach 80, Seite 156-158), ,,Der Reiner-Tonis-Hof in Schön­ wald-Schwarzenbach (Almanach 82, Seile 132-136) und „Der Schwarzbauernhof‘ in Furt­ wangen-Katzensteig (Almanach 84, Seite 96-103) stellen wir als 1oeileres altes Schwarz­ waldhaus im Landkreis den Oberen Gschwend­ hofin Giitenbach, atif der Europäischen Wasser­ scheide Rhein/Donau beim „Neueck“, im Zustand vor der Sanierung und danach vor. Zum ersten Mal wurde iiber den Oberen Gschwendhof im Almanach /985, Seite 245- 247, berichtet. Zur Hofgeschichte: l. 1504 Der erste nachgewiesene Bauer war: ,,Hans Philipp auf dem Gschwendt“. Ansicht aus den JOer Jahren 2.-6. 1512-1587 folgten 6 Hofbauern mit Na­ men Ruf, Ketterer, Gschweng. 7.-8. 1597-1636 folgten 2 Hofbauern mit Na­ men Tuffuer. 9.-18. 1653-1903 19.-21. 1903 folgten 10 Hofbauern mit Na­ men Löffler (Leffler). (Die Lehensträger zwischen 1636 und 1653 sind unbekannt.) Das Geschlecht war 1892 ausge­ storben. erwarb den Hof Eduard Eschle, der ihn 1919 seinem Sohn Emil übergab. Seit 1958 ist der Hof im Besitz von Hans Eschle, dessen Ehefrau Hilda geb. Rießle im Jahre 1991 verstorben ist. Kin­ der: Andrea und Martina. 194

Der Flurname „Gschwendt“ weist, ähn­ lich den Namensendigungen -hardt, -wald, -löh, -loch, -reut, -schwand, -brand (Brend)­ die Fluren auf der Paßhöhe des Neueck als Teile einer Rodungsinsel im ehemals ge­ schlossenen Waldraum aus. Die folgende Beschreibung entspricht, auszugs­ weise, der Dokumentation „Schwarzwaldhäuser von gestern für die Landwirtschaft, von morgen“ des im Rahmen einer Reihe von Forschungsauf trägen des Landes Baden-Württemberg mit der Hofsanierung beaufiragten Professors Dr. Ulrich Schnitzer von der Universität Karlsruhe. Die Redaktion dankt auch an dieser Stelle dem Lan­ desdenkmalamt Baden-Württemberg, Stuttgart, für die Abdruckgenehmigung. Hoftyp und spätere Umbauten: Das mit dem First parallel zum Hang aus­ gerichtete Höhenhaus, mit Dreschtenne zwischen Wohn- und Stallteil, ist in der Lite­ ratur u. a. wegen seiner Ritzzeichnungen in der Tenne bekannt, die zum größten Teil in den sechziger Jahren entfernt, im Hippen­ seppenhof des Gutacher Freilichtmuseums wieder eingebaut wurden. Um 1800 wurde das Haus – leider hand­ werklich geringerwertig – an der Wohnseite für ein Leibgeding mit „Werkstatt“ erweitert. Die schwarze Küche erhielt 1957 einen Schornstein und eine massive Zwischen­ decke, später kam eine Milchkammer im Bereich Hausgang/Tenne hinzu. Der Zustand vor der Sanierung: Vor der Sanierung befand sich das Ge­ bäude in einer bedrohlichen Verfassung. Der Schwellenkranz hatte sich im Wirtschaftsteil um einen halben Meter gesenkt, die First­ ständer waren nach zwei Richtungen um nahezu eineinhalb Meter aus dem Lot gera­ ten. Durch das undicht gewordene Schindel­ dach drang Wasser ein und setzte die Verrot­ tung konstruktiver Teile in Gang. Die Stall­ decke war durch Kondenswasser vollständig zerstört. Das Dach des angefügten Leibge­ dings stürzte in dem schneereichen Winter 1980/81 unter einer riesigen Schneewächte ein und begrub den restlichen Bestand des Anbaus unter sich. Dieser Zustand warf Zweifel daran auf, ob das Gebäude über­ haupt zu halten sei. Wegen der Häufung von Problemen an diesem Hof, aber auch weil er – zusammen mit dem Schwarzbauernhof – am Anfang der Untersuchungen stand, kam dem Vorhaben die Rolle eines Vorreiters für andere Althofsanierungen zu. Die Nutzung: Der Hof sollte weiterhin der Milchvieh­ haltung mit Nachzucht (ca. 35 GV) im land­ wirtschaftlichen Zuerwerbsbetrieb dienen, wobei gleichzeitig die Herstellung angemes­ sener Wohnverhältnisse für die Familie und den künftigen Altenteiler anstand. Zur Lösung: Auch nach der Sanierung hat das Gebäude – wie bei allen Maßnahmen an­ gestrebt – die wichtigsten Raumzuweisun­ gen behalten. So bleibt im Stall die Anord­ nung zweier Anbindezeilen mit den Köpfen zum Futtergang unverändert. Die Zone der ehemaligen Dreschtenne ist dem Stall für das Jungvieh zugeschlagen. Der Dachraum dient als Rauhfutterlager. Zwei Gärfutter­ hochsilos sind vom Gebäude abgerückt, aber durch einen überdachten Gang, der gleich­ zeitig die bergseitige Stallwand vom Hang absetzt, mit dem Futtergang verbunden … … Im Wohnteil ist die Anordnung von Stube/Schlafstube und Küche erhalten. Die Räume des Libdings können, jeweils entspre­ chend der Familiensituation, teilweise der Hauptwohnung zugeschlagen oder auch an Feriengäste vermietet werden. An der schlecht belichteten Längsseite zum Hang hin, die zuvor Keller und Holzlager auf­ nahm, sind die Sanitärräume untergebracht. Die ehemaligen Gesindekammern bleiben einstweilen ungenutzt. Die Stabilisierung des Tragwerks verzich­ tet weitgehend auf ein Geraderichten der ver­ schobenen Konstruktion. Mit dem Aufrich­ ten eines zusätzlichen Firstständers an der Ostseite wurde eine Maßnahme nachgeholt, 195

die beim früheren Libdingsanbau (mit der Folge von Tragwerksschäden) unterlassen worden war. Die Dachrafen wurden teilweise durch Zwischenhölzer entlastet, und die neue Dachhaut aus Red-Cedar-Schindeln liegt aufKonterlattung über dem alten Dach. Für die Verbesserung des Brandschutzes wurden erstmals – wie gleichzeitig beim Schwarzbauernhof – Leichtbaustoffe einge­ setzt, die eine Wahrung des konstruktiven Zusammenhanges im Gebäude und die Erhaltung der Holzkonstruktion ermögli­ chen. Hierzu erteilten die Baurechtsbehör­ den Befreiung von den einschlägigen Be­ stimmungen der Ausführungsverordnung zur Landesbauordnung. Die Durchführung: Erste Vorüberlegungen zur Erhaltung des Oberen Gschwendhofes reichen in das Jahr 1977 zurück. Die Ergänzung einer alten Bau­ aufnahme, der Entwurf und das Baugesuch wurden im Frühjahr 1979 bearbeitet. Aus Finanzierungsgründen konnten die Bauar­ beiten erst im Laufe des Jahres 1980 mit der Errichtung des neuen Schopfes beginnen. Die Maßnahmen am Hofgebäude wurden in der Bauzeit 1981 o weit durchgeführt, daß der Stall vor Wintereinbruch bezogen wer­ den konnte. 1982 folgten die Fertigstellung des Wohnteils und der Abschluß der Arbei­ ten am und um das Hofgebäude. 1 0 1 1 J , ,. Bauaufnahme QJ1erschnilt Bauaufnahme Ansicht Ost 1 0 1 1 J ‚ , .. Sanierungsplanung Q]urschnitt Sanierungsplanung Ansicht Ost 196

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Südseite 24. 10. 1965 Ostseite 3. 5.1977 Mai 1977 200

Südseite 4.1.1990 Ostseite 4.1.1990 August 1985 201

Hocheinfahrt Libdingecke Südosten Stube/Ofenecke

Schlußbetrachtung des Verfassers: Dieser Hof ist, ähnlich den drei eingangs erwähnten, ein beeindruckendes Beispiel für das erstaunliche Gesamtergebnis der chnitzerschen Forschungen: nämlich daß sich, bei fast allen nach den soliden Kon­ struktions- und Handwerk regeln des Zim­ merhandwerks früherer Jahrhunderte erbau­ ten Höfen, die Sanierung (Altbauerneue­ rung) allemal lohnt-, nicht nur verglichen mit den Ko ten eines Neubaues, sondern auch hinsichtlich der betrieblichen Erforder­ ni se der Gegenwart. Mit der Erhaltung jedes alten Schwarz­ waldhauses bewahren wir einen in besonde­ rer Weise landschaftsprägenden Bestandteil unserer Schwarzwaldheimat. Berthold Haas L i t e r a t u r: Ulrich Schnitzer: ,,Schwarzwaldhäuser von gestern für die Landwirtschaft von morgen“. Landesdenkmalamt Baden­ Württemberg, Arbeitsheft 2, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart. Klara Weber: ,,Die Bauern von Güten­ bach und ihre Hofgüter von 1504 bis heute“. Erschienen 1966. H errgot IS1uinkel Oberer Gschwendhof, Giitenbach Zeichnung: Rudo!f Heck …… __ ___ • r : .•. ��l’· �,,,…,.·,,r .,.J�-·i,“:“i.�-·4 �.;, „‚ … � .. .1 .. � …. …, • ….,.,“ “ 204

Kunst und Kultur Albert Hien Der Künstler der beiden Kunstwerke am Landratsamt: ,,Kuckucksuhr“ und „Baar-Teller“ Die Fertigstellung des „Baar-Tellers“ im Herbst 1993 war Anlaß, die beiden Kunstwerke von Albert Hien am Landratsamt in den Blickpunkt zu stellen. In einer Ausstellung mit Entwürfen, Modellen und Zeichnungen auch über andere Werke stellte Albert Hien sein künstlerisches Schaffen vor. Der Kunsterzieher Uwe Conradt hielt bei der Ausstellungseröffnung am 9.10.1993 die nachfolgende Ansprache: Kunst im öffentlichen Raum hat ihren Ur­ sprung in vordemokratischen Zeiten: Auf­ träge und Käufe von fürstlichen Höfen, die den Willen zur Darstellung ihrer Macht durch Denkmäler, Siegessäulen, Triumph­ bögen Ausdruck verliehen, Künstlerprotek­ tion und absolutistische Akademien. Die Kunst war unumstritten wie der jeweilige ab­ solutistische Fürst auch. In der demokratischen Gesellschaft gelten andere Spielregeln. Angemessener Ausdruck der pluralistisch-demokratischen Gesell­ schaft wäre die Auswahl von Kunstwerken, die Lebensgefühl und Gestaltungswillen un­ serer Zeit konzentriert darstellen. Das kann und muß in kraß unterschiedlichsten Aus­ drucksformen geschehen, die dem künstleri­ schen Ausdruck größtmögliche Freiheit gibt. Daß die Wirklichkeit zumeist anders aus­ sieht, das haben wir erfahren müssen. Demo­ kratische Gremien suchen nach mehrheitsfä­ higen Kompromissen. Über Kunst kann, soll, muß jeder mitreden. Was dabei heraus­ kommt, ist nicht der „goldene Mittelweg“ – den gibt es in der Kunst nicht-, sondern der lauwarme Aufguß angeblich künstlerischer Traditionen. Schillers „Demetrius“ muß gar nicht zitiert werden, man gehe nur mit offe­ nen Augen durch unsere Städte. Albert Hien kann auf eigene leidvolle Erfahrungen zu- rückblicken: Das vor allem an bürokrati­ scher Schwäche und Engstirnigkeit geschei­ terte Unternehmen eines deutschen Pavil­ lons auf der „Expo 92″ in Sevilla ist nur ein Beispiel. Die Kunsthistorikerin Annelie Pohlen hat sarkastisch vermerkt: ,,Daß die vorgeschrie­ benen zwei, drei oder wieviel auch immer Prozent von den für öffentliche Bauten ange­ setzten Summen für bis zur Unerträglichkeit peinliche Werke verschleudert wurden (um das Wort ,Kunst‘ in diesem Kontext mög­ lichst zu vermeiden), liegt jedem auch nur einigermaßen sensiblen Architektur- und Kunstbetrachter seit je schwer im Magen.“ Und sollte dann doch einmal künstleri­ scher Ausdruck über gesundes Kunstempfin­ den gesiegt haben, dann stellt sich das ein, was es angeblich in unserer Gesellschaft gar nicht mehr gibt: Provokation. Wenn sich bil­ dende Kunst aus ihren angestammten Revie­ ren der Galerien, Skulpturenparks und Kunsthäusern nach draußen „wagt“, in einen Raum, in dem es keine „Schwellenangst“ mehr gibt, sich einer der künstlerischen Arbeit gegenüber uninteressierten Öffent­ lichkeit stellt, dann steckt darin auch immer ein Rest von Provokation, ein Risiko. Em­ pörte Leserbriefe sind dann noch die gering­ fügigste Reaktion. Dabei ist unsere Demo­ kratie auf die Vorstellung der Modeme von der Autonomie der Kunst durch die Verfas­ sung verpflichtet. Das gilt in der Bundesre­ publik nach den Erfahrungen aus der Ge­ schichte noch stärker als in den älteren De­ mokratien. Villingen selbst hat einen eigenen „Kunst­ Fall“. Mitte der 70er Jahre schuf Otto Her­ bert Hajek eine ungegenständliche Plastik für das alte Finanzamt. Die Protestwelle 205

Otto Herbert Hajek: Plastik vor dem alten Finanzamt im Stadtbezirk Villingen schwappte über bis in den Landtag, wo der Abgeordnete Dr. Haas den Antrag stellte, das Kunstwerk wieder zu entfernen: ,,Nun, es ist möglich, daß die Mehrheit des Hauses be­ fürchtet, gegen die Freiheit der Kunst stim­ men zu müssen … Ich habe mit einigen Finanzbeamten gesprochen, dann meinten sie und auch einige Steuerzahler: Ach, das Ding wieder wegzumachen, das kostet auch wieder einen Haufen Geld, man soll uns doch gestatten, einen Kasten mit Efeu vorne­ dranzustellen, wir werden es wacker gießen, damit das ganze bald zugewachsen ist.“ Das Protokoll verzeichnet „Heiterkeit“ im Land­ tag. Villingen ist wahrlich kein Einzelfall, Villingen ist überall. Vor dem Landratsamt in Villingen-Schwen­ ningen ist ein kleines Wunder eingetreten. Kein Protest, im Gegenteil. Daß Kinder die Skulptur von Albert Hien längst für sich ent­ deckt haben, ist nur die eine Seite. Besucher, die stehenbleiben und beobachten, die beim Vorübergehen zumindest interessiert hin- 206 schauen, das ist die andere. Und das alles, obwohl sich keine Spur einer Anbiederung an Zeit- oder Mehrheitsgeschmack findet. Vielleicht liegt das vor allem daran, daß Albert Hien ein Meister der Assoziation ist. Er selbst beschreibt den Weg des Auges und des Besuchers des Landratsamtes wie folgt: ,,Von der Stadt her kommend (West­ Ost), die Brücke über die Bahn benutzend, passiert man als erstes die als säulenartige Monolithen (Dolmen) den Eingang markie­ renden Zapfen … Danach steht man dem eigentlichen Por­ tal (Bahnhäusle?) gegenüber, einer giebeli­ gen Konstruktion, Dachform und Material des Gebäudes vorwegnehmend … Das ,Tor‘ wird von einem Wa serrad ein­ genommen, djeses vom Bach aus dem Osten getrieben. Das Wasserrad … mutiert zu Sägeblatt zu Zahnrad – leitet über zu den Fossilien, die ab hier dem Weg zum Eingang des Gebäudes entlang dem Bachlauf freigelegt sind.

Formen an Uhrwerksteile, Maschinen­ schrott … Versteinerungen .. . erinnernd. Nun stehen wir am Eingang des Landrats­ amtes, werfen aber noch einen Blick in Rich­ tung Osten, von wo sich der Bach herab­ schlängelt zwischen Fundstücken der be­ schriebenen Art. Im Hintergrund eine Land­ schaftskulisse hangartig hochgezogen, voll ihre Künstlichkeit zur Schau stellend … Dort am höchsten Punkt triumphiert der metallene Vogel (oder ist es die Metamor­ phose einer verzinkten Gießkanne) anstelle des erlösenden Kuckucksrufes einen Sturz­ bach aussendend.“ Ich glaube kaum, daß Albert Hien eine konkrete Vorstellung vom Schwarzwald­ Baar-Kreis hatte, als er mit ersten Entwürfen fur seine Arbeit am Landratsamt begann. Die Assoziation Schwarzwald – Kuckucksuhr liegt auf der Hand. Bei der Baar hilft das Lexikon, das die Region als von der Landwirtschaft geprägt auszeichnet. Landwirtschaft, Nah­ rung, Teller, Baaremer Teller – die Assozia­ tionsreihe ist scheinbar so einfach. Das abgeschrägte Dach, die Öffnung fur den „Vogel“, der Platz fur ein Zifferblatt. Die Vorderfront des Gehäuses gleicht einer Kuk­ kucksuhr. Es ist alles vorhanden und doch wieder nicht. Kein Zifferblatt, kein Kuckuck, der die Stunde ansagt, keine übliche kunst­ gewerbliche Ausschmückung. Aber links da­ neben, hoch aufgetürmt, ein monolithischer Tannenzapfen. Das Gewicht des traditionel­ len Aufzugs einer Kuckucksuhr ist neben die Fassade gestellt. Diese „Uhr“ läßt sich nicht aufziehen. Der „Tannenzapfen“ besteht aus Zahnrädern, Zahnräder, die nicht ineinan­ dergreifen, sondern wie herausgearbeitet aus dem Stein wirken, leicht versetzt lagern sie übereinander und greifen zugleich ins Leere, erinnern an Unfertiges oder Unbrauchbares. Ein Stück Natur und gleichzeitig ein Stück Technik. Am Anfang der Wasserrinne ein nicken­ des Wesen, der Kuckuck vielleicht, dieser „seltsame Vogel“, der rhythmisch das Wasser ausspuckt. Der Vogel findet seine Analogie in einer Pumpanlage mit ihrer Auf- und Abwärtsbewegung, mit ihrem „Nicken“, das durchaus an den Kuckuck erinnert, zugleich aber den Bezug zum Wasser und zur Bewe­ gung beinhaltet. Die Mechanik der Uhr wird wieder aufgenommen. Nach dem „Vogel“ kann man beinahe seine Uhr stellen, und das mutet in diesem Zusammenhang von Fragmenten und Ruinen besonders überra­ schend an. Das Mühlrad in der Fassade der Uhr treibt nichts an, kein Werk und auch keine Zeiger. Das Rad, das äußere Zeichen eines aufFunk­ tionalität und Rationalität getrimmten Zeit­ alters dreht unendlich seine Bahnen und kommt trotzdem nicht voran, treibt keinen Prozeß an, ist im ökonomischen Sinne „nutzlos“. ,,Sinnlosigkeit“ wird zum Prinzip erklärt. Eine Ruine des Fortschritts und des Glaubens daran, ein futuristisches Gebilde, dem auch der Gedanke eines Perpetuum mobile nicht fern liegt. Die „Kuckucksuhr“ war und ist Bestand­ teil „verkitschter“ Wohnungseinrichtungen, scheinbar notwendiges Utensil von Bauern­ stuben, in denen nostalgisch einer Vergan­ genheit nachgehangen wird, die es so nie­ mals gegeben hat, sie ist Verkaufsschlager einer immer noch prosperierenden Touri­ stik-Industrie. In der Verklärung der Vergan­ genheit liegt ihr Reiz. Gerade die berühmte „alte“ Kuckucksuhr wurde mit Ornamenten und Figuren geradezu zugedeckt. Zur echten Kuckucksuhr gehört bis heute das Edelweiß. Wer in der Umgebung danach sucht, wird erfolglos bleiben. Die Kuckucksuhr sammelt alle Abbilder der Idylle und ist letztlich nicht geographisch gebunden. Statt schöner Front und verkaufsfördernder Verpackung findet sich bei Albert Hien ein ruinöses Bauwerk, das so gar nicht in unsere glattlackierte Gegenwart passen will. Albert Hien verbindet alte Handwerkstra­ dition und industrielle Fertigung: Scheinbar normierte Teile und fast liebevolle Details, Präzision und Spielerei, perfektes lneinan­ derpassen der Einzelteile und grobe Anpas­ sung. Das Hauptinteresse liegt beim Machen, bei der Arbeit. Unfertig wirkt das, weil es die 207

Baar-Tell.er Möglichkeit von Veränderbarkeit beinhal­ tet, unfertig, weil der Betrachter mit seinen Augen die Einzelteile Stück für Stück selbst zusammenstellen kann. Nur ist diese Unfer­ tigkeit kein Mangel, sondern im Gegenteil die Voraussetzung zum Einsatz der Phanta­ sie. Albert Hiens Arbeit wirkt nicht in ihrer unverrückbaren Monumentalität, sondern wie ein bereitgestelltes Spielzeug. Und der Betrachter sollte sich in acht nehmen vor eindeutigen Zuweisungen. Könnte das „Ein­ gangstor“ nicht auch die Ruine eines „Bahn­ wärterhäuschens“ sein. Das abgeschrägte Dach läßt an ein Haus denken, und der Bahnhof liegt schließlich in unmittelbarer Nähe. Und könnte es sich bei den Zahnrä­ dern nicht auch um Teile von Sägeblättern handeln? „Märchenhaft und utopisch“ ist diese Kuckucksuhr. ,,Märchenhaft“ verweist sie auf die scheinbare Idylle ihrer Herkunft, und ,,utopisch“ weist die Skulptur auf eine unbe­ kannte Zukunft hin, deren Bausteine immer 208 noch dem längst überwunden geglaubten des mechanischen Zeitalter entstammen. Von denen, die die Uhren herstellen und hergestellt haben, findet sich in der Arbeit von Albert Hien nichts. Die Pumpanlagen sind unterirdisch verlegt. Fast scheint es, als produziere die Technik sich selbst. Aber der Prozeß Arbeit ist in der „Kuckucksuhr“ stän­ dig sichtbar. Nur ist dieser Prozeß nicht zeit-, nicht einmal objekt- oder ortsbezogen. Nicht einmal auf ein Ziel gerichtet. Der Pro­ zeß hat sich verselbständigt. Gleichzeitig lösen sich die Gegenstände von ihrer ange­ stammten Funktion. Ein festgemauertes Zahnrad ist kein Zahnrad mehr und bleibt es doch. Das Zahnrad treibt nichts mehr an, sondern liegt erstarrt da. Aber die alte Bewe­ gung bleibt dem Gegenstand erhalten. Das metallene Mühlrad, dem Zahnrad formal verbunden, dreht sich, auch wenn es nur noch sich selbst antreibt. Materiell bleibt die Verbindung bestehen, weil es an die alten steinernen Mühlräder erinnert.

Archaisch wirkt die ruinenhafte Gestal­ tung. Archaisch ist der Spieltrieb, der alles antreibt und der Traum nach einer unend­ lichen, vollkommenen Bewegung. Aber die­ ser Traum ist pure Illusion. Das Rad mag noch so blitzen, es steckt in einer Ruine. Die Bewegung ist sinnlos, eine praktische Umset­ zung wird nur vorgetäuscht. Erstarrt wird das Rad zum Denkmal. Gro­ tesk das Gegenüber des zerbrechlich wirken­ den Metallrades zu den wuchtigen Steinen, die Starre zur Bewegung, die künstlich-hand­ werkliche Form des Zapfens zur künstlich­ industriellen des Rades. In den Arbeiten AJbert Hiens steckt immer auch eine Portion ironischer Distan­ zierung, einer Distanzierung, die eine Reihe von Projekten scheitern ließ, weil die Auf­ traggeber vor so viel kritischer Distanz zu­ rückschreckten. Die „Kuckucksuhr“ steht vor einer Behörde. Der ewige Kreislauf, der sein Ende niemals erreichen wird, eine „Ma­ schine“, die arbeitet, ohne ein Produkt ihrer Arbeit vorweisen zu können. Wir könnten auch an eine Bürokratie denken, die selbstge­ nügsam sich selbst befriedigt. Erstarrte Struk­ turen, die bewegungslos-störrisch jeden An­ satz von Innovation verhindern. In witziger Verkehrung steht dem l’art pour l’art-Stand­ punkt der Kunst die Vorstellung einer sich selbst gehörenden Bürokratie gegenüber. Lesbar wäre der Zickzackkurs als Gang durch die Behörde, Kafka läßt grüßen. Die Assoziationen sind schier grenzenlos – aber niemals beliebig! Da ist der Zickzack­ kurs des Wassers. Wasser als Quelle allen Lebens im Zusammenhang mit Geburt und Tod, mit Paradies und Sintflut. Wasser wer­ den gleichgesetzt mit dem beständigen Flie­ ßen der manifesten Welt, mit Erinnern und Vergessen. Wasser zerstören, bauen auf, rei­ nigen, ,,waschen weg“ und regenerieren. Was­ ser als das flüssige Gegenstück zum Licht. Der Bach mäandriert in rechten Winkeln, der Zickzack-Kurs ist die schematische Um­ setzung der natürlichen Mäander, aber zu- Im Brigachtal Aquarell: German Hasenftatz 209

gleich ist dieser Lauf„gebändigt“ durch Rin­ nen. Von Stufe zu Stufe fällt das Was er durch eine kreisförmige Öffnung abwärt , die Bahnen überlappen sich. Die Öffnun­ gen, durch die das Wasser die folgende Stufe erreicht, wirken wie ausgestanzt, als habe hier jemand das Material für die steinernen Zahnräder hergeholt. Im Zusammenhang mit einer geschicht­ lichen Entwicklung wirken die Räder wie Fossilien. Aber man mag auch an die mecha­ nischen Teile und Ziffern der Uhr denken. Die Wa seroberfläche reflektiert die Sonne, so wie es die metallenen Zahnräder und die Glasfenster im Hintergrund tun. Ein Natur­ phänomen wird techni eh reproduziert. Nein, Albert Hien hat das Rad nicht er­ funden, aber er hat dem Rad wieder neue phanta tische Möglichkeiten eröffnet, die in der Funktionalität unserer Welt verschüttet schienen. Hiens Arbeiten sind niemals an beliebige Orte zu plazieren. Inhaltlich und formal geht er immer von den Bedingungen aus, die der jeweilige Auf tellung ort bietet. Die Zeichnungen und Modelle der Ausstellung im Landratsamt verdeutlichen das in jedem einzelnen Fall. Hier finden sich auch Bei­ spiele anderer Projekte von Albert Hien, und in jedem einzelnen dieser Projekte läßt sich der Bezug zur geographischen oder sozialen Umgebung wiederfinden. Der „Baaremer Teller“ auf der anderen Seite des Landratsamtes ist in die em Zusam­ menhang nur ein weiteres Beispiel. ,,Die Baar bildet als Hochebene mit den sie umgeben­ den Höhenzügen eine Art Schale, Schüssel oder Teller“ (Albert Hien). Die Schale ent­ spricht der Topographie, die Tellerform ruft die Funktion der Saar als Kornkammer in Erinnerung, und wieder ist das Wasser we­ sentlicher Bestandteil der Skulptur. Die Donau, der europäischste aller Flüsse, ent­ springt hier. Die Baar wird zum Zentrum Europas. Die Schüssel hat mehr als nur einen „ prung“. Das mag man ironisch auffassen und ist wohl auch so gemeint. Aber diese Sprünge ind zugleich das geographische Kürzel des Kreises: Donau, Breg, Brigach und Neckar, die Wasserscheide. Was zu­ nächst wie eine Verletzung aussieht, ist in Wirklichkeit die Lebensader. Dem Kreis muß man gratulieren zu die­ sen Arbeiten. Vielleicht auch zu dem Mut, obwohl dieser Mut eigentlich eine Forde­ rung der Verfassung ist. Albert Hien ist ein Blick von außen auf die Region gelungen – und wir finden uns in diesem Blick wieder. Uwe Conradt Das Bildmaterial konzentriert sich vor allem auf den „Baar-Teller‘: da Bilder zur „Kuckucksuhr“ bereits im Almanach 1993, eile 22-25, veröffentlicht wurden. Zeitgenössische Kunst in der Fabrik Vom „Gesicht“ der Schwenninger Firma Benzing Zeit und Daten ,,Unseren Erfolg“, schreibt das Schwen­ ninger Unternehmen der Bauer Kaba Gruppe Benzing Zeit und Daten GmbH in einer Werbebroschüre, ,,verdanken wir inno­ vativen Ideen, der �alität unserer Pro­ dukte, einer au gereiften Management- und Marketing-Strategie und dem unverwechsel­ baren Firmengesicht“. Diese unbescheidene Selbstein chätzung eines Unternehmens mit alter Familientradition könnte als Wer- 210 beslogan ftir viele andere Firmen ebenso gel­ ten, ist somit beliebig austauschbar, wäre da nicht auch der Hinweis auf ein unverwech­ elbares „Firmengesicht“. Das „Gesicht einer Firma“, was ist das? Bei Benzing Zeit und Daten ist es zunächst das von Professor Anton Stankowski vor mehr als zwanzig Jahren entwickelte Erschei­ nungsbild, dessen grafi ehe Prägnanz in seiner formalen Gestaltung auch nach zwei

Jahrzehnten immer noch Gültigkeit hat. Im Normenkatalog dieses Erscheinungsbildes, den der international renommierte Stuttgar­ ter Künstler und Grafikdesigner für Benzing und der spezifischen Produktpallette der Firma eigens entwickelte, sind alle wesent­ lichen visuellen Details präzise vorgeschrie­ ben. Nach dieser ironisch „schwarzen Bibel“ genannten Vorgabe werden ausnahmslos alle Drucksachen, ob Formulare, Prospekte, Briefköpfe, Visitenkarten oder Zeitungsan­ noncen gestaltet. Farbrad Hinzu kommt, daß auch die Designs der Produkte der Firma in ihrer äußeren Form auf dieses Erscheinungsbild verweisen und neben ihrer Funktionalität auch ästheti­ schen Gesichtspunkten genügen. Deutlich wird dabei, daß sich die G.!lalität der Pro­ dukte durch die klare und einfache Gestal­ tung ebenso transportiert, wie durch die immanenten technischen Gegebenheiten. Zum Schluß ist die Gestaltung der bau­ lichen Substanz des Verwaltungs-und Pro­ duktionstraktes im Schwenninger Industrie- 211

Diagonaler Knoten gebiet ebenso zu erwähnen wie ein kleines Biotop, das die Besucher wie die Mitarbeiter vor dem Haupteingang begrüßt. Die Aufzählung all dieser Merkmale unterscheidet dieses Unternehmen aber noch nicht von anderen mittelständischen Betrieben, wäre da nicht noch etwas, was diese Firma vor den meisten gleichartigen Produktionsstätten auszeichnet: Kunst. Ob im Verwaltungsgebäude oder im Produk­ tionsbereich, die Wände sind mit Bildern bestückt, Kunstwerke hängen von der Decke in den Raum; Kunst allüberall. Es war für den ehemaligen geschäftsfüh­ renden Gesellschafter Max Ernst Haller zu Beginn seines Engagements für die bildende Kunst Anfang der 70er Jahre sicher ein Aben­ teuer, das von vielen -waren sie höflich – belächelt, von den meisten aber als Marotte des „Chefs“ aufgefaßt wurde. Doch was als ,,Schplin vom Boß“ mehr oder weniger an­ gesehen wurde, entwickelte sich beharrlich und in Anton Stankowski war einer derwelt- 212 Neun Felder durch Linien besten Grafiker und Künstler als Partner gefunden. Stankowski, 1906 in Gelsenkirchen gebo­ ren, war zunächst Lehrling bei einem Deko­ rationsmaler, bevor er Anfang der 20er Jahre Kontakt zur Gruppe „Das junge Rheinland“ fand, in der neben Gerd Wollheim und Otto Pankok auch Otto Dix zu nennen ist. 1927-28 erfuhr er an der Folkwangschule in Essen bei Wilhelm Poetter und Max Bur­ chartz die Grundzüge der Neuen Gestaltung mit den Schwerpunkten Innenraum, Typo­ grafie und Fotografie. Ab 1929 arbeitete er im Reklame-Atelier Max Dalang in Zürich und entwickelte hier die „Konstruktive Grafik“ als neue Form des Grafikdesigns mit der Ein­ heit von Typografie und Bild. Er lernte in der Schweiz auch die Großen des Konstruktivis­ mus wie Max Bill, Richard Paul Lohse u.a. kennen. Anfang der SOer Jahre arbeitete er im eigenen Atelier in Stuttgart. Jetzt ist die Visualisierung abstrakter Vorgänge durch visuelle Symbole, somit allgemein verständ-

Flächenspirale Fünf Quadrate liehen Zeichen, sein Hauptanliegen. Ihn interessiert aber nicht nur die Signifikanz eines Zeichens, sondern, erst wenn dieses auch das Umfeld des zu Bezeichnenden als Ganzes vermittelt, kann dieses Zeichen zu einer positiven Identität führen. Wie bei dem von Anton Stankowski ent­ wickelten Signet für die Deutsche Bank- der aufsteigenden Diagonale im festgefügten Quadrat – und anderer Signets großer Unternehmen, ist es dem Grafiker auch bei Benzing Zeit und Daten überzeugend ge­ lungen, ein Erscheinungsbild zu entwerfen, das dem Unternehmen ein unverwechsel­ bares visuelles Firmenbild gibt. Anton Stankowskis Credo ,Yereinfachen – Versachlichen – Vermenschlichen“ ist nicht nur in seinen grafischen Entwürfen, sondern auch in seinem umfangreichen malerischen Werk von großer Bedeutung. Seine konstruktiven Bildfindungen, ob sie sich mit dem Lauf der Zeit als meßbare Ein­ heit oder als linearer Vorgang, als Ausdruck jahreszeitlicher Erscheinung (wie Frühling, Sommer, Herbst und Winter) präsentieren, oder ob Fläche und Raum ordnend gestaltet ist, immer sind diese Bilder durch ihre größt- 213

mögliche Reduktion und ihre klare Farbfin­ dung in ihrer Absicht eindeutig lesbar. Dem �adrat als einfachste geometrische Form eingeschrieben, ziehen diese Bilder den Betrachter in ihren Bann. Der Zusammenarbeit mit dem Grafik­ büro Stankowslci folgte das Sammeln seiner Kunst durch Max Ernst Haller. Diese Bilder wurden jedoch nicht im privaten Wohnzim­ mer aufgehängt, sondern fanden ihren Platz an den Wänden in der Chefetage ebenso wie im Treppenhaus oder im Foyerbereich des Firmengebäudes. Die Druckgrafik von Anton Stankowslci, die das Unternehmen für Geschenkzwecke edierte, schmückte alsbald die Büros der Mitarbeiter. Und es dauere nicht lange, da intere ierten sich auch die Beschäftigten im Produktionsbereich für die Arbeiten des Stuttgarter Künstlers. Zunächst hiengen sie Reproduktionen der Originale, die im Verwaltungstrakt ausgestellt waren, in die Werkhallen. Doch schon bald fanden auch Originale ihren Weg in die Produk­ tionsstätten. Heute finden sich mehr als 15 großformatige Arbeiten von Anton Stan­ kowslci in der Stanzerei, im Montagebereich, im Lager oder im Kontrollraum. Die Plazie­ rung dieser Arbeiten an diesen Orten ist auch Ausdruck eines Miteinanders zwi chen Verwaltung und Produktion; es wird deut­ lich, daß die Mitarbeiter weniger ein hirar­ chi ches Oben und Unten erfahren, als viel­ mehr ein gemeinsames Ringen um und für den Erfolg der Firma anstreben. Der Schwenninger Unternehmersohn Max Ernst Haller erinnert sich mit schalk­ haftem Schmunzeln an die Anfange, als er im neuen Haus Kunst ausstellte und vergißt nicht zu erwähnen, daß sich langsam eine Veränderung im Verhalten seiner Mitarbei­ ter bemerkbar machte. ,,Sie konnten fe tstel­ len“, erzählte er dem Verfasser, ,,daß sich zum Beispiel die Kleidung der Mitarbeiter mit der Zeit qualitativ veränderte. Ebenso veränderte sich das Verhalten der Mitarbei­ ter untereinander und daß immer mal auch von gelegentlichen Museumsbe uchen ge­ sprochen wurde, das war und ist für mich ein 214 Zeichen dafür, daß Kunst die Menschen ver­ ändern kann.“ Im Rückblick haben sich für ihn und das Unternehmen die damals getä­ tigten Investitionen im Arbeitsumfeld „hun­ dertfach gelohnt. Die Firma hat überall an Ansehen gewonnen. Davon profitieren wir in der Geschäftswelt.“ Anfang der 70er Jahre, als in der Bundes­ republik der Begriff der ,Corporate Identity‘ noch unbekannt war, wurde in der Schwen­ ninger Firma eben diese mit Leben gefüllt. Unter Corporate Identity wird „die Summe aller Darstellungsweisen, in denen sich ein Unternehmen gegenüber der Öffentlichkeit, den Kunden, seinen Mitarbeitern, der Presse, Versicherungen und Banken präsen­ tiert“, ver tanden. Dabei erkannte Max Ernst Haller sehr früh, daß ein Engagement für Konkrete Kunst ein Teil der Corporate Iden­ tity sein kann. Hierbei war und ist die moderne Kunst bei Benzing Zeit und Daten GmbH seit mehr als zwanzigJahren das Bindeglied zwi chen der Unternehmenskultur, der Unternehmens­ kommunikation und der Unternehmens­ gestalt – alles �alitäten, ohne die ein moderner Betrieb heute nicht mehr erfolg­ reich arbeiten kann. Seit Max Ernst Haller sich aus der Firma zurückgezogen hat und die Ge chäftsleitung in der Verantwortung von Walter R. Kaiser liegt, ist selbstverständlich manches anders geworden; nicht geändert hat sich aber die Einstellung der Unternehmensführung zur modernen Kunst. Auch Ge chäftsführer Walter R. Kaiser hält an der Entscheidung fest, zeitgenössische Kunst als ein eigenstän­ diges und die Lebensqualität bereicherndes Mittel für das Unternehmen und seiner Mit­ arbeiter zu fordern. Auch er ist sich gewiß, daß sich die es Engagement letztendlich für alle Beteiligten, die Mitarbeiter, die Kunden wie für das Unternehmen positiv auswirkt. Wendelin Renn

Carl Hornung (1876-1969) Maler und Bräunlinger Ehrenbürger Carl Hornungs Todestag jährte sich am 20. April 1994 zum 25. Mal. Sein Name ist in Bräunlingen, wo er sich sowohl als Künst­ ler als auch als Lokalpolitiker unermüdlich engagierte, nach wie vor präsent. Die ihm eigene ausgeprägte Bescheidenheit sowie die Tatsache, daß er seinen künstlerischen Schwerpunkt auf die Portrait- und nicht auf die ein breiteres Publikum ansprechende Landschaftsmalerei setzte, mögen die Grün­ de dafür sein, daß Carl Hornung außerhalb seiner Heimatstadt nur wenig bekannt ist. Carl Hornung wurde am 15. September 1876 geboren; seine Eltern betrieben in Bräunlingen eine Landwirtschaft und hatten insgesamt neun Kinder. Die erste Station der gediegenen vier­ zehnjährigen Ausbildung Carl Hornungs war eine Lehrzeit bei dem Maler und Bild­ hauer Franz Simmler, der gerade die neue Bräunlinger Stadtkirche ausmalte. Es folgten zwei Jahre Unterricht an der Kunstgewerbe­ schule und bei dem DekorationsmalerJosen­ hans in Nürnberg sowie drei Jahre Studium an der Badischen Kunstgewerbeschule in Karlsruhe. Von 1901 bis 1907 studierte Carl Hornung an der Kunstakademie in Mün­ chen, wo er sich eng an seinen Bruder Johan­ nes Baptist, inzwischen promovierter Kunst­ historiker und Inhaber einer Privatschule für adelige Knaben, anschloß. Er konnte ein eigenes Atelier unterhalten und zählte vor allem die Schüler seines Bruders und deren Familien zu seinem Kundenkreis. Im I. Weltkrieg mußte Carl Hornung als Soldat an die Westfront, eine Zeit, die den jungen Mann zeichnete. Den Entwicklungen nach dem I. Welt­ krieg fiel auch das Institut des Johann Baptist Hornung zum Opfer- beide Brüder kehrten 1920 in ihre Heimatstadt zurück – und blie­ ben dort bis an ihr Lebensende. Carl Hornung lebte sich in Bräunlingen schnell wieder ein. Er nahm mit großem Carl Hornung- Selbstportrait als Maler, 1914, Öl auf Leinwand, Privatbesitz Engagement seinen durch den I. Weltkrieg vereitelten Plan, in Bräunlingen ein Heimat­ museum einzurichten, wieder auf. 1923 konnte das erste Bräunlinger Museum tat­ sächlich eröffnet werden, eingerichtet mit Objekten, die Carl Hornung selbst zusam­ mengesammelt, beschafft und oft auch finanziert hatte und die auch den Grund­ stock des Kelnhof-Museums bilden! Die Fastnacht in den 20er Jahren erhielt durch ihn manche wesentliche Prägung. Die Narrenzunft besitzt in Bildern, Urkunden, dem großartigen Fastnachtsalbum und vor allem in der von Carl Hornung ausgegange­ nen Initiative zum Erwerb der Kostüm­ sammlung eine lebendige Erinnerung von hohem ideellem Wert an ihren einstigen Ehrennarrenrat. Es gibt wohl kaum einen damals existie­ renden Verein in Bräunlingen, der nicht wenigstens eine von Carl Hornung gestaltete Urkunde, eine Fahne oder ähnliches besitzt. In der Zeit vor 1933 und nach 1945 hat 215

Carl Hornung – Staudamm am Kirnbergsee, um 1920, Öl auf Leinwand, Privatbesitz Carl Hornung als Gemeinderat das politi­ sche Leben in seiner Vaterstadt mitgeprägt­ für all seine Verdienste um die Gemeinde wurde ihm 1956 zum 80. Geburtstag der Ehrenbürgerbrief überreicht. Der Stil Carl Hornungs kann als „Neo­ naturalismus“ eigener Prägung mit einem gewissen Übergang zur Modeme beschrie­ ben werden. Das Werk, das er hinterlassen hat, ist nicht nur umfangreich, es ist auch sehr vielfältig. Dank der Tatsache, daß die Familie Hornung einen großen Teil des Wer­ kes sorgsam hütete, ist es möglich, die künst­ lerische Entwicklung Carl Hornungs nach­ zuvollziehen: In der Lehrzeit, mit 17, 18Jahren, übte Carl Hornung sich in der exakten Kopie von ein­ facheren Vorlagen, dazwischen gibt es auch durchaus eigene Schritte, wie in den Skizzen­ blöcken zu erkennen ist. Carl Hornungs Zeugnisse heben stets neben seinen kün tierischen Fortschritten seinen Fleiß und sein „sehr lobenswürdiges Betragen“ hervor. Er war, aufgewachsen in einem streng katholischen Elternhaus, sein Leben lang ein tief religiöser Mensch. Seine künstlerische Au bildung kam seinen Neigungen und Vor­ lieben entgegen; die Vorbilder waren alte deutsche Meister, allen voran Dürer. Auch in den Jahren, in denen Hornung in München lebte, blieb er sich selbst und sei­ ner – im positiven Sinne – konservativen Einstellung treu, während zur gleichen Zeit München eine Hochburg der künstlerischen Avantgarde war. 216

einzelne Bilder noch bis kurz vor seinem Tod im Alter von 92 Jahren. Ein sehr hohes Niveau erreichen Carl Hornungs Portraits; faszinierend ist die Sammlung früher Arbeiten in Kohle, ein­ drucksvoll auch seine Portraitierkunst in Öl. In den Portraits, wo sich seine Meisterschaft so offenkundig zeigt, sind gelegentlich aber auch Abweichungen zu dem von ihm meist gewählten naturalistischen Stil auffällig, die, eingedenk seiner Sicherheit in der Darstel­ lung der menschlichen Anatomie, expressio­ nistische Anklänge erscheinen lassen. Einen weiteren Schwerpunkt im Werk Carl Hornungs bilden die Vielzahl und Viel­ falt der Stilleben mit Blumen. Hier domi­ niert der naturalistische Stil und erreicht sei­ nen Höhepunkt in den 1920er Jahren, doch auch die später entstandenen Bilder mit modernerer Pinselführung zeigen Hornungs Meisterschaft und seine künstlerische Ent­ wicklung. Relativ viele Blumenstilleben sind Carl Hornung – Bräunlinger Hansel Öl auf Leinwand, 1926, Narrenzunft Eintracht Bräun­ lingen 217 Carl Hornung – Stilleben, 1923, Öl auf Lein­ wand, Privatbesitz Konsequent bei seinen Überzeugungen blieb Carl Hornung auch während des „Drit­ ten Reiches“, so daß sein Lebenslauf keine Lücken, sein Werk keine heute peinlichen Perioden enthält. Was in dieser Zeit jedoch ihm und vor allem seinem Bruder Dr.Johan­ nes Baptist Hornung an persönlichem Unrecht widerfuhr und wie sehr ihm die damalige allgemeine politische Situation und der Krieg zusetzten, widerspiegelt auch sein Werk. In seinen Bildern überwiegen düstere, gebrochene Farben, ernste Mienen. Religiöse Motive, Entwürfe für die Gestal­ tung von Kirchen (in den wenigsten Fällen ist bekannt, ob und wo sie ausgeführt wur­ den) sind zahlreich und haben einen hohen Stellenwert im Gesamtwerk. Der Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens lag wohl in den 20er Jahren; das langsame Verlöschen seiner Schaffenskraft ist von den frühen 50er Jahren an zu erken­ nen. In den letzten Lebensjahren werden die Werke des Künstlers rarer -doch malte er

Carl Hornung – Villa Hornung in Bräunlingen, 1938, Öl auf Leinwand, Privatbesitz in der Zeit während des II. Weltkrieges ent­ standen, einige auch um 1950. Die Verbundenheit mit der Natur war bei dem aus einer bäuerlichen Familie stammen­ den Carl Hornung sehr ausgeprägt. Die Arbeit in der Landwirtschaft seines Bruders und die intensive und erfolgreiche Beschäf­ tigung mit dem Obstbau waren für Carl Hornung vielleicht auch ein Ausgleich zur künstlerischen Tätigkeit. Daß das Leben eines Künstlers nicht immer leicht war, wußte Carl Hornung, der nicht dem Klischee vom Kün tler als Bohe­ mien entsprach. Wahrscheinlich ist er im Grunde immer tief mit Bräunlingen verwur­ zelt geblieben und ohne den engen Zusam­ menhang, den das Werk Carl Hornungs – das künstlerische GEuvre und das lokal-poli­ tische Werk – mit seiner Heimat hat, würde das fehlen, was die Erinnerung an Carl Hor­ nung in Bräunlingen lebendig erhält. Susanne Huber-Wintermantel M. A. Kind und Kunst Seit Jahren pflegen die überregional beachteten Blumberger Kunstausstellungen nicht nur die gut angenommenen ersten An­ näherungen an die zeitgenössischen Kunst­ äußerungen für örtliche und auswärtige Schulklassen, andern ebenso für Kindergär- 218 ten und deren aufgeschlossene Betreuerin­ nen. Die Ausstellungen, vormals in der „Galerie unter der Kirche“ und seit sechs Jah­ ren in der geräumigeren Stadthalle „aufZeit“ großzügig untergebracht, werden vom Aus­ stellungsleiter auch dahingehend konzipiert,

Künste entschieden haben oder noch ent­ scheiden wollen. Diese interessieren sich, neben den ihnen nahegebrachten Kriterien, für die plastischen Formulierungen sowie vielschichtigen Zeichen- und Maitechniken der ausgestellten künstlerischen Potenzen, von den maltraditionellen Reminiszenzen über die klassische bis zur zeitgenössischen Modeme. Den besonderen Anschauungsun­ terricht für Vorschulkinder, eben mit dem Ziel der ersten Kunstkonfrontation und -vermittlung, pflegt die Blumberger Pädago­ gin Christiana Steger mit gegebener Einfüh­ lung und einer ohne Überforderung behut­ samen Einführung in die vorerst fremde und daher befremdende Materie. Der Beobachter erlebte mit großem Ver­ gnügen diese ersten Informationen in kin­ dergerecht vorbereiteter Atmosphäre, ein Vergnügen, das die praktizierten Einstiegs­ modi und die angeregte Aufmerksamkeit bis zur gefesselten Anteilnahme mit allen Reak­ tionen kindlicher Beeindruckung umfaßte. Um einer naheliegenden Überforderung der Aufnahmebereitschaft durch die gebotene Vielfalt zu entgehen, gab es nach dem auf neugierigen Rundgängen empfangenen All­ gemeinüberblick zögernde wie auch spon­ tane Einzelechos auf spezielle Entdeckun­ gen, die dann zu Konzentrationen auf ganz Zwiegespräch mit dem eindrucksvollen „Lau­ scher“ des kriegsblinden Plastikers Walter Richter, Blumberg, in einer der Ausstellungen. 219 Erste „Kunstbetrachtung“. Vorschulkinder wer­ den von der Pädagogin Christiana Steger kinder­ gerecht eingewiesen. daß sie Stile, künstlerische Entwicklungen sowie die unterschiedlichsten Gestaltungs­ auffassungen anbieten, um die Brücken­ schläge zum gesuchten Verständnis zu er­ leichtern. Diese umfassende Palette der Fach­ gruppe Bildende Künste im Internationalen Bodensee-Club aus dem Raum zwischen Bodensee, Oberschwaben und Schwarzwald hat ihre Eignung für eine Zugangssuche, ein­ schließlich der oftmals sehr kritischen Ju­ gend, mehrfach bewiesen, so daß selbst die noch ganz unbefangenen Kleinen der Kin­ dergärten wiederholt kommen, um die „Kunstbetrachtung“ über den ersten Weg der „Warum-Frage“ zu üben. In der ihnen vertrauten Heimumgebung von ihren Be­ treuerinnen im spielerischen Gestalten und Umgang mit Materialien, Farben und For­ men zu ihren ersten Erfahrungen grundle­ gend angeregt, sehen die Kinder ohne intel­ lektuelle Ablenkungen noch mit anderen Augen als zum Beispiel die altersbedingt auf­ geschlosseneren oder gar leistungsorientiert vorgeprägten Schüler, von denen sich einige zudem schon für das Wahlfach Bildende

unterschiedliche Exponate führten. Erstaun­ lich war, daß auch das Abstrahierte oder gar vollends Abstrakte dank Phantasie-Anstoß eine lebendig geäußerte „Anschaulichkeit“ bewirkte. Da stand die Entdeckung eines auf­ regenden „Neulands“ neben dem unbefan­ genen „Das kann ich auch!“ Deutlich wurde, daß alles Gegenständliche in seiner vorgege­ benen Erkennbarkeit zwar vorrangig an­ sprach, doch aus diesen Beispielen nicht jener rätselhafte Funke wie bei mancher ungegenständlichen Bildorganisation über­ sprang, der zu entflammen vermochte und nach dem „Was seht ihr da?“ die phanta­ stischsten Vermutungen in spontanen Wir­ kungsaussagen zeitigte. Eine glückliche und von der Ausstellungs­ leitung sogleich positiv aufgenommene Idee Christiana Stegers war das Experiment, die von den fünf- bis siebenjährigen „Kunstbe­ trachtern“ empfangenen Eindrücke unmit­ telbar nach der doch so ganz ungewohnten Begegnung mit Bildern und Skulpturen zeichnerisch oder malerisch wiederzugeben. Das erwies sich als eine kleine, pädagogische Sternstunde: Vielversprechende Tastversu­ che in Richtung der angeregten Aufnahme­ bereitschaft, des Erinnerungsvermögens, ei­ ner Verarbeitung und bildlichen Reflexion. Im lichten Foyer der Stadthalle war auf Tischen alles vorbereitet worden; Papier, Kreiden und Buntstifte lagen bereit. Eine geschickte Hinführung förderte die Konzen­ tration auf besonders Beeindruckendes, das die Kinder dann individuell, bevor es von anderen Eindrücken überlagert wurde, mit viel Eifer in einem Zuge oder auch von Denkpausen unterbrochen dem Papier an­ vertrauten. Natürlich gab es hier und dort Anzeichen von Ermüdungen. Eine der Klei­ nen murmelte: ,,Ich weiß nicht, was ich malen soll“, legte den Kopf auf das unbe­ malte Papier und schlief ein. Andere malten, als gelte es einen Wettkampf zu gewinnen oder folgten einfach neuen Eingebungen. Die Mehrzahl setzte das Gesehene und Ein­ geprägte jedoch mit eigenen Akzenten um. So entstehen seit Jahren Serien von Blättern 220 Munotyp,e /, l /,111s Lang, Donaueschingen der eigenwilligsten Betonungen kindlicher Betrachtungsintensität, die an einer Wand ausgestellt werden und sich in der Folge als ein Anziehungspunkt für viele Ausstellungs­ besucher erwiesen. Denn hier war eine Brücke vom ersten (womöglich in Erinne­ rung gerufenen eigenem) Seh-Erlebnis bis in die vielen Möglichkeiten endgültiger Umset­ zungen in bildliche Kompositionen geschla­ gen worden: Eine Anfangsstufe der Verstän­ digung mit ähnlich unterschiedlichen Ge­ staltungsformulierungen der sich entwik­ kelnden oder schon erreichten Reife. Die kindlichen Zugangsversuche sind dank ihrer Anschaulichkeit darum auch allen erinne­ rungs- und verständnisbereiten Erwachse­ nen dienlich und sollen dieser Gemeinnüt­ zigkeit wegen fortgesetzt werden. Jürgen Henckell

Brauchtum Hermann Schlenker Ein weltläufiger Schwenninger vermittelt als Filmproduzent den Zugang zu fremden Kulturen und einheimischem Brauchtum Nach ausgedehnten Reisen und langen Aufenthalten in den entlegendsten Gebieten der Welt hat sich der Filmproduzent Her­ mann Schlenker jetzt beruflich der Heimat zugewandt. Seine ersten Filmdokumentatio­ nen über aussterbendes Brauchtum und Handwerk in Baden waren für das Göttinger „Institut für den Wissenschaftlichen Film“ eine kleine Sensation: Hermann Schlenker hatte auf professionelle Sprecher verzichtet und stattdessen alle Akteure selbst reden las­ sen – den Schindelmacher, den Glasbläser, die Schäppelträgerin und die Senioren am Stammtisch. Damit konservierte er nicht nur schwindende Mundarten, sondern führte gleichzeitig die bisherige Meinung ad absur­ dum, daß wissenschaftlicher Film und Lan­ geweile ein Synonym sein müssen. Neben­ her erfüllt sich für den Schwenninger Her­ mann Schlenker der ganz persönliche Wunsch, Leben und Arbeit eines Mannes aufzuzeichnen, der ihn in der frühen Jugend­ zeit als Puppenspieler und Erzähler im Kin­ dergottesdienst tief beeindruckt hat und spä­ ter ein bekannter Künstler wurde: Der Schwarzwald-Baar-Kreis und weitere Spon­ soren ermöglichen durch die Übernahme der Materialkosten einen Film über den 221

in Schwenningen aufgewachsenen, heute 85jährigen Maler Hans Georg Müller-Hans­ sen (vgl. Almanach 84, Seite 159-164 und Almanach 94, Seite 258-262). Hermann Schlenker ist seit vielen Jahren in Burgberg zuhause. Die Oase am Hutzel­ berg diente bis vor wenigen Jahren allerdings nur der kurzen Entspannung zwischen den langen Reisen rund um den Erdball. Deren Ergebnis waren innerhalb von zweieinhalb Jahrzehnten unter anderem 300 lange For­ schungsfilme im Auftrag des Göttinger ,,Instituts für den wissenschaftlichen Film“. Für Schulen in USA hatte er Unterrichts­ filme in Auftrag. Auf deutschen und engli­ schen Fernsehschirmen faszinierte er Millio- 222

nen von Zuschauern mit den lebendigen Bil­ dern von fremdartigen Kulturen und Riten, die zuvor noch niemals gefilmt worden waren. Auf schwierigsten Expeditionen in die entferntesten Gebiete auf der ganzen Welt dokumentierte der Filmproduzent aus dem Schwarzwald vorwiegend eine noch unver- dorbene und unbeeinflußte Kultur von Na­ turvölkern, ,,die sich mit bedrückender Schnelligkeit verändert“. Dabei war er nir­ gendwo nur flüchtiger Gast, der sich mit den subjektiven Eindrücken eines nur kurzen Aufenthalts begnügt. Von Bequemljchkeit und Kompromissen hat der mit perfekter Technik ausgestattete Profifilmer ohnehin noch nie etwas gehalten: ,,Ich wollte schon immer schwierige Sachen machen, die an­ dere rucht können.“ Obwohl ihn die Fotografie und später der Film schon früh magisch angezogen hatten, stand der Sproß einer alteingesessenen Schwenrunger Familie zuerst tapfer eine lange Lehrzeit in der Feinmechanik und Uhrmacherei durch. Seinen wirklichen Be­ rufszielen kam er dann mit einer fotografi­ schen Ausbildung näher. Auf der fast ver­ zweifelten Suche nach beratender Hilfe hatte er zuvor in der Münchner Filmhoch­ burg Geiselgasteig einen Rausschmiß erlebt. Daß zwölfJahre später am gleichen Ort sein erster Film gekauft wurde, war ihm deshalb eine besondere Genugtuung. Dazwischen lag unter anderem eine vier­ jährige Odyssee in Island und Grönland, dje eine lange Geschichte für sich ist. Nachdem er mit einem Vermögen von 20 Mark, seiner noch bescheidenen Kamera- und Laboraus­ stattung und sehr viel Hoffnung auf der Insel angekommen und das erste Geld in einer Fischfabrik verdient war, kam ihm bald das Glück zu Hilfe: Der „deutsche Hermann“, der bald fast so gut isländjsch wie dje Einhei­ rruschen sprach, avancierte in kürzester Zeit zum bekanntesten und ungewöhnlichsten Fotografen der Insel. Dazwischen unter­ nahm er Vortragsreisen durch Deutschland. Der erste große Auftrag des „Instituts für den Wissenschaftlichen Film“ führte zu einem langen Aufenthalt bei den Bergvöl­ kern im afghanischen Hindukusch. Unge­ achtet aller Schwierigkeiten wurde Hermann Schlenker dabei klar, daß er seine Lebensauf­ gabe gefunden hatte: Den eigenen tiefen Eindruck mit der Kamera ebenso authen­ tisch wie künstlerisch zu „malen“, ohne er- 223

hobenen Zeigefinger erlebbar zu machen und gleichzeitig zu dokumentieren, was von erschreckend schnellen zivilisatorischen Veränderungen bedroht ist. Das Göttinger Institut erkannte die unge­ wöhnliche Begabung sehr bald an den ersten Ergebnissen. Anfänglich noch im Team mit Ethnologen, eignete sich der Filmemacher bald ein breites völkerkundliches Wissen an und begann, auf eigene Fau t zu reisen. Zugute kamen ihm dabei seine naturgege­ bene Energie und Zähigkeit. Eine Vielzahl einmalig gebliebener Filme gelang letztlich nur durch die Bereitschaft, sich psychisch und physisch rücksichtslos zu fordern. Her­ mann Schlenker war von seinen Zielen so be­ sessen, daß er selbst Lebensgefahr nie als Angstgefühl empfand. Groß war immer nur die Sorge um das Filmmaterial und die bis zu 1500 Kilogramm schwere Ausrüstung. Bei deren Ausfall oder Verlust wären alle An­ strengungen vergeblich gewesen. Der Wahl-Burgberger belichtete unzähl­ bare Filmmeter in Burma, Laos, Afghani­ stan, Pakistan und Malaysia. Im Grasland von Kamerun dokumentierte er Kunst, Kult und Medizin des Geheimbundes der Tikar. In Mali filmte er die fremdartige Welt der Dogon. In Südamerika lebte er in weit abge­ legenen Dörfern in den venezuelanischen Bergen bei den Makiritare-Indianern und bei den Yanomamo, die an den �ellflüssen des Orinoco das Pfeilgift Curare herstellen. Unter schwierigsten Umständen fand Her­ mann Schlenker Zugang zu den ehemaligen Kopfjägern von Papua-Neuguinea. Für die dokumentarische Aufzeichnung des Mann­ barkeitsrituals teilte er ein halbes Jahr lang die qualvollen Prüfungen der Jünglinge. In Afghanistan begleitete er die Nomaden von Pamir, im Tibet erlebte er die Riten des Lamaismus, tiefe Gläubigkeit und – in einer sehr persönlichen Begegnung-den 14. Dalai Lama. Bergstämme in Nordthailand teilten mit ihm ihre Mahlzeiten aus Reis, Mais, Ameiseneiern und rohem Hundefleisch. Im ehemaligen Ladakh, heute Teil der indischen Himalaya-Provinz Jammu-Kashmir nörd- 224 lieh des Nanga-Parbat-Massivs, war er Gast der Königin. In der Südsee lebte er ein halbes Jahr lang mit den 170 Bewohnern des einsa­ men Atolls Nuguria, an dem nur zweimal im Jahr ein Schiff anlegt, um die Kopra, das getrocknete Fleisch der Kokosnüsse, abzu­ holen. Ohne Schmeichelei darf man es als glück­ liche Auszeichnung betrachten, wenn der sonst eher stille und zurückhaltend-beschei­ dene „Abenteurer“ ins Erzählen gerät. Dabei wird schnell klar, daß er nie die Gefahr um ihrer selbst oder der eigenen Profilierung wil­ len gesucht, sondern für die Arbeit einfach hingenommen hat. Sämtliche Ziele waren zum Zeitpunkt der Reisen von zivilisatori­ schen oder gar touristischen Einflüssen noch weitestgehend unverdorben. Schilderungen der außergewöhnlichen Arbeit können nur einzelne Schlaglichter ein. Der Individualist, dessen Filme von Millionen bestaunt wurden, scheut für die eigene Person jedes Aufsehen in der Öffent­ lichkeit. Mit seiner Frau, die gleichzeitig ein­ fühlsame Mitarbeiterin ist, konzentriert er sich ganz auf die Arbeit. Eine Last ist ihm dabei der existentielle Zwang, auch kommer­ ziell denken oder agieren zu müssen. Die Einbeziehung des unverzichtbaren kauf­ männischen Aspekts wurde jedesmal neu durch die hohen Expeditionskosten im fünf­ stelligen Bereich, die kostspielige Ausrü­ stung und das teure Filmmaterial erzwun­ gen. Obwohl noch ein Filmprojekt in Namibia auf die Fertigstellung wartet, hat Hermann Schlenker jetzt seinem großen Interesse an der heimatlichen Kultur und Geschichte nachgegeben. Auf den langen Reisen rund um den Erdball hat er fur sich die Heimat , als den wichtigsten Platz auf der Welt“ ent­ deckt. Für die Filmprojekte, die in diesem Abschnitt entstehen, legt der 60jährige Film­ produzent erneut den strengen Maßstab der Professionalität an, weil er den selbstgewähl­ ten Prinzipien weniger denn je ausweichen kann: ,,Ich wollte es noch nie leicht haben.“ Rosemarie v. Strombeck

Die Trachtendarstellungen Lucian Reichs Zugleich ein Beitrag zur Dokumentation der Tracht im 19.Jahrhundert Das Lebenswerk von Lucian Reich, dem Maler und Schriftsteller, der 1817 in Hüfin­ gen geboren wurde und 1900 dort starb, steht in engem Zusammenhang mit seiner Hei­ matstadt Hüfingen, mit der Landschaft der Baar und mit den hier lebenden Menschen. Die Themen des Schriftstellers und die Objekte des Malers hatten mit dieser Heimat zu tun. Der von seinem Vater, einem aus bäuer­ licher Familie stammendem Lehrer, geför­ derte Lucian Reich genoß auf Vermittlung seines Onkels mütterlicherseits, des Musi­ kers Johann Nepomuk Schelble, eine Ausbil­ dung am berühmten Städelschen Institut in Frankfurt und verbrachte seine Zeit in Münchner Künstlerkreisen. Seine Verhält­ nisse zwangen Lucian Reich, 1855 die Stelle eines Zeichenlehrers am Lyceum in Rastatt anzunehmen. Er lebte dort, stets von Heim­ weh geplagt, bis zu seiner Pensionierung und kehrte dann nach Hüfingen zurück. Im Vorwort zu seinem bekanntesten Buch, dem „Hieronymus“, faßt Lucian Reich zusammen, was für ihn programmatisch war und was sich auch in seinem übrigen Werk als Leitmotiv findet: ,, Von den alten Sitten und Gebräuchen, wie sie ehemals waren, ist zwar Vie­ les schon abgekommen und erloschen, doch lebt noch ein Theil davon so charakteristisch im Volke fort, daß es wohl verdient, abgebildet und beschrie­ ben zu werden (. .. ). Wenn ich von all Diesem so Manches noch sah und hörte und mit dem herein­ brechenden modernen Leben verglich, so entstand in mir immer der Wunsch, das Gesehene und Gehörte, als Dauer im Wechsel nach besten Kräf­ ten in Wort und Bild darzustellen und aufzube­ wahren.“ 1> Mathias und Anastasia Reich, Großeltern des Künstlers, o.j. 225

einer – scheinbar – besseren Vergangenheit sucht und sie in Gegenwart und Zukunft hin­ überzuretten versuchte. Was er gefährdet, vom „Aussterben bedroht“, glaubte, hielt er, als Schriftsteller wie als Maler und Zeichner gleichermaßen begabt, in Wort und Bild fest. Was er für „alt hergebracht“ hielt, seien es Sit­ ten und Bräuche, Gebäude (von der zerfalle­ nen Hütte im Wald bis zur monumentalen Kirche) oder eben Trachten, dokumentierte er mit seinen – künstlerischen – Mitteln. „ Und nebenbei zeichnete und malte ich viel nach der Natur, sowohl in der Ortsumgebung als auch über Wald und zwar, wie es manchen – namentlich aber dem typischen Baarkind „ Wäl­ deroitlehans“ – vorkommen wollte, ziel- und zwecklos. Als ich mich eines Tages in Hausenvor­ wald mit Malkasten und Feldstuhl vor ein bau­ fälliges Häuslein hinpostiert hatte, kam er- in der Nähe mit Wiesenwässerung beschäfügt – wun­ de,jitzig herbei; und nachdem er mir eine Weile schweigend zugeschaut, entfernte er sich mit dem geringschätzigen Brummen: ,, Wenn i en Moler wär, wo/ i ou e g’hörig Gibäu abmale, und ko so lumpige Spelunke!“3> Der Tatsache, daß Lucian Reich einen Blick für solche „Spelunken“ hatte, und sich vom Spott mancher Zeitgeno sen, die Altes nicht (mehr) schätzten, nicht beirren lassen hat, verdankt beispielsweise Bräunlingen die einzige authentische Darstellung des Kirch­ tores, das in den 1850er Jahren abgerissen worden ist. Unter Lucian Reichs Skizzen überwiegen diejenigen, auf denen Trachten dargestellt werden und auch die T hemen seines schrift­ stellerischen Werkes umkreisen immer wie­ der das Thema „Tracht“. Dabei ging es dem Künstler erst in zweiter Linie um die Tracht als solches. Vielmehr stand „Tracht“ für Lucian Reich und viele seiner Zeitgenossen für eine ganz bestimmte Lebenshaltung. Als er den Fürsten von Fürstenberg um einen Zuschuß zur Finanzierung der Druckkosten für den „Hieronymus“ bittet, drückt Karl Egon IV. es so aus: ,,In unserer nivellierenden alles zersetzenden Zeit (. .. ) wäre es doppelt ver­ dienstlich, dem Volke das , Gute und Schöne: was Bauernmädchen aus Hüfingen, 1835 Beschäftigt man sich mit dem umfang­ reichen Werk Lucian Reichs als Maler oder Schriftsteller, fällt ins Auge, daß der größte Teil seines Schaffens das Phänomen „Tracht“ auf irgendeine Weise zum T hema hat. Bereits die Großmutter väterlicherseits war ,, … eine geschickte Näherin, die nicht nur ge­ wöhnliche Schneiderarbeit, auch zur ßtmern­ tracht gehörige Stickereien ( . .. ) zu fert[8en ver­ stand . .. „2> Das von Luzian Reich d. A. ange­ fertigte Portrait seiner Mutter zeigt, daß sie selbst auch Tracht trug – im Gegensatz zu ihrem Sohn und dessen Frau Maria Josefa geborene Schelble. Lucian Reich d.J., der sonst solche Details mit Akribie vermerkt, erwähnt niemals, daß ein Mitglied der Fami­ lie (außer der besagten Großmutter aus Dürr­ heim) bäuerliche Tracht getragen hätte – auch der Künstler gehörte als Lehrersohn selb t nicht zu den Trachtenträgern. Im Gegensatz zu seinem Vater war Lucian Reich jedoch ein typischer Romantiker, der mit liebevollem Blick fürs Detail Spuren 226

es noch besitze und eigen nenne, wirksam vor Augen zu stellen, wozu auch die alten Landes­ mehr verschwinden, so wird auch von altem Her­ kommen, Sitten und Bräuchen, bald nicht viel trachten zu rechnen seien. „4> Bereits als sehr junger Mann, in den späten 1830er Jahren, richtet Lucian Reich sein besonderes Augenmerk auf die Tracht und die Lebensgewohnheiten ihrer Träger: „ Gleich wie auch die Landestrachten mehr und mehr übrig sein. „5> Er dokumentierte durch seine Ölskizzen Trachten und Trachtenträger der westlichen Baar in einmaliger, authentischer Weise. Die überwiegende Zahl dieser äußerst lebendi­ gen Skizzen verkaufte Lucian Reich selbst in seinen letzten, finanziell äußerst kargen Lebensjahren ans Badische Landesmuseum, wo sie bis heute aufbewahrt werden. Lucian Reich „erwanderte“ sich seine Erfahrungen mit Land und Leuten. Er wan­ derte in seiner Jugend, um so auf Objekte sei­ nes künstlerischen Interesses zu stoßen, und er wanderte in späteren Jahren aus Sparsam­ keit auch über längere Strecken (von Karls­ ruhe und Rastatt) nach Hause. Von seinen Eindrücken und seinen Skizzen ließ er sich inspirieren -die realen Begegnungen mit Personen -,, Typen“ -und Szenen aus sei­ nem Leben spiegeln sich in den Erzählungen des „Hieronymus“ und den „Wanderblü­ then“ wieder. Trachten träger charakterisierte Lucian Reich als einen bestimmten „Typ“ Mensch, und mit dieser charakterlichen Ein­ schätzung stand er nicht allein. Sowohl am fürstlichen Hof in Donaueschingen als auch von Seiten der Landesregierung in Karlsruhe wurden Trachten zur Unterstützung des politischen Kurses gerne gesehen und gele­ gentlich sogar bewußt als Mittel zur Errei­ chung politischer Ziele eingesetzt. In seinem unveröffentlichten Manuskript zu dem Theaterstück „Der Gevatter Kanten­ wirth“, das im Jahre 1703 spielt, läßt Lucian Reich den Markgrafen von Baden sagen: „Mit der ausländischen Tracht tauschen wir auch ausländische Sitten ein. Und mit der Überschät­ zung des Fremden verliert sich die Lust und Lieb‘ Stroh.flechtendes Mädchen bei Hammereisen­ bach, 1847 am Eigenen und Heimischen. Darum lob ich mir unsere Frau Kantenwirthin, die ihren höchsten Wert und Stolz in der althergebrachten Tracht unseres eigenen Landes sieht: „6> Den schein­ baren Gegensatz zur scheinbar zeitlosen Tracht bietet die Mode; im „Kantenwirth“ entspinnt sich folgender Dialog: „Kantenwirth: Meine Frau geht immer noch in ihrer alten Landestracht, wie Euer Gnaden sehen; sie hat sich immer noch nicht zur Kleidung nach der Mode bequemen können. Markgraf Selbstgesponnen, selbstgemacht, ist die schönste Landestracht. Vasold: Leider kommt sie mehr und mehr in Abgang. Denn die neumodische Sucht hat sich bereits auch schon unter’m Landvolk ausgebreitet. Und wahr ist’s, was unser Landsmann Philander von Sittewald sagt: a la Mode bringt uns noch unter fremd‘ Reich und Joch. „7> Bezeichnenderweise existiert zu Beginn des 18. Jahrhunderts, wo Lucian Reich sein 227

Krämennichels und der Sternenwirthssohn: die waren nach anderthalbjähriger Abwesenheit wie­ der in ’s Doif zurückgekommen, trugen städtische Kleider und konnten etwas französisch. Diese ,Modebuben: wie sie von den Bauern genannt werden, fanden natürlich das Heimathieben gar nicht mehr nach ihrem Sinn. „9> Modische Damen aus der Stadt spielen in der Erzählung „Die Familie des Einungsmei­ sters“ aus den „Wanderblüthen“ eine kontra­ stierende Statistenrolle, so daß das Trachten­ mädchen neben ihnen um so makelloser strahlt. „Ob die Mutter zu Hause? fragt die adelige Dame grüßend mit herablassender Bewegung des Fächers, und steigt, als jener bejaht, gestützt auf den Arm des jungen Mannes, aus dem Wagen, ebenso das hochgethiirmte Puderköpfchen mit der Wespentaille, und zuletzt – das schöne Kind vom lande, welches in seiner gefälteten jüppe, dem dunkeln Goller und schwarz seidenen Plunder­ käpplein einen auffallenden Kontrast bildet gegen die modischen Damen der Stadt. „10> Auch im „Hieronymus“ findet Lucian Reich Gelegenheit, diesen Kontrast zu schaf­ fen und gleichzeitig zu betonen, daß Mäd­ chen vom Lande modische Kleidung weni­ ger vorteilhaft kleidet als die Tracht: Johanna, die Köhlerstochter aus dem Bregtal ,, … hatte ihren Sonntagsstaat angethan; die weißen, fein gefältelten Hemdärmel, der rothsammt’ne Latz mit der gold’nen Nestei, der dunkelgrüne Koller, der gelbe Strohhut und die gewaltigen hellbraunen Zöpfe darunter, alles war geeignet, die blühende Gestalt des schönen Mädchens zu erhöhen und herauszuheben. „11> Später tauschte Johanna die Kleider mit der städtisch (gleich mo­ disch) gekleideten Frau des Obervogts, doch ihr vornehmer Verlobter aus dem Elsaß ,, … versicherte aber gleich: daß seinem Mädchen die Landestracht doch tausend Mal besser stünde, und er werde nie zugeben, daß sie solche ablegte, wenn sie die Seinige geworden … „12> Vom optischen Eindruck her gibt es für Lucian Reich zwischen den Trachtenträgem keine sozialen Unterschiede, ganz allgemein beschreibt er „den Bauern“ der Baar im lan­ gen blauen TuchrockY> Der reiche Bräuti- Zopfflechterin aus [fohren, 1847 Drama angesiedelt hat, noch keine „alte Lan­ destracht“. ,,Die löbliche Sitte der Landleute, sich in selbst­ gefertigte Leinwand zu kleiden, hatte damals den ausgedehnten Anbau des Hanfes und Flachses zur Nothwendigkeit gemacht, und die Zuberei­ tung dieser beiden Erzeugnisse, bevor sie in die Hände des Webers kamen, war fast ausschließlich Geschäft der Hauifrau. „3> Dies entspricht dem gleichen idealisierenden Denken und trifft die Tatsachen ebensowenig. Das wenigste an der Tracht war selbst gesponnen und selbst gemacht: Moirebänder, Seide, Samtstoffe und Brokateinsätze waren Industrieware, ebenso die Wollstoffe und Mischgewebe und der Strohhut. Aus Leinen waren allen­ falls Bluse und Frauenrock. „Modebuben“ sind auch die Widersacher des „Armen Konrad“ in der gleichnamigen Erzählung aus den „Wanderblüthen“: ,,Um diese Zeit waren namentlich Zwei� der Sohn des 228

gam Peter kommt ,, … im stattlichen blauen Rock … „um seine Braut abzuholen14>; aber auch Hieronymus besitzt einen ,, … blau­ tuchenen Sonntagsrock“15>. Johanna, die Köh­ lerstochter aus dem Bregtal, trägt eine ebenso prächtige Tracht wie Mariann, die Tochter des reichen Vogts aus der Baar.16> Offenbar war sich Lucian Reich darüber im klaren, daß manche seiner Beschreibun­ gen und Illustrationen als zu idyllisch kriti­ siert werden könnten, und er kommt dem zuvor: ,,Da sagt Euer Bildchen die Wahrheit nicht. Die hübsche Tracht der Frau weißt nichts von Armuth, und das Zimmer sieht ja so blank­ gescheuert und wohlhabend aus. Bei diesem Ein­ wu,fist Lucian etwas betroffen geworden. Er zün­ det sein Pfeijlein wieder an, raucht einige nach­ denkliche Züge und erwidert dann: Reinlichkeit ist zwar auch Reichthum, gilt aber doch nichts im lfandbuche, und ein Sonntagskleid hat jedes ordentliche Mädchen schon von Haus‘ aus. Wenn sogar etwas Silber am Mieder glänzt, so kann deßwegen doch Schmalhans Küchenmeister seyn. „17> Auch die oben beschriebene Köh­ lerstochter schmückt sich sonntags mit ihrer prächtigen Tracht. In Wirklichkeit war die Tracht, auch sonntags, selten – und Lucian Reich war sich dessen bewußt.Ja gerade weil ihm, wie gesagt, der drohende Verlust der Tracht vor Augen stand, wurde er nicht müde, sie zu beschreiben, darzustellen und ihre Träger ins positivste Licht zu stellen, denn: ,,Auch der Bauer hält nicht mehr so zäh am Alten fest. Nur die Bäurin schritt sonntags noch im vollen Staat mit weißlackiertem Stroh­ hut, gesticktem Golfer, ,Fürstecker‘ und silbernem Gürtel zur Kirche, während vielleicht das Töchter­ lein den Tag kaum erwarten konnte, wo es sich die leichtere Modekleidung aneignen durfte. Den umgekehrten Fall die Verwandlung eines ,Rock­ meidli‘ in ein Jüppemeidli: habe ich nur einmal dahier beobachtet. „18> Lucian Reich sieht aber auch den Alltag und gewinnt dem, sowohl als Maler als auch als Schriftsteller, Poesie ab. Hirtenkinder, Strohflechterinnen, wassertragende Mägde, Bauern und Bäuerinnen bei der Feldarbeit, beim Mahl und im Wirtshaus und vieles mehr. Stets spielt dabei die Tracht eine Rolle, manchmal als Requisit, manchmal als Hauptdarsteller. ,,Als irrender Ritter wendete ich mich an ein Hirtenmädchen, welches mit sei­ nem Strohgeflechte in der Hand am Wege saß, und die in dem niedem Gehölze zerstreut grasen­ den Kühe hütete. „19> Lucian Reich dokumen­ tiert in seiner fragmentarischen Autobiogra­ phie einerseits die Bedeutung der Strohflech­ terei als Heimarbeit (im Verlagssystem) und andererseits die Beliebtheit des Strohhutes auch auf der Baar. Die zahlreichen Nach­ kommen eines fürsten bergischen Jägers bes­ sern das Haushaltsbudget auf: ,,Aber die guten Kinder wußten sich zu helfen. Sie bezogen vom Wald her Strohgeflechte zmd ve,fertigten als geschickte Näherinnen Hüte zum Verkauf, die sie dem Brauch gemäß schwefelten, d. h. grundierten, Alt Baar’scher Bauer, 1850 229

wie solche von den Bäuerinnen der Baar allge­ mein getragen wurden. „20> Am häufigsten schildert Lucian Reich die farbenprächtige Festtag tracht. Dabei hat er auch Gelegenheit, die Bräuche im Lebens­ und Jahreslauf zu erwähnen. Sein „Hierony­ mus“ beginnt mit der Schilderung der Tracht der Paten und der Hebamme bei der Taufe der Florentina. ,,Beide, versteht sich von selbst, glänzten in ihrem ehrbarsten festtäglichen Staate; er mit dem breiten Hut und der hinten überhän­ genden ,Hutbinde: dem blauen, weiß abgenähten Tuchrock, worunter das rothe , Wollehemd‘ an der Brust über dem scharlachrothen Leibte und dem grünen Hosenträger, wie vornen an den Handge­ lenken, noch ein wenig hervorschaute und mit dem Ueberrock die gelbledernen Beinkleider um ein gutes Theil bedeckte; sie in der gefältelten Jiippe‘ mit roth und grüner ,B’lege‘ und den eng­ anliegenden schwarztuchenen ,A ermeln: welche knapp genug waren, um noch einen Theil des reich eingebändelten ,Latzes‘ sehen zu lassen, während das rothe den Hals umschlief!ende ,Koller‘ von dem flatternden seidenen Mailänder Halstuch halb und halb bedeckt war. Das junge, noch hübsche Weib hatte den gelben Strohhut auf, während die alte Barbara, die nachfolgende Hebamme, noch die alterthümliche ,Pelzkappe‘ trug. „21> Mehrmals auch ergreift Lucian Reich die Gelegenheit, Bräute zu schildern: sei es im Schwarzwald oder auf der Baar, ihr wichtig­ stes Kennzeichen ist die Schappel, die ,,Krone der Jungfräulichkeit“. Ein „Schäp­ pele“ tragen auch die Brautjungfern und die Schwestern der Braut.22> Zur Hochzeit gehör­ ten ferner, so berichtet Lucian Reich, als ,,Kränzlejungfern“ die weibliche Schulju­ gend des Kirchspiels. Dies waren manchmal 50 bis 60 Mädchen verschiedenen Alters,, … vom seidenen Putz der Reichen, bis herab zum barfüßigen Hirtenkind im grünen Röcklein und gelhem Strohhut … „23> Nach der Trauung be­ kommen diese Kinder von den Gespielinnen der Braut und im Namen der Braut,, … ein Stiick farbigen Zeugs … „2•> Geringe Variationen machen die festliche Tracht zum Trauergewand: eine junge Pilge- 230 Reiter in Baaremer Tracht, o.}. rin ist auf dem Weg zur Witterschneekapelle bei Löffingen: ,,Der gelbe Strohhut sowie die übrige Tracht zeigten eine Landeseingeborene, während das schwarzseidene Halstuch und die gleiche Farbe der anderen Kleidungsstücke die Leidtragende verriethen. „25> An manchen Feiertagen, vor allem im Zusammenhang mit Prozessionen, wurde der Tracht besondere Geltung verliehen. Lucian Reich beschreibt solche Szenen anschaulich und hebt, die Tracht betreffend, folgende Bräuche besonders hervor: beim Öschritt, der Flurprozession der Männer, ,, … trugen die Verheuratheten den blauen Tuch­ rock, die ledigen jungen Männer das rothe Wol­ lenhemd, während den Buben nur der weiße Zwillchkittel zustand. „26> Ein Höhepunkt war für Hüfingen das sommerliche Jakobifest. ,,Nach der Predigt erfolgte ein feierlicher Umgang durch die Stadt, wobei sechs schmucke Jungfrauen in Schappel­ tracht das blumengeschmückte Mullergottesbild trugen. „27>

Auch Teilnehmerinnen aus den umlie­ genden Ortschaften trugen ihre Festtags­ tracht wie die Mariann in einer Erzählung aus den „Wanderblüthen“. Im Wagen reist sie zum Fest in die Stadt ,, … im dunkelgrünen Sammtschoopen ( .. ) einen frischen Resedastrauß am Busen zwischen dem roten Latz und Golfer, unter dem weißen Hut ein paar sonntäglich geflochtene gewaltige hellbraune Zöpfe … „28> Die „bürgerliche Tracht“, welche die Base des Hieronymus, die keine Bäuerin war, zum Pfingstgottesdienst trug, ist unter den Schil­ derungen Lucian Reichs eine Ausnahme; seine Aufmerksamkeit galt der „bäuerlichen Tracht“, die, schenkt man Lucian Reich Glauben, in Hüfingen öfter zu finden war als die folgende: ,,Sie zog diesmal denn es geschah nur bei ganz absonderlichen Gelegenheiten, ihr seidenes, großgeblümtes Hochzeitskleid an, ein Geschenk der verstorbenen Fürstin, gegen welche sie stets ein warmes Dankgefühl bewahrte. Den Kopfputz bildete die zierliche goldene Haube, mit dem mit Perlen und Flitter gestickten Boden. Einen weiteren Schmuck bildete das grünlich schillernde Mieder mit langer Taille, wie es die Tracht der Bürgersfrauen mit sich brachte. „29> Vorbild für die „Base“ in der Erzählung „Hie­ ronymus“ war vermutlich Lucian Reichs Großmutter, die Frau des Korrektionshaus­ verwalters in Hüfingen. Sie und ihre Tochter, Lucian Reichs Mutter, trugen „bürgerliche Tracht“, Vater Luzian Reich portraitierte sie ,, … in ihrer bürgerlichen Festtracht mit der Gold­ haube und dem blauseidenem Sehaal en minia­ tur … „30> Für die Dokumentation der Tracht im 19. Jahrhundert, für die Rekonstruktion der Rolle, die sie im gesellschaftlichen Leben ge­ spielt hat und für die Bedeutung, die sie für Lucian Reich und viele seiner Zeitgenossen hatte, ist das Werk Lucian Reichs eine einzig­ artige Quelle, nicht zuletzt auch deshalb, weil sich bei ihm schriftliches und bildliches Material ergänzen und so auch seine Beweg­ gründe und Ansichten nachvollziehbar wer­ den. Lucian Reich, der ein Vertreter der Romantik war, verband mit seinen Schriften stets eine pädagogische Absicht; die Protago- nisten einer Erzählung statuierten ein Exem­ pel und waren für den Leser Vorbild: Bescheidenheit, Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Loyalität gegenüber dem Landesfürsten, Frömmigkeit, Heimatliebe, Fleiß und Sau­ berkeit waren die für die Gegenwart und Zukunft notwendigen Eigenschaften, die auch Lucian Reich repräsentierte. Bezeich­ nenderweise glaubte er, diese Charakterei­ genschaften bei Trachtenträgern gefunden zu haben. So wie er die vermeintlich sehr alte Tracht in ihrem Bestand gefährdet sah, so glaubte er auch, die seiner Meinung nach damit verbundene Moral ihrer Träger würde in der „modernen Zeit“ verloren gehen – und würde die Tracht erhalten, so bliebe es auch bei der alten Geisteshaltung. Susanne Huber-Wintermantel M. A. sowie Hieronymus, S. 108 gen, Manuskript Stadtarchiv Rastatt, S. 31 Autobiographie, Stadtarchiv Villingen, S. 33 Literatur: 11 Reich, L.: Hieronymus, Vorwort 21 Reich, L.: Blätter aus meinem Denkbuch, S. 80 31 Reich, L.: Autobiographisches, unveröffentlichte 41 Reich, L.: Blätter aus meinem Denkbuch, S. 131 51 Reich, L.: Blätter aus meinem Denkbuch, S. 118 61 Reich, L.: Der Gevatter Kantenwirth von Grötzin- 71 Reich, L.: Der Gevatter Kantenwirth, a. a. 0., S. 30 f. BI Reich, L.: Hieronymus, S. 110 91 Reich, L.: Wanderblüthen, S. 204 f. 101 Reich, L.: Wanderblüthen, S. 83 111 Reich, L.: Hieronymus, S. 44 121 Reich, L.: Hieronymus, S. 47 f. 131 vgl. Reich, L.: Blätter aus meinem Denkbuch, S.115, 141 Reich, L.: Hieronymus, S. 138 1s1 Reich, L.: Hieronymus, S. 116 161 Reich, L.: Hieronymus, S. 44; Wanderblüthen, 111 Reich, L.: Wanderblüthen, S. 190 1a1 Reich, L.: Blätter aus meinem Denkbuch, S. 115 f. 191 Reich, L.: Wanderblüthen, S. 99 201 Reich, L.: Autobiographisches, a. a. 0., S. 15 211 Reich, L.: Hieronymus, S. 1 221 Reich, L.: Hieronymus, S. 138 f., Wanderblüthen, 231 Reich, L.: Wanderblüthen, S. 99 f. 241 Reich, L.: Wanderblüthen, S. 99 251 Reich, L.: Wanderblüthen, S. 170 261 Reich, L.: Hieronymus, S. 108 211 Reich, L.: Wanderblüthen, S. 225 2a1 Reich, L.: Wanderblüthen, S. 223 291 Reich, L.: Hieronymus, S. 31 301 Reich, L.: Autobiographisches, a. a. 0., S. 8. s. 223 s. 137 231

Göttebriefe Geschrieben und gemalt für das Leben und das Leben danach „Göttebrief“ ist im Kirchspiel St. Georgen der Dialektausdruck für den Patenbrief. Die­ ser bezeichnet – den vom Paten anläßlich der Taufe an den Täufling gerichteten Taufbrief und den anläßlich der Konfirmation von Pa­ tenkindern an Paten gerichteten Konfir­ mationsbrie( Der Patenbrief-Brauch war im 18. und 19. Jahrhundert allgemein weitverbreitet. Erste handgemalte Patenbriefe kommen aber schon seit dem 17.Jahrhundert vor. Für den schlichten Verbraucher gibt es seit dem 18.Jahrhundert bereits vorgedruckte, kolo­ rierte, faltbare „Taufzettel“, meist mit der Darstellung des kirchlichen Aktes im größe­ ren Mittelfeld umgeben von Glückssymbo­ len und verzierten Segenswünschen. Wie alle Gedenk- und Gelegenheitsgraphik erleb­ ten diese Erzeugnisse in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts eine besondere Blüte. Begriffe wie: Paten-, Dotten-, Gevatter- oder Göttebriefe sind uns dafür bekannt. Unser Thema wird anhand der das Kirch­ spiel St. Georgen und das Dorf Buchenberg betreffenden Belege behandelt. Das sind Orte, welche bis 1810 unter der Verwaltung des ehemaligen Württembergischen Kloster­ amtes St. Georgen, beziehungsweise unter der des Württembergischen Oberamtes Hornberg gestanden haben und folglich evangelisch gewe en sind. Dabei zeigt sich, daß wir für den zu unter­ suchenden Raum anhand des bis jetzt zur Verfügung stehenden Materials andere Datierungen als die oben allgemein festge­ stellten anzunehmen haben. Im Kirchspiel St. Georgen ist der Patenbrief-Brauch für da 18.Jahrhundert vorerst nur einmal, nämlich für das Jahr 1788 nachzuweisen. Handge­ malte Göttebriefe kommen erst nach 1800 vor, und die vorgedruckten, kolorierten seit dem 18.Jahrhundert gebräuchlichen Tauf­ zettel sind hier erst um die Mitte des vergan- 232 genenJahrhunderts zu finden. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden sämtliche handgemalten Göttebriefe von den heimischen Uhren­ schildmalern hergestellt. Darüber hinaus zeigt sich, daß die gedruckte Gelegenheits­ graphik hier weniger beliebt gewesen ist als der gemalte Göttebrief, den die Uhren child­ maler trotz der billig angebotenen Taufzettel überwiegend bis zum Ausklang des Paten­ brief-Brauchs mit großer Sorgfalt angefertigt haben. Generell stellen wir fest: Im Gebiet unse­ rer Untersuchung tragen die gemalten Götte­ briefe ausnahmslos die typischen Merkmale der Uhrenschildmalerei. Sie sind nicht Pro­ dukte herumziehender Briefmaler, sondern unverkennbar Erzeugnisse ortsansässiger Handwerker. Göttebriefe sind Begleiter im christlichen Leben. Sie markieren den Anfang und sind geschrieben und gemalt für das Leben und das Leben danach. Diese Dreiteilung ist nicht zufällig, sondern ein wesentlicher Bestandteil des Taufbriefs. Sie wird durch die Zahl der Vollkommenheit mit Anfang, Mitte und Ende zum Ausdruck gebracht. Drei ist die Gotteszahl schlechthin, die im Dogma der Dreieinigkeit ihre Beständigkeit findet. Der Taufbrief, auch Taufzettel genannt, nimmt unter den Göttebriefen die erste Stelle ein. Seine Entstehung ist noch nicht vollständig geklärt, doch mag im Elsaß der Ursprung des Patenbrief-Brauches zu suchen sein. Jedenfalls stammt aus Zabern der bislang älteste Patenbrief, datiert 1593. Das Heimatmuseum Schwenningen besitzt einen elsässischen Patenbrief aus dem Jahr 1780. Im Jahr 1788 verfaßte Friderike Schmoller in St. Georgen einen Taufbrief, den wir al den bislang frühesten für den Untersu­ chungsraum feststellen konnten. Die ,,Schmollerin“ gehörte einer hochfürstlich­ württembergischen Beamtenfamilie an, die

im 18.Jahrhundert die höchsten Positionen im Kloster-Oberamt St. Georgen (Oberam­ tei und Klosteramtschreiberei) begleitet hat. Durch den Zuzug der Beamten, die der Her­ zog von Württemberg zur Verwaltung der eingezogenen Güter des vertriebenen Bene­ diktinerkonvents hier eingesetzt hat, mögen auch fremde Sitten, vielleicht auch der Patenbrief-Brauch, in den Marktflecken ge­ kommen sein. Fremd an diesem sogenann­ ten „Dottenbrief“ ist jedenfalls die Patenbe­ zeichnung in der Unterschrift „Deiner redli­ chen Dotten Friderike Schmollerin“. Dieses bestätigt ein zeitgenössischer Chronist, der berichtet: ,,Es werde die ,Gevatterin (die Dotte) in der National-Sprache Göttlinn‘ und die ,Dötten hier Götte genannt‘.“ Aller­ dings bedienten sich die einheimischen Gevattersleute des 19.Jahrhunderts keines­ wegs dieser ihrer landesüblichen Patenbe­ zeichnungen, sondern sie schrieben die ihrer Eigenschaft entsprechenden hochdeutschen Begriffe: Taufzeuge, seltener Taufpate. Dotte bleibt hier die Ausnahme, sie erscheint nur noch einmal, 1852 auf einem Taufbrief (vermutlich aus Buchenberg) und im Jahr 1820 wird in einem Taufbrief vom Bruderhaus St. Georgen der Täufling mit „Liebes Tödtlein“ angesprochen. Dagegen finden sich in den Konfirmationsbriefen derselben Zeit die respektvollen Anreden Taufpate – hier jedoch im umgekehrten Verhältnis, weniger Taufzeuge – seltener. Die Patenkinder gaben den in der Landes­ sprache gebräuchlichen, herzlicheren Be­ zeichnungen Götte und Gottle den Vorzug. Der schmucklose Taufbrief vom Jahr 1788 bezieht seine dennoch dekorative Ausstrah­ lung durch die gefällige Gliederung des aus fünf Reimen zu sechs Zeilen bestehenden Textes und von der Verwendung roter und schwarzer Tinte. Doch nicht weniger als das Schriftbild, trägt auch die Handschrift selber wesentlich zum gefälligen Gesamtbild bei. Hier ist die Hand eines Kalligraphen (Schön­ schreiber) tätig gewesen, weswegen wir annehmen können, daß der Taufbrief in der Klosteramtschreiberei geschrieben wurde. Die Aufgabe, Göttebriefe zu schreiben, über­ trugen die Paten auch später noch in den meisten Fällen einer schreibgeübteren Hand, zum Beispiel dem Ratschreiber, dem Acciser oder auch dem Schulmeister, welcher mit­ unter nicht nur schön schreiben konn­ te, sondern leidlich zu reimen verstanden hat. Der Taufbrief ist der von Taufzeugen beziehungsweise von Taufpaten an den Täufling gerichtete Brief. Er ist seit dem letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts als Dokument nicht mehr gebräuchlich und es gibt nur noch wenige Exemplare davon. In der Regel hat wohl ein Taufzeuge den Götte­ brief malen lassen. Doch kennen wir auch ein Paar, Gottle und Götte, aus (Ober-)Kir­ nach, welches 1856 gemeinsam auf einem Taufbrief in Erscheinung tritt. Und im Jahr 1847 verfaßten sowohl der „Taufzeuge“ als auch die „Taufpatin“ ihrem gemeinsamen Täufling Christian Weisser auf der Som­ merau jeweils einen eigenen Göttebrief Gemäß seiner Bedeutung bedachten den Taufbrief bald nach dem Aufkommen der Uhrenmacherei im Kirchspiel St. Georgen die Uhrenschildmaler mit der ganzen Fülle ihrer handwerklichen Kunst. Besonders aktiv scheinen sich auch die Schildmaler in Buchenberg mit der Briefmalerei befaßt zu haben. Man übertrug nicht nur das Blumen­ dekor der Uhrenschilder auf die Göttebriefe, sondern man arbeitete auch mit denselben Maimitteln und malte die Auszier der Briefe in der gebräuchlichen Schildmaler-Manier. Dabei wurde der Rose dieselbe zentrale Stel­ lung wie auf dem Uhrenschild eingeräumt. Dieser dominierenden Blume stehen Nel­ ke und Tulpe zur Seite und seinem Namen entsprechend spielte das „Vergißmeinnicht“ auf den Göttebriefen eine bedeutungsvolle Rolle. Ganz allgemein bildeten Blüten­ kränze und meist aufwendig gestaltete Her­ zen die Umrahmungen für den Text. Eine Besonderheit stellen die häufig vorkommen­ den kleinen Herzen dar, welche mit der Zahl 3 belegt sind. Als Symbol der Dreifaltigkeit, auch Dreieinigkeit (lat. Trinität), versinn- 235

bildlicht die heilige Zahl, das Grundgeheim­ nis von der einen Natur und den drei Perso­ nen – Vater, Sohn und Heiliger Geist. Dem Vater wird die Schöpfung, dem Sohn die Erlösung, dem Heiligen Geist die Heiligung zugeordnet. In den älteren, unbemalten Göttebriefen kommt die Trinität im Text zum Ausdruck. Ein Taufbrief aus Langen­ schiltach von 1805 macht das besonders an­ schaulich: ,,Gott der Vater der dich erschaf- fen … Gott der Sohn der dich erlöst … Gott der Heilige Geist der dich geheiligt hat … „In den meisten Fällen aber finden wir das Drei­ faltigkeitssymbol in Form der heiligen Zahl auf flammende Herzen gemalt. Nun ist aber das flammende Herz auf den evangeli chen Taufbriefen ein eigenständiges und rein katholisches Symbol für das „Herz-Jesu“, welches in der katholischen Kirche Gegen­ stand inniger Verehrung ist. Es gilt als Zei­ chen der Göttlichen Liebe und wird be on­ ders am Herz-Jesu-Fest und durch Herz-:Jesu­ Andachten verherrlicht. Wir finden das Herz-Jesu-Symbol zu Beginn des 19.Jahr­ hunderts erstmals auf unseren Göttebriefen belegt und ununterbrochen bis zum Ende des Göttebrief-Brauchs verwendet. Zunächst erscheint es noch selbständig, doch bald schon belegen e die Schildmaler mit dem Zeichen der Dreifaltigkeit. Auch wenn sie ausdrücklich das Anden­ ken an die Taufe bewahren sollten, sind Tauf­ briefe keinesfalls als Wandschmuck gedacht gewesen, obgleich ihre farbenfrohe Auszier solche Vermutung durchaus nahe legt. Son­ dern wegen ihres urkundlichen Charakters waren die Briefe zu gewissenhafter Aufbe­ wahrung bestimmt worden. Bemerkenswert ist auch die Nachricht, wonach man verstorbenen Kindern, gele­ gentlich aber auch Erwachsenen, den Götte­ brief – das Taufdokument – in den Sarg gelegt hat; ,,geschrieben und gemalt für das Leben und da Leben danach“! Dieter Klepper Que l l e : Dieter Klepper: Göttebriefe geschrieben und gemalt für das Leben und das Leben danach; Bräuche um Geburt, Taufe und Konfirmation. bundeni hoor Der Herbst bundeni hoor sin bundeni chraft liis glösti spange un d’huut spannt begehrlich im wind bundeni händ sin bundeni stärki losgsprengti chette un frei sin d’gedanke im sturm bundeni sprooch isch bundeni gwalt usgspuckti wörter mit klinge un spiegle im blitz 236 Johannes Kaiser Der Herbst, mit seinen bunten Farben, geht wie ein Maler übers Land, um Feld und Wald und Wiesen anzuhauchen mit seinem Pinsel und mit seiner Hand. Er tönt die Büsche, und er färbt die Wiesen. Der Wald gleicht einem bunten Strauß. Das muntre Bächlein, aber läßt er fließen, da ging ihm sicher auch die Farbe au . Da sieh nur her, wie alles er befeuchtet, wie er schraffiert in gelb und rot und braun. Es ist, als ob nun alles golden leuchtet, kein Blatt, das er vergaß am Baum. Es ist ein Lied mit tausend Klängen. Der Herbstwind spielt zum Reigen auf. Bis dann die Blätter, fallend drängen den Maler, in die Welt hinaus. Margot Opp

Sagen der Heimat Burg Zindelstein Kommt man von Donaueschingen über Wolterdingen fahrend in das Bregtal, so fahrt man in eine Landschaft, die schon deutlich vom Schwarzwald geprägt ist und von Rei­ senden als eines der schönsten Eingangstäler dieses urtümlichen Gebirges bezeichnet wird. Beim Gasthaus „Schwarzer Bube“ be­ ginnt der kurze, steile Aufstieg zur Burgruine Zindelstein. Sie steht auf einem nach Süd­ westen abfallenden Bergkegel und ist vom Bregtal aus nicht einfach einzusehen. Die Burg ist schon sehr alt und wurde ver­ mutlich von einem der Herzöge von Zährin­ gen erbaut. Zum ersten Mal wurde sie 1225 urkundlich erwähnt, als sie nach der Erbtei­ lung des Zähringer Besitzes in die Hände der Fürsten zu Fürstenberg kam. Im Bauernkrieg wurde sie vom „Klettgauer Haufen“ unter Hans Müller aus Bulgenbach ebenso wie die nahegelegene Burg Neu-Fürstenberg nieder­ gebrannt. Der Name der einstigen Burg soll auf den alten Namen „Sindolt“ zurückzuführen sein, doch die Sage weiß es anders: Als der Ritter der Burg in seinen jungen Jahren von einem Kreuzzug in das Heilige Land zurückkam, brachte er seiner Braut einen großen Karfunkelstein als Kriegsbeute mit. Der, auf die Burgmauer gelegt, funkelte und „zündelte“ nachts weithin. Als der Kaiser seinen treuen Waffenge­ fährten erneut zu den Fahnen rief, um die heidnischen Sarazenen aus der Heiligen Stadt Jerusalem zu vertreiben, ging der fromme Rittersmann pflichtgetreu den wei­ ten Weg, wohlwissend, daß schwere Müh­ sale ihn erwarteten. Seine Gattin gelobte ihm ewige Treue, und zum Zeichen dafür wollte sie allabendlich den Karfunkel auf die Burg­ mauer legen, damit er ihrem Gemahl den Weg zurück in die Heimat weise. Doch Jahre zogen in das Land, ohne daß Nachricht vom fernen Kriegsgeschehen in den Schwarzwald drangen. Der Burgverwal­ ter fühlte sich schon als Herr der Burg, und je geringer die Hoffnungen auf eine Rückkehr des Vogtes waren, desto mehr verdunkelte sich das Herz des Lehnsmannes, und eine finstere Gier nach den Besitztümern seines Herrn, ließ ihn den Treueeid gegenüber dem Ritter vergessen. Voll Ungestüm warb er um die Hand der edlen Frau, nichtachtend auf ihr gramgebeugtes Herz, das jedoch die Hoffnung auf die Wiederkehr des teuren Gatten nicht aufgab. Wütend ließ der Beses­ sene die Frau in ihrer Kemenate einschlie­ ßen, bis sie anderen Sinnes geworden sei und sein Werben erhöre. Indessen war es dem Ritter gelungen, nach langen Jahren der Sklaverei, aus der sarazenischen Gefangenschaft zu entfliehen und sich an Bord eines Schiffes zu begeben, mit dessen Hilfe er das Feindesland zu verlas­ sen hoffte. Doch ein schwerer Sturm auf dem Meer brachte das große Segelschiff zum Kentern und der schiffbrüchige Kreuz­ fahrer trieb alleine tagelang auf einem Wrackstück im offenen Meer. Ausgehungert und bar jeder Hoffnung auf eine glückliche Heimkehr, legte er sich eines Nachts zum Sterben nieder. Doch im Traum erschien ihm wie aus weiter Feme das strahlend helle Licht eines Karfunkels. Als der Mann erwachte, durchströmten neue geheimnis­ volle Kräfte seinen Leib. Er fertigte sich not­ dürftig ein Ruder und trieb damit seinen Kahn bis zu den Gestaden Italiens. Tagein und tagaus war nun das Licht sein ständiger Begleiter und führte ihn durch alle Gefahren bis hin zum heimatlichen Bregtal. Noch einmal erhoben sich die Mächte der Finsternis in der Gestalt eines fürchterlichen Unwetters in pechschwarzer Nacht, den 237

Heimkehrer in die Irre zu führen. Doch auch sie vermochten nicht, das erleuchtete Herz des wackeren Ritters zu brechen. Wohlbe­ halten gelangte er zu seiner Burg und seinem Eheweib, deren Treue den Edelstein nie zum Erlöschen brachte. Der Volksmund aber nannte, im Gedenken an jene wundersamen Geschehnisse, die Burg fortan Zindelstein. Gerhard Blessing Der Mord auf dem Längeschloß Schaute man um 1840 von den Ried­ öschinger Schabelhöfen auf die Länge, konnte man an klaren Tagen noch das Länge­ schloß sehen. Es hatte vier Türmchen und auf einem davon stand ein vergoldeter Hirsch, der bei hellem Wetter prachtvoll her­ überglänzte. Das Schloß wurde zu jener Zeit von einem Förster bewohnt, der allgemein als „Längejäger“ bekannt war. Neben seinen Aufgaben als fürstlicher Jäger betrieb er dort auch ein Wirtshaus. Auf der Riedöschinger Gemarkung „Im Gören“ hatte er zwei Grundstücke zu seinem Nutzen, die der Standesherrschaft gehörten. Man nannte sie nur die ,Jägerwies“ und den ,Jägeracker“. Die Erträge mußten Riedöschinger Bürger ins Längeschloß bringen. Das Schloß hatte vier Eingangsportale – das nördliche soll um jene Zeit noch erhalten gewesen sein. Auch eine Kapelle gab es im Schloß. Ihr Altar kam nach Riedöschingen, als das Gebäude zerfiel und das Mauerwerk als Wegmaterial verwendet wurde. Am Fron­ leichnamsfest wurde er noch lange beim Baschi-Bauernhaus aufgestellt. Ein Fürst­ lich-Fürstenbergisches Wappen soll ihn ge­ schmückt haben. Vom Längeschloß in seiner düsteren Ein­ samkeit ist uns aus dem Jahre 1779 folgende schauerliche Geschichte überliefert worden: Am 8. April erhielt die Tochter des Post­ halters und Adlerwirtes in Blumberg-Zoll­ haus von ihrem Vater den Auftrag, in Hau­ sen im Kirchtal eine noch rückständige Erb­ schaft von 100 Gulden abzuholen. Auf dem Rückweg über die Länge kehrte sie bei Mathäus Sorg, der nahe dem Längeschloß wohnte und eine Wirtschaft betrieb, ein und erzählte der Ehefrau von der Erledigung ihres Auftrages. Ein „Bauernkerl“, der im Längewald für den Baschi-Bauern Holz machte und ebenfalls bei Sorg ein Glas Wein trank, wurde Zeuge des Gespräches und ver­ ließ die Wirtschaft. Um 5 Uhr machte sich das Mädchen auf den Heimweg. Bald danach wurde sie von dem Burschen angefal­ len und beraubt. Mit durchschnittener Kehle konnte sich die Schwerverletzte noch bis in das Sorg’sche Haus zurückschleppen und den Täter anzeigen. Dann brach sie tot zusammen. Noch in der selben Nacht um zehn Uhr wurde dieser „zu Riedöschingen“ beim Baschi-Bauern aus dem Bett geholt und nach Blumberg zur Aburteilung gebracht. Das blutige Messer und auch das Geld wurden bei ihm gefunden. Er hatte es vor dem Haus unter dem Ruhebänkchen vergraben. Bernhard Prillwitz Qu e l l e n: 1) Chronik der Familie Schey, Alfred Schey (1920-1950) 2) Donaueschinger Tageblatt vom 15. April 1779 Zeichnung nächste Seite 239

Gesundheit, Soziales Die Katharinenhöhe Eine Modelleinrichtung der Arbeiterwohlfahrt, Bezirksverband Baden e. V., entwickelt ein wegweisendes Konzept im Gesundheitswesen Schon in den Jahren 1984 und 1989 wurde die Nachsorgeklinik KATHARINENHÖHE im Almanach vorgestellt (vgl. Almanach 84, Seite 61-64, und Almanach 89, Seite 222-225). Da sich diese Einrichtung ständig weiterentwickelt hat und sich durch eine große Dynamik auszeich­ net, soll im folgenden Beitrag über die Verände­ rungen berichtet werden. turn der Arbeiterwohlfahrt, Hauptausschuß Berlin, überging, diente sie als Kurklinik für TBC-kranke Kinder. Auch heute nimmt die Katharinenhöhe eine Aufgabe im Be­ reich des Gesundheitswesens wahr. Seit 1985 werden krebskranke Kinder mit ihren Familien aufgenommen und behan­ delt. Einleitung Als älteste und traditionsreichste Einrich­ tung der Arbeiterwohlfahrt kann die Katha­ rinenhöhe auf eine lange und wechselhafte Geschichte zurückblicken. Schon im Jahre 1925, als die Katharinenhöhe in das Eigen- Das System Familie wird zum Patienten Mit ihrem richtungsweisenden Konzept der familienorientierten, stationären Reha­ bilitation bricht die Arbeiterwohlfahrt mit der traditionellen, patientenzentrierten Sicht­ weise. Da die lebensbedrohliche Krebser- 241

krankung und die eingreifende harte T hera­ pie nicht nur das kranke Kind körperlich und psychisch belastet, sondern sich zwangsläu­ fig auf alle Familienmitglieder auswirkt, ist es notwendig, diese auch in die Behandlung miteinzubeziehen. Vater, Mutter und Geschwisterkind kla­ gen häufig über gesundheitliche Schäden und psychosomatische Beschwerden. Schlaf­ störungen, Appetitlosigkeit, Verdauungsbe­ schwerden treten ebenso auf wie massive Verhaltensauffälligkeiten bei den Kindern. Krankenhausaufenthalt bedeutet meist auch Trennung und Spaltung der Familie. Die Angst vor einem möglichen Rückfall wirkt lähmend auf alle. Nach der schweren Zeit der lntensivthera­ pie, die häufig zu einer Isolation des Patien­ ten fuhrt, hat die Familie auf der Katharinen­ höhe wieder neu die Möglichkeit, zusam­ menzuwachsen und Stabilität zu finden. Körperliche und seelische Erschöpfungszu- tände können aufgearbeitet und der Hei­ lungserfolg beim kranken Kind maßgeblich gefestigt werden. Obwohl es der Gesetzgeber nach wie vor versäumt hat, die Grundlage für eine die Gesamtfamilie umfas ende Rehabilitation klar zu definieren und viele Widerstände zu überwinden waren, konnten bis zum 31. De­ zember 1993 insgesamt 2095 Patienten mit ihren Angehörigen aufgenommen werden. Besonders positiv ist dabei sicherlich zu beurteilen, daß der Prozentsatz der komplett anreisenden Familien tändig gestiegen ist und heute einen Anteil von 85 Prozent ein­ nimmt. Nachdem im Herbst 1990 damit begon­ nen wurde, vereinzelt Familien mit einem kardiologisch erkrankten Kind einen Nach­ sorgeplatz zu bieten, konnte diese Patienten­ gruppe inzwischen fest integriert werden. In geringem Umfang werden auf der Kathari­ nenhöhe in Absprache mit den einweisen­ den Kliniken und den dort zuständigen psy­ chosozialen Mitarbeitern au h verwaiste Familien aufgenommen, also Familien, die ihr krankes Kind schon verloren haben. 242 Der Modellcharakter der Katharinen­ höhe hat nicht nur in der Bundesrepublik Aufsehen erregt. Inzwischen konnten auch Patienten aus der deutschsprachigen Schweiz und Österreich betreut werden. Aufbauend auf das Bei piel der Katharinenhöhe soll in Österreich eine eigene Einrichtung, die ,,Annahöhe“, ent tehen. Ausbau der Leistungsstruktur Um die notwendige Anerkennung der Sozialversicherungsträger zu erhalten und eine gute Versorgung der Patienten gewähr­ leisten zu können, war es erforderlich, die räumlichen und personellen Bedingungen entscheidend zu verbessern. Durch den im März 1991 eingeweihten Anbau der medi­ zinischen Abteilung ist es gelungen, das Spektrum der therapeutischen Behand­ lungsmöglichkeiten deutlich auszuweiten. Den Bedürfnissen der durch Hirntumore, Amputationen, Prothesen und ähnlichen Behinderungen beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen kann so seitdem besser Rechnung getragen werden. Die Einrichtung einer kleinen ergothera­ peutischen Abteilung brachte eine weitere wesentliche �alifizierung der Arbeit und ermöglicht e , besonders belastete und be­ hinderte Kinder speziell und gezielt zu for­ dern, sowie den Prozeß der Krankheitsverar­ beitung durch eine spieltherapeutische Be­ handlung zu unterstützen. In Zusammenarbeit mit der Kranken­ hausschule des Schwarzwald-Baar-Kreises

pädagogischen Bereich stehen 3 Gesprächs­ zimmer, in denen die Psychologen und So­ zialpädagogen arbeiten können, ein Werk­ raum und zwei Gruppenräume zur Verfü­ gung. Der Unterricht wird in einem eigenen Raum durchgeführt. Den Betroffenen wer­ den Aufenthaltsmöglichkeiten geboten. Ein kleines Fotolabor wird eingerichtet. Primär sollen in der neuen Zweigstelle ,,Haus Schönwald“ tumor- und leukämie­ kranke Jugendliche {16-20 Jahre) und junge Erwachsene {20-25 Jahre) betreut werden. Auf Anregung der einweisenden Kli­ niken und der Sozialversicherungsträger ist es gelungen, für diese Patientengruppen ein eigenständiges Rehabilitationskonzept zu entwickeln. Dabei orientiert sich die Kathari­ nenhöhe an den altersadäquaten Bedürf­ nissen, Wertvorstellungen und Problemen dieser Betroffenen. Um dem altersspezifi­ schen Wunsch nach Ablösung und Verselb­ ständigung Raum zu geben, werden hier die Eltern der Patienten nicht mitaufgenom­ men. Die Patienten reisen aus der gesamten Bundesrepublik an und werden zu Gruppen mit ca. 12 Teilnehmern zusammengefaßt. Die häufig durch körperliche Behinderun­ gen und Handicaps beeinträchtigten Patien­ ten erfahren in der Gleichaltrigengruppe, daß sie auch mit ihrer Krankheit und den damit verbundenen Einschränkungen ihr Leben leben können. Es ist eindrucksvoll, beobachten zu kön­ nen, wie ein Jugendlicher mit einer Amputa­ tion oder Prothese während seiner Nach­ sorge mit Hilfe der Gruppe seine Hemmung verliert und in das öffentliche Schwimmbad geht oder zum erstenmal nach seiner Erkran­ kung auf Skiern steht. Patienten mit Knochenkrebs oder Hirntu­ moren lernen im Gehtraining mit Unterstüt­ zung moderner Geräte wie dem Lamellen­ laufband oder dem Fahrradergometer unter krankengymnastischer Betreuung neu ge­ hen. Doch darf sich die Behandlung nicht auf einen funktionalen Umgang mit der Behinderung beschränken. Es ist dringend erforderlich, den Patienten im Prozeß der 243 konnte deren Außenstelle auf der Kathari­ nenhöhe deutlich vergrößert werden. Um den von den Betroffenen und den Versicherungsträgern an die Klinik gestellten Anforderungen entsprechen zu können, muß­ te der Personalbestand in allen Abteilungen angehoben werden. Besonders stark äußert sich dies im medizinischen Bereich. Hier hat sich die Zahl der Beschäftigten seit Mitte 1990 verdreifacht. Bedarfsgerechte Erweiterung Haus Schönwald Die gestiegene Nachfrage und das Bedürf­ nis, das Konzept weiterentwickeln zu kön­ nen, hat 1992 die Arbeiterwohlfahrt dazu be­ wogen, sich fur eine räumliche Erweiterung der Katharinenhöhe zu entscheiden. Es ist gelungen, in Schönwald ein ehemaliges Ho­ tel zu erwerben und entsprechend den An­ forderungen, die an eine Nachsorgeklinik gestellt werden, umzugestalten. Der Betrieb konnte am 6.Januar 1993 aufgenommen werden. Die feierliche Eröffnung fand am 3. April 1993 statt. In Einzel- und Doppelzimmern können 35 Personen untergebracht werden. Ihre Behandlung und Versorgung ist im Hause selbst gewährleistet. Eine eigenständige me­ dizinische und physiotherapeutische Abtei­ lung mit Untersuchungszimmer, Arztsprech­ zimmer, Krankengymnastik und Massage­ raum ist entstanden. Auch medizinische Bäder können im Haus selbst verabreicht werden. Dem psychotherapeutischen und

cherungsträger gerecht werden zu können, war es erforderlich, den Personalstand stark zu vergrößern. Durch diese Weiterqualifizie­ rung ist es nun auch möglich, stärker beein­ trächtigte und körperlich behinderte Kinder aufzunehmen. Immer mehr Kinder und Ju­ gendliche im präfinalen Stadium finden den Weg in die Katharinenhöhe. Neben der Sicherung des medizinischen Heilungserfolges ist es das Ziel der Kathari­ nenhöhe, einen bestmöglichen Ausgleich der Behandlungsfolgen zu erreichen und eine Wiedereingliederung in das familiäre und soziale Umfeld zu ermöglichen. Voraus­ setzung hierfür ist ein ganzheitliches Vorge­ hen im interdisziplinären Team. Psychologi­ sche, pädagogische und medizinische Hilfen greifen ineinander über. Es zeigte sich, daß eine altersadäquate Differenzierung des Angebots erforderlich ist. Neben der Rehabilitation krebskranker Kinder mit deren Familie hat sich ein ziel­ gruppenorientiertes Rehabilitationskonzept für Jugendliche und junge Erwachsene her­ ausgebildet. Diese Patientengruppen werden seit Januar 1993 in einem eigenen Haus in Schönwald betreut. Dieses „Haus Schön­ wald“ ist so ausgestattet und eingerichtet, daß es autark geführt werden könnte. Nur durch die Hilfe der Öffentlichkeit in der Region und der Behörden und Organisa­ tionen des Schwarzwald-Baar-Kreises ist es der Arbeiterwohlfahrt gelungen, das rich­ tungsweisende und immer noch in der Bun­ desrepublik einmalige Behandlungskonzept der familienorientierten Rehabilitation um­ zusetzen. Um das Erreichte nicht zu gefähr­ den und im Interesse der Patienten die perso­ nellen, sächlichen und räumlichen Grund­ lagen erweitern zu können, ist dieses Engage­ ment auch weiterhin dringend erforderlich. Stephan Maier Krankheitsverarbeitung zu begleiten. Psy­ chologen und Sozialpädagogen helfen im Gespräch und in der gemeinsamen Aktivität, wieder eine positive Einstellung zum eige­ nen Körper zu finden und neue Perspektiven zu entwickeln. Im Gruppengespräch ergibt sich die Mög­ lichkeit, im Kontakt mit anderen Betroffe­ nen in derselben Lebenssituation persönli­ che Fragen und Probleme auszutauschen. Die Gruppe als therapeutisches Erfahrungs­ feld ist das entscheidende Charakteristikum dieses Angebotes, sich einander mitteilen, voneinander lernen und gemeinsam den Pro­ zeß der Krankheitsverarbeitung gestalten. Neben der medizinischen und der psy­ chosozialen Rehabilitation kommt der schu­ lisch-beruflichen Nachsorge besondere Be­ deutung zu. Viele der Erkrankten müssen ich neu orientieren, da sie den gewünschten oder erlernten Beruf aufgrund ihrer krankheitsbe­ dingten Beeinträchtigungen nicht ausüben dürfen. Die Mitarbeiter der Katharinenhöhe sind sehr dankbar für die enge Kooperation mit dem Arbeitsamt Villingen-Schwennin­ gen. In enger Zusammenarbeit mit dem Reha-Berater ist es so möglich, dem Kochlehr­ ling, der keine schweren Lasten mehr heben darf, oder dem Studenten, der aufgrund sei­ nes Hirntumors Konzentrationsschwächen hat, eine kompetente und fachlich fundierte Beratung zukommen zu lassen. Zusammenfassung Die Katharinenhöhe als eine der tradi­ tionsreichsten Einrichtungen der Arbeiter­ wohlfahrt hat sich als Rehabilitationsklinik etabliert, die weit über den Rahmen des Schwarzwald-Baar-Kreises hinaus Aufmerk­ samkeit erregt hat. Es ist gelungen, die Ver orgung und Be­ handlung der Patienten deutlich auszuwei­ ten. Durch den Anbau der medizinischen Abteilung und das Schaffen neuer Funk­ tionsräume in anderen Bereichen haben ich die baulichen Voraussetzungen der Arbeit deutlich verbessert. Um den Bedürfnissen der Patienten und den Ansprüchen der Versi- 244

Parkinson-Pilotprojekt Königsfeld betroffen und von Auflehnung und Resigna­ Seit Frühjahr 1987 kommen am Domizil tion gleichermaßen beengt. des Parkinson-Arbeitskreises Königsfeld, im Verursacht wird die Parkinson’sche Hotel und Kurhaus Gebauer-Trumpf, Par­ Krankheit von einer nicht erblichen und kinson-Betroffene und Angehörige zu Semi­ nicht ansteckenden hormonalen Überträger­ naren zusammen. störung vom Nerv zum Muskel. Der Bewe­ Diese Seminare waren seit Anbeginn auf gungswille ist wach, aber der Impuls kommt eine hohe zwischenmenschliche und thera­ nicht an. Nach dem heutigen Stand der Wis­ peutische Sinngebung hin konzipiert: senschaft ist Parkinson noch nicht heilbar, Gemeinsam erarbeitet man dort Impulse für eine aktive, trotz Parkinson würdige Lebens­ wohl aber in seinen physischen und seeli­ schen Beschwerden bei unverkürzter Le­ führung. Parkinson-Betroffene leiden bei unter­ benserwartung überzeugend zu lindem. Die Therapie heißt: Medikamente, Physiothera­ schiedlichster Symptom-Dominanz an pie und -liebevolle Zuwendung. Die erstge­ überschießender oder gehemmter Motorik. nannte Komponente erfahrt dank weltweiter Zittern, Verlangsamung, Sprechstörungen, Forschung eine variantenreiche Weiterent­ mimische Starre führen oft zur Abkehr vom geselligen Leben und zu Depression. Bei wicklung; die menschliche Zuwendung wachem und regem Geist fühlt sich der bleibt unabdingbar. Das aber bedarf bei den Patient bis in die Tiefe seiner Persönlichkeit Angehörigen, beim sozialen Umfeld und Hotel-Kurpension Gebauer Trumpf, 78126 Königsfeld/Schwarzwald, 800 m, Heilklimatischer + Kneippkurort, Bismarckstraße 10-12, Telefon (0 77 25) 76 07 245

letztlich beim Parkinson-Betroffenen selbst einer immer wieder von neuen Impulsen belebten Motivation, einer verstehenden wechselseitigen Humanitas. Königsfeld hat sich gegenüber der Parkin­ son-Herausforderung nicht hinter passivem Mitleidgehabe versteckt, sondern gleichsam die Tür zu seinem landschaftlichen, heilkli­ matischen und geistig-kulturellen Idyll weit geöffnet: Mitglieder des Vorstands, der Lan­ des- und der Regionalleitungen der Deut­ schen Parkinson-Vereinigung, leitende Ärzte der Parkinson-Kliniken, Fachtherapeuten, Sozialarbeiter sowie Psychologen aus For­ schung und Klinik und der Regionalge­ schäftsführer eines deutschen Versicherungs­ trägers stehen seither in nachgerade herzlicher Zusammenarbeit mit dem Königsfelder Arbeitskreis. Was hieraus bis heute an thera­ peutischen Ansätzen gewonnen wurde, könne nach dem Urteil eines Chefarztes bereits Stoff für Dissertationen bieten. Unter der Schirmherrschaft des Bürger­ meisters, unter förderlicher Mithilfe von sei­ ten des Gemeinwesens mit Kurverwaltung, kulturellen und kirchlichen Repräsentanten und ganz in der menschlichen Mitte von Königsfelds Bürgerschaft konnte sich der Arbeitskreis von Anbeginn als Partner des Pilotprojekts der Seminare einsetzen; es gab keinen zeitraubenden Vorlauf wie etwa Sta­ tuten, Titel oder Organisations-Tableaus. Es gibt auch kein Budget. Selbst der Name Arbeitskreis ist eigentlich zu offiziell. Es handelt sich um die gemein­ same Initiative eines Königsfelder Arztehe­ paars, der Inhaber des Hotels und Kurhauses Gebauer-Trumpf und weniger Mitarbeiter für betreuerische Funktionen, außerdem aber um Nachbarn, Freunde und Helfer aus Handel und Gewerbe. Wie sieht nach nunmehr sieben Jahren fundierter Praxis ein Seminar heute aus: In Zuständigkeit der Regionalgruppen der Deutschen Parkinson-Vereinigung als Selbst­ hilfeorganisation kommen zu Frühjahrs­ und Herbstterminen jeweils etwa dreißig Patienten und Angehörige für acht bis zehn 246 Tage im Hause Gebauer-Trumpf bei diäte­ tisch orientierter Vollpension sowie ärzt­ licher und physiotherapeutischer Hausbe­ treuung zusammen.Jede Seminargruppe hat ihr eigenes, individuell gestaltetes Programm mit Therapeuten-Vorträgen, Diskussionen und Übungen, zu denen Ärzte, Psycholo­ gen, Ergotherapeuten, Logopäden, Heil­ gymnasten und Fachkräfte für Gestaltungs­ und Bewegungsspiele nach Königsfeld kom­ men. Das Ganze steht unter dem Motto einer Impulse gebenden Gruppenarbeit, einer Hinführung zu neuer, motivierter Erlebnisfahigkeit und Re-Integration. Im Bewußtwerden persönlicher Autonomie und Würde trotz Parkinson erkennen Patient und Angehöriger spontan und hilf­ reich, wie weit sie nicht nur liebevoll aufein­ ander angewiesen sind, sondern wieviel Eigenständigkeit sie sich neu erschließen können, ja müssen, um freizubleiben von der entmündigenden Bürde einer Über­ Abhängigkeit oder Über-Betreuung. In Inter­ vallen von Seminararbeit und vertiefender Muße erwachsen den Teilnehmern physi­ sche und seelische Energien. Das thematisch anspruchsvolle Pro­ gramm jeder Seminargruppe ist eingebettet in jenes fast geheimnisvolle Fluidum, dem man den Namen Königsfeldischer Wir­ kungskreis gab. In ihm erleben Patienten und Angehörige die friedvolle, auch dem Behinderten zugängliche Landschaft mit ihrem markanten Heilklima. Sie erfahren aber auch unmittelbar die geistigen Kräfte dieses Gemeinwesens: Abendgespräche über Ursprung und Auftrag der Herrnhuter Brü­ dergemeine und über die pädagogische Kul­ tur des Zinzendorf-Schulwerks, klassische Musik, ein Orgelkonzert, Folklore, eine Tagebuchlesung zum Zeitgeschehen; erst aus solch einem Mosaik formt sich schließ­ lich die ganze Identität dieser Seminare mit einem von Mal zu Mal fortentwickelten Profil. Zutiefst bewegend ist bei alledem die menschliche Begegnung: Teilnehmer hoch in den Siebzigern oder älter, nach vielgestal-

Arztvortrag Bewegungsspiel

tigern Leben nun gebeugt und oft unbehol­ fen, – sie geben einander ab an Park:inson­ Erfahrung und an Lebensweisheit. Die jun­ gen dagegen, manchmal ganz ohne Beruf, ohne Familie, ohne Freunde, – andere in frü­ her Invalidität und voller Sorge um eine in der Liebe und Daseinsfreude gefährdete, fra­ gile Partnerschaft; sie ganz besonders brau­ chen sowohl die praktische wie auch die ethi­ sche Zuwendung. Die Begegnung mit ihnen hat eine Langzeitkomponente, sprich Zu­ kunft. Was in den Königsfelder Seminaren oft gerade von den jüngeren Parkinson­ Betroffenen an Einfühlungsvermögen, an wechselseitiger Hilfe und Handreichung, ja an Tröstung geleistet wird, das entzieht sich dem beschreibenden Wort. Im Raster der verschiedenen Kategorien der Kurortmedizin ist das Königsfelder Pilot­ projekt ein Novum, wenngleich es sich mit nunmehr siebentausendsechshundert Über­ nachtungen längst als Institution ausweist. Die Seminare sind ganzheitlich orientiert und sprechen die physische, die emotionale und die geistige Befindlichkeit der Patienten und ihrer Angehörigen in umfassender Gemeinsamkeit an. Tatsächlich sind dabei die Betroffenen und ihre Begleiter die eigent­ lichen Beweger. Ihr aktives Engagement ist die entscheidende Leistung! Sie nehmen nicht nur, sie geben; und der konkrete thera­ peutische Erfolg entlastet die Fachkliniken, das heimatliche Umfeld der Patienten, die Kostenträger im Gesundheitswesen und damit die Allgemeinheit. Die Seminare stär­ ken das Selbsthilfepotential der Teilnehmer und wirken so auch synergetisch· auf die Schicksalsgemeinschaft der Park:inson­ Selbsthilfegruppen zurück. So ist die Königsfelder Projektarbeit nicht etwa Gegenpol oder gar Konkurrenz zu den Fachkliniken, – sie ist vielmehr eine komple­ mentäre und alternierende Therapie. Gleich­ wohl müssen sich die Seminare derzeit noch in erheblichem Maße eigenfinanzieren, und zwar zuvörderst aus der Tasche der Teilneh­ mer, aus ad hoc zufließenden Spenden, aus Honorarverzichten und aus den freien Lei­ stungen des gastgebenden Gemeinwesens. Die eigentlichen Kostenträger im Kranken­ und Rentenversicherungswesen sehen sich außerstande, das ungewöhnlich rentable und therapeutisch eindrucksvolle Pilotpro­ jekt in Königsfeld zu unterstützen. Für die weitere Zukunft kann freilich kaum auf eine wirtschaftliche Mitträgerschaft verzichtet werden. Sie rechtfertigt sich durch den immer ansehnlicher werdenden Ertrag an therapeutischen und humanitären Wirkun­ gen und Erfahrungen, die das Pilotprojekt zutage fördert. – Im Archiv der Herrnhuter Brüdergemeine findet sich ein Grußzettel des Ehrenbürgers Albert Schweitzer, aus Lambarene: ,,An Königsfeld denke ich oft zurück. Dort hatte ich Freunde und konnte im Wald spazieren­ gehen. Und die Freunde denken noch an mich.“- Eine lakonische und verpflichtende Apo­ theose. Wolfgang Bülle Ein kleines Krankenhaus mit einem großen Namen Seit 23 Jahren besteht das Krankenbau Furtwangen Als im Januar 1971 das neue Städtische Krankenhaus Furtwangen die ersten Patien­ ten aufnahm, schrieb der damalige Innenmi­ nister Walter Krause, damit erfülle sich für die Einwohner der Stadt und ihrer Umge­ bung der lange gehegte Wunsch nach einer 248 Verbesserung der stationären Krankenver­ sorgung. Nur durch große Anstrengungen habe Furtwangen unter seinem Bürgermei­ ster MdL Hans Frank den Bau finanzieren können. Dafür gebühre der Stadt und dem Bürgermeister besonderer Dank. Das größ-

te kommunale Bauwerk von Furtwangen wurde somit dank der Unterstützung des Landes erstellt. „Die Sorge um den kranken Menschen und das verpflichtende Bewußtsein der hel­ fenden Fürsorge rechtfertige es, daß die Stadt Furtwangen im Interesse ihrer Bürger sehr große finanzielle Verpflichtungen auf sich genommen hat“, sagte Hans Frank zum Ge­ leit. Der frühere Bürgermeister hatte er­ kannt, daß es auch Aufgabe der Politik ist, die medizinische Versorgung auf einen modernen Stand zu bringen, damit die Men­ schen dieses Raumes nicht benachteiligt würden. In der Vergangenheit hatten die ört­ lichen Ärzte im früheren Krankenhaus Be­ legbetten. Nun galt es für die Stadt, für die neue Klinik die entsprechenden Abteilun- gen einzurichten und dafür geeignete Fach­ ärzte zu finden. Zu den Medizinern vom Beginn an ge­ hörte der Facharzt für Chirurgie und Urolo­ gie Dr. Samimi, der einige Kollegen von sei­ ner früheren Wirkungsstätte Ludwigshafen (Unfall-BG-Klinik Ludwigshafen, wo er zu­ letzt als Oberarzt tätig war) mitbrachte. Schon bald stellte es sich heraus, daß eine andere chirurgische Versorgung von Patien­ ten mit Schenkelhalsbrüchen notwendig wurde. Die Entwicklung der sogenannten AO-Methode aus der Schweiz war nicht die ideale Lösung des Problems. Ende der 60er Jahre hatte Professor Weller in Freiburg erste Versuche mit Prothesen gemacht, die erfolgreich waren. Dr. Samimi hatte mit dem bekannten Freiburger Profes- 249

sor Weller zusammengearbeitet. Er schlug im Mai 1971 mit Zustimmung des Bürger­ meisters dem Gemeinderat von Furtwangen im Rahmen einer kleinen Demonstration die Beschaffung der notwendigen Geräte für den Einsatz von Prothesen bei solchen Patienten vor, was der Gemeinderat weitblik­ kend auch genehmigte. Innerhalb kurzer Zeit war das Krankenhaus in Furtwangen für solche Operationen so bekannt, daß die Patienten von weit her kamen. Es stellte sich bald heraus, daß man auch Hüftarthrosen (zerstörte Hüftgelenke) durch Prothesen erneuern konnte. Dr. Samimi war auf diesem Sektor ein Spezialist geworden. Seine Mitarbeiter in der Chirurgie, deren Chefarzt er war, und er selbst haben seither pro Jahr zahlreiche Prothesen neu eingesetzt und somit für das Krankenhaus ein zweites Standbein geschaffen. Es sprach sich nicht nur im Kreisgebiet und in der Region, son­ dern im Land selbst und darüber hinaus rasch herum, daß es in Furtwangen ein vor­ zügliches Team für solche medizinischen Eingriffe gab. Dabei erkannten die vielen Patienten, daß die Ärzte nicht nur fachlich gut, sondern auch im Umgang mit den Patienten sehr menschlich sind, weil Kontakte und Gesprä­ che den Heilungsprozeß fördern. Furtwan­ gen hatte somit das erste Krankenhaus weit und breit, in dem erstmals für Knochen­ Operationen, für die Dr. Samimi eine spe­ zielle Ausbildung an der Unfallklinik in Lud­ wigshafen und in Freiburg hatte, ein geson­ derter OP-Raum als Knochen-OP für diese Eingriffe geschaffen wurde. Durch die Technisierung des modernen Lebens, mehr Freizeit und Sport, durch den Straßenverkehr und das Ski laufen im Winter im Schwarzwald, ist die Zahl der Unfalle stark gestiegen. Deshalb spielt die Unfall­ Chirurgie hier eine besonders wichtige Rolle. Es hat sich in den zwei Jahrzehnten gezeigt, daß die Stadt mit diesem modernen Bau einen guten Griff getan hat. Unzählige Patienten fanden hier Heilung, Linderung und Genesung. Das Krankenhaus ist im 250 Bedarfsplan III des Landes als Klinik der Grundversorgung eingestuft. Die Landesre­ gierung in Stuttgart, das zuständige Ministe­ rium und auch der neue Ministerpräsident und hiesige Landtagsabgeordnete Erwin Teufel kennen den guten Ruf des Kranken­ hauses Furtwangen. Für viele ist es nun unverständlich, daß eine Reduktion der Bettenzahlen erfolgte. Hier sollten die Politiker alles daransetzen, das Krankenhaus Furtwangen wieder auf den früheren Stand einzustufen. Alle Vorausset­ zungen dazu sind gegeben. Besonders zu erwähnen ist auch, daß es in Furtwangen schon bald nach der Eröffnung des Krankenhauses eine komplette Anästhe­ sieabteilung gab, was man damals in Fach­ kreisen als eine „Revolution“ für eine Klinik dieser Größe bezeichnete. In der Chirurgie gibt es einen Chefarzt, einen Oberarzt und drei Assistenzärzte, in der Inneren Abteilung zwei Chefarzte und drei Assistenzärzte. In der Anästhesie einen Chefarzt und einen Anästhesiepfleger und in der Gynäkologie einen Belegarzt. Es ste­ hen zwei OP-Räume für Knochenoperatio­ nen und für allgemeine Operationen zur Verfügung, ferner sind Röntgengeräte und ein Labor vorhanden. Zu erwähnen ist, daß das relativ kleine Krankenhaus ein Akutkrankenhaus ist, das heißt, rund um die Uhr gibt es eine ärztliche Besetzung. Das bedeutet für die Patienten rasche und optimale Hilfe. Anläßlich der Eröffnung der Klinik im Jahre 1971 hat Dr. Samimi in seinem Festvor­ trag die Frage gestellt, ob in mittleren Kran­ kenhäusern in Zukunft überhaupt noch eine vollwertige Chirurgie möglich ist. Die Ent­ wicklung habe gezeigt, daß der Wandel in der Medizin und insbesondere in der Chirur­ gie auch das Arbeiten in den mittleren Kliniken tiefgreifend beeinflußte, so daß in Deutschland mit Befriedigung die Leistung der Chirurgen außerhalb der Uni-Kliniken und großen Krankenanstalten gewürdigt werden könne. Das treffe gerade für das Krankenhaus in

Furtwangen in besonderem Maße zu. Denn auch die Bewohner von kleineren Städten und Gemeinden haben heute Anspruch auf eine optimale Behandlung. Sie können also auch an ihrem Wohnort nach den modernen Erkenntnissen der Medizin behandelt wer­ den. Die entsprechende Einrichtung derOP­ Abteilung unterstützt diese Zielsetzung. „Ich glaube, daß die Auffassung heute nicht mehr zu vertreten ist, wonach ein kran­ ker Mensch nur in großen Kliniken die abso­ lute Garantie für seine Gesundheit haben müßte“, schrieb der Chefarzt abschließend. Es sei weniger die Frage des fachlichen Kön­ nens, denn viele leitende Chirurgen in klei­ nen und mittleren Krankenhäusern hätten ja auch ihre Kenntnisse an großen Kliniken erworben. Die Errichtung des modernen Krankenhauses in dieser Stadt sei daher als eine bedeutende sozialpolitische Überle­ gung anzusehen. Die Innere Abteilung umfaßt nach Chef­ arzt Dr. Forster die Diagnostik aller und die Behandlung der meisten Erkrankungen des Herzens, des Kreislaufs, von Magen und Darm, der Nieren, der Stoffwechsel- und Hormonstörungen, der Bluterkrankungen etc. Der Patient mit einer heute alltäglichen Erkrankung, z.B. einem Herzinfarkt, habe die Sicherheit, sowohl in diagnostischer als auch in therapeutischer Hinsicht so behan­ delt zu werden wie in einer größeren Klinik. Dr. P. Samimi ging 1992 in den Ruhe­ stand. Neuer Chefarzt ist Dr. Heinrich.An­ ton Habicht, der zuletzt am Kreiskranken­ haus Glauchau/Sachsen als Allgemein-Chir­ urg (Unfallchirurgie) tätig war. Der gesamte OP-Trakt wurde saniert und ein Intensiv­ Überwachungszimmer eingerichtet. Ebenso wurde eine neue Sterilisations-Einrichtung geschaffen. Zehn Ärzte und 32 Schwestern, darunter drei Ordensschwestern vom Kloster Hegne, stehen im Dienste der Patienten. Segensreicher Dienst der Hegner Schwestern Was ist eine Klinik ohne ihre Schwestern? Ihre fachliche Ausbildung und ihr Mitwir- ken bei der Heilung sind von großer Bedeu­ tung. Seit 1895 bereits gehören auch die in Furtwangen tätigen Schwestern zum Pro­ vinzhaus Hegne am Bodensee. Da das dama­ lige Krankenhaus in Furtwangen sich als zu klein erwies, entstand ein Neubau, der im Dezember 1903 eröffnet wurde. Zum größ­ ten Teil mit Handwagen mußten die Or­ densschwestern, von einigen Helfern unter­ stützt, den Umzug vornehmen. Mit Ausbruch des Krieges 1914 wurde ein Reserve-Lazarett mit 60 Betten eingerichtet. Das Jahr 1927 war schicksalsschwer. In der Nacht vom 4. zum 5. Februar brach auf dem Speicher des Krankenhauses ein Brand aus, dem der dritte Stock zum Opfer fiel. Die 52 Patienten mußten in der Kälte bei Nacht in Nachbarhäuser gebracht werden. Während des 2. Weltkrieges wurden ständig Betten eingeschoben, so daß deren Zahl auf 150 stieg. Auch im neuen Krankenhaus übernah­ men 1971 Hegner Schwestern ihre wichtige Aufgabe nach dem Wort des Ordensstifters: ,, Was Bedürfnis der Zeit, ist Gottes Wille.“ Ihnen zur Seite stehen weltliche Schwestern, die Helfer im Labor und in der Röntgenab­ teilung, in Küche und Verwaltung. Daß auch das zuständige Ministerium der Landesregierung in Stuttgart die große Be­ deutung des Krankenhauses Furtwangen an­ erkennt, beweist die Tatsache, daß jetzt sechs Millionen Mark als Zuschuß für eine neue Klima-Anlage für den OP-Trakt und die Ambulanz bereitgestellt werden. Damit würde dieser Bereich dem neuesten Stand der Technik entsprechen. Wie sagte doch kürzlich ein fast 80 Jahre alter Herr aus der Schweiz zum Autor dieses Berichtes, nachdem ihm ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt worden war: ,,Ich habe mein Zuhause nicht vermißt und mich in Furtwangen in besten Händen heimisch gefühlt. Wie froh können die Leute im Schwarzwald sein, daß es auch in kleinen Städten so gute Krankenhäuser wie hier gibt.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Konrad Schade 251

Luftrettung im Schwarzwald-Baar-Kreis hat sich bewährt Bundesrepublik gesucht wurde. Die Wahl Erste Berichte erschienen im Almanach 1978, fiel auf Villingen-Schwenningen, weil sich Seite 7-9, und 1982, Seite 89-91. Die weitere hier ein Krankenhaus der Zentralversorgung Entwicklung wird im nachfol.genden Beitragfest­ (u. a. eigenständige Unfallchirurgie, mehrere gehalten. operative und nichtoperative Intensivstatio­ nen, Kardiologie) befand, und weil von hier aus bei einem Aktionsradius von SO km in nur ungefähr 15 Minuten Flugzeit jeder be­ liebige Ort vom deutschen Bodenseeufer im Osten bis zum Rheintal mit Freiburg im Westen, von der Schweizer Grenze im Süden bis fast nach Horb im Norden erreicht wer­ den konnte. Seit dem 15. 11. 1975 existiert im Schwarz­ wald-Baar-Kreis ein Luftrettungsstützpunkt, das bedeutet: im allgemeinen ist zwischen 7 Uhr und Sonnenuntergang ein mit Not­ arzt, Rettungssanitäter und Pilot besetzter Rettungshubschrauber einsatzklar. Bis Juni 1993 wurden dabei über 12.900 Einsätze geflogen – eine recht stattliche Anzahl, die hier Anlaß für einige Bemerkungen sein soll. Zuerst erscheint es angebracht, einige Da­ ten der Geschichte von Christoph 11 anzu­ merken: Am 15. 11.1975 schickte der Bundesgrenz­ schutz einen seiner Piloten mit einem Hub­ schrauber vom Typ Alouette nach Schwen­ ningen. Dieser Hubschrauber konnte von seinen Ausmaßen her keine Patienten trans­ portieren. Kurze Zeit später wurde er dann auch gegen eine BO 105 ausgetauscht. Mit Begonnen hatte es damit, daß Mitte der siebziger Jahre im Rahmen des Ausbaues der Luftrettung ein geeigneter Standort für einen Rettungshubschrauber im Südwesten der Landeplatz in Donaueschingen 252

Innenausstattung BO 105 diesen beiden Hubschraubern wurden die ersten Einsätze geflogen, und das waren recht wenige. Dafür gab es mehrere Gründe: Zum Einen hatte ein Rettungshubschrauber noch nicht den Bekanntheitsgrad, den er heute genießt. Zum Zweiten wurde er an­ fänglich von manchen umliegenden Leit­ stellen und Krankenhäusern zumindest mit Argwohn betrachtet. Da wurde dann ziem­ lich unsachlich das Gespenst vom „Patien­ tenklau“ gezeichnet, man fürchtete wohl, daß Christoph 11 nicht nur die Schwerstver­ letzten nach Schwenningen bringen würde. Und zum Dritten herrschte oft Unsicherheit darüber, wer denn für die Kosten eines Ein­ satzes aufzukommen habe. Dabei war eigentlich von Anfang an klar, daß alle Flüge mit Patientenversorgung zu Lasten der Kran­ kenkassen gingen, alle Fehlflüge zu Lasten des DRK. Unter diesen Schwierigkeiten flog Chri­ stoph 11 erst einmal in die roten Zahlen. Teil- weise betrug das Defizit über DM 100.000,-. Es dauerte bis Ende 1977, bis langsam kostendeckende Einsatzzahlen erreicht wer­ den konnten. Zwischenzeitlich bedrohte ein anderer Umstand zusätzlich die Existenz des Ret­ tungshubschraubers. Der Bundesgrenz­ schutz sah sich Mitte des Jahres 1976 infolge Personalmangels außerstande, weiterhin Pilot und Maschine zur Verfügung zu stel­ len. Glücklicherweise leistete die Bundes­ wehr Amtshilfe, indem sie ab dem 8. 9. 1976 eine Bell UH 1D mit jeweils zwei Piloten und einem Bordmechaniker nach Schwenningen entsandte. In dieser Zeit wurde dann auch durch die Krankenhausverwaltung bzw. durch die Stadt als Träger der Kliniken der Standort etabliert, in dem der Hangar mit seinen heutigen Räumlichkeiten errichtet und am 22. 12. 1976 eingeweiht wurde. Ein Kuriosum nebenbei: erst jetzt konnte auch hier getankt werden. Vorher stand zum Teil 253

Noch ein Wunder, nur leichte Blessuren, Verkehrsunfall bei Blumberg ein Tankwagen hier, zum Teil mußte nach Neuhausen bei Tuttlingen oder an Wochen­ en9en auch noch weiter geflogen werden. Wiesep,r-sich das DRK als Kostenträger über v,qi;�telle,!_lr olc �1 ;?nkfJüge „freute“, kann man sich f-119� 1?7J fa,m es zur nächsten existen­ ziellen Krise von Christoph 11. Diesmal war es die Bundeswehr, die Mensch und Material nicht mehr zur Verfügung stellen wollte oder konnte. Nach längerem Hin und Her sprang dann der ADAC in die Bresche und über­ nahm mit einer gelben BO 105 und eigenen bzw. Werkpiloten von der Herstellerfirma die Station. Der ADAC zeigte dadurch, daß er sich bei seinem Anspruch, Mitinitiator und Träger der Luftrettung zu sein, auch in die Pflicht nehmen ließ. 254 Ab dem 1. 11. 1981 war der Bundesgrenz­ schutz, inzwischen personell erstarkt, wieder in der Lage, Piloten nach Schwenningen zu schicken. So kehrte mit den gleichzeitig durch das Innenministerium geschickten orangeroten Katastrophenschutzhubschrau­ bern für einige Zeit Kontinuität und Ruhe in unseren Standort ein, Grundvoraussetzung, um gute Arbeit leisten zu können. Zwischen dem 11. 9. 1991 und dem 27. 11. 1991 gab es einen erneuten personellen Eng­ paß bei den Beamten des Bundesgrenzschut­ zes, weil krankheitsbedingte Ausfälle und Aufgaben in den neuen Bundesländern nicht so schnell ausgeglichen werden konn­ ten. Diesmal halfen die Piloten einer SAR­ Staffel aus Penzing mit ihrer Maschine vom Typ Bell aus.

Gut ein Jahr später, am 22. 12. 1992, sprang nach kurzem Intermezzo des Bundes­ grenzschutzes erneut eine Einheit der Bun­ deswehr in clie Bresche und half mit jeweils drei Soldaten und einer Maschine Typ Bell der Heeresfliegerstaffel Neuhausen aus. Lei­ der stand erneut ein Wechsel an, denn die Einheit in Neuhausen wurde am 31. 3.1994 aufgelöst. In den Jahren 1991 bis 1993 wurden erstmals jeweils um 1000 Einsätze geflogen. Dies ist weniger ein Anzeichen für eine gestiegene Anzahl von Notfällen, als für eine verbesserte Akzeptanz von Christoph 11. Der Rettungshubschrauber ist aus der Ge­ samtheit der Rettungsmittel in unserer Re­ gion nicht mehr wegzudenken. Allgemein gilt, daß das Rettungswesen in der Bundesrepublik inzwischen ein sehr hohes Niveau erreicht hat. Menschen, die in eine medizinische Notsituation geraten, kann innerhalb von Minuten eine Erstver­ sorgung durch Ärzte oder Sanitäter ermög­ licht werden. Leider sieht es mit der anschlie­ ßenden Weiterbehandlung in einem Kran­ kenhaus, die ja oft sehr rasch erfolgen muß, häufig nicht mehr so erfreulich aus. Insbe­ sondere wenn ein mehrfach schwerverletzter Nach jahrelangen Bemühungen hat das Kreiskrankenhaus Donaueschingen einen Computertomo­ graphen (CT) erhalten, der am 27.1.1994 offiziell in Dienst gestellt wurde. Bei der Erklärung des neuen Untersuchungs-Systems führte der Chefarzt der Radiologischen Abteilung, Prof Dr. Gernot Bürkle, aus, daß mit dieser Ergänzung der apparativen Diagnostik-Möglichkeiten krankhafte Organveränderungen (z. B. TiJmore) zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt entdeckt und ent­ sprechende Behandlungen eingeleitet werden können. Den Patienten des Kreiskrankenhauses bleiben nunmehr lange Transporte zum nächsten Computertomographen-Standort erspart, und sie können im Hause selbst von dieser neuen Einrichtung prefitieren. 255

Erhaltung der Funktion seiner rechten Hand oder gar die Verhinderung eines geistigen Schadens durch rechtzeitige Hilfe für unbe­ zahlbar erachten. Andererseits sind auch der medizinischen Kunst Grenzen gesetzt. Trotz aller Fort­ schritte in der Behandlung Schwerstkranker kommt oft jede Hilfe zu spät oder ist grund­ sätzlich nicht möglich. Hierbei wird häufig die Belastbarkeit auch der Helfenden auf eine harte Probe gestellt. Rainer Gojowczyk Unverständnis oder Fassungslosigkeit entsteht, wenn man feststellen muß, wie leichtsinnig, teilweise rücksichtslos mit der eigenen, beziehungsweise fremden Gesund­ heit umgegangen wird. Wer bei dichtem Nebel über die Autobahn rast oder betrun­ ken die Leistungsfähigkeit seines Fahrzeugs ausprobiert, darf sich im Falle eines Unfalles nicht wundern, wenn die Freundlichkeit der Helfer gedämpft ist. Gefährlich kann es auch für die Insassen des Hubschraubers selbst werden. Schlecht sichtbare Überlandleitungen, Sichtbehinde­ rungen durch sich plötzlich ändernde Wet­ terverhältnisse, einsetzende Dunkelheit so­ wie technische Probleme der Maschine las­ sen oft Situationen entstehen, wo genau abgewogen werden muß, ob ein Einsatz durchgeführt werden kann oder besser zu­ gunsten der Sicherheit abgebrochen bezie­ hungsweise abgesagt wird. Wir wünschen uns, daß auch in Zukunft schlimmere Unfälle ausbleiben, damit unser Rettungshubschrauber weiterhin seine Auf­ gaben in unserer Region erfüllen kann. Patient in ein Behandlungszentrum, zum Beispiel eine Universitätsklinik, gebracht werden soll, erklären in letzter Zeit immer häufiger Kliniken, daß sie nicht aufnahme­ bereit seien. Wahre Irrfahrten oder -flüge müssen dann oft in Kauf genommen wer­ den, bis eine weitergehende medizinische Versorgung erfolgen kann. Daß dies mei­ stens nicht zum Wohle des Patienten ist, kann man sich leicht vorstellen. Die Gründe hierfür sind vielseitig. Häufig fehlen die Pflegekräfte für die Intensivstatio­ nen und Operationssäle. Die seelische und körperliche Belastung in diesen Arbeitsberei­ chen ist hoch, die Bezahlung verglichen mit ähnlich verantwortungsvollen Berufen in anderen Bereichen gering. Um hier Abhilfe zu schaffen, sind wahrscheinlich vermehrte finanzielle Aufwendungen erforderlich. Die Gesellschaft muß für sich entscheiden, ob sie bereit ist, die Kosten für eine gute medizini­ sche Versorgung zu bezahlen. Die schon ver­ abschiedeten und die noch geplanten Ge­ setze zur Kostendämpfung im Gesundheits­ wesen lassen allerdings befürchten, daß die gesetzgebenden Instanzen eher eine Ver­ schlechterung der medizinischen Lage in Kauf nehmen, auch wenn das Gegenteil behauptet wird. Medizin ist kostspielig – das gilt auch für das Rettungswesen. Wie aber soll man, wenn es um Gesundheit oder gar Tod von Men­ schen geht, eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufstellen? Unlängst wurde berechnet, daß volkswirtschaftlich gesehen die Rettung von zwei Menschenleben die Kosten eines Jahres einer Luftrettungsstation aufwiegen. Der Einzelne wird dagegen zum Beispiel die 256

Das Don-Bosco-Heim in Furtwangen Mehr als nur ein Jugendwohnheim Im Almanach 1983, S. 39 ff., wurde das erste Mal über das Don-Bosco-Heim berichtet. Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich mit dem Heim nach der Renovierung. Im neuen Glanz, im Innern, wie auch überwiegend von außen, erscheint nach der Fertigstellung des Umbaus im Jahr 1991 das Don-Bosco-Heim in Furtwangen. Über vier Millionen Mark wurden in einer zweiein­ halb Jahre dauernden Bauzeit, der einein­ halb Jahre Planung vorausgingen, für die Sanierung, Modernisierung und Erweite­ rung des Jugendwohnheimes aufgebracht. Teils öffentliche Gelder vom Sozialministe­ rium, vom Ministerium für Kultus und Sport sowie vom Ministerium für den ländlichen Raum, zu einem viel gewichtigeren Teil jedoch Eigenkapital des Salesianer Ordens, Träger der Einrichtung, ermöglichten die aus bautechnischen Mängeln und aus Gründen der Attraktivität längst anstehenden Arbei­ ten. Das „Don Bosco Furtwangen“ ist eine Wohn-, Freizeit- und Bildungsstätte vorwie­ gend für Auszubildende und Schüler. Die Salesianer Don Boscos sorgen für eine ange­ messene Unterbringung und versuchen, das fachpraktische und fachtheoretische Lernen in der Ausbildung beziehungsweise in der Schule bestmöglich durch eine harmonische Wohngemeinschaft zu ergänzen. Vorrangig ist, junge Menschen zu fördern und sie zu befähigen, verantwortlich in Kirche und Gesellschaft zu leben. In der neusten Chro­ nik heißt es unter anderem: ,,Als Salesianer Don Boscos versuchen wir, ausgehend von der Situation der Jugendlichen gelingendes Leben vor dem Hintergrund einer christli­ chen Lebensgestaltung zu ermöglichen. Wir bieten … nicht nur Wohnstätte, sondern tei­ len unser Leben mit den Jugendlichen.“ 257

Anläßlich der feierlichen Einweihung am 1./2. Februar 1992 würdigten zahlreiche Ho­ noratioren und kirchliche Würdenträger die veränderten Lebensbedingungen und die gestalterischen Neuerungen in drei der vier Gebäudeteilen. ,,Das Heim ist eine Stätte der Begegnung, die zu Furtwangen gehört“, for­ mulierte beispielsweise Alt-Bürgermeister Adolf Herb in seiner Festansprache. Jahrelang hatten sich in den 50ern und 60ern einige Furtwanger Bürger, allen voran der damalige Stadtpfarrer Stephan Blatt­ mann, mit dem Gedanken befaßt, für „junge Burschen, für Lehrlinge der Furtwanger Fein­ mechanik-, Uhren- und Spezialindustrie, für Schüler der Berufsfachschule und des Vorse­ mesters der Staatlichen Ingenieurschule eine Unterkunft“ zu bauen. In den Salesianern Don Boscos fand sieb recht bald ein Träger einer derartigen Einrichtung. Zuvor war die Realisierung des Bauvorhabens durch eine Donaueschinger Baugesellschaft gescheitert. Anfang der 60er Jahre fertigte der Provinzial­ rat der Salesianer Pläne an und regelte die Finanzierung, so daß im August 1961 mit dem Bau eines Lehrlingswohnheimes mit 85 Plätzen begonnen werden konnte. Im Laufe der ersten, knapp zweijährigen Bauphase traf der erste Direktor des Jugend­ wohnheimes Don Bosco in Furtwangen ein: Pater Dr. Michael Müller nahm am 23. Ok­ tober 1962 seine Tätigkeit auf. Zu ibm gesell­ ten sich im Februar 1963 der erste Lehrling, Bernhard Späth, sowie die ersten Schüler. Am 12. Mai 1963 weihte schließlich Erzbi­ schof Dr. Hermann Schäufele das Don­ Bosco-Heim, dessen Baukosten sich seiner­ zeit aufl,3 Millionen Mark beliefen. Damit war eine Stätte geschaffen, die sich als her­ vorragende Basis für weitere Entwicklungen herausstellen sollte. Es schlossen sich an den ersten Bauab­ schnitt weitere an, die im Zusammenhang mit der Erweiterung der schulischen Kapazi­ täten der Stadt zu sehen sind. So war die Ver­ selbständigung der Berufsfachschule neben der Ingenieurschule (heute Fachhochschule) im Jahre 1964 eine Bestandsgarantie für das 258 Don-Bosco-Heim und gleichzeitig der An­ stoß für den Bau eines Studentenwohnhei­ mes. Nachdem die freizeitlichen Möglich­ keiten mit dem Bau eines Sportplatzes er­ heblich gesteigert werden konnten, erfolgten schon ein Jahr später die Erdaushubarbeiten für einen neuen Gebäudetrakt. Dieser beher­ bergt eine Kapelle (für diese fertigte im übri­ gen 1975 der heimische Bildhauer Karl Rie­ ber einen modernen Kreuzweg), eine Sport­ halle sowie Freizeit- und Wohnräume. Am 15.Juli 1967 war der Neubau für 1,2 Millio­ nen Mark fertiggestellt. Damals wie heute war der Leitung des Don-Bosco-Heimes an einer Öffnung für die örtliche Jugend gelegen. Gerade dje Schaf­ fung der Turnhalle ermöglichte die Nutzung der Räumlichkeiten al Begegnungsstätte der Jugend der Stadt mit den Heimbewohnern, deren Zahl gleich zu Anfang der 70er Jahre die Hundertergrenze überschritt. Doch mit dem Neubau erwiesen sich dje Ausbaumöglichkeiten noch lange nicht als erschöpft. Zu Beginn des Schuljahres 1971/72 war dje Aufstockung des Altbaus, durch die die Kapazität des Heimes um 31 Betten auf 121 Plätze erweitert werden konnte, bereits abgeschlossen. Die Zeit danach war gekennzeichnet von etlichen internen, zum Teil provisorischen Neugestaltungen der Räumlichkeiten und von Veränderungen in der Struktur der Heimbewohner. Einige Beispiele: Am 6. Fe­ bruar 1975 richtete der Lehrer Hans Duffner eine Amateur-Funkstation mit Funkkontak­ ten rund um die Welt ein (vgl. Almanach 1987, S. 270 ff.). Die Heimkirche erhielt am 18. September 1983 einen neuen Ambo aus Marmor, gefertigt von Andreas Hubbuch, einem Heimbewohner, als Gesellenstück seiner Steinbildhauer-Ausbildung. Und am 20. Mai 1990 wurde die Orgel des Don­ Bosco-Heimes in Bad Neustadt/Saale in das Furtwanger Heim umplaziert. Schon Ende der 70er Jahre zeichnete sich ab, daß das Wohnangebot mit Vollverpfle­ gung eher von Schülern als von Studenten angenommen wird. Neuen „Wind“ in die

in Furtwangen“ Bewohnerstruktur brachte der „Modellver­ such Skiinternat (kurz SKIF). Der Präsident des Skiverbandes Schwarzwald, Fred Stober, hatte bereits 1979 Interesse an einem derartigen Pilotprojekt im Don-Bosco-Heim gezeigt, das jungen talen­ tierten Wintersportlern neben der sport­ lichen Karriere gleichzeitig eine fundierte Ausbildung ermöglichen soll. Am 10. Sep­ tember 1984 nahm das SKIF unter der Lei­ tung von Trainer Urban Hettich und vier Schülern seinen Anfang (vgl. Almanach 1986, S. 248 ff. und Almanach 1991, S. 296 ff.). Doch nicht nur die Heimstruktur verän­ derte sich im Laufe der Zeit. Auch zahlreiche Wechsel in der Leitung gehören zur Geschichte des Don-Bosco-Heimes. Auf den als sehr „baufreudig“ charakterisierten Pater Müller folgte 1969 Pater Alfons Schaaf in der Position des Direktors der Einrichtung.1975 wurde dieser von Pater Xaver Berchtold abgelöst, der bereits seit 1971 in Furtwangen weilte und der auch nach seiner Direktoren­ zeit (bis 1981) der Furtwanger Jugend eine Zeitlang erhalten blieb. Er widmete sich wei­ terhin der Studentenseelsorge und der Jugendarbeit. Nur ein Jahr fungierte Pater Walter Matawa als Direktor, bevor Pater Philipp Weißhaar seine Tätigkeit in dieser Funktion aufnahm. Für ihn kam schließlich 1987 Direktor Pater Wenzl. Dessen Nach­ folger wurde am 15. August 1992, also nach­ dem die umfangreichste bauliche Verände­ rung bereits abgeschlossen war, Pater Franz Betz, dem heute die Leitung des Heimes obliegt. Pater Wenzl traf auf einer „auslaufenden“ Baustelle im Don-Bosco-Heim ein. Die Sanierung der Küche und des Personalbaus stand kurz vor ihrem endgültigen Abschluß. Doch die Realisierung weiterer Bedürfnisse der Heimbewohner bezüglich der Wohn­ qualität und dringend notwendige Sanie­ rungsmaßnahmen galt es schleunigst anzu­ packen. Als „tickende Zeitbombe“ waren die vom aggressiven Furtwanger Wasser stark lädier- ten Leitungen schon von Pater Weißhaar bezeichnet worden. Erste Priorität von Pater Wenzls Wirken war, hier Abhilfe zu schaf­ fen. Im Zuge dieser umfangreichen Sanie­ rung, die sich gänzlich durch das mittler­ weile fast 30 Jahre alte Gebäude hindurch­ zog, sollten jedoch auch funktionale und gestalterische Veränderungen einhergehen, die die Attraktivität des Hauses steigern und den heutigen Wohnansprüchen junger Leute genügen. Und das ist ihm in Zusam­ menarbeit mit dem Architekten Gregor Kuner und seinem Team gelungen. Während es bis zum jüngsten Umbau pro Etage mit je 25 Bewohnern lediglich einen großen Waschraum gegeben hatte, fließt heute in jedem Zimmer kaltes und warmes Wasser. Die frei gewordenen Waschräume dienen nach der modernen Umgestaltung als Gemeinschaftsräume. Neben der Vollver­ pflegung stehen Wohnküchen zur Verfü­ gung. Mit den baulichen Veränderungen der vorhandenen Wohngebäuden ging eine kleine Erweiterung einher. Die Lücke zwi­ schen Alt- und Neubau wurde mit einem Zwischengebäude geschlossen, das weitere Duschen und WCs, auf jedem Stockwerk eine Sauna und einen Fitneß-Raum umfaßt. Zudem befindet sich darin nun der Haupt­ eingang. Das freundlich und modern gestal­ tete Foyer, an das sich ein großer Freizeit­ raum anschließt, stellt eine Bereicherung für die Einrichtung dar. Mit den grundlegend veränderten Lebensbedingungen durch die jüngsten Sanierungs- und Modernisierungs­ maßnahmen dürften die baulichen und ein­ richtungsmäßig zeitgemäßen Ansprüche der Heimbewohner, insbesondere des SKIF, für längere Zeit zufriedengestellt sein. Es war ein Verdienst des Direktors Pater Wenzl, daß während der Bauzeit der Heim­ betrieb nicht einen Tag eingestellt werden mußte. Selbst während der Ferienzeiten, lie­ ßen sich die Arbeiten so organisieren, daß das Wohnen im Don-Bosco-Heim möglich war. Mit der Millionen-Investition verbanden die Salesianer insbesondere die Hoffnung, 259

die Belegungszahlen zu verbessern. Dies glückte insofern, als daß sich eine Verände­ rung in der Belegungsstruktur einstellte. Zwar ging die Zahl der Schüler von 68 im Jahr des großen Umbaus 1991 auf 52 zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses zurück, dafür ließen sich entgegen den Vorjahren wieder mehr Studenten im Don-Bosco­ Heim nieder. 19 zählte die Heimleitung im Sommersemester 1994. 14 Heimbewohner gehörten im übrigen dem SKIF an. Neben der Erhöhung der Belegungszah­ len verfolgt die Heimleitung ein zweites Ziel: Sie will die Einrichtung wieder mehr für die Allgemeinheit öffnen, sprich, sie den Furt­ wanger jugendlichen zugänglicher machen, ein regeres Leben darin etablieren. Einen wesentlichen Beitrag hierzu leisten mit Si­ cherheit die geschaffenen freizeitlichen Ele­ mente in einem rundum modern und ju­ gendlich gestalteten Don-Bosco-Heim. Isolde Barthillat Vom Kaufmanns-Erholungsheim Badener Hof zur Nachsorge-Klinik Hohenstein Triberg Das über 80 Jahre renommierte Schwarz­ waldhotel über dem Eingang zum Wasserfall in Triberg im Schwarzwald war am 20. 10. 1959 durch die damalige Deutsche Gesell­ schaft für Kur- und Erholungsheime für Handel und Industrie e. V. mit dem Sitz in Wiesbaden (DGK) von der Witwe Hilde Gesser erworben und bis auf die ehemalige Dependence „Haus Waldlust“ abgebrochen worden. Ein Wahrzeichen der Kurstadt Tri­ berg war eingeebnet und harrte eines neuen markanten Neubaues mit zukunftsweisen­ der Aufgabenstellung. Ziel der Trägergesellschaft DGK war seit 1910 die Bereitstellung und der Betrieb von Kur- und Erholungshäusern für kaufrnänni- 260

sehe und technische Angestellte sowie lei­ tende Angestellte und ihren Familien aus der deutschen Industrie und dem Handel zu Kur-, Erholungs-und Urlaubszwecken. In den 50er Jahren war die Idee in der Gesell­ schaft gewachsen, dem bisherigen Angebot auch sogenannte Vorsorgehäuser anzuglie­ dern, um in Verbindung mit ärztlicher Be­ treuung und physikalischer Therapie Krank­ heiten infolge stark beanspruchter Gesund­ heit vorzubeugen. Die traditionsreiche und weithin bekannte Kurstadt Triberg, die in diesen Jahren durch die Errichtung des Kur­ hauses mit Kurmittelabteilung sowie der Ansiedlung von Pensionen, Familienerho­ lungsheimen und ähnlichen Einrichtungen große Anstrengungen unternahm, wurde von der Trägergesellschaft auch im Hinblick auf die landschaftlichen Schönheiten und die Sehenswürdigkeiten auserwählt, eines der ersten zur Gesundheitsvorsorge fortent­ wickelten Häuser zu erhalten. Ausschlagge­ bend war die Möglichkeit, die Kurmittelab­ teilung im Kurhaus der Stadt benutzen und damit auf den Einbau einer eigenen kosten­ trächtigen physikalischen Therapieabtei­ lungverzichten zu können. Für die Stadt Tri­ berg sollte eine rentierliche Kurmittelabtei­ lung gesichert werden. Die Deutsche Gesell­ schaft für Kur-und Erholungshäuser für Handel und Industrie e. V. in Wiesbaden baute in jener Zeit ihre Häuser durch die Wirtschaftshilfe der deutschen Industrie. Eine stattliche Anzahl von mittleren und großen Unternehmen erwarben für ihre Angestellten sogenannte Anmelderechte, um eine günstige Finanzierung und niedrige Tagessätze zu sichern. Über 33000 Gäste konnte die DGK auf diese Weise und zu die­ ser Zeit aufuehmen. Später erfolgte eine Aus­ dehnung der Bautätigkeiten auch auf andere Länder in Europa. Die Gesellschaft benann­ te sich deshalb in Europäische Gesellschaft für Kur-und Erholungshäuser e. V. in Wies­ baden (EGK) um und betrieb ca. 50 Häuser. Der größte Teil der deutschen Wirtschafts­ unternehmer, über 6000 selbständige Kauf­ leute und über 10 000 Angestellte als Einzel- mitglieder, schlossen sich damals der EGK an. Das Haus Waldlust wurde am 1.11.1959 mit 45 Betten und Personalräumen unver­ züglich in Betrieb genommen. Das Geneh­ migungsverfahren für den modernen Bau­ körper mit Flachdach und Balkonen für 115 Betten nahm bei dem Großprojekt mit 3,5 Millionen DM naturgemäß längere Zeit in Anspruch. Insbesondere erwies sich die Gründung des fünfgeschossigen Bettenhau­ ses mit Dachgarten in besonnter Ost-West­ Richtung mit vielen Stahlbetonpfeilern als schwierig und aufwendig. Der Wirtschafts­ trakt wurde im Verlauf des ehemaligen Hotels in Nord-Süd-Stellung errichtet und enthält auch heute noch im Erdgeschoß Küche und Speisesaal sowie im Oberge­ schoß großzügige und elegante Aufenthalts­ und Fernsehräume. Im Verbindungstrakt überrascht im Erdgeschoß die große Emp­ fangshalle mit der Rezeption und der Patien­ tenaufnahme. In den Obergeschossen sind die Funktionsräume für die medizinische Versorgung und Betreuung sowie die Verwal­ tung untergebracht. Am 20. 9.1961 wurde die Großbaustelle eingerichtet und am 13. 10. 1961 mit dem Erdaushub für die Fundamente begonnen. Die Ausführung der drei mitein­ ander verbundenen Gebäude erfolgte in Stahlbeton-Massivbauweise mit Ziegelstein­ mauerwerk. Am 8. 11. 1962 wurde das Richt­ fest gefeiert; der Richtschmaus fand im ehe­ maligen Hotel „Löwen-National“ am Markt­ platz statt. Bei dieser Gelegenheit verkün­ dete der damalige 86jährige Präsident der EGK, Stadtrat a. D. Heinrich Glücklich, in Anwesenheit des damaligen Landrats Dr. Astfaller sowie des Bürgermeisters i. R. Faster und des Bürgermeisters Dr. Villinger, den Namen „Badener Hof“ für das Vorsorge­ haus in Triberg. So wie die EGK europaweit durch ihre gemeinnützige Aufgabenstellung im sozialen und gesundheitsfördernden Be­ reich tätig sei, so sei durch die Einrichtung dieses Bauwerks durch deutsche, italieni­ sche, spanische und jugoslawische Bauarbei­ ter symbolisch gesehen ein Haus des in der 261

Einigung befindlichen Europas entstanden. Im Juli 1963 wurde auch das Ökonomie­ gebäude mit Personalwohnungen abgebro­ chen und die entstandene Fläche in einen Pkw-Parkplatz umgebaut. Endgültig zu Ende ging damit die Zeit, in der in diesem Ge­ bäude ehedem untergebrachte Pferdeomni­ busse und Landauer sowie 12 Pferde bereit­ standen, um Hotelgäste aus dem russischen Hochadel oder aus dem holländischen Königshaus von der Schnellzugstation Tri­ berg abzuholen. Versunken und vergessen sind damit jene für Triberg glücklichen Tage und Jahre, als außer Baden-Baden der wei­ tere weltweit bekannte Kurort Triberg er­ schlossen durch die schönste Mittelgebirgs­ bahn, die Schwarzwaldbahn, gewesen war. Die Inbetriebnahme des Vorsorgehauses Badener Hof der EGK erfolgte am 5. 8.1963 mit 160 Betten. Die positiven Auswirkungen des immer mehr als wichtig anzusehenden Hauses der Präventiv-Medizin über den Kur­ betrieb im Kurhaus und Kurmittelhaus hin­ aus, vor allem auf Einzelhandel und Gastro­ nomie war zu dieser Zeit nicht so gut voraus­ sehbar, wie sie in Wirklichkeit bis heute als wesentliche Belebung, ja teilweise Existenz­ grundlage, eingetreten sind. Die Veränderungen der Struktur des Ge­ sundheitswesens in der Bundesrepublik Deutschland, vor allem die Entwicklung der Nachsorge nach schweren Erkrankungen und Eingriffen in Akut-Krankenhäusern, ging am Badener Hof und der Trägergesell­ schaft EGKnicht ohne Spuren und Umden­ ken vorbei. Die Vorsorge hat nicht nur bei Kaufleuten, sondern bei allen Bevölkerungs­ schichten nicht den Stellenwert erreicht, den sie auch heute bis zur Krebsvorsorge verdie­ nen würde. Nach Schwerpunkten in den Haupturlaubszeiten Ostern, Sommer und Weihnachten gingen die Gästezahlen im Badener Hof in den übrigen Jahreszeiten stark zurück. In anderen Kurorten entstan­ den Kurheime, Sanatorien und Kurkliniken für stationären Aufenthalt, die neben der Präventiv-Medizin den Schwerpunkt auf die Nachsorge legten. Die Europäische Gesell- 262 schaft für Kur-und Erholungshäuser e. V. in Wiesbaden stellte diese Umstrukturierung auch in ihren anderen Vorsorgehäusern fest und begann auch in Triberg an eine Um­ wandlung des Badener Hofs zu denken. Die damalige Geschäftsführerin der EGK, Dr. Erika Fischer, kam mit ihrem Architekten Jakob Müller auf die Stadt Triberg zu, um über die Auflösung des Vertrages über den Nichteinbau einer Kurmittelabteilung und den Umbau des Hauses in eine Kurklinik Badener Hof zu verhandeln. Naßzellen soll­ ten zu Lasten von Zimmern eingebaut wer­ den. Im Untergeschoß des Hauses „Wald­ lust“ sollte eine Bäderabteilung eingerichtet werden. Erstmals mußte auch ein Angebot an die Bundesversicherungsanstalt für Ange­ stellte in Berlin (BfA) überlegt werden, weil der angestammte Gästekreis aus der Kauf­ mannschaft in Handel und Industrie nicht mehr ergiebig war. Die entstandenen Fragen wurden einvernehmlich und entsprechend den Zeichen der Zeit zwischen EGK und Stadt geklärt. Im Jahre 1972 wurde der Badener Hof im Stile eines Sanatoriums umgebaut und an­ schließend als Kurklinik Badener Hof mit 120 Betten in Betrieb genommen. Personell war eine erhebliche Aufstockung mit Fach­ kräften in den medizinischen und therapeu­ tischen Bereichen erforderlich. Chefarzt wurde Dr. med. Koppermann, Verwaltungs­ leiter blieb R. Meise. Die Küche hatte in grö­ ßerem Umfang auch Diätkost anzubieten und brauchte diätetisch geschulte Köche. Die Gäste blieben nun 4 Wochen. Kostenträ­ ger und Hausarzt erhielten den ärztlichen Schlußbericht des Hauses. Trotz intensiver Bemühungen war eine wirtschaftlich erfolgreiche Führung der Kur­ klinik Badener Hof nicht aufDauer möglich. Offensichtlich lag die Kurklinik mit nur 120 Betten bei einem durchschnittlichen Belegungsgrad von weit unter 90 v. H. unter der Wirtschaftlichkeitsgrenze. Eine weitere Strukturveränderung im Gesundheitswesen sowie die ersten Kostendämpfungsmaßnah­ men der Bundesregierung führten zu einem

Verkaufsangebot an die auf dem Markt ge­ kommene Kur- und Sanatorien-Betriebs GmbH (KSB) mit dem Sitz in Dreieich, spä­ ter Frankfurt/Main. Geschäftsführer Ger­ hard Isenberg nahm alsbald Verbindung mit der Stadt Triberg auf, um die für den Fall des Erwerbs erforderlichen Aufstockungs- und Umbaumaßnahmen sowie Finanzierungs­ möglichkeiten zu besprechen. Die Bedeu­ tung einer Kurklinik für den Kurbetrieb sowie für Einzelhandel und Gastronomie in Triberg hatten sich seit 1963 nicht nur ge­ zeigt, sondern auch als so weittragend her­ ausgestellt, daß sowohl für das erheblich stei­ gende Bauvolumen als auch für Übergangs­ maßnahmen Einvernehmen zwischen KSB und Stadt erzielt wurden. Im Jahre 1976 erwarb die KSB die Grund- stücke und die Gebäude und legte die Aus­ baupläne für eine 190 Betten ausgelegte Kur­ klinik für Herz-Kreislauf-Patienten ein­ schließlich des Einbaues einer Kurmittelab­ teilung und einer Erweiterung des medizini­ schen Bereichs vor. Mit der Erteilung der Baugenehmigung, die sich auch auf eine Generalsanierung des Hauses“ Waldlust“ als Haus II bezog, begann die Aufstockung des Hauses I durch eine eigene Bauabteilung der KSB, die in knapp zwei Jahren die Gesamt­ maßnahmen unter Inanspruchnahme von Nachtarbeit bis Ende August 1978 abge­ schlossen hatte. Geschäftsführer und Baulei­ ter waren nahezu ständig vor Ort. Auf dem Dach entstand anstelle der Terrasse der Gymnastiksaal, die Sonnenterrasse wurde auf den Mitteltrakt verlegt. In der neugestalteten Empfangshalle 263

Umbau und Generalsanierung des Hau­ ses II in ein Belegkrankenhaus sollte für die Bevölkerung der Raumschaft unter Einbe­ ziehung der bisherigen Belegärzte des alten städtischen Krankenhauses an der Wall­ fahrtstraße eine moderne medizinische Ver­ sorgung ermöglichen. Das alte Haus mit circa 60 Betten war inzwischen abgespro­ chen worden und diente später vorüberge­ hend als Alten- und Altenpflegeheim, bis der Neubau in der Schulstraße am alten Platz errichtet war. Das Haus II der Kurklinik sollte als Krankenhaus mit 35 Betten geführt werden. Die Krankenzimmer waren großzü­ gig und alle mit Naßzellen eingerichtet wor­ den. Im Untergeschoß waren Operations­ möglichkeiten mit modernster medizini­ scher Technik sowie Röntgenabteilung und Labor mit hohem Aufwand entstanden. Zum großen Leidwesen der KSB und der Raumschaft Triberg ist die Inbetriebnahme des neuen Krankenhauses am Krankenhaus­ bedarfsplan I der Landesregierung Baden­ Württemberg – auch auf Intervention der Krankenkassen und benachbarter Kranken­ hausträger – trotz heftiger Proteste aus dem Stadtrat und über 3000 Unterschriften von Kassenpatienten in der Raumschaft geschei­ tert. Die Bevölkerung der Raumschaft hatte am Tag der offenen Tür mit über 4000 Besu­ chern diese Einrichtung begrüßt und war nun tief enttäuscht. Im September 1978 hat der Geschäftsfüh­ rer der KSB die Bewohner des Alten- und Altenpflegeheimes Triberg auf drei Wochen kostenlos zum Probewohnen eingeladen. Dieses Angebot wurde gerne angenommen. Die KSB prüfte bei dieser Maßnahme den internen medizinischen und therapeuti­ schen Betriebsablauf sowie den Versorgungs­ bereich. Ab l. Oktober 1978 ging das Haus als Kurklinik Triberg in vollem Umfang in Be­ trieb und nahm entsprechend einer Verein­ barung mit der Bundesversicherung für An­ gestellte in Berlin vorwiegend Herz-Kreis­ lauf-Patienten auf. Der bis dahin in eigener Praxis tätige Internist, Dr. med. Manfred Schoenemeyer, wurde Chefarzt. 264 Weitere Kostendämpfungsmaßnahmen der Bundesregierung brachten auch der neuen Trägergesellschaft Schwankungen in der Auslastung und gemeinsam mit der BfA die Überlegung nach einem zweiten Stand­ bein und besserer Frequenz und Stabilität des Betriebes. Der wachsende Bedarf an Bet­ ten für onkologisch-hämatologisch nachzu­ behandelnde Patienten war schließlich Ursa­ che für die Entscheidung der Einrichtung einer solchen Abteilung mit zunächst 60 Bet­ ten. Am 1.10.1986 konnte diese Abteilung unter Leitung von Chefarzt Dr. med. Ger­ hard Adam den Betrieb aufnehmen. Schon nach kurzer Zeit zeigte sich die Notwendig­ keit der Einstellung weiteren Fachpersonals im medizinischen, psychologischen und therapeutischen Bereich sowie die verbes­ serte Ausstattung mit modernsten medizini­ schen Geräten und Einrichtungen bis hin zur richtigen Ernährungsberatung. Manche Funktionsräume genügten weder zahlenmä­ ßig noch lagemäßig den Anforderungen, andere waren zu klein. Weiter erforderlich gewordene medizinische Indikations- oder Behandlungsräume fehlten völlig. Aus die­ sem Grunde entschloß sich der Geschäfts­ führer der inzwischen nach Erlangung der Gemeinnützigkeits-Anerkennung umbe­ nannten Gemeinnützigen Klinik-Betriebe GmbH mit dem neuen Sitz in Nidda-Bad Salzhausen (GKB), Gerhard Isenberg, einen Anbau an das Bettenhaus im nördlichen Innenhof des Hauses I für die Physiotherapie planen und ausführen zu lassen. Die schon beim Bau des Badener Hof aufgetretenen Probleme der Gründung führten zu einem zweigeschossigen Anbau, in dessen Erdge­ schoß Räume für das Ergometer-Training, eine vergrößerte Beschäftigungstherapie und die gesamte Krankengymnastik entstan­ den. Auf der Ebene des Untergeschosses konnte in das zweite Untergeschoß des Bet­ tenhauses mit den rein statischen Elementen vorgedrungen und ein Film-, Video- und Vortragssaal mit 75 Plätzen eingerichtet wer­ den. Außerdem bestand nun die Möglich­ keit in den frei gewordenen Räumen im Un-

tergeschoß des Hauses II die notwendige Erweiterung der medizinischen Indikations­ möglichkeiten wie Röntgen, Sonographie und Echocardiographie einzurichten. Die Naßzellen der Patientenzimmer wurden behindertengerecht umgebaut. Die Außen­ anlagen erhielten einen Rundweg, einen Brunnenhof mit Sitzbänken und viel Grün­ fläche. Die onkologisch-hämatologische Abteilung wurde auf 90 Betten aufgestockt und nimmt nun auch Patienten aus der Raumschaft, dem Schwarzwald-Baar-Kreis und der Region auf. Die Kurklinik führt ab 1.1.1988 die Bezeichnung Klinik Hohenstein. Am 21. 9.1990 verkaufte Geschäftsführer G. Isenberg die Kliniken der GKB an die Asklepios-Klinik-Gruppe in Kronberg/Tau­ nus, die die Nachsorge-Klinik Hohenstein unter der Trägerschaft der GKB fortführt. Die heutigen Klinikträger haben seit der Übernahme die Klinik Hohenstein grundle­ gend saniert und modernisiert. So wurden die von den Kostenträgern gewünschten medizinischen Einrichtungen geschaffen. Gleichzeitig wurden alle thera­ peutischen Bereiche den heutigen Ansprü­ chen entsprechend vervollständigt. Die ge­ samte Physiotherapie erhielt ein neues Gesicht. Die Patienten erleben diese Einrich­ tung mit modernen technischen Geräten, in großzügigen und ansprechenden Räumen. Das Haus plant die Einrichtung einer neuen Turn- und Gymnastikhalle und die Erhöhung der Bettenkapazität mit Baumaß­ nahmen auf200 Betten. Die Klinik Hohen­ stein erreicht mit diesem Vorhaben auf lange Sicht eine wirtschaftliche Größe. Alfred Vogt / Wolfgang Siegert Bei der Wilhelmshöhe Aquarell: Herbert Böhm 265

Landesgartenschau 1994 in Bad Dürrheim Stadt Bad Dürrheim Landesgartenschau 1994 – ein großartiges Erlebnis ,,Zu Gast bei den Schätzen der Natur“ – getreu diesem Leitspruch erfreute die Lan­ desgartenschau in Bad Dürrheim vom 29. 4. bis 9 .10.1994 ihre vielen Besucherinnen und Besucher aus nah und fern. In der Tat, die Gäste fühlten sich inmitten der weiten und großzügigen Park- und Landschaftsanlage wie in der Natur. Die Übergänge vom enge­ ren Kurparkbereich rund um das Kurhaus über den großzügig gestalteten Landschafts­ park im Süden rund um das Salztor und den Salzpfeiler bis hin zu den weiten Fluren und Wäldern am Horizont außerhalb des einge­ zäunten Bereiches vermittelten ein tiefes Gefühl von Natürlichkeit, Landschaftsviel­ falt und gesunder Umwelt. Die Landesgar­ tenschau in Bad Dürrheim, gegenüber bishe­ rigen Landesgartenschauen von vornherein durch ihre optimale Lage im Vorteil, konnte sich wirklich mit ganzem Gewicht darauf konzentrieren, die Natur in ihrer ganzen Vielfalt bis hin zu herrlichen Blumen und Blüten in ihrer vollen Pracht zu zeigen und den Betrachter immer wieder mit neuen reiz­ vollen Eindrücken zu begeistern. All dies, was im investiven Bereich der Landesgartenschau geschaffen wurde, bleibt nahezu unverändert und vollständig in Bad Dürrheim auf Dauer erhalten. Ebenso wer­ den viele wertvolle Beiträge aus dem soge­ nannten Durchführungsbereich bestehen bleiben können. Mit dem neuen Kurpark ,,Luisen-Garten“ konnte somit ein ganz wert­ voller, neuer, großzügiger Erholungsraum für die Zukunft geschaffen werden. Dies ist eine Investition von bleibendem Wert und nachhaltiger positiver Wirkung für Bad Dürrheim und die Region. 266

Die Landesgarten­ schau hat den Be­ kanntheitsgrad von Bad Dürrheim im gan­ zen Land wesentlich vergrößert. Viele Besu­ cher wissen jetzt, wo Bad Dürrheim liegt und welche besonde­ ren Schätze der Natur es anbieten kann. Und wer vielleicht durch die Landesgartenschau spaziert ist und an­ schließend noch Zeit für ein erholsames Bad im preisgekrönten So­ lemar gefunden hat, der weiß, daß es sich lohnt, hierher immer wieder zurückzukom­ men. Der gesundheits­ bewußte und heilungs­ suchende Gast tut sich jetzt noch leichter als früher, sich für Bad Dürrheim zu entschei­ den. Ob zur klassi­ schen Kur oder auch nur vielleicht zum kurzzeitigen Erho­ lungsurlaub – Bad Dürrheim ist für bei­ des gleichermaßen gut geeignet. Und noch etwas wird haften bleiben: Die Erinnerung an die vielen schönen Veranstaltungen selbst. Wer eine Dauerkarte genommen hatte, kam aus dem Erleben in der Landesgartenschau gar nicht mehr her­ aus. Musik, Theater, Kinderveranstaltungen, Spezialinformationen, Mitmachaktionen – alles wurde in Hülle und Fülle geboten und stieß auf hervorragende Resonanz. Die außergewöhnlich große Zahl der Zuschauer bei vielen Veranstaltungen war ein Beweis für die hohe Qialität und die Attraktivität des Gebotenen. Ja, sie wird uns 1995 fehlen, diese Landes­ gartenschau. Für Bad Dürrheim war es ein Jahrhundertereignis, von dem viele begei­ sterte Gartenschaubesucher noch lange er­ zählen werden: – schön war es damals, im Sommer 1994 in Bad Dürrheim -. Gerhard Hagmann, Bürgermeister 267

Landesgartenschau 1994 in Bad Dürrheim vom 29. April bis 9. Oktober Die z. T. im Vorfeld geäußerte Ansicht, eine Landesgartenschau wäre für Bad Dürr­ heim „eine Schuhnummer zu groß“, hat sich als nicht richtig erwiesen. Sowohl in der Vor­ bereitungs- als auch in der Durchführungs­ zeit wurden die jeweiligen Aufgaben gut gemeistert und die Abwicklung lief fast pro­ blemlos. Die Landesgartenschau hat für Bad Dürr­ heim zum richtigen Zeitpunkt einen wesent­ lichen Beitrag zur Stabilisierung des Frem­ denverkehrs, dem hier wichtigsten Wirt­ schaftsbereich, geleistet. Bad Dürrheim kann mit dem neuen Kurpark Luisen-Garten und mit dem überwiegend positiven Echo bei den Besuchern der Landesgartenschau opti­ mistisch in die Zukunft blicken. Die Auswir­ kungen der letzten Gesundheitsreform und der stärkeren Konkurrenz aus dem westlichen, südlichen und östlichen Ausland scheinen mindestens deutlich gemildert zu sein, wenn man die Entwicklung der Übernachtungs­ zahlen mit denen anderer baden-württem­ bergischer Heilbäder vergleicht. Die Landes­ gartenschau konnte bisher ein gutes Image von Bad Dürrheim vermitteln. Sie wird – was die geschaffenen Anlagen und die Veran­ staltungen angeht – als eine besondere, feine, gelungene Gartenschau in die Ge­ schichte der Landesgartenschauen eingehen. Die Bevölkerung und die Besucher Bad Dürrheims werden sich noch lange am Lui­ sen-Garten erfreuen und sich in ihm wohl­ fühlen. Welche Vorbereitungen zu treffen waren und wie die Landesgartenschau ver­ lief, sollen nachstehende Ausführungen auf­ zeigen. 1. Organisation Im März 1991 wurde die Landesgarten­ schau Bad Dürrheim 1994 GmbH in das Handelsregister eingetragen. Gesellschafter sind zu je einem Drittel die Stadt Bad Dürr­ heim, die städtische Tochtergesellschaft Kur- 268 und Bäder GmbH und die Förderungsgesell­ schaft für die baden-württembergischen Lan­ desgartenschauen mbH. Gesellschaftszweck ist die Vorbereitung und Durchführung der Landesgartenschau 1994. Nach Abschluß sind die Investitionen an die Stadt und die Kur- und Bäder GmbH zu übertragen und die Landesgartenschau GmbH ist wieder auf­ zulösen. Bad Dürrheim war mit 11 454 Einwohnern (Stand 30. 6.1993) die bisher kleinste und mit 750 m die höchstgelegene Stadt, die eine Landesgartenschau ausrichtete. Dies stellte an alle Beteiligten hinsichtlich des Engage­ ments und der fachlichen Qialität beson­ dere Anforderungen. 2. Daueranlagen und Bauzeit Die intensive Planungsphase begann mit der Auslobung des Ideen- und Realisierungs­ wettbewerbs im Juni 1990 und fand ihren konzeptionellen Abschluß mit dem Beschluß des Entwurfsplanes durch den Aufsichtsrat der Landesgartenschau GmbH im Dezem­ ber 1991. Nach weiterer Detailplanung der einzelnen Bauabschnitte wurde im Juni 1992 mit den ersten Bauarbeiten begonnen. Be­ günstigt durch die gute Witterung über den Winter 1992/93 gingen die Arbeiten zur Her­ stellung der bleibenden Anlagen zügig voran und konnten zum Jahresende 1993 weitge­ hend abgeschlossen werden. Ab September 1993 herrschte jedoch eine längere Regenperiode, die den Bau der Aus­ stellungsbeiträge z. T. erheblich behinderte und dazu führte, daß verschiedene Bereiche erst kurz vor Eröffnung der Landesgarten­ schau bepflanzt werden konnten. Bis Ende März 1994 war das Gelände wäh­ rend der gesamten Bauzeit für Besucher begehbar und die regelmäßigen Baustellen­ führungen für Gäste und Einheimische waren sehr beliebt. Viele Teilnehmer an den Führungen konnten so die Entstehung des

neuen Luisen-Gartens Schritt für Schritt ver­ folgen. An neuen Inhalten im historischen Teil des Luisen-Gartens wurden geschaffen: – der Rosengarten mit 60 verschiedenen Rosensorten und dem Kunstwerk Salz­ quell als Mittelpunkt, – der Naturheilgarten mit Heilpflanzen­ Beeten, die nach Indikationen und Pflan­ zenarten angeordnet sind und einer menschlichen Figur, an deren Körperstel­ len Pflanzen zu finden sind, die auf diese Stellen oder dort befindliche Organe positiv wirken, – die offengelegte Stille Muse! mit den 5 filigranen Stahlbrücken und den interes­ sant gestalteten Uferbereichen, – der Farbkreis aus Wechself1or um das neu gestaltete Fontänebecken, – die 6 Themengärten entlang der Linden­ allee, die den historischen, von symmetri­ schen Achsen und Alleen geprägten Kur­ parkteil nach Süden hjn abschließen, – das Kunstwerk Salztor als Endpunkt der Mütelachse und zugleich Öffnung in den landschaftlichen Teil der Kurparkerweite­ rung. Im Kurparkerweiterungsgelände entstan­ den: – die Spielanlage in Form eines Schiffes, das gestrandet ist und mit vielerlei Kletter­ und Rutschmöglichkeiten aufwartet, – ein Natursee mü einer Fläche von 3200 qm, der vom Quellwasser des Fontänebeckens gespeist wird und wegen seiner direkten Anbindung an das Grundwasser einen wechselnden Wasserstand hat, der Naturgarten, gebaut unter Mithilfe des BUND, mit einem Teich, einer Kräu­ terspirale, Stauden- und Blumenwiesen­ flächen, ein Weidenlehrpfad mit unterschiedli­ chen Verwendungsmöglichkeiten von Weiden wie Faschinen zur Hangbefesti­ gung, Kriechtunnel oder Spielhäuschen, – ein großzügiger asphaltierter Rundweg, damit eine ganzjährige Nutzung möglich ist, 270 das Kunstwerk Salzpfeiler, das einen umgestülpten Bohrkern bis zu den Salz­ stöcken in 200 m Tiefe darstellen soll, am südlichen Ende des Geländes, ein Festplatz, auf dem die Bad Dürrhei­ mer Vereine künftig ihre Sommer- und Jubiläumsfeste abhalten können, das Eingangsbauwerk Süd, ein künstleri­ sches Gebilde aus Beton und Stahl, das am Hochpunkt des Geländes den Weg vom neuen Parkplatz zum Kurpark kurz­ weilig machen soll und von einer Platt­ form aus den Überblick über den süd­ lichen Teil des Lujsen-Gartens ermög­ licht. Außerdem wurden als Ersatz für die vom Ulmensplintkäfer befallenen und deshalb abgängigen Ulmen in den Alleen des histori­ schen Kurparks 121 Kaiserlinden und im Erweiterungsgebiet des Luisen-Gartens 110 Erlen, Eichen, Eschen, Linden, Pappeln, Kastanien und Ahorn gepflanzt. Schließlich wurde außerhalb des eingezäunten Berei­ ches südlich des Solemar eine neue Geh-und Radwegverbindung vom Kurpark zu den Sportanlagen im Westen der Stadt geschaf­ fen. Bei den Bohrtürmen am Minara, in denen seit 1988 die Stadtjugendpflege unter­ gebracht ist, wurde eine Skateboardanlage errichtet, die sich großer Beliebtheit erfreut. All diese Anlagen sind als Daueranlagen gebaut, die auch nach der Landesgarten­ schau den Besuchern des Lujsen-Gartens zur Verfügung stehen und – was insbesondere die Baumpflanzungen angeht- von Jahr zu Jahr schöner werden und ihre Pracht entfal­ ten. 3. AusstelJungsbeiträge Für die Landesgartenschau wurden die Daueranlagen ergänzt durch verschiedene Ausstellungsbeiträge, bei deren Bau und Pflege sich die Mitglieder vieler Organisatio­ nen, Verbände, Vereine und Fachbehörden vorbildlich engagierten. Zu nennen sind (ohne daß dies vollständig wäre und die Lei­ stung der Ungenannten dadurch geschmä­ lert werden soll):

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– der Garten der Elemente, ein gemeinsa­ mer Beitrag der Ba umschul- und Stauden­ gärtner und des Verbandes Garten- und Landschaftsbau, der die 4 Elemente Feu­ er/Wärme, Luft, Wasser und Erde zum T hema hat, eine modellhafte Grabgestaltung mit inruviduellen Grabmalen von den Fried­ hofsgärtnern, Metallgestaltern, Holzbild­ hauern und Steinmetzen, das Glasgewächshaus, in dem 14 Blumen­ sonderschauen – jede für sich ein sprü­ hendes Kunstwerk gärtnerischer und flori­ stischer Ideen – stattfanden und die Gärt­ nerinformation untergebracht war, 5000 qm Wechselflorflächen, der Ausstellungsbeitrag der Forstverwal­ tung zur Darstellung der Funktionen und des Zustandes des Waldes und der vielfäl­ tigen Verwendung des Holzes als ständig nachwachsender Rohstoff, die Pflanzung über 30 landwirtschaft­ licher Kulturen durch die Landwirt­ schaftsverwaltung, ein Bauerngarten mit Nutz- und Wohn­ garten der Landfrauenvereine, – ein lmkergarten der Imkervereine, der Anregungen enthielt, mit welchen Wild­ und Nutzpflanzen jeder im Garten dazu beitragen kann, daß sich das Trachtange­ bot für Honig- und Wildbienen verbes­ sert, eine umfangreiche Auswahl von Gemüse­ und Salatsorten sowie Kräutern, betreut vom Kreisgärtnermeister des Kreises Rott­ weil, naturgemäßes Gärtnern mit Mulchen, Gründüngung und Förderung von Nütz­ lingen im Beitrag der Gartenfreunde, – verschiedene Obstgehölze, an denen vom Landesverband Obstbau, Garten und Landschaft Baum- und Erziehungs­ formen im Obst- und Beerenanbau vorge­ stellt wurden, die Akademie für Natur- und Umwelt­ schutz mit der Ausstellung „Lebens­ räume in Baden-Württemberg – Natur­ schutz in der Gemeinde“. Natürlich war auch die gastronomische Versorgung der Besucher sichergestellt und im Gärtnermarkt gab es viele gartenschau­ typische Gegenstände zu erwerben. 4. Veranstaltungskonzeption Eine Landesgartenschau in der bisherigen Konzeption lebt auch wesentlich von einer Vielzahl unterschiedlicher Veranstaltungen. Selbstverständlich nahmen gärtnerische und mit der Natur zusammenhängende Themen zunächst einen festen Raum ein: Fachvor­ träge, öffentliche Verbandsversammlungen und Kundgebungen der beteiligten Organi­ sationen, persönliche Beratungsgespräche, Verarbeitung natürlicher Produkte wie Korb­ flechten, Schindeln machen oder Töpfern, Bodenuntersuchungen und das Naturklas­ senzimmer für Schulklassen bis zum 10. Schuljahr gehörten beispielsweise hierzu. Ein Schwerpunkt lag aber auch auf einem sowohl von Hobbykünstlern und -musikern als auch von Profis dargebotenen abwechs­ lungsreichen kulturellen Programm. Volks­ musik, Jazz, Blues, Beat, Gesang, Folklore, Kabarett, sportliche Darbietungen, Veran­ staltungen für Kinder – von allem war reich­ haltig und in hoher Qialität geboten. An einzelnen Veranstaltungen können als Höhepunkte sicherlich die beiden Sommer­ nachtsfeste mit Feuerwerk, das Jazz-Festival, das Wochenende der Volksmusik und der Tanzwettbewerb hervorgehoben werden. Außerdem sind die vielen Städte- und Ge­ meindetage zu nennen, an denen sich insge­ samt etwa 6000 Aktive beteiligten. Auch das kirchliche Programm mit sonntäglichen Gottesdiensten, Abendliedervorträgen und einem interessanten Kinderprogramm zeigte ein überdurchschnittliches Engagement. Ein besonderer Akzent und konkreter Bezug auf Bad Dürrheim wurde mit der Ein­ bindung eines Teils des Kurgastprogramms und des Kurhauses gesetzt. Arztvorträge, Ausstellungen zu Gesundheitsfragen, Tanz­ tee und -abende, Kurkonzerte, tägliche Gymnastik für jedermann mit den Thera­ peuten der Kur- und Bäder GmbH, Früh- 273

schoppenkonzerte u. a. sollten den Garten­ schaubesucher mit dem Kurwesen in Kon­ takt bringen und damit als potentiellen Kur­ ader Feriengast ansprechen. Ausstellungen und Aktionen des Schwarz­ wald-Baa.r-Kreises und seiner Gemeinden in der Wandelhalle, Kunstausstellungen und ein vielseitiges Veranstaltungs- und Ausstel­ lungsprogramm des Treffpunktes Baden­ Württemberg rundeten das Gesamtangebot ab, so daß keine Langeweile aufkam und jeder Besuch zu einem besonderen Erlebnis wurde. 5. Finanzen Als Grundlage des Beschlusses, sich für die Ausrichtung der 13. Landesgartenschau zu bewerben, gaben der Gemeinderat und der Aufsichtsrat der Kur- und Bäder GmbH 274 im März 1990 vor, daß für den Bau der Dauer­ anlagen höchstens 12 Mio DM ausgegeben werden. Der Durchführungshaushalt – also alle Ausgaben, die für die fast halbjährige Landesgartenschau im neu gestalteten Kur­ park Luisen-Garten anfallen – sollte kosten­ deckend und damit ohne städtischen Zu­ schuß bestritten werden. Zu den Investitio­ nen leistete das Land einen Zuschuß von 50 0/o, den Rest teilten sich die Stadt und die Kur- und Bäder GmbH. Inzwischen sind fast alle Bauabschnitte abgerechnet und die Investitionssumme wurde um beinahe 1 Mio DM unterschritten. Dies war durch konsequente Kostenkon­ trolle bereits in der Planungsphase und Be­ schränkung auf die unbedingt notwendigen Maßnahmen möglich.

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Der Durchführungshaushalt beinhaltet Ausgaben und Einnahmen von 8,4 Mio DM. Den Einnahmen liegt dabei eine erwartete Besucherzahl von rd. 850 000 zugrunde, die sich aus 450 000 Tagesbesuchern und etwa 10 000 Dauerkarteninhabern errechnet. Nach sehr gutem Beginn folgte zunächst eine Zeit mit 4 Wochen Regen und Temperaturen von nur 10 bis 13 Grad Celsius, die dann von 3 Wochen mit brütender Hitze über 30 Grad Celsius und starken Gewittern abgelöst wur­ den. Europaweit gab es im Mai und Juni mehrere Hochwasserereignisse, Erdrutsche, große Hagelschäden und einige Todesopfer. In Bad Dürrheim wurden glücklicherweise keine Schäden im Gelände, an den Bauwerken oder in den Pflanzungen angerichtet. Die Wit­ terung wirkte sich jedoch auf die Besucher­ zahlen aus, so daß zur Halbzeit weniger Besucher zu verzeichnen waren als erwartet wurde. Wenn die vorauskalkulierte Zahl in der zweiten Hälfte erreicht wird, kann das bisherige Einnahmedefizit durch Einsparun­ gen ausgeglichen werden, so daß derzeit auch das Ziel der Kostendeckung im Durch­ führungshaushalt noch in greifbarer Nähe ist. (Anm.: Zum Zeitpunkt des Redaktions­ schlusses für diesen Almanach im Juli 1994 lag erst die Halbzeitbilanz vor.) 6. Landesgartenschau als Wirtschaftsfaktor Neben der Investitionssumme von netto rd. 9,5 Mio DM reine Baukosten erhielten die Garten- und Landschaftsbau- sowie Tief­ baufirmen weitere Aufträge aus Maßnah­ men, die im Umfeld der Landesgartenschau sozusagen „in einem Zug“ durchgeführt wur­ den. So wurden fur den Bau des neuen Kur­ park-Parkplatzes am Eingang Süd 1,35 Mio DM und für die Umgestaltung des Salinen­ parks 0,5 Mio DM aufgewandt. Für den Bau der Ausstellungsbeiträge, die Pflege des Ge­ ländes, der Wechselflorflächen und die Blu­ menschauen fließen rund 2 Mio DM an be­ teiligte Firmen. In den Gastronomiebetrie­ ben und den 8 Gärtnermarktbetrieben wird ein Umsatz von gut 4,5 Mio DM erwartet (Stand: Juli 1994). Die Übernachtungszahlen dürften gegen­ über dem Vorjahr nach der Entwicklung im 2. �arta1 bis zum Jahresende 1994 um gut 20 000 bis 30 000 steigen. Auch die Ge­ schäfte in der Innenstadt profitierten von vielen Besuchern, die den kurzen Weg in die Friedrichstraße nahmen und dort die Stra­ ßencafes oder die verschiedenen Läden auf­ suchten. Innerhalb des Gartenschaugeländes wur­ den einschließlich der bei der Landesgarten­ schau angestellten Mitarbeiter ca.40 minde­ stens 6 Monate dauernde feste Arbeitsplätze geschaffen und bis zu 50 Aushilfskräfte be­ schäftigt. Dies war in einer Zeit, in der im Schwarzwald-Baar-Kreis eine hohe Arbeits­ losigkeit herrschte, besonders wichtig. Jörg Dieterle Herbscht Iisig rislet’s de Buckel ab won en ’s erseht Mol spür, do het er mit siim Nebelgsicht scho über d’Hüüser geschleckt un d’Fimis chiehl uf ’s Pflaschter dropfe lo. D’Gartewirtschaft het de Garte dinn ufbaut un ’s Lache iine gsuugt in d’Wärmi Samschtig morge, halber zehni chunnt er gschliche in siim übersatte Himmelviolett zue de Seck us gutschen em Fetze vo Farb in die fruchtigi Diefi. Raumwiit het er si Landschaft uftrait un gumpt jetzt drin umme un zündet si a wie ne Füürwerk bis alles glänzt un strahlt un saftet, un ’s Wunder eim wunderet do riiß i d’Lungen uf vor Freud un renn in d’Ärm vom Wind. Johannes Kaiser 281

Landschaft, Heimische Tierwelt Einklang zwischen Naturschutz, Erholung und Wintersport am Rohrhardsberg – ein Modellprojekt – Die Höhen um den Rohrhardsberg sind eine vielgestaltige Waldlandschaft. Inmitten von Tannen, Fichten und Buchen prägen wenige offene Flächen, Weidfelder, Wiesen, Brachen und Moore das Landschaftsbild. Eine für den Schwarzwald typische Fauna und Flora findet noch geeignete Lebens­ räume mit seltenen Pflanzenarten und schüt­ zenswerten Tieren. Interessant ist die Vogel­ welt, zu der noch der Kolkrabe, der Rauhfuß­ kauz und Auer- und Haselhühner gehören. Diesen Waldhühnern muß die besondere Aufmerksamkeit gelten, sie sind auf einen naturnahen Wald angewiesen. Ihr Bestand ist sehr gefährdet. Die reiche, vom Menschen durch Vieh­ weide, Ackerbau, Waldwirtschaft und Jagd geprägte Kulturlandschaft ist auch zu einem Erholungsgebiet ersten Ranges geworden. Durch die Höhenlage mit einem wechselnden, meist sanft geschwungenen Landschaftsre­ lief, ausgezeichnet mit guter Schneelage, eig­ net sich das Gebiet zwischen Schonach, Schönwald und Furtwangen besonders für den Wintersport. Schon nahezu hundert Jahre hat hier der Langlauf seine Tradition, wird auch von Hängen abgefahren, und seit Jahrzehnten sind Wettkämpfe zu Hause, die als Weltcupveranstaltungen in der Nordi­ schen Kombination in Schonach ihren Hö­ hepunkt haben. Nicht nur Leistungssportler schätzen dieses Gebiet, Einheimische wie Feriengäste laufen gern auf den abwechs­ lungsreichen Loipen Ski. Im Sommer, wenn es unten heiß ist, im Herbst, wenn die Täler im Nebel liegen und oben die Sonne wärmend strahlt, wandern viele Menschen auf die Höhen. Sie suchen die eindrucksvolle Landschaft mit weiten Ausblicken. Sie ist ein wahrer Anziehungs­ punkt, fast für jedermann zu jeder Jahreszeit. 282 Konflikte Angesichts der reichen Naturausstattung auf der einen Seite und der Vielzahl an An­ sprüchen zur Nutzung für Sport und Erho­ lung andererseits kam es in der Vergangen­ heit immer wieder zu Konflikten: Durch das einmalig schöne Hochmoor an der Martins­ kapelle war eine Langlaufloipe gelegt wor­ den. Am Rand des Moores sorgte ein Jugend­ zeltplatz für Abwasserbelastung der emp­ findlichen Vegetation. Mitten durch das Gebiet verläuft eine asphaltierte Straße mit Versiegelungsfolgen und regem Verkehr im Sommer wie im Winter. Sie wurde als Ski­ rollerstrecke benutzt und diente bei geringer Schneelage als Loipe. Die Straße lockte das Auerwild an, weil sie früh aufwärmte, wurde jedoch zur Falle für die bodenbrütende Auerhenne, die in der Nähe ihr Gelege hatte und die Aufzucht vornahm, immer wieder von Menschen gestört. Auch waldbaulich war das Gebiet lange Zeit mehr von ökono­ mischem Denken beherrscht, Monokultu­ ren waren die Folge. Mit der wachsenden Einsicht in die Pro­ bleme wurden seit Jahren immer wieder ein­ zelne Verbesserungen vorgenommen, so die Straße für den Autoverkehr gesperrt, die Loipe aus dem Moor verlegt, Volkswande­ rungen eingeschränkt usw. Dies genügte aber nicht. Auf Initiative der Forstdirektion Frei­ burg und des damaligen Vorsitzenden des Naturschutzverbandes, Professor Dr. Rei­ chelt, wurde beschlossen, eine Gesamtkon­ zeption zu erarbeiten und eine Arbeits­ gruppe aus Fachleuten der Forstlichen Ver­ suchs- und Forschungsanstalt Baden-Würt­ temberg, Naturschützern, Skisportlern, Ver­ tretern der verschiedensten Verbände unter Vorsitz von Forstdirektor Ludwig Heneka einzurichten. Die Erhebungen und Planun-

Modellgebiet Rohrhardsberg – Brend Optimierung Loipennetz „ Waldfläche c=J Landwirtschaft Loipen netz bestehende Loipen (gepuffert) neue Loipenteile wegfallende Loipen GIS/Arclnfo FVA-LP 1Ml3

Aziffahrt zur Martinskapelle Hochmoor bei der Martinskapelle 284

Skihütte Martinskapelle Ideales Langlaufgebiet 285

gen dieser Arbeitsgruppe, die durch Untersu­ chungen der Bezirksstelle für Naturschutz ergänzt wurden, fanden von Anfang an die massive Unterstützung der „Stiftung Sicher­ heit im Skisport“ des Deutschen Skiverban­ des, die in diesem Projekt ein Modell suchte, das überall in vergleichbare Problemgebiete übertragbar sein sollte. Die Planungsarbeiten dauerten über zwei Jahre. Im November 1991 konnte das Projekt der Öffentlichkeit vorgestellt werden. So­ wohl das Umweltministerium wie das Mini­ sterium für den Ländlichen Raum beteilig­ ten sich an der Präsentation und dokumen­ tierten die fachübergreifende Bedeutung die­ ses Projektes in seinem integralen Ansatz. Kernstück der Konzeption ist die ökologi­ sche Aufwertung des gesamten Gebietes. Auf einer Fläche von 650 Hektar werden alle waldbaulichen und landespflegerischen Maß­ nahmen getroffen, die die Lebenswelt beson­ ders der seltenen Tiere und Pflanzen verbes­ sern. Dabei werden die Wälder insgesamt durch starke pflegliche Eingriffe aufgelich­ tet, es kommt mehr Wärme und Wasser auf den Boden, nicht nur die Flora, das ganze Bodenleben wird angereichert. Abseits von den Wegen und den Loipen werden die Wald­ bestände so ausgeformt, daß sie den Ansprü­ chen der verschiedenen Vogelarten, insbe­ sondere der Auer- und Haselhühner, ent­ sprechen. Wo möglich werden Laubhölzer in die älteren Bestände hineingepflanzt und der Umbau zu Mischbeständen fortgesetzt. Das Netz der Skiloipen wird eingeengt, die Fläche also entlastet. Auf eine Reihe von Loipentrassen wird verzichtet. Dafür werden die verbleibenden Loipen sportgerechter ge­ staltet: ihr Profil wird interessanter angelegt, indem man nicht nur Wegen folgt, sondern auch neue Trassen im Wald in Kauf nimmt. Diese Auflichtung hat nur vordergründig Nachteile, denn sie schafft neue Randstruk­ turen und damit mehr Lebensraum für Kleintiere und Vegetation. In gleicher Weise wurde das Wanderwege­ netz überprüft und Wegeteile und -verbin­ dungen aus empfindlichen Bereichen her- 286 ausgenommen. Sie werden nicht mehr mar­ kiert und unterhalten. Insgesamt wird die Markierung so deutlich gestaltet, daß Wan­ derer und Besucher dorthin gelenkt werden, wo die Landschaft am wenigsten empfind­ lich ist. Die Skirollerstrecke bereitete besonderes Kopfzerbrechen, ist sie doch in diesem Raum die einzige Möglichkeit, im Sommer das Training zu bestreiten. Auf öffentlichen Straßen darf mit Skirollern nicht trainiert werden. Es mußte also ein Ausgleich gesucht werden, wenn man auf die Straße an der Mar­ tinskapelle verzichten wollte. Er wurde im Weißenbachtal gefunden, an der Landstraße gelegen, wo in einem ökologisch weniger empfindlichen Gebiet eine 2,5 km lange Ski­ rollerstrecke für hohe sportliche Ansprüche angelegt werden konnte. In den Startbereich dieser neuen Strecke wurde der Jugendzeltplatz vom Hochmoor an der Martinskapelle verlegt. Er war dort wegen fehlender sanitärer Einrichtungen und wegen der Störung des Moores insge­ samt nicht mehr vertretbar. Ein wunderschö­ nes Holzhaus bietet nun im Weißenbach alle zentralen Einrichtungen für den Zeltplatz und dient auch der Sk.irollerstrecke als Funk­ tionsgebäude. So wurden die verschiedenen Nutzungen gebündelt und die Eingriffe ge­ mindert. Die neue Sk.irollerstrecke dient auch im Winter dazu, Wettkämpfe durchzu­ führen, für die auf dem Asphaltbelag nur eine geringe Schneeauflage genügt. Lange wurde um den Rückbau und die Renaturierung der asphaltierten Waldstraße gerungen. Sie ist nicht nur ein ökologisches Problem, sie war auch in schneearmen Win­ tern damit belastet, daß man auf ihr den Schnee holte, um Sprungschanzen zu bele­ gen. Dies geschah im allerempfindlichsten Bereich, in dem sich das Auerwild konzen­ triert. Schließlich rang man sich durch, diese Straße in zeitlich gestreckten Etappen vom Asphalt zu befreien, auf das Schneeholen zu verzichten und dafür der Gemeinde Schon­ ach eine Beschneiungsanlage für ein Schnee­ depot zuzugestehen.

Wintererlebnis im Wald Pflegeziel: Artenreicher Mischwald Neugestaltung des loipenverlaefs 287

Der neuejugendzeltp!atz, auch als ökologische Begegmmgsställe, von der ÖVA gefördert !nfarmationstafeln 288

Durch intensive Information der Besu­ cher soll darüber hinaus erreicht werden, daß jeder einzelne Rücksicht auf die Natur und diese schöne Landschaft nimmt. Das Gebiet wurde inzwischen von der Forstdirektion Freiburg zu Schonwald er­ klärt. Die langfristigen Kosten liegen bei 800.000 DM. Die übrigen Kosten, die zu einem großen Teil bereits entstanden sind, belaufen sich auf rund 2 Millionen DM. Davon entfallt ein Drittel auf den Sport. Es beteiligen sich die Gemeinden Schonach und Schönwald. Mittel kommen von der Flurbereinigung, und auch der Landkreis hat sich besonders bei der Förderung der Pla­ nung beteiligt. Den Löwenanteil trägt aber die „Stiftung Sicherheit im Skisport“ des DSV, die über 900.000 DM einbringt. 100.000 DM übernimmt der Naturschutz­ fonds des Landes, was unterstreicht, wie sehr dieses Modell ein Symbol für die Versöh­ nung von Sport- und Erholungsnutzung mit der Natur ist. Erwin Lauterwasser, Forstpräsident Skirollerstrecke mit dem neuen Loipenhaus und dem zentralen Gebäude für den Jugendzeltplatz 289

Die Wutach . Zu ihnen gehört auch Der Schwarzwald-Baar-Kreis 1oeisl eine Reihe geologischer Besonderheiten auf die Wutachschlucht im südlichen Teil unseres Landkreises. Im nachfolgenden Beitrag1oird dieses Thema, auf das bereits im Almanach 1980, Seite 191-194, eingegangen wurde, vertieft. Innerhalb der Grenzen des Schwarzwald­ Baar-Kreises vollzog sich vor ca. 70 000 Jah­ ren eine Entwicklung, die geologisch und botanisch interessierte Menschen von weit her zu Exkursionen in den Schwarzwald und in die Baar führt: Die Umlenkung des ehe­ maligen Donauquellflusses Wutach nach dem Oberrhein. Der Ort dieses Ereignisses lag in unserer näheren Heimat, im Bereich der Blumberger Pforte. Die Wutach hatte ihren Q!iellbereich zuerst im Kandelgebiet. Verschiebungen der Höhenstrukturen verlegten ihren Ursprung in das Feldbergmassiv. Ihr erstes Wasser empfängt sie von kleinen Rinnsalen und Hangquellmooren. Von hier aus durchfließt sie 1 Hochmoor, 1 Niedermoor, 2 Seen und wechselt dreimal ihren Namen. In 2 verschie­ denartigen Landschaften, dem Schwarzwald und der Baar, hat sie eine teilweise caii.on­ ähnliche Schlucht gestaltet. Diese windet sich lückenlos durch alle Gesteinsforma­ tionen der süddeutschen Schichtfolge und legt dabei eine über 500 Millionen Jahre alte Entwicklungsperiode offen. Sie mündete ursprünglich in die Aare-Donau. Als die Aare infolge einer Laufänderung als Donau­ quellfluß ausfiel, übernahm die Wutach diese Funktion. Das war jedoch nur ein Zeit­ vertrag. Durch ihre eigene Ablenkung wan­ delte sie sich von einem Q!iellfluß der Im Bereich des Eich- und Buchberges liegt die Stelle, an der die Wutach vor ca. 70 000 Jahren in Rich­ tung Oben·hein abgelenkt wurde 290

Die Klippe, aiif der einst die Burg Neu Blumeneck, das spätere Räuberschlössle, stand, besteht aus einem besonders harten Gestein, dem Quarzporphyr Donau zu einem Nebenfluß des Oberrheins. Welcher kleine Fluß hat schon so viele Sonderheiten aufzuweisen! Die Wutach entspringt dicht unter dem Feldberggipfel im sogenannten „Grüble“. Kleine bachähnliche Rinnsale und Hang­ quellmoore spenden hier ihr erstes Wasser, welches sich in der Mitte der abfallenden Tal­ senke schon zu einem ansehnlichen Wasser­ lauf sammelt, der den Namen Seebach führt. Der Seebach fließt über kleinere und größere Wasserfälle dem Feldsee zu.Nachdem er die­ sen durchquert hat, berührt er das Feldsee­ hochmoor und fließt in Richtung Titisee weiter. Bevor er ihn erreicht, wird seine ge­ ringe Wassermenge noch durch die Schluch­ seewerke angezapft. Nach dem Verlassen des Titisees heißt der Wasserlauf Gutach. Die Gutach schlängelt sich anschließend bis Neustadt durch eine weite Talaue, um in dem Hochfirstgebiet in die Waldlandschaft des Schwarzwaldes einzutreten. Bei der Has­ lacheinmündung nimmt sie ihren letzten Namen an: Wutach. Um die Einmaligkeit dieses Flusses zu begreifen, muß man seine Entwicklungsgeschichte kennen, die in der Einleitung schon angedeutet wurde. Die Flüsse des südlichen Schwarzwaldab­ falles Schwarzenbach-lbach, Alb, Schwarza, Mettma, Schlücht, Steina, Merenbach und Wutach flossen vor langer Zeit in südöstli­ cher bis östlicher Richtung und mündeten in die Aare-Donau. Dieser von Südwest nach Nordost strö­ mende Fluß berührte einen Bereich, in dem sich später einmal die Ortschaften Tiengen, Stühlingen, Blumberg und Immendingen entwickelten. Das Höhenniveau dieser Fluß- 291

Eine der schönsten Orchideen der Baar blüht im Bereich der Wutachschlucht, der Frauenschuh Nachdem ein Teil des Wutachwassers eine Strecke unterirdisch zurückgelegt hat, tritt es an dieser Felswand wieder zu Tage landschaft lag in der erwähnten Epoche 200 Meter über dem heutigen unteren Wutach­ tal. Die Aufdomung des Schwarzwaldes führte zu einer Änderung der Fließrichtung. Zuerst war es die Aare-(Donau), die vor ungefähr 5 Millionen Jahren in der Nähe der Blumberger Pforte infolge der Gefällumkehr in ihrem eigenen Bett zurückfloß. Am Süd­ hang des Schwarzwaldes grub sie sich einen Weg nach Westen und wurde damit zu einem Nebenfluß des Hochrheins. Infolge dieses Vorganges verlor die Donau ihren ursprünglichen Qiellfluß, die Aare, deren Funktion jetzt die Wutach erfüllte. Die genannten Nebenflüsse änderten vor ca. 2 Millionen Jahren mit zeitlichen Ver­ schiebungen ebenfalls ihre Laufrichtung. In dem Areal, in dem das Höhersteigen des Schwarzwaldes ihre Ablenkung bewirkte, bogen sie in einem Winkel von 60 bis 90° nach Süden ab. Die entstandene Außenab­ dachung der neuen Erhebung bestimmte nun ihren Lauf, der sie ohne große Umwege zum Rhein führte. Am Beginn der letzten Eiszeit, vor 70 000 Jahren, verließ die Wutach als letzter der genannten Wasserläufe bei der Blumberger Pforte ihr altes Tal und floß ebenfalls dem Oberrhein zu. Damit hatte die Donau ein weiteres Mal ihren Qiellfluß verloren. Seit dieser Zeit sind die Brigach und Breg ihre Ursprungsgewässer- bei ausreichender Was­ serführung. Wenn sie in trockenen Zeiten ihr gesamtes Volumen in den Versickerungsstel­ len bei Immendingen verschwinden lassen, wird die Bära zum Qiellfluß. 292

Doch zurück zur Wutach. Das ursprüngli­ che Zwischenstück der Wutach – Donau, ihr alter 18 km langer Unterlauf, ist uns im Aitrachtal zwischen Blumberg und Geisin­ gen fast unverändert erhalten geblieben. Hier sind die aus dem Schwarzwald mitge­ führten Kiesschichten abgelagert. Sie sind inzwischen von anderem Bodenmaterial zugedeckt, welches die Eismassen aus den Seitentälern herausdrückten. Für die Laufrichtung der Wutach in ihrem mittleren Abschnitt, der sich von der Blum­ berger Pforte bis zu ihrem Austritt aus dem Schwarzwald erstreckt, war ein weiterer Fak­ tor bestimmend: Der Bonndorfer Graben! Das ist ein ca. 30 Millionen Jahre alter Ein­ bruch der Erdkruste, bis 15 km breit und 500 Meter tief. Sein Grabensystem durchzieht den gesamten Schwarzwald vom Kaiserstuhl bis zum Bodensee, mit seinen westlichen und östlichen Ausläufern. Ohne diesen Grabeneinbruch, dessen Zentrum die Wutach mit ihrem Mittellauf durchfließt, wäre es schon wesentlich früher zu der Ablenkung gekommen. Doch durch welche Entwicklung konnte die Wutach den Bonndorfer Graben dann doch noch überwinden? In den ·Eiszeiten waren auch Teile des Schwarzwaldes mit Schnee und Eis über­ zogen. Während der letzten und vorletzten Kaltzeit, der Würmeiszeit und der Riß- oder Saalevereisung, schob sich der Feldberg­ Bäratalgletscher talwärts und speiste mit sei­ nem Tauwasser einen Gletscherbach, den Wutachursprung. Auch in den Vereisungsperioden war es das ganze Jahr nicht gleichmäßig kalt. Wäh- Die Austrittsstellen sind Klefte und Höhlen, die im Winter einen Rahmen aus Eiszapfen erhalten Am Tannegger Wasserfall haben sich herrliche T ieffsteinbildungen entwickelt 293

rend in den langen Wintermonaten die Wutach bis auf den Grund gefroren war, taute ein Teil der Eis- und Schneemassen in der kurzen Sommerzeit und rauschte mit verstärkter Schubkraft durch ihr Einzugsge­ biet, vergleichbar mit heutigen Hochwasser­ führungen. Dabei riß der Wasserlauf gewal­ tige Geröllmengen mit sich, die sich auf den nachlassenden Gefällstrecken ablagerten. Im Mittellauf des Flusses türmte sich der Ablage­ rungsschutt aus Kies und Sand zu 25 Meter mächtigen Schichten auf Das hatte zur Folge, daß sich der Fluß mitsamt der Talaue in diesem Bereich erhöhte. So konnte die Wutach nicht nur das Absinken des Bonn­ dorfer Grabens ausgleichen, sondern auch der trennenden Wasserscheide zum Ober­ rhein näherkommen. Das führte vor unge­ fähr 70 000 Jahren zu dem berühmten Tag X. Am Rümmelesteg lag die ehemalige Versicke­ rungsstelle, die 1953 durch einen Bergsturz ver­ stopft. wurde Die Talaue hatte zu dieser Zeit fast das Niveau der Donau-Rheinwasserscheide er­ reicht, als im Laufe einer Tauperiode das Wutachwasser zum erstenmal die genannte Barriere überwand und sich einen Weg in Richtung Oberrhein suchte. Diese Stelle läßt sich noch heute lokalisieren. Sie lag 700 Meter ü. M. am Fuße des Buchberges. Es ist zu vermuten, daß im Gletscher­ bereich aufgestaute Seen sporadisch ihre Dämme durchbrachen und so die Aufschot­ terung und das Überlaufen wesentlich ver­ stärkten. Zwei der durch Gletschereinwir­ kung entstandenen Seen blieben uns bis heute erhalten, der Feldsee und der Titisee. Die Entfernung von der Überlaufstelle bis zum Oberrhein beträgt 38 km, der Höhen­ unterschied 400 Meter. Aufgrund dieses Gefälles, welches im Bereich der Überlauf- Teilweise übersteil ragen die Felswände in der Kalksteinschlucht empor 294

An einigen Stellen rücken die Felswände in der Urgesteinsschlucht bis auf wenige Meter zusam­ men stelle mit 10 0/o besonders ausgeprägt war, konnte das schnellfließende Wasser den ein­ mal geschaffenen Einschnitt verhältnismä­ ßig schnell vertiefen. Die auf die kurze Tauperiode beschränkte gewaltige Schub- und Schleifwirkung des Wassers und des mitgeführten Bodenmate­ riales, verstärkt durch die Sprengkraft des Frostes, fügten nicht nur den neuen Flußab­ schnitt tief in die Landschaft ein, sondern sie wirkten auch weit flußaufwärts nach. Bis zu seinem Durchbruch im Hochfirst­ gebiet gestaltete der Fluß eine Schlucht- und Cafionlandschaft, die weit in die Gesteins­ schichten des Schwarzwaldes und der Baar hinunterreicht. Zur Verdeutlichung der gro­ ßen ero iven Räumkraft des Wasserlaufes eine Mengenangabe, die sich auf die letzten 70 000 Jahre bezieht: Nach Bad Boll triu der Wanderweg flußabwärts in steile Felswände ein Zwei qkm Geröll hat der Fluß aus teilweise härtestem Urgestein und weicherem Sedi­ mentmateria1 herausgearbeitet und wegge­ schwemmt. Dabei ist dieser Abtragungspro­ zeß noch nicht abgeschlossen. Der Wasser­ lauf wird sich weitere, tieferliegende Stock­ werke der Gesteinsschichten erschließen. Übersteile Hänge werden zu Tal stürzen oder abrutschen, das Flußbett für kurze Zeit ver­ bauen, bis auch sie das nächste Hochwasser wegräumt und ihr Material flußabwärts in beruhigten Zonen wieder absetzt. Die freigelegten Schichten geben dem Kundigen Informationen über einen großen Zeitraum der erdgeschichtlichen Entwick­ lungsabläufe, die hier stellenweise bis in das Erdaltertum erschlossen sind. So ist ein Gang durch die Seebach-, Gutach-Wutach­ region ein Gang durch die Erdgeschichte. 295

Im Karbon, das war eine Epoche, die vor 360 Millionen Jahren begann und die ca. 70 Millionen Jahre andauerte, kam es durch Fal­ tungen zur Hauptbildungsphase des Variszi­ nischen Gebirges, einem Vorläufer unserer heutigen Mittelgebirgslandschaft. Gesteine dieses Grundgebirges finden wir in Form ver­ schiedener Granite und Gneise in dem obe­ ren Flußabschnitt der Wutach sowie in den Seitentälern der Haslach, des Rötenbaches und des Lotenbaches. Altkarbonische Ablagerungen sind beim Bahnhof Kappel und zwischen dem westli­ chen Ortsgebiet von Lenzkirch und der Rol­ lenmühle freigelegt. ie bestehen aus blau­ grüner, verfestigter vulkanischer Asche, in der roter Porphyrit eingeschlossen ist, und aus dunklerem Porphyrit, quarzarm und ohne Aschenbestandteile. Infolge seiner Härte konnte die Erosion dem Felsen nicht viel anhaben, während die anschließenden Gesteinsschichten wesent­ lich an Substanz verloren. Von der Rötenbachmündung bis zur Schattenmühle sind es Gneise, bestehend aus Feldspat, Glimmer und �arz, aus denen sich die teilweise steilaufragenden Fel­ sen und Hänge aufbauen. Im Bereich der Schattenmühle verschwin­ det das Grundgebirge unter der Talsohle. Das Areal der Wutach lag im Randbereich eines Beckens. Gebirge, von denen ein Teil des Sedimentmateriales in das tiefer liegende Land verfrachtet wurde, hatten ihren Stand­ ort in Frankreich und Belgien. Deshalb errei­ chen die Buntsandsteinschichten im Zen­ trum des Beckens teilweise eine Mächtigkeit von 1200 Meter. Als das weitere Einsinken der Mulde durch die Sedimenteintragungen nicht mehr ausgeglichen werden konnte, fuhrte das zu einer allmählichen Überflutung. So bildete sich ein Meer von 1500 km Länge und 300 km Breite, welches mit der Hochsee ein­ mal weniger und einmal mehr in Verbin­ dung stand. Das zeitweise trockene wü tenähnliche Klima, der wechselnde Verdunstungsgrad 296 und der einmal vorhandene und einmal unterbundene Zugang zu dem Weltmeer mit entsprechendem unterschiedlichem Wasser­ austausch, fuhrte zur Bildung verschieden­ artiger Sedimente. So entstanden in Zeiten mit hoher Was­ sereindämpfung die Steinsalz- und Gips­ lager. Dann wieder entwickelten sich große Muschelvorkommen, die den Grundstoff fur die bis 200 Meter starken Muschelkalk­ schichten lieferten. Auf dem inzwischen weit abgetragenen und nun überfluteten Variszinischen Mittel­ gebirge setzten sich so im Laufe langer Zeit­ räume Sedimentschichten gewaltiger Stärke ab und bildeten über dem Grundgebirge ein sogenanntes Deckgebirge. Das in dem Deckgebirge festgehaltene Auf und Ab des Klimas, des Wassers und des Landes sind in dem Gestein der Wutach­ schlucht ebenfalls gut erschlossen. Hier ein kurzer Abriß, der keinen An­ spruch auf Vollständigkeit erhebt. Über den Gneisschichten zwischen Rötenbach und der Schattenmühle ist der Buntsandstein an einigen Stellen ange­ schnitten. In seiner verschiedenartigen Zu- ammensetzung und einer ansehnlichen Farbskala erreicht er in der Wutachschlucht eine Mächtigkeit von 25 Meter. Etwas unterhalb der Schattenmühle bis zur Gauchachmündung ist der Muschelkalk die bestimmende Formation. Anschließend folgen meerische und kon­ tinentale Keuperablagerungen. Nach dem Lias bei Aselfingen beginnt das Dogernareal. Der obersten J uraschicht, dem Malm, begeg­ nen wir auf den Höhen des Eich- und Buch­ berges. Unten im Tal sind wir wieder im Bereich des Muschelkalkes. Im Randenge­ biet ist es der Jura, den der Fluß anschneidet. Oberhalb vom Rümmelesteg ist das gerade noch schnellfließende Wasser in einem Flußarm plötzlich im Boden ver­ schwunden. Eine Strecke flußabwärts tritt es unterhalb einer hohen Felswand aus Klüften und kleinen Höhlen wieder aus und fällt in Miniwasserfällen in die Wutach zurück.

Diese Felswand erhebt sich in der Nähe der alten Dieifurter Mühle, deren Reste versteckt in dem Wald liegen. In dem Bereich wird mit Eifolg nach Fossilien gesucht. Zu dieser Versickerung kommt es durch eine Eigenschaft des Muschelkalkes. Die Löslichkeit des Kalkes in reinem Wasser ist nicht besonders groß. 75 Liter Wasser lösen in diesem Fall ein Gramm Kalk. Zu einer 20mal verstärkten Reaktion kommt es, wenn das Wasser Kohlensäure enthält. In normal kohlesäurehaltigem Was­ ser lösen 4 Liter schon 1 Gramm auf. Das Niederschlagswasser reichert sich mit Kohlensäure an, welche im Boden durch Abbauprozesse gebildet wird. Klüfte und Spalten werden durch solche Vorgänge vergrößert und das Grundwasser schafft neue Höhlensysteme. Solange das einsickernde Wasser keine tieferlie- Ausweichmöglichkeiten durch Versickerung der Wutach im Jahre 1991. Auch 1992 war ein Versickerungsjahr, während sich der Fluß 1993 nur auf der Strecke Versickerungsste!le bis Rümmelesteg verabschiedete (1991/92 ca. 3 km, 1993 nur wenige hundert Meter}. gende Abflüsse findet, wirkt das Kalkgestein wie ein Schwamm, der sich mit Wasser voll­ saugt. Findet das Wasser jedoch einen Abfluß, wird dieser ständig so erweitert, daß schon einmal die Menge eines ganzen Flußarmes darin verschwinden kann. Wie schnell sich so ein Höhlensystem veränder­ ten Bedingungen anpaßt, zeigt folgendes Beispiel. 1953 wurde die ursprüngliche Versicke­ rungsstelle am Rümmelesteg durch einen Bergsturz verstopft. Umgehend fand das Wutachwasser am jetzigen Versickerungs­ platz einen neuen Eingang in die Unterwelt. Doch schon an der Felswand am Rümmele­ steg kommt ein kleiner Teil dieses Wassers wieder zum Vorschein. 297

In den besonders niederschlagsarmen Jahren 1991/92 wurde recht deutlich, wie groß die unterirdischen Hohlräume sind. Bei der etwas geringeren Wasserführung ver­ schwand an der beschriebenen Versicke­ rungsstelle der ganze Fluß innerhalb von ca. 30 Meter in dem Boden und kam erst an der bekannten Austrittsstelle wieder zum Vorschein. So lagen 2 km des Flußbettes ungefähr 2 Monate völlig trocken, ausge­ nommen einiger tiefliegender Kolke. Im Oberen Muschelkalkbereich hat die Wutach schon einige solcher Höhlen ange­ schnitten und zugänglich gemacht. Am Tannegger Bach bei Bad Boll können wir eine weitere Besonderheit der Wutach­ schlucht bewundern: Herrliche Tuffsteinbil­ dungen. Bei Erwärmung, Verdunstung und nach­ lassendem hydrostatischen Druck löst sich ein Teil der Kohlensäure von dem Kalk. Der wesentlich schwerer lösliche einfach-kohlen­ saure Kalk fällt dabei aus und setzt sich an Qiellen und Wasserfällen -wie hier bei dem Tannegger Wasserfall – als Kalktuff ab. Ein vorerst weiches Gestein, welches an der Luft jedoch schnell aushärtet. Die Wutachschlucht ist auch durch ihre Pflanzenvielfalt sobald nicht zu übertreffen. Urgesteine, Sedimentgesteine, Talaue, Trok­ kenhänge, Hänge mit ausgeglichenem Klima, Südhänge, Nordhänge und die wie- der auf verschiedenartigen Gesteinen, das sind Bedingungen, wo auf engstem Raum die unterschiedlichsten Pflanzengesellschaf­ ten wachsen können. Nach diesem Streifzug durch die Wutach­ schlucht noch einiges über ihre Gefährdung. Abwässer der Papierfabrik in Neustadt haben wiederholt zu großen Fischsterben geführt. Der Kanusport hat Gänsesäger und Eisvogel vertrieben. Erst 1960 wurde das Genehmigungsverfahren für die Errichtung einer 60 Meter hohen Staumauer oberhalb der Haslachmündung eingestellt. Durch die­ ses Bauwerk sollte ein Teil des Wutachwas­ sers zur Stromerzeugung abgeleitet werden. Nicht ganz freiwillig, sondern unter dem massiven Druck der Bevölkerung. An einer Unterschriftenaktion gegen diese geplante Maßnahme beteiligten sich 1955/57185 000 Mitbürger. Heute ist es eine Gefahr anderer Art, die diesen einmaligen Lebensraum bedroht. Das ist das durch die Luftverschmutzung verur­ sachte Grünsterben. Gelingt es uns nicht diese Gefahr einzudämmen, bedeutet das das Ende der Schlucht in ihrer heutigen Form. Pflanzen sind für die Wutachschlucht und deren Wasserhaushalt lebenswichtig. Oder können wir uns eine vegetations­ und wasserlose Wutachschlucht vorstellen? Roland Kalb Der Wildpflanzenpark Unterkimach – ein ökologisches Parkkonzept Richtungsweisend für zahlreiche kleinere Kur- und Erholungsorte und wahrscheinlich noch immer einmalig in ganz Baden-Würt­ temberg ist der Wildpflanzenpark am Unter­ kirnacher Talsee, der im September 1987 nach dreijähriger Bauzeit fertiggestellt und eingeweiht wurde. Einmalig und zukunftsweisend ist dieses Konzept, weil die Gemeinde es wagte, auf einen traditionellen Kurpark mit Rasenflä- chen, Garten- und Zierblumen zu verzichten und stattdessen eine Anlage mit Naturpflan­ zen vorzog. Obwohl es bisher kaum Vorbil­ der dafür gab und Erfahrungen allenfalls ansatzweise vorhanden waren, entschloß sich die Gemeinde zu diesem Konzept, weil es eher zum ländlichen und landschaft­ lichen Erscheinungsbild der Schwarzwald­ gemeinde zu passen schien. Andererseits zeigen zahlreiche Initiativen 298

Unterer Parkeingang am Wiesenweg und Projekte, mit denen oft genug Neuland betreten wurde, daß in Unterkirnach bei Gemeindeverwaltung und großen Teilen der Bevölkerung eine Offenheit gegenüber öko­ logischen Gedanken vorhanden und auch ein verändertes Naturverständnis zu finden ist. Dennoch war viel Informations- und Überzeugungsarbeit zu leisten, und auch gegenüber dem Wildpflanzenpark blieben Ressentiments und Skepsis nicht aus. Geboren wurde die Idee des naturnahen Parks bereits 1980/81, als Bürgermeister Baumann von Mitgliedern des Gemeinde­ rats das Buch „Der Naturgarten“ von Urs Schwarz aus Solothurn verehrt wurde. Ein Besuch des Gemeinderats bei Urs Schwarz in der Schweiz und sein nachfolgender Vortrag in Unterkirnach brachten das Projekt in Bewegung. Die Garten- und Landschaftsarchitekten Dipl.-Ing. R. Hosemann und Dipl.-Ing. W. Bähr wurden daraufhin beauftragt, ein Kon- zept zu entwerfen und die Idee des Natur­ gartens landschaftsgestalterisch umzusetzen. Das Ziel ihrer Planung war, unter Einbe­ ziehung des Talsees und der Kirnachaue eine Erholungseinrichtung sowohl für den Frem­ denverkehr als auch für die örtliche Bevölke­ rung zu schaffen, gleichzeitig aber auch eine Rückzugsfläche für gefährdete Pflanzen und Kleintiere anzulegen. Auf diese Weise sollte mit einem ökologisch nützlichen Projekt ein Ausgleich für notwendige, die Natur beein­ trächtigende Bau- und Erschließungsmaß­ nahmen geschaffen werden. Man wollte weiterhin den außergewöhnli­ chen Versuch wagen, typische Landschafts­ elemente der Umgebung in einem modell­ haft gestalteten Gelände zusammenzufassen und so dem Besucher das Besondere der umgebenden Natur und Landschaft kompri­ miert und überschaubar nahezubringen. Der Vergleich mit einem Tierpark oder Freilicht­ museum liegt nahe und in der Tat sind die Konzepte vergleichbar. 299

Moorbereich mit Wollgras Im Verlauf der Planungen stellte sich jedoch heraus, daß zumindest eine teilweise Änderung des Konzepts notwendig war. Man erkannte, daß bis dahin der Zusammen­ hang zwischen Pflanzengesellschaften und Gesteinsuntergrund nicht genügend berück­ sichtigt worden war, wenn man sie auf Dauer ansiedeln wollte. Es genügte daher nicht mehr, eine relativ dünne Boden- und Gesteinsdecke auf die modellierte Land­ schaft aufzubringen, sondern die Parkland­ schaft selbst, d. h. auch der Untergrund, mußte aus den jeweiligen Gesteinen beste­ hen. Dies hatte einen bedeutenden Mehr­ aufwand zur Folge. Auf knapp zwei Hektar Gelände wurden südlich des Talsees fast 3000 t Schotter- und Gesteinsmaterial aufgeschüttet und Hügel, Wasserläufe und Tümpel modelliert. Land­ schaftsgärtnermeister M. Riehle schuf mit viel Engagement, Schweiß und Phantasie ein Fleckchen Landschaft, das sich sehen lassen kann. 300 Der Kurgast und Besucher spaziert nicht auf ebenen, geraden und geteerten Fuß­ wegen, sondern die wenigen Hauptwege sind lediglich geschottert und gesandet. Mehrere schmale Fußpfade sind dem hügeligen Ter­ rain angepaßt und folgen kurvenreich einem Bachlauf oder der Uferlinie der Tümpel. Der Feuchtwiesenbereich in der Kirnachaue wird durch einen Holzsteg erschlossen, der eine Begehung bei jeder Witterung ermöglicht. Ein Gang durch den Park wird zum Geh­ Erlebnis, zum Seh- und Riech-Erlebnis, das die Neugier und die Sinne weckt. Mur­ melnde Bachläufe und Rinnsale, schilfge­ säumte Tümpel, über denen blau und grün schimmernde Libellen ihre Beute jagen, an deren Grund die Libellenlarven gefräßig junge Kaulquappen und Schnakenlarven vertilgen, Vögel beim Nestbau und beim Füttern der Jungen, Eidechsen, die träge auf einem warmen Stein in der Sonne dösen, um plötzlich blitzschnell in einer Felsspalte zu verschwinden, Wildbienen, die das Dach

eines Info-Pavillons zu ihrer Behausung aus­ erkoren haben, oder die Maikäfer im Früh­ jahr, die in Unterkirnach vielleicht zahlrei­ cher als anderswo abends um eine Laterne brummen, all dies sind Eindrücke, die aus diesem vergleichsweise kleinen Parkgelände mehr machen, als dies ein traditioneller Kur­ park vermocht hätte. Besonderes Augenmerk wurde auch auf eine informative und verständliche Beschil­ derung gelegt, denn der Besucher soll etwas über die Natur und die Naturgarten-Idee ler­ nen können. In zwei Informations-Pavillons wurden von K. Maiwald gestaltete farbige Texttafeln angebracht, die zehn Themenbe­ reiche näher erläutern und mit vielen Abbil­ dungen anschaulich darstellen: Der Grundgedanke des Wildpflanzenparks Es wird die Idee vorgestellt, Wildpflanzen der Umgebung in einer modellhaften Minia­ turlandschaft zu präsentieren. Wie in der Natur mit den Gesteinen die Landschaften, die Böden und die Pflanzen wechseln, so werden typische Pflanzengesellschaften auf verschiedenen Gesteinen und Böden unse­ rer Heimatregion gezeigt. Der Park weist zum einen die Bereiche Granit, Gneis und Kies, Buntsandstein und Kalk auf, die die Landschaften vom Schwarz­ wald bis zur Schwäbischen Alb repräsentie­ ren; zum anderen sind Moor, Feuchtwiese, Trockenwiese und verdichtete Trockenflä­ che als Beispiele für einige typische Pflanzen­ gesellschaften vertreten. Warum Wildpflanzen in einem Park? Etwa die Hälfte unserer heimischen Pflan­ zen- und Tierwelt ist bereits ausgestorben oder davon bedroht. Die wichtigsten Ursa­ chen dafür sind die Zerstörung der tierischen Lebensräume und Eingriffe in die Nahrungs­ ketten durch die Ausweitung der sog. ,,Kul­ turlandschaft“. Der Moorbereich im Herbst, dahinter die Felsen des Buntsandsteins 301

Am Anfang der Nahrungsketten stehen die Wildpflanzen, von denen sich zahllose Insekten, Würmer, Schnecken, Boden­ krebse, Spinnen ernähren. lndem wir durch Bau- und landwirtschaftliche Erschließungs­ maßnahmen die Lebensräume der Wild­ pflanzen und Kleinlebewesen zerstören und diese Arten auch direkt als „Unkraut“ und „Ungeziefer“ bekämpfen, machen wir auch all jenen Tieren den Garaus, die auf Pflanzen und Kleinlebewesen als Nahrung angewie­ sen sind. Diesem Prozeß sollen Naturgärten entge­ gensteuern, indem für Tiere und Pflanzen ein Refugium geschaffen wird. Nach der Devise: Natur schützen, wo immer möglich, müssen in diese Überlegung auch die Gärten einbezogen werden. Gestein und Landschaft In Süddeutschland sind verschiedene typische Landschaften zu finden, die vor allem auf den Gesteinsuntergrund und die zurückzuführen Entstehungsgeschichte sind. Der größte Teil des Schwarzwalds besteht aus dem sog. Grundgebirge; das sind vor allem Granit und Gneis, die sehr hart und wenig fruchtbar sind. Der nördliche und östliche Schwarzwald besteht dagegen über­ wiegend aus dem sehr nährstoffarmen Bunt­ sandstein, der einst den ganzen Schwarzwald überdeckte. Darüber befand sich der Muschelkalk, eine ca. 200 m mächtige Ablagerungsschicht aus kalkhaltigen Muschel-, Ammoniten­ und Algenresten, die heute östlich des Schwarzwaldes auf der fruchtbaren Baar­ hochfläche zu finden ist. Auch alle Jura­ Gesteine der Schwäbischen Alb bestehen aus fruchtbaren, nährstoffreichen Kalken, die jedoch wasserdurchlässig, deshalb meist trockene Standorte sind. Aus Gestein wird Boden Wenn das Gestein, das vorher Millionen Jahre lang in der Tiefe verborgen und Blick auf den Gmnitbereich. Im Hintergrund der Hardtberg. 302

Blick auf den Info-Pavillon am Wiesenweg. Die zahlreichen Wasserflächen sind ein wesentliches Element des Parkkonzepts. geschützt war, an die Erdoberfläche gelangt, beginnt ein mehrere hundert bis mehrere tausend Jahre dauernder Verwitterungspro­ zeß, der das Gestein in Boden verwandelt. Hitze, Kälte, Luft, Wasser, Pflanzen und Bodentiere sprengen und zerkleinern gemeinsam das Gestein und bilden den noch rohen Boden, der angereichert mit Tier- und Pflanzenresten zu fruchtbarem Humus wird. Je nach Gestein und Klimabedingungen ent­ stehen unterschiedliche Bodenarten, auf denen sich wiederum spezielle Pflanzenge­ sellschaften ansiedeln. Boden und Pflanze Ein Felsblock, Gesteinsbruchstücke im Boden, Pflanzen- und Tierreste enthalten Pflanzennährstoffe in fester Form. Für die Pflanzen sind sie jedoch nur verwertbar, wenn sie in Wasser löslich sind. Durch Ver­ witterung und Zersetzung müssen all diese groben Überreste zerkleinert und aufge- schlossen werden. Der Boden bietet den Wurzeln also nicht nur den nötigen Halt, sondern ist gleichzeitig Nährstoff- und Was­ serspeicher. Neben den Faktoren Licht, Wärme, Feuchtigkeit und Konkurrenz benachbarter Pflanzen ist es vor allem der Boden, der durch seine Eigenschaften, Mineralien und Spurenelemente bestimmt, was wo wächst. Pflanze und Standort Es gibt „Allerweltspflanzen“, die an­ spruchslos und überall anzutreffen sind, und es gibt viele Pflanzen, die tolerant und anpas­ sungsfähig sind. Aber dazwischen tauchen immer wieder Arten auf, die nur unter ganz bestimmten Standortbedingungen gedei­ hen, und die man deshalb als Zeigerpflanzen bezeichnet. Diese können vereinzelt oder mehrfach auftreten. Vor allem, wenn sie massenhaft vorkommen, läßt dies auf ideale Standortbedingungen schließen. 303

Schmale, dem Gelände angepaßte Fußpfade fügen sich harmonisch in die Landschaft ein. Künstlich angelegter Wasserlauf im Kalkbereich Der Naturgarten – ein tierischer Lebensraum Ein Wildpflanzengelände bietet der Tier­ welt wesentlich vielfältigere Ernährungs­ und Lebensmöglichkeiten als ein Kulturgar­ ten. Zwar finden dort Blattläuse, Kohlweiß­ linge, Schnecken und Sperlinge einen reich­ lich gedeckten Tisch, aber das Angebot wird nur von vergleichsweise wenigen Arten genutzt. Dagegen weisen Wildpflanzenflä­ chen meist einen viel größeren Artenreich­ tum bei Pflanzen und Tieren auf. Dadurch, daß nicht ständig für „Ordnung“ gesorgt wird und vor allem keine In ekten- und Unkrautvertilgungsmittel angewendet wer­ den (auch kein Dünger!), entwickelt sich bald eine bunte Pflanzen- und Tierwelt, die mehr 1(1it „Natur“ zu tun hat, als sog. ,,Kul­ turgärten“. 304 Brennesseln und Disteln fürs Überleben! Die Bedeutung der ungeliebten Wild­ pflanzen Distel, Brennessel u. a. für unsere heimische Tierwelt wird meist verkannt. So leben beispielsweise die Raupen unserer beliebtesten Tagfalter wie Landkärtchen, Kleiner Fuchs, Tagpfauenauge, Admiral, Distelfalter und C-Falter z. T. nur auf der Brennessel und die später ausschlüpfenden Falter unter anderem vom Nektar der Disteln. Aber ohne Raupen keine Schmetter­ linge! AufWegerich-Pflanzen leben die Rau­ pen von 48 Falterarten, auf dem Löwenzahn 41 und auf der Brennessel 25 Arten. Entstehung und Merkmale eines Hochmoores Moore sind feuchte Standorte mit über­ wiegend torfbildender Vegetation. Zur Torf-

bildung kommt es, wenn der Abbau von abgestorbenen Torfmoosen zeitweilig behin­ dert ist, weil in stehendem Wasser Sauerstoff­ mangel auftritt. Torfmoose sind die wichtig­ sten Pflanzen der Hochmoore. Sie sind in der Lage, wie ein Schwamm Feuchtigkeit zu speichern und ihre Umgebung feucht zu hal­ ten. Indem sie aus dem Wasser die wenigen vorhandenen Nährstoffe entziehen, wird dieses nicht nur extrem nährstoffarm, son­ dern auch stark sauer. Nährstoffarmut und saures Wasser, häu­ fige Bodenfröste und große Temperaturun­ terschiede zwischen Tag und Nacht machen das Hochmoor zu einem Grenzstandort für seltene Blütenpflanzen. Denksport für Naturfreunde Als Gedächtnisstütze und Anregung zur weiteren Beschäftigung mit den genannten T hemen werden für jung und alt einige Fra­ gen und Beobachtungsaufgaben gestellt, die den Blick für die kleinen Dinge der Natur schärfen sollen. Die Antworten finden sich dann jeweils im gegenüberliegenden Pavil­ lon. Zeugnisse der Vergangenheit Im oberen Pavillon bei der Roggenbach­ schule hat man nicht nur einen ausgezeich­ neten Überblick über das Parkgelände, hier befindet sich außerdem eine Baumscheibe mit einem eindrucksvollen Durchmesser von 1,80 m. Sie wurde unmittelbar über dem Wurzelstock entnommen und berichtet vom langen Leben der über 200 Jahre alten Neininger-Tanne, einem Naturdenkmal, das bis 1986 in der Nähe des Lippenhofes im Schlegelbachtal stand. Eine Tafel präsentiert dazu die Geschichte Unterkirnachs in den letzten 200 Jahren und Informationen über das Wachstum der Jah­ resringe eines Baumes. Die Zahl der Jahres­ ringe und ihre unterschiedliche Breite zeu­ gen vom Alter und den Lebensbedingungen des Baumes. Jedes Jahr wächst ein neuer Ring, und jeder Ring ist je nach den Witte­ rungsbedingungen des betreffenden Jahres verschieden breit. In einem trockenen Jahr entsteht z.B. nur ein schmaler Ring. Jahresringe können so zu einem wichti­ gen Mittel der Altersdatierung (sog. ,,Den­ drologie“) werden, wenn Archäologen Holz­ funde aus vorgeschichtlicher Zeit bergen, wie dies am Magdalenenberg geschah (Aus­ steUung im Villinger Franziskaner-Museum!). Weil alle Bäume einer Region eine ähnliche Jahresringstruktur haben, kann man den Aufbau eines unbekannten Balkens mit einem genau bestimmten Baumquerschnitt vergleichen und dessen Alter oft auf das Jahr genau bestimmen. Die Texte werden durch einen mehrfarbi­ gen Übersichtsplan des gesamten Parkgelän­ des und weitere informative Schaubilder ergänzt und abgerundet. Darüber hinaus wurden etwa 250 verschiedene Pflanzen des Parks mit Namensschildern versehen. Damit wird deutlich, daß der Wildpflan­ zenpark zugleich ein außergewöhnlicher wie vielseitiger Lehrpark ist. Ausstellungsobjekt ist die Natur selbst, die hier liebevoll und mit dem Blick fürs Detail präsentiert und in ihren Zusammenhängen erklärt wird. Klaus Maiwald Wetter unter Aprilschnee färben sich die Knospen weiter gesenkten Hauptes warten erste Frühlingsblüher die Wetterkapriolen ab leise grünt Gras und Löwenzahn wird seine kleinen Sonnen wieder leuchten lassen wenn der Schauer vorbei ist Christiana Steger 305

Betrachtungen und Beobachtungen über das Rehwild In unseren heimischen Wäldern und Wiesen gibt es keine zweite Wildart, die so gut erforscht und über die mehr einschlägige Literatur vorhanden ist, als über das Reh. Für Experten, wie Jäger und Heger, bringt dieser Bericht sicher keine neuen Erkenntnisse über diese Wildtiere. Eher möchte ich mich an den Naturfreund wenden, der nur gele­ gentlich ein Reh zu Gesicht bekommt und dessen Verhalten nicht immer richtig zu deu­ ten weiß. Für Körperteile und gewisse Ver­ haltensweisen wird in diesem Bericht die sog. Waidmannssprache benutzt, der allgemein verständliche Ausdruck steht in Klammern. Rehe gibt es seit ca. sieben Millionen Jah­ ren. Es ist wahrscheinlich auch unsere älteste Jagdwildart, die außer in Irland, Island und den Mittelmeerinseln in ganz Europa vor- Sechserbock zum Anfang des Monats Mai. Das Gehörn ist ,,gefegt‘; der Haarwechsel vom Winter­ zum Sommerhaar hat gerade begonnen. 306 kommt. In diesem Verbreitungsgebiet reicht ihr Lebensraum von der Meeresküste bis zur Baumgrenze im Hochgebirge. Ausgestattet mit einem vorzüglichen Geruchs-, Gehör- und Gesichtssinn, zudem vier schnellen Läufen (Beinen), zeigt sich das Reh als typischer Kulturfolger, d. h. es hat sich der vom Menschen veränderten Land­ schaft angepaßt. Vor allem der Bau seiner Hinterläufe ermöglicht ihm kurzfristig große Schnelligkeit und Sprünge von beachtlicher Weite und Höhe. Die Körperform ist keilför­ mig, eignet sich bestens zum lautlosen Durchwinden von Gebüschen und Dickun­ gen. Vom ganzen Erscheinungsbild her wird es wohl kaum ein wildlebendes Tier in unse­ rer Landschaft geben, das unser Reh an Anmut, Liebreiz und Eleganz übertreffen könnte. Nur seine Stimme, wenn es schreckt, d. h. seinen Unmut über eine Störung äußert, paßt nicht o richtig zu dieser bezau­ bernden Kreatur, es hört sich nämlich fast so an wie das Bellen eines Hundes. Das sog. Fiepen, ein Lock- und Angstruf je nach Ton­ lage oder Lautstärke, entspricht schon eher den Lautäußerungen, die wir Menschen diesem Tier zuordnen würden. Die Länge eines ausgewachsenen Rehes beträgt 110 bis 130 cm, die Höhe 70 bis 75 cm, das Gewicht schwankt sehr stark nach Geschlecht, Ernährung, Konstitution usw. zwischen 14 und 22 kg in unseren Breiten. Das Höchstalter wurde bei Rehen in Gefan­ genschaft mit 18 Jahren festgestellt, in Frei­ heit dürften 12 bis 15 Jahre die Grenze sein. Die Färbung des Haarkleides ist im Winter graubraun, im Sommer rostrot mit verschie­ denen Variationen, was dem Tier einen recht guten Sichtschutz vor seinen Feinden gewährt. Die Zeichnung der Kitze (Bambis), mit den bekannten weißen Punktereihen, die sich zum Ende des Sommers wieder ver­ lieren, ist eine hervorragende Tarnung, wenn sie sich in der Wiese niederdrücken. Das Reh gehört zur Gattung der Wieder-

käuer und ist im Sommer ein sehr wähle­ rischer Nahrungskonsument. Im Winter, wenn der Tisch naturbedingt nicht so reich­ haltig gedeckt ist, muß der Jäger durch Zu­ füttern einspringen. Dies auch, um die Ver­ bißschäden an den Kulturpflanzen in Gren­ zen zu halten. Im Frühjahr, gegen Ende März, beginnt der erwachsene Rehbock sein neu gewachse­ nes Gehörn (Geweih) zu fegen, d. h. er be­ freit es durch Scheuern an Sträuchern und Büschen von der sog. Basthaut, unter der es sich bis dahin geschützt entwickeln konnte. Das alte Gehörn wurde im Oktober/Novem­ ber des vergangenen Jahres abgeworfen. Je nach Art des Gehörns ist dies dann in der Sprache der Jäger ein Spießer, Gabler oder Sechserbock. Allerdings kommen bei den Rehgehörnen immer wieder Abweichungen, Abnormitäten und Regelwidrigkeiten vor. Es würde den Rahmen dieses Berichts spren­ gen, im einzelnen darauf einzugehen. Neh­ men wir an, unser Bock ist ein starker oder guter Sechserbock, so versucht dieser nach dem „Fegen“ sein Territorium von allen schwächeren Böcken durch deren Vertrei­ ben zu befreien, um nach Möglichkeit keine Mitkonkurrenten zu haben, wenn es im Juli/ August in der Brunftzeit um die Gunst der Rehdamen geht. Ist diese Zeit gekommen, geht es sehr lebhaft in den Rehrevieren zu. Die sonst meistens am frühen Morgen und späten Abend zu beobachtenden Rehe sind nun den ganzen Tag aktiv und auf den Läu­ fen. Der Bock treibt, d. h. er verfolgt die Reh­ geiß in der Art, daß der Uneingeweihte, der dies zufällig beobachtet, annehmen könnte, der armen „Schönen“ würde Gewalt ange­ tan. Dem ist jedoch nicht so, es gehört ein­ fach zum Ritual der Rehbrunft, wie z.B. das Balzverhalten mancher Vogelarten. Treffen während der Brunftzeit zwei eben­ bürtige Rivalen (Böcke) aufeinander, so kann es zum Kampf kommen. Zeuge eines sol­ chen Brunftkampfes wurde ich vor etlichen Jahren in einem hiesigen Revier, in dem ich die Genehmigung des Jagdpächters hatte, mit der Telekamera zu „Waidwerken“. Dieser Bock hat im Juni den Haarwechsel hinter sich, er hat„ve,färbt‘; wie der Jäger sagt. Es ist der Sieger des Brunfikampfes, der im Bericht beschrie­ ben wird. An einem herrlichen Sommermorgen Anfang August saß ich mit Kamera und Fernglas bewaffnet auf einem Hochsitz im besagten Revier. Kaum eine halbe Stunde saß ich an, als aus der gegenüberliegenden Dickung ein von Statur starker Rehbock aus­ trat. Er zog direkt unter der Hochsitzleiter vorbei und ich konnte feststellen, daß sein Gehörn keine Enden (Verzweigungen) hatte, nur kräftige, gebogene Spieße, die verhältnis­ mäßig hoch über die Lauscher (Ohren) rag­ ten. Der Bock zog hinter meinem Ansitz in den Hochwald ein; dabei fiel mir auf, daß er in einem ganz eigenartigen Gang schritt – vergleichbar etwa dem Stechschritt beim Militär -und dabei seine Lauscher ganz zurückgelegt hatte. Fast gleichzeitig sah ich im Hochwald einen zweiten Bock auftau­ chen. Durch das Fernglas erkannte ich einen Sechserbock, von dem ich ca. 6 Wochen zuvor einige gute Fotos machen konnte. Die beiden Böcke gingen in dem erwähnten Stechschritt aufeinander zu, es sah wirklich komisch aus, ich mußte mir das Lachen ver­ kneifen, um sie nicht zu vergrämen (ver­ scheuchen). Sie hatten sich inzwischen erreicht und gingen nun nebeneinander her mit hocher­ hobenen Häuptern und beide in diesem eigenartigen Gang. Doch plötzlich fielen sie mit ihren Gehörnen übereinander her und es 307

Schlqfendes „ Schmalreh“ (weibl. J ährlingsreh) im ,,Bett“ (Lager). Rehgeiß mit Kitz im letzten Drittel des Monats Juni. Das Kitz mit den typischen weißen Punkte­ reihen ist hier ca. 2 bis 3 Wochen alt. entbrannte ein Kampf, wie ich es zwischen zwei Rehböcken bis zu diesem Zeitpunkt nicht für möglich gehalten hätte. Das Geschehen war ca. 30 m von mir entfernt, so konnte ich mit dem Fernglas alle Einzelhei­ ten verfolgen. Weithin im morgenstillen Wald war das Zusammenkrachen der Ge­ hörne zu hören. Der Kampf ging weiter, immer nach dem gleichen Ritual. Zusam­ menstoßen der Gehörne, sofortiges Lösen, wieder Stechschritt nebeneinander und erneutes blitzschnelles Zustoßen. Wie lange dies so weiterging, kann ich heute nicht mehr mit Sicherheit sagen, ich schätze es waren ca. 10 bis 15 Minuten. Der Bock mit dem Spießergehörn, den ich zuerst gesehen hatte, drehte plötzlich ab und flüch- tete, von seinem Gegner noch ca. 40 bis 50 m verfolgt, an meinem Ansitz vorbei und ver­ schwand mit heraushängendem Lecker (Zunge) in der Dickung, aus der er zuvor aus­ getreten war. Erst jetzt wurde mir bewußt, daß ich die ganze Zeit des Kampfes nicht daran gedacht hatte, mit der Telekamera einige Bilder zu schießen, so hatte mich die­ ses Schauspiel in Bann gehalten. In erster Linie geht es bei diesen Brunft­ kämpfen um die Vertreibung des Gegners, doch es kommen dabei auch ernsthafte Ver­ letzungen, in seltenen Fällen mit Todesfolge, vor. Es wird berichtet, daß schon verendete Rehböcke gefunden wurden, die sich mit ihren Gehörnen beim Kampf so ineinander verfangen hatten, daß sie sich nicht mehr Rehkitz ca. 2,5 Monate alt. Die Punktereihen haben sich fast verloren. Dasselbe Kitz wie im vorherigen Bild, hier zu­ sammen mit seiner Mutter. 308

lösen konnten. Der Tod solcher verkämpfter Böcke tritt dann entweder durch Genick­ bruch oder durch Entkräftung ein. Nachdem der Bock die Rehgeiß beschla­ gen (befruchtet) hat, beträgt deren Gesamt­ tragzeit ca. 9,5 Monate. Diese doch relativ lange Tragzeit für ein Tier dieser Größen­ ordnung ist bedingt durch eine Keimruhe, die bis Mitte Dezember dauert. Dadurch fallt die Brunft sowie die Setzzeit (Gebärzeit) in eine für die Arterhaltung günstige Jahres­ zeit. Das Kitz, es kommen genau so oft Zwil­ linge, seltener Drillinge vor, wird dann Ende Mai/ AnfangJuni in einem stillen Winkel des Waldes gesetzt (geboren). Die Säugezeit erstreckt sich bis in den November/Dezem­ ber, allerdings kann man beobachten, daß die jungen Rehkinder bereits nach 2/3 Wochen zum ersten Mal an grünen Blättchen knab­ bern. Auffallend ist, daß die Rehmutter sich nie bei ihrem Kitz niedertut (niederläßt) und daß, wenn sie mehrere Kitze führt (hat), diese stets an getrennten Plätzen ablegt. Auch hier sehen wir, daß dieses Verhalten der Arterhal­ tung dient. Falls z.B. der Fuchs ein Kitz fin­ det und reißt (tötet), so überlebt zumindest das Geschwister. Diese Verhaltensweise führt jedoch auch dazu, daß immer wieder anscheinend verlassene Kitze von Men­ schen aufgefunden werden. Wer ein abgeleg­ tes Kitz sieht, sollte die Finger davon lassen, die Mutter ist bestimmt in der Nähe! Sie verteidigt ihre Nachkommenschaft gegen Feinde recht erfolgreich, obwohl sie nicht über die Waffen des Vaters (Gehörn) verfügt. So konnte ich einmal beobachten, wie eine Rehgeiß mit den Vorderläufen einen Fuchs bearbeitete, der ihrem Kitz zu nahe gekommen war, so daß ihm der Appetit aufRehfleisch verging und er sein Heil in der Flucht suchte. Diese Aufnahme von einer Geiß mit Kitz ent­ stand im Monat Oktober. Die Zeichnung beim Kitz (im Vordergrund) ist verschwunden, der Haarwechsel zum Winter hat begonnen. Trotzdem fallt so manches Rehkind Meister Reinecke zum Opfer, wie dies Kno­ chenfunde an Fuchsbauten beweisen. Gegen Hunde, und hier besonders die größeren, haben auch erwachsene Rehe in der Regel kaum eine Chance, da der het­ zende Hund eine viel größere Ausdauer besitzt als diese. Es ist schon so oft gesagt worden, liebe Tierfreunde: Hunde gehören draußen im Wald an die Leine! Das Kitz verbleibt bei der Mutter bis ca. Mitte Mai des nächsten Jahres, dann wird es abgeschlagen, d. h. es wird, mehr oder min­ der heftig, aus ihrer Nähe vertrieben. Das erscheint uns Menschen recht brutal und entspricht nicht unbedingt dem, was wir unter Mutterliebe verstehen. Doch in der Natur bestimmen andere Gesetze das Han­ deln der Kreatur. Der Nachwuchs, welcher in ihrer Gebärmutter heranreift, wird in den nächsten Tagen sein Recht auf neues Leben fordern. Dann ist für das letztjährig Gebo­ rene kein Platz mehr bei ihr. Der Kreis Erwin Kienzler schließt sich. 309

An der Wasserscheide Gutach und Elz Der abflußlose „Blindensee“ bei Schonach Das Blindensee-Thema, eine Besonderheit in unserem Landkreis beschäftigt immer 1oieder die Fantasie unserer Heimatfreunde. In den nachfol­ genden Ausführungen setzt unser Heimatjahr­ buch die Betrachtung über den Blindensee, die wir bereits im Almanach 1980, S. 195-197, begon­ nen haben, fort. flußlose Blindensee oberhalb der Vorderen Vogte. Inmitten ausgedehnter Moore und ihrer Stille und Einsamkeit läßt er einen klei­ nen Vergleich zur Sibirischen Tundra im K.leinstforrnat zu. Entsprechend ist auch die dort vorhan­ dene Pflanzenwelt. Markant für die Land­ schaft ist vor allem die Spirke, eine Föhren­ art, die nur in Hochmooren zu finden ist. Ebenso auffallend ist die Legföhre oder Lat­ sche. Ihre düster-dunkle Farbe erinnert an die Pinie des Südens, die ja ebenfalls eine Kiefernart darstellt; nur wird die Pinie hoch­ stämmiger und sucht wie unsere gewöhn­ liche Kiefer trockenen Boden aus. Die im Blindenseegebiet noch vor Jahren anzutref­ fenden Moorpflanzen waren: Bitterklee, Fie­ berklee, Riedgras, Sumpfblutauge, Sumpf­ herzblatt – auch Stundenblume genannt, Torfmoos, Fettkraut und Sonnentau. In diesem geschilderten Moor- und Sumpfge­ biet gab es für die Beerensucher, zumindest vor Jahren noch die im Volksmund betitelte „Schnotzbeere“. Da Beerengeflecht war höher gewachsen als die Heidelbeeren und die Beeren unterschieden sich durch Größe, Farbe und Geschmack. Zum Verzehr waren sie nicht bestimmt. Gesammelt wurden die etwas größeren graublauen Beeren zur Her­ stellung von Heidelbeerwein, dem Hausge­ tränk der Tagelöhner und Fabrikarbeiter auf den Höfen. Den Blindensee erreicht man von Schon­ ach aus von der Vorderen Vogte über einen Holzsteg übers Moos und Kusselwerk. Plötz­ lich steht man vordem Ge uchten und somit vor dem See, der einem trüben Auge inmit­ ten des Hochtorfmoores gleicht. Unheim­ lich gurgelt es unter den Füßen, denn das Ufer ist unterspült und droht die Besucher in die Tiefe zu ziehen. Keine lichtfrohen Blu­ men, Seerosen oder Seegras bieten sich dort oben an. Dagegen sorgen faulendes Wurzel­ werk, Gestrüpp und Unterholz für die Brau- Auf der breiten, hochflächenartigen Was­ serscheide zwischen der Gutach und dem oberen Elzursprung, oberhalb der Höfe Fel­ dern und Vorderen Vogte, begegnet man aus­ gedehnten Moor- und Torfbildungen. Was hat derartige Erscheinungen auf solchen Höhen ermöglicht? Sonstige Wasserscheiden sind meist schmal und gratähnlich, so daß die Q!iell­ und Regenwasser unmittelbar abgezogen werden. In der genannten Hochfläche ver­ sickert zwar das Wasser ebenso rasch im ver­ witterten Granit, nicht aber in deren ver­ schiedenen Einsenkungen oder Mulden, in denen sich feine, wahrscheinlich rotliegen­ de Tone ansammelten und Versickerungen unmöglich machten, die Regenwasser also stauten. Stehendes Wasser aber versauert und vermoort sehr bald. Die im Moor sich bildende Pflanzenwelt kann infolge der hohen Gebirgslage und ihrer niedrigen Jahrestemperatur nicht verwesen. Es häu­ fen sich die abgestorbenen Pflanzen Jahr für Jahr aufeinander, bilden also chichten, die nach und nach durch Druck von oben ver­ torfen. Die größten Moor- und Torfbecken auf dieser Höhe liegen zwischen dem Wolfbau­ ernhof, im Zinken Feldern und am „Blinden­ see“. Im zuerst genannten Landschaftsstück werden Torfschichten von 6 Metern, am Blindensee sogar bis 10 Meter gemessen. Die übrigen, immer weniger werdenden Torf­ becken erreichen immerhin noch die 3-Meter­ Marke. Die eindrucksvollste Erscheinung auf der Höhe der Wasserscheide ist der ab- 310

en um die Wasserfläche, die einem Auge gleicht. Der Wanderer und Naturfreund findet ein Stück Natur vor, echt und rein erhalten, wie sie der Schöpfer hingelegt und ausgebrei­ tet hat. Ungeschminkt von ungeschickten Menschenhänden ist dort ein Stück Natur pur anzutreffen. Nur wenn eine blaugrüne Libelle über das dunkle Gewässer schießt oder eine Wildente aufscheucht, scheint es, als ob auch Gottes Odem diese Wildnis be­ rührt hätte. Geschichten und Sagen Die Namensgeschichte des Blindensees ist nicht wie zunächst vermutet, auf das blinde Gewässer ausgerichtet. In unmittelba­ rer Nähe, und zwar auf der Schönwälder Seite, stand einst der Blindenhof und war im Besitz des Blindenhofbauern. Der Blinden­ hof kam oder soll zu seinem Namen gekom­ men sein durch einen Fluch des Besitzers. Als er noch keinen Hoferben hatte, nur Mäd­ chen, beschwor er Gott und den Teufel, ihm einen Buben zu schenken, selbst wenn er mit 311

Blindheit geschlagen zur Welt käme. Sein Wunsch erfüllte sich, und auf dem Hof wurde ein blinder Knabe, der den Hof zu übernehmen hatte, geboren. Der Bauer soll gesagt haben: ,,Du hast so viel Hab und Gut, daß du genügend Knechte und Mägde auf den Hof nehmen kannst: regieren kann auch ein Blinder.“ Daß dem nicht so ist, zeigte sich, denn Grund und Boden gingen verlo­ ren durch Spekulationen und frevelhafte Machenschaften der Sehenden. Vom Blin­ denhof ist nicht mehr viel zu sehen. Auch nicht vom Blindenhüsli, Taglöhnerhaus in unmittelbarer Nähe und niedergebrannt im letzten Krieg. Eine Sage berichtet, daß der fehlende Ablauf nur ein engmaschiges Spinnennetz verhinderte. Die Zeit werde aber kommen, wo dieses Netzgebilde reißt und das nahe Amtsstädtchen Triberg überschwemmen wird. Am ehesten zu glauben ist noch die Geschichte von der Kuh, die dem Vogte­ bauern weglief und als Seekuh unauffindbar vom Blindensee verschlungen wurde. Recht lustig hebt sich dagegen die schau­ rige Ballade von der Sagenwelt ab über die­ sen Fall der versunkenen Kuh. Die Ballade endet nämlich mit der Feststellung, daß die Kuh quicklebendig nach einer Irrfahrt unter dem Erdboden in Köln am Rhein, in unmit­ telbarer Nähe des Doms zu Kölle ans Land geschwemmt wurde. Bekannt zumindest unter den Schulkin­ dern von Schonach und Schönwald war der Spruch über den Blindensee, der lautete: ,,Mißt Du mich, dann friß ich Dich … “ Bruno Bender Fossiliensammeln im Schwarzwald-Baar-Kreis Im Schwarzwald-Baar-Kreis treten nur in einem Teil des Kreises interessante fossilfüh­ rende Schichten zu Tage, und zwar östlich einer Linie von Weigheim im Nordosten über Aasen nach Döggingen im Südwesten. Es handelt sich um die bis zu 600 m mäch­ tigen Ablagerungen des J urameeres aus dem Erdmittelalter. Zum Erdmittelalter zählen die Schichten der Trias (Buntsandstein, Muschelkalk, Keuper), der Jura (schwarzer, brauner, weißer Jura) und die Kreide (Unter­ und Oberkreide). Es umfaßt den Zeitraum von 225 Mill.Jahren (Buntsandstein) bis 65 Mill. Jahren (Oberkreide). Ablagerungen der Kreidezeit sind im Süd­ westdeutschen Raum nicht vorhanden. Die Schichten der Trias sollen hier nicht bespro­ chen werden, obwohl sie in einem großen Teil des Kreisgebietes auftreten, sie sind jedoch über weite Strecken fossilleer bis fossilarm. Nur wenige Abschnitte liefern einigermaßen brauchbares meist jedoch schlecht erhaltenes Material. Wenden wir uns dem Jura der Schwäbi­ schen Alb zu mit der Fortsetzung al Fran- 312 kenalb im Nordosten und dem Schweizer Jura im Südwesten, berühmt für seine Fossi­ lien, Betätigungsfeld nicht nur einheimi­ scher Sammler. Die Schichten werden (nach Friedrich August �enstedt, Prof. der Geo­ logie in T übingen von 1837 bis 1889) nach der überwiegenden Farbe der Ablagerungen in drei Komplexe mit je sechs Abteilungen gegliedert: 1. Der Schwarze Jura (Lias, ca. 190-170 Mill. Jahre) Er bildet das Albvorland und die Hoch­ ebene der Baar von Weigheim, Hoch­ emmingen im Nordosten über Aasen, . Pfohren bis Mundelfingen, Döggingen im Südwesten. Er ist berühmt für seine bis wagenrad-großen Ammoniten im unte­ ren, sowie Wirbeltieren, Fischen und See­ lilien im oberen Teil der Schichten. In früheren Zeiten hatte beinahe jedes Dorf seinen eigenen, kleinen Steinbruch in den unteren Schichten des Schwarzen Jura. Entsprechend gut waren auch die Fundmöglichkeiten. Heute gibt es in die­ sen Schichten kaum noch brauchbare

Ortenaukreis Landkreis Rollwe1l .Autobahn Bundnslraß• Landesstrane 5735 Die gerasterte gelbe Fl:ichc stellt dJs Gcb1e1 des Jura 1m Schwartwald·Ba,u·Km.s dJr. Landkreis Landkreis Konstanz SCHWEIZ Aufschlüsse. Der Sammler ist weitgehend auf kurzzeitige Möglichkeiten beim Stra­ ßenbau oder Erschließungsarbeiten in Neubaugebieten angewiesen. 2. Der Braune Jura (Dogger, ca. 170-150 Mill. Jahre) Von ihm werden die Hänge des Albauf­ stiegs und der vorgelagerten Berge der 313

Baar und Wutach aufgebaut. Z.B. der Aufstieg nach Öfingen, das Dorf selbst und auch das Plateau mit dem Feriendorf liegen voll tändig im Bereich des Braunen Jura. Riedböhringen mit den Hängen von Eichberg und Stoberg sowie ganz Zoll­ haus-Blumberg mit Ausnahme des ober­ sten Teils von Eich-, Sto- und Buchbergs liegen ebenfalls im Braunen Jura. Bei den Sammlern sehr beliebt wegen einer schö­ nen, artenreichen, in manchen Schichten auch sehr individuenreichen Fauna. Beim Bau der Sauschwänzle-Bahn gab es im Be­ reich Epfenhofen sehr gute Aufschlü se mit vielen wohlerhaltenen Fos ilien wie SCHALCH in der Beschreibung zur geologischen Karte von 1908 berichtet. Bekannt für gute Fundmöglichkeiten waren in früherer Zeit auch die Abraum­ halden des Erzbergbaus am Sto-und Eich­ berg. 1987 ergab sich ein großartiger Aufschluß in Zollhaus auf dem Gelände der Firma TRW-Thompson bei Ausschachtungsar­ beiten zum Neubau einer Halle. Das staatliche Museum für Naturkunde Stutt­ gart war mit mehreren Mitarbeitern vor Ort und selbst Prof. Calomon, Spezialist für den „Braunen Jura“, kam extra aus London angereist, um noch offene Fragen zu klären. Ein gutes Dutzend Sammler war mehrere Wochen damit beschäftigt, den außer­ halb des Werksgeländes aufgeschütteten Aushub nach Fossilien zu durchsuchen, um möglichst viel vor der Planierraupe zu retten. Auch in neuester Zeit gab es wieder ergie­ bige Aufi chlüsse beim Bau der Umge­ hungsstraße Epfenhofen. Mitarbeiter des Museums für Naturkunde in Stuttgart waren auch hier wieder zusammen mit engagierten Sammlern des Vereins für Mineralogie und Paläontologie chwarz­ wald-Baar-Kreis e. V. aktiv. Ehrensache, daß wi senschafi:lich interessante, von Samm­ lern gefundene Stücke dem Museum überlassen wurden. 314 3. Der Weiße Jura (Malm, 150-135 Mill. Jahre) Die mächtigste Abteilung des Jura, bis zu 400 m stark, teilweise schroff vom Sockel des braunen Jura empor teigend. Der Himmel- und Osterberg bei Öfingen, die Länge bei Neudingen, Eichberg, Buchberg, Stoberg bei Zollhaus-Blum­ berg werden im oberen Teil vom weißen Jura aufgebaut. Dieser mächtige Schich­ tenstoß, bei uns an vielen Stellen gut auf­ geschlossen, ist leider über weite Teile fos­ silarm bis fossilleer, liefert aber in meist eng begrenzten Bänken stellenweise auch eine interessante und reichhaltige Fauna. Schon immer haben Fossilien die Phanta- sie der Menschen beflügelt, wie Funde aus Steinzeitgräbern belegen. Bei den alten Grie­ chen deutete schon HERODOT (510-425 v. Chr.) die Fossilien richtig als Reste von Meerestieren. In späterer Zeit kam auch LEONARDO DA VINCI (1452-1519) zu dieser Erkenntnis. Diese Aussagen wurden dann wieder vergessen oder verworfen. Bis ins 18.Jahrhundert hinein war man größten­ teils der Ansicht, Reste der bei der Sintflut umgekommenen Lebewe en vor sich zu ha­ ben. Erst im 19.Jahrhundert begann die wis­ senschartliche Arbeit auf der richtigen Basis. Jagen und sammeln, der Urtrieb, heute eigentlich überflüssig! Bei näherer Betrach­ tung können wir jedoch leicht feststellen, daß sich das Sammeln von Fossilien recht positiv auf Körper und Geist auswirkt. Viel Bewegung in der Natur als Ausgleich zur Tätigkeit an Schreibtisch oder Fließband. Tätigkeiten für die der Mensch von der Natur nicht geschaffen wurde. Der engagierte Sammler möchte natür­ lich z. B. auch wissen, wie alt die Funde sind, wie die Tiere gelebt und sich fortgepflanzt haben, warum und wann sie ausgestorben sind usw. Fragen, die eine intensive Ausein­ andersetzung mit dem Thema fordern. Zur oft mühseligen Bergung und Präpara­ tion der Fossilien kommen die Schwierigkei­ ten beim richtigen Bestimmen der Fund­ tücke, bei mehreren hundert Arten allein

Fossilien aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis Ammonit: Vermiceras spiratissimum Schwarzer Jura alpha, Weigheim 315

Ammonit: Homöoplanulites sp. Brauner Jura epsilon, Zollhaus-Blumberg Schnecke: Pleurotomaria sp. Weißer Jura alpha, Epfenhofen 316

von Jura-Ammoniten auch für erfahrene Sammler keine leichte Aufgabe. Dazu kom­ men noch viele Arten von Schnecken, Muscheln, Brachiopoden und Seeigeln. Freude und Erfolgserlebnisse beim Su­ chen oder nach Abschluß einer besonders gutgelungenen Präparation sowie eine schöne und wertvolle Sammlung sind der verdiente Lohn. V iele Generationen von Sammlern durf­ ten mit dazu beitragen, wertvolle Stücke zu bergen und bei Bedarf den Museen zur Ver­ fügung zu stellen. Schon Friedrich August Qienstedt, der die grundlegenden, noch heute gültigen Werke über den Schwäbischen Jura schuf, schätzte „seine Sammler“. In seinem Werk: ,,Der Jura“, erschienen 1857, schrieb er: „Dem Gelehrten ist es da bequem gemacht, er daif nur hingehen, die Sammlung durchmustern, um in wenigen Stunden eine Belehrung davon zu tra­ gen, die er ohne diese Hi!fe durch Monate lange Mühe sich selbst kaum hätte an Ort und Stelle erwerben können. “ Auch heute ergibt sich manchmal die Gelegenheit, der Wissenschaft und den Museen wertvolle Dienste zu leisten. Z.B. 1991, Erstfund eines seltenen Sauriers mit enormem wissenschaftlichen Wert im „Schwarzen Jura“ bei Balingen-Engstlatt durch einen Sammler und dem Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart zur Ver­ fügung gestellt. Ebenfalls 1991, im Januar bei Minus 17 °C, wurde beim vierspurigen Aus­ bau der B 27 im Raum Balingen, von zwei Sammlern des Vereins für Mineralogie und Paläontologie Schwarzwald-Baar-Kreis eine Kolonie von Seelilien, ca. 25 m2, aufgewach­ sen auf einem mehrere Meter langen Stamm Treibholz vor der Baggerschaufel gerettet. Nicht jedem Sammler dürfte es vergönnt sein, auch nur einmal im Leben einen so großartigen Fund zu machen. Auch diese Rarität wurde selbstverständlich von den Findern gemeldet und befindet sich jetzt im Museum am Löwentor in Stuttgart. Bernd Frohs Naturdenkmäler im Schwarzwald-Baar-Kreis Die Serie „Naturdenkmäler“ wirbt um das Interesse für Bäume älteren Jahrgangs, die dem Naturschutzgesetz unterstellt und im Naturdenkmalbuch des Landratsamtes Schwarzwald-Baar-Kreis festgeschrieben sind. Teils versteckt in der Natur und nicht immer leicht aufzufinden, teils unmittelbar am Wegesrand oder direkt neben einer stark befahrenen Straße und dennoch unbeach­ tet: So läßt sich eine große Zahl der annä­ hernd 100 Naturdenkmäler im Kreisgebiet klassifizieren. Ausgangspunkt einer kleinen Fahrt zu Bäumen, die seit dem Jahr 1941 als Natur­ denkmäler ausgewiesen sind, kann St. Geor­ gen im Schwarzwald sein. Von hier führt die Landesstraße 175 zur etwa 4 km entfernten „Hiesemicheleshöhe“ (900 m über NN), wo ihr die von der Gemarkung Buchenberg kommende Kreisstraße 5724 begegnet. Nach wenigen Metern talwärts in Richtung Lan­ genschiltach und Tennenbronn erreicht man eine 30 Meter große Fichte. Nur wenige Schritte trennen diese Fichte von der stark befahrenen Landesstraße 175. Fälschlicher­ weise wird diese im Jahr 1810 angepflanzte Fichte auch „Große Tanne“ bezeichnet. Besonders auffallend erscheint die Fichte wegen ihres dichten Nadelkleides und ihres Stammes (3,70 m Umfang), der sich in 8 Metern Höhe gabelt. Diese Fichte hat es nicht leicht, muß sie doch tagaus tagein die Abgase einer Vielzahl von „Heiligsblechle“ ertragen. Ein hölzernes Schild an diesem Baumstamm weist auf das Naturdenkmal hin, in dessen Nähe eine Hochspannungs­ leitung über Wiesen und durch Wälder verläuft. Alter, Umwelt- und Witterungs­ einflüsse haben diese alte Fichte, die auch weiterhin den Emmissionen des vorbeizie- 317

steigt an zum „Obergropperhof“. An einer Weggabelung dieses auch mit einer land­ schaftstypischen Kapelle bereicherten land­ wirtschaftlichen Anwesens haben die beiden „Hofwächter“, wie diese Birken wegen ihrer Nähe zum Obergropperhof bezeichnet wer­ den, ihren Stammplatz. Noch vor einigen Jahren gehörte zu diesem Birken-Duo auf Gemarkung Oberkirnach eine 170 Jahre alte, 27 Meter hohe Fichte. Ein Blitzschlag brachte sie zu Fall. Übrig blieb ein Baum­ stumpf. Und die Birken? Sie hielten bisher den Belastungen durch die Witterung stand. An ihren filigranähnlichen Verästelungen wachsen zartgrüne Blätter heran; sie über­ decken das idyllische Plätzchen, an dem auch ein hölzernes Kreuz aus dem vorigen Jahrhundert steht. Es fällt nicht schwer, hier oben auf der hölzernen Bank im Schatten des Daches aus Birkenblättern innezuhalten, zu sinnieren und dem fröhlichen, harmoni­ schen Gezwitscher der Vögel, dem Klopfen des Spechtes im angrenzenden Wald zu lau­ schen und dabei die Aussicht in das reizende Große Fichte bei St. Georgen im Schwarzwald Birkengruppe beim Obergropperhof henden starken Straßenverkehrs ausgesetzt sein wird, gezeichnet. Diese Fichte auf Gemarkung Langenschiltach, deren untere Äste den Erdboden fast berühren, befindet sich in guter Gesellschaft von 3 Birken, die vor allem im Spätjahr farbliche Schönheit ausstrahlen. Apropos Birken. Schon wandern die Gedanken von diesem reizenden Land­ schaftsteil der Gemarkung Langenschiltach ab ins Groppertal zu zwei naturgeschützten Birken; die einzigen Birken, die im Natur­ denkmalbuch des Landratsamtes Schwarz­ wald-Baar-Kreis eingetragen sind. Von St. Georgen im Schwarzwald über die Bun­ desstraße 33 kommend ist bei der Straßen­ kreuzung in der Nähe des Bahngebäudes Peterzell (Straße nach links führt nach Königsfeld im Schwarzwald) nach rechts auf die Kreisstraße 5715 einzubiegen. Nach etwa 4 km zweigt ein Sträßchen in Richtung Süd­ westen ab, kreuzt Bahnlinie und Brigach und 318

Nähe vom Gelände des „Vereins für Deut­ sche Schäferhunde OG Villingen“ eine im Jahr 1725 angepflanzte Eiche, ,,die Laible­ weg-Eiche“. Sie zieht durch ihre Größe von 17 Metern und ihre formschöne vollgrüne Baumkrone mit einem Durchmesser von 10 Metern die Aufmerksamkeit der Spaziergän­ ger auf sich. Man kann dieses astreiche Naturdenkmal mit einem Stammumfang von 3 Metern nicht übersehen. Die Laible­ weg-Eiche ähnelt der etwa 500 Meter süd­ westlich entfernten, ebenfalls im Jahr 1725 angepflanzten und im Almanach 1984 (Seite 205 ff) vorgestellten „Magdalenen­ berg-Eiche“. Unter den 10 naturgeschützten und im Naturdenkmalbuch aufgenomme­ nen Eichen im Schwarzwald-Baar-Kreis sind die Laibleweg-Eiche und die Magdalenen­ berg-Eiche die zweitältesten hinter der ,,Eicheseniorin“ auf Gemarkung Tannheim, die schon im Jahre 1150 angepflanzt wurde und im Almanach 1981 (Seiten 188 ff.) beschrieben ist. Auch wenn an der Laible­ weg-Eiche das amtliche dreieckige Natur­ denkmalschild fehlt, verdient dieser Baum auch weiterhin den gesetzlich garantierten Naturschutz an einer Stelle, von wo aus der Blick frei ist auf das angrenzende Gelände, das, wenn der Winter mit Schnee nicht geizt, den rodelnden Kindern dient. Von hier aus erfaßt das Panorama auch den Aussichts­ turm und den „Rundling“ im östlichen Randgebiet des Stadtbezirks Villingen. Werner Heidinger Laibleweg-Eiche Groppertal zu genießen. Da stören auch nicht die durch das Groppertal rollenden Räder der Schwarzwaldbahn. Die letzte Station auf dieser kleinen Fahrt durch einen Teil des Kreisgebietes befindet sich in der Großen Kreisstadt Villingen­ Schwenningen, genauer gesagt an der süd­ westlichen Peripherie des Stadtbezirks Vil­ lingen. Am Weg, der zu dem südlicher gele­ genen „Laiblewald“ führt, steht in nächster Alte Obstsorten in Brigachtal wiederentdeckt Dieser Beitrag wurde durch den Autor für die Internetrecherche nicht freigegeben. 319

Alte Obstsorten in Brigachtal wiederentdeckt Dieser Beitrag wurde durch den Autor für die Internetrecherche nicht freigegeben. 320

Alte Obstsorten in Brigachtal wiederentdeckt Dieser Beitrag wurde durch den Autor für die Internetrecherche nicht freigegeben. Vorfrühling Zaghaft leise zirpt die Meise Auf rauhreifbehangnem Baum. Halbverhalten hallt die Weise In noch winterlichem Raum: Sehnsuchtstraum! Warten! – Eine Woche später Schmilzt der Schnee im Sonnenschein: Lenz! – Vom blauen Himmel späht er, Weckt die ersten Blümelein, Läutet Ostern ein. Vöglein kann nicht länger schweigen, Seine Seel‘ wird sangesfroh; Jauchzend klingt von allen Zweigen Meisenschlag als Jubilo: ,,D‘ Ziit ischt do!“*) *) Die Zeit ist da. Josef Albickert Vorherbst Das erste frühverwelkte Blatt Sinkt seufzend mir zu Füßen. Der Sommer ist des Lebens satt; Der Herbst fangt an zu grüßen. Es raunt im Rohr, es rauscht im Wald Rührseliges Geflüster. Des Nebelriesen Ungestalt Umkrallt die Sonne düster. Ein Schwermutschauer weht mich an … Die Vögel ziehn in Scharen. Ihr Liederreichtum ist vertan. Lebt wohl, ihr Lerchen, Staren! … Josef Albicker t 321

Mi Bitt‘ a dech Wenn du am Roa e Bliemli siehscht, e rars, no freudi und gucks aa, doch laß es schtau und duer ihm ninnt und bis dem Striießli guet doch gsinnt, — au andri wend e Freud dra haa. Wa häscht devu, wenn’s breche duerscht, en Stolz, daß du en Sammler bischt? Hä gang, des woascht doch du ganz guet, daß ’s Bliemli düerr word uf dim Huet und so en Stolz — e Dummheit ischt. Wenn du im Wald e Pjlänzli siehscht, e nätts, no freu di und gucks aa. Gell, looscht des Pflänzli aber schtau, es hätt i dier jo au ninnt lau; siehscht, ängschtli zittret Blättli draa. Wa häscht devu, wenn’s du riischt uus, es Freid, daß du en Schänder bischt? Hä nei, du witt dech mache bloß bi diine Litt dehoam weng groß und woascht, daß d‘ Freid nitt echt doch [ischt. Wenn du allbott e Tierli siehscht, e zarts, no freudi und gucks aa. Gell, looscht des Gschöpfli aber gau, es will sech doch nitt schtriechle lau. ’s hätt Angscht ums Lebe, merkscht ’s ihm aa? Wa häscht devu, wenn’s du druckscht doot, e Luscht, daß du vill schtercher bischt? Hä nei, du bischt doch nitt so schleacht, und woascht, di Doa des ischt nitt reacht, daß so e Luscht z’verwerfit ischt. Du woascht doch guet, daß Wald und Feld vum Herrgott sind fer alli bschtellt. Worum duerscht du denn frevle nu, rießscht ’s Pflänzli uus und werfschst devu? Koa Tierli bringt me uff de Muet und kunnt zu dir, monschts no so guet. Verscheichts ischt ’s Reh, verjagt de Has, ’s Eidechsli wuslet fort im Gras. E Vögili, wo Hunger hät, verschrocke fliiegts uffs Fenschterbrett. Guck, wie es ängschtli ’s Gsäm ufpickt und scho ischts weg, ’s hät dech verblickt. Wa kriecht und fliegt, wa rennt und schwimmt, vergeltschtret vor dir d’Flocht gschnell nimmt. Au d’Bliemli hond vor dir koa Rueh, wie zittret nu de Fraueschueh. Und ’s Ägethli verschliift is Moos, verdattret schächts drus usi blooß. De Silberdistel ischt verschlupft, er woaßt, we gearn mer ihn doch rupft. Es liitet d‘ Oschterglocke nitt, uusgriße häts seil Meidli hitt, – – Es schtoht im Wald und blüeit am Roa, ’s fliegt uf und ab, ’s huckt uf me Stoa, e Gschöpfli klei, e wundernätts, de Herrgott dipflig zoachnet hätts. Gell, laß es gau, ’s paßt nitt is Huus, – ’s ischt gschützt–sunscht dät es schtärbe uus. Gottfried Schafbuch t, Hüfingen, 1946 322

Tourismus Das Radwegegrundnetz Baden-Württemberg im Schwarzwald-Baar-Kreis – jetzt auch gut beschildert – Ein Baustein für den sanften Tourismus – Wer offenen Auges im Schwarzwald-Baar­ Kreis unterwegs ist, wird sicher die neuen Wegweisungsschilder mit dem grünen Fahr­ radsymbol und dem roten Punkt im Vorder­ rad bemerkt haben, die dem Radfahrer „sei­ nen“ Weg unabhängig vom Autoverkehr an­ zeigen sollen. Es handelt sich um Fernwege, die vorrangig dem Radwandern dienen, die teilweise aber auch der Alltagsradler nutzen kann. Kreis und Gemeinden folgten mit die­ ser Beschilderung einem Beschluß des Kreis­ tags, der sich für ein Konzept zur Stärkung des Radverkehrs ausgesprochen hatte. Um­ welt- und verkehrspolitische Gründe spiel­ ten dabei eine wichtige Rolle. Doch es galt auch, dem im vergangenen Jahrzehnt plötz­ lich wiedererwachten Drang der Menschen Rechnung zu tragen, Natur und Landschaft ohne Streß und Stau mit dem Fahrrad zu erleben. Hatte doch zuvor das Auto das Fahrrad aus dem Verkehrsgeschehen fast völ­ lig verdrängt. Auf vielen Straßen war Radfah­ ren lebensgefährlich geworden. Inzwischen waren aber zugleich zahlrei­ che schöne Wege abseits der Straßen in Feld und Wald, außerdem straßenbegleitende Wege neu entstanden. Sie mußten in Zu­ sammenhang gebracht und zu einem eige­ nen Wegesystem für den Radler vernetzt werden. Dieser Gedanke veranlaßte mich Ende der achtziger Jahre, zum Abschluß meiner Dienstzeit beim Stuttgarter Innenmi­ nisterium, ein landesweites Konzept für ein Radwegegrundnetz in Baden-Württemberg zu entwickeln. Warum sollte es nicht mög­ lich sein, auf diese Weise dem Radler jenen Erlebnisfreiraum und jenes Sicherheitsge­ fühl neu zu verschaffen, die er besaß, bevor das Auto die Straßen in Besitz nahm? Wie anders sah es doch damals aus! In gro­ ßer Zahl waren Radler auf den Straßen unter­ wegs, um Land und Leute kennenzulernen; viele gingen in größeren Gruppen auf Fahrt. Noch bis weit in die fünfziger Jahre hinein herrschte in der hiesigen attraktiven Land­ schaft selbst auf den Bundesstraßen ein reger Fahrrad-Tourismus; nur selten tauchte ein Auto auf. Wenn man anderen begegnete, rief man sich den Radlergruß, ein fröhliches ,,Servus“, zu. Schnell waren Kontakte herge­ stellt. Auch ich erwarb mir auf solchen Tou­ ren eine reichhaltige Landeskenntnis, die mir bei der Erarbeitung des Radwegegrund­ netzes sehr genützt hat. Im Landesmaßstab mußte das Netz rela­ tiv grobmaschig konzipiert werden; es bedarf Brigachtälweg tR) Donaueschingen Furtwangen St. Georgen Schwenningen • • II „II 323

auf der Kreisebene der Ergänzung durch feinmaschige Netze. Knotenpunkte im Grundnetz sind im wesentlichen die Städte als Aufkommensschwerpunkte des Radver­ kehrs. Von ihnen führen Wege sternförmig hinaus in die freie Landschaft auf andere benachbarte Städte zu. Kreise und Gemein­ den haben an der Konzeption aktiv mitge­ wirkt. Darüber hinaus haben zahlreiche orts­ kundige Radler durch Abfahren problemati­ scher Strecken die Befahrbarkeit des Netzes getestet und die am besten geeignete Weg­ führung erkundet. Straßen wurden nur bei schwachem Verkehrsaufkommen hilfsweise in das Netz einbezogen. Auf Netzlücken und Schwachstellen wurde in einer Informationsschrift hingewie­ sen, die allen berührten Verwaltungen, Ver­ bänden und sonstigen Organisationen mit der Aufforderung zugegangen ist, entspre­ chende Maßnahmen zu ergreifen. Da nur relativ wenige und meist kurze Abschnitte des Netzes betroffen sind, entsteht nur bescheidener Aufwand. Vorerst mußten sol­ che Streckenabschnitte teilweise umgangen werden, um dem Radler schon heute ein durchgängig befahrbares Netz anbieten zu können. Inzwischen hat das Landesvermessungs­ amt dieses Netz zusammen mit ergänzenden Radwegen in neun Kartenblättern des Maß­ stabs 1:100 000 dargestellt. Der Schwarzwald­ Baar-Kreis, der auf dem Blatt Schwarzwald Süd enthalten ist, bietet auf den Strecken des Grundnetzes besonders günstige Vorausset­ zungen zum Radwandern. Dazu trägt nicht nur die Schönheit der hochgelegenen Erho­ lungslandschaft mit ihren Kulturschätzen und Traditionen in Städten und Dörfern bei, sondern auch der meist fahrradfreundliche Verlauf der Wege sowohl in dem flachen, muldenartigen Gelände der Baar als auch in den meist nur mäßig ansteigenden langge­ streckten Schwarzwaldtälern. Bequem er­ reicht man nach Überqueren der Wasser­ scheide auch den Ursprung des Neckars bei Schwenningen. Von dort aus wurde im Früh­ jahr 1992 auf eine Initiative der Stadt Villin- gen-Schwenningen das erste Teilstück eines Neckartal-Radwegs kreisüberschreitend nach Rottweil eingeweiht. Nur an wenigen Stellen ist das Netz – ins­ besondere wegen Schäden an der Wegober­ fläche – verbesserungsbedürftig. Eine Rad­ fahrverbindung fehlt bisher im Tal der Gutach zwischen Triberg und Hausach. Je­ doch führt „ersatzweise“ eine landschaftlich reizvolle Verbindung von St. Georgen fast höhengleich über den Schwarzwaldkamm ins Kinzigtal bei Hausach. In umgekehrter Richtung kann der beschwerliche Schwarz­ waldaufstieg mit der Bahn auf der tunnel­ reichsten Strecke Deutschlands zurückgelegt werden. Ähnlich läßt sich aus dem Tal des Hochrheins zwischen Waldshut und Schaff­ hausen der Steilanstieg auf den Randen bequem mit dem Dampfzug der Blumberger Museumsbahn an deren Fahrtagen überwin­ den. Oberhaupt kann mit der Kombination Fahrrad/Bahn der Tourenradius beträchtlich 325

schaffenheit der Wege und die Beschilde­ rung überwacht. Es verbleibt noch die Auf­ gabe, das Netz durch weitere geeignete Ver­ bindungen von Ort zu Ort kreisweit zu ver­ dichten. Dr. Gerhard Schäller Schwarzenbachtal/Schönwald Helmut Groß erweitert werden. Auch bieten verschiedene Bahnhöfe Mietfahrräder günstig an. So wichtig die Orientierung nach der Landkarte ist, sie reicht bei dem relativ klei­ nen Maßstab 1:100 000 zu einer sicheren Wegfindung im Gelände nicht aus. Hinzu­ treten muß deshalb die Beschilderung des Netzes. Diese muß so zuverlässig sein, daß der Radler seinen Weg auch ohne ständigen Blick auf die Karte findet. Er soll den Blick frei haben, um sich an der Landschaft zu freuen und aufVerkehrsgefahren zu achten. Mit Irrfahrten und Enttäuschungen aus mangelnder Beschilderung würde dem Rad­ wandern ein schlechter Dienst erwiesen. Daher wurden Kreise und Gemeinden aufge­ fordert, die Beschilderung des Grundnetzes als Teil einer kreisbezogenen allgemeinen Wegweisung zügig durchzuführen. Für den Schwarzwald-Baar-Kreis durfte ich die vorbereitenden Arbeiten überneh­ men. So ergab es sich, daß hier die gesamte Konzeption von ihrem gedanklichen Ur­ sprung bis zur Umsetzung in Karte und Weg­ weisung in einer Hand lag. In einen Beschil­ derungsplan wurden nach eingehender Streckenerkundung die genauen Standorte der Schilder, die anzugebenden Zielorte und Hinweise zur Befestigung der Schilder aufge­ nommen. Die Zielangaben zeigen neben einem Nahziel zugleich die nächste Stadt an; der Radler wird somit in Etappen zu einem fernen Ziel weitergewiesen. Jenseits der Kreisgrenzen haben die Nachbarkreise Tutt­ lingen, Waldshut und der Ortenaukreis das Grundnetz gleichfalls beschildert, so daß Touren zum Oberrhein oder zur Schweizer Grenze möglich sind, auf denen man den Weg kaum noch verfehlen kann. Es ist zu hoffen, daß die Beschilderung des Grundnetzes eine wachsende Zahl von Radlern anlockt, auf Fahrt zu gehen und dabei die Wege zu testen. Hinweise aufMän­ gel, die der Nutzer entdeckt, helfen dem Landratsamt, für einen guten Zustand des Netzes zu sorgen. Darüber hinaus könnten interessierte örtliche Gruppen und Vereine einen Kontrolldienst aufbauen, der die Be- 326

Gastronomie Beliebtes Ausflugsziel im Groppertal Gasthaus „Forelle“ Seit Generationen ist es schon Ausflugs­ ziel von zahlreichen Sommerfrischlern, Na­ turfreunden und Radwanderern: Das urge­ mütliche Gasthaus „Forelle“. Man erreicht die „Forelle“ von Villingen aus Richtung Kurgebiet über die Höhenwege durch den Germanswald oder auf der gutausgebauten, aber verkehrsarmen Landstraße durch das romantische Groppertal. Ungefähr einen halben Kilometer, bevor sich das liebliche Tal in die Richtungen Stockburg und Peter­ zell teilt, kurz vor dem alten Schotterwerk liegt das Gasthaus. Obwohl direkt an der Straße gelegen, wirkt es sehr harmonisch in die Schwarzwaldnatur eingebettet. In der ,,Freiluft-Saison“ ladet zudem die Garten­ wirtschaft zum gastlichen Verweilen ein. Auch für Pensionsgäste stehen einige Zim­ mer für Übernachtungen zur Verfügung. Das Grundstück liegt noch auf der Gemar­ kung Unterkirnach. ,,Die Forelle“ wurde 1906/07 vom Land­ wirt Hartmann Glatz erbaut und bis 1919 von mehreren Inhabern als Gasthaus bewirt­ schaftet. 1919 kauften die Eheleute Heinrich und Wilhelmine Roller das gesamte Anwe­ sen und waren als Wirtsleute in der ganzen Umgebung bekannt und geachtet. Ein besonders beliebter Aufenthaltsort war die ,,Forelle“ auch für die immer durstigen Stein- 327

brucharbeiter vom nahen Schotterwerk, und die Fuhrleute, welche die Produkte der Stein­ brüche aus dem hinteren Groppertal mit Pferdefuhrwerken Richtung Villingen trans­ portierten. Betagte Einwohner von Unterkirnach, Stockwald und Mönchweiler erinnern sich bestimmt noch gerne an die Zeit, wie sie als junge Burschen und Maidle in der „Forelle“ ihre ersten Tanzschritte zu den Klängen eines damals hochmodernen „Orchestrions“ gewagt haben. In den Jahren 1906/07 war die­ ses wichtige Musikgerät vom Villinger Josef Stern gebaut worden und war auch noch den Gästen nach dem Zweiten Weltkrieg wohl­ bekannt. Das „Orchestrion“, heute eine wertvolle Antiquität, hat AJt-Forellenwirtin Erna Feik inzwischen in die Obhut des Vil­ linger Franziskanermuseums gegeben. Nach dem Tode von Wilhelmine Roller ging die „Forelle“ durch Erbfolge auf ihre Nichte Erna Feik geborene Thoma über. Das Ehe­ paar Feik schaffte es, die „Forelle“ in ein gut- 328 bürgerliches Gasthaus zu verwandeln, das sich zunehmender Beliebtheit erfreute. Be­ sonders gerne besucht wurde der gemütliche Treffpunkt von vielen neuen Ferien- und Kurgästen, aber auch von Wintersportlern. Diese ländliche, herzliche Gastlichkeit fand jedoch ein jähes Ende, als Kurt Feik 1980 plötzlich verstarb. Die Witwe, Erna Feik, fand glücklicher­ weise bald würdige Nachfolger: Das Ehepaar Paul und Josefine Müller, das sich schon als Pächter des „Gambrinus“ und der „Ton­ halle“ in Villingen einen ausgezeichneten Ruf als Gastronomen erworben hatte. Nach kurzer Pachtzeit wurde das Ehepaar Müller neuer Eigentümer der „Forelle“. In den fol­ genden Monaten nach dem Kauf wurde das Gasthaus gründlich renoviert und erhielt eine stilvolle rustikale Einrichtung mit fünf­ zig Sitzplätzen. Dazu kommt bei schönem Wetter noch die einladende Gartenwirt­ schaft. Die Palette der schmackhaft zuberei­ teten Speisen reicht vom deftigen Haus-

macher-Vesper bis zum festlichen Menue. Auch die umfangreiche Getränkeauswahl wird den Wünschen der Gäste gerecht. So präsentiert sich die „Forelle“ mit ihrer gut­ bürgerlichen Atmosphäre auch ideal für Familienfeste und Jubiläumsfeiern. Für gutes Gelingen sorgt Chefkoch Paul Müller mit seinem Team. Er, der seinen Beruf „von der Pike auf“ erlernt hat, kümmert sich noch im besonderen um die Belange der Gastrono­ mie. Nachdem er schon etliche Jahre als Stellvertreter fungiert hatte, wurde er 1993 zum Kreisvorsitzenden des Hotel- und Gast­ stättenverbandes, Bezirk Schwarzwald-Saar, gewählt. Nachwuchssorgen braucht sich das Wirts­ Ehepaar Müller auch nicht zu machen: Während der ältere Sohn sich sein gastrono­ misches Rüstzeug in einem renommierten Schwarzwaldhotel holt, lernt der jüngere Bruder bei seinem Vater die Geheimnisse der guten Kochkunst. So ist für eine gute Ent­ wicklung der „Forelle“ vorgesorgt. Ingrid Forster Der Schwenninger Gasthof „Zum Rößle“ Jahrzehnte hindurch kultureller Mittelpunkt von Schwenningen Am 19.Juni 1848 brannten an der Schüt­ zengasse/Ecke Herdgasse zwei aneinander­ gebaute Häuser ab. Das eine, Nr. 123, gehörte dem Sattler Johann Jakob Lauffer, das andere, Nr. 124, dem Feldmesser Erhard Weiler. So „gänzlich zerstört“ wurden die Gebäude, daß laut Angaben der Württem­ bergischen Brandversicherung dem Lauffer nur „weniges Holzwerk“ im Schätzwert von acht Gulden verblieb, dem Weiler ein Rest von 12 Gulden. Beide bauten ihre Häuser im folgenden Jahr wieder auf, aneinandergebaut wie bis­ her, doch mit etwas veränderter Baulinie. Als Weiler am 18. August 1853 an Lungenent­ zündung starb, fiel sein Besitz, da er ohne Leibeserben war, an eine Erbengemeinschaft verschiedener Verwandter. Einige Jahre später gaben die das Haus (vormals Nr. 124, jetzt Nr. 166 „in der Schüt­ zengaße“) zur Versteigerung, wo am 23./26. Januar 1857 der ledige Bäcker Christian Maier, Sohn des Glasers Johannes Maier, für 2500 Gulden den Zuschlag erhielt. Er machte sich selbständig und eröffnete in sei­ nem Haus eine eigene Bäckerei. Die ging auch gleich recht gut, in der Gewerbesteuerrolle für das Jahr 1858 wird sie als „besserer Betrieb“ bezeichnet. Dem Maier genügte das aber offenbar nicht; jedenfalls erwarb er am 12. August 1870 die persönliche Konzession zum Wein-, Bier-, Most- und Branntweinschank. Von nun an betrieb er an der Ecke Schützen- und Herd­ straße hauptberuflich eine Schankwirt­ schaft; das Bäckereigewerbe meldete er im Laufe des Jahres ab. Ob er die Wirtschaft damals gleich „Zum Rößle“ nannte, wissen wir nicht mit Sicher­ heit. Am 4. August 1871 schrieb er an das Königliche Oberamt in Rottweil: Seit ihm vor einem Jahr die Konzession erteilt worden sei, habe sich „die Frequenz meiner Wirth­ schaft in Folge der günstigen Lage meines Hauses in der Weise gesteigert, daß ich schon 2 mal meine Localitäten erweitern lassen mußte“. Täglich komme es vor, daß Fuhrleute von Trossingen, Tuningen, Deißlingen und der Umgegend ihre Pferde bei ihm einstellten und dazu auch noch „ warm zu speisen begehren“. Um den Wünschen seiner Gäste in jeder Beziehung entsprechen zu können, bäte er um die Genehmigung zum Betrieb einer Speisewirtschaft. Der Schwenninger Gemeinderat befür­ wortete Maiers Gesuch, bestätigte, daß des­ sen Haus zum Wirtschaftsbetrieb günstig gelegen sei und bescheinigte dem „Bittstel­ ler“ ein „gutes Prädikat“ sowie ca. 4000 Gul- 329

den Vermögen. Schwenningen hatte damals 4800 Einwohner. Am 26. August 1871 erhielt Christian Maier die gewünschte persönliche Konzes­ sion. Knapp vier Jahre später, am 31. Mai 1875, verkaufte er das „Rößle“ mit amt Scheuer, Stall, Schopf, Garten und Brunnen für zusammen 9500 Gulden an den „Brett­ lenmacher“ Johann Georg Pfisterer, der sich das Geld zu dem Kauf vom Villinger Breit­ müller Wilhelm Rieger geliehen hatte. Das Oberamt sprach dem Pfisterer am 12. Juni 1875 das persönliche Gastwirtschaftsrecht zu. Im Sommer 1882 baute der im 1. Stock des Ökonomieteils seines Hauses einen großen Tanzsaal ein, im Jahr darauf fügte er nach Süden zu eine Kegelbahn an.1887 erweiterte er den Scheuerteil zum Hof hin durch einen Anbau, den er bis zum 1. Stockwerk hoch­ führte, so daß er im Herbst des Jahres den ohnedies schon recht großen Tanzsaal noch­ mals erweitern konnte. Daß er entschieden auf die Tanzbegeiste­ rung der Schwenninger setzte, scheint sich für Pfisterer ausgezahlt zu haben. Denn am 19. Februar 1898 kaufte er seinem Nachbarn Erhard Müller, Bauer, Väles, dessen Haus (vormals Nr. 123, jetzt 167) mit sämtlichem Zubehör um 28.000 Mark ab, ließ es noch im gleichen Jahr abreißen und an seiner Stelle den sogenannten Saalbau errichten, ein für die damaligen Verhältnisse riesiges Gebäude von fast 650 Qiadratmetern Grundfläche. Am 24. Januar 1899 bestätigte ihm das Oberamt, daß sich sein persönliches Gast­ wirtschaftsrecht auch auf den neuen Saalbau erstrecke. Sein Bier bezog Pfisterer damals von der Rottweiler Pfauenbrauerei. Wegen der provisorischen Anbindung des neuen Saalbaus an das alte Wirtschafts­ gebäude hatte Pfisterer jahrelang Ärger mit der Baugenehmigungsbehörde, der Streit zog sich bis 1904 hin. Mitte des Jahres beauf­ tragte Pfisterer den Stuttgarter Architekten Professor Albert Bauder mit der Ausferti­ gung von Plänen für den Umbau des Wirt­ schaftsgebäudes. Am 12.Juli 1904 lieferte Prof. Bauder erste Skizzen, am 1. August bestellte Pfisterer die Ausfertigung der Pläne. Da brach vom 15. auf den 16. August 1904 kurz nach Mitternacht Das Gasthaus „Zum Rößle“ mit Saalbau im Jahre 1903 oder 1904

im Dachstock des Wirtschaftsgebäudes ein Feuer aus. Es „griff riesig schnell um sich und legte den oberen Teil des Gebäudes bald ganz in Asche, während der untere Teil … vom Feuer und Wasser schwer beschädigt wurde und mit abgebrochen werden muß“, so der Zeitungsbericht. Den Betrieb führte Pfisterer im Saalbau, so gut es eben ging, fort „und halte ich mich bei etwaigen Veranstaltungen, Hochzeitsfei­ ern etc. unter Zusicherung gewohnter bester Bedienung höflichst empfohlen“. Vom Samstag, dem 27. August 1904 an, betrieb er seinen Saalbau „in provisorischer Weise als Alltagswirtschaft“ und warb mit offenem Exportbier und Eßlinger Weißbier bei den verschiedenen Gesellschaften, Ke­ gelclubs, Vereinen und der „wehrten Bürger­ schaft“ darum, dem „Rößle“ weiterhin die Treue zu halten. Bei Familienabenden und Hochzeitsfeiern werde er die Galerie als Bier­ und Speiseraum einrichten, ,,bei kühler Wit­ terung ist der Saalbau geheizt.“ Als ). G. Pfisterers Ehefrau Anna Maria geb.Jäckle am 19. März 1905 verstarb, fiel ihr Besitzanteil am „Rößle“ an den Witwer und vier Kinder, nämlich JohannJakob Pfisterer, Verwaltungsaktuar in Trossingen, Johannes Pfisterer, Kaufmann in Schwenningen, Anna Katharina Pfisterer, ledig, und Ernst Pfisterer, Kaufmann und damals gerade Sol­ dat in Mainz. Am 5. Mai 1905 erhielt Pfisterer die Bau­ genehmigung zur Errichtung des neuen Wirt­ schaftsgebäudes. AufVermittlung des dama­ ligen Bürgerausschußobmanns, des Braue­ reibesitzers Christian Braunmüller hin kam er mit der Gemeinde Schwenningen über­ ein, die bisherige Baulinie an der Herdstraße zu ändern und in östliche Richtung zurück­ zuverlegen. Dadurch wurde die gefährlich enge Straßenpassage zwischen dem Gast­ haus „Zum Storchen“ und dem „Rößle“ er­ heblich erweitert und für den Verkehr siche­ rer gemacht. Was da im selben Jahr nach den Plänen des Architekturprofessors Bauder an der Ecke Schützen- und Herdstraße errichtet wurde, stellte alles in Schwenningen bisher dagewesene in den Schatten; es war ein in jeder Hinsicht repräsentativer Hotelbau. Im Untergeschoß befanden sich zwei Kegel­ bahnen, mehrere Bier- und Weinkeller, di­ verse Kühlräume, ein besonderer Küchen­ keller, Waschküche, Wäscheraum und eine große Plättstube; im Erdgeschoß neben einem ca. 80 �adratrneter großen Restaurant plus Büfett noch ein Nebenzimmer, ein großes Speisezimmer, ein Billardzimmer, die große Küche mit Anrichte und ein ovales Vesti­ bule. Im J. und 2. Obergeschoß gab es zwei große Säle, jeder zwei Stockwerke hoch, einer für Hochzeiten (mit Galerie) und einer für Ver­ einsfeiern, dazu im 1. OG ein Vereinszimmer und zehn Zimmer für Gäste, im 2. OG 13 wei­ tere; das Dachgeschoß bot nochmals 13 Zim­ mer und drei Kammern. Wenn wir heute, da das „Rößle“ nicht mehr existiert, den riesigen Bau auf alten Zeichnungen und Photos sehen, macht nicht nur die prächtige Fassade Eindruck, sondern auch der Mut, den Pfisterer auf­ brachte, ein solches Objekt zu realisieren. Am 7. Oktober 1905 nahm er die „vorde­ ren Restaurationslokale“ des Hauses „in all­ gemeinen Betrieb und empfehle ich nebst meinen vorzüglichen Getränken ausgezeich­ nete kalte und warme Speisen in reichhaltig­ ster Auswahl, sowie bessere Mittagstische in und außer Abonnement“. Zwei Tage später erhielt Pfisterer die Konzession zur Bewirt­ schaftung seines erneuerten Hauses. Am 15.November 1905 wurde das „Rößle“ in Anwesenheit von Schultheiß David Würth, der eine „mit Humor durchwürzte Rede“ hielt, wieder feierlich eröffnet. In der Annonce, mit der Pfisterer zum „Eröff­ nungs-Essen“ einlud, schrieb er, dem hohen Anspruch seines Hotel-Restaurants entspre­ chend, das erste der beiden Wörter mit fran­ zösischem Akzent: Hotel. Offenbar hatte sich Pfisterer mit diesem Großprojekt finanziell total übernommen. Am 3.Juli 1907 bereits wurde über sein Ver­ mögen das Konkursverfahren eröffnet. 331

Das 1905 neu erbaute, prächtige Hotel „Rifßle“ auf einem Photo um 1920. Im Vordergrund ein Mercedes Benz jener Zeit Zur Rettung des Unternehmens ward gewissermaßen als Auffanggesellschaft die „Hotel Rifßle GmbH“ gegründet, wichtigster Teilhaber war die Schwenninger Bärenbraue­ rei bzw. die Familie Braunmüller. Am 23.Oktober 1907 kaufte die GmbH den gesamten Hotelkomplex und verpachtete ihn zum 15. April 1908 an den aus Stuttgart gebürtigen Hotelier Heinrich Schumacher, der bisher ein Hotel in Mergentheim betrieben hatte. Am 14. April erhielt Schumacher die Wirtschaftskonzession, am 18. April war Eröffnung. An „Tages-Platten“ hatte Schumacher auf der Speisenkarte stehen: Kalbskopf en tortue für 90 Pfennig, denselben en vinaigrette für 80 Pf, Spargel mit Butter und Schinken für 1,30 Mark, Ochsenzunge mit Bohnen kostete 1 M., dieselbe in Madeira-Sauce mit Nudeln ebenfalls 1 M., Briesle gebacken oder 332 mit Champignons 80 Pf, dasselbe in Weiß­ wein-Sauce 80 Pf., Geröstete Maultaschen mit Salat 95 Pf., Brieslepasteten das Stück 25 Pf., ein halbes Kalbsherz mit Maccaroni 80, Ripple mit Kraut 75 Pf., ,,Ochsenschweif­ ragout“ mit Champignons war für 80 Pf. zu haben, eine halbe Kalbszunge mit Kapern­ sauce für 60, Zwiebelfleisch mit Salat für 75 Pf., ein „Matrosenfilet“ gab’s für 1,20 Mark, Kalbshaxen ebenso, Kalbsbraten in Rahm­ sauce kostete 80 und Leberknödel mit Salat 75 Pfennig. Ob sich Johann Georg Pfisterer seines geschäftlichen Niedergangs wegen in Schwen­ ningen nicht mehr sehen lassen mochte? Jedenfalls verzog er am 31.März 1908 ins Aus­ land, sprich: ins badische Villingen; 1911, kurz vor Weihnachten, kam er dann aber doch wieder nach Schwenningen zurück. Zum 1. April 1909 -Schwenningen hatte

damals knapp 14.000 Einwohner und durfte sich seit zwei Jahren Stadt nennen -verpach­ tete die Rößle GmbH das Hotel an den aus Cannstatt stammenden Wirt Christian Karl Friedrich (,,Fritz“) Vetter und den Weinhänd­ ler Erhard jauch. Am 16. März 1909 erhielten sie die Wirtschaftsgenehmigung. Der im Gastwirtschaftsgewerbe außer­ ordentlich erfahrene Vetter (er war als Ober­ kellner nach Schwenningen gekommen und hatte von 1894 an 15 Jahre lang das Hotel „Zum Bahnhof“ betrieben) mochte nicht auf alle Zeit nur Pächter einer Wirtschaft sein. 1911 hatte er das Geld zusammen, um sich ein eigenes Hotel zu bauen: das „Hotel Vetter“, später „Central-Hotel“, heute „Hotel Royal“ in der August-Reitz-Straße 27. Die Hotel Rößle GmbH entschloß sich, vom 1.Juli 1911 an ihr Hotel auf eigene Rech­ nung durch ihren Geschäftsführer, den Kaufmann Richard Braunmüller, und in des­ sen Stellvertretung durch den aus Reichels­ heim im Odenwald gebürtigen Oberkellner Richard Trautmann zu betreiben; am 13.Juni 1911 erhielt sie dazu auch die oberamtliche Genehmigung. 1912 veranlaßte der Schwenninger Ge­ meinderat, daß sämtliche Gebäude neu numeriert wurden; Schützenstr. 2-4 lautete jetzt die Adresse des „Rößle“ (vordem Nr. 166) mitsamt Saalbau (bislang Nr. 167). Am 19.Mai 1921 bestellte die Rößle GmbH einen neuen Geschäftsführer: Emil Stoff, Landwirt in Erzingen bei Waldshut; schon am 29. No­ vember wurde er von dem aus Trasadingen/ Schweiz gebürtigen Deutsch-Amerikaner Otto Stoff abgelöst. Der bat per Schreiben vom 22. August 1922 das Oberamt um die Genehmigung, selbst das „Rößle“ als Wirt umtreiben zu dürfen. Als die Behörde zögerte, ihm die Konzession zu erteilen, nahm er kurzerhand ohne Genehmigung den Betrieb auf, wobei sein Bruder, der Konditor Rudolf Stoll, als sein Stellvertreter fungierte. Mitte Juni 1923 wurde ihm seitens des Oberamts bedeutet, daß sein Gesuch aus bestimmten Gründen wenig Aussicht auf Erfolg haben werde; da verpachtete Otto Stoll das „Rößle“ im Namen der GmbH an seinen Bruder Rudolf, der nun seinerseits um die Wirtschaftserlaubnis einkam. Am 5.Sep­ tember 1923 entsprach das Oberamt dem Ersuchen. Es war Inflationszeit, und Rudo!f Stoff hatte über 20 Millionen Mark an Kon­ zessionsgebühren zu zahlen. Am 13. Oktober 1923 kaufte die Stadt Schwenningen das Hotel mitsamt dem Saal­ bau für 126.000 Goldmark. Die Existenz der Rößle GmbH hatte sich damit erübrigt, und entsprechend auch die Rolle Otto Stolls als deren Geschäftsführer, er wolle – so die Stadt in einem Schreiben ans Oberamt – in den nächsten Tagen nach Amerika abreisen. Unter mehreren Hotelfachleuten, die sich der Stadt als Pächter anboten, wählte sie den aus Freudenstadt stammenden Wirt Gustav Müller, zuletzt Betreiber des Restaurants „Concordia“ in Cannstatt; am 1. November 1923 übernahm er den Betrieb (vorläufige Konzession vom 5.11.1923, endgültige vom 2. 4.1924). Die Stadt machte verschiedene, vergeb­ liche Anläufe, das „Rößle“ wieder zu verkau­ fen. Als mögliche Käufer traten unter ande­ ren auf: der aus Unterschlauersbach bei Fürth stammende Privatier Christoph Dür­ schinger und der aus Kassel gebürtige Alfred Gümpel, Hotelier in Eisenach/Thüringen. Am 24. April 1925 gründeten Dürschinger und die aus Colmar im Elsaß stammende Karoline Gümpel geb. Hauser, Ehefrau des Alfred Gümpel, zum Zwecke der Über­ nahme des Hotels die Firma „Hotel Rößle in Schwenningen a. N. GmbH“ mit den beiden Genannten als Geschäftsführer (Eintrag ins Handelsregister am 25.Juni 1925). Zum Verkauf kam es aber nicht. Doch erhielt die neue Rößle GmbH für ihre Geschäftsführer Christoph Dürschinger und Karoline Gümpel am 30. Juni 1925 die vor­ läufige und am 19. August die endgültige Erlaubnis zum Betrieb des Hotels. Ihnen folgten in der gleichen Funktion mit Konzession vom 13. und 23. April 1927 der aus Oberjettingen im Oberamt Herren- 333

berg gebürtige bisherige Gastwirt des „Fel­ sen“ in Villingen, Matthäus Wörner, und des­ sen Schwager, der vom Kniebis stammende Landwirt und Holzhändler Wilhelm Rothfefs. Wörner und Rothfuß luden auf den 2.Mai 1927 zu einem „Eröffnungs-Essen mit Konzert“ ein und behaupteten selbstsicher, „daß wir das Hotel Rößle käuflich erworben und am 1. April ds.Js. bezogen haben“. Das stimmte insoweit, als sie mit der Stadt am 7. März 1927 einen entsprechenden Kaufver­ trag (Kaufsumme: 235.000 Goldmark) abge­ schlossen hatten. Die Auflassung wurde je­ doch nie vollzogen, weil Wörner und Roth­ fuß außer einer Anzahlung von 45.000 Gold­ mark keine weiteren finanziellen Mittel auf­ bringen konnten. Der „Rößle“-Saalbau war der mit Abstand bedeutendste kulturelle Ort in Schwennin­ gen. Bei enger Bestuhlung faßte da Parkett 820, die Galerie 300, der ganze Saal also bei ,,Theaterbesetzung“ zusammen 1120 Perso­ nen, dazu noch etwa 80 Stehplätze. Unzäh­ lige Vereins- und Jahrgangsfeiern, öffentli­ che Veranstaltungen, Jubiläen, Schulfeiern, Konzerte und Theateraufführungen haben hier stattgefunden. Es gab im „Rößle“ auch ein großes Kino, außerdem genügend Stal­ lungen und Remisen für Kutschen, hernach Garagen für Autos. Selbstverständlich war das „Rößle“ auch für die Geschäftsreisenden ein Begriff. 1931 erstreckte sich die Bewirtschaftung des Hotels mit Saal bau auf vier Wirtschaftszim­ mer und den Saal, zwei Kegelbahnen und vierzig Fremdenzimmer in drei Stockwerken mit Fremdenbeherbergung und Ausschank von Getränken aller Art. Am 20. Oktober 1934 verkaufte die Stadt das „Rößle“ an die hiesige Bärenbrauerei AG. Zuvor wurde am 12. und mit Wirkung vom 31. Oktober 1934 der seinerzeit mit Wörner und Rothfuß geschlossene Vertrag aufgeho­ ben. Ein Versuch der Ehefrau Wörners, die Stadt zur Zahlung einer „Abfindung“ von 20.000 Mark an jede der beiden Familien Wörner und Rothfuß zu bewegen, schlug fehl, obwohl sie, um ihre Forderungen zu 334 verstärken, eigens einen Brief an „unsern Führer Reichskanzler Adolf Hitler“ auf den Obersalzberg (bei Berchtesgaden) geschickt hatte mit der Bitte, zu helfen, ,,daß wir zu unserm Recht kommen“. Die Stadt konnte leicht nachweisen, daß ihr bedeutend größe­ rer Schaden durch „Weniger-Erlös“ und Ver­ zicht auf Zins- und Steuerrückstände ent­ standen war. Die Bärenbrauerei, vertreten durch den Vorstand Erwin Braunmüller, erhielt am 30. Oktober 1934 die Erlaubnis zum Betrieb des Hotels. Als Wirt fungierte im Auftrag und für Rechnung der Brauerei fortan der Koch und vormalige Eigentümer des „Hotel Vetter“ (heute Hotel „Royal“, August-Reitz­ Str. 27), Arthur Vetter, der nach der 1932 erfolgten Versteigerung des einst von seinem Vater Fritz erbauten Hotels zunächst in der Herdstraße 17 über dem „Cafe Schlenker“ eine „Pension Vetter“ betrieben und dann auch der Turngemeinde Schwenningen beim Wirtschaftsbetrieb ihres Turnerheims ,,Waldeck“ geholfen hatte. Wegen zahlreicher Ein- und Umbauten wurde das „Rößle“ samt Saalbau nur für bestimmte Veranstaltungen wie Theaterauf­ führungen, Konzerte, Vereinsfeiern usw. geöffnet, während der eigentliche Hotel­ betrieb mit Fremdenbeherbergung usw. ruhte und nur der Restaurationsbetrieb im großen Saal des Hotels bei Veranstaltungen sichergestellt war. Zwei Jahre dauerte der Umbau; dabei wurde das Äußere des Hauptgebäudes an der Ecke Schützen- und Herdstraße vollkom­ men verändert, der Zeitgeist war der ver­ spielt-schönen Fassade abhold und ergötzte sich stattdessen am „Gradlinigen“. Von nun an bot das „Rößle“ nach außen hin außer Größe nichts Besonderes mehr. Es wäre kaum verwunderlich, wenn am Ende auch diese Schmucklosigkeit das ihre zum Unter­ gang des einst prächtigsten Hotelbaus Schwenningens beigetragen hätte. Im Februar 1936 bestellte die Bärenbraue­ rei den aus Mosbach stammenden Küchen­ chef Karl Friedrich Wetzei zum Geschäfts-

.-.,.,._–,,,_….7�—-��:- f .. Das „Rößle“ nach den Umbauten der Jahre 1935 und 1936 führer im „Rößle“. Nachdem das Hotel zu­ nächst am 29. April 1936 noch einmal für einen Tag geöffnet worden war, begann am 25. Mai 1936 um 18 Uhr wieder der Dauer­ betrieb. Am 17. September 1939 war das Hotel „Rößle“ vorerst zum letztenmal geöffnet, die Wehrmacht beschlagnahmte es entspre­ chend dem gültigen Mobilisierungsplan als Reservelazarett (Nr. 96 7 6) und zu Luft­ schutzzwecken, der Wirtschaftsbetrieb mußte eingestellt werden. Am 18. September wurde das gesamte Inventar des Hotels, angefangen vom Garderobenständer der Kegelbahn bis hin zum Matratzenschoner im „Burschen­ zimmer“, der Wehrmacht übergeben. Karl Wetzei war noch bis zum 6. November, dem Tag seiner Einberufung zur Wehrmacht, im Dienst der Bärenbrauerei als „Rößle“­ Geschäftsführer tätig. Die örtliche Zeitung „Neckarquelle“ bedauerte am 21. September 1939, mit dem Dämmerschoppen und dem Kegeln werde es im „Rößle“ jetzt wohl bis auf weiteres vorbei sein. ,,Die schönste Unterkunft werden die Verwundeten … haben. Viele … werden die­ ses beliebte, gemütliche Restaurant vermis­ sen … , aber niemand wird sein, der nicht denen, die für die Zukunft Deutschlands geblutet haben, diese schönen hellen Räume … gönnen würde.“ Zu allem Überfluß wollte nun auch noch die Berliner „Reichsstelle für Getreide, Fut­ termittel und sonstige landwirtschaftliche Erzeugnisse“, den Saal des „Rößle“ für die Lagerung von 300 Tonnen Getreide in Anspruch nehmen. Dagegen konnte sich die Bärenbrauerei aber mit Hinweis auf die Beschlagnahme erfolgreich zur Wehr set­ zen. Am 14. Oktober 1939 ließ das Wehrkreis­ kommando V in Stuttgart wissen, das „Rößle“ werde als Reservelazarett vorerst nicht mehr benötigt und als „Kader-Laza­ rett“ stillgelegt. ,,Es ist deshalb baldmög­ lichst seiner ursprünglichen zivilen Verwen­ dung wieder zuzuführen, jedoch unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß bei Wieder­ bedarf Wiedereinrichtung in möglichst kur­ zer Zeit erfolgen kann.“ 335

Das war ja eine schöne Bescherung! Als der Chef der Bärenbrauerei, Erwin Braun­ müller, am 20. Oktober 1939 von der Verfü­ gung Kenntnis erhielt, schrieb er dem im Schwenninger Krankenhaus (heute Bürger­ heim, Mauthestr. 11-13) residierenden Laza­ rett-Chefarzt Dr. von Hertlein: ,,Es ist uns … unmöglich, den Betrieb nur so aufzuneh­ men, daß das Haus bei Wiederbedarf als Reserve-Lazarett in möglichst kurzer Zeit geräumt werden kann.“ Bei der Beschlagnahme am 18. September habe das gesamte 22köpfige Personal sofort entlassen werden müssen. ,,Sämtliches loses Inventar (Silber, Porzellan, Gläser u. a. m.) in einem Wert von etwa 50.000 RM wurde sorgfältig in Kisten verpackt und mit vielen anderen Gegenständen in ein leerstehendes Privathaus verbracht.“ Arbeit und Zeitaufwand seien ungeheuer groß gewesen; alle verderblichen Lebensmit­ tel, ,,darunter auch zwei selbst gemästete, lebende Schweine“, habe man abgegeben. „Für die Wiedereröffnung des Hauses fehlte es demnach an der ersten Voraussetzung, nämlich an den Lebensmitteln, die nun weg sind und unter den heutigen Verhältnissen für einen Hotelbetrieb überhaupt nicht beschafft werden können. Das Personal hat sich verlaufen und andere Stellen angenom­ men. Neues Personal .. . zu bekommen, ist rein unmöglich.“ An die Wiederinbetrieb­ nahme des Hotels sei nur zu denken, wenn das Haus vollständig und für immer freigege­ ben werde. Am 25. Oktober 1939 wurde das „Rößle “ durch einen förmlichen Übergabe-Vertrag ,,zur zivilen Verwendung widerruflich freige­ geben“, das sichergestellte Inventar zurück­ gegeben. Der Bärenbrauerei nützte das aber recht wenig. Ihr ging es jetzt schon entschieden um die Frage der Entschädigung für „das einstweilige Zurverfügungstellen der gesam­ ten Räume mit der für ein Lazarett notwendi­ gen Einrichtung, insbesondere der Betten … Alles, was in Jahren mühsam aufgebaut wurde zum guten Ruf des Hauses, ist dahin.“ 336 Als „Vergütung“ gestand das Deutsche Reich (Reichsfiskus Heer) der Bärenbrauerei in einer (von dieser nicht unterzeichneten) Vereinbarung vom 15.Juli 1940 für die Zeit vom Beginn der Beschlagnahme bis zur widerruflichen Freigabe ganze 5939 Reichs­ mark und 29 Pfennige zu. Zwar setzte Braunmüller sich gegen die unbefriedigende Behandlung zur Wehr, es half jedoch nichts; auch das den Eheleuten Wetzei über das ursprüngliche Kündigungs­ datum 31. September hinaus auf „Befürwor­ tung“ der Deutschen Arbeitsfront bis zum 31. Dezember 1939 gezahlte Gehalt wurde der Bärenbrauerei nicht erstattet. Immer­ hin erhielt sie nach Neuberechnung vom 9. März 1942 noch eine Nachzahlung von 503,21 RM. Als am 20. April 1945 mit dem Einmarsch der französischen Truppen in Schwenningen der Krieg zu Ende ging, wurde das „Rößle“ gleich wieder beschlagnahmt, Einheiten des 1. Infanterieregiments, die Stabskompanie und der Musikzug wurden dort unterge­ bracht. Am 25. Februar 1949 schrieb die Bären­ brauerei an das Landratsamt in Rottweil: „Wenn wir könnten, würden wir das Hotel Rößle gerne umtreiben. So aber konnten wir seit 1939 keinen Liter Bier mehr auf dem Hause verkaufen. Und nur des Bierabsatzes wegen haben wir das Haus seiner Zeit über­ nommen.“ Die Brauerei hatte sorgfältig dar­ auf geachtet, daß die Wirtschaftsberechti­ gung für das „Rößle“ immer rechtzeitig ver­ längert wurde. 1951 wurde das Hotel von der Besatzungs­ macht freigegeben; da war es durch die jahre­ lange Belegung so heruntergekommen, daß man um eine umfassende Instandsetzung nicht herumkam. Erst am Samstag, dem 14.März 1953, um 17 Uhr, wurde das „Rößle“ wieder eröffnet. Die Lokalzeitung „Neckarquelle“ schwärm­ te: ,,Durch den vorgenommenen Umbau wurde eine recht moderne, gefällige und teil­ weise sogar recht elegante Wirkung erzielt, obwohl keine überteuerten Materialien Ver-

wendung fanden. Allerdings griffen Archi­ tekt und Handwerker auf Bau- und Werk­ stoffe zurück, die derzeit die neuesten auf dem Markt sind, und … immer setzten die Schwenninger Handwerker ihren Ehrgeiz und ihr Können ein, um diese auffallend gute Geschmackswirkung zu erzielen.“ Der erste Geschäftsführer Franz Schicker zog zum 1. Oktober 1955 schon wieder ab, am gleichen Tag stieg der aus Stuttgart gebür­ tige Hotelier Carl Scheu.feie, bislang Betreiber der Hotel-Gaststätte „Olgahöhle“ in Honau bei Reutlingen, als Pächter im „Rößle“ ein. Per Zeitungsannonce machte er auf den „gro­ ßen Parkplatz direkt beim Hause mit geheiz­ ten Garagen“ aufmerksam und versprach ,,erstklassige Küche bei mäßigen Preisen“. Die Gewerbeerlaubnis (vorl. 3. 11. 1955, endg. 4. 1. 1956) erstreckte sich auf 4 Wirt­ schaftszimmer im Erdgeschoß, 2 Kegelbah­ nen im Untergeschoß und 33 Fremdenzim­ mer, davon 9 im ersten, 12 im zweiten und weitere 12 im dritten Stock. Als nächster Pächter übernahm zum 15. August 1957 der aus Karlingen Kr. For­ bach im Bezirk Saargemünd in Elsaß­ Lothringen stammende Hotelier Gustav Ber­ loger die Leitung des „Rößle“, am 29.August begann er zu wirten (vorl. Erl. 30. 9. 1957, endg. 12. 3. 1958). Auf seiner Speisenkarte fand man unter anderem – wen wundert’s? – ,,Junge Rebhühner Elsässer Art“. Berloger starb am 5. August 1961, und der aus Triberg gebürtige Koch und Gastwirt Willi Ifzrmann, bis dahin Wirt im „Alphotel Malakoff“ in Wiesensteig Kr. Göppingen, wurde mit Vertrag vom 26. September neuer Pächter und Wirt im „Rößle“. Am 16. Okto­ ber 1961 begann er, unterstützt von H. Thiem, zu wirten (vorl. Erl. 2.11.1961, endg. 3.1.1962). Am 26. Februar 1966, einem Samstag, kam in der örtlichen Zeitung „Abschieds­ stimmung“ auf; das Hotel „Rößle“, das als Stätte der Gastlichkeit „im ganzen Lande wohlbekannt“ und mit seinen gediegenen Inneneinrichtungen und dem Saal (,,das höchste der Gefühle“) einst das erste Haus am Platze gewesen sei, solle zu Wochen­ beginn geschlossen werden. Zwar habe sich, hieß es da, die „exponierte Lage“ an der Straßenkreuzung „mit dem Anschwellen des Verkehrs und des damit verbundenen Lärms als wenig günstig“ erwiesen, dennoch: es mache traurig, sich vorzustellen, daß in wenigen Monaten viel­ leicht schon „an seiner Stelle ein … schmuckloserer und nur zweckgebundener Geschäftsbau“ entstehen könnte. ,,Wollen wir hoffen“, so der Kommentator, ,,daß der unvermeidbare Abbruch des Rößle ein Ansporn für unsere Stadtplaner ist, an der Rößle-Kreuzung ein Musterbeispiel fort­ schrittlicher Verkehrsplanung zu exerzie­ ren.“ – Der Wunsch hat sich in den seither vergangenen 25 Jahren nicht erfüllt. Am 28. Februar 1966 wurde der Wirt­ schafi:sbereich eingestellt. Ganz zu Ende war’s mit dem „Rößle“ aber dann doch noch nicht. Der· Essener Kaufhauskonzern If{ar­ stadt AG erwarb am 23. November 1967 das Anwesen, vermietete das Erdgeschoß des Hotels über seine Hanauer Tochterfirma Friedrich Schwab AG Überlandversand bereits am 18. September des Jahres dem aus Mannheim stammenden Elektriker Alfred Karl Heus/er, mit dem Ziel, darin eine „Tanz­ Diskothek“ mit zugehöriger Schankwirt­ schaft einzurichten. Heusler seinerseits gab die Räumlichkei­ ten am 1. Oktober dem aus Königsberg in Ostpreußen gebürtigen bisherigen Wirt im Villinger Tanzcafe „Estrada“, Hans-Jürgen Browarczyck, in Unterpacht. Nachdem ihm amtlicherseits die Gewerbekonzession in Aussicht gestellt worden war, eröffnete Browarczyck am Samstag, dem 21. Oktober 1967, die „Rößle-Tanzdiskothek“ mit täg­ lichem „Beat und Sweet“ und dem „Disc­ jockey“ Claus Hilbert aus München. An den ersten beiden Tagen war der als ,,Waggon-Wheel-Ranch“ ausstaffierte ehe­ malige Speise- und nunmehrige Tanzsaal gerammelt voll, zeitweilig mußte er sogar wegen Überfüllung geschlossen werden. Die Geschäftsleitung legte deshalb noch eins 337

drauf und engagierte zum 1. November den damals „populärsten deutschen Schallplat­ ten-Jockey“ namens Teddy Sonntag, eben­ falls ein Münchner. Vom 27. Oktober 1967 an stand auch das große Bierlokal in der Nordwestecke des Gebäudes wieder zur Ver­ fügung. Am 9. November 1967 erhielt Browarczyck die endgültige Betriebserlaubnis, am 31. März 1968 war sein Wirken bereits wieder beendet. An seine Stelle trat zum 1.April die aus Dres­ den gebürtige Hausfrau Erika Dorothea Hutter geb. Krause. Zwar erhielt sie am 10. April die vorläufige Erlaubnis zum Be­ trieb der Tanz-Diskothek, sie begann auch zu wirten, aber zur Erteilung der endgültigen Wirtschaftskonzession kam es nicht mehr; am 20. Juni 1968 setzte der Hauptpächter Alfred Heusler den Schwenninger Kraftfahr- zeugmechaniker Heinz Mehne als U n terpäch­ ter der Diskothek ein. Dem wurde noch am gleichen Tag die vor­ läufige Gewerbeerlaubnis erteilt, doch schon am 21.Juni verpachtete Heusler die Disko­ thek erneut an Erika Hutter; Mehne zog sei­ nen Erlaubnisantrag am 24.Juni 1968 wohl oder übel wieder zurück. Nach einigem Hin und Her stellte das städtische Ordnungs­ und Gewerbeamt der Erika Hutter am 8. No­ vember 1968 die endgültige Gewerbeerlaub­ rns aus. Ein knappes Jahr später gab es das einst so stattliche „Rößle“ nicht mehr. Drei Wochen brauchte eine Abbruchfirma aus Bischoffin­ gen bei Freiburg im Oktober 1969, um den großen Gebäudekomplex dem Erdboden gleich zu machen. Dr. Manfred Reinartz Baden-württembergische Jugendmeisterschaften in den gastgewerblichen Ausbildungsberufen Landesberufsschule für das Hotel- und Gaststättengewerbe bringt immer wieder Deutsche Meister hervor In der Landesberufsschule für das Hotel­ und Gaststättengewerbe werden alle zwei Jahre die baden-württembergischen Landes­ meisterschaften für die gastgewerblichen Ausbildungsberufe, Koch/Köchin, Hotel­ fachmann/-frau, Restaurantfachmann/-frau, Fachgehilfe/-in, durchgeführt. Träger dieser Veranstaltung sind der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DeHoGa), der Verband der Köche Deutschlands (VKD) und der Ver­ band der Serviermeister und Restaurant­ und Hotelfachkräfte (VSR). Der Landkreis Schwarzwald-Baar stellt die Schule für die Ausrichtung zur Verfügung. Für Schulorganisation, Lehrer und alle Helfer stellt dies immer wieder eine große Herausforderung dar, diese zweitägige Ver­ anstaltung vorzubereiten und durchzufüh­ ren. Dabei werden jedesmal 40 bis 50 Teil­ nehmer und 20 Jurymitglieder erwartet. Am Freitag reisen die Teilnehmer, die sich bereits in regionalen Meisterschaften qualifi­ ziert haben oder von den Industrie- und Handelskammern sowie den Landesberufs­ schulen als Prüfungsbeste nominiert wur­ den, bis zum Mittag an und beziehen im Internat der Landesberufsschule ihre Zim­ mer. Dort erhalten sie auch Mittag-, Abend­ essen und Frühstück. In den verschiedenen Ausbildungsberufen müssen die unterschied­ lichsten Arbeitsproben absolviert werden. Am Nachmittag beginnt die Meisterschaft mit dem theoretischen Teil. Die Teilnehmer werden schriftlich in der jeweiligen Fach­ kunde und im Fachrechnen geprüft. Am Abend steht eine Materialerkennung quer durch das Hotel- und Gaststättengewerbe – von Fisch über Kräuter bis zu Gläserformen und Kreditkartenbelegen – auf dem Prüf­ plan. Anschließend wird dann noch über das 338

bereits Geleistete und das noch Bevorste­ hende sowohl von den Wettbewerbsteilneh­ mern als auch von denJurymitgliedern dis­ kutiert. Die schriftlichen Arbeiten werden am Abend noch korrigiert. Der zweite Tag, der Samstag, beginnt schon um 6.30 Uhr mit dem Frühstück, um dann den achtstündigen praktischen Prüfungsteil in Angriff zu neh­ men. Die Hotelfachleute, die alle Sparten der Hotel- und Gaststättenbetriebe in der Aus­ bildung durchlaufen, entwerfen ein fünf gän­ giges Menü nach der Jahreszeit mit korre­ spondierenden Getränken, besänftigen in Am 4. 6.1994fanden im„Haus des Bürgers“in Bad Dürrheim zwei internationale Service­ Wettbewerbe statt, bei denen unter 21 Teilneh­ mern aus 12 Ländern der vom Landkreis gestiftete Schwarzwald-Baar- Wanderpokal und der „ Coupe Georges Baptiste“ vergeben wurden. Unsere Bil­ der zeigen – beobachtet von einer kritischen Jury – Teilnehmer am Wettkampf 339

einem Rollenspiel einen reklamierenden Gast, reinigen und versorgen ein Hotelzim­ mer nach einer Gastabreise und müssen sogar einen Knopf an eine Bluse annähen und ein Hemd bügeln, ebenso schreiben sie ein Angebot an einen anfragenden Hotelgast und servieren beim Mittagessen das Fest­ menü. Die Köche erhalten einen Warenkorb, aus dem sie ein Viergangmenü nach eigenen Ideen und Kreativität zubereiten. Dabei wird nicht nur auf Hygiene und Sauberkeit am Arbeitsplatz, sondern auch auf die Material­ auswertung nach Kostengesichtspunkten sowie auf Geschmack und Anrichteweise geachtet. Es ist immer wieder beeindruk­ kend, welch unterschiedliche Kreationen aus den gleichen zur Verfügung stehenden Grundmaterialien hervorgebracht werden. Die Restaurantfachleute decken Tische nach fachlichen Regeln ein, dekorieren diese Tische, tranchieren Fleisch und Fisch, Aam­ bieren Süßspeisen am Tisch des Gastes und stellen Mixgetränke her. Außerdem leiten sie den Service beim Mittagessen. Nach Abschluß des Menüs, das gelade­ nen Gästen im Restaurant der Schule serviert wird, steigt die Spannung immer mehr, jeder möchte wissen, wer wohl in den einzelnen Berufszweigen gewonnen hat. Die Juryvor­ sitzenden nehmen anschließend die Sieger­ ehrung in der Art vor, daß vom Viertplazier­ ten angefangen bis zum Sieger die Spannung immer mehr ansteigt, alle anderen werden auf den fünften Platz eingereiht. Nach Über­ reichen von Urkunden, Fachbüchern, dem Schießen von Pressefotos und zahlreichen Glückwünschen endet dann dje Veranstal­ tung mit der Einladung an die ersten Vier im jeweiligen Beruf, an einer gemeinsamen Stu­ dienfahrt teilzunehmen. Außerdem wird mit den drei Erstplazierten in jedem Beruf über den Termin für das Training zur Teilnahme an der Deutschen Jugendmeisterschaft in den gastgewerblichen Ausbildungsberufen diskutiert. Die ersten Drei haben nämlich auch die Fahrkarte nach Köln zur Deutschen Meisterschaft erreicht. 340 Vor dieser Meisterschaft trifft sich das Team drei Tage lang an einem Wochenende in der Villinger Schule, um sich auf diesen Berufswettkampf vorzubereiten. Dabei über­ nehmen drei Lehrkräfte der Landesberufs­ schule die Aufgabe, die jungen Fachkräfte, die im Teilnahmejahr ihre Gehilfenprüfung ablegen müssen, auf diese Meisterschaft hin zu trainieren. Konzentriert wird die Zeit genutzt, um nochmals das zu üben, was möglicherweise in Köln gefordert wird. Noch wichtiger ist es jedoch, ein Team zu formen, das bei der Deutschen Jugendmei­ sterschaft das Bundesland Baden-Württem­ berg gut vertritt. In den letzten Jahren ist dies immer wieder gelungen. Es wurden Gesamt­ siege als Mannschaft, Einzelsiege in den jeweiligen Berufen sowie hervorragende Pla­ zierungen erreicht, auf die die Teilnehmer, das Hotel- und Gaststättengewerbe in Baden-Württemberg und nicht zuletzt die Villinger Landesberufsschule für das Hotel­ und Gaststättengewerbe stolz sein können. Karl-Josef Wolfert Kriesiäm i de Boor D‘ Kriesibämm schtond hie veronzelt. Seärber sinds und blüeiet spoot. ’s lmmli duet e weng dra neise, bis im Feld si Heärdli schtoht. Giit es endli 1100 mol Kriesi, därfets d’Buebe ugschtrooft neä. … Pferchet i de Schtroßegrabe kleiweng Hiit und Hiife Schteä. Gottfried Schafbuch t Kriesiiim = Kirscbenemte vero11zelt = verei11zelt Seiirber neise Heiirdli 11gscbtrooft = 1111gestraft pfarcbet Hiit Hiifa Scbteii = Ha11fan Kirschensleine = verk1immerte Gestalten = sclmeige, 11ascben = kleiner Kochherd = die Hosen 11111kebren 11sw. =Hiiute

Sport Christof Duffner Olympia-Gold für einen Schönwälder Skispringer Am 16. 12. 1971 wurde Christof Duffner gebo­ ren und wuchs gemein­ sam mit seiner Zwillings­ schwester Martina und seiner jüngeren Schwe­ ster Daniela in Schön­ wald auf Dort besuchte er die Schule und im benachbarten Furtwan­ gen erlernte er den Beruf des Werkzeugmachers. Schon sehr früh zeigte sich seine Begeisterung fürs Skispringen und so begann er nach den ersten kleinen Erfolgen bei Schülerskiwettkämp­ fen bald mit seinen On­ keln aus Bad Griesbach ernsthaft zu trainieren. Die beiden Huber-Brü­ der waren im Schwarz­ wald recht erfolgreiche Springer gewesen – so gut wie sie wollte Chri­ stof damals werden. Bald zeichneten sich die ersten Erfolge un Schülerbereich des Schwarzwalds ab, sie gaben weiteren Ansporn, und nachdem Christof nun auch im Sommer regelmäßig auf Bad Griesbachs Matten- schanzen trauueren konnte, gelang ihm 1985 erstmals der Sprung in den Schülerkader des Skiverbands Schwarz­ wald. Christofs „Schwäche“, er stellte im Flug den rechten Fuß seitlich weg – was ihm bei der damals noch üblichen klassisch-paralle- 341

Als verdiente Ehrung zeichnete ihn der Deutsche Skiverband mit dem „Goldenen Ski“ für den besten Skispringer aus. Die letzte Saison 1993/94 begann für Chri­ stof Duffuer mit Verletzungen, technischen Problemen und einem Sturz. Nachdem die Qialifikation für seine zweite Olympiateil­ nahme (1. Albertville 1992) gesichert war, schien es wieder „bergauf“ zu gehen. Trotzdem eher unerwartet errang „Duffi“ gemeinsam mit Jens Weiß flog, Dieter Thoma und dem Nachbar und Freund aus Schonach HansjörgJäkle in einem spannenden Finale den Olympiasieg in der Mannschaft auf der Großschanze in Lillehammer vor Japan und Österreich. Und Schönwald feierte seinen ersten Olympiasieger!!! ,,Duffi“ nennt man ihn allerorts, mit die­ sem Spitznamen wird er auch überall ange­ feuert, wo deutsche Fans an den Schanzen stehen. Einen eigenen „Duffi-Fan-Club“ hat er sogar, und so sehr er die Reisen in alle Welt und die Atmosphäre der großen sportlichen Ereignisse genießt, so fühlt er sich doch zu Hause bei Familie und Freunden am wohl­ sten. Christof Duffner, ein Ausnahmesportler, lustig, liebenswert und bescheiden, und so feiern die Schönwälder nicht nur seinen Olympiasieg. Er ist auch im Erfolg einer der ihren geblieben. Hans Göppert Jen Skiführung erhebliche Punktabzüge ko­ stete – wurde dem Schönwälder Springer­ talent bald zum Vorteil. In dieser Zeit begann der sogenannte V­ Stil (vom Schweden Jan BokJöv erstmals gesprungen) immer mehr Anhänger zu finden. Und so stellte Christof Duffner im Laufe der Zeit den linken, genau wie den rechten Fuß seitlich aus und gehörte damit schon bald zu den ersten und perfektesten V-Springern in Deutschland. Das war die technische Grundlage für seine Erfolge, nachdem er schon 1988 einen festen Platz im Nationalkader des DSV innehatte, errang Christof 1989 und 1990 souverän die Deutsche Jugendmeisterschaft. Nach Abschluß seiner Lehre zum Werk­ zeugmacher 1991, entfiel die Doppelbelastung Beruf-Hochleistungssport, Christof konnte sich bei der Sportförderkompanie der Bundes­ wehr in Fahl erstmals voll auf das Skispringen und die Saisonvorbereitungen konzentrieren. Und so wurde der Winter 1992/93 das erste ganz große erfolgreiche Jahr. Die Krönung der glänzenden Saison erlebte Duffuer schon im Dezember 1992, als er zum Auftakt der Vierschanzentoumee auf der Schattenbergschanze in Oberstdorf seinen ersten Weltcupsieg heraussprang. Deutscher Vizemeister 1993, Gesamtwelt­ cup Platz 6, 4. Platz beim Skifliegen am Kulm und viele weitere gute Ergebnisse ließen ihn zum erfolgreichsten deutschen Spezialspringer der Saison werden. 342

Schonacher Hansjörg Jäkle: Karriere mit Hindernissen Steiniger Weg zum Olympia-Mannschaftsgold in Lillehammer den Gold im Mannschafts- zusammen spnngen, mit weiteren Schwarzwäldern Chris­ tof Duffuer (Schön­ wald), Dieter Thoma (Hinterzarten) und dem Sachsen Jens Weißflog (Oberwiesenthal) – der Name Schonach war ein­ mal mehr weltweit in aller Munde. Wer weiß, ohne Het­ tichs Medaille in der Kombination 1976 hätte es vielleicht auch das Jäkle-Gold in Norwe­ gen nicht gegeben. An­ ders formuliert, das Sil­ ber von Innsbruck war die Initialzündung für Jäkles Traumkarriere, die allerdings nicht raketen­ artig, eher schleppend und holprig vonstatten ging. sondern Blende zurück ins Jahr1983: Der elfjährige Hansjörg, als Schon­ acher quasi mit Lang­ lauflatten an den Füßen geboren, will auch das Gefühl des Springens einmal genießen und es seinem Vorbild Urban Hettich gleichtun: ein großer Kombinierer möchte er werden, der kleine Knirps. Die ersten „Flugstunden“ auf der kleinen Mat­ tenschanze in Hinterzarten mit Weiten zwi­ schen 15 und 20 Metern gestalten sich verhei­ ßungsvoll, der Anfang ist gemacht. In der Folgezeit erkennt der junge Bursche bald, daß seine Stärken eindeutig im Um- 343 Am 22. Februar 1994 war es wieder da, das Kribbeln, das die Schonacher schon 18 Jahre zuvor befallen hatte, als einer der ihren, damals Urban Hettich in Innsbruck, mit olympischem Edelmetall dekoriert wurde. In Lillehammer hieß der Held Hansjörg Jäkle, auf dessen Wohl angeprostet wurde.

gang mit den breiten Sprungski liegen, daß das Schinden im Langlauf seinem Naturell eher weniger entspricht. Die Wettkämpfe laufen meist stereotyp ab: Im Springen ganz vorne, im Langlauf durchgereicht, Spitzen­ plätze bleiben meist aus – eine für die Moti­ vation keineswegs förderliche Situation. Dennoch beißt sich Jäkle durch. Inzwi­ schen auf das Skiinternat Furtwangen ge­ wechselt, heißt sein Pensum tagsüber Arbeit, abends Training – hartes Brot für einen Jugendlichen, jedoch bitter notwendig, soll der Sprung in die Kombinationsliste – und an den glaubt er nach wie vor – gelingen. Lohn der Bemühungen ist 1990 die Auf­ nahme in den deutschen C-Kader. Die Wiedervereinigung macht dem Schwarzwälder jedoch einen großen Strich durch die Planungen. Angesichts eines plötz­ lichen Überangebotes fällt der Schonacher durch da Sieb und aus dem Kader. Was folgt, sind halbherzige Versuche im Alpen­ cup, bisJäkle endgültig die Nase voll hat und lustlos eine schöpferische Pause einlegt. Hans-Paul Herr aus Schonach, Vater des Springertalents Alexander, darf sich rüh­ men, letztlich entscheidender Steigbügelhal­ ter für Jäkles Karriere bei den Spezialspringern gewesen zu sein. Er nimmt sich des inzwi­ schen 20jährigen an und führt ihn auf den Weg des Leistungssports zurück – und nun ist der junge Mann nicht mehr zu bremsen. Beim Sommerspringen 1992 in Hinterzar­ ten wird er Elfter – im B-Springen wohlge­ merkt. Auch als Nicht-Kadermitglied gelingt die Aufnahme in die Sportfördergruppe Fahl, wenn auch zunächst nur als „normaler“ Soldat mit Trainingsmöglichkeiten. Platz fünf im Europacup 92/93, darunter Platz eins in Oberwiesenthal und die Plätze zwei in Willingen und Sprova (Norwegen) deuten die Möglichkeiten des Schonachers an – und die erkennt man auch im DSV. Plötzlich gehörtJäkle zum Springerteam und genießt, so wie alle anderen außer Jens Weißflog auch, B-Kader-Status. Unter Trainer Wolfgang Steiert (Hinter­ zarten) geht es wieder aufwärts. Der Welt­ cup-Auftakt 93/94 in Planica verläuft durch­ wachsen (17. kleine Schanze/26. große Schan­ ze). Dann kommt die Springertournee, wo es nicht nur um Weiten und Noten, sondern auch um die begehrten Olympiatickets für Lillehammer geht. Oberstdorf bringt gleich einen Rückschlag: Finale verpaßt. In Gar­ mi eh „rodelt“ Jäkle, in Innsbruck verpaßt er gar die Qialifikation, Olympia ist in weite Feme gerückt. Doch Bischofshofen bringt den großen Erfolg. Mit einem sechsten Platz katapultiert sich der Schonacher ins Olym­ piateam. Damit ist der Weg zur Goldmedaille für den Motorradfan jedoch noch keineswegs geebnet. Erst ein mannschaftsinternes Ste­ chen mit dem Oberhofer Gerd Siegmund bringt ihn ins letztendlich siegreiche Team. Das olympische Gold soll für Hansjörg Jäkle nicht alles gewesen sein. ,,Ich muß noch einiges lernen“, weiß der sympathische junge Mann, der weiter an sich arbeiten will. Schließlich gibt es in vier Jahren in Nagano Peter Hettich die nächsten Spiele . . . 344

Schach matt – aber nicht für Bogoljubow In Triberg ist der Schachgroßmeister nicht vergessen Das passiert oft: In der Wallfahrtsstraße in Triberg bleiben Menschen stehen und schauen fasziniert auf den Eingang eines Hauses. Schachfiguren sind dort an den Innenseiten zu sehen und der Schriftzug ,,Haus Bogoljubow“. Und manchmal däm­ mert es einem: ,,Das war doch der Schach­ großmeister.“ Wer das erkennt, spielt Schach und hat gewiß die eine oder andere Partie des nach Triberg im Schwarzwald verschlagenen Russen nachgespielt. Oft klingelt es aber auch an der Haustür und Tamara Bogolju­ bow, die eine Tochter des Schachgroßmei­ sters, öffnet interessierten Besuchern. Sie und ihre Schwester Sonja, sie ist verwitwet, leben im Elternhaus und wahren das Anden- ken des noch 42 Jahre nach seinem Tode be­ rühmten Mannes. „Mein Vater war ein passionierter Schach­ spieler, der sich damit sei­ nen Lebensunterhalt ver­ diente,“ erinnert sich Tamara Bogoljubow. ,,Er war herzlich und gutmü­ tig und betrieb das könig­ liche Spiel mit sportli­ cher Fairneß, ganz an­ ders als es heute üblich ist“, sieht das die Tochter. Es habe damals keine großen Siegesprämien gegeben, dafür aber viel Abwechslung auch für die Familie. Denn wenn Ewfim Dimitriewitsch Bogoljubow zu nationa­ len oder internationalen Turnieren antrat, nahm er die Familie mit. ,,Er war großzügig und opti­ mistisch, eben russisch,“ strahlt Tochter Tamara und ihre Augen leuch­ ten. So kennen ihn nur noch wenige: Schachgroßmeister Ewfim Dimilriewilsch Bogog“ubow aus Triberg. 345

Der russische Schachmeister wurde 1914 in Deutschland vom Krieg überrascht und in Triberg interniert. 1920 heiratete er Frieda Kaltenbach und verließ 1926 endgültig seine Heimat. 1929 erhielt er die deutsche Staats­ angehörigkeit und kam mehr schlecht als recht über die Wirren des Zweiten Weltkrie­ ges – Schach spielend. Denn das war sein Metier. Die Triberger kannten „den Russen“ als einen oft in sich versunkenen Mann, der auch beim Spaziergang über gewisse Schach­ züge nachdachte. Bogoljubow machte die Kurstadt Triberg in der Welt durch seine Leistungen bekannt. In Triberg und der Umgebung wurden wie­ derholt Schachturniere durchgeführt. Am 15. April 1934 zum Beispiel fand in Villingen ein Schaukampf mit lebenden Schachfigu­ ren statt. Und beim Schachkongreß des Süd­ badischen Schachverbandes, der in der Das „Haus Bogog’ubow“ in Triberg zieht immer wieder Neugierige an. in ihm lebte der Schach­ großmeister, heule bewohnen es seine Töchter. Atif unserem Bild: Tamara Bogog’ub01.v. 346 Turnhalle der Realschule Triberg absolviert wurde, gab es noch einmal einen Schau­ kampf mit Menschen als Schachfiguren. Der Triberger russischer Abstammung schrieb ein Stück Weltschachgeschichte. Und: Er sammelte Schachpublikationen. Seine Schach­ literatur, die rund 9500 Einheiten umfaßt, steht jetzt in der bekanntesten Schachbiblio­ thek beim Verleger Lothar Schmidt in Bam­ berg, der selbst passionierter Schachspieler und Sammler ist. ,,Dort sind die Bücher mei­ nes Vaters gut aufgehoben und können auch eingesehen werden.“ Somit djent die Bogol­ jubow-Bibliothek dem, dessen sich der Großmeister gern widmete: dem Schach­ nachwuchs. Auch die Töchter erlernten von ihm das königliche Spiel – ,,doch leider spiele ich heute gar nicht mehr“, bedauert Tamara, die, inzwischen Pensionärin, nach einigen Auslandsjahren wieder in Triberg lebt. Der 1889 geborene Schachgroßmeister starb überraschend am 18.Juni 1952. Die Stadt Triberg würdigte ihn und seine Ver­ dienste um den Schachsport 1967 mit der Einrichtung eines Bogoljubow-Raums im Kurhaus Triberg, in dem eine Bronzebüste, ein Ölporträt, gemalt von seinem Freund J. Beilin, hing und Schachtische standen. Nach dem jüngsten Kurhaus-Umbau gibt es wieder ein ihm gewidmeter Raum mit eini­ gen über die Jahre geretteten Utensilien so­ wie der Bronzebüste, die der Triberger Bild­ hauer Erich Beyer schuf. Für die Familie ist es eine Freude zu sehen, daß der berühmte Vater nicht vergessen ist- im „Haus Bogolju­ bow“ ist er sehr gegenwärtig. Sein Leben: Geboren am 1. April 1889 im Gou­ vernement Kiew. Schon früh spielte er Schach, wurde russischer Schachmeister. Als er 1914 an einem Großturnier in Mannheim teilnahm, wurde er vom Ausbruch des Krieges überrascht und fünf Jahre in Triberg interniert. 1926 emi­ grierte Bogog’ubow aus der Sowjetunion und erhielt 1929 die deutsche Staatsangehörigkeit. Sei­ nen Lebensunterhall bestritt er durch Schachspie­ len. 1920 heiratete er die Tribergerin Frieda Kal­ tenbach, mil der er zwei Töchter halle: Sonja und

Das Grab des Schachgroßmeisters E. Bogolj.ubow und seiner Frau auf dem Friedhof in Triberg. ,,König“ und „Dame“ zeugen von seiner Passion. Tamara. Am 18.}uni 1952 starb Bogolj.ubow überraschend. Er wurde in Triberg beigesetzt. Seine Ehefrau folgte ihm 1978. Seine Siege: 1919 gewann er in Berlin gegen Seles­ niew, Reti und Spielmann, im Stockholmer Tur­ nier gegen Spielmann und Reti. 1922 in Pistyan vor Aljechin und Spielmann, 1923 Erster bis Dritter in Karlsbad mit Aljechin und Maroczy, 1924 siegte er im russischen Turnier in Moskau, 1925 im russischen Turnier in Leningrad, 1925 im Breslauer Turnier, im Weltturnier zu Moskau vor Lasker und Capaplanca, 1926 in Berlin vor Rubinstein, 1928 im Großmeisterturnier in Bad Kissingen, 1933 im Deutschen Meisterturnier in Bad Eyrmont. 1929 und 1934 kämpfte er gegen Dr. Aljechin um die Weltmeisterschaft. 1947 ge­ wann er im Lüneburger Meisterturnier vor Dr. Rödl Heinicke undRellstab, im gleichen}ahr im Kasseler Meisterturnier vor Paul Schmitt, Dr. Trögerund dem Dettschen Meister von 1948, Unzicker. 1949 holte er sich erneut den Titel des Deutschen Meisters vor Dr. Tröger, anschließend siegte er im internationalen Meisterturnier in Oldenburg. Seine Titel: Die Internationale Schachvereini­ gung verlieh Bogoljubow im Jahre 1951 den Titel ,,Internationaler Schachgroßmeister“. Renate Bökenkamp 347

Prosa und Lyrik aus unserer Heimat Als Großmutter noch lebte Auf der alten, leicht vergilbten Fotografie lächelt sie mich an. Zufrieden, anspruchslos und gottesfürchtig ruhen ihre gefalteten Hände, um die der Rosenkranz geschlungen ist, im Schoß. Eine der wenigen Pausen, muß ich denken, die sie sich im Leben gegönnt hat. In meine Betrachtung versunken schweifen die Gedanken zurück in die Zeit meiner Kindheit. Sie war arm an Gütern, aber reich an Güte und Zuwendung, die Großmutter verschwenderisch unter ihre vielen Enkelkinder aufteilte. Großmutter. Man muß wohl der älteren Generation angehören, und vielleicht auch selbst Großmutter sein, um zu begreifen. Ferien kannte diese Großmutter nicht. Sie hat acht Kinder geboren und großgezogen. „Im Wochenbett durfte ich mich jedesmal drei Tage erholen“, sagte sie schlicht, ,,und zu essen hatten alle genug.“ Ihr Lebensumfeld war der Bauernhof, der nach des Großvaters Tod von ihrer ältesten Tochter und deren Mann bewirtschaftet wurde. ,,Schlimm, daß Großvater so früh sterben mußte“, sagte ich einmal zur Groß­ mutter. In ihren Augen stand immer nur Güte, und ihre Ehrlichkeit war geradezu ver­ blüffend. „Gott hab ihn selig, den Großvater“, hatte sie geantwortet, ,,und so hat der liebe Gott sicher auch gewußt, daß acht Kinder neben der vielen Arbeit genug sind … “ Damals habe ich die Großmutter nicht verstanden. Aber heute, wo die Familienpla­ nung nicht mehr wegzudenken ist, wo zwei oder drei Kinder oft eine große Last bedeu­ ten – da wirkt es im Rückblick schon manch­ mal beschämend, zu wissen, was die Frauen jener Generation geleistet und bewegt haben. Irgendwann in der Vorweihnachtszeit kam eines Abends der Herr Kaplan. Groß- 348 mutter stellte die beste Hausmacherwurst und den feinen „Hosenträgerspeck“ auf den Tisch, dazu gab es das feine, selbstgebackene Brot. Wir Enkel saßen artig zwischen den Erwachsenen, manchmal wurden wir in ihre Gespräche miteinbezogen. Ich erinnere mich sehr gut daran, daß ich immer einen roten Kopf bekam, wenn Hochwürden eine Frage an mich stellte. An jenem Abend blieb ich verschont, der Herr Kaplan widmete seine Aufmerksamkeit meinen beiden Vettern, die seine Ministranten waren. Bethlehem, Maria und Josef sowie die hl. Dreikönige standen zeitgemäß auf seinem Programm. ,,Und wer war zuallererst bei der Geburt des Jesuskin­ des“, fragte Hochwürden meinen Vetter Franz. Wie aus der Pistole geschossen kam des­ sen Antwort: ,,Die Hebamme!“ Ich erinnere mich an das peinliche Schweigen, an die stummen Blicke meiner Tanten, mit denen sie zuerst den Bauern, dann die Großmutter bedachten. Erst als der Kaplan lauthals zu lachen anfing, war das Eis gebrochen. ,,Du bist ein ganz gescheiter Bub“, meinte er abschließend. Mit Vergnü­ gen ließ er sich nun ein „Chriesewässerle“ einschenken, trank es in einem Zug leer, und nun war es an uns, zu lachen, denn er hat sich an dem Schnäpsle sogar verschluckt … Gemütlich verliefen die Abende, wenn Strohschuhe gefertigt wurden. Das zuvor gedroschene Stroh war am Morgen mit hei­ ßem Wasser übergossen worden, damit es ,,gschlaacht“ wird, wie Großmutter erklärte. Die Mädchen durften mithelfen, endlos lange Zöpfe zu flechten. Ein Holzmodell diente dazu, den feuchten Strohzopf spira­ lenförmig anzuordnen und mit einer dün­ nen Schnur aufzunähen. Dann wurde eine Sohle aus alten Fahrradschläuchen zurecht

geschnitten und angebracht. Jetzt fehlte nur noch ein weiches Innenfutter, wofür aus­ gediente Pullover oder auch Socken herhal­ ten mußten. Ein farbenfroher „Bollen“ in der Mitte des Strohschuhes vervollständigte schließlich das Kunstwerk. Wenn Großmutter am Sonntagmorgen in die Kirche ging, hatte sie immer ein paar Enkelkinder bei sich. Einmal hatte ich ver­ schlafen, wollte aber trotzdem noch zur Messe gehen, um anschließend noch mit Großmutter zusammenzusein. Der Kaplan schaute mich von der Kanzel herunter ziem­ lich streng an, wohl auch deshalb, weil ich die Kirchentür nicht ganz zugezogen hatte. Am Seiteneingang fand ich noch einen Platz; da sah ich plötzlich den großen Misch­ lingshund durch den Mittelgang auf mich zulaufen, der Wächter auf Großmutters Bau­ ernhof war. Bello hockte sich ganz selbstver­ ständlich an meine Seite und verfolgte das Geschehen in der Kirche. Alle warteten, doch es geschah nichts. Um die Mundwinkel des Kaplans huschte ein Lächeln, als er in sei­ ner Predigt fortfuhr: ,,Es ist mir eine beson­ dere Freude, in einem Ort das Wort Gottes zu verkündigen, wo nicht nur Menschen, sondern auch das Tier ins Gotteshaus kom­ men; ich finde diese Verbundenheit zwi­ schen Mensch und Tier im Glauben wunder­ bar!“ Der Kaplan leitete seine Predigt nun zum hl. Franz von Assisi über, der die Tiere liebte und ihnen predigte. Alles, was der Geistliche droben von der Kanzel sprach, war mit einem Mal von einer gelösten Heiterkeit ge­ prägt, die bei den Gläubigen in der Kirche sichtliche Erleichterung auslöste. Und so durfte Bello dieses eine Mal bleiben, bis der Gottesdienst zu Ende war. ,,Erinnerungen sind das einzige Paradies, aus dem wir Menschen nicht vertrieben wer­ den“, sagt ein wahres Sprichwort. Und so denke ich gerne an die Zeit zurück, als wir in Großmutters Stube um den ovalen, gescheu­ erten Holztisch saßen, strickten, nähten oder Hohlsäume häkelten. Im Herbst war das „Äpfel-Schnitzen“ an der Reihe. Die geschälten Apfelschnitze wurden auf einem großen Blech ausgebreitet und langsam im Ofen getrocknet. Die „dürren Schnitze“ kamen in ein Leinensäckchen; eine der wich­ tigsten Mahlzeiten bestand im Winter aus „Himmel und Erde“. (Eine Lage gekochter Kartoffel, eine Lage gekochter Apfelschnitze abwechselnd schichten und obenauf ge­ kochter Speck oder ein Stück heiße Wurst.) Großmutter behütete ihre Enkelkinder, besonders aber die Mädchen. Sie erzählte die schönsten Geschichten, die sich fast alle wirklich zugetragen haben sollen. Und ihre Finger schnellten in die Höhe, wenn sie uns heranwachsenden „Maidli“ vor den Bur­ schen warnte. ,Jaja, die Liebe“, seufzte sie dann, ,,sie bringt nicht immer nur Glück .. . “ Und dann hörte ich aus dem Mund dieser klugen Frau-meiner Großmutter-erstmals den Satz, der (damals für mich so kurios geklungen hatte, aber) wohl immer aktuell bleiben wird: ,,0 daß sie ewig grünen bliebe, Die schöne Zeit der jungen Liebe!“ Annemarie Armbruster 349

Eines Morgens Der Wandertag – angenehme Unterbre­ chung des Schulalltags und sinnvolle Ein­ richtung in einem. Glückliche Jugend, deren Alltag auf so wohltuende und gesundheits­ fördernde Weise eine Abwechslung erfahrt! Was hätten wir als Gymnasiasten vor Jahr­ zehnten dafür gegeben! Wie ein Geschenk des Himmels empfanden wir schon die Bun­ desjugendspiele, und selbst diese hatten kei­ nen unterrichtsfreien Tag im vollen Sinne des Wortes in sonst lauter Sechstagewochen zur Folge. ,,Und am Sonntag habt ihr ja auch Zeit zum Lernen.“ Doch scheuchen wir die Geister von gestern wieder in ihre Vergan­ genheit zurück! Also, ein Wandertag war angesetzt und verabredet, den Rückweg mit der Eisenbahn zu nehmen, damit der Fußmarsch zu einem ferneren Ziel ausgreifen konnte. Am Bahn­ hof wollten wir diesmal nach unternomme­ ner Tour auseinandergehen. Praktischer­ weise parkte ich mein Auto dort und strebte der Schule, dem Ausgangspunkt unserer Wanderung, zu. Es war justament die Stunde, da besonders viele ehemalige Schü­ ler an ihre Lehrstellen, Arbeitsstätten oder zu weiterführenden Schulen eilten. Die Begegnung mit jedem einzelnen wurde zu einem bewegenden Erlebnis. Der erste, ein Radfahrer, fuhr, als wir uns zwei­ felsfrei erkannt hatten, linksabbiegend in einem eleganten Bogen auf das Werksge­ lände einer Fabrik und ward nicht mehr gese­ hen. Die nächste, eine Schülerin zu Fuß, hatte ihre Zeit offensichtlich knapp beme sen. Ein kurzes „Morgen“ ohne Mienenspiel – und vorüber war sie. Eine andere grüßte zer­ streut, ein Liebespärchen, auf einer Mauer schmusend, wünschte so früh durch nichts und niemanden an die Schulzeit erinnert zu werden. Ein Mopedfahrer blickte, als er mei­ ner ansichtig wurde, in ungewisse Femen und nahm meinen Gruß.nicht wahr. Da regten sich Fragen, eine nach der ande­ ren: ,,Warst du also so einer? Bist du also so 350 einer?“ begann ich zu sinnieren. ,,Wirken auch unbeabsichtigte Ungerechtigkeiten oder Gemeinheiten – oder was sie dafür hiel­ ten, so lange, so gründlich nach? Oder hatte ich nie zum Ausdruck gebracht, daß man in mitteleuropäischen Breiten Bekannte, alte zumal, grüßt? Versagt die Macht der Worte so bald? Am Ende wurde gar alle Pädagogik als Tyrannisierung empfunden?“ Immer tie­ fer drängten mich die Fragen ins Unglück. ,,War alles umsonst, alles sinnlos gewesen?“ Nicht mehr viel Gutes für diesen Tag er­ wartend, sah ich eine weitere ehemalige Schülerin mit einem sehr südländisch klin­ genden Namen auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Stadt herunterkommen. Aus Stock und Hut, Kniebundhose und Wanderschuhen schloß sie, daß eine Klasse ihrer früheren Schule das schöne Wetter für einen Wandertag nutzen wollte und mich mitnahm. Ihr freundliches Wesen hatte sie sich bewahrt, sie lächelte, überquerte, als es gefahrlos möglich war, die Straße, reichte mir die Hand, und das Gespräch war eröff­ net: Wie es mir gehe? Welche Klasse ich die­ ses Jahr hätte? Wohin wir heute wanderten? Ach ja, da seien wir vor drei Jahren auch gewesen, aber die Sonne habe damals nicht so gestrahlt, ihr gefalle es an der jetzigen Schule, sie habe gut Tritt gefaßt, an unserer Schule sei es freilich auch schön gewesen, nur anders als jetzt. Es seien wohl noch alle ihre Lehrer an unserer Schule? Sie werde in den großen Ferien wieder einmal ihre Hei­ mat sehen … Die gefallene Stimmung stand wieder auf­ recht. Die Fragen blieben. Karl Volk

Wilhelm Hausenstein und Triberg Die Erwähnung Tribergs in seinem umfangreichen literarischen W erk Unter den vielen Städteschilderungen aus der Feder von Wilhelm Hausenstein, dem bedeutenden Kunst- und Reiseschriftsteller, dem Essayisten und Diplomaten, dem gro­ ßen Sohn der Nachbarstadt Hornberg, fin­ det sich auch eine knappe Erwähnung Tri­ bergs (in „Badische Reise“, München, 1930, S. 80 ff). Sie dürfte von allen Schilderungen Tribergs die künstlerisch wertvollste sein, die in diesem Jahrhundert erschienen sind. Die hier zunächst wiedergegebenen Ab­ schnitte sind Hausensteins Eindrücke einer Bahnfahrt von Hornberg bis über Som­ merau hinaus durch ein Gebirge, dem er in diesem Text Größe zuerkennt. (Er stieg noch einmal als Gast seiner Vaterstadt Hornberg 1952 im Hotel Waldlust ab, ohne daß dieser Aufenthalt in Triberg einen literarischen Niederschlag gefunden hätte.) Hausenstein verzichtet auf Einzelheiten, schreibt keinen Fremdenführer, es bleibt zum Beispiel keine Zeit für einen Besuch im Rathaus und in der Wallfahrtskirche – wie dankbar wäre die Nachwelt für ein Wort über das damals neu­ geschaffene Werk Karl Josef Fortwänglers und vom besten Barockkenner seiner Zeit über das Juwel „Maria in der Tanne“ -, es bleibt kein Raum für Tribergs Industrie und Geschichte, der Leser erfährt keine Einzel­ heiten über die Logik des Schwarzwaldhau­ ses, und dennoch bleibt es nicht ungenannt; dagegen überläßt er sich seiner Intuition, sei­ nem sensiblen Künstlerblick für die Farben einer grandiosen Natur, man beachte die vielseitigen Schattierungen des Grüns. Er gibt sich auch seiner Melancholie hin, wobei ihm zweifellos die Stimmung eines „halbregne­ rischen“ Tages in dieser waldreichen Gegend zu Hilfe kommt. Dabei bleibt seine Darstel­ lung frei von irgendwelcher Mystifizierung, von obskuren Geistergewalten und undefi­ nierbaren Heimatgeistern, auch von Senti­ mentalität. Wer seine Reiseliteratur kennt, weiß, daß er nie (Ausnahme Hornberg) von Begegnungen mit Menschen berichtet, und dennoch sind sie immer gegenwärtig, sehr gegenwärtig als Gestalter und Vollender der Landschaft und Kultur. Und wie dichterisch sind seine Vergleiche! Nie hat jemand das Rauschen des Wasserfalls mit einem Basso continuo verglichen, die Wälder über Tri­ berg mit dem Trauerrand der Landschaft, die Schindelwände der Häuser mit Rüstungen und die Ziegelflecken auf den bemoosten Strohdächern mit Pflastern über Wunden. Den adäquaten Ausdruck findet wohl erstmalig Robert Gerwigs geniale Linienfüh­ rung mit der Doppelschleife, und den späten Leser kommt ein Hauch von Romantik an, sieht er wieder die Dampflokomotiven auf dieser Strecke, als noch niemand an Diesel oder gar Elektrifizierung dachte. Kein Wort, das nicht gewählt und gewogen wäre. Die Darstellung, in Wahrheit ein Stimmungs- 351

bild, läßt – sehr verhalten – den Abschieds­ schmerz des Heimgekehrten ahnen, der nachwirkte, als er nach Jahrzehnten mit der Mutter der fremdgewordenen Heimat einen Besuch abstattete. Das jahrhundertealte Familienerbe, der „Bären“, ist in fremden Händen. ,,Wir fahren nach Triberg; es wäre bitter, in der fremden Heimat zu schlafen. Der Zug arbeitet sich hinauf, höher, höher, durch Tunnels und Windungen. In seiner Relativität offenbart das Gebirg des Schwarzwalds seine Größe, seine Natur. Die Oberfläche der Fichten, aus lauter Tannen­ spitzen zusammengewirkt zu einer schweren schwarzgrünen Decke, zu einem Teppich mit dem stumpfen, dennoch tiefen Ton eines Gobelins, mit der edlen Mattheit des Pastells, scheint die ganze Welt zu decken und zu kühlen – auch die Schlafenden in den schönen weißen Betten des Schwarz­ waldhotels, auch die weinroten Sammet­ möbel des Jahrzehnts meiner Geburt, auch den Bas o continuo des nahen Wasserfalls; auch ihn dämpft die matte schwarzgrüne Decke, auch ihn die Nacht, welche der Vor­ tod ist.“ Wieder hinaus über Konstanz ,,Triberg liegt fast ohne Talsohle bergan, einen steigenden Einschnitt entlang, an den die Wälder von schon beträchtlicheren Hö­ hen herunterreichen: flaschengrün in der Nähe, bronzegrün weiter droben, zuletzt wieder bläulich bis ins Tintige. Der obere Schwarzwald ist da. Die Bahn bewegt sich in Schlingen; sie schraubt sich hinauf, wie man von Bellinzona auf den Gotthard fährt. Die Aussichten bergab wiederholen sich; nur daß die nämlichen Dinge immer tiefer drun­ ten liegen; die Ansicht höherer Situationen kommt zweimal, dreimal näher, indem sie sich für den auf einem gehobenen Punkt der hochgezogenen Spirale angekommenen Beobachter wiederholt. Hier nun ist kein Zweifel mehr: auch der Schwarzwald ist ein rechtes Gebirge. Das Kurortmäßige zieht sich zurück; das Unmittelbare einer großen 352 Natur malt sich von Minute zu Minute nach­ drücklicher, trotz der schnaufenden, stamp­ fenden Bahn; im Verhältnis zum Zeitalter des komfortablen Autos, ja der hellen und schnellen elektrischen Gebirgsbahnen stellt die Dampfeisenbahn das Reibungslose der Zivilisation ja nur unvollkommen dar; der Zug mit der rußenden Dampflokomotive ist schon beinahe in die Kategorie der natürli­ chen Unbequemlichkeiten entrückt … Auf der Bergseite steht unterm Waldrand Ginster mit gelben Blüten um roten Sand­ stein und um Granit. Es wird kühler und kühler. Es wird schier kalt. Die Häuser halten hier oben ihren Cha­ rakter von selbst; man fühlt, daß dies nicht Häuser sind, die auf das Betreiben der Folk­ loristen geschont werden; hier oben könnten die Häuser gar nicht anders sein, als sie sind; hier ist noch recht ihre Zeit. So sehn sie aus: dunkel, oft tiefbraun, oft schwergrau, manchmal silbergrau und seidig, manchmal samtig und schwarz; nur unten, am Boden, und an den winzigen Kreuzen der Fenster­ chen ist etwas weiß oder grün; die Schindel­ wand sitzt wie ein geschlossenes Visier, wie eine Rüstung; das Moos der trohdächer ist grau und schwarz; die Ziegelflecken, mit denen man nachgebessert hat, sehen aus wie Pflaster über Wunden. Unter dem grauen Licht des halbregneri­ schen Tages wird das bläuliche und schwärz­ liche Grün der Wälder immer schwerer; es macht einen breiten Trauerrand um die Landschaft. Nun sind die letzten der lichtgrünen, mattgrünen Kornfelder verschwunden. Wir sind in einer Höhenzone angekommen, die nichts gedeihen läßt als den Schwarzwald und das Gras. Nichts mehr von silbriggrünem Roggen; nur Weiden zwischen Fichtenstücken blei­ ben übrig, Rinderweiden mit niedrigem Graswuchs – Almen, die sich flach hinauf­ strecken und zuweilen über den Rücken einer Höhe gehn, als ob sie selbst den Fich­ ten nun zu ungemütlich geworden wäre. Mit

einem Male ist der Charakter der Landschaft gleichsam oberbayrisch – nur karger. Die bayrische Almenlandschaft ist heiter und wie ein Überfluß; diese hier im Schwarzwald bettelt mich an wie eine Armut der Natur; sie macht ernst, macht schwermütig.“ Dem Namen unserer Stadt begegnen wir auch im vielleicht schönsten und liebens­ würdigsten Kapitel im „Buch einer Kind­ heit“ (Frankfurt a. M., 1936, S. 77) ,,Brezeln aus Niederwasser“, einer bereits 1926 verfaß­ ten Erzählung, die er später auch in seine Autobiographie einfügte. Diese, die besten Brezeln in Hausensteins Leben, hatte eine alte Bötin am Samstagnachmittag zur Win­ terszeit aus dem Nachbardorf gebracht, bevor die Kinderschar, das Schlittenfahren unterbrechend, sich bei der Großmutter zum sogenannten „Vesperle“ einfand. Ge­ stärkt, noch mit den Brezeln in der Hand, rannten die Kinder um fünf Uhr zur Stand­ uhr mit dem Kapuziner auf den Flur, um ,,das Theater des mechanischen Mönch­ leins, das nach dem Stundenschlag oben überm Zifferblatt heraustritt und sich ver­ neigt . .. “ zu sehen. ,,Und während wir das aberhundertmal erlebte Bild mit einer nie erlöschenden Begierde anstarren, hören wir die anderen Uhren im Hause – die Kuk­ kucksuhr aus Triberg und aus dem höheren Schwarzwald; sie rufen miteinander, durch­ einander in unvergeßlichen Parallelen und Überschneidungen der Töne – gleich lau- fend jetzt, nun eine der anderen voraus – und wieder nachrufend. So ist es gewesen.“ (S. 67) Anzufügen sind noch zwei Stellen aus dem „ Vorbericht“ seines autobiographi­ schen Romans „LUX PERPETUA“ (Mün­ chen 1947, S. 15 und S. 30). Über eineinhalb Jahrzehnte später suchen seine Gedanken Triberg noch einmal aus der Feme. Johann Armbruster und Christian Hercy­ nius, hinter denen sich der Verfasser selbst verbirgt, schauen von einem Hang in Horn­ berg „den Schwarzwald hinauf, gegen Tri­ berg, wo sich das gleichsam auch unter Tage nächtliche Grün mehr und mehr in sich selbst verwob – derart verwob, daß alle Zeichnung im Dunkel des Tones unterging“. In der Person des Christian Hercynius for­ muliert er einen Traum, in dem Triberg mit anderen Städten in mystischer Sphäre er­ scheint: in einer Bohnenlaube in Renchen wollte er sitzen, von der hübschesten, freundlichsten Kellnerin mit einer Ome­ lette, mit Bauernspeck, mit Roggenbrot und Affentaler bedient, und „unverwandt am Westhang des Schwarzwaldes hinauf­ schauen, von außen her“. Er wüßte das Frei­ burger und das Straßburger Münster in sei­ ner Nähe. ,, Vor mir, in den Bergen drinnen, hinter den schwärzlich steigenden Tannen, lägen Hornberg, Wolfach, Triberg wie mit der Anziehungskraft der anderen Welt.“ Karl Volk Die Sage vom „Hölzlekönig“ Die Sage vom „Hölzlekönig‘: einst Deutschlands größter Tanne zwischen Schwenningen und Vil­ lingen, inspirierte die Niedereschacher Autorin, die Geschichte vom „Hölzlekönig“ so zu schrei­ ben, daß Herz und Gemüt der Leserinnen und Leser erreicht werden. Es handelt sich bei den nachfolgenden Auiführungen um einen Auszug aus dem Buch „Morgen-Land‘: mit dem die Autorin auf der Fran!efurter Buchmesse 1992 bundesweit auf grqße Resonanz stiefs. So hört nun die Geschichte vom Hölzle­ könig, der alten, stattlichen Tanne. Hört ihre Lebensgeschichte, hört ihre Klagen! Seit Jahrhunderten stehe ich in einer Landschaft, die man die Baar nennt, am Rande des Schwarzwaldes. Mein Alter beträgt dreihun­ dertneunundneunzig Jahre, und noch sind die Nadeln an meinen mächtig ausladenden Zweigen grün. Aber wie lange noch? Aus dem feuchten Dunkel des Waldbo- 353

dens reckte ich mich an einem Frühlingstag ans Licht der Welt. Als winziges Bäumchen stand ich unter mächtigen Eichen in der Nähe eines kleinen Dorfes namens Swa­ ninga. Ich war noch keinen halben Meter hoch, als dort die Pest zu wüten begann. An die hundert Menschen holte der Tod au den verseuchten Häusern. Eine Eiche um die andere war um mich herum der Axt zum Opfer gefallen. Särge, die damals Toten­ bäume hießen, waren aus ihnen gemacht worden. Wie froh war ich, noch so klein und vor allem keine Eiche zu sein! – An einem glühendheißen Augusttag des­ selben Jahres – es hatte seit Wochen keinen Tropfen geregnet – schlug eine Gruppe Zigeuner ganz in meiner Nähe ihr Lager auf. Am Abend spielten die Männer die Geige, und Frauen und Kinder tanzten im Schein des Lagerfeuers. Gegen Mitternacht kam hef­ tiger Wind aus Süden auf, der bald schon zum brausenden Orkan anschwoll. Ganze Äste riß er von den großen Bäumen herab, Blitze fuhren nieder, und der Himmel wollte vom Krachen des Donners zerspringen. In Swaninga wurde die Sturmglocke geläutet. Es brannte. Dicke Rauchwolken stiegen auf. „Feuerjo! Feuerjo!“ und „Wasser!“ schrien die Leute, und der Ruf pflanzte sich fort von Gasse zu Gasse. Noch bevor die Swaninger eine Löschkette bilden konnten, hatte sich das Feuer mit rasender Schnelligkeit verbrei­ tet. Es leckte mit glühenden Zungen nach den Holzhäusern, die wie Zunder brannten. Dächer stürzten ein und Wände fielen wie Kartenhäuser zusammen. In den Gesichtern der Swaninger stand das blanke Entsetzen, als sie bemerkten, daß das Flammenmeer vie­ len von ihnen den Fluchtweg abgeschnitten hatte. Zu spät war jeder Versuch der Rettung. Mitten hinein in den Ort des unheilvollen Geschehens schrie jemand anklagend: ,,Die Zigeuner waren es! Ein junger Kerl mit rabenschwarzem Haar, der Zigeunerkönig! Und wißt Ihr, wa er in der Hand trug?-Eine Pechfackel !“ Dieser Ausruf brachte den Leuten das erstarrte Blut wieder in Wallung. Er fiel in die 354 erregte Menge wie ein Feuerfunke in ein Pul­ verfaß. ,,Rache den Mördern!“ kreischten die aufgebrachten Swaninger. – Um zwei Uhr morgens zog eine GrupP.e Männer mit Sen­ sen, Dreschflegeln und Axten bewaffnet aus dem rauchenden Dorf hinaus zum mond­ hellen Lager der Zigeuner. Der Lärm hatte die Zigeuner geweckt. Halbangekleidet kamen sie er chrocken aus ihren Karren geklettert. Unruhig wieherten die Pferde und Hunde bellten. Kinder fuhren aus dem chlaf hoch und fingen an zu weinen. ,,Brandstifter! Mörder!“ rasten die Swa­ ninger haßerfüllt. ,,Männer! Nehmt die Fak­ keln! Steckt die Karren in Brand!“ schrie mit wutgellender Stimme ihr Anführer. „Halt! Keinen Schritt weiter!“ donnerte es ihm entgegen. Entschlossen trat Janos, der junge Zigeunerkönig, vor. ,,Keinen Schritt weiter! Ihr stört den Frieden!“ rief Janos. ,,Wer unter uns soll ein Brandstifter sein? Janos und seine Leute legen kein Feuer! Sucht den Schurken in eueren eigenen Rei­ hen! Keiner von uns hat auch nur einen Schritt in euer Dorf getan!“ ,,Lügen! Alles Lügen! Glaubt ihm nicht, dem schwarzäugigen Halunken!“ raste der Swaninger mit Schaum vor dem Mund. „Halt!“ rief der Zigeunerkönig ein zweites Mal und griff nach einer abgebrochenen Wagendeichsel. Da hatte der Swaninger auch schon die Axt nach dem Zigeuner geschleudert. Im selben Augenblick kamen ein paar Männer vom Dorf her gerannt. Von weitem schrien sie: ,,Haltet ein! Wir haben den wahren Brandstifter gefaßt!“ Doch es war zu spät. Die scharfe Axt hatte den jungen Zigeuner mitten in die Brust getroffen. Mit einem Wehlaut sank er ter­ bend zu Boden. Augenblicklich war die to­ bende Horde verstummt. Von stummem Ent­ setzen gepackt, tarrte sie eine ganze Weile auf die grausige Tat. Dann stob sie in wilder Hast auseinander. Noch in der Morgendämmerung beerdig­ ten die Zigeuner ihren toten König. Danach gruben sie mich mit allen Wurzeln aus und pflanzten mich auf sein Grab. Anstelle des

toten Janos sollte ich von nun an ihr König sein. Ich sollte wachsen und über Jahrhun­ derte hinweg stehen bleiben, als lebendiges Symbol für die Ungerechtigkeit, die man Janos angetan hatte. – Im Alter von fünfzig Jahresringen blickte ich stolz herab auf dich­ tes Buschwerk, auf jüngere Tannen, Kiefern, Buchen und kleine Eichen. Herausfordernd stellte ich meine Krone dem Wind entgegen, damit er mir zausend durchs Geäst fuhr. Als neuer König und als Mahnmal für die Gerechtigkeit sollte ich Generationen über­ dauern. Doch bald wird von mir nur noch mein Name in der Sage stehen. Der ganze Wald mit meinen vielen hundertjährigen Baumgeschwistern wird sich für immer ver­ abschieden müssen. Wie Knochengerippe werden unsere verkrebsten Stämme mit ihren dürren Ästen in den Himmel ragen. Auch sie werden als Mahnmal stehen für eure Raubzüge durch die Natur … Doris Schreger-Benz De Herrgottsdag (gekürzt) Im Almanach 1994, Seite 278-283, ist die Fronleichnamsprozession in Hüfingen in Wort und Bild beschrieben worden. Das der Redaktion des Almanach zur Veifügung gestellte Herrgotts tags-Gedicht von Gottfried Schafbuch gibt in Mundart die Stimmung im Ort treffend wieder. 355

Frindli duet de Dag verwache, riibst sech d’Äugli langsam uus, giit e Schmützli siinre Modder, will mit ere glii vors Huus. Schäch i d Körb und guck uffs Streue; bliib nu schtau und laß der Ziit. Gell, die Arbet muescht bewundre und des Gschick vu dene Liit. ,,Luuser, kumm, und laß dech wäsche. s frisch gschterkt Hembli leg der aa, s healblau Schöbli word dech freie mit de nette Knöpfli draa.“ Äschterli und Jakobsbolle treit mer dert us sellem Huus, nimmt dezue no kleiweng Kleeköpf; macht e duftig Kriiz no druus. Wunderfitzig froget s Berschtli: ,,Modder, wa häsch du denn vor? Gohscht im Fäschthäs mit mir freidjg hitt dor’s fiischter Wolkedoar!“ Gasbloame und Löbemiili, Senf und Suugele dabei, giit en Deppech farbeprächtig, monscht, daß der so gwobe sei. ,,Büebli, hei, duer nitt lang frooge, siehscht, dert unne gucket d‘ Liit ob mir vernehm sind und frindli, obs en nette Dag hitt giit. Kelch, Lamm Gottes, Sunn und Sterne, ,Hochgelobt, gebenedeit‘ sehne kascht als Bluemedeppech, kunschtvoll ischt der äni gleit. Dert, vu sellem nette Städtli, wo de Kerchdorm siehscht, de grea, muescht du s Gwilch jetz glii verscheiche, kascht dezue mi Blegi nea.“ Vier Altär schtond au im Städtli, wartet uff en hohe Gascht; sind verborge schier i Meie, s sitzt e Finkli uff me Ascht. ,,Hörscht du d‘ Musik und e Krache“, ,,Modder, sag, wa ischt denn hitt? Diini Auge clont ganz glitze, rennscht, daß ech schier kumm nitt mit.“ D Brünne clont au lu chtig sprudle. D Muettergottes lächlet mild. Uff em Arm s klei Jesuskindli sieht verklärt si Bluemebild. ,,Büebli“, fangt jetz d’Sunn a jugse: ,,putz di Näsli, gimer d‘ Hand. Herrgottsdag clont d’Liit hitt fiire, Herrgottsdag ischt hitt im Land. Guck, we dert vill Liit clont wußle, traget Körb mit Blueme gfillt; stecket Meie no a d Hijser, und e Musik d Dagwach spilt. S goht uff d Strooß mit Kriiz und Fahne, unterm Himmel JESUS CHRIST. Alles singt und klingt und jublet, ihm der Daag jo gwidmet ischt.“ Wenn des Fescht versinkt in Obed, s Städtli ischt voll Weihrauchduft. ,,Gott zur Ehr – fer alle Ziite“ dismet d Sunn zum Obedluft. Gottfried Schafbuch t, Hüfingen, 20. 4.1947 356

Johannes Kaiser Masken 1: maa un frau Dote Danz chumm an mi obe chumm chumm unte aß mer d’bückel biege wie zwe halbmönd gege d’nacht in diine auge füürt’s un d’gsichter schmilze bis in eherne überwiiß du bisch i bi’s Mengg Liide het de DOKTER gheilt, hüt hän s’en pathologisch teilt. D’Frau LEHRERIN het ’s Wüsse gha. Ob’s echt so zuegoht änedra? De Unfall isch abgsperrt, de Laschter de FAHRER verglieiht, aß mer ’s Gsicht [ nümme chennt. [verbrennt, D’Frau BANKDIREKTER liit denebe, het usgwirtschaftet – ’s Geld bliibt lebe. Im Feuilleton chunnt ER endlich z’Gnade, un siini Biecher stöhn im Lade. Masken II: Frau, Maa, Dot Chumm, spil e Stuck vom Lebe mit, wo ’s an de Muure Schatte git. Un jede spilt, was kein verstoht. Di ebemäßig Maskegsicht het vo de gfurchte Ziit kei Bricht. Un d’Obesunne färbt der’s rot. Wer bisch, aß du mi chenne wodsch? Due, Lebe, was du züüge sodsch! Un in de Cheme schlat’s e Noht. Chumm, spil mit gege d’Muuren a, un niemer weiß, was änedra vo dene Muure stoht: Du, Frau, ’s verriißt mer ’s Himi schir. Du, Maa, mach, aß i d’Gschicht nümm [spür, wo scho im Afang ’s End dinn stoht. Am högschte han i glebt mit dir. Si hän SI gfunde mit ‚me Stich un göhn alls wiiter uf de Strich. So hämmer’s doch nit gmeint gha, BURSCH, aß weg’me Späßli ’s Loch ab surrsch! Seil MAIDLI cha sider kei Silbe meh sage, wo d’Fründin uf d’Strooß dätscht isch unter [e Wage. Ihr BIEBLI wird vom Chrampf nümm wach. Si hän jetz amme ghörig Chrach. E HÜÜFLI FLEISCH vom Nabel gschnitte – si schafft scho wider, het nüt glitte. 357

Verschiedenes Personen und Fakten Christa Lörcher rückte auf der Landes­ liste der SPD mit Wirkung vom 3. 9.1993 als Abgeordnete in den Deutschen Bundestag nach. Richard Krieg wurde am 26. 9.1993 bei einer Wahlbeteiligung von 60 0/o mit 98 0/o der gültigen Stimmen im ersten Wahlgang zum neuen Bürgermeister der Stadt Furt­ wangen gewählt. Er hat sein neues Amt am 1.1.1994 angetreten. Der bisherige Amtsinhaber Adolf Herb hat nach Ablauf von zwei Wahlperioden nicht wieder kandidiert. Jürgen Guse wurde am 24. 10. 1993 zum Bürgermeister von Bräunlingen wiederge­ wählt. Neben zwei Mitbewerbern setzte er sich mit 86,9 0/o der Stimmen bei einer Wahl­ beteiligung von 61,3 0/o durch. Die zweite Wahlperiode hat am 1.1. 1994 begonnen. Klaus Martin wurde am 7. 11. 1993 zum Bürgermeister von Triberg wiedergewählt. Neben drei Mitbewerbern setzte er sich mit 74,8 0/o der Stimmen bei einer Wahlbetei­ ligung von 63,10/o durch. Die zweite Wahl­ periode hat am 1. 2.1994 begonnen. Thomas K lüdtke ist am 9. 1. 1994 unter mehreren Mitbewerbern mit 66 0/o der gülti­ gen Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 79 0/o zum neuen Bügermeister von Güten­ bach gewählt worden. Er hat sein Amt am 1. 3. 1994 angetreten. Otto Sieber wurde am 6. 3. 1994 für eine 4. Amtsperiode als Bürgermeister der Ge­ meinde Niedereschach wiedergewählt. Er setzte sich unter drei Kandidaten mit 82,5 0/o der abgegebenen Stimmen durch. Die Wahl­ beteiligung betrug 72 0/o. 358 Priv. Doz. Dr. med. Ruprecht Zwirner, Chefarzt der Chirurgischen Abteilung im Kreiskrankenhaus Donaueschingen, tritt mit Wirkung vom 31.12.1994 in den Ruhestand. Nachfolger wird Priv. Doz. Dr. med. Richard Salm, der zuletzt Oberarzt an der Chirurgischen Universitätsklinik Freiburg war. Ludwig Käppeler wurde mit Wirkung vom 1. 10. 1993 Leiter des Saatbauamtes Donaueschingen, Außenstelle der Landes­ anstalt für Pflanzenbau Forchheim, und trat damit die Nachfolge von Herrn Wolfgang Zenz an (siehe Almanach 1994, Seite 359). Landwirtschaftsdirektor Walter Maier wurde mit Wirkung vom 1. 8.1993 Leiter des Amtes für Landwirtschaft, Landschafts- und Bodenschutz in Donaueschingen und trat damit die Nachfolge von Regierungsland­ wirtschaftsdirektor Otto Maier an (siehe Almanach 1994, Seite 359). Der Leiter des Amtes für Flurneuordnung und Landentwicklung Rottweil, das auch für den Schwarzwald-Baar-Kreis zuständig ist, Ltd. Vermessungsdirektor Joachim Heller, trat mit Ablauf des 31. 8.1994 in den Ruhe­ stand. Nachfolger wurde sein bisheriger Stellvertreter, Vermessungsdirektor Ger­ hard Schindele. Am 24.8.1994 fand ein weiteres Nachbar­ schaftstreffen mit einer kleinen Delegation aus dem Kanton Schaffhausen mit Herrn Regierungsrat Dr. Hans-Peter Lenherr an der Spitze statt. Der Besuch diente der Vertie­ fung der Kenntnisse über den Schwarzwald­ Baar-Kreis, wobei dieses Mal u. a. Bildungs­ fragen im Mittelpunkt standen.

Veränderungen in den Schulleitungen kreiseigener Schulen: – Oberstudiendirektor Erwin Eisenmann wurde mit Beginn des neuen Schuljahres 1993/94 Schulleiter der Albert-Schweit- zer-Schule, Haus- und Landwirtschaftli- ehe Schule, im Stadtbezirk Villingen. Er trat die Nachfolge von Herrn Oberstu- diendirektor Werner Huger an (siehe Almanach 1994, Seite 359). – Oberstudiendirektor Winfried Kapp, Leiter der Richard-Bürk-Schule, Gewerb- liehe Schulen im Stadtbezirk Schwennin- gen, ist mit Wirkung vom 31. 7.1994 in den Ruhestand getreten. Als Nachfolger hat Studiendirektor Helmut Brodbeck die Schule übernommen. Orden, Medaillen Nachstehende Personen aus dem gezeichnet: a) mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland: Schwarzwald-Baar-Kreis wurden seit Juni 1993 aus­ (Abkürz.: BVK I. Kl. = Bundesverdienstkreuz I. Klasse BVK a. B. = Bundesverdienstkreuz am Bande BVM = Bundesverdienstmedaille) Oberbürgermeister Dr. Bernhard Everke 13. 9.1993 BVK a. B. Karl Wiehl 16. 10.1993 BVK a. B. Josef Löffler 18. 1.1994 BVK a. B Donaueschingen Villingen-Schwenningen Stadtbezirk Mühlhausen Triberg-Nußbach b) mit der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg: Ewald Merkle Josef Weyers 30. 4.1994 28. 6.1994 Villingen-Schwenningen Villingen-Schwenningen c) mit der Zelter-Plakette: Gesangverein Biesingen 16. 4.1994 Bad Dürrheim-Biesingen d) mit der Lebensrettungsmedaille: Ruth und Lothar Hör 26. 4.1994 Hüfingen Arbeitslose in Prozentzahlen Stichtag Schwarzwald-Baar-Kreis Land Bundesgebiet 30. 6.1992 30. 6.1993 30. 6.1994 4,5 0/o 7,6 0/o 8, 7 0/o 4,2 0/o 6, 1 0/o 7,3 0/o West 5,6 0/o 7,0 0/o 8,0 0/o 359

Bevölkerungsentwicklung im Schwarzwald-Baar-Kreis Gemeinden Veränderungen in Zahlen + + 89 64 32 21 + 167 + 231 257 19 + 108 so + 15 + 54 138 13 8 57 + 35 + 56 + 366 64 + 526 in O/o + 0,78 + 0,60 0,55 0,41 + 5,40 + 1,15 2,46 1,26 + 1,56 0,84 + 0,49 + 1,04 0,95 0,47 0,18 0,95 + 1,38 + 1,82 + 0,45 1,47 + 0,25 Bad Dürrheim Blumberg Bräunlingen Brigachtal Dauchingen Donaueschingen Furtwangen Gütenbach Hüfingen Königsfeld Mönchweiler Niedereschach St. Georgen Schönwald Schonach Triberg Tuningen Unterkirnach Villingen-Schwenningen Vöhrenbach Kreisbevölkerung insgesamt Stand der Wohnbevölkerung 31.12.1992 11.446 10.721 5.855 5.061 3.092 20.141 10.429 1.507 6.925 5.986 3.076 5.177 14.572 2.751 4.471 5.995 2.540 3.074 80.949 4.341 208.109 31. 12. 1993 11.535 10.785 5.823 5.040 3.259 20.372 10.172 l .488 7.033 5.936 3.091 5.231 14.434 2.738 4.463 5.938 2.575 3.130 81.315 4.277 208.635 Ausländer in Zahlen Gemeinde Ausländer in gesamt Bad Dürrheim Blumberg Bräunlingen Brigachtal Dauchingen Donaueschingen Furtwangen Gütenbach Hüfingen Königsfeld Mönchweiler Niedereschach St. Georgen Schönwald Schonach Triberg Tuningen Unterkirnach Villingen-Schwenningen Vöhrenbach Gesamt 360 733 1.814 701 234 137 1.989 1.200 64 762 311 304 280 1.849 90 359 643 270 281 12.382 666 25.069 Türken 54 799 420 65 13 411 250 8 316 20 39 81 267 10 55 222 60 66 2.406 235 5.797 davon Jugoslawen Italiener 258 446 59 37 55 435 346 8 110 112 136 72 663 46 144 150 42 51 2.753 214 6.137 93 38 35 35 12 356 289 37 170 17 40 17 589 11 102 80 131 53 2.096 126 4.327 2. 3. 1994 Ausländer· anteil in 0/o ca. 6,3 15,7 12,1 4,7 4,0 9,8 11,8 4,0 10,9 5,3 9,8 5,5 12,8 3,3 8,1 10,7 10,6 9,0 15,3 15,5 12,0 Sonstige 328 531 187 97 57 787 315 11 166 162 89 IJO 330 23 58 191 37 111 5.127 91 8.808

Endgültige Ergebnisse der Europawahl am 12. Juni 1994 im Schwarzwald-Baar-Kreis Wahlbeteiligung Wahlberechtigte darunter mit Wahlschein Wähler davon Briefwähler ungültige Stimmen gültige Stimmen Von den gültigen Stimmen entfielen auf: CDU 45,090/o 39.615 SPD 22.472 25,58 0/o 11,890/o 10.449 GRÜNE 4,42 0/o REP 3.882 5.457 6,21 0/o F.D.P. 970 ÖDP 1,100/o LIGA 0,37 0/o 327 0,340/o 300 CM 0,120/o 108 BP BRB Solidarität 26 0,03 0/o 27 0,030/o BSA 595 0,68 0/o APD 62,80/o 147.989 10.157 92.941 8.591 5.085 87.856 Bund freier Bürger DSU GRAUE Naturgesetz Unregierbare -A.L. NPD FORUM PBC PASS PDS Plattform Europa STATT-Partei 612 95 613 238 98 322 64 505 110 311 30 630 0,700/o 0,110/o 0,700/o 0,270/o 0,110/o 0,370/o 0,070/o 0,570/o 0,130/o 0,350/o 0,030/o 0,720/o Ergebnis der Kreistagswahl vom 12. Juni 1994 Zahl der zu wählenden Kreistagsmitglieder 56 Ausgleichssitze 10 66 Mitglieder des Kreistags insgesamt Wahlberechtigte im Landkreis 147.010 92.769 Wähler Wahlbeteiligung 63,10/o ungültige Stimmzettel 4.401 88.368 gültige Stimmzettel abgegebene gültige Stimmen 957.134 Stimmen insgesamt für: 35,570/o CDU 25,690/o SPD FWV 17,570/o F.D.P. 7,180/o GRÜNE 9,980/o F.U.B.DLVH 1,200/o 2,800/o 340.450 245.917 168.202 68.750 95.555 11.446 26.814 26 Sitze (+ 1) 17 Sitze (+3) lOSitze (+2) 6 Sitze (-1) 6 Sitze (+ 1) O Sitze 1 Sitz (+ 1) 361

Farbaufnahmen und Fotonachweis Die Farbaufnahmen auf der Titel- und Rückseite stammen von German Hasenfratz, Hüfingen. Motiv Titelseite: Landesgartenschau Bad Dürr­ heim 1994 Motiv Rückseite: Dorfidylle Abbildungsnachweis zur Seite 222. Hans-Günther Ziegler, Karl Rudolf Schäfer, Hans Georg Müller-Hanssen – Ein Maler des Vertrauten. Wir danken an dieser Stelle dem Verlag Hermann Kuhn GmbH und Co. KG für die freundliche Abdruckgenehmigung. Wir danken dem Badischen Landesmuseum Karl ruhe für die Genehmigung zum Abdruck der Fotos auf den Seiten 225 bis 230. Fotonachweis: Soweit bei den einzelnen Beiträ­ gen die Bildautoren nicht namentlich hier ange­ führt werden, stammen die Fotos jeweils vom Ver­ fasser des betreffenden Beitrages. Mit Fotos sind ferner im Almanach vertreten (die Zahlen nach der Autorenangabe beziehen sich auf die jeweilige Textseite): Klaus-Peter Friese 5; Gerhard )anke 6 links, 323; Stefan Ummenhofer 6 rechts; privat 7, Sabine Schnerring 8; Hans Kaltenbach 9; Anette Michel 11 oben; Jochen Hahne 11 unten; Kreisarchiv Schwarzwald-Saar 14; Helmut Groß 15, 19, 112, 113, 114, llS, 193, 238, 318, 319; Landesberufs­ schule für das Hotel- und Gaststättengewerbe 27, 28, 29, 30, 339; Realschule Triberg 31, 32; Schwarzwälder Bote 36; Institut für Mikro- und Informationstechnik 43, 44, 45, 46, 48; Ernst Reinhardt GmbH 50, 51; AZ-Armaturen GmbH & Co. KG 52, 53, 54; Sto AG 55, 56, 57; Siedle­ Warmpreßteile 59, 60, 61; E. Wehrle GmbH 63, 64, 65, 66; Stadtarchiv Villingen-Schwenningen 68, 69, 70; Uta Paula Kaltofen-Sommerhuber 71, 72; Eurokorps 83; Georg Goerlipp 124, US, 126; Stadtarchiv Blumberg 135, 136; German Hasen­ fratz 148, 149, 151, 152, 206, 208, 267, 269, 271, 272, 274, 275, 276, 277, 278, 279, 280, 355; Bernhard Prillwitz 154, 155, 156, 157, 158; Manfred Beathalter 159, 160; F. F. Brauerei KG 163, 164;Jean Jerras 167, 168, 169, 170, 171, 172, 173; Ulrich Schnitzer 194, 196, 197, 198, 199, 202 unten, 204; Wolfgang Brotz 211, 212, 213; Christiana Steger 220; Renate Schey 240; Katharinenhöhe 241, 242, 243; Foto-Krieg 245,247; Foto Maier GmbH 249; Michael Witfer 252, 253, 254; Kreiskrankenhaus Donaueschingen 255; Nachsorge-Klinik Hohen­ stein 260, 263; tuttgarter Luftbild Elsäßer GmbH 266; RalfRoth 285; Hansjörg Hall 287 oben links; Erwin K.ienzler 311; Erwin Eberwein 315, 316; Rupprecht Lucke 320; Paul Müller 327, 328; Heimatmuseum Villingen-Schwenningen 330, 332, 335. 362 Repro-Service Kötz, Villingen-Schwenningen.

Die Autoren unserer Beiträge AJbicker,Josef, 78183 Hüfingen-Hausen vor Wald (verst.) Armbruster, Annemarie, Prälat-Fries-Straße 11, 78098 Triberg Barthillat, lsolde, Obertal 29, 78120 Furtwangen-Rohrbach Barthillat, Jacques, Obertal 29, 78120 Furtwangen-Rohrbach Sender, Bruno, Friedenstraße 18, 78136 Schonach Benzing, Karl, Rottweiler Straße 84, 78056 Villingen-Schwenningen Billing, Horst, Direktor des Arbeitsamtes Villingen-Schwenningen, Lantwattenstraße 2, 78050 Villin­ gen-Schwenningen Blessing, Gerhard, Floriweg 6, 78052 Villingen-Schwenningen, Stadtbezirk Herzogenweiler Bökenkamp, Renate, Redakteurin, Schwarzwaldstraße 4, 78112 St. Georgen Braun, Bruno, Tannheimer Straße 24, 78166 Donaueschingen-Wolterdingen Bühl, Hartmut, Oberst i. G., 36, Rue du General Offenstein, F-67100 Strasbourg Sülle, Wolfgang, Hindenburgstraße 16, 79183 Waldkirch Conradt, Uwe, Friedrichstraße 36, 78073 Bad Dürrheim Dieterle, Jörg, Landesgartenschau GmbH, Luisenstraße 4, 78073 Bad Dürrheim Dold, Wilfried, Waldstraße 13, 78147 Vöhrenbach Fischer, Annemarie, Schuraer Straße 2, 78056 Villingen-Schwenningen, Stadtbezirk Weigheim Forster, Ingrid, Schleicherstraße 4, 78050 Villingen-Schwenningen Fritschi, Käthe, Karl-Bromberger-Straße 5, 78183 Hüfingen Frohs, Bernd, Teckstraße 5, 78056 Villingen-Schwenningen Göppert, Hans, Robert-Gerwig-Straße 22, 78141 Schönwald Goerlipp, Georg, Hindenburgring 10, 78166 Donaueschingen Gojowczyk, Rainer, Hegistraße 19, 78166 Donaueschingen-Aasen Groß, Helmut, Am Schwalbenhaag 1, 78048 Villingen-Schwenningen Gülke, Dr. Christian, Zentrale Anästhesie-Abteilung, Kliniken der Stadt Villingen-Schwenningen Günzler, Dr. Rainer, Wilhelm-Schickard-Straße 10, 78052 Villingen-Schwenningen Gutknecht, Dr. Rainer, Landrat, Am Hoptbühl 2, 78048 Villingen-Schwenningen Haas, Berthold, Architekt Dipl.-Ing., Gewerbehallestraße 10, 78112 St. Georgen Häfele, Dr. Hansjörg, Staatssekretär a. D., Bauschengasse 17, 78073 Bad Dürrheim Hagmann, Gerhard, Bürgermeister, Luisenstraße 4, 78073 Bad Dürrheim Haller, Johann, Buchenberger Straße 30, 78126 Königsfeld Heidinger, Werner, Oberregierungsrat, Geschwister-Scholl-Straße 22a, 78166 Donaueschingen Henckell, Jürgen, Schriftsteller und Grafiker, Buchbergstraße 3, 78176 Blumberg Henker, Lars, Lantwattenstraße 2, 78050 Villingen-Schwenningen Hermanns, Martin, Oberer Sonnenbühl 23, 78052 Villingen-Schwenningen, Stadtbezirk Pfaffenweiler Herr, Horst, Realschulrektor, lgnatz-Schöller-Straße 1, 78098 Triberg Hettich, Peter, Lindenstraße 11, 78050 Villingen-Schwenningen Hohloch, Werner, Geschwister-Scholl-Straße 29, 78166 Donaueschingen Huber-Wintermantel, Susanne, M. A., Bräunlinger Straße 6, 78183 Hüfingen Huger, Werner, Oberstudiendirektor i. R., Färberstraße 1, 78050 Villingen-Schwenningen Hupfer, Hermann, Architekt Dipl.-Ing., Lohrstraße 7, 78052 Villingen- chwenningen, Stadtbezirk Rietheim Jacobs, Dr. Friedrich, Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Sternwaldstraße 14, 79102 Triberg Jäckle, Alexander, Bergstraße 10, 78098 Triberg Kalb, Roland, Albstraße 7, 78083 Dauchingen Kaiser, Johannes, Weiberstraße 13, 78050 Villingen-Schwenningen Keintzel, Gusta, Im Tuppens 8, 26632 Ihlow-Westerende Kienzler, Erwin, Grubweg 15, 78136 Schonach Klepper, Dieter, AJbbLickweg 1, 78112 St. Georgen Kropfreiter, Engelbert, Tuttinestraße 12, 78199 Bräunlingen Kubach, Dr. Rudolf, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer, Romäusring 4, 78050 Villingen-Schwenningen Lamka, Arthur, Reuterstraße 155, 51465 Bergisch Gladbach Lauterwasser, Erwin, Forstpräsident, Forstdirektion Freiburg, Bertoldstraße 43, 79098 Freiburg Leibold, Wilfried, Tuninger Straße 3, 78056 Villingen-Schwenningen, Stadtbezirk Mühlhausen Letule, Hans, Dipl-.Ing., Rathausstraße 14, 78086 Brigachtal Maier, Stephan, Katharinenhöhe, Oberkatzensteig II, 78141 Schönwald 363

Maiwald, Klaus, Bahnhofstraße 85/1, 71282 Hemmingen Mengesdorf, Gerhard, Ginsterweg 78, 78112 St. Georgen Mink, Dieter, Fichtenstraße 4, 78078 Niedereschach Müller, Hans, Martin-Reinemann-Straße 3, 78176 Blumberg Murr, Eugen, Angerweg 5, 78166 Donaueschingen Neugart, Elisabeth, Langstraße 4, 78050 Villingen-Schwenningen Opp, Margot, Weierweg 10, 79lll Freiburg Petereit, Thomas, Champagnolestraße 37, 78244 Gottmadingen Prillwitz, Bernhard, Schwimmbadstraße l, 78176 Blumberg Reichmann, Antonia, Kunsthistorikerin M. A., Auf der Staig 42, 78166 Donaueschingen Reimer, Dietrich, Kiefernweg 34, 78176 Blumberg Reinartz, Dr. Manfred, Beroldingerstraße 27, 78078 Niedereschach Renn, Wendelin, tädt. Galerie, Friedrich-Ebert-Straße 35, 78054 Villingen-Schwenningen Rimmele, Emil, Bürgermeister i. R., Ludwig-Uhland-Straße 8, 78141 Schönwald Schade, Konrad, Redakteur, Schillerstraße 10, 78048 Villingen-Schwenningen Schäller, Dr. Gerhard, Sindelfinger Straße 49, 72070 Tübingen Schafbuch, Gottfried, Hüfingen (verst.) Schnibbe, Prof. Klaus, Ilbenstraße 50, 78120 Furtwangen Schreger-Benz, Doris, Föhrenweg 7, 78078 Niedereschach Schultheiß, Jochen, Blauenweg 25, 78112 St. Georgen Schwab, Klaus, Zemberweg 26, 78052 Villingen-Schwenningen, Stadtbezirk Marbach Siebold, Rudolf, Kirchweg 10, 78073 Bad Dürrheim Siegert, Wolfgang, Ludwigstraße 1, 78098 Triberg Steger, Christiana, Birkenweg 8, 78176 Blumberg Starz, Klaus, Güterbahnhofstraße 1, 78048 Villingen-Schwenningen Stromheck, Rosemarie, Freifrau von, Sandsteinweg 33, 78078 Niedereschach Sturm, Dr.Joachim, Baarstraße 12, 78166 Donaue chingen-Pfohren Vogt, Alfred, Bürgermeister i. R., Bergstraße 20, 78098 Triberg Vogt, Josef, Hauptstraße 17, 78086 Brigachtal Volk, Karl, Untertal 19, 78098 Triberg-Gremmelsbach Wagner, Lothar, Im Tal 17, 78JJ2 St. Georgen-Langenschiltach Wolfert, Karl-Josef, Langes Gewann 15, 78052 Villingen-Schwenningen, Stadtbezirk Pfaffenweiler 364

Inhaltsverzeichnis Impressum Ehrenliste der Freunde und Förderer Heimat und die Menschen / Landrat Dr. Rainer Gutknecht Aus dem Kreisgeschehen Kreispolitik 1994 / Landrat Dr. Rainer Gutknecht Polizei mit Kreiswappen Altlandrat Dr. Robert Lienhart wurde 85 Jahre alt Keine Standortsuche mehr für eine Sondermülldeponie in Tuningen/Talheim Frühling / Gedicht von Margot Opp Unsere Städte und Gemeinden, Wappen Rietheim / Dr. Joachim Sturm Es Laibli / Gedicht von Elisabeth Neugart Das Wappen von Rietheim / Prof. Klaus Schnibbe Langenschiltach / Dr.Joachim Sturm Das Wappen von Langenschiltach / Prof. Klaus Schnibbe Schlechte Troscht / Gedicht von Gottfried Schafbuch Hondingen / Hans Müller Das Wappen von Hondingen / Prof. Klaus Schnibbe Das Wappen der Stadt Vöhrenbach / Prof. Klaus Schnibbe Schulen und Bildun_gseinrichtungen 30 Jahre Landesberufsschule für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Villingen / Josef Vogt 25 Jahre Realschule Triberg / Horst Herr Wirtschaft und Gewerbe Wirtschaftsfaktor Tourismus/ Dr. Rudolf Kubach „Eine Region in Not“ – der Arbeitsmarkt im Schwarzwald-Baar-Kreis I Horst Billing und Lars Henker Institut für Mikro- und Informationstechnik in Villingen-Schwenningen – Ernst Reinhardt GmbH – Ein Villinger Maschinenbauunternehmen mit Neue Technologien für die Region?/ Dr. Rainer Günzler weltweiten Verbindungen / Klaus Storz Firma AZ-Armaturen GmbH & Co. KG in Mönchweiler – Hersteller von Sonderarmaturen / Emil Rimmele Sto AG – Das Stühlinger Unternehmen investierte 30 Millionen in sein neues Werk in Donaueschingen / Thomas Petereit Siedle-Warmpreßteile, Vöhrenbach/ Wilfried Dold E. Wehrle GmbH, Präzisionstechnik, Furtwangen – ein erfolgreiches Unternehmen seit mehr als 150 Jahren / Isolde BarthiUat Vor 50 Jahren – Erinnerungen an den Luftkrieg Bombenangriffe auf Schwenningen / Karl Benzing Luftkrieg und Bomberabstürze in Obereschach und Niedereschach / Werner Huger Persönlichkeiten der Heimat Der Finanzwissenschaftler Prof. Dr. Heinz Haller 80 Jahre alt – Ein bedeutender Sohn Schwenningens / Staatssekretär a. 0. Dr. Hansjörg Häfele Der Kirchturm / Gedicht von Margot Opp Generalleutnant Helmut Willmann – Noch heute mit Bräunlingen verbunden / Oberst i. G. Hartmut Bühl Dr. med. Peter Graf zu Dohna – Der langjährige Chefarzt der Medizinischen Klinik Schwenningen ist in den Ruhestand getreten / Dr. Christian Gülke Martin Wentz – Vielseitig aktiv als Land- und Forstwirt sowie Kommunalpolitiker/ Gerhard Mengesdorf 1 2 3 4 6 7 11 12 13 15 17 18 21 21 22 24 25 27 31 34 35 43 49 52 55 59 63 68 74 80 81 82 84 87 365

Martha Held -Schwester aus Leidenschaft / Annemarie Fischer Pia Brenner -Ein Leben im Dienst für den Nächsten / Gusta Keintzel Der Blumenstrauß / Gedicht von Christiana Steger Otto Maier -Ein sachkundiger und unermüdlicher Anwalt der Landwirtschaft/ Klaus Schwab Das Gras / Gedicht von Magrot Opp Emil Schafbuch -Er hat sich mit seinen Fähigkeiten in das Gemeindeleben eingebracht/ Käthe Fritschi Karl Wiehl -Im Dorf verwurzelt -dem Umland verbunden/ Wilfried Leibold In memoriam -Mohrenwirt Albert Weisser -Er gestaltete das Gemeindeleben über vier Jahrzehnte mit/ Dieter Mink Oskar Steiger -Seine Liebe gilt der Mu ik und Mathematik/ Christiana Steger Erwin Mayer -ein Schulmann mit Idealismus / Käthe Fritschi Erinnerungen an Fritz Schultheiß / Jochen Schultheiß Die Geschwister Barth aus Riedöschingen oder: Die Kompromißbach-Musikanten / Jürgen Henckell Horst Klink -Ein Feuerwehrmann mit Geschichtsinteres e / Renate Bökenkamp Heiteres aus dem Klosterleben St. Ursula Frau M. Lidwina Wang, 1901-1988 / Helmut Groß Katzenfete auf dem Klosterdach / Gedicht von Helmut Groß Lyrik von Christiana Steger Kirchen Geliebt und unvergessen -Klemens Maria Hofbauer -Der große Heilige wirkte in Triberg / Alexander Jäckle P.Florin (Alfons) Volk/ Karl Volk Die Fürstliche Gruftkirche von Theodor Dibold in Neudingen / Antonia Reichmann M. A. Wie Langenschiltach zu seiner Kirche kam / Lothar Wagner Die St. Konradskirche von Rietheim wurde erweitert und renoviert/ Hermann Hupfer Vor 25 Jahren gestorben: Augustin Kardinal Bea Die Feierlichkeiten aus Anlaß des 25. Todestages von Augu tin Kardinal Bea in Riedböhringen I Käthe Fritschi Das Kardinal-Bea-Museum in Riedböhringen / Käthe Fritschi Museen Fürstlich-Fürstenbergische Sammlungen in Donaueschingen -Maria Verkündigung – Annuntiatio, Luk. l, 26-38 / Martin Hermann Das Hüfinger Stadtmuseum für Kunst und Ge chichte / Käthe Fritschi Das Blumberger Eisenbahnmuseum / Dietrich Reimer In Donaueschingen: Max-Rieple-Archiv -Leben und Werk des bekannten Schriftstellers werden wachgehalten / Ar.�hur Lamka Das Brauerei-Museum der FURSTENBERG-Brauerei / Werner Hohloch Baudenkmäler, Ortssanierung Die Grusen-Villa in Schwenningen -Der Bau dokumentiert wirtschaftliche Prosperität / Dr. Friedrich Jacobs Die Villa Dolly in Donaueschingen / Georg Goerlipp Die „Alte Färbe“ in Furtwangen wurde saniert / Jacques Barthillat Altes Haus mit neuem Sinn -Das „Werk-und Veremshaus“ in Klengen, Gemeinde Brigachtal / Bruno Braun Ein Kleinod in der Baar: ,,’s groß Hus“ in Biesingen -Der Altvogtshof stammt aus dem Jahre 1738 / Rudolf Siebold Jahreszeiten / Gedicht von Christiana Steger Die Schloßmühle im Glasbachtal / Johann Haller 366 89 91 92 93 94 95 97 98 101 103 105 106 108 111 114 115 116 121 123 127 130 134 137 144 147 153 158 162 166 174 178 181 185 186 187

Kreuze im Schwarzwald-Baar-Kreis Das Bärenkreuz zwischen Hubertshofen und Bubenbach / Engelbert Kropfreiter Das Gickelekreuz von Fützen / Bernhard Prillwitz Erinnerungen an den Bregtäler / Gedicht von Eugen Murr Probleme / Gedicht von Christiana Steger Der Schwarzwald-Baar-Kreis in Farben (Einlage) De Bärneder (= Barometer) / Gedicht von Gottfried Schafbuch Alte Schwarzwaldhöfe Der Obere Gschwendhof in Gütenbach / Berthold Haas Kunst und Kultur Albert Hien – Der Künstler der beiden Kunstwerke am Landratsamt: ,,Kuckucksuhr“ und „Baar-Teller“ / Uwe Conradt Zeitgenössische Kunst in der Fabrik – Vom „Gesicht“ der Schwenninger Firma Carl Hornung (1876-1969) – Maler und Bräunlinger Ehrenbürger I Benzing Zeit und Daten / Wendelin Renn Susanne Huber-Wintermantel M. A. Kind und Kunst / Jürgen Henckell Brauchtum Hermann Schlenker – Ein weltläufiger Schwenninger vermittelt als Filmproduzent den Zugang zu fremden Kulturen und einheimischem Brauchtum / Rosemarie Freifrau von Strombeck der Tracht im 19. Jahrhundert / Susanne Huber-Wintermantel M. A. Die Trachtendarstellungen Lucian Reichs – Zugleich ein Beitrag zur Dokumentation Göttebriefe – Geschrieben und gemalt für das Leben und das Leben danach / Dieter Klepper bundeni hoor / Gedicht von Johannes Kaiser Der Herbst / Gedicht von Margot Opp Sagen der Heimat Burg Zindelstein / Gerhard Blessing Der Mord auf dem Längeschloß I Bernhard Prillwitz Gesundheit, Soziales Die Katharinenhöhe – Eine Modelleinrichtung der Arbeiterwohlfahrt, Bezirksverband Baden e. V., entwickelt ein wegweisendes Konzept im Gesundheitswesen / Stephan Maier Parkinson-Pilotprojekt Königsfeld / Wolfgang Bülle Ein kleines Krankenhaus mit einem großen Namen – Seit 23 Jahren besteht das Krankenhaus Furtwangen / Konrad Schade Luftrettung im Schwarzwald-Baar-Kreis hat sich bewährt / Rainer Gojowczyk Neuer Computertomo�raph für das Kreiskrankenhaus Donaueschingen Das Don-Bosco-Heim m Furtwangen – Mehr als nur ein Jugendwohnheim / Isolde Barthillat Vom Kaufmanns-Erholungsheim Badener Hof zur Nachsorge-Klinik Hohenstein Triberg/ Alfred Vogt und Wolfgang Siegert Landesgartenschau 1994 in Bad Dürrheim Stadt Bad Dürrheim – Landesgartenschau 1994 – ein großartiges Erlebnis / Landesgartenschau 1994 in Bad Dürrheim vom 29. April bis 9. Oktober/ Jörg Dieterle Herbscht / Gedicht von Johannes Kaiser Gerhard Hagmann Landschaft, Heimische Tierwelt Einklang zwischen Naturschutz, Erholung und Wintersport am Rohrhardsberg – ein Modellprojekt / Forstpräsident Erwin Lauterwasser 1 89 190 192 192 193 194 205 210 215 218 221 225 232 236 236 237 239 241 245 248 252 255 257 260 266 268 281 282 367

Die Wutach / Roland Kalb Der Wildpflanzenpark Unterkirnach – ein ökologisches Parkkonzept/ Klaus Maiwald Wetter / Christiana Steger Betrachtungen und Beobachtungen über das Rehwild / Erwin Kienzler An der Wasserscheide Gutach und Elz – Der abflußlose „Blindensee“ bei Schonach / Bruno Bender Fossiliensammeln im Schwarzwald-Baar-Kreis / Bernd Frohs Naturdenkmäler im Schwarzwald-Baar-Kreis / Werner Heidinger Alte Obstsorten in Brigachtal wiederentdeckt/ Hans Letule Vorfrühling – Vorherbst / Gedichte von Josef Albicker Mi Bitt‘ a dech / Gedicht von Gottfried Schafbuch Tourismus Das Radwegegrundnetz Baden-Württemberg im Schwarzwald-Baar-Kreis – jetzt auch gut beschildert – Ein Baustein für den sanften Tourismus / Dr. Gerhard Schäller Gastronomie Beliebtes Ausflugsziel im Groppertal – Gasthaus .Forelle“ / Ingrid Forster Der Schwenninger Gasthof .Zum Rößle“ -Jahrzehnte hindurch kultureller Mittelpunkt von Schwenningen / Dr. Manfred Reinartz Baden-württembergische Jugendmeisterschaften in den gastgewerblichen Ausbildungsberufen – Landesberufsschule für das Hotel- und Gaststättengewerbe bringt immer wieder Deutsche Meister hervor/ Karl-Josef Wolfert Zwei internationale Service-Wettbewerbe in Bad Dürrheim Kriesiärn i de Boor / Gedicht von Gottfried Schafbuch Sport Christof Duffner – Olympia-Gold für einen Schönwälder Skispringer/ Hans Göppert Schonacher HansjörgJäkle: Karriere mit Hindernissen – Steiniger Weg zum Olympia- Mannschaftsgold in Lillehammer / Peter Hettich Schach matt – aber nicht für Bogoljubow – In Triberg ist der Schachgroßmeister nicht vergessen / Renate Bökenkamp Prosa und Lyrik aus unserer Heimat Als Großmutter noch lebte / Annemarie Armbruster Eines Morgens / Karl Volk Wilhelm Hausenstein und Triberg – Die Erwähnung Tribergs in seinem umfangreichen literarischen Werk/ Karl Volk Die Sage vom „Hölzlekönig“ / Doris Schreger-Benz De Herrgottsdag / Gedicht von Gottfried Schafbuch Gedichtseite / Johannes Kaiser Verschiedenes Personen und Fakten Orden, Medaillen Arbeitslose in Prozentzahlen Bevölkerungsentwicklung im Schwarzwald-Baar-Kreis Ausländer in Zahlen Endgültige Ergebnisse der Europawahl am 12.Juni 1994 im Schwarzwald-Baar-Kreis Ergebnis der Kreistagswahl vom 12. Juni 1994 Farbaufnahmen und Fotonachweis Die Autoren unserer Beiträge Inhaltsverzeichnis 368 290 298 305 306 310 312 317 319 321 322 323 327 329 338 339 340 341 343 345 348 350 351 353 355 357 358 359 359 360 360 361 361 362 363 365